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PROLETARIER ALLER LÄNDER, VEREINIGT EUCH! LENIN WERKE 38

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PROLETARIER ALLER LÄNDER, VEREINIGT EUCH!

LENINWERKE

38

HERAUSGEGEBEN AUF BESCHLUSSDES IX. PARTEITAGES DER KPR (B) UND DES

II. SOWJETKONGRESSES DER UdSSR

DIE DEUTSCHE AUSGABE ERSCHEINTAUF BESCHLUSS DES ZENTRALKOMITEESDER SOZIALISTISCHEN EINHEITSPARTEI

DEUTSCHLANDS

INSTITUT FÜR MARXISMUS-LENINISMUS BEIM ZK DER KPdSU

WI.LENINWERKE

INS DEUTSCHE ÜBERTRAGENNACH DER VIERTEN RUSSISCHEN AUSGABE

DIE DEUTSCHE AUSGABEWIRD VOM INSTITUT FÜR MARXISMUS-LENINISMUS

BEIM ZENTRALKOMITEE DER SED BESORGT

DIETZ VERLAG BERLIN

1964

WI.LENINBAND 38

PHILOSOPHISCHE HEFTE

DIETZ VERLAG BERLIN

1964

Rassischer Originaltitel:

B. H. JIEHHH • COHHHEHHH

Dietz Verlag GmbH, Berlin •! . Auflage 1964Printed in the German Democratic Repuilic • Alle Rechte vorbehalten

Lizenznummer 1Gesamtherstellung: LVZ-Druckerei „Hermann Duncker", Leipzig, 11118 138

ES 1 C • EVP 7,50

VII

VORWORT

Der vorliegende Band der Werke W. I. Lenins* besteht aus Kon-spekten, Fragmenten und Notizen zu verschiedenen Büchern undArtikeln philosophischen Inhalts sowie Auszügen aus philosophischenSchriften, die zu Lenins persönlicher Bibliothek gehörten und Rand-bemerkungen bzw. Anstreichungen Lenins enthalten.

Die meisten Manuskripte der im vorliegenden Band enthaltenenKonspekte, Fragmente und Notizen wurden zum erstenmal in denJahren 1929 und 1930 in den Lenin-Sammelbänden IX und XII ver-öffentlicht; diese Materialien wurden in der Zeit von 1933 bis 1947fünfmal als Einzelausgabe unter dem Titel „Philosophische Hefte"herausgegeben und erschienen 1958 als Band 38 der 4. Ausgabeder "Werke W. I. Lenins. Ihrem Umfang nach unterscheiden sichdie bisherigen Ausgaben jedoch etwas voneinander; am voll-ständigsten war die letzte Ausgabe, der gegenüber der vorliegendeBand zusätzlich die zum erstenmal veröffentlichten BemerkungenLenins in Josef Dietzgens Buch „Kleinere philosophische Schrif-ten" sowie die bereits früher veröffentlichten Bemerkungen inJ. M. Steklows Buch „N. G. Tschernyschewski, sein Leben und"Wirken" enthält; einige Auf Zeichnungen aus den Leninschen,,Heftenzum Imperialismus", die in Band 28 der 5. russischen Ausgabe derWerke** enthalten sind, wurden in den vorliegenden Band nichtwieder aufgenommen.

* Der deutschen Ausgabe des achtunddreißigsten Bandes der WerkeW. I. Lenins liegt Band 29 der 5. russischen Ausgabe zugrunde, der 1963 vomInstitut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU herausgegebenwurde. Der Übers.

** Band 39 der deutschen Ausgabe der Werke "W. I. Lenins. Der Übers.

VIII Vorwort

Die verschiedenen Ausgaben der „Philosophischen Hefte" unter-scheiden sich jedoch nicht nur dem Umfang nach, sondern auch hin-sichtlich der Anordnung der Dokumente; der vorliegende Band be-steht aus drei Abteilungen, in denen jeweils mehr oder weniger gleich-artiges Material zusammengefaßt wurde. Die erste Abteilung enthältKonspekte und Fragmente, die zweite verschiedene Notizen zu Bü-chern, Artikeln und Rezensionen über philosophische Literatur unddie dritte Auszüge aus Büchern mit Bemerkungen und Anstreichun-gen Lenins. Innerhalb der Abteilungen sind die Dokumente chrono-logisch geordnet, und zwar — da nur sehr wenige Dokumente vomVerfasser datiert wurden - auf Grund von früher oder im Prozeß derArbeit am vorliegenden Band indirekt festgestellten Daten.

Zum Unterschied von der 4. russischen Ausgabe der "WerkeW. I. Lenins, in der die „Philosophischen Hefte" als Zusatzbanderschienen, wurden sie in der 5. russischen Ausgabe in die Periode desersten Weltkriegs eingeordnet, in der der größte Teil der Konspekte,Fragmente und Aufzeichnungen entstand. Zu diesem Zeitpunkt kon-spektiert Lenin die „"Wissenschaft der Logik" und - parallel hierzu -den ersten Teil der „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaf-ten" von Hegel sowie dessen „Vorlesungen über die Geschichte derPhilosophie" und „Vorlesungen üb er die Philosophie der Geschichte",Feuerbachs Werk „Darstellung, Entwicklung und Kritik der Leibniz-schen Philosophie", Lassalles Buch „Die Philosophie Herakleitos desDunklen von Ephesos", die „Metaphysik" des Aristoteles sowie eineReihe weiterer philosophischer und naturwissenschaftlicher Bücher.Diese Konspekte und Aufzeichnungen sind in acht gleichen Heftenmit blauem Umschlag enthalten, die von Lenin „Hefte zur Philoso-phie. Hegel, Feuerbach und Verschiedenes" betitelt wurden; zu dieserReihe gehört auch der auf einzelne Blätter geschriebene Konspektzu Feuerbachs „Vorlesungen über das Wesen der Religion", derfrühestens 1909 entstand.

Die Leninschen Fragmente stehen in den Heften teils für sich ge-sondert - z. B. der „Plan der Dialektik (Logik) Hegels" oder „ZurFrage der Dialektik" - , teils sind sie in den Text der Konspekte ein-gestreut (so steht das Fragment über die Elemente der Dialektik imKonspekt zur „Wissenschaft der Logik", das Fragment über die Er-

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kenntnistheorie im Konspekt zu Lassalles Buch usw.). Die philoso-phischen Konspekte, Fragmente und Aufzeichnungen aus den Jah-ren 1914/1915 lassen darauf schließen, daß Lenin beabsichtigte, einespezielle Arbeit über die Dialektik zu schreiben. Obgleich Leninnicht mehr zur endgültigen Bearbeitung dieser Materialien gekom-men ist, sind sie auch in der vorliegenden Form von großer Bedeu-tung für die Entwicklung der marxistischen Philosophie.

Die „Philosophischen Hefte" enthalten ebenso wie das Buch„Materialismus und Empiriokritizismus" einen unschätzbaren Ideen-reichtum und sind von außerordentlicher theoretischer und politi-scher Bedeutung. Zusammen mit dem Buch „Materialismus undEmpiriokritizismus" bilden sie das Fundament der Leninschen Etappein der Entwicklung des marxistischen philosophischen Denkens. "Wäh-rend Lenin in seinem philosophischen Hauptwerk den Grundfragendes philosophischen Materialismus besondere Aufmerksamkeitschenkt, ist der zentrale Punkt der „Philosophischen Hefte", sozu-sagen der Brennpunkt, in dem die die verschiedensten Wissens-gebiete berührenden Leninschen Ideen zusammenlaufen, die materia-listische Dialektik, ihre wichtigsten Gesetze und Kategorien, die Ge-schichte der Herausbildung dieser Gesetze und Kategorien und ihreBedeutung für die -Gesellschaftswissenschaften und die Naturwissen-schaft, der dialektische Charakter der Entwicklung der Technik. Dieidealistische Dialektik Hegels, die dialektischen Ideen Heraklits,Leibniz' und anderer Philosophen dienen Lenin als Ausgangsmate-rial für die Weiterentwicklung der materialistischen, marxistischenDialektik.

In der Epoche der äußersten Verschärfung aller Widersprüche desKapitalismus und des Heranreifens einer neuen revolutionären Krisegewann die materialistische Dialektik besondere Bedeutung: nur vonihrem Standpunkt aus konnte der imperialistische Charakter desKrieges aufgedeckt, konnten die Sophistik und der Eklektizismus derFührer der II. Internationale, ihr Opportunismus und Sozialchauvi-nismus entlarvt werden. Die Bedeutung der „Philosophischen Hefte"für die Entwicklung des Marxismus-Leninismus zeigen ganz beson-ders solche Werke Lenins aus jener Zeit wie „Der Imperialismus alshöchstes Stadium des Kapitalismus", „Sozialismus und Krieg",

X Vorwort

„Über die Losung der Vereinigten Staaten von Europa", „Über dieJunius-Broschüre", „Die sozialistische Revolution und das Selbst-bestimmungsrecht der Nationen" und andere. Die Leninsche Ana-lyse der grundlegenden Probleme der materialistischen Dialektikspielte eine bedeutende Rolle bei der Ausarbeitung der marxistischenTheorie des Imperialismus, bei der Entwicklung der Theorie der sozia-listischen Revolution, der Lehre vom Staat, der Strategie und Tak-tik der Partei. "Wenn man die „Philosophischen Hefte" nicht kennt,kann man die gesamte weitere Entwicklung der marxistischen Philo-sophie durch Lenin in späteren Werken, wie z.B. in den Arbeiten„Staat und Revolution", „Noch einmal über die Gewerkschaf-ten . . . " , „Der ,linke Radikalismus', die Kinderkrankheit im Kom-munismus", „Über die Bedeutung des streitbaren Materialismus"und anderen nicht verstehen.

Die philosophischen Konspekte, Fragmente und AufzeichnungenLenins sind richtungweisend für die weitere Entwicklung des dialek-tischen und historischen Materialismus und der wissenschaftlichenGeschichte der Philosophie. „Die Fortführung des Werks von Hegelund Marx", schrieb Lenin, „muß in der dialektischen Bearbeitungder Geschichte des menschlichen Denkens, der Wissenschaft undder Technik bestehen." (Siehe den vorliegenden Band, S. 137.) Diematerialistische Dialektik, wie sie Lenin in den „PhilosophischenHeften" entwickelte, ist von großer methodologischer Bedeutung fürdie Erforschung der Gesetzmäßigkeiten des Aufbaus der kommuni-stischen Gesellschaft,für die Analyse der Widersprüche des modernenKapitalismus, für die Festlegung der Taktik der kommunistischenWeltbewegung unter den gegenwärtigen Bedingungen, für den Kampfgegen die bürgerliche Philosophie, gegen den modernen Revisionis-mus und Dogmatismus.

Der Band beginnt mit dem Konspekt zu dem ersten gemeinsamenWerk von Marx und Engels „Die heilige Familie, oder Kritik der kri-tischen Kritik", dem frühesten der uns bekannten Konspekte Leninszu einem Werk der Begründer des Marxismus. In dem Konspekt ver-folgt Lenin die Herausbildung der Weltanschauung von Marx und

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Engels: „Marx", schreibt er, „kommt hier von der Hegelschen Philo-sophie zum Sozialismus: der Übergang ist deutlich zu erkennen - mansieht, was Marx sich schon angeeignet hatte und wie er zu einem neuenIdeenkreis übergeht." (S. 8.) Von diesen Ideen unterstreicht Leninu. a. die „Idee der gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse" (S. 15),„Marx' schon fast völlig herausgebildete Ansicht über die revolutio-näre Rolle des Proletariats" (S. 10), das materialistische Herangehenan die Analyse des gesellschaftlichen Bewußtseins, den Gedanken vonder Notwendigkeit einer „praktischen Gewalt" zur Verwirklichungder Ideen. Die in der „Heiligen Tamilie" aufgestellte wichtige Thesedes historischen Materialismus, daß mit der Gründlichkeit der ge-schichtlichen Aktion der Umfang der Masse zunimmt, deren Aktionsie ist, hebt Lenin durch Anstreichung und ein NB hervor; er ver-folgt die Kritik der Begründer des Marxismus an den bürgerlichengesellschaftlichen Verhältnissen; große Aufmerksamkeit schenkt erder materialistischen Verarbeitung der Hegelschen Philosophie durchMarx und Engels sowie ihrer kritischen Einschätzung des früherenMaterialismus. Für besonders wertvoll hielt Lenin den von Marx ver-faßten Abschnitt „Kritische Schlacht gegen den französischen Mate-rialismus", in dem gezeigt wird, daß der Kommunismus die logischeSchlußfolgerung aus der gesamten historischen Entwicklung der ma-terialistischen Philosophie ist.

Beträchtlichen Raum 'nimmt, in dem Konspekt die Kritik an denJunghegelianern ein, an ihren subjektiv-idealistischen Vorstellungenvom Prozeß der gesellschaftlichen Entwicklung, insbesondere anihren reaktionären Anschauungen über die Rolle der werktätigenMassen und der Persönlichkeit in der Geschichte. Lenin vermerkt diegegen die Junghegelianer gerichtete Schlußfolgerung von Marx, daßman die geschichtliche Wirklichkeit nicht erkennen kann, wenn man„das theoretische und praktische Verhalten des Menschen zur Natur,die Naturwissenschaft und die Industrie", „die unmittelbare Produk-tionsweise des Lebens selbst" aus ihr ausschließt (S. 31,32). Auf dieEr-f ahrungen von Marx und Engels im Kampf gegen die Junghegelianerstützte sich Lenin bei seiner in den Werken der neunziger Jahre ge-übten Kritik an der subjektiven Soziologie der liberalen Volkstüm-ler, in seinem. Kampf gegen die volkstümlerischen Theorien von der

XII Vorwort

historischen Rolle der „kritisch denkenden Persönlichkeiten", derHelden, und der Passivität der „Masse".

Auch in späteren Konspekten, Fragmenten und Aufzeichnungen,die in den „Philosophischen Heften" enthalten sind, zieht Lenin•wiederholt die Werke von Marx und Engels heran. Er charakterisiertdie revolutionäre Umwälzung, die von den Begründern des Marxis-mus in der Wissenschaft vollzogen wurde, und hebt die Bedeutungihrer Werke für die Entwicklung des revolutionären Denkens hervor,wobei er besonders nachdrücklich auf die Dialektik des Marxschen„Kapitals" hinweist.

Nach dem Konspekt zur „Heiligen Familie" folgen im Band dieKonspekte zu zwei Werken von Ludwig Feuerbach: „Vorlesungenüber das Wesen der Religion" und „Darstellung, Entwicklung undKritik der Leibnizschen Philosophie"; der erste Konspekt wurdefrühestens 1909, der zweite im Herbst 1914 geschrieben. Werke vonFeuerbach hatte Lenin auch früher, in der sibirischen Verbannungund besonders bei der Arbeit an seinem Buch „Materialismus undEmpiriokritizismus" gelesen, in dem er Arbeiten aus dem zweitenund zehnten Band der ersten und aus dem siebenten Band derzweiten Ausgabe von Feuerbachs Sämtlichen Werken sowie den vonKarl Grün herausgegebenen zweibändigen „Briefwechsel und Nach-laß" des Philosophen zitiert. (Siehe W. I. Lenin, Werke, Bd. 14.) DasExemplar des zweiten Bandes von Feuerbac.hs Sämtlichen Werkenmit Notizen Lenins aus dieser Zeit ist erhalten geblieben. Mit denin den „Philosophischen Heften" enthaltenen Konspekten setztLenin das Studium der philosophischen Anschauungen Feuerbachsfort.

In dem Konspekt zu den „Vorlesungen über das Wesen der Reli-gion" richtet Lenin sein Augenmerk in erster Linie auf die materia-listische Auffassung Feuerbachs von der Natur und ihren objektivenGesetzmäßigkeiten, auf die Kritik Feuerbachs am Idealismus, an derReligion, auf seine Begründung des Atheismus, er hebt die „An-sätze" und „Keime" des historischen Materialismus hervor, die in derPhilosophie Feuerbachs jedoch keine nennenswerte Entwicklung er-fahren haben. In dem Konspekt spricht Lenin mehrmals von derBegrenztheit der Feuerbachschen Philosophie, davon, daß Feuer-

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bach schon in den Jahren 1848-1851 sehr hinter Marx und Engelszurückgeblieben war und die Revolution von 1848 nicht begriffenhat. Über Feuerbachs Definition der Natur schreibt Lenin: „Das be-deutet, daß Natur = alles außer dem Übernatürlichen. Feuerbach istglänzend, aber nicht tief. Engels bestimmt den Unterschied zwischenMaterialismus und Idealismus tiefer." (S. 45.) Auf die Begrenztheitdes Feuerbachschen Materialismus und die Enge des Terminus„anthropologisches Prinzip" in der Philosophie weist Lenin auch amEnde des Konspekts hin: „Sowohl das anthropologische Prinzip alsauch der Naturalismus sind nur ungenaue, schwache Umschreibun-gen des Materialismus." (S. 61.)

In dem Konspekt zu Feuerbachs Buch über die Leibnizsche Philo-sophie verfolgt Lenin ebenso wie in dem vorangegangenen Konspektdie philosophische Evolution Feuerbachs, seinen Übergang vom Idea-lismus zum Materialismus. Im Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeitsteht hier jedoch die ausführliche Darstellung des kompliziertenphilosophischen Systems des großen deutschen Denkers des 18. Jahr-hunderts durch Feuerbach. Lenin schreibt sich heraus, wie Feuer-bach die Leibnizschen Monaden charakterisiert, und zeigt den Idea-lismus in Leibniz' Auslegung der Materie als „Phänomen", das als„Band der Monaden" dient. Dazu schreibt Lenin: „Meine freie Wie-dergabe : Die Monaden = eine Art Seelen. Leibniz = Idealist. DieMaterie aber ist so etwas wie ein Anderssein der Seele oder ein Gallert,welcher die Monaden durch ein weltliches, leibliches Band zusam-menhält." (S. 68.) In dem Konspekt werden die dialektischen Ideender Philosophie Leibniz', insbesondere das der Substanz, den Mona-deninnewohnende „Prinzip der Tätigkeit" hoch eingeschätzt. „Hier",schreibt Lenin, „haben wir eine Dialektik eigener Art, und eine sehrtiefe, trotz Idealismus und Pfaffentum." (S. 69.) Lenin untersuchtebenfalls die rationalistische Kritik, die Leibniz am Empirismus Lockesübt, und weist auf die Ähnlichkeit einiger Ideen in der Philosophievon Leibniz und Kant hin. Bei den Konspekten zu den beiden WerkenFeuerbachs finden wir kurze Notizen, aus denen hervorgeht, daß Le-nin auch andere Arbeiten aus dem neunten Band der ersten und demvierten Band der zweiten Ausgabe von Feuerbachs Sämtlichen Wer-ken gelesen hat.

XIV Vorwort

Im Mittelpunkt des vorliegenden Bandes stehen die Konspekte zuWerken Hegels, mit dessen Arbeiten, besonders der „Wissenschaft derLogik", sich Lenin bereits in der sibirischen Verbannung bekannt ge-macht hatte; später, im Jahre 1908, als er an dem Buch „Materialis-mus und Empiriokritizismus" arbeitete, las er den ersten Teil der„Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften". In den Jahren1914/1915 konspektiert Lenin ausführlich Hegels Hauptwerk, die„Wissenschaft der Logik", sowie die „Vorlesungen über die Geschichteder Philosophie" und die „Vorlesungen über die Philosophie derGeschichte". In diesen Konspekten kritisiert Lenin den IdealismusHegels, zeigt die historische Begrenztheit der philosophischen An-schauungen Hegels, seinen „Tribut an den Mystizismus", sein „Spielmit leeren Analogien" und seinen „Verrat an der Entwicklung";gleichzeitig weist er darauf hin, daß sich in mystischer Form beiHegel oft die realen Beziehungen der Wirklichkeit finden.

„Hegels Logik", schrieb Lenin, „darf man in ihrer gegebenen Formnicht anwenden; man darf sie nicht als Gegebenes nehmen. Man mußihr die logischen (gnoseologischen) Nuancen entnehmen und sie vonder \_Ideenmystik J reinigen: das ist noch eine große Arbeit." (S. 253.)Eben diese Arbeit leistet Lenin in seinen Konspekten, wobei er diekomplizierten Übergänge, Schattierungen, das Ineinanderiiberfließender Hegeischen abstrakten Begriffe eingehend betrachtet und dem„Körnchen tiefer Wahrheit in der mystischen Schale des Hegelianer-tums" (S. 145) nachspürt. Am Anfang des Konspekts zur „Wissen-schaft der Logik" schreibt er: „Ich bemühe mich im allgemeinen, Hegelmaterialistisch zu lesen: Hegel ist auf den Kopf gestellter Materialis-mus (nach Engels) - d.h., ich lasse den lieben Gott, das Absolute, diereine Idee etc. größtenteils beiseite." (S. 94.) Diese Methode ermög-licht es Lenin, die wahre Bedeutung) der Hegeischen Logik aufzudek-ken, den „ ,Vorabend' des Umschlagens des objektiven Idealismus inden Materialismus" (S. 158) zu erkennen und bei Hegel „Ansätze"einer materialistischen Auffassung nicht nur der Natur, sondernauch der Geschichte zu vermerken. Am nächsten kommt Hegel demwissenschaftlichen, dialektischen Materialismus in der „Wissenschaftder Logik", bei der Entwicklung seines großartigen Systems der logi-schen Kategorien, am weitesten von ihm entfernt ist er in der Philo-

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sophie der Geschichte. „Das ist begreiflich", schreibt Lenin, „denngerade hier, gerade auf diesem Gebiet, in dieser Wissenschaft habenMarx und Engels den größten Schritt nach vorn getan. Hier ist Hegelam meisten veraltet und antiquiert." (S.304.) Jedoch auch in der Lo-gik hat Hegel die „Dialektik der Dinge", die Dialektik der objektivenWelt, nur „genial erraten". Lenin faßt die Grundgesetze und Kate-gorien der Dialektik materialistisch und entwickelt sie weiter, erzeigt ihren wechselseitigen Zusammenhang, untersucht die Spezifikihrer Widerspiegelung im Denken und bestimmt das Verhältnis vonDialektik, Logik und Erkenntnistheorie.

Unmittelbar an die Konspekte zu den Werken Hegels schließensich die Konspekte zu den Büchern von Georges Noel, Ferdinand Las-salle und Aristoteles an. Der Konspekt zu Nogls Buch „Die LogikHegels" ist vor allem als ein Beispiel der Kritik an der „Verflachung"der Hegeischen Dialektik durch einen „unbedeutenden" Idealistenvon Interesse. Das unkritische Herangehen an Hegel unterstreichtLenin auch in dem Konspekt zu Lassalles Buch „Die PhilosophieHerakleitos des Dunklen von Ephesos". „Lassalle", schreibt er, „wie-derholt einfach Hegel, schreibt ihn ab, käut ihn im Zusammenhang miteinzelnen Stellen aus Heraklit millionenfach wieder und stattet seineArbeit mit einer unwahrscheinlichen Fülle gelehrtesten, erzgelahrtenBallasts aus." (S. 323.) Lenin stellt Lassalle die wirkliche Weiter-entwicklung der Philosophie durch Marx entgegen. Sein Hauptaugen-merk richtet Lenin in diesem Konspekt auf die Darlegung der An-sichten des griechischen Philosophen und macht Lassalle den Vorwurf,daß er „den Materialismus bzw. die materialistischen TendenzenHeraklits unberücksichtigt ließ" (S. 336).

Die erste Abteilung endet mit dem Konspekt zu der „Metaphysik"des Aristoteles, einem der hervorragendsten Werke der antiken grie-chischen Philosophie, in dem, wie Lenin schreibt, „alles gestreiftwird, alle Kategorien" (S. 347). In seinem Konspekt zu diesem Buchhebt Lenin „die Erfordernisse, das Suchen" des Aristoteles hervor,die Tatsache, daß er sich der objektiven Dialektik nähert, vermerkter den „naiven Glauben an die Kraft der Vernunft", die Kritik amobjektiven Idealismus Piatos und spricht von der Kompliziertheitdes Erkenntnisprozesses; er unterstreicht, daß „die Spaltung der

XVI Vorwort

menschlichen Erkenntnis und die Möglichkeit des Idealismus ( = derReligion) schon in der ersten, elementaren Abstraktion gegebensind", und weist darauf hin, wie fruchtbringend Phantasie, Träume„auch in der strengsten Wissenschaft" sind (S. 352).

Außer den Konspekten gehören zur ersten Abteilung noch zweiFragmente Lenins: „Plan der Dialektik (Logik) Hegels" und „ZurFrage der Dialektik". Im ersten Fragment wird eine allgemeine Cha-rakteristik des Erkenntnisprozesses gegeben und das Verhältnis vonLogik, Dialektik und Erkenntnistheorie gezeigt; im zweiten wird derGegensatz zwischen der metaphysischen und der dialektischen Ent-wicklungskonzeption dargelegt, werden die wichtigsten Gesetze undKategorien der Dialektik, die Gesetzmäßigkeiten der historischenund logischen Entwicklung der Erkenntnis analysiert, wird diewichtige These von den klassenmäßigen und erkenntnistheoretischen"Wurzeln des Idealismus formuliert. Mit dem Fragment „Zur Frageder Dialektik" vollendet Lenin seine in den Jahren 1914/1915 ge-leistete Arbeit an der philosophischen Problematik, deren Mittel-punkt die Dialektik, ihre Geschichte, Gesetze und Kategorien, ihreRolle im Prozeß der Erkenntnis und der Umgestaltung der Wirklich-keit durch den Menschen bildet. Dieses nicht sehr -umfangreicheFragment ist eine an Tiefe und Reichtum der Gedanken unüber-troffene Verallgemeinerung von allem Wichtigen und Wesentlichen,was den Inhalt der materialistischen Dialektik ausmacht.

In den „Philosophischen Heften" untersucht Lenin die Dialektikals einzig richtige Entwicklungstheorie, die den „Schlüssel zu der,Selbstbewegung' alles Seienden" liefert, die allgemeinen Momente„in allen Erscheinungen und Vorgängen der Natur (darunter auchdes Geistes und der Gesellschaft)" offenbart (S. 339) und „die all-gemeinen Bewegungsgesetze der Welt und des Denkens" formuliert(S. 165).

Über die wichtigsten Momente des Erkenntnisprozesses schreibtLenin: „Hier gibt es wirklich, objektiv drei Glieder: 1) die Natur;2) die menschliche Erkenntnis = das Gehirn des Menschen (alshöchstes Produkt eben jener Natur) und 3) die Form der Widerspiege-lung der Natur in der menschlichen Erkenntnis, und diese Formsind eben die Begriffe, Gesetze, Kategorien etc." (S. 172.) Die Unter-

Vorwort XVIt

suchung dieser „Form", die logische Analyse des Denkens, in derenVerlauf der Inhalt der Gesetze und Kategorien der Dialektik auf-gezeigt wird, nimmt einen hervorragenden Platz in den „Philosophi-schen Heften" ein und ist von grundlegender Bedeutung für die Ent-wicklung der marxistischen Philosophie.

Lenin verfolgt den komplizierten Weg der Erkenntnis und zeigt,wie sich das Denken von den sich unmittelbar in den Empfindungenund Vorstellungen widerspiegelnden einzelnen Dingen fortentwickeltzu den abstrakten Begriffen, die die wesentlichen Seiten, Zusammen-hänge, Beziehungen des Gegenstandes fixieren und - vermittelt -seine Natur „tiefer, richtiger, vollständiger" widerspiegeln. Je-doch beschränkt sich die dialektische Erkenntnis, deren Wesen „dieEntfaltung der gesamten Totalität der Momente der Wirklichkeit"(S. 148) ist, nicht auf die Bildung von Abstraktionen, sondern sieschreitet fort auf dem Wege des Aufsteigens vom Abstrakten zumKonkreten, auf dem Wege der Reproduktion des Konkreten als„Einheit des Mannigfaltigen" (Marx) im Denken. Lenin schreibt: „DieBedeutung des Allgemeinen ist widersprechend: es ist tot, es ist nichtrein, nicht vollständig etc. etc., aber es ist auch nur eine Stufe zurErkenntnis des Konkreten, denn wir erkennen das Konkrete nievollständig. Die unendliche Summe der allgemeinen Begriffe, Gesetzeetc. ergibt das Konkrete in seiner Vollständigkeit." (S. 267.)

Lenin hebt hervor, daß die theoretische Erkenntnis die objektiveWahrheit nicht losgelöst von der Praxis - der Grundlage, dem Zweckund dem Kriterium für die Wahrheit des Wissens — erfassen kann.Nur wenn man die Rolle der Praxis im Erkenntnisprozeß richtig be-stimmt, kann man sowohl die historische Entwicklung der Kennt-nisse des Menschen von der objektiven Wirklichkeit als auch die Evo-lution der logischen Formen - der Begriffe, Urteile, Schlüsse, Kate-gorien, Gesetze usw. — verstehen, in denen dieses Wissen im Denkenwidergespiegelt wird. „Die Praxis des Menschen, milliardenmal wie-derholt, prägt sich dem Bewußtsein des Menschen als Figuren derLogik ein", sagt Lenin (S. 208), und an einer anderen Stelle betrachteter die logischen Kategorien als Stufen des historischen Prozesses desHeraushebens des Menschen aus der Natur, als Stufen der Erkennt-nis und Beherrschung der Natur (vgl. S. 85). Lenin erklärt nicht nur

2 Lenin, Werke, Bd. 38

XVIII Vorwort

materialistisch die Entstehung der Kategorien, sondern er analysiertauch ihren Inhalt, ihre Rolle im Erkenntnisprozeß. In den „Philoso-phischen Heften" werden auch solche wichtigen Kategorien der Dia-lektik untersucht wie Erscheinung und Wesen, Abstraktes und Kon-kretes, Form und Inhalt, Ursache und Wirkung, Möglichkeit undWirklichkeit, Zufall und Notwendigkeit, Gesetz u. a.

Einen bedeutenden Platz in den Leninschen Konspekten undFragmenten nimmt die Analyse der Grundgesetze der Dialektik, be-sonders des Gesetzes von der Einheit und dem Kampf der Gegen-sätze ein. „Spaltung des Einheitlichen und Erkenntnis seiner wider-sprechenden Bestandteile", schreibt Lenin, „ist das Wesen (eine der»Wesenheiten', eine der grundlegenden, wenn nicht die grundlegendeBesonderheit oder Seite) der Dialektik." (S. 338.) Die Allgemeingültig-keit dieses Gesetzes illustriert Lenin an Hand von Beispielen aus derMathematik, der Mechanik, der Physik, der Chemie und der Gesell-schaftswissenschaft. Er deckt den Inhalt dieses Gesetzes auf undanalysiert den „Gegensatz", den „Widerspruch", er zeigt, daß ihreEinheit als innere und zugleich vergängliche Form der Beziehung rela-tiv, ihr „Kampf" — die Quelle der Selbstbewegung, der Selbstent-wicklung der Erscheinungen — absolut ist.

Das Gesetz von der Einheit und dem Kampf der Gegensätze be-trachtet Lenin als Grundgesetz der Dialektik, von dem ausgegangenwerden muß, will man die übrigen Gesetze und Kategorien verste-hen. „Die Dialektik", schrieb Lenin, „kann kurz als die Lehre vonder Einheit der Gegensätze bestimmt werden." (S. 214.) Im Ver-gleich zu diesem Gesetz nimmt die Untersuchung der beiden anderen- des Gesetzes des Umschlagens quantitativer Veränderungen in quali-tative und des Gesetzes der Negation der Negation — in den „Philo-sophischen Heften" weniger Raum ein. Den „Übergang der Quanti-tät in die Qualität und vice versa" betrachtet Lenin in dem Fragmentüber die Elemente der Dialektik als ein Beispiel des Ineinanderüber-gehens von Gegensätzen. In dem Konspekt zur „Wissenschaft derLogik" schreibt er die Hegeische Charakteristik der KategorienQualität, Quantität und ihrer Einheit - des Maßes - heraus undunterstreicht ihre Bedeutung. Lenin analysiert alle Momente dieserKategorien (Endliches und Unendliches, Grenze u. a.) und untersucht

Vorwort XIX

eingehend die Form der wechselseitigen Verwandlungen von quanti-tativen und qualitativen Veränderungen, den Sprung, das „Ab-brechen der Allmählichkeit".

Für das wesentliche Charakteristikum des Entwicklungsprozesseshält Lenin „die Wiederholung bestimmter Züge, Eigenschaften etc.eines niederen Stadiums in einem höheren und die scheinbare Rück-kehr zum Alten (Negation der Negation)" (S.214). Offenbart das Ge-setz von der Einheit und dem Kampf der Gegensätze die innere Quelledes Entwicklungsprozesses und das Gesetz des Übergangs quantita-tiver Veränderungen in qualitative seinen Inhalt, so erfaßt das Gesetzder Negation der Negation den Prozeß im ganzen, wobei jedes Ent-wicklungsstadiuni als Moment, als Etappe des gesamten Prozessesuntersucht und die Verbindung, die Kontinuität und der progressiveCharakter der Entwicklung hervorgehoben wird, in der jedes Momentdie Negation des vorangegangenen und zugleich die Voraussetzungfür die eigene Negation ist. Lenin zeigt den dialektischen Charakterder Negation und schreibt: „Nicht die bloße Negation, nicht dieunnütze Negation, nicht das skeptische Negieren, Schwanken, Zweifehlist charakteristisch und wesentlich in der Dialektik..., nein, sonderndie Negation als Moment des Zusammenhangs, als Moment der Ent-wicklung, bei Erhaltung des Positiven, d. h. ohne irgendwelcheSchwankungen, ohne jeden Eklektizismus." (S. 218.)

In den Konspekten und Fragmenten wendet sich Lenin immerwieder der Frage der Logik als Erkenntnistheorie zu, die „nicht nureine naturhistorische Beschreibung der Erscheinungen desDenkens..., sondern auch Übereinstimmung mit der Wahrheit"gibt und „die Resultate und Ergebnisse der Geschichte des Denkens"aufdeckt. „Bei einer solchen Auffassung", schreibt Lenin in einerRandbemerkung, „fällt die Logik mit der Erkenntnistheorie zu-sammen. Das ist überhaupt eine sehr wichtige Frage." (S.164.) Umdie objektive Dialektik des Lebens auszudrücken, müssen die logi-schen Begriffe, Kategorien, Gesetze selbst beweglich, fließend, wech-selseitig verbunden, dialektisch sein. Zum Unterschied von HegeLder in der Dialektik der Begriffe die Selbstbewegung der "Welt nurerriet, erklärt Lenin auf andere, materialistische "Weise das wechsel-seitige Ineinanderübergehen der Begriffe. Er schreibt: „Der Ge-

XX Vorwort

danke, das Leben in die Logik einzubeziehen, ist verständlich - undgenial - unter dem Gesichtspunkt des Prozesses der Widerspiegelungder objektiven Welt in dem (zunächst individuellen) Bewußtsein desMenschen und der Überprüfung dieses Bewußtseins (dieser Wider-spiegelung) durch die Praxis." (S. 192.) Mit anderen Worten, Leninhält die Anwendung der einzig richtigen Entwicklungstheorie, derDialektik, auf den Erkenntnisprozeß - was in idealistischer Formdurch Hegel, in materialistischer durch Marx geschah - für genial. Indem Fragment „Plan der Dialektik (Logik) Hegels" schreibt Lenin:„Im ,Kapital' werden auf eine Wissenschaft Logik, Dialektik undErkenntnistheorie man braucht keine 3 Worte: das ist ein und das-

—=selbeI des Materialismus angewendet. . ." (S. 316.) Nachdem Lenindas Verhältnis von Logik, Dialektik und Erkenntnistheorie aufgezeigthat, nennt er auch die Wissensgebiete, aus denen die Erkenntnis-theorie ihr Material schöpfen muß; es ist dies die Geschichte derPhilosophie und der einzelnen Wissenschaften, die Geschichte dergeistigen Entwicklung des Kindes und der Tiere, die Geschichteder Sprache, die Psychologie und die Physiologie der Sinnesorgane.

Große Aufmerksamkeit schenkt Lenin der Frage der Wechsel-beziehung zwischen der Theorie der Erkenntnis und ihrer Geschichte,zwischen den Denkgesetzen und dem Prozeß ihrer Herausbildung,der Geschichte des Denkens vom Standpunkt der Entwicklung undder Anwendung der allgemeinen Begriffe, der Kategorien der moder-nen Logik. In dieser Beziehung ist der Leninsche Konspekt zu Hegels„Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie" besonders wich-tig. In seiner Einschätzung der Hegeischen These, daß die Entwick-lung der Philosophie in der Geschichte der Entwicklung der logischenPhilosophie entsprechen muß, schreibt Lenin: „Hier ist ein sehrtiefer und richtiger, im Grunde materialistischer Gedanke (die wirk-liche Geschichte ist die Basis, die Grundlage, das Sein, dem das Be-wußtsein raocMolgt)." (S. 252.)

Die „Philosophischen Hefte" sind eine wichtige Stufe in der Ent-wicklung der marxistischen Geschichte der Philosophie als Wissen-schaft. Lenin kritisiert die idealistische geschichtsphilosophischeKonzeption Hegels, zeigt aber zugleich den Wert, den die Unter-

Vorwort XXI

suchung der Geschichte der Dialektik durch Hegel hat, und unter-streicht die Bedeutung der von Hegel aufgestellten Forderung nachstrenger Historizität, einer Forderung, die Hegel selber eben wegenseines Idealismus nicht verwirklichen konnte. „Hegel", bemerkt Le-nin, „,glaubte', dachte ernstlich, daß der Materialismus als Philoso-phie unmöglich sei, denn Philosophie sei die "Wissenschaft vom Den-ken, vom Allgemeinen, das Allgemeine aber sei der Gedanke. Hierwiederholte er den Irrtum eben jenes subjektiven Idealismus, den erstets als geblechten' Idealismus bezeichnete." (S. 265.) Und Lenin 'verfolgt Schritt für Schritt, wie sich bei der Untersuchung bestimm-ter philosophischer Lehren der Vergangenheit dieser organische Man-gel der geschichtsphilosophischen Konzeption Hegels auswirkt, derdahin führt, daß der Idealismus in der Geschichte der Philosophie vonHegel „herausgestrichen und durchgekaut", die Schwächen des Idea-lismus „verhüllt" und die Geschichte des Materialismus „feige um-gangen" werden.

Im Gegensatz zu Hegel betrachtet es Lenin als Aufgabe der Ge-schichte der Philosophie, die „Ansätze des wissenschaftlichen Den-kens" von Phantasie, Religion, Mythologie zu lösen, untersucht er vorallem die Entwicklung des Materialismus und der Dialektik undzeigt, wie die verschiedenen philosophischen und naturwissenschaft-lichen Ideen der Gegenwart historisch entstanden und sich entwik-kelten, so z.B. die Vorstellungen vom Aufbau der Materie. Lenin legtden Gedanken Hegels von den „Kreisen" in der Geschichte der Philo-sophie materialistisch aus, entwickelt ihn weiter und weist daraufhin, daß die Möglichkeit, die Quellen, die „erkenntnistheoretischenWurzeln" des Idealismus, die „durch das Klasseninteresse der herr-schenden Klassen" verankert werden (S. 344), in der Spezifik der Er-kenntnis selbst liegen. Lenin unterstreicht, daß die Geschichte derPhilosophie stets ein Kampffeld der beiden Hauptrichtungen, desMaterialismus und des Idealismus, war; er legt die historischen Be-sonderheiten beider dar und zeigt, wie die Entwicklung der Philo-sophie und der Naturwissenschaft die Richtigkeit des dialektischenund historischen Materialismus bestätigen; er kritisiert die ver-schiedenen Richtungen der bürgerlichen idealistischen Philosophieseiner Zeit, den Positivismus, den Neukantianismus und andere.

XXII Vorwort

In der zweiten Abteilung des Bandes sind die Leninschen Notizenzu Büchern, Artikeln und Rezensionen über philosophische undnaturwissenschaftliche Arbeiten aus der Zeit von 1903 bis 1916 zusam-mengefaßt, die unser Wissen darüber, wie Lenin die Probleme derPhilosophie studierte, wesentlich bereichern. Diese Notizen sindnicht nur dadurch interessant, daß sie unsere Vorstellung über denUmfang der philosophischen und der naturwissenschaftlichen Lite-ratur, die in diesen Jahren im Blickfeld Lenins lag, erweitem; sieenthalten auch eine Reihe wichtiger Thesen, besonders zu philosophi-schen Problemen der Naturwissenschaft, zur Kritik der bürgerlichenPhilosophie usw.

In den „Philosophischen Heften" beschäftigt sich Lenin mit derNaturwissenschaft als wichtigstem Gebiet der menschlichen Erkennt-nis, er weist darauf hin, daß ihre Entwicklung von der Praxis, vonder Technik abhängig ist, und zeigt den dialektischen Charakter die-ser Entwicklung. „Der gesamten menschlichen Erkenntnis über-haupt", schreibt er, „ist die Dialektik eigen. Die Naturwissenschaftaber zeigt uns . . . die objektive Natur mit denselben Eigenschaften,Verwandlung des Einzelnen in das Allgemeine, des Zufälligen indas Notwendige, die Übergänge, das Überfließen, den wechselseitigenZusammenhang der Gegensätze." (S. 343.) Der komplizierte Prozeßder Erkenntnis der Gesetzmäßigkeiten der Natur, erläutert Lenin,birgt die Quellen für eine idealistische Auslegung dieser Gesetz-mäßigkeiten in sich. Im Zusammenhang mit der Ablehnung des Mate-rialismus durch einige Naturwissenschaftler weist Lenin darauf hin,daß diese Erscheinung mit der raschen Entwicklung der Naturwis-senschaft zusammenhängt. „Um sich in diesem Neuen, noch Dunk-len, Hypothetischen freier bewegen zu können", schreibt er zu denAnschauungen Verworns, „weg mit dem ,Materialismus', weg mitden findenden' alten Ideen (,MaleküT), geben wir einen neuenNamen (Biogen), um freier nach neuen Kenntnissen suchen zukönnen! NB. Zur Frage der Quellen und der lebendigen, stimu-lierenden Motive des modernen ,Idealismus' in der Physik undin der Naturwissenschaft überhaupt." (S. 377.) Die idealistischeInterpretation der naturwissenschaftlichen Entdeckungen hängt,wie Lenin sagt, auch damit zusammen, daß die Naturforscher

Vorwort XXIII

die Dialektik nicht kannten, daß sie den modernen, dialektischenMaterialismus nicht verstanden. „Bei den Naturforschern", bemerkter, „ist der Begriff der Verwandlung eng gefaßt, und sie haben kein-Verständnis für die Dialektik." (S. 251.) Lenin interessiert sich nichtnur allgemein für die Entwicklung der naturwissenschaftlichen Er-kenntnis, sondern auch für ihre einzelnen Probleme: die Unendlich-keit der Materie, das Wesen von Raum und Zeit, die Bedeutung dermathematischen Abstraktionen, die Rolle der Symbole in der Mathe-matik und andere.

Die letzte Abteilung des Bandes enthält Auszüge aus Büchern vonJosef Dietzgen, G. W. Plechanow, W. M. Schuljatikow, Abel Rey,J. M. Steklow sowie aus einem Artikel von A. M. Deborin mit Be-merkungen und Anstreichungen W. I. Lenins. Die Leninschen Be-merkungen sind nicht nur für die Einschätzung der einzelnen Ver-fasser wichtig, in ihnen werden viele Probleme des dialektischen undhistorischen Materialismus, der Geschichte der Philosophie, zahlreichephilosophische Fragen der Naturwissenschaft und des wissenschaft-lichen Atheismus berührt.

Im vorliegenden Band werden zum erstenmal die BemerkungenLenins in Dietzgens Buch „Kleinere philosophische Schriften" ver-öffentlicht, die er im wesentlichen im Jahre 1908 machte, als er anseinem Werk „Materialismus und Empiriokritizismus" arbeitete, indem auch ein bedeutender Teil dieser Bemerkungen Verwendungfand. Lenin schätzte die Parteilichkeit des Philosophen, der als Auto-didakt selbständig zum dialektischen Materialismus gelangt war, seineAuffassung vom Gegenstand der Philosophie, von der •Widerspiege-lungstheorie, seinen Kampf gegen die Religion und die idealistischePhilosophie usw. hoch ein. Lenin untersucht auch die Fehler Dietz-gens, die Verwirrung der philosophischen Begriffe durch ihn, derenUrsache in der ungenügenden philosophischen Bildung Dietzgensund in seiner unkritischen Übernahme der Terminologie seinerphilosophischen Gegner lag. Ungeachtet dieser „einzelnen Fehler inseiner Darstellung des dialektischen Materialismus" (W. I. Lenin,Werke, Bd. 14, S. 344), sah Lenin in Dietzgen einen philosophischenGesinnungsgenossen und benutzte seine Arbeiten im Kampf gegendie Mächisten.

XXIV Vorwort

Eine andere Einschätzung gibt Lenin über W.M. SchuljatikowsBuch „Die Rechtfertigung des Kapitalismus in der westeuropäi-schen Philosophie", das bis zu einem gewissen Grade unter dem Ein-fluß A. Bogdanows geschrieben war. Mit seinen Bemerkungen in die-sem Buch übt Lenin scharfe Kritik an dem primitiven Vulgärmateria-lismus des Verfassers, der die historische Entwicklung des philoso-phischen Denkens in Westeuropa entstellt, sowie an der Tatsache,daß der Verfasser unterschiedliche - wenn auch einander ähnliche -philosophische Richtungen vermengt und die gesamte bürgerlichePhilosophie auf eine Apologie des Kapitalismus „ohne Analyse desWesens" reduziert usw. (Siehe den vorliegenden Band, S. 508.) DieLeninschen Bemerkungen in dem Buch Schuljatikows sind von gro-ßer Bedeutung für den Kampf gegen die Vulgarisierung des histori-schen Materialismus und der Geschichte der Philosophie.

Mit seinen Bemerkungen in A.Reys Buch „Die moderne Philoso-phie" setzt Lenin die in dem Buch „Materialismus und Empiriokriti-zismus" geübte Kritik an den positivistischen Anschauungen des Ver-fassers fort, stellt aber gleichzeitig fest, daß Rey bei der Untersuchungeiner Reihe konkreter naturwissenschaftlicher Probleme den Stand-punkt eines „verschämten Materialismus" bezogen hat und sich sogardem dialektischen Materialismus nähert (siehe z. B. S. 561 und 559).

Von besonderem Interesse sind die Bemerkungen Lenins in denBüchern von G. W. Plechanaw und J. M. Steklaw über Tscherny-schewski. Sie zeugen davon, welch große Aufmerksamkeit Lenin derGeschichte des russischen gesellschaftlichen Denkens, insbesondereder Geschichte der russischen Philosophie, schenkte und wie sehr erihre fortschrittlichen, materialistischen Traditionen schätzte. Leninhebt den revolutionären Demokratismus und Materialismus Tscher-nyschewskis, seinen entschiedenen Kampf gegen den Liberalismusund für die Bauernrevolution hervor. Er vergleicht das Buch Plecha-nows aus dem Jahre 1909 mit dessen dem Buch zugrunde liegenderArbeit über Tschernyschewski aus dem Jahre 1899 und zeigt, wie diemenschewistischen Ansichten des Verfassers dahin führen, daß er denKlasseninhalt der Tätigkeit Tschernyschewskis nicht richtig ein-schätzt. „Der theoretische Unterschied zwischen idealistischer undmaterialistischer Geschichtsauffassung hat Plechanow dazu verleitet,

Vorwon XXV

den praktisch-politischen und klassenmäßigen Unterschied zwischendem Liberalen und dem Demokraten zu übersehen." (S. 615.)

Eine Gegenüberstellung der Leninschen Bemerkungen in den Bü-chern von Plechanow und Steklow läßt erkennen, daß Lenin die bei-den entgegengesetzten Tendenzen in der Einschätzung des großenrussischen revolutionären Demokraten - den Versuch, Tscherny-schewski fast als Liberalen darzustellen und seine revolutionär-demokratischen Ideen zu vertuschen (Plechanow in seinem Buch von1909), und das Bemühen, die Grenze zwischen den AnschauungenTschernyschewskis und dem Marxismus bis zu einem gewissen Gradezu verwischen (Steklow) - ablehnte.

Die Leninschen Manuskripte, die den im vorliegenden Band ver-öffentlichten Materialien zugrunde liegen, sind in russischer, deut-scher, französischer und zum Teil in englischer Sprache geschrieben.Im Text finden sich auch Titel lateinischer und italienischer Büchersowie lateinische und griechische Worte und Redewendungen. In denManuskripten, die Lenin als Notizen für den eigenen Gebrauch dienensollten und die natürlich in dieser Form nicht zur Veröffentlichungbestimmt waren, finden sich viele Abkürzungen und auch eine Reiheunleserlicher Worte. Hieraus erklärt es sich, daß einige Textstellenin verschiedenen Ausgaben unterschiedlich entziffert wurden . . .

Hervorhebungen des Textes durch W. I. Lenin wurden durch ver-schiedene Schriftarten wiedergegeben: alle Worte, die von Lenin ein-mal unterstrichen sind, wurden kursiv gesetzt; zweimal unter-strichene Worte kursiv gesperrt, dreimal unterstrichene halb-fett usw.

Der Text der vorliegenden Ausgabe wurde mit den LeninschenManuskripten und die redaktionellen Übersetzungen mit den Quellenerneut verglichen. Am Ende des Bandes befinden sich die Anmerkun-gen, ein Verzeichnis der von W. I. Lenin zitierten und erwähnten lite-rarischen Arbeiten und Quellen, ein Personenverzeichnis und einSachregister.

Institut für Marxismus-Leninismusbeim ZK der KPdSU

XXVI Vorwort

Von den im vorliegenden Band enthaltenen Materialien erscheintein großer Teil zum erstenmal in deutscher Sprache, so Lenins „Kon-spekt zu Marx' und Engels' Werk ,Die heilige Familie'" aus der erstenAbteilung des Bandes, ferner die Notizen Lenins zu Büchern, Artikelnund Rezensionen, die die zweite Abteilung des Bandes bilden, sowiedie in der dritten Abteilung zusammengefaßten Auszüge aus philoso-phischen Büchern mit Bemerkungen und Anstreichungen Lenins.

Sämtliche fremdsprachigen Texte wurden aus der Originalspracheübersetzt, Zitate und Auszüge mit den Quellen verglichen.

Die Übersetzung der im „Philosophischen Nachlaß" bereits ver-öffentlichten Konspekte und Fragmente wurde erneut überprüft.

Deutsche Ausdrücke, Redewendungen und Termini, die Lenininnerhalb des russischen Textes gebraucht, wurden in Häkchen [_ _jeingeschlossen, entsprechende fremdsprachige in der betreffendenSprache gebracht und in Fußnoten übersetzt, soweit sie nicht all-gemein bekannt sind.

Leninsche Einfügungen in Auszügen oder Zitaten wurden durchHerausnehmen aus den Anführungszeichen kenntlich gemacht.

Von Lenin im Manuskript ausgestrichene Stellen wurden Petit ge-setzt und in eckige Klammern eingeschlossen.

Institut für Marxismus-Leninismusbeim ZK der SED

I

KONSPEKTE UND FRAGMENTE

KONSPEKT ZUMARX' UND ENGELS' WERK„DIE HEILIGE FAMILIE"1

Geschrieben nicht vor dem 25. April (7. Mai),nicht später als am 7. (19.) September 1895.Zuerst veröffentlicht 1930 Nach dem Manuskript.im Lenin-Sammelband XII.

Erste Seite von W. I. LeninsKonspekt zu Marx' und Engels' "Werk

„Die heilige Familie" - 1895

Verkleinert

DIE HEILIGE FAMILIE,ODER

KRITIK DER KRITISCHEN KRITIK2

GEGEN BRUNO BAUER & CONSORTEN

VONFRIEDRICH ENGELS UND KARL MARX

FRANKFURT a. M.LITERARISCHE ANSTALT

(J. RtTTTEN)18«

Ein kleines Büchlein in Oktavformat, es besteht aus einer Vorrede(S.III/IV)* [7/8]** (unterschrieben: Paris im September 1844), derInhaltsanzeige (S. V-VIII) [723-725] und dein Text (S. 1-335)[9-223], der in 9 i_Kapitel j eingeteilt ist. Kap. I, II und III hatEngels, Kap. V, VIII und IX Marx geschrieben, Kap. IV, VI und VIIstammen von beiden, wobei jedoch jeder den vonihm geschriebenenund mit besonderer Überschrift versehenen Paragraphen oder Ab-schnitt gesondert unterschrieben hat. Alle diese Überschriftensind satirisch bis einschließlich „Kritische Verwandlung eines Metz-gers in einen Hund" (so ist § 1 des VIII. Kapitels überschrieben).Von Engels stammen die Seiten 1-17 [9-20] (I., II., III. Kap.und § 1 und 2 im IV. Kap.), 138-142 [97-99] (§ 2a im VI. Kap.),240-245 [160-162] (§ 2b im VII. Kap.):

d.h. 26 Seiten von 335.

* Friedrich Engels und Karl Marx, Die heilige Familie, oder Kritik derkritischen Kritik, Frankfurt a. M. 1845. Die Red.

** Karl Marx / Friedrich Engels, Werke, Bd. 2, Berlin 1962. Die Red.

3 Lenin, Werke. Bd. 38

W. I. Lenin

Die erstenKapitel sind eine einzige Kritik des Stils (das ganze (!)

I. Kap., S. 1-5 [9-11]) der „Literatur-Zeitung" ^Allgemeine Lite-

ratur-Zeitung von Bruno Bauer - in der Vorrede heißt es, daß sich

gegen ihre ersten 8 Hefte die Kritik von Marx und Engels richtet] |,

eine Kritik ihrer Geschichtsverdrehungen (Kap. II, S. 5-12[12-16], der Verdrehungen besonders der englischen Geschichte),eine Kritik ihrer Themen (Kap. III, 13/14 [17/18], das die [_Gründ-lichkeit j verspottet, mit der irgendein Streit des Herrn Nauwerckmit der Berliner philosophischen Fakultät geschildert wird3), eineKritik der Erwägungen über die Liebe (Kap. IV, 3, - Marx), eineKritik der Auslegung Proudhons in der Literatur-Zeitung (IV, 4, -Proudhon, S. 22 [23] ff. bis 74 [56].* Zu Anfang hier eine MengeBerichtigungen der Übersetzung: man habe formule et signification*verwechselt, justice sei mit [_Gerechtigkeit j statt mit i_Rechts-praxis j übersetzt etc.). Nach dieser Kritik an der Übersetzung (Marxnennt das |_Charakterisierende Übersetzung Nr. I, II usf.j) folgt diel_Kritische Randglosse Nr. I usw. j , wo Marx Proudhon vor denKritikern der Literatur-Zeitung in Schutz nimmt und der Speku-lation seine ausgesprochen sozialistischen Ideen gegenüberstellt.

Marx spricht in sehr lobendem Ton von Proudhon (wenngleich esauch kleine Vorbehalte gibt, z.B. ein Hinweis auf die Umrisse zueiner Kritik der Nationalökonomie von Engels in den Deutsch-Französischen Jahrbüchern6).

Marx kommt hier von der Hegeischen Philosophie zum Sozialis-mus: der Übergang ist deutlich zu erkennen - man sieht, was Marxsich schon angeeignet hatte und wie er zu einem neuen Ideenkreisübergeht.

„Die Nationalökonomie, welche die Verhältnisse des Privat-eigentums für menschliche und vernünftige Verhältnisse hinnimmt,bewegt sich in einem fortwährenden Widerspruch gegen ihreGrundvoraussetzung, das Privateigentum, in einem analogen"Widerspruche wie der Theologe, der die religiösen Vorstellungenbeständig menschlich interpretiert und eben dadurch gegen seine

* Formel und Bedeutung. Die Red.

Konspekt zu Marx' und Engels' Werk „Die heilige Familie" 9

Grundvoraussetzung, die Übermenschlichkeit der Religion, bestän-dig verstößt. So tritt in der Nationalökonomie der Arbeitslohn imAnfang als der proportionierte Anteil auf, der der Arbeit am Pro-dukt gebührt. Arbeitslohn und Gewinn des Kapitals stehn imfreundschaftlichsten, wechselweise sich fördernden, scheinbarmenschlichsten Verhältnisse zueinander. Hinterher zeigt es sich,daß sie in dem feindschaftlichsten, in umgekehrtem Verhältnis zu-einander stehn. Der "Wert ist im Anfang scheinbar vernünftig be-stimmt, durch die Produktionskosten einer Sache und durch ihregesellschaftliche Nützlichkeit. Hinterher zeigt es sich, daß der Werteine rein zufällige Bestimmung ist, die in gar keinem Verhältnisweder zu den Produktionskosten noch zu der gesellschaftlichenNützlichkeit zu stehen braucht. Die Größe des Arbeitslohns wird imAnfang durch die freie Übereinkunft zwischen dem freien Arbeiterund dem freien Kapitalisten bestimmt. Hinterher zeigt es sich, daßder Arbeiter gezwungen ist, ihn bestimmen zu lassen, wie der Kapi-talist gezwungen ist, ihn so niedrig als möglich zu setzen. An die

Stelle der Freiheit der kontrahierendenParthei" |so wird das Wort

im vorliegenden Buch geschrieben | „ist der Zwang getreten. Ebenso

verhält es sich mit dem Handel und mit allen übrigen nationalöko-nomischen Verhältnissen. Die Nationalökonomen fühlen selbstgelegentlich diese Widersprüche, und die Entwicklung derselbenbildet den Hauptgehalt ihrer wechselseitigen Kämpfe. Wo sie ihnenaber zum Bewußtsein kommen, greifen sie selbst das Privateigen-tum in irgendeiner partiellen Gestalt als Verfälscher des an sich,nämlich in ihrer Vorstellung, vernünftigen Arbeitslohns, des an sichvernünftigen Werts, des an sich vernünftigen Handels an. So pole-misiert Adam Smith gelegentlich gegen die Kapitalisten, Destuttde Tracy gegen die Wechsler, so Simonde de Sismondi gegen dasFabriksystem, so Ricardo gegen das Grundeigentum an, sofast allemodernen Nationalökonomen gegen die nichtindustriellen Kapita-listen, in welchen das Eigentum als bloßer Konsument erscheint.

Die Nationalökonomen machen also bald ausnahmsweise - na-mentlich wenn sie irgendeinen speziellen Mißbrauch angreifen- denSchein des Menschlichen an den ökonomischen Verhältnissen gel-

10 W. I. Lenin

tend, bald aber und im Durchschnitt fassen sie diese Verhältnissegerade in ihrem offen ausgesprochenen Unterschied vom Mensch-lichen, in ihrem strikt ökonomischen Sinn. In diesem "Widerspruchtaumeln sie bewußtlos umher.

Proudhon nun hat dieser Bewußtlosigkeit ein für allemal einEnde gemacht. Er hat den menschlichen Schein der nationalökono-mischen Verhältnisse ernst genommen und ihrer unmenschlichenWirklichkeit schroff gegenübergestellt. Er hat sie gezwungen, das inder Wirklichkeit zu sein, was sie in ihrer Vorstellung von sichsind, oder vielmehr ihre Vorstellung von sich aufzugeben und ihrewirkliche Unmenschlichkeit einzugestehen. Er hat daher konsequentnicht diese oder jene Art des Privateigentums, wie die übrigenNationalökonomen, auf partielle Weise, sondern das Privateigen-tum schlechthin auf universelle Weise als den Verfälscher dernationalökonomischen Verhältnisse dargestellt. Er hat alles gelei-stet, was die Kritik der Nationalökonomie von nationalökonomi-schem Standpunkte aus leisten kann." (36-39.) [33-34.]

Dem Vorwurf Edgars (Edgar von der Literatur-Zeitung), Prou-dhon mache aus der „Gerechtigkeit" einen „Gott", begegnet Marxdamit, daß Proudhons Schrift vom Jahre 1840 nicht auf dem„Standpunkt der deutschen Entwicklung vom Jahre 1844" stehe(39) [35], das sei eine allgemeine Sünde der Franzosen, man müssesich auch des Proudhonschen Hinweises auf die Verwirklichung derGerechtigkeit durch ihre Negation erinnern, i_um auch dieses Abso-luten in der Geschichte überhoben zu sein j — S. 39, am Schluß.„Wenn Proudhon nicht bis zu dieser Konsequenz fortgeht, so ver-dankt er dies dem Unglück, als Franzose und nicht als Deutschergeboren zu sein." (39/40.) [35.]

Weiter folgt die Kritische Randglosse Nr. I I (40-46) [35-39], inder sehr plastisch Marx' schon fast völlig herausgebildete Ansichtüber die revolutionäre Rolle des Proletariats hervortritt.

. . .„Die bisherige Nationalökonomie kam von dem Reichtum, dendie Bewegung des Privateigentums angeblich für die Nationen er-zeugt, zu ihren das Privateigentum apologisierenden Betrachtun-gen. Proudhon kommt von der umgekehrten, in der Nationalöko-nomie sophistisch verdeckten Seite, von der durch die Bewegung

Konspekt zu Marx1 und Engels' Werk „Die heilige Familie" 11

des Privateigentums erzeugten Armut, zu seinen das Privateigen-tum negierenden Betrachtungen. Die erste Kritik des Privateigen-tums geht natürlich von der Tatsache aus, worin sein widerspruchs-volles Wesen in der sinnfälligsten, schreiendsten, das menschlicheGefühl unmittelbar empörendsten Gestalt erscheint - von derTatsache der Armut, des Elendes." (41.) [36.]

„Proletariat und Reichtum sind Gegensätze. Sie bilden als solcheein Ganzes. Sie sind beide Gestaltungen der Welt des Privateigen-tums. Es handelt sich um die bestimmte Stellung, die beide in demGegensatz einnehmen. Es reicht nicht aus, sie für zwei Seiten einesGanzen zu erklären.

Das Privateigentum als Privateigentum, als Reichtum, ist ge-zwungen, sich selbst und damit seinen Gegensatz, das Proletariat,im Bestehen zu erhalten. Es ist die positive Seite des Gegensatzes,das in sich selbst befriedigte Privateigentum.

Das Proletariat ist umgekehrt als Proletariat gezwungen, sichselbst und damit seinen bedingenden Gegensatz, der es zum Prole-tariat macht, das Privateigentum, aufzuheben. Es ist die negativeSeite des Gegensatzes, seine Unruhe in sich, das aufgelöste und sichauflösende Privateigentum.

Die besitzende Klasse und die Klasse des Proletariats stellendieselbe menschliche Selbstentfremdung dar. Aber die erste Klassefühlt sich in dieser Selbsteatfremdung wohl und bestätigt, weiß dieEntfremdung als ihre eigne Macht und besitzt in ihr den Schein einermenschlichen Existenz; die zweite fühlt sich in der Entfremdungvernichtet, erblickt in ihr ihre Ohnmacht und die Wirklichkeit einerunmenschlichen Existenz. Sie ist, um einen Ausdruck von Hegelzu gebrauchen, in der Verworfenheit die Empörung über dieseVerworfenheit, eine Empörung, zu der sie notwendig durch denWiderspruch ihrer menschlichen Natur mit ihrer Lebenssituation,welche die offenherzige, entschiedene, umfassende Verneinungdieser Natur ist, getrieben wird.

Innerhalb des Gegensatzes ist der Privateigentümer also diekonservative, der Proletarier die destruktive Partei. Von jenem gehtdie Aktion des Erhaltens des Gegensatzes, von diesem die Aktionseiner Vernichtung aus.

12 W. I. Lenin

Das Privateigentum treibt allerdings sich selbst in seiner natio-nalökonomischen Bewegung zu seiner eignen Auflösung fort, abernur durch eine von ihm unabhängige, bewußtlose, wider seinenWillen stattfindende, durch die Natur der Sache bedingte Entwick-lung, nur indem es das Proletariat als Proletariat erzeugt, das seinesgeistigen und physischen. Elends bewußte Elend, die ihrer Ent-menschung bewußte und darum sich selbst aufhebende Entmen-schung. Das Proletariat vollzieht das Urteil, welches das Privat-eigentum durch die Erzeugung des Proletariats über sich selbst ver-hängt, wie es das Urteil vollzieht, welches die Lohnarbeit über sichselbst verhängt, indem sie den fremden Reichtum und das eigneElend erzeugt. Wenn das Proletariat siegt, so ist es dadurch keines-wegs zur absoluten Seite der Gesellschaft geworden, denn es siegtnur, indem es sich selbst und sein Gegenteil aufhebt. Alsdann istebensowohl das Proletariat wie sein bedingender Gegensatz, dasPrivateigentum, verschwunden.

Wenn die sozialistischen Schriftsteller dem Proletariat dieseweltgeschichtliche Rolle zuschreiben, so geschieht dies keineswegs,wie die kritische Kritik zu glauben vorgibt, weil sie die Proletarierfür Götter halten. Vielmehr umgekehrt. Weil die Abstraktion vonaller Menschlichkeit, selbst von dem Schein der Menschlichkeit, imausgebildeten Proletariat praktisch vollendet ist, weil in den Le-bensbedingungen des Proletariats alle Lebensbedingungen der heu-tigen Gesellschaft in ihrer unmenschlichsten Spitze zusammen-gefaßt sind, weil der Mensch in ihm sich selbst verloren, aber zu-gleich nicht nur das theoretische Bewußtsein dieses Verlustesgewonnen hat, sondern auch unmittelbar durch die nicht mehr abzu-weisende, nicht mehr zu beschönigende, absolut gebieterische Not- den praktischen Ausdruck der Notwendigkeit - zur E mpörung gegendiese Unmenschlichkeit gezwungen ist, darum kann und muß dasProletariat sich selbst befreien. Es kann sich aber nicht selbst be-freien, ohne seine eigenen Lebensbedingungen aufzuheben. Es kannseine eigenen Lebensbedingungen nicht aufheben, ohne alle un-menschlichen Lebensbedingungen der heutigen Gesellschaft, diesich in seiner Situation zusammenfassen, aufzuheben. Es machtnicht vergebens die harte, aber stählende Schule der Arbeit durch.

Konspekt zu Marx' und Engels' Werk „Die heilige Familie" 13

Es handelt sich nicht darum, was dieser oder jener Proletarier oderselbst das ganze Proletariat als Ziel sich einstweilen vorstellt. Eshandelt sich darum, was es ist und was es diesem Sein gemäß ge-schichtlich zu tun gezwungen sein wird. Sein Ziel und seine ge-schichtliche Aktion ist in seiner eignen Lebenssituation wie in derganzen Organisation der heutigen bürgerlichen Gesellschaft sinn-fällig, unwiderruflich vor gezeichnet. Es bedarf hier nicht der Aus-führung, daß ein großer Teil des englischen und französischenProletariats sich seiner geschichtlichen Aufgabe schon bewußt istund beständig daran arbeitet, dies Bewußtsein zur vollständigenKlarheit herauszubilden." (42-45.) [37/38.]

KRITISCHE RANDGLOSSE NR. III

„Es kann Herrn Edgar nicht unbekannt sein, daß Herr BrunoBauer allen seinen Entwicklungen das ̂ unendliche Selbstbewußtsein'zugrunde legte und dies Prinzip als das schöpferische Prinzip auchder dem unendlichen Selbstbewußtsein durch ihre unendliche Be-wußtlosigkeit scheinbar gradezu widersprechenden Evangelien auf-faßte. In derselben Weise faßt Proudhon die Gleichheit als dasschöpferische Prinzip des ihr gradezu widersprechenden Privat-eigentums. "Wenn Herr Edgar einen Augenblick die französischeGleichheit mit dem deutschen Selbstbewußtsein vergleicht, wird erfinden, daß das letztere Prinzip deutsch, d. h. im abstrakten Denken,ausdrückt, was das erstere französisch, d. h. in der Sprache derPolitik und der denkenden Anschauung, sagt. Das Selbstbewußtseinist die Gleichheit des Menschen mit sich selbst im reinen Denken.Die Gleichheit ist das Bewußtsein des Menschen von sich selbst imElement der Praxis, d. h. also das Bewußtsein des Menschen vomandern Menschen als dem ihm Gleichen und das Verhalten des Men-schen zum andern Menschen als dem ihm Gleichen. Die Gleichheitist der französische Ausdruck für die menschliche Wesenseinheit,für das Gattungsbewußtsein und Gattungsverhalten des Menschen,für die praktische Identität des Menschen mit dem Menschen, d.h.also für die gesellschaftliche oder menschliche Beziehung des Men-schen zum Menschen. Wie daher die destruktive Kritik in Deutsch-

14 W. I. Lenin

land, ehe sie in. Feuerbach zur Anschauung des wirklichen Menschenfortgegangen war, alles Bestimmte und Bestehende durch dasPrinzip des Selbstbewußtseins aufzulösen suchte, so die destruktiveKritik in Frankreich durch das Prinzip der Gleichheit." (48/49.)[40/41.]

„Die Meinung, daß die Philosophie der abstrakte Ausdruck derBestehenden Zustände sei, gehört ursprünglich nicht Herrn Edgar,sondern Feuerbach, der die Philosophie zuerst als spekulative undmystische Empirie bezeichnete und nachwies." (49/50.) [41.]

„,Wir kommen immer wieder darauf zurück . . . Proudhonschreibt im Interesse der Proletarier.'* Er schreibt nicht aus demInteresse der 6elbstgenügsamen Kritik, aus keinem abstrakten,selbstgemachten Interesse, sondern aus einem massenhaften, wirk-lichen, historischen Interesse, aus einem Interesse, das es weiter alszur Kritik, nämlich zur Krise bringen wird. Proudhon schreibt nichtnur im Interesse der Proletarier; er selbst ist Proletarier, Ouvrier**.Sein "Werk ist ein wissenschaftliches Manifest des französischenProletariats und hat daher eine ganz andre historische Bedeutungals das literarische Machwerk irgendeines kritischen Kritikers."(52/53.) [43.]

„Daß Proudhon das Nichthaben und die alte Weise des Habensaufheben will, ist ganz identisch damit, daß er das praktisch ent-fremdete Verhältnis des Menschen zu seinem gegenständlichen We-sen, daß er den nationalökonomischen Ausdruck der menschlichenSelbstentfremdung aufheben will. "Weil aber seine Kritik der Natio-nalökonomie noch in den Voraussetzungen der Nationalökonomiebefangen ist, so wird die Wiederaneignung der gegenständlichenWelt selbst noch unter der nationalökonomischen Form des Besitzesgefaßt.

Proudhon stellt nämlich nicht, wie die kritische Kritik ihn tunläßt, dem Nichthaben das Haben, sondern der alten Weise desHabens, dem Privateigentum, den Besitz gegenüber. Den Besitzerklärt er für eine gesellschaftliche Funktion'. In einer Funktionaber ist es nicht das ,Interessante', den andern ,auszuschließen',

* Diese Stelle wird von Marx aus Edgar zitiert.** Arbeiter. Die Red.

Konspekt zu Marx" und Engels' Werk „Die heilige Familie" 15

sondern meine eignen "Wesenskräfte zu betätigen und zu verwirk-lichen.

Es ist Proudhon nicht gelungen, diesem Gedanken eine ent-sprechende Ausführung zu geben. Die Vorstellung des ,gleichen Be-sitzes' ist der nationalökonomische, also selbst noch entfremdeteAusdruck dafür, daß der Gegenstand als Sein für den Menschen, alsgegenständliches Sein des Menschen, zugleich das Dasein des Menschenfür den andern Menschen, seine menschliche Beziehung zum andernMenschen, das gesellschaftliche Verhalten des Menschen zum Menschenist. Proudhon hebt die nationalökonomische Entfremdung innerhalbder nationalökonomischen Entfremdung auf." (54/55.) [44.]

[j Diese Stelle ist ganz besonders charakteristisch, denn sie zeigt,

wie sich Marx der Grundidee seines ganzen „Systems", sit veniaverbo* - nämlich der Idee der gesellschaftlichen Produktions-verhältnisse nähert. \\

Am Rande sei vermerkt, daß Marx auf S. 64 [50] 5 Zeilen daraufverwendet, daß die „kritische Kritik" marechal mit „Marschall"statt mit „Hufschmied" übersetzt.

Sehr interessant die Seiten 65-67 [51/52] (Marx nähert sich derTheorie des Arbeitswerts); S. 70/71 [54] (Marx antwortet Edgar aufden Vorwurf, Proudhon irre, wenn er sagt, daß der Arbeiter seinProdukt nicht wiederkaufen könne), 71/72 und 72/73 [55/56] (über-schwenglicher, idealistischer, „ätherischer" Sozialismus—und „mas-senhafter" Sozialismus und Kommunismus).S. 76 [58]. (§ 1, 1. Absatz: Feuerbach hat wirkliche Geheimnisse

enthüllt, Szeliga6 - vice versa.)S. 77 [58]. (Letzter Absatz: das naive Verhältnis zwischen reich

und arm ist überholt: „si le riche le savait!"**)S. 79-85 [59-63]. (Diese ganzen 7 Seiten sind von Anfang bis zu

Ende äußerst interessant. Das ist § 2: „Das Geheimnis der speku-lativen Konstruktion" — eine Kritik der spekulativen Philo-sophie mit dem bekannten Beispiel von „der Frucht" - eine

* wenn man so sagen darf. Die Red.** „wenn es der Reiche wüßte!" Die Red.

16 W. I. Lenin

Kritik, die direkt auch gegen Hegel gerichtet ist. Hier auchdie äußerst interessante Bemerkung, daß Hegel „sehr oft"innerhalb der spekulativen Darstellung eine •wirkliche, l_dieSache selbst_j ergreifende Darstellung gibt.)

S. 92,93 [68] -fragmentarische Bemerkungen gegen |_Degradie-rung der Sinnlichkeit j .

S. 101 [73]. „Er" (Szeliga) „kann — nicht sehen, daß Industrie undHandel ganz andre Universalreiche gründen als Christentumund Moral, Familienglück und Bürgerwohl."

S. 102 [74]. (Ende des 1. Absatzes - giftige Bemerkungen über dieBedeutung der Notare in der modernen Gesellschaft „DerNotar ist der weltliche Beichtvater. Er ist Puritaner von Pro-fession, und ,Ehrlichkeit', sagt Shakespeare, ,ist kein Purita-ner'.7 Er ist zugleich der Kuppler für alle möglichen Zwecke,der Lenker der bürgerlichen Intrigen und Kabalen.")

S. 110 [79]. Ein anderes Beispiel der Verspottung der abstraktenSpekulation: „konstruieren", wie der Mensch Herr über dieTiere wird; „das Tier" als Abstraktion verwandelt sich auseinem Löwen in einen Mops usw.

S. 111 [80]. Eine bezeichnende Stelle über Eugen Sue8: aus Devo-tion vor der Bourgeoisie idealisiert er moralisch die Grisette,ohne auf ihre Einstellung zur Ehe, auf ihr „naives" Verhältniszum Etudiant* oder zum Ouvrier** einzugehen. „Grade indiesem Verhältnis bildet sie" (die Grisette) „einen wahrhaftmenschlichen Kontrast gegen die scheinheilige, engherzige undselbstsüchtige Ehefrau des Bourgeois,, gegen den ganzen Kreisder Bourgeoisie, d.h. gegen den offiziellen Kreis."

S. 117 [84]. Die „Masse" des 16. und des 19. Jahrhunderts war„von vornherein" unterschieden.

S. 118-121 [85/86]. Dieser Passus (im VI. Kap.: „Die absolute kri-tische Kritik oder die kritische Kritik als Herr Bruno."1. Erster Feldzug der absoluten Kritik, a) Der „Geist" und die„Masse") ist äußerst wichtig: eine Kritik der Ansicht, daßdie Geschichte verfehlt gewesen sei, weil die Masse sich für sie

* Student. Die Red.** Arbeiter. Die Red.

NB

NB

Konspekt zu Marx' und Engels' Werk „Die heilige Familie" 17

interessiert hatte und weil man auf die Masse gerechnet hatte,die sich mit einer „oberflächlichen" Auffassung der „Idee"begnügte.

„Wenn die absolute Kritik daher irgend etwas als »oberfläch-lich' verdammt, so ist es die bisherige Geschichte schlechthin,deren Aktionen und Ideen die Ideen und Aktionen von ,Mas-sen' waren. Sie verwirft die massenhafte Geschichte, an deren.Stelle (man sehe Herrn Jules Faucher über die englischenTagesfragen9) sie die kritische Geschichte setzen wird." (119.)[85.]

„Die ,Idee' blamierte sich immer, soweit sie von dem ,Inter-esse' unterschieden war. Anderseits ist es leicht zu begreifen,daß jedes massenhafte, geschichtlich sich durchsetzende,Interesse', wenn es zuerst die Weltbühne betritt, in der,Idee''oder, Vorstellung'' weit über seine wirklichen Schranken hinaus-geht und sich mit dem menschlichen Interesse schlechthin ver-wechselt. Diese Illusion bildet das, was Fourier den Ton einerjeden Geschichtsepoche nennt" (119) [85] - als Illustrationdazu das Beispiel der französischen Revolution (119/120) unddie bekannten Worte (120 in fine) [86]:

„Mit der Gründlichkeit der geschichtlichen Aktion wirdalso der Umfang der Masse zunehmen, deren Aktion sie ist."

Welche Schärfe die Teilung in LGeistj und LMassej bei Bauererreichte, erhellt aus folgendem Satz, über den Marx herfällt: „Inder Masse, nicht anderwärts, ist der wahre Feind des Geistes zusuchen."!" (121.) [86.]

Marx antwortet darauf, daß die Feinde des Fortschritts die Lver-selbständigtenJ Produkte der Selbsterniedrigung der Masse sind,und zwar keine idealen, sondern materielle, auf eine äußerlicheWeise existierende Produkte. Schon die Zeitschrift Loustalots11 vomJahre 1789 führte das Motto:

Les grands ne nous paraissent grandsQue parGe que nous sommes ä genoux.Levons-nous !*

* Die Großen erscheinen uns nur groß, weil wir auf den Knien liegen. Er-heben wir uns! Die Red.

18 W. I. Lenin

Aber um sich zu heben (122) [87], sagt Marx, genügt es nicht,sich in Gedanken, in der Idee zu heben.

„Die absolute Kritik jedoch hat von der Hegeischen Phänomeno-logie12 wenigstens die Kunst erlernt, reale, objektive, außer mirexistierende Ketten in bloß ideelle, bloß subjektive, bloß in mirexistierende Ketten und daher alle äußerlichen, sinnlichen Kämpfein reine Gedankenkämpfe zu verwandeln." (122.) [87.]

Damit kann, höhnt Marx, die prästabilierte Harmonie der kriti-schen Kritik und der Zensur bewiesen, der Zensor nicht als i_ Polizei-schergej, sondern als mein eigener personifizierter Takt und Maß-stab hingestellt werden.

Mit ihrem „Geist" beschäftigt, untersucht die absolute Kritiknicht, ob nicht in seinen LwindigenjPrätentionen die Phrase, dieSelbsttäuschung, die i_ Kernlosigkeit j liegen.

„Ebenso verhält es sich mit dem Fortschritt'. Trotz der Präten-tionen ,des Fortschrittes' zeigen sich beständige Rückschritte undKreisbewegungen. Die absolute Kritik, weit entfernt zu vermuten,daß die Kategorie ,des Fortschrittes' völlig gehaltlos und abstrakt ist,ist vielmehr so sinnreich, ,den Fortschritt' als absolut anzuerkennen,um, zur Erklärung des Rückschritts, einen persönlichen Wider-sacher' des Fortschritts, die Masse, zu unterstellen." (123/124.)[88.]

„Alle kommunistischen und sozialistischen Schriftsteller gingenvon der Beobachtung aus, einerseits, daß selbst die günstigstenGlanztaten ohne glänzende Resultate zu bleiben und in Trivialitätenauszulaufen scheinen, andrerseits, daß alle Fortschritte des Geistesbisher Fortschritte gegen die Masse der Menschheit waren, die ineine immer entmenschtere Situation hineingetrieben wurde. Sie er-klärten daher (siehe Fourier) ,den Fortschritt' für eine ungenügende,abstrakte Phrase, sie vermuteten (siehe unter andern Owen) einGrundgebrechen der zivilisierten "Welt; sie unterwarfen daher diewirklichen Grundlagen der jetzigen Gesellschaft einer einschneiden-den Kritik. Dieser kommunistischen Kritik entsprach praktisch so-gleich die Bewegung der großen Masse, im Gegensatz zu welcher diebisherige geschichtliche Entwickelung stattgefunden hatte. Man mußdas Studium, die Wißbegierde, die sittliche Energie, den rastlosen

Konspekt zu Marx' und Engels1 Werk „Die heilige Familie" 19

Entwicklungstrieb der französischen und englischen Ouvriers ken-nengelernt haben, um sich von dem menschlichen Adel dieser Be-wegung eine Vorstellung machen zu können." (124/125.) [88/89.]

„Welche gründliche Überlegenheit über die kommunistischenSchriftsteller, Geistlosigkeit, Indolenz, Oberflächlichkeit, Selbst-zufriedenheit nicht in ihre Zeugungsstätten verfolgt, sondern mora-lisch abgekanzelt und als Gegensatz des Geistes, des Fortschrittes,entdeckt zu haben!" (125.) [89.]

„Das Verhältnis von ,Geist und Masse' hat indes noch einenversteckten Sinn, der sich im Lauf der Entwickelungen vollständig ent-hüllen wird. Wir deuten ihn hier nur an. Jenes von Herrn Brunoentdeckte Verhältnis ist nämlich nichts anderes als die kritisch kari-kierte Vollendung der Hegeischen Geschichtsauffassung, welche wie-der nichts anderes ist als der spekulative Ausdruck des christlich-germanischen Dogmas vom Gegensatze des Geistes und der Materie,Gottes und der Welt. Dieser Gegensatz drückt sich nämlich inner-halb der Geschichte, innerhalb der Menschenwelt selbst so aus, daßwenige auserwählte Individuen als aktiver Geist der übrigen Mensch-heit als der geistlosen Masse, als der Materie gegenüberstehen."(126.) [89.]

Und Marx verweist darauf, daß Hegels (_ Geschichtsauffassungjeinen abstrakten und absoluten Geist voraussetzt, dessen Trägerdie Masse ist. Parallel mit der Hegeischen Doktrin entwickelte sichin Frankreich die Lehre der Doktrinäre13 (126) [90], welche dieSouveränität der Vernunft im Gegensatz zur Souveränität desVolkes proklamierten, um die Masse auszuschließen und allein zuherrschen.

Hegel „macht sich einer doppelten Halbheit schuldig" (127)[90]: 1. indem er die Philosophie für das Dasein des absoluten Gei-stes erklärt, ohne das philosophische Individuum für diesen Geistzu erklären; 2. läßt er den absoluten Geist nur zum Schein die Ge-schichte machen, erst post festum,-nur im Bewußtsein.

Bruno hebt diese Halbheit auf: er erklärt die Kritik zum absolu-ten Geist und - zum tatsächlichen Vollzieher der Geschichte.

„Auf der einen Seite steht die Masse als das passive, geistlose,geschichtslose, materielle Element der Geschichte; auf der andern

20 W. I. Lenin

Seite steht: der Geist, die Kritik, Herr Bruno & Comp. als dasaktive Element, von welchem alle geschichtliche Handlung ausgeht.Der Umgestaltungsakt der Gesellschaft reduziert sich auf die Hirn-tätigkeit der kritischen Kritik." (128.) [91.]

Als erstes Beispiel der „Feldzüge der absoluten Kritik gegen dieMasse" führt Marx Bruno Bauers Stellung zur ^_Judenfragej an,wobei er auf die Widerlegung Bauers in den Deutsch-FranzösischenJahrbüchern Bezug nimmt.14

„Ein Hauptgeschäft der absoluten Kritik besteht darin, alle Zeit-fragen erst in ihre richtige Stellung zu bringen. Sie beantwortetnämlich nicht die wirklichen Fragen, sondern schiebt ganz andereFragen unter So verdrehte sie auch die, Judenfrage' dergestalt,daß sie die politische Emanzipation, um welche es sich in jener Fragehandelt, nicht zu untersuchen brauchte, sondern vielmehr mit einerKritik der jüdischen Religion und einer Schilderung des christlich-germanischen Staats sich begnügen konnte.

Auch diese Methode ist, wie jede Originalität der absoluten Kri-tik, die Wiederholung eines spekulativen Witzes. Die spekulativePhilosophie, namentlich die Hegeische Philosophie, mußte alle Fra-gen aus der Form des gesunden Menschenverstandes in die Formder spekulativen Vernunft übersetzen und die wirkliche Frage ineine spekulative Frage verwandeln, um sie beantworten zu können.Nachdem die Spekulation mir meine Frage im Munde verdreht und•mir., wie der Katechismus, ihre Frage in den Mund gelegt hatte,konnte sie natürlich, wie der Katechismus, auf jede meiner Fragenihre Antwort bereit haben." (134/135.) [95.]

In dem von Engels geschriebenen Paragraphen 2a (. . . „Die,Kritik' und ,Feuerbach'. Verdammung der Philosophie"...) -S. 138-142 [97-99] - finden wir begeisterte Lobreden auf Feuer-bach. Zu den Angriffen der „Kritik" auf die Philosophie, dazu, daßihr (der Philosophie) der wirkliche Reichtum der menschlichen Ver-hältnisse, „der ungeheure Inhalt der Geschichte", „die Bedeutungdes Menschen" usw. usf. einschließlich der Phrase „das Geheimnisdes Systems ist aufgedeckt" — gegenübergestellt wird, sagt Engels:

„Aber wer hat denn das Geheimnis des ,Systems' aufgedeckt?

Konspekt zu Marx' und Engels' Werk „Die heilige Familie" 21

Feuerbach. Wer hat die Dialektik der Begriffe, den Götterkrieg, dendie Philosophen allein kannten, vernichtet? Feuerbach. Wer hat,zwar nicht ,die Bedeutung des Menschen' — als ob der Mensch nocheine andere Bedeutung habe, als die, daß er Mensch ist! — aber doch,den Menschen' an die Stelle des alten Plunders, auch des ,unend-lichen Selbstbewußtseins', gesetzt? Feuerbach und nur Feuerbach.Er hat noch mehr getan. Er hat dieselben Kategorien, womit die,Kritik' jetzt um sich wirft, den ,wirklichen Reichtum der mensch-lichen Verhältnisse, den Ungeheuern Inhalt der Geschichte, denKampf der Geschichte, den Kampf der Masse mit dem Geiste' etc.etc. längst vernichtet.

Nachdem der Mensch einmal als das Wesen, als die Basis allermenschlichen Tätigkeit und Zustände erkannt ist, kann nur nochdie ,Kritik' neue Kategorien erfinden und den Menschen selbst, wiesie es eben tut, wieder in eine Kategorie und in das Prinzip einerganzen Kategorienreihe verwandeln, womit sie allerdings denletzten Rettungsweg einschlägt, der der geängsteten und verfolg-ten theologischen Unmenschlichkeit noch übrigblieb. Die Geschichtetut nichts, sie ,besitzt keinen ungeheuren Reichtum', sie ,kämpftkeine Kämpfe'! Es ist vielmehr der Mensch, der wirkliche, lebendigeMensch, der das alles tut, besitzt und kämpft; es ist nicht etwa die,Geschichte', die den Menschen zum Mittel braucht, um ihre—als obsie eine aparte Person wäre - Zwecke durchzuarbeiten, sondern sieist nichts als die Tätigkeit des seine Zwecke verfolgenden Menschen.Wenn die absolute Kritik sich nach Feuerbachs genialen Entwicke-lungen noch untersteht, uns den ganzen alten Kram in neuer Ge-stalt wieder herzustellen..." (139/140) [98] usw. - so reiche dieseeinzige Tatsache hin, um die kritische Naivität zu würdigen etc.

Und weiter bemerkt Engels zu der Gegenüberstellung von Geistund „Materie" (die Kritik nannte die Masse „Materie"):

„Ist also die absolute Kritik nicht echt christlich-germanisch?Nachdem der alte Gegensatz des Spiritualismus und Materialismusnach allen Seiten hin ausgekämpft und von Feuerbach ein für alle-mal überwunden ist, macht ,die Kritik' ihn wieder in der ekelhafte-sten Form zum Grunddogma und läßt den ,christlich-germanischenGeist" siegen." (141.) [99.]

22 W. I. Lenin

Zu Bauers Worten „So weit die Juden jetzt in der Theorie sind,so weit sind sie emanzipiert, so weit sie frei sein wollen, so weit sindsie frei"15, sagt Marx:

„Aus diesem Satze kann man sogleich die kritische Kluft ermes-sen, welche den massenhaften, profanen Kommunismus und Sozia-lismus von dem absoluten Sozialismus scheidet. Der erste Satz desprofanen Sozialismus verwirft die Emanzipation in der bloßen Theo-rie als eine Illusion und verlangt für die wirkliche Freiheit, außerdem idealistischen, Willen', noch sehr handgreifliche, sehr materielleBedingungen. Wie tief steht ,die Masse' unter der heiligen Kritik,die Masse, welche materielle, praktische Umwälzungen für nötighält, selbst um die Zeit und die Mittel zu erobern, welche auch nurzur Beschäftigung mit ,der Theorie' erheischt werden!" (142.) [100.]

Das Folgende (S. 143-167) [100-115] ist eine langweilige,unglaub-lich nörgelnde Kritik an der Literatur-Zeitung, „vernichtende"Glossierung jeder einzelnen Zeile. Überhaupt nichts Interessantes.

Der Schluß des Paragraphen (b) Judenfrage Nr. II. 142-185[99-125]), die Seiten 167-185 [115-125] geben eine interessanteAntwort von Marx auf Bauers Verteidigung seines in den Deutsch-Französischen Jahrbüchern scharf kritisierten Buches „Die Juden-frage". (Auf die Deutsch-Französischen Jahrbücher kommt Marximmer wieder zurück.) Marx hebt hier klar und anschaulich dieGrundprinzipien seiner gesamten' Weltanschauung hervor.

„Die religiösen Tagesfragen haben heutzutage eine gesellschaft-liche Bedeutung" — das wurde schon in den Deutsch-FranzösischenJahrbüchern gesagt. Dort wurde „die wirkliche Stellung des Juden-tums in der heutigen bürgerlichen Gesellschaft" charakterisiert.„Herr Bauer erklärt die wirklichen Juden aus der jüdischen Religion,statt das Geheimnis der jüdischen Religion aus denwirklichen Judenzu erklären." (167/168.) [115.]

Herr Bauer ahnt nicht, „daß das wirkliche, weltliche Judentumund darum auch das religiöse Judentum fortwährend von demheutigen bürgerlichen Leben erzeugt wird und im Geldsystem seineletzte Ausbildung erhält".

In den Deutsch-Französischen Jahrbüchern wurde gezeigt, daßdie Entwicklung des Judentums „in der kommerziellen und indu-

Konspekt zu Marx7 und Engels7 Werk „Die heilige Familie" 23

striellen Praxis" zu finden sei, daß das praktische Judentum die„vollendete Praxis der christlichen Welt selber ist". (169.) [116.]

„Man bewies, daß die Aufgabe, das jüdische "Wesen aufzuheben,in Wahrheit die Aufgabe sei, das Judentum der bürgerlichen Gesell-schaft, die Unmenschlichkeit der heutigen Lebenspraxis, die imGeldsystem ihre Spitze erhält, aufzuheben." (169.) [116.]

Wenn der Jude Freiheit verlangt, so verlangt er damit etwas, waskeineswegs der politischen Freiheit widerspricht (172) [118] - eshandelt sich um die politische Freiheit.

„Man zeigte Herrn Bauer, wie die Zersetzung des Menschen in dennichtreligiösen Staatsbürger und den religiösen Privatmenschenkeineswegs der politischen Emanzipation widerspricht."

Und unmittelbar anschließend:„Man zeigte ihm, daß, wie der Staat sich von der Religion eman-

zipiert, indem er sich von der Staatsreligion emanzipiert, innerhalbder bürgerlichen Gesellschaft aber die Religion sich selbst über-läßt, so der einzelne Mensch sich politisch von der Religion emanzi-piert, indem er sich zu ihr nicht mehr als zu einer öffentlichen An-gelegenheit, sondern als zu seiner Privatangelegenheit verhält. Manzeigte endlich, daß das terroristische Verhalten der FranzösischenRevolution zur Religion, weit entfernt, diese Auffassung zu wider-legen, sie vielmehr bestätigt." (172.) [118.]

Die Juden verlangen i_allgemeine Menschenrechte.,].„In den Deutsch-Französischen Jahrbüchern wurde nun dem

Herrn Bauer entwickelt, daß diese ,freie Menschlichkeit' und ihre,Anerkennung' nichts anders ist als die Anerkennung des egoisti-schen, bürgerlichen Individuums und der zügellosen Bewegung dergeistigen und materiellen Elemente, welche den Inhalt seiner Lebens-situation, den Inhalt des heutigen bürgerlichen Lebens bilden, daßdie Menschenrechte den Menschen daher nicht von der Religion be-freien, sondern ihm die Religionsfreiheit geben, ihn nicht von demEigentum befreien, sondern ihm die Freiheit des Eigentums verschaf-fen, ihn nicht von dem Schmutz des Erwerbs befreien, sondern ihmvielmehr die Gewerbefreiheit verleihen.

Man zeigte nach, wie die Anerkennung der Menschenrechte durch,den modernen Staat keinen andern Sinn hat als die Anerkennung der

i Lenin, Werke, Bd. 38

24 W. I. Lenin

Sklaverei durch den antiken Staat. Wie nämlich der antike Staatdas Sklaventum, so hat der moderne Staat die bürgerliche Gesell-schaft zur Naturbasis, sowie den Menschen der bürgerlichen Gesell-schaft, d.h. den unabhängigen, nur durch das Band des Privatinter-esses und der bewußtlosen Naturnotwendigkeit mit dem Menschenzusammenhängenden Menschen, den Sklaven der Erwerbsarbeitund seines eignen wie des fremden eigennützigen Bedürfnisses. Dermoderne Staat hat diese seine Naturbasis als solche anerkannt inden allgemeinen Menschenrechten16." (175.) [119/120.]

„Der Jude hat ein um so größeres Recht auf diese Anerkennungseiner ,freien Menschlichkeit', als die ,freie bürgerliche Gesellschaft'durchaus kommerziellen jüdischen Wesens und er von vornhereinihr notwendiges Glied ist."

Daß die „Menschenrechte" nicht angeboren, sondern geschicht-lich entstanden sind, wußte schon Hegel (176) [120].

„Die Kritik" weist auf die Widersprüche des Kanstitutionalismushin, verallgemeinert sie aber nicht (|_faßt nicht den allgemeinenWiderspruch des Konstitutionalismusj) (177/178) [121]. Hätte siedas getan, so wäre sie von der konstitutionellen Monarchie bei demdemokratischen Repräsentativstaat, bei dem vollendeten modernenStaat angekommen (178) [121].

Die Gewerbetätigkeit wird mit der Aufhebung der Privilegien(der Zünfte, Korporationen etc.) nicht aufgehoben, sondern entwik-kelt sich vielmehr noch stärker. Das Grundeigentum wird mit derAufhebung der Privilegien des Grundbesitzes nicht aufgehoben,„vielmehr beginnt erst mit Aufhebung seiner Privilegien, in derfreien Parzellierung und der freien Veräußerung, seine universelleBewegung" (180) [122].

Der Handel wird durch die Aufhebung der Handelsprivilegiennicht aufgehoben, sondern wird erst dann wahrhaft freier Handel,so auch die Religion: „so entfaltet sich die Religion in ihrer prakti-schen Universalität (man denke an die nordamerikanischen Frei-staaten) erst da, wo es keine privilegierte Religion gibt".

. . . „Eben das Sklaventum der bürgerlichen Gesellschaft ist demSchein nach die größte Freiheit..." (181.) [123.]

Konspekt zu Marx' und Engels' Werk „Die heilige Familie" 25

Der Auflösung (182) [124] des politischen Daseins der Religion(Aufhebung der Staatskirche), des Eigentums (Aufhebung des Wahl-zensus) usw. - entspricht ihr „gewaltigstes Leben, das nun unge-stört seinen eignen Gesetzen gehorcht und die ganze Breite seinerExistenz auseinanderlegt".

Die Anarchie ist das Gesetz der von den Privilegien emanzipier-ten bürgerlichen Gesellschaft (182/183) [124].

. . . C) KRITISCBE SCHLACHTGEGEN DIE FRANZÖSISCHE REVOLUTION

„ , Die Ideen"', so zitiert Marx Bauer, „,welche die FranzösischeRevolution herangetrieben hatte, führten aber über den Zustand,den sie mit Gewalt aufheben wollte, nicht hinaus.'

Ideen können nie über einen alten Weltzustand, sondern immernur über die Ideen des alten Weltzustandes hinausführen. Ideen kön-nen überhaupt nichts ausführen. Zum Ausführen der Ideen bedarf esder Menschen, welche eine praktische Gewalt aufbieten."(186.) [126.]

Die Französische Revolution hat die Ideen des Kommunismus(Babeuf) hervorgebracht, die, konsequent ausgearbeitet, die Idee desneuen |_Weltzustands J enthielten.

Zu den Worten Bauers, daß der Staat die einzelnen selbstsüchti-gen Atome zusammenhalten muß, bemerkt Marx (188/189) [127],daß die Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft genau genommenkeine Atome sind, sondern sich nur einbilden, solche zu sein, dennsie genügen sich nicht selbst, wie die Atome, sondern sind abhängigvon anderen Menschen, und ihre Bedürfnisse versetzen sie stündlichin diese Abhängigkeit.

„Die Naturnotwendigkeit also, die menschlichen Wesenseigenschaf-ten, so entfremdet sie auch erscheinen mögen, das Interesse, haltendie Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft zusammen, das bürger-liche und nicht das politische Leben ist ihr reales Band . . . Nur derpolitische Aberglaube bildet sich noch heutzutage ein, daß das bür-gerliche Leben vom Staat zusammengehalten werden müsse, wäh-rend umgekehrt in der Wirklichkeit der Staat von dem bürgerlichenLeben zusammengehalten wird." (189.) [128.]

26 W. I. Lenin

Robespierre, St-Just und ihre Partei gingen unter, weil sie dasantike, realistisch-demokratische Gemeinwesen, das auf der Skla-verei beruhte, mit dem modernen spiritualistisch-demokratischenRepräsentativstaat, welcher auf der bürgerlichen Gesellschaft be-ruht, verwechselten. Vor seiner Hinrichtung wies St-Just auf dieTabelle ([..Tabelle j - Affiche? hängende) der Menschenrechte undsagte: „C'est pourtant moi qui ai fait cela."* „Eben diese Tabelleproklamierte das Recht eines Menschen, der nicht der Mensch desantiken Gemeinwesens sein kann, so wenig als seine nationalökono-mischen und industriellen Verhältnisse die antiken sind." (192.)[129.]

Am 18. Brumaire17 wurde nicht die revolutionäre Bewegung zurBeute Napoleons, sondern die liberale Bourgeoisie. Nach dem SturzRobespierres, unter dem Direktorium, beginnt die prosaische Ver-wirklichung der bürgerlichen Gesellschaft: LSturm und Drangjnach kommerziellen Unternehmungen, L Taumel j des neuen bürger-lichen Lebens; „wirkliche Aufklärung des französischen Grund undBodens, dessen feudale Gliederung der Hammer der Revolutionzerschlagen hatte und welchen nun die erste Fieberhitze der vielenneuen Eigentümer einer allseitigen Kultur unterwirft; erste Bewe-gungen der frei gewordenen Industrie - das sind einige von denLebenszeichen der neuentstandnen bürgerlichen Gesellschaft"(192/193) [130].

VI. KAPITEL. DIE ABSOLUTE KRITISCHE KRITIKODER DIE KRITISCHE KRITIK ALS HERR BRUNO

. . . 3 . DRITTER FELD ZUG DER ABSOLUTEN KRITIK. . .

d) KRITISCHE SCHLACHT GEGEN DEN FRANZÖSISCHEN MATERIALISMUS

(195-211) [131-141]

Dieses Kapitel (§ d im 3. Teil des VI. Kapitels) ist eins der wert-

vollsten in dem Buch. Hier wird nicht an jeder einzelnen Zeileherumgekrittelt, sondern eine durchweg sachliche Darstellung ge-

* „Und doch war ich es, der das gemacht hat." Die Red.

Konspekt zu Marx' und Engels' Werk „Die heilige Familie" 27

geben. Es ist dies ein kurzer Abriß der Geschichte des französischenMaterialismus. Hier müßte man das ganze Kapitel von Anfang bisEnde herausschreiben, deshalb beschränke ich mich auf eine ge-drängte Konspektierung des Inhalts. |[

Die französische Aufklärung des 18. Jahrhunderts und der fran-zösische Materialismus sind nicht nur ein Kampf gegen die be-stehenden politischen Institutionen, sondern ebensosehr ein offenerKampf gegen die Metaphysik des 17. Jahrhunderts, namentlichgegen die Metaphysik von Descartes, Malebranche, Spinoza undLeibniz. „Man stellte die Philosophie der Metaphysik gegenüber, wieFeuerbach bei seinem ersten entschiedenen Auftreten wider Hegelder trunkenen Spekulation die nüchterne Philosophie gegenüber-stellte." (196.) [132.]

Die Metaphysik des 17. Jahrhunderts, welche von dem Materia-lismus des 18. Jahrhunderts aus dem Felde geschlagen war, erlebteeine siegreiche und Lgehaltvollej Restauration in der deutschenPhilosophie und namentlich in der spekulativen deutschen Philo-sophie des 19. Jahrhunderts. Hegel hatte sie genial mit aller Meta-physik und dem deutschen Idealismus vereint und Lein metaphy-sisches Universalreichj gegründet. Darauf folgte wieder der „An-griff auf die spekulative Metaphysik und auf alle Metaphysik. Siewird für immer dem nun durch die Arbeit der Spekulation selbstvollendeten und mit dem Humanismus zusammenfallenden Mate-rialismus erliegen. Wie aber Feuerbach auf theoretischem Gebiete,stellte der französische und englische Sozialismus und Kommunis-mus auf praktischem Gebiete den mit dem Humanismus zusam-menfallenden Materialismus dar." (196/197.) [132.]

Es gibt zwei Richtungen des französischen Materialismus: 1. vonDescartes her, 2. von Locke her. Die letztere Ljmündet direkt in denSozialismusj (197) [132].

Die erstere, der mechanische Materialismus, wird zur französi-schen Naturwissenschaft.

Descartes erklärt in seiner Physik die Materie zur einzigen Sub-stanz. Der mechanische französische Materialismus übernimmt diePhysik des Descartes und verwirft seine Metaphysik.

28 W. I. Lenin

„Mit dem Arzte Le Roy beginnt diese Schule, mit dem ArzteCabanis erreicht sie ihren Höhepunkt, der Arzt La Mettrie ist ihrZentrum."

Descartes lebte noch, als Le Roy die mechanische Konstruktiondes Tieres auf den Menschen übertrug, die Seele für einen Modusdes Körpers und die Ideen für mechanische Bewegungen erklärte(198) [133]. Le Roy glaubte sogar, Descartes habe seine wahreMeinung verheimlicht. Descartes protestierte.

Am Ende des 18. Jahrhunderts vollendete Cabanis den kartesi-schen Materialismus in seiner Schrift „Rapports du physicpie et dumoral de l'homme"18.

Die Metaphysik des 17. Jahrhunderts hatte von Anfang anden Materialismus zum Antagonisten. Descartes - Gassendi, denWiederhersteller des epikureischen Materialismus19, in England -Hobbes.

Voltaire (199) [133] hat bemerkt, daß die Indifferenz der Fran-zosen des 18. Jahrhunderts gegen die jesuitischen und sonstigenStreitigkeiten weniger durch die Philosophie als durch die LawschenFinanzspekulationen herbeigeführt wurde. Die theoretische Bewe-gung zum Materialismus wird aus der praktischen |_Gestaltungjdes damaligen französischen Lebens erklärt. Der materialistischenPraxis entsprachen materialistische Theorien.

Die Metaphysik des 17. Jahrhunderts (Descartes, Leibniz) warnoch versetzt mit positivem Gehalt. Sie machte Entdeckungen inder Mathematik, Physik usw. Im 18. Jahrhundert hatten sich diepositiven Wissenschaften von ihr getrennt, und die MetaphysikLwar fad gewordenj.

Im Todesjahr von Malebranche wurden Helvetius und Condillacgeboren (199/200) [134].

Theoretisch wurde die Metaphysik des 17. Jahrhunderts vonPierre Bayle untergraben- mit seiner Waffe des Skeptizismus20. Erwiderlegte vorzugsweise den Spinoza und Leibniz. Er kündete dieatheistische Gesellschaft. Er war nach den Worten eines französi-schen Schriftstellers „der letzte der Metaphysiker im Sinne des 17.und der erste der Philosophen im Sinne des 18. Jahrhunderts"(200/201) [135].

Konspekt zu Marx' und Engels' Werk „Die heilige Familie" 29

Neben dieser negativen Widerlegung bedurfte es eines positiven,antimetaphysischen Systems. Das kam von Locke.

Der Materialismus ist ein Sohn Großbritanniens. Schon sein Scho-lastiker Duns Scotus fragte sich, „ob die Materie nicht denkenkönne". Er war Nominalist. Der Nominalismus21 ist überhaupt dererste Ausdruck des Materialismus.

Der wahre Stammvater des englischen Materialismus ist Baco.(„Unter den der Materie eingebornen Eigenschaften ist die Bewe-gung die erste und vorzüglichste, nicht nur als mechanische undmathematische Bewegung, sondern mehr noch als Trieb, Lebens-geist, Spannkraft, als [_Qual_j der Materie." - 202 [135].)

„In Baco, als seinem ersten Schöpfer, birgt der Materialismusnoch auf eine naive "Weise die Keime einer allseitigen Entwicklungin sich. Die Materie lacht in poetisch-sinnlichem Glänze den gan-zen Menschen an."

Bei Hobbes wird der Materialismus einseitig, |_menschenfeind-lich, mechanischj. Hobbes hatte den Baco systematisiert, aber seinGrundprinzip, den Ursprung der Kenntnisse und Ideen aus der Sin-nenwelt, nicht näher begründet - S. 203 [136].

Wie Hobbes die theistischen Vorurteile des baconischen Materia-Iismus vernichtete, so Colüns, Dodwell, Coward, Hartley, Priestleyetc. die letzten theologischen Schranken des Lockeschen Sensualis-mus22.

Condillac richtete den Lockeschen Sensualismus gegen die Meta-physik des 17. Jahrhunderts, er publizierte eine Widerlegung derSysteme von Descartes, Spinoza, Leibniz und Malebranche.23

Die Franzosen haben den Materialismus der Engländer „zivili-siert" (205) [137].

In Helvetius (der ebenfalls von Locke ausgeht) empfängt derMaterialismus den eigentlich französischen Charakter.

La Mettrie — eine Vereinigung zwischen dem kartesischen unddem englischen Materialismus.

Robinet - steht am meisten mit der Metaphysik in Verbin-dung.

„Wie der kartesische Materialismus in die eigentliche Naturwissen-schaft verläuft, so mündet die andre Sichtung des französischen

30 W. I. Lenin

Materialismus direkt in. den Sozialismus und Kommunismus."(206.)[138.]

Nichts ist leichter, als aus den Voraussetzungen, des Materialismusden Sozialismus zu folgern (Umgestaltung der Sinnenwelt - priva-tes und allgemeines Interesse verbinden - die antisozialen L G e -bur t s s t ä t t en j des Verbrechens zerstören usw.).

Fourier geht unmittelbar von der Lehre der französischen Mate-rialisten aus. Die Babouvistenzi waren rohe, unzivilisierte Materia-listen. Bentham gründet sein System auf die Moral des Helvetius,während Owen zur Begründung des englischen Kommunismus vondem System Benthams ausgeht. Cabet bringt kommunistischeIdeen aus England nach Frankreich (der [„populärste, wenn auchflachstej Repräsentant des Kommunismus - 208 [139]). „Wissen-schaftlicher" sind Dezamy, Gay u.a., die die Lehre des Materialismusals realen Humanismus entwickeln.

Auf S. 209-211 [140/141] bringt Marx in einer Anmerkung (2 Sei-ten Petit) Auszüge aus Helvetius, Holbach und Bentham, um denZusammenhang des Materialismus des 18. Jahrhunderts mit demenglischen und französischen Kommunismus des 19. Jahrhundertsnachzuweisen.

Aus den weiteren Paragraphen ist folgende Stelle bemerkens-wert :

„Der Kampf zwischen Strauß und Bauer über die Substanz unddas Selbstbewußtsein ist ein Kampf innerkalb der Hegeischen Speku-lationen. In Hegel sind drei Elemente, die spinozistische Substanz,das Fichtesche Selbstbewußtsein, die Hegeische notwendig-wider-spruchsvolle Einheit von beiden, der absolute Geist. Das erste Ele-ment ist die metaphysisch travestierte Natur in der Trennung vomMenschen, das zweite ist der metaphysisch travestierte Geist in derTrennung von der Natur, das dritte ist die metaphysisch travestierteEinheit von beiden, der wirkliche Mensch und die wirkliche Men-schengattung" (220) [147]; ferner der folgende Absatz mit einerEinschätzung Feuerbachs:

„Strauß führt den Hegel auf spinozistischem Standpunkt, Bauerden Hegel auf Fichteschem Standpunkt innerhalb des theologischen

Konspekt zu Marx' und Engets' Werk „Die heilige Familie" 31

Gebietes konsequent durch. Beide kritisierten Hegel, insofern beiihm jedes der beiden Elemente durch das andere verfälscht wird,während sie jedes derselben zu seiner einseitigen, also konsequentenAusführung entwickelten. - Beide gehn daher in ihrer Kritik überHegel hinaus, aber beide bleiben auch innerhalb seiner Spekulationstehen und repräsentieren jeder nur eine Seite seines Systems. ErstFeuerbach, der den Hegel auf Hegelschem Standpunkt vollendete undkritisierte, indem er den metaphysischen absoluten Geist in den,wirklichen Menschen auf der Grundlage der Natur* auflöste, voll-endete die Kritik der Religion, indem er zugleich zur Kritik derHegeischen Spekulation und daher aller Metaphysik die großen undmeisterhaften Grundzüge entwarf." (220/221.) [147.]

Marx verspottet die Bauersche „Theorie des Selbstbewußtseins"wegen ihres Idealismus (Sophismen des absoluten Idealismus - 222[148]), er weist darauf hin, daß das fast wörtlich Hegel ist, zitiertdessen Phänomenologie und kritische Bemerkungen Feuerbachs (ausPhilosophie der Zukunft25, S. 35, darüber, daß die Philosophie das„materiell Sinnliche" negiert, wie die Theologie „die durch die Erb-sünde vergiftete Natur" negiert).

Das nächste Kapitel (VII) beginnt wieder mit viel langweiliger,nörgelnder Kritik j l ^ S . 228-235 [152-157]|. In § 2a ist eineinteressante Stelle.

Marx führt aus der „Literatur-Zeitung" den Brief eines „Reprä-sentanten der Masse" an, der das Studium der Wirklichkeit, derNaturwissenschaft, der Industrie (236) [157] verlangt, und der dafürvon der „Kritik" beschimpft wurde:

„Oder (!) meinen Sie", riefen die „Kritiker" diesem Repräsentan-ten der Masse entgegen, „mit der Erkenntnis der geschichtlichenWirklichkeit sei es schon zu Ende? Oder (!) wissen Sie eine einzigePeriode der Geschichte, die in der Tat schon erkannt ist?"

„Oder glaubt die kritische Kritik", antwortet Marx, „in der Er-kenntnis der geschichtlichen Wirklichkeit auch nur zum Anfanggekommen zu sein, solange sie das theoretische und praktischeVerhalten des Menschen zur Natur, die Naturwissenschaft und dieIndustrie, aus der geschichtlichen Bewegung ausschließt? Oder

32 W. I. Lenin

No-ta-be-

ne

meint sie irgendeine Periode in der Tat schon erkannt zuhaben,ohne z. B. die Industrie dieser Periode, die unmittelbare Produk-tionsweise des Lebens selbst, erkannt zu haben? Allerdings diespiritualistische, die theologische kritische Kritik kennt nur — kenntwenigstens in ihrer Einbildung - die politischen, literarischen undtheologischen Haupt- und Staatsaktionen der Geschichte. Wiesie das Denken von den Sinnen, die Seele vom Leibe, sich selbstvon der "Welt trennt, so trennt sie die Geschichte von der Natur-wissenschaft und Industrie, so sieht sie nicht in der grob-mote-riellen Produktion auf der Erde, sondern in der dunstigen 'Wolken-bildung am Himmel die Geburtsstätte der Geschichte." (238.)[158/159.]

Dieser Repräsentant der Masse wird von der Kritik als ^jnassen-hafier Materialistj beschimpft (239) [159].

„Die Kritik der Franzosen und Engländer ist nicht so eine ab-strakte, jenseitige Persönlichkeit, die außer der Menschheit steht,sie ist die wirkliche menschliche Tätigkeit von Individuen, die werk-tätige Glieder der Gesellschaft sind, die als Menschen leiden, fühlen,denken und handeln. Darum ist ihre Kritik zugleich praktisch, ihrKommunismus ein Sozialismus, in dem sie praktische, handgreif-liche Maßregeln geben, in dem sie nicht nur denken, sondern nochmehr handeln, ist die lebendige, wirkliche Kritik der bestehendenGesellschaft, die Erkenntnis der Ursachen ,des Verfalls'." (244.)

[[Das ganze VII. Kapitel, 228-257 [152-171], enthält außer den

angeführten Stellen nur die unglaublichsten Kritteleien und Spöt-teleien, auch kleinste Widersprüche werden herausgefischt undalle möglichen Albernheiten aus der Literatur-Zeitung lächerlich

gemacht usw. ||

In Kap. VIII (258-333 [172-221]) - der Paragraph über die„kritische Verwandlung eines Metzgers in einen Hund"-und weiterüber Fleur de Marie26 von Eugen Sue (wohl ein Roman mit diesemTitel oder der Held irgendeines Romans) mit einigen „radikalen",aber uninteressanten Bemerkungen von Marx. Erwähnenswert

Konspekt zu Marx1 und Engels' Werk „Die heilige Familie1' 33

höchstens S. 285x [190] -einige Bemerkungen über die HegeischeStraftheorie, S. 296 [197/198] gegen die Verteidigung der Einzelhaft(Zellularsystem) durch Eugen Sue.

X „Nach Hegel fällt der Verbrecher in der Strafe über sich selbstdas Urteil. Gans hat diese Theorie weitläufiger ausgeführt. Sie istbei Hegel das spekulative Schönpflaster des alten jus talionis*, dasKant als die einsig rechtliche Straftheorie entwickelt hatte. BeiHegel bleibt die Selbstrichtung des Verbrechers eine bloße ,Idee',eine bloß spekulative Interpretation der gangbaren empirischenKriminalstrafen. Er überläßt daher ihren Modus der jedesmaligenBildungsstufe des Staats, d. h., er läßt die Strafe bestehen, wie siebesteht. Eben hierin zeigt er sich kritischer als sein kritischer Nach-beter. Eine Strq/theorie, welche zugleich im Verbrecher den Men-schen anerkennt, kann dies nur in der Abstraktion, in der Einbildungtun, eben weil die Strafe, der Zwang dem menschlichen Verhaltenwidersprechen. In der Ausführung wäre die Sache zudem unmög-lich. An die Stelle des abstrakten Gesetzes würde die rein subjektiveWillkür treten, da es jedesmal von den offiziellen, ,ehrbaren undanständigen' Männern abhängen müßte, die Strafe nach der Indi-vidualität des Verbrechers einzurichten. Schon Plato hat die Ein-sicht besessen, daß das Gesetz einseitig sein und von der Individuali-tät abstrahieren muß. Unter menschlichen Verhältnissen dagegenwird die Strafe wirklich nichts anderes sein als das Urteil des Fehlen-den über sich selbst. Man wird ihn nicht überreden wollen, daß eineäußere, ihm von andern angetane Gewalt eine Gewalt sei, die er sichselbst angetan habe. In den andern Menschen wird er vielmehr dienatürlichen Erlöser von der Strafe finden, die er über sich selbstverhängt hat, d. h., das Verhältnis wird sich geradezu umkehren."(285/286.) [190.]

((Offensichtlich wendet sich Marx hier gegen den von Eugen Suepropagierten oberflächlichen Sozialismus, der offensichtlich auch inder Literatur-Zeitung verteidigt wurde.))

* des Rechts, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Die Red.

34 W. I. Lenin

Marx verspottet Sue z. B. wegen der Idee, die Tugend durch denStaat zu belohnen, ebenso wie das Laster bestraft wird (S. 300/301[201] sogar eine Tabelle, die die justice criminelle* mit der justicevertueuse** vergleicht!).

S. 305j306 [203/204]: Kritische Bemerkungen gegen Hegels„Phänomenologie".

30 7 [205]: Aber manchmal gibt Hegel in seiner „Phänomenolo-gie" - seiner eigenen Theorie zum Trotz - eine wirkliche Charakteri-stik der menschlichen Verhältnisse.

309 [206]: Wohltätigkeit als \_Spiel_\ der Reichen (309/310)[206].

312J313 [207/208]: Sehr anschauliche Zitate aus Fourier über

die Erniedrigung der Frau271[ contra die gemäßigten Wünsche der

„Kritik" und Rudolphs - eines Helden bei Eugen SueTfl

„Das Geheimnis dieser" (305) [203] (über dieser Stelle ein Zitataus Anekdota28) „Bauerschen Kühnheit ist die Hegeische ,Phäno-menologie'. Weil Hegel hier das Selbstbewußtsein an die Stelle desMenschen setzt, so erscheint die verschiedenartigste menschlicheWirklichkeit nur als eine bestimmte Form, als eine Bestimmtheit desSelbstbewußtseins. Eine bloße Bestimmtheit des Selbstbewußtseinsist aber eine ,reine Kategorie', ein bloßer ,Gedanke', den ich daherauch im ,reinen' Denken aufheben und durch reines Denken über-winden kann. In Hegels ,Phänomenologie' werden die materiellen,sinnlichen, gegenständlichen Grundlagen der verschiedenen entfrem-deten Gestalten des menschlichen Selbstbewußtseins stefteregelas-sen, und das ganze destruktive Werk hatte die konservativste

Philosophie Sie! zum Resultat, weil es die gegenständliche Welt, diesinnlich wirkliche Welt überwunden zu haben meint, sobald es siein ein , Gedankending', in eine bloße Bestimmtheit des Selbstbewußt-seins verwandelt hat und den ätherisch gewordenen Gegner nunauch im ,Äther des reinen Gedankens'' auflösen kann. Die ,Phäno-menologie' endet daher konsequent damit, an die Stelle aller mensch-

* Kritninaljustiz. Die Red.** Tugendjustiz. Die Red.

Konspekt zu Marx1 und Engels' Werk „Die heilige Familie'''' 35

liehen Wirklichkeit das ,absolute Wissen' zu setzen — Wissen, weildies die einzige Daseinsweise des Selbstbewußtseins ist und weil dasSelbstbewußtsein für die einzige Daseinsweise des Menschen gilt —absolutes "Wissen, eben weil das Selbstbewußtsein nur sich selbstweiß und von keiner gegenständlichen Welt mehr geniert wird.Hegel macht den Menschen zum Menschen des Selbstbewußtseins,statt das Selbstbewußtsein zum Selbstbewußtsein des Menschen, deswirklichen, daher auch in einer wirklichen, gegenständlichen Weltlebenden und von ihr bedingten Menschen zu machen. Er stellt dieWelt auf den Kopf und kann daher auch im Kopf alle Schrankenauflösen, wodurch sie natürlich für die schlechte Sinnlichkeit, für denwirklichen Menschen bestehenbleiben. Uberdem gilt ihm notwen-digerweise alles das als Schranke, was die Beschränktheit des all-gemeinen Selbstbewußtseins verrät, alle Sinnlichkeit, Wirklichkeit,Individualität der Menschen wie ihrer Welt. Die ganze ,Phänomeno-logie' will beweisen, daß das Selbstbewußtsein die einzige und alleRealität ist . . . " (306.) [203/204.]

. . . „Es versteht sich endlich von selbst, daß, wenn Hegels,Phänomenologie' ihrer spekulativen Erbsünde zum Trotz an vielenPunkten die Elemente einer wirklichen Charakteristik der mensch-lichen Verhältnisse gibt, Herr Bruno und Konsorten dagegen nurdie inhaltslose Karikatur liefern.. ." (307.) [205.]

„Rudolph hat damit unbewußt das längst enthüllte Geheimnisausgesprochen, daß das menschliche Elend selbst, daß die unend-liche Verworfenheit, welche das Almosen empfangen muß, derAristokratie des Geldes und der Bildung zum Spiel, zur Befriedi-gung ihrer Selbstliebe, zum Kitzel ihres Übermuts, zum Amüse-ment dienen muß.

Die vielen Wohltätigkeitsvereine in Deutschland, die vielenwohltätigen Gesellschaften in Frankreich, die zahlreichen wohltäti-gen Donquichotterien in England, die Konzerte, Bälle, Schauspiele,Essen für Arme, selbst die öffentlichen Subskriptionen für Verun-glückte haben keinen andern Sinn." (309/310.) [206.]

Und Marx zitiert aus Eugen Sue:„Ah Madame! ce n'est pas assez d'avoir danse au benefi.ee de ces

36 W. I. Lenin

pauvres Polonais . . . soyons philanthropes jusqu'au b o u t . . . allonssouper maintenant au profit des pauvres!"* (310.) [206.]

Auf S. 312/313 Zitate aus Fourier (Ehebruch - guter Ton,- Kindermord der Verführten - fehlerhafter Kreislauf . . . „DerGrad der weiblichen Emanzipation ist das natürliche Maß der allge-meinen Emanzipation " (312.) [208.] Die Zivilisation macht jedesLaster aus einem einfachen zu einem, zusammengesetzten, doppel-sinnigen, heuchlerischen) und Marx fügt hinzu:

„Dem Gedanken Rudolphs gegenüber ist es überflüssig, auf Fou-I riers meisterhafte Charakteristik der Ehe wie auf die Schriften der| materialistischen Fraktion des französischen Kommunismus hinzu-weisen." (313.) [208.]

S. 313 [209] ff. gegen die nationalökonomischen Projekte EugenSues und Rudolphs (wohl der Held eines Romans von Sue?), gegendie Projekte der Assoziation von Reichen und Armen und der Orga-nisation der Arbeit (das ist Sache des Staates) etc., - z. B. noch die\_Armenbankj [7) - b) „Die Armenbank", S. 314-318 [209-211]]= zinslose Anleihen für Arbeitslose. Marx nimmt die Zahlendes Projekts und zeigt ihre Erbärmlichkeit im Vergleich zu demElend. Auch dem Gedanken nach sei die |_Armenbankj um nichtsbesser als die |_Sparkassenj . . . Demnach iJberuht die Einrich-tungj der Bank „auf dem Wahn, daß es nur einer andern Distribu-tion des Salärs bedürfe, damit der Arbeiter das ganze Jahr hin-durch leben könne" (316/317) [210].

In §c (318-320) [211/212] „Musterwirtschaft zu Bouqueval"wird das von der „Kritik" gepriesene Projekt Rudolphs, der dieMusterwirtschaft beschreibt, verrissen: Marx erklärt sie zur Uto-pie, denn auf 1 Franzosen kommt im Durchschnitt nur 34 PfundFleisch täglich, nur 93 frs jährliches Einkommen etc., gearbeitetwird nach dem Projekt zweimal soviel wie gewöhnlich etc. etc.((Uninteressant.))

• „Ah, gnädige Frau, es ist nicht genug, zum Wohle dieser armen Polengetanzt zu haben . . . seien wir Menschenfreunde bis zum letzten . . . lassenSie uns jetzt zum Nutzen der Armen zu Abend essen!" Der Übers.

Konspekt zu Marx' und Engels1 Werk „Die heilige Familie" 37

320 [213]: „Das Wundermittel, womit Rudolph alle seine Erlö-sungen und "Wunderkuren bewirkt, sind nicht seine schönen Worte,sondern sein bares Geld. So sind die Moralisten, sagt Fourier. Manmuß ein Millionär sein, um es ihren Helden nachmachen zu können.

Die Moral ist die ,Impuissance mise en action'29. Sooft sie einLaster bekämpft, unterliegt sie. Und Rudolph erhebt sich nicht malauf den Standpunkt der selbständigen Moral, welche wenigstensauf dem Bewußtsein der Menschenwürde beruht. Seine Moral be-ruht dagegen auf dem Bewußtsein der menschlichen Schwäche. Erist die theologische Moral." (320/321.) [213.]

. . . „Wie in der Wirklichkeit alle Unterschiede immer mehr in denUnterschied von arm und reich zusammenschmelzen, so lösen sichin der Idee alle aristokratischen Unterschiede in den Gegensatz desGuten und des Bösen auf. Diese Unterscheidung ist die letzte Form,welche der Aristokrat seinen Vorurteilen er te i l t . . . " (323/324.)[215.]

. . . „Jede seiner Seelenbewegungen ist für Rudolph von unend-licher Wichtigkeit. Er taxiert und beobachtet sie daher beständig..."(Beispiele.) „Dieser große Herr ähnelt den Gliedern des JungenEnglands, die auch die Welt reformieren wollen, edle Handlungenbegehen und ähnlichen hysterischen Zufällen unterworfen sind "(326.) [216, 217.]

Ob Marx hier nicht die englischen Tory-Philanthropenmeint, die sich für die Zehnstundenbill einsetzten?30

KONSPEKT ZU FEUERBACHS

„VORLESUNGEN ÜBER DAS WESEN

DER RELIGION"**

Geschrieben nicht vor 1909.

Zuerst veröffentlicht 1930 Nach dem Manuskript.im Lenin-Sammelband XII.

41

L. FEUERBACH. SÄMTLICHE "WERKE, BD. 3, 1851„VORLESUNGEN

ÜBER DAS "WESEN DER RELIGION'^

Vorwort datiert vom 1.1.51, - Feuerbachspricht hier von den Ursachen seiner Nichtbetei-ligung an der Revolution von 1848, die ein „soschmähliches, so resultatloses Ende" (VII) nahm.Die Revolution von 1848 hatte keinen i_Orts- undZeitsinn j , die Konstitutionalisten erwarteten dieFreiheit vom Worte L_des Herrn j , die Republika-ner (VII/VIII) - von ihrem Wollen („daß maneine Republik nur zu wollen brauche, um sie auchschon ins Leben zu rufen") (VIII) . . .

„"Wenn -wieder eine Revolution ausbricht undich an ihr tätigen Anteil nehme, dann könnenSie.. . gewiß sein, daß diese Revolution einesiegreiche, daß der jüngste Tag der Monarchieund Hierarchie gekommen ist." (VII.)

1. Vorlesung (1-11).S. 2: „"Wir haben ebenso wie den philosophischen

den politischen Idealismus satt; wir wollenjetzt politische Materialisten sein."

3/4 - "Warum Feuerbach sich aufs Land zurück-zog: Bruch mit der „gottesgläubigenWelt",S. 4 (LZ. 7 v. u.j) (vgl. S. 3 in f.) - mit der„Natur" leben (5), alle „überspannten" Vor-stellungen |_ablegen_j.

7-11. Feuerbach gibt einen Überblick über seineWerke (7-9: Geschichte der neuem Philo-sophie) (9-11 Spinoza, Leibniz).33

8°. R. 807

Feuerbachhat die Revo-

lution von 1848nicht

begriffen

Sie!!

„Über-spanntes"

weg!

42 W. I. Lenin

„Sinnlichkeit"bei Feuerbach

cf. Marxund Engels36

2. Vorlesung (12-20).12-14 - Bayle.15: \_Sinnlichkeit_j bedeutet bei mir „die

wahre, nicht gedachte und gemachte, son-dern existierende Einheit des Materiellenund Geistigen, ist daher bei mir ebensovielals wie Wirklichkeit".[_Sinnlichj ist nicht nur der l_Magenj, son-dern auch der i_Kopf j (15).

(16-20: Feuerbachs Schriften über die Unsterb-lichkeit34; Wiedergabe.)

3. Vorlesung (21-30).Gegen mein „Wesen des Christentums"35 wand-

te man ein, daß bei mir der Mensch von nichtsabhängig sei, „man opponierte dieser meiner an-geblichen Vergötterung des Menschen" (24). „DasWesen, welches der Mensch voraussetzt, . . . istnichts andres als die Natur, nicht euer Gott."(25.)

„Das bewußtlose Wesen der Natur ist mir dasewige, unentstandene Wesen, das erste Wesen,aber das erste der Zeit, nicht dem Rang nach,das physisch, aber nicht moralisch erste We-sen . . . " (27.)

Meine Verneinung schließt auch B ej ahung ein...„Allerdings ist es eine Folge meiner Lehre, daßkein Gott ist" (29), aber das folgt aus der Er-kenntnis des Wesens Gottes (= Ausdruck desWesens der Natur, des Wesens des Menschen).

4. Vorlesung.„Das Abhängigkeitsgefühl ist der Grund der

Religion." (31.) („Furcht" 33-4-5-6.)„Die sogenannten spekulativen Philosophen

sind . . . die Philosophen, welche nicht ihre Be-griffe nach den Dingen, sondern vielmehr dieDinge nach ihren Begriffen einrichten." (31.)

Konspekt zu Feuerbachs „Vorlesungen über das Wesen der Religion'1 43

(5. Vorlesung.)-besonders der Tod erzeugt Furcht, Glauben

an Gott (41).„Ich hasse den Idealismus, -welcher den Men-

schen aus der Natur herausreißt; ich schäme michnicht meiner Abhängigkeit von der Natur." (44.)

„Sowenig ich im Wesen des Christentums, wieman mir törichterweise vorgeworfen, den Men-schen vergöttert . . . sowenig will ich die Naturim Sinne der Theologie . . . vergöttert wissen.. ."(46/47.)

6. Vorlesung - Tierkultus (50 ff.).„Das, wovon der Mensch abhängig i s t , . . . ist

. . . die Natur, ein Gegenstand der Sinne . . . alledie Eindrücke, welche die Natur vermittelst derSin Tip auf den Menschen macht, . . . Motive reli-giöser Verehrung werden können." (55.)

(7. Vorlesung.)Unter Egoismus verstehe ich nicht den Egois-

mus des „Philisters und Bourgeois" (63), sonderndas philosophische Prinzip der Übereinstimmungmit der Natur, mit der menschlichen Vernunft,wider „die theologische Heuchelei, die religiöseund spekulative Phantastik, die politische Des-potie" (63 i. f.). Cf. 64, sehr wichtig.™

Id. 68 i. f. und 69 i. f. - Egoismus (im philoso-phischen Sinne) ist die Wurzel der Religion.

(70: [_Die Gelehrtenj kann man nur durchihre Waffen, d. h. durch Zitate schlagen)„ . . . man die Gelehrten nur durch ihre eige-nen Waffen, d. h. Zitate schlagen kann . . . "(70.)

Übrigens gebraucht Feuerbach auf S. 78 denAusdruck: [.Energie d.h. Tätigkeitj. Das ist be-merkenswert. Im Begriff Energie steckt in der

„Egoismus"und seine

Bedeutung

44 W. I. Lenin

zum WortEnergie

das Sinnliche= das Erste,

das durch sichselbst

Bestehendeund Wahre

Tat ein subjektives Moment, das z.B. im BegriffBewegung nicht vorhanden ist. Oder, richtiger,im Begriff oder im Wortgebrauch des BegriffsEnergie ist etwas, das Objektivität ausschließt.Energie des Mondes (cf.) versus* Bewegung desMondes.

107 i. f. ,,. . . die Natur ein ursprüngliches, erstesund letztes Wesen i s t . . . "

111:,,. . . ist mir . . . in der Philosophie. . . dasSinnliche das Erste; aber das Erste nicht nurim Sinne der spekulativen Philosophie, wodas Erste das bedeutet, worüber hinaus-gegangen werden muß, sondern das Erste imSinne des Unableitbaren, des durch sichselbst Bestehenden und Wahren.". . . „Das Geistige ist nichts außer und ohnedas Sinnliche."

NB überhaupt S. 111: „. . . die Wahrheit undWesenhaftigkeit (NB) der Sinne, von welcher...die Philosophie . . . ausgeht. . . "112 „. . . der Mensch nur vermittelst seines sinn-

lich existierenden Kopfes denkt, die Ver-nunft an dem Kopf, dem Hirn, dem Sam-melpunkt der Sinne einen bleibenden sinn-lichen Grund und Boden hat."

Ferner S. 112 über die Wahrheit (i_Urkunden_j)der Sinne.

114: Natur = erstes, Lunableitbares, ursprüng-liches Wesenj.„So hängen mit dem ,Wesen der Religion' zu-

sammen ,die Grundsätze der Philosophie'."38

(113.): gegen, gegenüber. Die Red.

Konspekt zu Feuerbachs „Vorlesungen über das Wesen der Religion" 45

„Ich vergöttere nichts, folglich auch nicht dieNatur." (115.)

116 — Antwort auf den Vorwurf, daß Feuer-bach keine Definition von der Natur gibt:

„Ich verstehe unter Natur den Inbegriff allersinnlichen Kräfte, Dinge und Wesen, welche derMensch als nicht menschliche von sich unterschei-det . . . Oder das "Wort praktisch erfaßt: Natur istalles, was dem Menschen, abgesehen von densupranaturalistischen Einflüsterungen des thei-stischen Glaubens, unmittelbar, sinnlich als Grundund Gegenstand seines Lebens sich erweist. Na-tur ist Licht, ist Elektrizität, ist Magnetismus,ist Luft, ist Wasser, ist Feuer, ist Erde, ist Tier,ist Pflanze, ist Mensch, soweit er ein unwillkür-lich und unbewußt wirkendes Wesen - nichts wei-ter, nichts Mystisches, nichts Nebuloses, nichtsTheologisches nehme ich bei dem Worte: Natur inAnspruch" (weiter oben: zum Unterschied vonSpinoza).

„Natur . . . ist alles, was du siehst und nichtvon menschlichen Händen und Gedanken her-rührt. Oder, wenn wir auf die Anatomie der Na-tur eingehen, Natur ist das Wesen oder der Inbe-griff der Wesen und Dinge, deren Erscheinungen,Äußerungen oder Wirkungen, worin sich eben ihrDasein und Wesen offenbart und besteht, nichtin Gedanken oder Absichten und Willensent-schlüssen, sondern in astronomischen oder kos-mischen, mechanischen, chemischen, physischen,physiologischen oder organischen Kräften oderUrsachen ihren Grund haben." (116/117.)

I Auch hier läuft die Sache auf eine Gegenüber-stellung von Materie und Geist, von Physischemund Psychischem hinaus. |

Das bedeutet,daß Natur

= alles außerdem Über-

natürlichen.Feuerbach

ist glänzend,aber nicht tief.

Engelsbestimmt denUnterschied

zwischen Mate-rialismus und

Idealismustiefer.39

46 W. I. Lenin

[_ objektiv= außer uns j

unmittelbar

121 - gegen das Argument, daß es eine erste Ur-sache ( = Gott) geben müsse.„Es ist nur die Beschränktheit und Bequem-

lichkeitsliebe des Menschen, welche an die Stelleder Zeit die Ewigkeit, an die Stelle des endlosenFortgangs von Ursache zu Ursache die Unend-lichkeit, an die Stelle der rastlosen Natur diestabile Gottheit, an die Stelle ewiger Bewegungden ewigen Stillstand setzen." (121 i. f.)

124/125. Die Menschen ersetzen aus subjekti-ven Notwendigkeiten das Konkrete durch dasAbstrakte, die Anschauung durch denBegriff, dasViele durch ein Eins, das unendliche 2 der Ur-sachen durch eine Ursache.

Nur muß man diesen Abstraktionen „keineobjektive Gültigkeit und Existenz, keine Exi-stenz außer uns zuschreiben" (125).

. . . „Die Natur hat keinen Anfang und keinEnde. Alles in ihr steht in Wechselwirkung,alles ist relativ, alles zugleich Wirkung undUrsache, alles in ihr ist allseitig und gegensei-t i g . . . "

da hat Gott nichts zu suchen (129/130; ein-fache Argumente gegen Gott).

„. . . die Ursache der ersten und allgemeinenUrsache der Dinge im Sinne der Theisten, derTheologen, der sogenannten spekulativen Philo-sophen — ist der Verstand des Menschen..."(130.) „Gott ist . . . die Ursache überhaupt, derBegriff der Ursache als ein personifiziertes, ver-selbständigtes Wesen . . ." (131.)

„Gott ist die abstrakte, d. h. von der sinnlichenAnschauung abgezogene, gedachte, zu einem Ver-standesobjekt oder Verstandeswesen gemachteNatur; die Natur im eigentlichen Sinne istdie sinnliche, wirkliche Natur, wie sie uns un-

Konspekt zu Feuerbachs „Vorlesungen über das Wesen der Religion" 47

mittelbar die Sinne offenbaren und darstellen."(133.)

Die Theisten erblicken die Ursache der Bewe-gung in der Natur (die sie zu einer toten Masseoder Materie machen) in Gott (134). Die MachtGottes ist aber in Wirklichkeit die Macht der Na-tur (Naturmacht: 135).

„Wir erkennen ja nur die Eigenschaften derDinge aus ihren Wirkungen . • ." (136.)

Der Atheismus (136/137) hebt weder \_das mo-ralische Über (= das Ideal)j noch \_das natür-liche Über (= die Natur)j auf.

. . . „Ist die Zeit nicht eine Form nur der Welt,die Art und Weise, in welcher die einzelnen We-sen und Wirkungen der Welt aufeinander folgen?Wie kann ich also der Welt einen zeitlichen An-fang zuschreiben?" (145.)

„.. . Gott nur die Welt in Gedanken . . • ist.Der Unterschied zwischen Gott und Welt ist nurder Unterschied zwischen Geist und Sinn, Gedan-ken und Anschauung . . . " (146.)

Gott will man als ein außer uns existierendesWesen vorstellen. Aber wird denn nicht geradedadurch die Wahrheit des sinnlichen Seins ein-gestanden? (Wird dadurch) „nicht anerkannt,daß es außer sinnlichem Sein kein Sein gibt? Ha-ben wir denn ein anderes Merkmal, ein anderesKriterium einer Existenz außer uns, einer vomDenken unabhängigen Existenz, als die Sinnlich-keit?" (148.)

„.. . die Natur . . . in der Absonderung vonihrer Materialität und Körperlichkeit . . . Gotti s t . . . " (149.)

Zeit und Welt

Sein außer uns= vom Denken

unabhängig

NBNatur außer-

halb derMaterie, unab-hängig von ihr

= Gott

48 W. I. Lenin

NBTheorie

der „Kopie"

Zeit außerhalbder zeitlichen

Dinge = Gott

Zeit und Raum

cf. Engelsidem im„Ludwig

Feuerbach"

„Die Natur von Gott ableiten, ist ebensoviel,als aus dem Bilde, aus der Kopie das Original, ausdem Gedanken eines Dings dieses Ding ableitenwollen." (149.)

Dem Menschen ist die i_ Verkehrtheit j (149 i. f.)eigen, Abstraktionen zu Lverselbständigenj -z.B. Zeit und Kaum (150):

„Obgleich . . . der Mensch Raum und Zeit vonden räumlichen und zeitlichen Dingen abstra-hiert hat, so setzt er ihnen doch dieselben als dieersten Gründe und Bedingungen ihrer Existenzvoraus. Er denkt sich daher die Welt, d. h. denInbegriff der wirklichen Dinge, den Stoff, denInhalt der Welt im Raum und in der Zeit ent-standen. Selbst Hegel noch läßt sogar die Materienicht nur in, sondern aus Raum und Zeit ent-springen . . . " (150.) „Auch ist wirklich nicht ein-zusehen, warum nicht die Zeit, abgetrennt vonden zeitlichenDingen, mit Gott identifiziert wer-den sollte . . . " (151.)

„. . . in der Wirklichkeit gerade der umge-kehrte Fall gilt, . . . nicht die Dinge Raum undZeit, sondern Raum und Zeit die Dinge voraus-setzen, denn der Raum oder die Ausdehnungsetzt etwas voraus, das sich ausdehnt, und dieZeit, die Bewegung— die Zeit ist ja nur ein von derBewegung abgezogener Begriff- setzt etwas vor-aus, das sich bewegt. Alles ist räumlich und zeit-lich . . . " (151/152.)

„Die Frage, ob ein Gott die Welt geschaffen...ist die Frage nach dem Verhältnis des Geisteszur Sinnlichkeit" (152) - eine der wichtigstenund schwierigsten Fragen der Philosophie, dieganze Geschichte der Philosophie dreht sich umdiese Frage (153) — der Streit der Stoiker undEpikureer, der Platoniker und Aristoteliker, der

Konspekt zu Feuerbachs „Vorlesungen über das Wesen der Religion" 49

Skeptiker und Dogmatiker in der alten Philoso-phie, der Nominalisten und Realisten im Mittel-alter, der Idealisten und „Realisten oder Empi-risten" (sie! 153) in neuerer Zeit.

Zum Teil hängt es auch vom Charakter derMenschen ab (Büchermenschen versus Prakti-ker), ob sie zu der einen oder zu der anderen Phi-losophie hinneigen.

„Ich leugne nicht . . . die Weisheit, die Güte,die Schönheit; ich leugne nur, daß sie als dieseGattungsbegriffe "Wesen sind, sei es nun als Göt-ter oder Eigenschaften Gottes oder als Plato-nische Ideen oder als sich selbst setzende Hegel-sche Begriffe..." (158) - sie existieren nur alsEigenschäften von Menschen.

Eine andere Ursache des Gottesglaubens: derMensch überträgt die Vorstellung von seinemzweckmäßigen Schaffen auf die Natur. Die Naturist zweckmäßig — ergo wurde sie von einem ver-nunftbegabten "Wesen geschaffen (160).

„"Was nämlich der Mensch die Zweckmäßigkeitder Natur nennt und als solche auffaßt, das ist in"Wirklichkeit nichts andres als die Einheit der"Welt, die Harmonie der Ursachen und "Wirkun-gen, der Zusammenhang überhaupt, in dem allesin der Natur ist und wirkt." (161.)

„. . . haben wir auch keinen Grund zu derEinbildung, daß, wenn der Mensch mehr Sinneoder Organe hätte, er auch mehr Eigenschaftenoder Dinge der Natur erkennen würde. Es istnicht mehr in der Außenwelt, in der unorgani-schen Natur, als in der organischen. Der Menschhat gerade soviel Sinne, als eben notwendig ist,um die Welt in ihrer Totalität, ihrer Ganzheit zufassen." (163.)

153

153

(Materialismus)contra

Theologie undIdealismus

(in der Theorie)

Wenn derMensch mehrSinne hätte,

würde er mehrDinge in der

Weltentdecken?

Nein.

50 W. I. Lenin

wichtig gegen den Agnostizismus40

NB(vgl-

Dietzgen42)

geistreich!

Id. Dietzgen*3

die Natur istmateriell

168 - gegen Liebig wegen der Phrasen über die

„unendliche Weisheit" (Gottes).. . [JFener-

bach und die Naturwissenschaft!! NB. Vgl.

heute Mach und Co.4*]]

174-175-178 - die Natur = Republikanerin;Gott = Monarch. MDies mehrmals beiFeuerbach! I

188-190 - Gott war ein patriarchalischer Mon-arch, jetzt ist er ein konstitutioneller Mon-arch; er regiert, aber nach den Gesetzen.

Woher ist denn der Geist? fragen die Theistenden Atheisten (196). Sie machen sich von der Na-tur eine zu geringschätzige (Ldespektierlichej:196), vom Geist eine zu hohe Vorstellung (l_zuhohe, zu vornehme (!!) Vorstellungj).

Unmittelbar aus der Natur ist auch ein [_Re-gierungsratj nicht erklärbar (197).

„Der Geist entwickelt sich ja mit dem Leibe,mit den Sinnen . . . er ist gebunden an die Sinne. . . Woher der Schädel, woher das Hirn, daher istauch der Geist; woher das Organ, daher auch dieVerrichtung desselben." (197.) (Vgl. weiter oben(197): „der Geist im Kopf.)

„Auch die geistige Tätigkeit ist eine körper-liche." (197/198.)

Die Entstehung der körperlichen Welt aus demGeiste, aus Gott führt zur Weltschöpfung ausNichts - „denn woher nimmt der Geist die Ma-terie, die körperlichen Stoffe, als aus Nichts?"(199.)

. . . „Die Natur ist körperlich, materiell, sinn-l i ch . . . " (201.)

Konspekt zu Feuerbachs „Vorlesungen über das Wesen der Religion" 51

Jakob Böhm =„materialis tisch er Theist":er vergöttert nicht nur den Geist, sondern auchdie Materie. Bei ihm ist Gott materiell - darinliegt sein Mystizismus (202).

. . . „Wo die Augen und Hände anfangen, dahören die Götter auf." (203.)

(Die Theisten haben) „das Übel in der Natur. . . der Materie oder der unvermeidlichenNotwendigkeit der Natur schuld gegeben"(212).

213 Mitte und 215 Mitte „natürliche" und„bürgerliche Welt".

(226) : Feuerbach erklärt, daß er hier den erstenTeil schließt (über die Natur als Grundlageder Religion) und zum zweiten Teil über-geht: in der [_Geistesreligionj offenbarensich die Eigenschaften des menschlichenGeistes.

(232) - „Die Religion ist Poesie" - so kann mansagen, denn Glaube = Phantasie. Aber hebeich (Feuerbach) nicht die Poesie auf? Nein.Ich hebe die Religion „nur insofern" (her-vorgehoben von Feuerbach) auf, „als sienicht Poesie, als sie gemeine Prosa ist" (233).

Die Kunst fordert nicht die Anerkennung ihrerWerke als Wirklichkeit (233).

Außer der Phantasie sind in der Religion sehrwichtig das |_Gemütj (261), die praktische Seite(258), die Suche nach Besserem, nach Schutz,nach Hilfe etc.

(263) - in der Religion sucht man Trost (derAtheismus, sagt man, sei Ltrostlosj).

„Nun ist es aber eine der Selbstliebe des Men-schen zusagende Vorstellung, daß die Natur nicht

Notwendigkeitder Natur

ein Keim deshistorischen

Materialismus44

NB

52 W. I. Lenin

Notwendigkeitder Natur

NB

Feuerbachgegen den Miß-

brauch desWortesReligion

NB

mit unabänderlicher Notwendigkeit wirkt, son-dern daß über der Notwendigkeit der Natur einmenschenliebendes . . . Wesen steht." (264.)Auch im folgenden Satz „Naturnotwendig-keit" beim Fall eines Steines (264).

S. 287 Mitte: zweimal ebenfalls „Notwendig-keit der Natur".

Religion = die Kindheitsperiode, die Kindheitder Menschheit (269), das Christentum hat ausder Moral einen Gott gemacht, hat einen morali-schen Gott geschaffen (274).

Religion ist anfängliche Bildung - man kannsagen: „die Bildung ist die wahre Religion" . . .„Indes ist dies ein Mißbrauch der Worte, dennmit dem Worte: Religion verknüpfen sich immerabergläubische und inhumane Vorstellungen."(275.)

Lobgesang auf die Bildung — (277).„Oberflächliche Ansicht und Behauptung . . .,

daß die Religion für das Leben, namentlich dasöffentliche, politische Leben ganz gleichgültigsei." Ich gebe keinen Pfifferling für eine poli-tische Freiheit, bei der der Mensch ein Sklave derReligion bleibt. (281.)

Die Religion ist dem Menschen angeboren(„dieser Satz heißt i n . . . ehrliches Deutsch über-setzt") = der Aberglaube ist dem Menschen an-geboren (283).

„Der Christ hat eine freie Ursache der Natur,einen Herrn der Natur, dessen Willen, dessenWort die Natur pariert, einen Gott, der nicht anden sogenannten Kausalnexus, an die Notwendig-keit, an die Kette gebunden ist, welche die Wir-kung an Ursache und Ursache an Ursache knüpft,

Konspekt zu Feuerbachs „Vorlesungen über das Wesen der Religion" 53

während der heidnische Gott an die Notwendig-keit der Natur gebunden ist, selbst seine Lieb-linge nicht von dem Los der Notwendigkeit zusterben erlösen kann." (Feuerbach sagt alsoimmer wieder: [„Notwendigkeit der Naturj.)

„Der Christ hat aber eine freie Ursache, weil ersich in seinen Wünschen nicht an den Zusam-menhang, nicht an die Notwendigkeit der Naturbindet." (301.) ((Und noch dreimal auf dieserSeite: [_Notwendigkeit der Naturj.))

Und S.302: „. . . alle die Gesetze oder Natur-notwendigkeiten, denen die menschliche Existenzunterworfen i s t . . . "

cf. 307: „Lauf der Natur".

„Die Natur von Gott abhängig machen, heißtdie Welt Ordnung, heißt die Notwendigkeit derNatur vom Willen abhängig machen." (312.)Und S. 313 (oben) - „Naturnotwendigkeit"!!

320: „Notwendigkeit der Natur" . . .An den religiösen Vorstellungen „haben wir

. . . Beispiele, wie überhaupt der Mensch dasSubjektive in Objektives verwandelt, d. h. das,was nur in ihm, nur in seinem Denken, Vor-stellen, Einbilden existiert, zu etwas außerdem Denken, Vorstellen, Einbilden Existierendenmacht" (328) . . .

„So reißen die Christen den Geist, die Seeledem Menschen aus dem Leibe heraus und machendiesen herausgerissenen, entleibten Geist zu ihremGotte." (332.)

Die Religion gibt dem Menschen ein Ideal(332). Der Mensch braucht ein Ideal, aber einmenschliches, der Natur entsprechendes undkein übernatürliches Ideal:

„Unser Ideal sei kein kastriertes, entleibtes,

Notwendigkeitder Natur

was ist dasObjektive?

(nachFeuerbach)

l_EntleibterGeist j = Gott

54 W. I. Lenin

Lsinnlich,physischj

ausge-zeichnete

Gleich-setzung!

NB

abgezogenes Wesen, unser Ideal sei der ganze,•wirkliche, allseitige, vollkommene, ausgebildeteMensch." (334.)

Das Ideal Michailowskis istnur ein vulgarisierter Abklatschdieses Ideals der fortschrittlichenbürgerlichen Demokratie oder derrevolutionären bürgerlichen De-mokratie.

„Der Mensch hat keine Vorstellung, keineAhnung von einer anderen Wirklichkeit, eineranderen Existenz, als einer sinnlichen, physischen. . . " (334.)

„Schämt man sich nicht, die Welt, die sinn-liche, körperliche, durch den Gedanken und Wil-len eines Geistes entstehen zu lassen, schämt mansich nicht, zu behaupten, daß die Dinge nichtdeswegen gedacht werden, weil sie sind, sonderndeswegen sind, weil sie gedacht werden; soschäme man sich auch nicht, dieselben durch dasWort entspringen zu lassen, so schäme man sichauch nicht, zu behaupten, daß nicht die Wortesind, weil die Dinge sind, sondern die Dinge nurder Worte wegen sind." (341/342.)

Ein Gott ohne die Unsterblichkeit der mensch-lichen Seele ist nur dem Namen nach ein Gott:

. . . „Ein solcher Gott ist . . . der Gott man-cher rationalistischer Naturforscher, welchernichts andres ist als die personifizierte Naturoder Naturnotwendigkeit, das Universum, dasWeltall, womit sich freilich nicht die Vorstellungder Unsterblichkeit verträgt." 349.

Die letzte (30.) Vorlesung, S. 358-370, kann

Konspekt zu Feuerbachs „Vorlesungen über das Wesen der Religion" 55

fast ganz als typisches Muster eines aufkläreri-schen Atheismus angeführt werden, mit einemAnflug von Sozialistischem (über die Masse derNotleidenden etc., S. 365 Mitte) usw. Schluß-worte: Meine Aufgabe war es, Sie, meine Zu-hörer,

„aus Gottesfreunden zu Menschenfreunden,aus Gläubigen zu Denkern, aus Betern zu Arbei-tern, aus Kandidaten des Jenseits zu Studentendes Diesseits, aus Christen, welche ihrem eigenenBekenntnis und Geständnis zufolge ,halb Tier,halb Engel' sind, zu Menschen, zu ganzen Men-schen zu machen" (370 Schluß).

Weiter folgen Zusätze und Anmerkungen (371bis 463).

Hier viele Einzelheiten, Zitate, die Wiederho-lungen enthalten. Das übergehe ich alles und ver-merke nur das Wichtigste von dem, was irgend-wie von Interesse ist: die Grundlage der Moralist der Egoismus (392) („die Lebensliebe, dasInteresse, der Egoismus"). . . „Es gibt nicht nureinen singulären oder individuellen, sondern aucheinen sozialen Egoismus, einen Familienegoismus,einen Korporationsegoismus, einen Gemeinde-egoismus, einen patriotischen Egoismus." (393.)

. . . „Das Gute ist nichts andres, als was demEgoismus aller Menschen entspricht . . . " (397.)

„Man werfe doch nur einen Blick in die Ge-schichte! Wo beginnt in der Geschichte eine neueEpoche? Überall nur da, wo gegen den exklusi-ven Egoismus einer Nation oder Kaste eine un-terdrückte Masse oder Mehrheit ihren wohlbe-rechtigten Egoismus geltend macht, wo Men-schenklassen (sie!) oder ganze Nationen aus demverächtlichen Dunkel des Proletariats durch denSieg über den anmaßenden Dünkel einer patri-

Hervor-hebungen von

Feuerbach

ein Ansatz deshistorischen

Materialismus!

NBNB

ein Ansatz deshistorischen

Materialismus,vgl. Tscherny-

schewsky45

t Lenin, Werke, Bd. 38

56 W.I.Lenin

NBFeuerbachs

„Sozialismus"

NB

zischen Minorität ans Licht der geschichtlichenZelebrität hervortreten. So soll und wird auchder Egoismus der jetzt unterdrückten Mehrheitder Menschheit zu seinem Recht kommen undeine neue Geschichtsepoche begründen. Nichtder Adel der Bildung, des Geistes soll aufgehobenwerden; o nein! nur nicht einige sollen Adel, alleandern. Plebs sein, sondern alle sollen - sollenwenigstens - gebildet werden; nicht das Eigen-tum soll aufgehoben werden, o nein! nur nichteinige sollen Eigentum, alle andern aber nichts,sondern alle sollen Eigentum haben." (398.)

Diese Vorlesungen wurden vom 1.XII. 48 bis 2. III . 49 gehalten (Vorwort,S. V), während das Vorwort zu demBuch vom 1. I. 51 datiert ist. Wie sehrist Feuerbach schon zu dieser Zeit(1848-1851) hinter Marx (Kommuni-stisches Manifest 1847, Neue RheinischeZeitung etc.) und Engels (1845: Lage)46

zurückgeblieben.

Beispiele aus den Klassikern über den unter-schiedslosen Gebrauch der Worte Götter und Na-tur (398/399).

S. 402-411 — eine ausgezeichnete, philoso-phische (und zugleich einfache und klare) Er-läuterung des Wesens der Religion.„Das Geheimnis der Religion ist zuletzt nur

das Geheimnis der Verbindung des Bewußtseinsmit dem Bewußtlosen, des Willens mit dem Un-willkürlichen in einem und demselben Wesen."(402.) Ich und Nichtich im Menschen unlösbarverbunden. „Der Mensch begreift und erträgtseine eigene Tiefe nicht und zerspaltet daher sein

Konspekt zu Feuerbachs „Vorlesungen über das Wesen der Religion" 57

Wesen in ein Ich ohne Nichtich, welches er Gott,und ein Nichtich ohne Ich, welches er Naturnennt." (406.)

S. 408 - ein ausgezeichnetes Zitat aus Seneca(gegen die Atheisten), daß sie die Natur zu Gottmachen. Bete! - Arbeite! (S. 411.)47

Die Natur ist in der Religion Gott, aber dieNatur als l_Gedankenwesen_j. 55Das Geheimnisder Religion ist ,die Identität des Subjektiven undObjektiven', d. h. die Einheit des Menschen- undNaturwesens, aber im Unterschied von demwirklichen Wesen der Natur und Menschheit."(411.)

„Bodenlos ist die menschliche Unwissenheitund grenzenlos die menschliche Einbildungskraft;die Naturmacht, durch die Unwissenheit ihresBodens, durch die Phantasie ihrer Schranken be-raubt, ist die göttliche Allmacht." (414.)

. . . „Das objektive Wesen als subjektives, dasWesen der Natur als von der Natur unterschie-denes, als menschliches Wesen, das Wesen desMenschen als vom Menschen unterschiedenes, alsnicht menschliches Wesen - das ist das göttlicheWesen, das das Wesen der Religion, das das Ge-heimnis der Mystik und Spekulation . . . " (415.)

NB

Spekulation bei Feuerbach = idealistischePhilosophie NB.

„Der Mensch trennt im Denken das Adjektivvom Substantiv, die Eigenschaft vom Wesen...Und der metaphysische Gott ist nichts als dasKompendium, der Inbegriff der allgemeinsten,von der Natur exzerpierten Eigenschaften, wel-chen aber der Mensch, und zwar eben in dieserAbtrennung von dem sinnlichen Wesen, der

NB

|_Sehrgut!_

l_Sehrgut!j

ausgezeichneteStelle!

NBzutiefst wahr!.

NB

58 W. I. Lenin

Ausgezeichnet(gegen Hegel

und denIdealismus)

großartiggesagt!

bien dit!**

NB

NBdas Einzelne

und dasAllgemeine =

Natur undGott

Materie der Natur, vermittelst der Einbildungs-kraft wieder in ein selbständiges Subjekt oder"Wesen verwandelt." (417.)

Dieselbe Rolle spielt die Logik (418 — offensicht-lich ist Hegel gemeint) - die \_das Sein, das We-senj in eine besondere Realität verwandelt -„wie töricht ist es, die metaphysische Existenzzu einer physischen, die subjektive Existenz zueiner objektiven, die logische oder abstrakteExistenz wieder zu einer unlogischen, wirklichenExistenz machen zu wollen!" (418.)

. . . „ ,Also ist ein ewiger Riß und Widerspruchzwischen Sein und Denken?' Allerdings im Kopfe;aber in der Wirklichkeit ist er längst gelöst, frei-lich nur auf die der Wirklichkeit, nicht deinenSchulbegriffen entsprechende Weise, und zwargelöst durch nicht weniger als fünf Sinne." (418.)428: Tout ce qui n'est pas Dieu, n'est rien, d. h.

tout ce qui n'est pas Moi, n'est rien.*431-435: Gutes Zitat aus Gassendi.48 Eine sehr

gute Stelle: besonders 433 Gott = eine Samm-lung von Adjektiven (ohne Materie) überKonkretes und Abstraktes.- „Der Kopf ist das Repräsentantenhaus desWeltalls" - und wenn wir den Kopf voll vonAbstraktionen, [_Gattungsbegriffenj ha-ben, so leiten wir natürlich „das Einzelnevom Allgemeinen, d. h. . • . die Natur vonGott" ab.

436/437: (Anm. Nr. 16.) Ich bin nicht gegen diekonstitutionelle Monarchie, jedoch die demo-kratische Republik ist die Staatsform, welche

435

* Alles, was nicht Gott ist, ist nichts, d. h. alles, was nicht Ich ist, istnichts. Die Red.

** gut gesagt! Die Red.

Eine Manuskriptseite von W. I. Lenins Konspektzu Feuerbachs „Vorlesungen über das Wesen der Religion" - 1909

Verkleinen

Konspekt zu Feuerbachs „Vorlesungen über das Wesen der Religion" 61

„unmittelbar der Vernunft als die demMenschenwesen gemäße" Staatsform ein-leuchtet.

. . . „Die geistreiche Schreibart besteht unteranderem darin, daß sie Geist auch in dem Leservoraussetzt, daß sie nicht alles ausspricht, daß siedie Beziehungen, Bedingungen und Einschrän-kungen, unter -welchen allein ein Satz gültig istund gedacht wird, den Leser sich selbst sagenläßt." (447.)

haha!!

Interessant die Antwort (Feuerbachs) an sei-nen Kritiker Professor v. Schaden (448/449) undSchauer (449-450-463).

„ . . . ich doch ausdrücklich an die Stelle desSeins die Natur, an die Stelle des Denkens denMenschen setze", d. h. nicht eine Abstraktion,sondern etwas Konkretes Ldie dramatischePsychologieJ (449).

Eben deshalb ist Feuerbachs und Tscherny-schewskis Terminus „anthropologisches Prinzip"in der Philosophie eng.49 Sowohl das anthropolo-gische Prinzip als auch der Naturalismus sind nurungenaue, schwache Umschreibungen des Mate-rialismus.

„Der Jesuitismus - das unbewußte Originalund Ideal unserer spekulativen Philosophen"(455).

„Das Denken setzt das Diskrete der Wirklich-keit als ein Kontinuum, das unendliche Vielmaldes Lebens als ein identisches Einmal. Die Er-kenntnis der wesentlichen, unauslöschlichen Dif-ferenz zwischen dem Denken und dem Leben

treffend!

NB„Sein

und Natur",„Denken

und Mensch"

bien dit!

zur Frage derGrundlagendes philo-sophischen

Materialismus

62 W. I. Lenin

(oder der "Wirklichkeit) ist der Anfang aller "Weis-heit im Denken und Leben. Nur die Unterschei-dung ist hier die wahre Verbindung." (458.)

Ende des 8. Bandes.

Bd. 9 = „Theogonie" (1857)so. Scheint nachflüchtiger Durchsicht nichts Interessantes zuenthalten. Übrigens, § 34 (S.320 ff.), 36 (S. 334)muß man lesen. NB § 36 (S. 334) - die Durch-sicht ergibt nichts Interessantes. Zitate über Zi-tate zur Bestätigung des von Feuerbach schonfrüher Gesagten.

KONSPEKT ZU FEUERBACHS„DARSTELLUNG, ENTWICKLUNG UND KRITIK

DER LEIBNIZSCHEN PHILOSOPHIE"51

Geschrieben nicht vor September,nicht später als am 4. (17.) November 1914.

Zuerst veröffentlicht 1930 Nach dem Manuskript.im Lenin-Sammelband XII.

65

L.FEUERBACH. SÄMTLICHE WERKE,BD. IV, 1910, LEIBNIZ ETC.

In der glänzenden Leibniz-Darstellung müsseneinige besonders hervorragende Stellen ver-merkt werden (das ist nicht leicht, denn dasGanze - d. h. der erste Teil (§ 1-13) - ist eine her-vorragende Sache), dann die Bemerkungenaiis dem Jahre 1847.

Der Leibniz wurde vonFeuerbach 1836 geschrieben,

als er noch Idealist war.

§20§21 1847und einzelne Stellen

S. 27 - was Leibniz von Spinoza unterscheidet :bei Leibniz kommt zum Begriff der Sub-stanz der Begriff der Kraft hinzu, „undzwar der tätigen Kraft" . . . das Prinzip der

; ^Selbsttätigkeit" (29) -

Ergo ist Leibniz über die Theologiean das Prinzip des unzertrennlichen(und universellen, absoluten) Zusam-menhangs zwischen Materie und Be-wegung herangekommen. So ist Feuer-bach wohl zu verstehen?

66 W. I. Lenin

S. 32: „Spinozas Wesen ist die Einheit, Leib-nizens der Unterschied, die Distinktion."

S. 34: Die Philosophie Spinozas - ein Teleskop,die Leihnizsche ein Mikroskop.52

„Die Welt des Spinoza ist ein achromatischesGlas der Gottheit, ein Medium, durch das wirnichts erblicken als das ungefärbte Himmels-licht der Einen Substanz; die Welt des Leibnizein vieleckiger Kristall, ein Brillant, der durchsein eigentümliches Wesen das einfache Lichtder Substanz in einen unendlich mannigfaltigenFarbenreichtum vervielfältigt und verdunkelt."(Sie!)S. 40: „Die körperliche Substanz ist also bei

Leibniz nicht mehr, wie bei Descartes, eine ,nur ausgedehnte, tote, von außen in Be-wegung zu bringende Masse, sondern alsSubstanz hat sie eine tätige Kraft, ein nimmerruhendes Prinzip der Tätigkeit in sich."

Das ist sicherlich auch der Grund, wes-halb Marx Leibniz schätzte53, trotzseiner, Leibniz', „Lassallischen" Zügeund Versöhnungsbestrebungen in Politikund Religion.

Die Monade — das Prinzip der LeibnizschenPhilosophie. Individualität, Bewegung, Seele(besonderer Art). Nicht tote Atome, sondern dielebendigen, beweglichen, die ganze Welt in sichwiderspiegelnden, die (verworrene) Fähigkeitdes Vorstellens besitzenden Monaden (eine ArtSeelen) - das sind die „letzten Elemente"(S. 45).

Jede Monade unterscheidet sich von der an-dern.

Konspekt zu Feuerbachs „Darstellung. . . der Leibnizschen Philosophie" 67

„Es wäre . . . ganz im "Widerspruch mit derSchönheit, Ordnung und Vernunft der Natur,wenn das Prinzip des Lebens oder innerlicher,eigener Handlungen nur an einen geringen oderbesonderen Teil der Materie geknüpft wäre."(Leibniz - S. 45.)

„Die ganze Natur ist daher voll von Seelen,wie schon die alten Philosophen richtig er-kannten, oder doch den Seelen analogen Wesen.Denn vermittelst der Mikroskope erkennt man,daß es eine große Menge von lebendigen Wesengibt, die den Augen nicht mehr bemerkbar sind,und daß es mehr Seelen als Sandkörner undAtome gibt." (Leibniz - S. 45.)

Vgl. die Elektronen!

Eine Eigenschaft der Monade: |_Vorstellung,Repräsentation j .

„Die Vorstellung selbst aber ist nichts weiterals die Repräsentation (Vergegenwärtigung undDarstellung) von dem Zusammengesetzten oderdem Äußeren, d. i. von der Vielheit im Ein-fachen" . . . oder . . . „der vorübergehende Zu-stand, welcher in der Einheit oder einfachenSubstanz Vielheit enthält und repräsentiert"(S. 49, Leibniz) - Lverworrenej (S. 50) (|_kon-fusej S. 52) [„Vorstellung j bei der Monade- (auchbeim Menschen gebe es viel unbewußte, Lver-worrenej, Gefühle etc.).

Jede Monade ist „eine Welt für sich, jede einesich selbst genügende Einheit" (Leibniz,S. 55).

„Ein Gemengsei von konfusen Vorstellungen,weiter nichts sind die Sinne, weiter nichts dieMaterie." (Leibniz - S. 5 8 . ) . . . „Die Materie istdaher das Band der Monaden . . •" (Ib.)

NB

68 W.I.Lenin

Meine freie Wiedergabe :Die Monaden = eine Axt Seelen. Leib-

niz = Idealist. Die Materie aber ist soetwas wie ein Anderssein der Seele oderein Gallert, welcher die Monaden durchein weltliches, leibliches Band zusam-menhält.

„ . . . die absolute Realität nur in den Monadenund ihren Vorstellungen liegt" (Leibniz, S. 60).Die Materie ist nur ein Phänomen.

„Klarheit ist nur der Geist" (S. 62) . . . die Ma-terie aber - „Unklarheit und Unfreiheit" (64).

Raum „an sich etwas Ideales" (Leibniz,S. 70/71).

. . . „Das materielle Prinzip der Verschieden-heit der Materie ist die Bewegung . . ." (72.)

„Ebensowenig gibt es, wie Newton und seineAnhänger wollen, in der materiellen Natur einenleeren Raum. Die Luftpumpe beweist keineswegsdas Vorhandensein einer Leere, denn das Glashat Poren, durch die noch allerlei feine Materiendringen können." (Leibnis, 76/77.)

„Die Materie ist ein Phänomen." (Leib-niz, 78.) „Das Fürsichsein der Monade istihre Seele, das Füranderessein die Materie."(Feuerbach, 78.) Die menschliche Seele -die zentrale, höchste Monade, Entelechie54

etc. etc.„Jeder Körper wird daher von allem ergriffen,

was im Universum vorgeht." (Leibniz, 83.)„die Monade das ganze Universum vorstellt"

(Leibniz, 83).„Die Monade hat ihrer Unteilbarkeit unge-

achtet einen zusammengesetzten Trieb, d. h. eine

Konspekt zu Feuerbacks „Darstellung. .. der Leibnizschen Philosophie" 69

Vielheit von Vorstellungen in sich, die einzelnnach ihren besonderen Veränderungen strebenund kraft ihres wesentlichen Zusammenhangsmit allen anderen Dingen zugleich in ihr sich be-finden" . . . „Die Individualität enthält in sichdas Unendliche gleichsam im Keime." (Leibniz,84.)

Hier haben wir eine Dialektik eigener Art, undeine sehr tiefe, trotz Idealismus und Pfaffen-tum.

„Alles in der Natur ist analogisch." (Leibniz?86.)

„Es gibt überhaupt nichts absolut Diskretesin der Natur; alle Gegensätze, alle Grenzen desRaumes und der Zeit und der Art verschwindenvor der absoluten Kontinuität, dem unend-lichen Zusammenhange des Universums." (Feuer-bach, 87.)

„Die Monade wird zwar von allem, was in derWelt vorgeht, infolge ihrer eigentümlichen Natur,die nur aus Nerven, nicht aus Fleisch und Blutbesteht, affiziert und ergriffen" . . . aber „sie istnicht mithandelnde Person, nur Zuschauer desWelttheaters. Und eben hierin liegt der Haupt-mangel der Monadologie." (Feuerbach, 90.)

Die Übereinstimmung von Seele und Körper— harmonie preetablie* durch Gott.

„Leibnizens schwache Seite" (Feuerbach, 95)55.

„Die Seele ist eine Art geistiger Automat."(Leibniz, 98.) (Auch Leibniz selbst sagt einmal,

NBLeibniz

lebte1646-1716

NB

* prästabilierte (vorherbestimmte) Harmonie. Die Red.

70 W. I. Lenin

Übergangzu Kant

daß der Übergang vom Okkasionalismus56 zuseiner Philosophie leicht sei, Feuerbach, 100.)Aber bei Leibniz wird das aus der „Natur derSeele" abgeleitet (101) . . .

In der „Theodicee" (§ 17) wiederholt Leibnizim wesentlichen den ontologischen Beweis fürdas Dasein Gottes.57

Leibniz kritisierte den Empirismus Lockes inseinen Nouveaux essais sur l'entendement undsagte, nihil est in intellectu etc. nisi intellectusipse* (!) (152).™

(Feuerbach kritisiert Locke in der ersten Aus-gabe auch idealistisch.)

Das Prinzip der „notwendigen Wahrheiten"liegt „in uns" (Leibniz, 148).

Vgl. Kant ebenfalls™

In uns liegen die Ideen der Substanz, der Ver-änderung u. a. (Leibniz, 150).

„Durch die Vernunft zum Besten bestimmtwerden, ist der höchste Grad der Freiheit."(Leibniz, 154.)

„Die Leibnizsche Philosophie ist Idealismus"(Feuerbach, 160) usw. usw.

„. . . der heitere, lebensvolle Polytheismus derLeibnizschen Monadologie in den rigorosen, aberum so geistgemäßeren und intensiveren Mono-theismus des transzendentalen Idealismus' über-ging" (Feuerbach, 188).

S. 188-220: Ergänzungen aus dem Jahre 1847.

S. 188: „Idealistische, apriorische Philosophie".

* nichts ist in der Vernunft etc., ausgenommen die Vernunft selbst. DieRed.

Konspekt zu Feuerbachs „Darstellung .. . der Leibnisschen Philosophie" 71

„Aber freilich, was für den Menschen ein a po-steriori, das ist für den Philosophen ein a priori;denn wenn einmal der Mensch Erfahrungen ge-sammelt und in allgemeine Begriffe zusammen-gefaßt hat, so ist er natürlich imstande, synthe-tische Urteile a priori' zu fällen. Was daher füreine frühere Zeit eine Erfahrungssache ist, dasist für eine spätere eine Vernunftsache . . . Sowaren früher auch die Elektrizität und der Ma-gnetismus nur empirische, d. h. hier zufällige, nuran einzelnen Körpern wahrgenommene Eigen-schaften, aber jetzt sind sie infolge umfassenderBeobachtungen als Eigenschaften aller Körper,als wesentliche Eigenschaften des Körpers er-kannt . . . So ist allein die Geschichte der Mensch-heit der Standpunkt, der auf die Frage nach demUrsprung der Ideen eine p ositive Antwort gibt. . ."(191/192.)

Die Seele ist kein Wachs, keine tabula rasa. . .„Es muß vielmehr zur Erzeugung der Vorstellungetwas vom Gegenstande Unterschiedenes hinzu-kommen, und es wäre daher wahre Torheit,wenn ich dieses Unterschiedene, dieses das eigeneWesen der Vorstellung Begründende aus demGegenstand ableiten wollte. Was ist denn aberdieses? Die Form der Allgemeinheit; denn selbstdie individuelle Idee oder Vorstellung ist, wieLeibniz bemerkte, wenigstens im Vergleich zudem wirklichen individuellen Gegenstand, ur-sprünglich allgemein, d. h. hier unbestimmt,Unterschiede weglassend, destruktiv. Die Sinn-lichkeit ist massiv, unkritisch, luxuriös; aber dieIdee, die Vorstellung beschränkt sich nur aufdas Allgemeine und Notwendige." (192.)

„Der Grundgedanke der Nouveaux essais surl'entendement humain ist daher schon, wie in

VerspottungKants

Leibnizund Kant

7 Lenin, Weite, Bd. 38

72 W. I. Lenin

die Notwendig-keit unzer-

trennlich vomAllgemeinen

NB

Kantianismus= alterPlunder

NB

der Kritik der reinen Vernunft, der, daß All-gemeinheit und die von ihr unzertrennlicheNotwendigkeit das eigene "Wesen des Ver-standes oder vorstellenden Wesens ausdrücken,also nicht aus den Sinnen, aus der Erfahrung,d. h. hier von außen kommen können . . . " (193.)

Dieser Gedanke findet sich schon bei denKartesianern - Feuerbach zitiert Clauberg ausdem Jahre 1652.60

„Allerdings verdankt dieses Axiom" (daß dasGanze größer als der Teil ist) „seine Gewißheitnicht der Induktion, sondern dem Verstande,denn der Verstand hat überhaupt gar keinenandern Zweck und Beruf, als die Data der Sinnezu generalisieren, um uns der lästigen Mühe derWiederholung zu überheben, die sinnliche Er-fahrung und Anschauung zu antizipieren, zu er-setzen, zu ersparen. Aber tut dies denn der Ver-stand auf seine eigene Faust, ohne daß ein Grunddazu im Sinne vorhanden ist? Ist denn der ein-zelne Fall, den rnrr der Sinn zeigt, ein einzelnerire abstracto? Ist er nicht ein qualitativ be-stimmter Fall? Liegt aber in dieser Qualitätnicht eine selbst dem Sinne •wahrnehmbare Iden-tität der einzelnen Fälle? . . . Zeigt mir denn derSinn nur Blätter, nicht auch Bäume? . . . Gibtes kein Gefühl des Identischen, Gleichen undUnterschiedenen? Ist für meinen Sinn keinUnterschied zwischen Schwarz und Weiß, Tagund Nacht, Holz und Eisen?... Ist nicht derSinn die unbedingte Bejahung dessen, was ist?Nicht also das oberste Denkgesetz, das Gesetzder Identität, auch ein Gesetz der Sinnlichkeit;ja, stützt sich nicht dieses Denkgesetz auf dieWahrheit der Sinnenanschauung?"... (193/194.)

Leibniz in den Nouveaux essais: „La genera-

Konspekt zu Feuerbachs „Darstellung ... der Leibnizschen Philosophie" 73

lit€ consiste dans la ressemblance des chosessingulieres entre elles, et cette ressemblance esttme realite."* (Buch III, Kap. 3, § 12.) „Aberist denn diese Ähnlichkeit keine sinnliche "Wahr-heit? Affizieren denn die "Wesen, die der Ver-stand zu einer Klasse, einer Gattung rechnet,nicht auch meinen Sinn auf eine identische,gleiche Weise? . . . Ist für meinen Geschlechts-sinn- ein Sinn, der auch theoretisch von höchsterWichtigkeit ist, ob er gleich bei der Lehre vonden Sinnen gewöhnlich außer acht gelassen wird -kein Unterschied zwischen einem tierischenund menschlichen Weibe? Was ist also der Unter-schied zwischen dem Verstandes- und demSinnes- oder Empfindungsvermögen? Der Sinngibt die Sache, der Verstand aber gibt den Namendazu her. Es ist nichts im Verstande, was nichtim Sinne, aber was im Sinne der Tat nach, dasist im Verstande nur dem Namen nach. DerVerstand ist das höchste Wesen, der Regent derWelt; aber nur dem Namen nach, nicht tat-sächlich. Was ist aber der Name? Ein Unter-scheidungszeichen, ein auffallendes Merkmal,welches ich zum Charakter, zum Repräsentantendes Gegenstands mache, um mir dadurch ihn inseiner Totalität zu vergegenwärtigen." (195.)

. . . „Der Sinn sagt mir ebensogut wie der Ver-stand, daß das Ganze größer ist als der Teil;aber er sagt es mir nicht mit Worten, sondern inBeispielen, z. B., daß der Finger kleiner ist alsdie Hand . . . " (196/197.)

. . . „Die Gewißheit, daß das Ganze größer ist

bien dit!**NB

bien dit!

* „Die Allgemeinheit besteht in der Ähnlichkeit der einzelnen Dingeuntereinander, und diese Ähnlichkeit ist eine Realität." Die Red.

** gut gesagt! Die Red.

74 W. I. Lenin

als der Teil, hängt daher allerdings nicht vondem Sinne ab. Aber wovon denn? von demWorte: das Ganze. Der Satz: das Ganze istgrößer als der Teil, sagt weiter gar nichts, als wasdas Wort: Ganzes für sich selbst sag t . . . " (197.)

. . . „Leibniz dagegen macht als Idealist oderSpiritualist das Mittel zum Zweck, die Ver-neinung der Sinnlichkeit zum Wesen des Gei-stes . . . " (198.)

. . . „Was sich seiner bewußt ist, existiert undist und heißt Seele. Also sind wir der Existenzunserer Seele gewiß, ehe wir der Existenz unseresKörpers gewiß sind. Allerdings ist das Bewußt-sein das Erste; aber es ist nur das Erste für mich,nicht das Erste an sich. Im Sinne meines Be-wußtseins bin ich, weil ich bewußt bin; aber imSinne meines Leibes bin ich bewußt, weil ich 6m.Wer von beiden hat nun recht? Der Leib, d. h.die Natur, oder das Bewußtsein, d. h. ich? Natür-lich ich; denn wie sollte ich mir Unrecht geben?Aber kann ich denn in der Tat von meinemLeibe das Bewußtsein absondern und für sichselbst denken?" . . . (201.)

„ . . . die Welt Gegenstand der Sinne undGegenstand des Denkens ist" (204).

„Bei einem sinnlichen Gegenstand unterschei-det der Mensch das Wesen, wie es wirklich, wiees Gegenstand der Sinne ist, von dem aus denSinnen abstrahierten Gedankenwesen desselben.Jenes nennt er die Existenz oder auch das Indi-viduum, dieses das Wesen oder die Gattung. DasWesen bestimmt er als notwendig und ewig -weil, wenn auch ein sinnliches Wesen aus derSinnenwelt verschwunden, es doch als gedachtesoder vorgestelltes Wesen noch bleibt —, die Exi-stenz als zufällig und vergänglich . . ." (205.)

Konspekt zu Feuerbachs „Darstellung. . . der Leibnizschen Philosophie" 75

. . . „Leibniz ist ein halber Christ, er ist Theistoder Christ und Naturalist. Er beschränkt dieGüte und Macht Gottes durch die Weisheit,durch den Verstand; aber dieser Verstand istnichts anderes als ein Naturalienkabinett, ist nurdie Vorstellung des Naturzusammenhangs, desWeltganzen; er beschränkt also seinen Theismusdurch den Naturalismus; er bejaht, er verteidigtden Theismus durch das, was den Theismus auf-hebt . . . " (215.)

S. 274 (aus einem Zusatz aus d. J. 1847):„Wie viel hat man von dem Betrug der Sinne

geredet, wie wenig von dem Betrug der Sprache,von der doch das Denken unabsonderlich ist!Und doch wie plump ist der Trug der Sinne, wiefein der Trug der Sprache! Wie lange hat michdie Allgemeinheit der Vernunft, die Allgemein-heit des Fichteschen und Hegeischen Ichs an derNase herumgeführt, bis ich endlich unter demBeistand meiner fünf Sinne zum Heil meinerSeele erkannte, daß alle Schwierigkeiten undGeheimnisse des Logos in der Bedeutung derVernunft ihre Lösung finden in der Bedeutungdes Wortes! Darum ist mir das Wort Hayms:,die Kritik der Vernunft muß zur Kritik derSprache werden', in theoretischer Beziehung einaus der Seele gesprochenes Wort. - Was aber denGegensatz zwischen mir als empfindendem, per-sönlichem und trn'r als denkendem Wesen be-trifft, so reduziert er sich im Sinne dieser An-merkung und der angeführten Dissertation" (vonFeuerbach selbst)61 „auf den krassen Gegensatz:im Empfinden bin ich Einzelner, im DenkenAllgemeiner. Allein ich bin im Empfinden nichtweniger Allgemeiner, als ich im Denken Einzel-ner bin. Übereinstimmung im Denken gründet

NB

76 W. I. Lenin

sich nur auf Übereinstimmung im Empfinden."(274.)

. . . „Alle Geselligkeit beruht auf der Voraus-setzung von der Gleichheit der Empfindungunter den Menschen." (274.)

Spinoza und Herbart (1836)62. S.400ff. Ver-teidigung Spinozas gegen die abgeschmacktenAngriffe des „Moralisten" Herbart.

Betont wird der Objektivismus Spinozas etc.NB.

Verhältnis zu Hegel (1840 und später). S. 417ff.

Nicht sehr klar, verschiedentlichwird darauf hingewiesen, daß er einSchüler Hegels war.

Aus den Anmerkungen:„Was ist eine Dialektik, die im "Widerspruch

steht mit der natürlichen Entstehung und Ent-wicklung? Was ihre Notwendigkeit'?"... (431.)

Herr von Schelling (1843). Brief an K. Marx(434 ff.). Nach dem Entwurf. VernichtendeKritik Schellings.63

Ende des IV. Bandes.

KONSPEKT ZU HEGELS

„WISSENSCHAFT DER LOGIK"«4

Geschrieben September-Dezember 1914.

Zuerst veröffentlicht 1929 Nach dem Manuskript.im Lenin-Sammelband IX.

Bern: Log. 1.175

Hegels Werke

Bd. I. Philosophische AbhandlungenII. Phänomenologie des GeistesIII-V. Wissenschaft der LogikVI-VII. (1 und 2) EnzyklopädieVIII. Philosophie des RechtsIX. Philosophie der GeschichteX. (3 Teile) ÄsthetikXI-XII. Geschichte der ReligionXIII-XV. Geschichte der PhilosophieXVI-XVII. Vermischte SchriftenXVIII. Philosophische PropädeutikXIX. (1 und 2) Briefe von und an Hegel

Umschlag des ersten Heftsmit dem Konspekt zu Hegels „Wissenschaft der Logik"

September-Dezember 1914Verkleinert

79

G. W. Fr. Hegels Werke,Bd. I II

(Berlin 1833) (468 S.)

„Wissenschaft der Logik"8*I. Teil. Die objektive Logik.

I. Abteilung. Die Lehre vom Sein.

(Bern: Log. I. 175)

VORREDE ZUR I.AUSGABE

Bd. III , S. 5 - geistreich über die Logik: es seiein „Vorurteil", daß sie „denken lehre" (wie diePhysiologie „verdauen lehre"??)

„. . . die logische Wissenschaft, welche dieeigentliche Metaphysik oder reine spekulativePhilosophie ausmacht. . . " (6.)

. . . „Die Philosophie . . . kann . . . ihre Me-thode nicht von einer untergeordneten Wissen-schaft, wie die Mathematik ist, borgen. . ."(6/7.)

„Sondern es kann nur die Natur des Inhaltssein, welche sich im wissenschaftlichen Erkennenbewegt, indem zugleich diese eigene Reflexiondes Inhalts es ist, welche seine Bestimmung selbsterst setzt und erzeugt."

{Bewegung des wissenschaftlichen Erken-nens — das ist das Wesentliche.)

„Der Verstand bestimmt", die Vernunft ne-giert, sie ist dialektisch, weil sie die Bestimmungendes Verstandes „in Nichts auflöst". Die Vereini-gung dieser mit jenem, - „verständige Vernunftoder vernünftiger Verstand" = Positives.

VollständigerTitel der Werke

G.W. Fr. Hegels«

„Vollständige Aus-gabe durch einen Ver-ein von Freunden des

Verewigten:Marheineke, Schulze,

Gans, Henning,Hotho, Michelet,

Förster."

80 W. I. Lenin

Negierung des „Einfachen" . . . „geistige Be-wegung" ( 7 ) . . .

„Auf diesem sich selbst konstruierenden Wegeallein . . . ist die Philosophie fähig, objektive,demonstrierte Wissenschaft zu sein." (7/8.)

(Der „sich selbst konstruierende Weg" = derWeg (das ist meines Erachtens der Kern) derwirklichen Erkenntnis, des Erkennens, der Be-wegung vom Nichtwissen zum Wissen*.)

Die Bewegung des Bewußtseins beruht „wieCharakte- die Entwickelung alles natürlichen und geistigenristisch! Lebens" auf „der Natur der reinen Wesenheiten,

die den Inhalt der Logik ausmachen".

Umkehren: Logik und Erkenntnistheoriei^üssen aus der „Entwickelung alles natür-lichen und geistigen Lebens" abgeleitetwerden.

Bis hierher: Vorrede zur I. Ausgabe.

* Im Manuskript hat Lenin die Worte „vom Nichtwissen zum Wissen",anscheinend in der Absicht, sie zu unterstreichen, ausgestrichen. Die Red.

Konspekt zu Hegels „Wissenschaft der Logik" 81

VORREDE ZUR II . AUSGABE

„Das Reich des Gedankens philosophisch, d.i.in seiner eigenen (NB) immanenten Tätigkeit,oder was dasselbe ist, in seiner notwendigen (NB)Entwickelung darzustellen . . ." (10.)

„die bekannten Denkformen" — eine wichtigeVoraussetzung, „die leblosen Knochen einesSkeletts" (11).

Notwendig sind nicht Lieblose Knochen j ,sondern das lebendige Leben.

Zusammenhang von Denken und Sprache (u. a.die chinesische Sprache und ihre Unentwickelt-heit: 11), die Bildung von Substantiven und Ver-ben (11). In der deutschen Sprache haben dieWörter manchmal „entgegengesetzte Bedeu-tung" (12) (nicht nur „verschiedene", sondernauch entgegengesetzte) — „dem Denken eineFreude" . . .

Der Begriff der Kraft in der Physik - und derPolarität („die Unterschiedenen untrennbar [her-vorgehoben von Hegel] verbunden"). Das Fort-schreiten von der Kraft zur Polarität - ein Über-gang zu „höheren Denkverhältnissen" (12).

ausgezeichnet!

Geschichtedes Denkens =

Geschichteder Sprache??

82 W. I. Lenin

die Naturund

„das Geistige"

Interessen„bewegendas Leben

der Völker"

Das Verhältnisdes Denkens zuden Interessenund Trieben...

| NB noch S. 1 1 . . . „Stellt man aber die Naturüberhaupt, als das Physikalische, dem Geistigengegenüber, so müßte man sagen, daß das Logi-sche vielmehr das Übernatürliche i s t . . . " |

Die logischen Formen Lsind Allbekanntesj,jedoch i s t . . . „was bekannt ist, darum noch nichterkannt" (13).

„Unendlicher Fortschritt'' - „Befreiung" der„Formen des Denkens" Lvon dem Stoffej, denVorstellungen, Wünschen etc., Herausarbeitungdes Allgemeinen (Plato, Aristoteles): Anfang desErkennens. . .

„Erst nachdem alles Notwendige vorhandenwar. . . haben die Menschen angefangen zu philo-sophieren" - sagt Aristoteles (13/14); und der-selbe : die Muße der ägyptischen Priester, der An-fang der mathematischen Wissenschaften (14).67

Die Beschäftigung mit den „reinen Gedanken"setzt „einen weiten Gang voraus, den der Men-schengeist durchgemacht haben muß". In sol-chem Denken

„schweigen die Interessen, welche das Lebender Völker und der Individuen bewegen" (14).

Die Kategorien der Logik sind Abbreviaturen(„epitomiert" an anderer Stelle) der „unendli-chen Menge" von „Einzelnheiten des äußerlichenDaseins und der Tätigkeit". Diese Kategorien\_dienen_i ihrerseits den Menschen in der Praxis(„in dem geistigen Betrieb lebendigen Inhalts,in dem Erschaffen und Auswechseln").

„Von unseren Empfindungen, Trieben, Inter-essen sagen wir nicht wohl, daß sie uns dienen,sondern sie gelten als selbständige Kräfte undMächte, so daß wir dies selbst sind." (15.)

Konspekt zu Hegels „Wissenschaft der Logik" 83

Auch von den Denkformen kann nicht gesagtwerden, daß sie uns dienen, denn sie ziehen sich„durch alle unsere Vorstellungen" (16) hindurch,sie sind „das Allgemeine als solches".

Objektivismus: die Kategorien desDenkens sind nicht Hilfsmittel desMenschen, sondern Ausdruck der Ge-setzmäßigkeit sowohl der Natur als desMenschen - vgl. ferner die Gegenüber-stellung

- „des subjektiven Denkens" und „des objek-tiven Begriffs der Sache selbst". Wir könnennicht „über die Natur der Dinge hinaus" (16).

Und eine Bemerkung gegen die „kritischePhilosophie" (17). Sie stellt sich das Verhältnisder „drei Terminorum" ('wir, die Gedanken, dieSachen) so vor, daß wir „in die Mitte" zwischendie Sachen und uns die Gedanken stellen, daßdiese Mitte uns „abschließt", „statt uns zusam-menzuschließen". Darauf, sagt Hegel, ist mitder „einfachen Bemerkung" zu antworten, daß„eben diese Sachen, die jenseits unserer Gedan-ken auf dem anderen Extreme stehen sollen,selbst Gedankendinge sind". . . und „das soge-nannte Ding an sich nur ein Gedankending derleeren Abstraktion".

Das Wesen des Arguments ist meines Erach-tens: (1) bei Kant trennt (schließt ab) dieErkenntnis Natur und Mensch; in Wirklichkeitschließt sie sie zusammen; (2) bei Kant stehtdie „leere Abstraktion" des Dinges an sichan Stelle des lebendigen L Ganges j , der l_Be-

gegen denKantianismus

84 W. I. Lenin

NB

wegungj unseres sich, immer mehr vertiefen-den Wissens von den Dingen.

Das |_Ding an sichj bei Kant ist leere Ab-straktion, Hegel aber verlangt Abstraktionen,welche \_der SacheJ entsprechen: „der objek-tive Begriff der Dinge die Sache selbst aus-macht", welche - materialistisch gesprochen -der wirklichen Vertiefung unserer Erkenntnisder Welt entsprechen.

Es ist nicht richtig, daß die LDenkformenjnur „Mittel" sind, „zum Gebrauch" (17).

Nicht richtig ist auch, daß sie „äußere For-men" sind, „Formen, die nur an dem, Gehalt,nicht der Gehalt selbst seien" ( 1 7 ) . . .

Hegel indes fordert eine Logik, inwelcher die Formen Lgehaltvolle For-men J , Formen lebendigen, realen In-halts seien, mit dem Inhalt untrennbarverbunden.

Und Hegel lenkt die Aufmerksamkeit auf die„Gedanken aller natürlichen und geistigenDinge", auf den „substantiellen Inhalt" . . .

- „Diese logische Natur, die den Geist beseelt,in. ihm treibt und wirkt, zum Bewußtsein zubringen, dies ist die Aufgabe." (18.)

Die Logik ist die Lehre nicht von denäußeren Formen des Denkens, sondernvon den Entwicklungsgesetzen „allermateriellen, natürlichen und geistigenDinge", d. h. der Entwicklung des ge-samten konkreten Inhalts der Welt und

Konspekt zu Hegels „Wissenschaft der Logik" 85

ihrer Erkenntnis, d. h. Fazit, Summe,Schlußfolgerung aus der Geschichte derErkenntnis der Welt.

Das „instinktartige Tun" ist „in einen unend-lich mannigfachen Stoff zersplittert". Das „in-telligente und bewußte* Tun" hingegen bringt„den Inhalt des Treibenden" heraus „aus derunmittelbaren Einheit mit dem Subjekte zurGegenständlichkeit vor dieses" (vor das Sub-jekt).

„In diesem Netze schürzen sich hin und wiederfestere Knoten, welche die Anhalts- und Rich-

tungspunkte seines" des Geistes oder Subjekts„Lebens und Bewußtseins sind . . . " (18.)

Wie ist das zu verstehen?Der Mensch steht vor einem Netz von

Naturerscheinungen. Der instinktiveMensch, der Wilde, hebt sich nicht ausder Natur heraus. Der bewußte Menschhebt sich heraus, die Kategorien sindStufen des Heraushebens, d.h. der Er-kenntnis der Welt, Knotenpunkte indem Netz, die helfen, es zu erkennenund es sich zu eigen zu machen.

„Die Wahrheit ist unendlich" - ihre End-lichkeit ist ihre Negation, „ihr Ende". Die For-men (|_Denkformen_j) sind, wenn wir sie alsFormen betrachten, „die von dem Stoffe ver-schieden und nur an ihm seien", unfähig, dieWahrheit zu fassen. Die Kahlheit dieser Formen

der formalen Logik macht sie der „Verachtung"(19) und des „Verlachens" (20) wert. Das Gesetz

* Bei Hegel: „intelligente und freie". Der Übers.

86 W. I. Lenin

NB

der Identität, A = A, - eine Leere, „unerträg-lich" (19).

Ungerecht ist es, zu vergessen, daß diese Kate-gorien „ihr Feld in der Erkenntnis haben, -worinsie gelten müssen". Aber als „gleichgültige For-men"* können sie „Mittel des Irrtums und derSophisterei" sein, nicht der Wahrheit.

„In die denkende Betrachtung" soll nicht nur„die äußere Form", sondern auch „der Inhalt"gezogen werden (20).

„Mit dieser Einführung des Inhalts in die logi-sche Betrachtung" werden zum Gegenstandnicht die [_Dingej, sondern [_die Sache, der Be-

griff der Dinge J nicht die Dinge, sondern die

Gesetze ihrer Bewegung, materialistisch

NB

. . . „der Logos, die Vernunft dessen, wasist" (21).

Und auf S. 22 oben ist der Gegenstand der Lo-gik mit den Worten ausgedrückt:

„Entwickelung" des Denkensin seiner Notwendigkeit

... „Entwickelung des Denkensin seiner Notwendigkeit".

Die Kategorien müssen abgeleitet (nicht will-kürlich oder mechanisch genommen) (nicht „er-zählt" und „versichert", sondern bewiesen (24))werden, wobei man von den einfachsten, grund-legenden (das Sein, das Nichts, das Werden) aus-gehen muß (um die anderen nicht zu nennen) -hier, in ihnen ist „die ganze Entwickelung in die-sen Keim" eingeschlossen (23).

1 Bei Hegel: „gleichgültige Mittel". Der Übers.

Konspekt zu Hegels „Wissenschaft der Logik14 87

EINLEITUNG: ALLGEMEINER BEGRIFF DER LOGIK

Gewöhnlich versteht man unter Logik als der„Wissenschaft des Denkens" „die bloße Formeiner Erkenntnis" (27).

Hegel widerlegt diese Ansicht. Gegen l_Dingan sichj - „schlechthin ein Jenseits des Den-kens" (29).

Als ob die Formen des Denkens „keine Anwen-dung auf die Dinge an sich haben". |_Un-gereimtj - eine |_wahre Erkenntnisj, die dasDing an sich nicht erkennt. Aber der |_"Verstandjist doch auch ein Ding an sich? (31.)

„Der konsequenter durchgeführte transzen-dentale Idealismus hat die Nichtigkeit des vonder kritischen Philosophie noch übriggelassenenGespensts des Dings an sich, dieses abstrakten,von allem Inhalt abgeschiedenen Schattens, er-kannt und den Zweck gehabt, ihn vollends zuzerstören. Auch machte diese Philosophie"(Fichte?) „den Anfang, die Vernunft aus sichselbst ihre Bestimmungen darstellen zu lassen.Aber die subjektive Haltung dieses Versuchs ließihn nicht zur Vollendung kommen." (32.)

Die logischen Formen sind t_tote Forinenj -denn man betrachtet sie nicht als „organische

S Lesin, Werke, Bd. 38

88 W. I. Lenin

NB

Einheit" (33), „ihre lebendige konkrete Einheit"(ibid.).

In der „Phänomenologie des Geistes" Labe ich.„das Bewußtsein in seiner Fortbewegung vondem ersten unmittelbaren Gegensatz seiner unddes Gegenstandes bis zum absoluten Wissen dar-gestellt (34). Dieser Weg geht durch alle Formendes Verhältnisses des Bewußtseins zum Objektedurch. . ."

„Als Wissenschaft ist die Wahrheit das reinesich entwickelnde Selbstbewußtsein"... „dasobjektive Denken" . . . „der Begriff als solcherist das an und für sich Seiende" (35). (36:PfafFerei- Gott, Reich der Wahrheit etc. etc.)37: Kant gab „den logischen Bestimmungen"

„eine wesentlich subjektive Bedeutung".Aber die Denkbestimmungen haben „objek-tiven Wert und Existenz".Die alte Logik ist in |_Verachtungj ge-kommen (38). Sie bedarf einer Umgestal-tung . . .

39 - Die alte, formale Logik ist wie die Beschäfti-gung der Kinder, Gemälde aus Stückchenzusammenzusuchen (|_in Verachtung ge-kommenj: (38)).

• 40. Die Philosophie muß ihre eigene Methodehaben (nicht die der Mathematik, contraSpinoza, Wolf und andere).

40/41: „Denn die Methode ist das Bewußtseinüber die Form der inneren Selbstbewegungihres Inhalts"und weiter die ganze S. 41 eine gute Erläute-rung der Dialektik

„es ist der Inhalt in sich, die Dialektik, dieer an ihm selbst hat, welche ihn fortbe-wegt" (42).

Konspekt zu Hegels „Wissenschaft der 89

Fortbewegt wird das gegebene Gebiet derErscheinungen durch den Inhalt dieses Ge-bietes selbst, „die Dialektik, die er" (dieserInhalt) „an ihm selbst hat" (d.h. die Dialek-tik seiner eigenen Bewegung).

„. . . das Negative ebensosehr positiv ist" (41) -"die Negation ist ein bestimmtes Etwas, hateinen bestimmten Inhalt, die inneren "Wider-sprüche führen zur Ersetzung des alten Inhaltsdurch einen neuen, höheren.

In der alten Logik gibt es keinen Übergang,keine Entwicklung (der Begriffe und des Den-kens) „eines inneren, notwendigen Zusam-menhangs" (43) aller Teile und keinen „Über-gang" der einen in die anderen.

Und Hegel stellt zwei Grundforderungen:1) „Die Notwendigkeit des Zusammenhangs"

und2) „die immanente Entstehung der Unterschie-

de".

Sehr wichtig!! Das bedeutet meines Erach-tens folgendes:

1) Notwendiger Zusammenhang, objekti-ver Zusammenhang aller Seiten, Kräfte, Ten-denzen etc. des gegebenen Gebiets der Er-scheinungen;

2) „immanente Entstehung der Unterschie-de" - die innere objektive Logik der Evolu-tion und des Kampfes der Unterschiede, derPolarität.

Mängel der Platonischen Dialektik im Parme-nides68.

„Gewöhnlich sieht man die Dialektik für einäußerliches und negatives Tun an, das nicht der

NB

90 W. I. Lenin

treffendundtief!

Sache selbst angehöre, in bloßer Eitelkeit alseiner subjektiven Sucht, sich das Feste undWahre in Schwanken zu setzen und aufzulösen,seinen Grund habe oder wenigstens zu nichtsführe als zur Eitelkeit des dialektisch behandel-ten Gegenstandes." (43.)(44) - Ein großes Verdienst Kants, daß er der

Dialektik „den Schein von Willkür" nahm.Zwei wichtige Dinge:

t t /NB: unklarA(1) [_die Objektivität des Scheins j I zurück- 1

V kehren!! /(2) i_die Notwendigkeit des Widerspruchsj

Lselbstbewegende Seelej, . . . („innere Nega-tivität") . . . „das Prinzip aller natürlichen undgeistigen Lebendigkeit" (44).

Nicht vielleicht der Gedanke, daß auch derSchein objektiv ist, da in ihm eine der Seitender objektiven'Welt ist? Nicht nur das [_We-senj, sondern auch der [_Scheinj ist objektiv.Ein Unterschied zwischen dem Subjektivenund dem Objektiven besteht, ABER AUCHER HAT SEINE GRENZEN.

Das Dialektische == „Fassen des Entgegengesetzten in seiner

Einhei t . . ."45. Die Logik ähnelt darin der Grammatik, daß

sie für den Anfänger eins, für den Kenner derSprache (und Sprachen) und des Geistes derSprache etwas anderes ist. „Sie ist etwas anderesfür den, der zu ihr und den Wissenschaften über-haupt erst hinzutritt, und etwas anderes für den,der von ihnen zu ihr zurückkommt."

Konspekt zu Hegels „Wissenschaft der Logik" 91

Dann gibt die Logik „das "Wesen dieses Reich-tums" (|_des Reichtums der Weltvorstellungj),„die innere Natur des Geistes und der Welt"(46) . . .

„Nicht nur abstrakt Allgemeines, sondern alsdas den Reichtum des Besonderen in sich fas-sende Allgemeine" (47).

Eine ausgezeichnete Formulierung:„Nicht nur abstrakt Allgemeines, son-dern ein Allgemeines, das den Reichtumdes Besonderen, des Individuellen, desEinzelnen in sich faßt" (allen Reichtumdes Besonderen und des Einzelnen!)!!Tresbien!*

„ - Wie derselbe Sittenspruch in demMunde des Jünglings, der ihn ganz richtigversteht, nicht die Bedeutung und denUmfang besitzt, welchen er im Geiste eineslebenserfahrenen Mannes hat, dem sich da-mit die ganze Kraft des darin enthaltenenGehaltes ausdrückt,

so erhält das Logische erst dadurch die Schät-zung seines Werts, wenn es zum Resultate derErfahrung der Wissenschaften geworden ist; esstellt sich daraus als die allgemeine Wahrheit,nicht als eine besondere Kenntnis neben anderemStoffe und Realitäten, sondern als das Wesen allesdieses sonstigen Inhalts dem Geiste dar . . . "(47.)

vgl.„Kapital"

ein guter(materiali-stischer)

Vergleich

„Resultat der Erfah-rung der Wissen-

schaften"NB

(„Das Wesen")„der wesentliche

Inhalt aller sonstigenKenntnisse"

Sehr gut! Die Red.

92 W. I. Lenin

Kant: die„Vernunft"beschränken

und denGlauben

stärken69

„Das System der Logik ist das Reich der Schat-ten" (47), frei von „aller sinnlichen Konkretion"...(50) - . . . „nicht abstrakt, tot, unbewegend, son-

dern konkret" . . . [ Charakteristisch! Geistund "Wesen der Dialektik! |

(52) Anm. . . . Resultate der Philosophie Kants. . .: „daß die Vernunft keinen wahren Ge-halt erkennen könne und in Ansehung derabsoluten 'Wahrheit auf das Glauben zu ver-weisen sei" . . .

(53) Noch einmal, daß das [_Ding ansichj ein Abstraktum, ein Produkt desabstrahierenden Denkens ist.

93

DIE LEHRE VOM SEIN

WOMIT MUSS DER ANFANG DER WISSENSCHAFTGEMACHT WERDEN?

,,_. , . / Thema der Logik.(59) . . . (en passant) / &.

j . TVT J -I-. vergleichen mit„die Natur des Er- 8

K\ der „Gnoseologie\

kennens (id. S. 61)von heute.

(60) „ . . . es nichts gibt (hervorgehoben von He-gel), nichts im Himmel oder in der Naturoder im Geiste oder wo es sei, was nicht eben-so die Unmittelbarkeit enthält als die Ver-mittelung . . ."

1) Himmel - Natur - Geist. Den Himmelweg: Materialismus.

2) Alles ist vermittelt, miteinander verbun-den, durch Übergänge verbunden. Weg mitdem Himmel - gesetzmäßiger Zusammenhangder ganzen Welt (desganzen Weltprozesses).

(62) „Die Logik ist die reine Wissenschaft, d.i.das reine Wissen in dem GANZEN Um-fange seiner ENTWICKELUNG . . . "

erste Zeile Unsinn;zweite genial.

Womit anfangen? „Das reine Sein" (63) -„nichts voraussetzen", der Anfang. „Keinen In-

NB

94 W. I. Lenin

halt enthalten" . . . „durch nichts vermitteltsein".

NB

(66) . . . „Das Fortschreiten" (des Erken-nens) . . . „muß durch die Natur derSache und des Inhaltes selbst bestimmt

sein. . .

(68) Der Anfang enthält sowohl „Nichts"als auch „Sein", er ist ihre Einheit:„ . . . das Anfangende ist noch nicht;es geht erst dem Sein zu . . . " (vomNichtsein zum Sein: „Nichtsein,das zugleich Sein").

Blödsinn über das Absolute (68/69). Ichbemühe mich im allgemeinen, Hegel materia-listisch zu lesen: Hegel ist auf den Kopf ge-stellter Materialismus (nach Engels70) - d.h.,ich lasse den lieben Gott, das Absolute, diereine Idee etc. größtenteils beiseite.

(70/71) Man kann die Philosophie nicht mit„Ich" anfangen. Keine „objektive Bewe-gung" (71).

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Sein 95

ERSTER ABSCHNITT:

BESTIMMTHEIT (QUALITÄT)

(77) Reines Sein - „ohne alle weitere Bestim-mung".(l_Bestimmungj ist schon L Qualität j . )

Übergang von L SeinJ / Dasein o\ _- in \_Dasein j Vendliches Sein • /

und dieses in LFürsichsein j (für sich sein?)

LSein - Nichts - "Werdenj„Das reine Sein und das reine Nichts ist . . .

dasselbe." (78.)(81: Das scheint „paradox".) Ihre Vereinigung

ist das \_Werden_\.„diese Bewegung des tinmittelbaren Ver-

schwindens des Einen in dem Anderen.. ."[_Nichtsj pflegt [_dem Etwasj

entgegengesetzt zu werden. \_Etwas jaber ist schon ein bestimmtes Seien-des, das sich von anderem \_Etwas Junterscheidet, hier aber geht es umdas einfache i_Nichtsj (79).

(Die Eleaten, und vorzüglich Por-menides, sind als erste zu dieser Ab-straktion des Seins gekommen.71) BeiHeraklit „Alles fließt" (80) . . . d. h.„Alles ist Werden".

96 W. I. Lenin

„NotwendigerZusammen-

hang der gan-zen Welt" . . .

„•wechsel-bestimmenderZusammen-

hangdes Ganzen"

NB

Ex nihilo nihil fit?* Aus uNichtsj geht \_Seinj(l_Werdenj) he rvor . . .

(81): „Es wäre nicht schwer, diese Einheit vonSein und Nichts . . . in jedem (hervorgehoben vonHegel) Wirklichen oder Gedanken aufzuzeigen."„. . . es gibt nirgend im Himmel und auf ErdenEtwas, was nicht beides, Sein und Nichts, in sichenthielte." Die Einwendungen unterstellen ein\_bestimmtes Seinj (ob ich 100 Taler habeoder nicht) 82 i. f., — aber nicht davon ist dieR e d e . . .

„Ein bestimmtes, ein endliches Sein ist einsolches, das sich auf anderes bezieht; es ist einInhalt, der im Verhältnisse der Notwendigkeitmit anderem Inhalte, mit der ganzen Welt, steht.In Rücksicht des wechselbestimmenden Zusam-menhangs des Ganzen konnte die Metaphysik die- im Grunde tautologische - Behauptung ma-chen, daß, wenn ein Stäubchen zerstört würde,das ganze Universum zusammenstürzte." (83.)(86): „Was das Erste in der Wissenschaft ist, hat

sich müssen geschichtlich als das Erste zei-gen." (Klingt überaus materialistisch!j

91: „Das Werden ist das Bestehen des Seins sosehr als des Nichtseins." . . . „Übergehen istdasselbe als Werden . . ." (92 i. f.)

94: „Bei Parmenides wie bei Spinoza soll von demSein oder der absoluten Substanz nicht fort-gegangen werden zu dem Negativen, End-lichen."Bei Hegel hingegen ergibt die Einheit oderUngetrenntheit (S. 90, dieser Ausdruck istmanchmal besser als Einheit) von „Sein"und „Nichts" den Übergang, das l_Werdenj.

* Aus nichts wird nichts? Die Red.

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Sein 97

Das Absolute und das Relative, das End-liche und das Unendliche = Teile, Stufen einund derselben "Welt. L_So etwa?j

(92: Für „vermitteltes Sein werden wir den Aus-druck: Existenz aufbehalten".)

102: Bei Plato im „Parmenides" ist der Über-gang vom Sein und vom Einen = „äußereReflexion".

104: Man sagt, Finsternis sei Abwesenheit desLichts. Wohingegen „im reinen Lichte eben-sowenig gesehen wird als in der reinen Fin-sternis" . . .

107 — Hinweis auf die unendlich kleinen Größen,die im Prozesse ihres Verschwindens genom-men werden . . .

„. . . es gar nichts gibt, das nicht ein Mittelzu-stand zwischen Sein und Nichts ist."

„Unbegreiflichkeit des Anfangs" - wenn Nichtsund Sein einander ausschließen, aber das ist nichtDialektik, sondern \_Sophistereij.

„Denn Sophisterei ist ein Raisonnement auseiner grundlosen Voraussetzung, die man ohneKritik und unbesonnen gelten läßt; Dialektikaber nennen wir die höhere vernünftige Bewe-gung, in welche solche schlechthin getrenntScheinende, durch sich selbst, durch das, was siesind, ineinander übergehen, die Voraussetzungsich aufhebt." (108.)

[_Werdenj. Seine Momente: [„Entstehen undVergehenj (109).

l_Das Aufheben des Werdens - das Daseinj

| konkretes, bestimmtes Sein (?) |

NB

Sophistik

und

Dialektik

98 W. I. Lenin

NB

NB

110: Laufheben = ein Endemachen

= erhalten

i aufbe- >wahren

^ zugleich j j

112: i_Dasein ist bestimmtes Seinj (NB 114 „einkonkretes") — Qualität, gesondert von einemAnderen, - \_veranderlich und endlichj.

114: „Die Bestimmtheit so für sich isoliert, alsseiende Bestimmtheit, ist die Quali tä t . . ."„Die Qualität, so daß sie unterschieden alsseiende gelte, ist die Realität." (115.)

117 . . . „Die Bestimmtheit ist die Negation..."(Spinoza) Omnis determinatio est negatio*,„dieser Satz ist von unendlicher Wichtig-keit". . .

120: „Etwas ist die erste Negation der Nega-tion . . . "

/ Hier ist die Darstellung\irgendwie fragmentarisch I

\und äußerst nebelhaft. /

Labstrakte undabstruse Hegeleij

- Engels.72

125 — . . . Zwei Paare von Bestimmungen:1) „Etwas und Anderes";2) „Sein-für-Anderes und Ansichsein".

127 - LÖing an siehj - „eine sehr einfache Ab-straktion". Die Aussage, daß wir nichtwissen, was die Dinge an sich sind, scheinteine Weisheit zu sein. Das Ding an sich isteine Abstraktion von jeder Bestimmung| LSein-für- Anderes J | Ivon jeder Beziehungzu einem Anderen!, d. h. ein Nichts. Folglichist das Ding an sich „nichts als wahrheitslose,leere Abstraktion".

* Jede Bestimmung ist Negation. Die Red.

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Sein 99

Das ist sehr tief: das Ding an sich undseine Verwandlung in ein Ding für andere(vgl. Engels73). Das Ding an sich als solchesist leere, leblose Abstraktion. Im Leben, inder Bewegung ist alles und jedes sowohl „ansich" als auch „für andere" in Beziehungzu einem Anderen, indem es sich von einemZustand in den anderen verwandelt.

129 - E n passant : dialektisches Philosophieren,das „das metaphysische Philosophieren, wor-unter auch das kritische gehört", nichtkennt.

!_Sehr g u t ü j"Wenn wir

fragen, was dieDinge an sichsind, i_so ist in

die Frage gedan-kenloserweise

die Unmöglich-keit der Beant-

wortung ge-legtj (127) . . .

Kantianismus= Metaphysik

Dialektik ist die Lehre, wie die Gegensätze identisch seinkönnen und es sind (wie sie es werden) - unter welchen Bedingun-gen sie identisch sind, indem sie sich ineinander verwandeln - ,warum der menschliche Verstand diese Gegensätze nicht als tote,erstarrte, sondern als lebendige, bedingte, bewegliche, sich in-einander verwandelnde auffassen soll. En lisant* Hegel. . .

134: „Die Grenze (ist) einfache Negation oder die erste Negation"(Ldes Etwasj. Jedes Etwas hat seine Grenze), „das Andereaber zugleich die Negation der Negation . . . "

137: „Etwas mit seiner immanenten Grenze gesetzt als der Wider-spruch seiner selbst, durch den es über sich hinausgewiesen undgetrieben wird, ist das Endliche."

(Etwas , mit seiner immanenten Grenze gesetzt, - alsWiderspruch seiner selbst, durch den es |_dieses Etwas _jüber seine Grenzen hinausgewiesen und getrieben wird,ist das Endliche.)

* Lesend, beim Lesen von. Die Red.

100 W. I. Lenin

NB

Gedanken überdie Dialektik

en lisantHegel

Lsehr gut! j

Wenn von den Dingen gesagt wird, sie sindendlich, so wird darunter verstanden, daß ihrNichtsein ihre Natur ist („das Nichtsein ihr Seinausmacht").

„Sie" (die Dinge) „sind, aber die "Wahrheitdieses Seins ist ihr Ende."

Geistreich und klug! Begriffe, die für ge-wöhnlich tot scheinen, analysiert Hegel undzeigt, daß in ihnen Bewegung ist. Endlich?Das heißt, sich zum Ende hinbewegend! Etwas?- das heißt, nicht das, was das Andere ist.Sein überhaupt?- das heißt eine solche Unbe-stimmtheit, daß Sein = Nichtsein. Allseitige,universelle Elastizität der Begriffe, Elastizi-tät, die bis zur Identität der Gegensätze geht- das ist das Wesentliche. Diese Elastizität,subjektiv angewendet, = Eklektizismus undSophistik. Elastizität, objektiv angewendet,d. h. so, daß sie die Allseitigkeit des materiellenProzesses und seine Einheit widerspiegelt, istDialektik, ist die richtige Widerspiegelung derewigen Entwicklung der Welt.

139 - Das Unendliche und das Endliche sind, sosagt man, einander entgegengesetzt? (s. S.148) (vgl. S. 151).

141 - \_Sollen und Schränken - Momente i_desEndlichenj.

143 - „Im Sollen beginnt das Hinausgehen überdie Endlichkeit, die Unendlichkeit."

143 - Man sagt, die Vernunft habe ihre Schran-ken. „In dieser Behauptung liegt die Be-wußtlosigkeit, daß darin selbst, daß etwasals Schranke bestimmt ist, darüber bereitshinausgegangen ist."

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Sein 101

144: Der Stein denkt nicht, und deshalb ist seineBeschränktheit für ihn keine Schranke.Aber auch der Stein hat seine Schranken,z. B. die Oxydierbarkeit, wenn er „eine säu-rungsf ähige Basis ist".

Evolution* des Steins

144/145: - Alles (Menschliche) geht über dieSchranken hinaus ([_Trieb, Schmerzj etc.),und die Vernunft, mit Verlaub, „sollte nichtüber die Schranke hinausgehen können"!

„Freilich ist nicht jedes Hinausgehen . . .über die Schranke eine wahrhafte Befreiungvon derselben"!

"Wenn ein Magnet Bewußtsein hätte, sowürde er sein Ausschlagen nach Norden fürfrei halten (Leibniz). — Nein, dann würde eralle Richtungen des Baumes kennen, undnur die eine Richtung würde er als eineSchranke seiner Freiheit, als ihre Beschrän-kung ansehen.

148 . . . „Es ist die Natur des Endlichen selbst, übersich hinauszugehen, seine Negation zu ne-gieren und unendlich zu werden. . . "

Nicht äußere (Lfremdej) Gewalt (149) ver-wandelt das Endliche in das Unendliche, son-dern seine (des Endlichen) Natur.

151: „Schlechte Unendlichkeit" - die Unendlich-keit, die der Endlichkeit qualitativ entgegen-gesetzt, mit ihr nicht verbunden, von ihrabgesondert ist, als ob das Endliche \_Dies-

* Im Manuskript steht über dem Ende des Wortes „OBOJIIOIIHJI" (Evo-lution) der Buchstabe „ H " (i), was im Russischen sowohl die Mehrzahl desWortes „aBOJHOlJHJi" als auch das Wort „auch" bedeuten kann. Der Übers.

Die Dialektikder Dingeselbst, der

Natur selbst,des Gangs der

Ereignisseselbst

102 W. I. Lenin

Anwenden aufAtome versusElektronen.

Überhaupt dieUnendlichkeitder Materie tiefhinunter74 . . .

Zusammen-hang

(aller Teile)des unendli-

chen Progresses

seitsj, das Unendliche aber | Jenseits j wäre,als ob das Unendliche über dem Endlichen,außerhalb desselben stünde . . .

153: In Wirklichkeit jedoch Lsind siej (das End-liche und das Unendliche) \_untrennbarj.Sie sind eine Einheit (155).

158/159: „ . . . ist die Einheit des Endlichen undUnendlichen nicht ein äußerliches Zusam-menbringen derselben noch eine ungehörige,ihrer Bestimmung zuwiderlaufende Verbin-dung, in welcher an sich getrennte und ent-gegengesetzte, gegeneinander Selbständige,Seiende, somit Unverträgliche verknüpftwürden, sondern jedes ist an ihm selbstdiese Einheit, und dies nur als Aufhebenseiner selbst, worin keines vor dem Anderneinen Vorzug des Ansichseins und affirmati-ven Daseins hätte. Wie früher gezeigt, istdie Endlichkeit nur als Hinausgehen übersich; es ist also in ihr die Unendlichkeit, dasAndere ihrer selbst, enthalten . . ."

. . . „Aber der unendliche Progreß spricht mehraus" (als das bloße Vergleichen des Endlichenmit dem Unendlichen), „es ist in ihm auch derZusammenhang (hervorgehoben von Hegel) derauch Unterschiedenen gesetzt . . ." (160.)167. „Die Natur des spekulativen Denkens . . .

besteht allein in dem Auffassen der ent-gegengesetzten Momente in ihrer Einheit."Die Frage, wie das Unendliche zum Endli-chen komme, wird manchmal als das Wesender Philosophie betrachtet. Aber diese Fragereduziert sich auf die Aufhellung ihres Zu-sammenhangs . . .

168 . . . „Auch bei andern Gegenständen setzt eseine Bildung voraus, fragen zu verstehen,

Eine Manuskriptseite von "W. I. Lenins Konspektzu Hegels „Wissenschaft der Logik"

September-Dezember 1914

Verkleinert

9 Lenin, Werke, Bd. 38

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Sein 105

noch mehr aber bei philosophischen Gegen-ständen, um eine andere Antwort zu erhaltenals die, daß die Frage nichts tauge."

173/174: FüTsichsein - für sich sein = unendli-

Bien dit!*

ches Sein, vollendetes qualitatives Sein. DieBeziehung zum Anderen ist verschwunden;

geblieben ist die Beziehung zu sich selbst. \

Die Qualität treibt sich Lauf die Spitze j undgeht in Quantität über.

Der Idealismus Kants und Fichtes... (181)„bleibt im Dualismus" ((unklar)) „des Daseinsund des Fürsichseins" . . .

d.h., es gibt keinen Übergang des Dinges ansich (das im folgenden Satz erwähnt wird) zurErscheinung? des Objekts zum Subjekt?

Warum i_Fürsichsein_] \_Eins_$ ist, ist mirnicht klar. Hier ist Hegel meines Erachtensäußerst unklar.

Das Eins ist das alte Prinzip des arop.o'v** (unddas Leere). Das Leere gilt als \_Quell der Bewe-gung^ (185) nicht nur in dem Sinne, daß derRaum nicht erfüllt ist, sondern das „enthält dentiefern Gedanken, daß im Negativen überhauptder Grund des "Werdens, der Unruhe der Selbst-bewegung liegt" (186).

183: „Die Idealität des Fürsichseins als Totalitätschlägt so fürs erste in die Realität um, undzwar in die festeste, abstrakteste, als Eins."

Dunkel ist der Rede Sinn . . .

* Gut gesagt! Die Red.** des Unteilbaren. Die Red.

NB:LSelbst-

bewegungj

106 W. I. Lenin

Der Gedanke von der Verwandlung desIdeellen in das Reale ist tief: sehr wichtig fürdie Geschichte. Aber auch im persönlichenLeben des Menschen ist ersichtlich, daß hieranviel Wahres ist. Gegen den Vulgärmaterialis-mus. NB. Der Unterschied des Ideellen vomMateriellen ist ebenfalls nicht unbedingt,nicht Lüberschwenglichj75.

189 - Anm. Die Leibnizschen Monaden. DasPrinzip des \_Eins_} und seine Unvollstän-digkeit bei Leibniz.76

Offensichtlich nimmt Hegel seine Selbst-entwicklung der Begriffe, der Kategorien imZusammenhang mit der ganzen Geschichteder Philosophie. Das verleiht der ganzen Lo-gik noch eine neue Seite.

193 . . . „Es ist ein alter Satz, daß das Eine Vielesund insbesondere: daß das Viele Einesist . . ."

195 . . . „Der Unterschied von Einem und Vielenhat sich zum Unterschiede ihrer Beziehungaufeinander bestimmt, welche in zwei Be-ziehungen, die Repulsion und die Attraktion,zerlegt i s t . . . "

Überhaupt benötigte Hegel wahrscheinlichdieses ganze [_Fürsichseinj zum Teil dazu, umabzuleiten, wie „Qualität in Quantität über-geht" (199) - Qualität ist Bestimmtheit, Be-stimmtheit für sich, das |_ Gesetztej, ist dasEins - das erweckt den Eindruck großer Ge-zwungenheit und Leere.

Konspekt zur „Wissenschafi der iogifc". Die Lehre vom Sein 107

Vermerkt sei, S. 203, die nicht der Ironie ent-behrende Bemerkung gegen jenes

„Verfahren des über die Erfahrung reflektieren-den Erkennens, das zuerst in der ErscheinungBestimmungen wahrnimmt, diese nun zugrundelegt und für das sogenannte Erklären derselbenentsprechende Grundstoffe oder Kräfte annimmt,"welche jene Bestimmungen der Erscheinung her-vorbringen sol len. . ."

108 W. I. Lenin

Die Rolle desSkeptizismus inder Geschichteder Philosophie

ZWEITER ABSCHNITT:

DIE GROSSE (QUANTITÄT)

Bei Kant 4 „Antinomien"77. In Wirklichkeit istjeder Begriff, jede Kategorie ebenso antinomisch(217).

„Der alte Skeptizismus hat sich die Mühe nichtverdrießen lassen, in allen Begriffen, die er in denWissenschaften vorfand, diesen Widerspruchoder die Antinomie aufzuzeigen."

Hegel analysiert Kant sehr streitlustig (undgeistreich) und kommt zu dem Schluß, daß Kantin den Schlußfolgerungen einfach das in den Vor-aussetzungen Gesagte wiederholt, und zwar na-mentlich dies, daß es eine Kategorie der \_Konti-nuitätj und eine Kategorie der [_Diskretionjgebe.

Daraus folgt nur, „daß keine dieser Bestimmun-gen, allein genommen, Wahrheit hat, sondern nurihre Einheit. Dies ist die wahrhafte dialektischeBetrachtung derselben sowie das wahrhafte Re-sultat." (226.)229: „Die Diskretion" | Übersetzung? pasjjenb-HOCTb* pa,CHjt,eHeHHoem,b**\ ist, wie die Kontinui-

* Das Wort „pa3flenbH0CTb" ist im Manuskript ausgestrichen. Es be-deutet soviel wie „Getrenntheit". Die Red.

** Gegliedertsein. Der Übers.

[.WahrhafteDialektik j

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Sein 109

tät,\ C0MKHyT0CTt(?), npeeMCTBeHHOCTL(P)* Henpe-

ptißHocmb" | Moment der Quantität..."

232: „Das Quantum, zunächst Quantität miteiner Bestimmtheit oder Grenze überhaupt—ist in seiner vollkommenen Bestimmtheitdie Zahl..."

234: „Anzahl IHCJieHHOCTb

nepemtcjiewue** und Ein-

heit machen die Momente der Zahl aus."248 - Über Rolle und Bedeutung der Zahl (viel

über Pythagoras etc. etc.) u. a. die treffendeBemerkung:

„Je reicher an Bestimmtheit und damit an Be-ziehung die Gedanken werden, desto verworrenereinerseits und desto willkürlicher und sinnleererandererseits wird ihre Darstellung in solchen For-men, als die Zahlen sind." (248/249.) ((Bewertungder Gedanken: Reichtum an Bestimmungen undfolglich an Beziehungen.))

Zu den Antinomien Kants (Welt ohne Anfangetc.) legt Hegel wieder |_des längeren J dar, daß inden Voraussetzungen als bewiesen angenommenwird, was bewiesen werden soll (257-278).

"Weiter, der Übergang von Quantität inQualität in einer abstrakt-theoretischen Dar-stellung dermaßen unklar, daß man nichtsversteht. Zurückkehren!!

* Die "Worte coMKHyTocTB, npeeMCTBeHHoCTt, die sovielbedeuten wie„Ge-schlossenheit" und „Aufeinanderfolge", sind im Manuskript ausgestrichen.Die Red.

** Kontinuität. Der Übers.*** Anzahl, Aufzählung. Der Übers.

110 W. I. Lenin

NB

283: Das Unendliche in der Mathematik. Bisherberuht die Rechtfertigung nur auf der Rich-tigkeit der Resultate („welche aus sonstigenGründen erwiesen ist"),... nicht aber auf der

Klarheit des Gegenstandes cf. Engels78

285: Bei der Infinitesimalrechnung wird einegewisse (eingestandene) Ungenauigkeit igno-riert, dennoch erhält man nicht ein annähern-des, sondern ein vollkommen genaues Resul-tat!

Dessenungeachtet hier eine |_Rechtferti-gungj zu fordern, ist „nicht so überflüssig",„als es bei der Nase überflüssig scheint, nachdem Erweise des Rechts, sich ihrer zu bedie-nen, zu fragen"79.

Hegels Antwort ist kompliziert, Labstrus Jetc. etc. Es ist von höherer Mathematik dieRede; vgl. Engels über Differential- undIntegralrechnung.80

Interessant die von Hegel nebenbei ge-machte Bemerkung - „transzendental, d.i.eigentlich subjektiv und psychologisch"...„transzendentalerweise, nämlich im Subjekte"(288).

S. 282-327 ff.-379.Sehr ausführliche Betrachtung über Diffe-

rential- und Integralrechnung, mit Zitaten —Newton, Lagrange, Carnot, Euler, Leibniz etc.etc. -, die zeigen, wie interessant für Hegeldieses „Verschwinden" der unendlich kleinenGrößen, dieser „Mittelzustand zwischen Seinund Nichts" war. Ohne Studium der höheren

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Sein 111

Mathematik ist das alles unverständlich. Cha-rakteristisch ein Titel bei Carnot: „Reflexionssur la Metaphysique du calcul infinitesimal"[Betrachtungen über die Metaphysik der Infi-nitesimalrechnung]* !!!

Die Entwicklung des Begriffs [_Verhältnisj(379-394) äußerst unklar. Zu erwähnen nur,S. 394, die Bemerkungen über Symbole, daß gegensie im allgemeinen nichts zu sagen sei. Aber „gegenalle Symbolik" ist zu sagen, daß sie manchmalnichts ist als „ein bequemes Mittel, es zu erspa-ren, die Begriffsbestimmungen zu fassen, anzuge-ben und zu rechtfertigen". Aber gerade das istSache der Philosophie.

„Die geläufigen Bestimmungen von Kraft oderSubstantialität, Ursache und Wirkung usf. sindgleichfalls nur Symbole für den Ausdruck z.B.lebendiger oder geistiger Verhältnisse, d.i. un-wahre Bestimmungen für dieselben." (394.)

NB?

* Deutsch erschienen unter dem. Titel „Betrachtungen über die Theorieder Infinitesimalrechnung", Frankfurt a. M. 1800. Der Übers.

112 W. I. Lenin

DRITTER ABSCHNITT:

DASMASS

„Im Maße sind, abstrakt ausgedrückt, Quali-tät und Quantität vereinigt. Das Sein als solchesist unmittelbare Gleichheit der Bestimmtheit mitsich selbst. Diese Unmittelbarkeit der Bestimmt-heit hat sich aufgehoben. Die Quantität ist dasso in sich zurückgekehrte Sein, daß es einfacheGleichheit mit sich als Gleichgültigkeit gegen dieBestimmtheit ist." (395.) Das dritte Glied - dasMaß.

Kant hat die Kategorie der Modalität (Mög-lichkeit, Wirklichkeit, Notwendigkeit) einge-führt, und Hegel bemerkt, daß bei Kant:

„Diese Kategorie hat daselbst die Bedeutung,die Beziehung des Gegenstandes auf das Denkenzu sein. Im Sinne jenes Idealismus ist das Denkenüberhaupt dem Ding an sich •wesentlich äußer-lich" (395) . . . „die Objektivität, welche denandern Kategorien zukomme, mangelt denen derModalität." (396.)

En passant (397):Die indische Philosophie, in der Brahma in

Schiwa übergeht (Veränderung = Vergehen,Entstehen) . . .

Die Völker vergotten das Maß (399).? Das Maß geht in das Wesen über.

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Sein 113

(Zur Frage des Maßes ist es nicht uninteres-sant, die von Hegel beiläufig gemachte Bemer-kung anzuführen, daß „in der entwickelten bür-gerlichen Gesellschaft die Mengen vonlndividuen,welche den verschiedenen Gewerben angehören,in einem Verhältnisse miteinander stehen") (402),

Zu der Kategorie der LAllmählichkeitj be-merkt Hegel:

„Zu dieser Kategorie wird so leicht gegriffen,um das Vergehen von einer Qualität oder vonetwas vorstellig zu machen oder zu erklären, in-dem man so dem Verschwinden beinahe mit denAugen zusehen zu können scheint, weil das Quan-tum als die äußerliche, ihrer Natur nach verän-derliche Grenze gesetzt ist, hiermit die Verän-derung, als nur des Quantums, sich von selbstversteht. In der Tat aber wird nichts dadurcherklärt; die Veränderung ist zugleich wesentlichder Übergang einer Qualität in eine andere oderder abstraktere von einem Dasein in ein Nicht-dasein; darin liegt eine andere Bestimmung als inder Allmählichkeit, welche nur eine Verminderungoder Vermehrung und das einseitige Festhaltenan der Größe ist.

Daß aber eine als bloß quantitativ erschei-nende Veränderung auch in eine qualitative um-schlägt, auf diesen Zusammenhang sind schon dieAlten aufmerksam gewesen und haben die derUnkenntnis desselben entstehenden Kollisionen inpopulären Beispielen vorgestellt" . . . (405/406)(„der Kahle": ein Haar ausraufen; „der Haufe"-ein Korn wegnehmen...) „was" (dabei) „wider-legt wird, ist das einseitige Festhalten an derabstrakten Quantumsbestimmtheit" (d.h. ohneBerücksichtigung der allseitigen Veränderungenund der konkreten Qualitäten etc.) „Jene Wen-

114 W. I. Lenin

NB

l_Gesetzoder Maß J

düngen sind darum kein leerer oder pedantischerSpaß, sondern in sich richtig und Erzeugnisseeines Bewußtseins, das ein Interesse an den Er-scheinungen hat, die im Denken vorkommen.

Das Quantum, indem es als eine gleichgültigeGrenze genommen wird, ist die Seite, an der einDasein unverdächtig angegriffen und zugrundegerichtet wird. Es ist die List des Begriffes, einDasein an dieser Seite zu fassen, von der seineQualität nicht ins Spiel zu kommen scheint, -und zwar so sehr, daß die Vergrößerung einesStaats, eines Vermögens usf., welche das Unglückdes Staats, des Besitzers herbeiführt, sogar alsdessen Glück zunächst erscheint." (407.)

„Es ist ein großes Verdienst, die empirischenZahlen der Natur kennenzulernen, z.B. Entfer-nungen der Planeten voneinander; aber ein un-endlich größeres, die empirischen Quanta ver-schwinden zu machen und sie in eine allgemeineForm von Quantitätsbestimmungen zu erheben,so daß sie Momente eines Gesetzes oder Maßeswerden"; das Verdienst Galileis und Keplers . . .„Sie haben die Gesetze, die sie gefunden haben, soerwiesen, daß sie gezeigt haben, daß ihnen derUmfang der Einzelnheiten der "Wahrnehmungentspricht." (416.) Es muß aber noch ein i_höhe-res Beweisenj dieser Gesetze gefordert werden,damit ihre Quantitätsbestimmungen aus den(_ Qualitäten oder bestimmten Begriffen, die be-zogen sind (wie Zeit und Raum)j, erkanntwerden.

Die Entwicklung der Begriffe [_des Maßesj alsLspezifische Quantitätj und als Lreales Maßj(darunter |_Wahlverwandtschaftenj — z.B. che-mische Elemente, musikalische Töne) sehr im-klar.

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Sein 115

Lange Anmerkung über die Chemie, miteiner Polemik gegen Berzelius und seineTheorie der Elektrochemie (433-445).

„Knotenlinie von Maßverhältnissen" - Über-gänge der Quantität in die Qualität... Allmäh-lichkeit und Sprünge.

NB Und wiederum, S.448, daß die Allmäh-lichkeit nichts erklärt ohne Spränge.

In der Anmerkung bei Hegel, wie immer, Fak-tenmaterial, Beispiele, Konkretes (Feuerbachmacht sich deshalb einmal darüber lustig, daßHegel die Natur in die Anmerkungen verbannt,Feuerbach, Werke, II, S. ?).si

S. 448-452, Anm., betitelt im Inhaltsverzeichnis(nicht im Text!! Pedanterie!!): „Beispiele solcherKnotenlinien; darüber, daß es keinen Sprung inder Natur gebe".

Beispiele: Chemie; musikalische Töne; Wasser(Dampf, Eis) - S.449- Geburt und Tod.

[_Abbrechen der AUmählich-keitj, S. (450).

„Es gibt keinen Sprung in der Natur, wird ge-sagt; und die gewöhnliche Vorstellung, wenn sieein Entstehen oder Vergehen begreifen soll,meint, wie erinnert, es damit begriffen zu haben,daß sie es als ein allmähliches Hervorgehen oderVerschwinden vorstellt. Es hat sich aber gezeigt,daß die Veränderungen des Seins überhauptnicht nur das Übergehen einer Größe in eine an-dere Größe, sondern Übergang vom Qualitati-ven in das Quantitative und umgekehrt sind, ein

NB

Sprünge I

Abbrechender

Allm ählichkeit

Sprünge!

116 - W. I. Lenin

Sprünge! Anderswerden, das ein Abbrechen des Allmäh-lichen und ein qualitativ Anderes gegen das vor-hergehende Dasein ist. Das Wasser wird durchdie Erkältung nicht nach und nach hart, so daßes breiartig würde und allmählich bis zur Konsi-stenz des Eises sich verhärtete, sondern ist aufeinmal hart; schon mit der ganzen Temperaturdes Eispunktes, wenn es ruhig steht, kann esnoch seine ganze Flüssigkeit haben, und eine ge-ringe Erschütterung bringt es in den Zustand derHärte.

Bei der Allmählichkeit des Entstehens liegtdie Vorstellung zugrunde, daß das Entstehendeschon sinnlich oder überhaupt wirklich vorhan-den, nur wegen seiner Kleinheit noch nicht wahr-nehmbar, so wie bei der Allmählichkeit des Ver-schwindens, daß das Nichtsein oder das Andere,an seine Stelle Tretende gleichfalls vorhanden,nur noch nicht bemerkbar sei; - und zwar vor-handen nicht in dem Sinne, daß das Andere indem vorhandenen Andern an sich enthalten,sondern daß es als Dasein, nur unbemerkbar,vorhanden sei. Es wird damit das Entstehen undVergehen überhaupt aufgehoben oder das An-sich, das Innere, in welchem etwas vor seinemDasein ist, in eine Kleinheit des äußerlichen Da-seins verwandelt und der wesentliche oder derBegriffsunterschied in einen äußerlichen, bloßenGrößeunterschied. - Das Begreiflichmacheneines Entstehens oder Vergehens aus der All-mählichkeit der Veränderung hat die der Tauto-logie eigene Langweiligkeit; es hat das Entste-hende oder Vergehende schon vorher ganz fertigund macht die Veränderung zu einer bloßen Än-derung eines äußerlichen Unterschiedes, wodurchsie in der Tat nur eine Tautologie ist. Die Schwie-

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Sein 117

rigkeit für solchen begreifen wollenden Verstandliegt in dem qualitativen Übergang von Etwasin sein Anderes überhaupt und in sein Entgegen-gesetztes; dagegen spiegelt er sich die Identitätund die Veränderung als die gleichgültige, äußer-liche des Quantitativen vor.

Im Moralischen, insofern es in der Sphäre desSeins betrachtet wird, findet derselbe Übergangdes Quantitativen ins Qualitative statt; undverschiedene Qualitäten erscheinen, sich auf eineVerschiedenheit der Größe zu gründen. Es ist einMehr und Weniger, wodurch das Maß des Leicht-sinns überschritten wird, und etwas ganz ande-res, Verbrechen, hervortritt, wodurch Recht inUnrecht, Tugend in Laster übergeht. - So erhal-ten auch Staaten durch ihren Größenunterschied,wenn das übrige als gleich angenommen wird,einen verschiedenen qualitativen Charakter."(450^,52.)

Weiter.Übergang des Seins in das Wesen, äußerst un-

klar dargestellt.Ende des I. Bandes.

118 W. I. Lenin

BD. IV. (BERLIN 1834)I.TEIL. DIE OBJEKTIVE LOGIK.

II. ABTEILUNG. DIE LEHRE VOM WESEN

ERSTER ABSCHNITT:

DAS WESEN ALS REFLEXION IN IHM SELBST

„Die Wahrkeit des Seins ist das Wesen." (3.)So lautet der erste Satz, der durch und durchidealistisch, nach Mystik klingt. Aber dann be-ginnt gleich sozusagen ein frischer Wind zu -we-hen: „Das Sein ist das Unmittelbare. Indem dasWissen das Wahre erkennen* will, was das Sein

Erkenntnis- an und für sich ist, so bleibt es nicht beim Unmit-theorie telbaren und dessen Bestimmungen stehen"

(bleibt nicht stehen NB), „sondern dringt(NB) durch (NB) dasselbe hindurch, mit derVoraussetzung, daß hinter (hervorgehoben vonHegel) diesem Sein noch etwas anderes ist als dasSein selbst, daß dieser Hintergrund die Wahrheitdes Seins ausmacht. Diese Erkenntnis ist ein ver-mitteltes Wissen, denn sie befindet sich nicht un-mittelbar beim und im Wesen, sondern beginntvon einem Andern, dem Sein, und hat einen vor-

* Apropos. Hegel macht sich wiederholt Ivgl. die oben zitierten Stellenüber die AUmählichkeit| über das Wort (und den Begriff) l_erklären_| lustig,wohl um der metaphysischen Lösung ein für allemal („man hat es ja schonerklärt"!!) den ewigen Prozeß des immer tiefer dringenden Erkennens ent-gegenzustellen. Vgl. Bd. III, S. 463: „erkannt oder, wie es genannt wird,erklärt werden könne".

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom. Wesen 119

läufigen Weg, den Weg des Hinausgehens überdas Sein oder vielmehr des Hineingehens in das-selbe zu machen . . ."

Diese |_Bewegungj, der Weg des Wissens,scheint eine „Tätigkeit des Erkennens" zu sein,„die dem Sein äußerlich sei".

„Aber dieser Gang ist die Bewegung des Seinsselbst."

„Das Wesen . . . ist das, was es i s t , . . . durchseine eigne, die unendliche Bewegung des Seins."(4-)

„Das absolute Wesen. . . hat kein Dasein. Aberes muß zum Dasein übergehen." (5.)

Das Wesen steht in der Mitte zwischen Seinund Begriff, als Übergang in den Begriff ( = dasAbsolute).

Die Einteilung des Wesens: Schein, Erschei-nung, Wirklichkeit.

l_Das Wesentliche und das Unwesentliche j(S).LDer Scheinj (9).

Im Unwesentlichen, im Schein, ist ein Momentdes Nichtdaseins (10).

d.h., das Unwesentliche, Scheinbare, ander Oberfläche Befindliche verschwindetöfter, hält sich nicht so „fest", „sitzt" nichtso „fest" wie das „Wesen". L.Etwaj: dieBewegung eines Flusses - der Schaum obenund die tiefen Strömungen unten.^4 her auchder Schaum ist ein Ausdruck des Wesens!

Schein und Skeptizismus resp. Kantianismus:„So ist der Schein das Phänomen des Skepti-

zismus oder auch die Erscheinung des Idealismuseine solche Unmittelbarkeit, die kein Etwas oderkein Ding ist, überhaupt nicht ein gleichgültiges

„Weg"

ObjektiveBedeutung

10 Lenin, Werke, Bd. 38

120 W. I. Lenin

NB

Unmittelbar-keit des Scheins

sind nicht tiefereingedrungen!

Sein, das außer seiner Bestimmtheit und Bezie-hung auf das Subjekt wäre. Es ist, erlaubte sichder Skeptizismus nicht zu sagen; der neuereIdealismus erlaubte sich nicht, die Erkenntnisse

| als ein Wissen yom Ding an sich anzusehen; jenerSchein sollte überhaupt keine Grundlage einesSeins haben, in diese Erkenntnisse sollte nichtdas Ding an sich eintreten. Zugleich aber Heßder Skeptizismus mannigfaltige Bestimmungenseines Scheins zu, oder vielmehr sein Schein hatteden ganzen mannigfaltigen Reichtum der Weltzum Inhalte. Ebenso begreift die Erscheinungdes Idealismus den ganzen Umfang dieser man-nigfaltigen Bestimmtheiten in sich."

Ihr schließt in den L Scheinj den ganzenReichtum der Welt ein und leugnet die Objek-tivität des [_Scheinsjü

„Jener Schein und diese Erscheinung sind un-mittelbar so mannigfaltig bestimmt. Diesem In-halte mag also wohl kein Sein, kein Ding oderDing an sich zugrunde Hegen; er für sich bleibt,wie er ist; er ist nur aus dem Sein in den Scheinübersetzt worden; so daß der Schein innerhalbseiner selbst jene mannigfaltigen Bestimmthei-ten hat, welche unmittelbare, seiende, anderegegeneinander sind. Der Schein ist also selbst einunmittelbar Bestimmtes. Er kann diesen oderjenen Inhalt haben; aber welchen er hat, ist nichtdurch ihn selbst gesetzt, sondern er hat ihn un-mittelbar. Der Leibnizische, oder Kantische,Fichtesche Idealismus, wie andere Formen des-selben, sind sowenig als der Skeptizismus überdas Sein als Bestimmtheit, über diese Unmittel-barkeit hinausgekommen. Der Skeptizismus läßt

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Wesen 121

sich den Inhalt seines Scheins geben das „un-

mittelbar Gegebene"!! ; es ist unmittelbar fürihn, welchen Inhalt er haben soll. Die Leibnizi-sche Monade entwickelt aus ihr selbst ihre Vor-stellungen; aber sie ist nicht die erzeugende undverbindende Kraft, sondern sie steigen in ihr alsBlasen auf; sie sind gleichgültig, unmittelbargegen einander und so gegen die Monade selbst.Ebenso ist die Kantische Erscheinung ein ge-gebener Inhalt der Wahrnehmung, er setzt Affek-tionen voraus, Bestimmungen des Subjekts,welche gegen sich, selbst und gegen dasselbe un-mittelbar sind. Der unendliche Anstoß des Fichte-schen Idealismus mag wohl kein Ding an sichzugrunde liegen haben, so daß er rein eine Be-stimmtheitim Ich wird. Aber diese Bestimmtheitist eine dem Ich, das sie zu der seinigen machtund ihre Äußerlichkeit aufhebt, zugleich unmit-telbare, eine Schranke desselben, über die es hin-ausgehen kann, welche aber eine Seite der Gleich-gültigkeit an ihr hat, nach der sie, obzwar imIch, ein unmittelbares Nichtsein desselben ent-hält." (10/11.)

„ . . . die Bestimmungen, die ihn" (den Schein)„vom "Wesen unterscheiden, Bestimmungen desWesens selbst sind . . . "

. . . „Es ist die Unmittelbarkeit des Nicht-seins, welche den Schein ausmacht . . . DasSein ist Nichtsein in dem Wesen. Seine Nich-tigkeit an sich ist die negative Natur des Wesensselbst . . . "

. . . „Diese beiden Momente, die Nichtigkeitaber als Bestehen, und das Sein aber als Moment,oder die an sich seiende Negativität und die re-flektierte Unmittelbarkeit, welche die Momente

vgl.Machismus!!

Schein = dernegativen Na-tur des Wesens

10*

122 W. I. Lenin

des Scheins ausmachen, sind somit die Momentedes Wesens se lbs t . . . "

„Der Schein ist das Wesen selbst in der Be-stimmtheit des Seins . . . " (12/13.)

Schein ist (1) Nichts, Nichtbestehendes([„Nichtigkeit j ) , das besteht

- (2) Sein als Moment.

„Der Schein ist also das Wesen selbst, aber dasWesen in einer Bestimmtheit, aber so, daß sie nursein Moment ist, und das Wesen ist das Scheinenseiner in sich selbst." (14.)

[Der Schein] Das Scheinende ist das Wesenin seiner einen Bestimmung, in einer seinerSeiten, in einem seiner Momente. Das Wesenscheint eben jenes zu sein. Der Schein ist dasScheinen des Wesens selbst in sich selbst.

„ . . . das Wesen . . . den Schein in sich selbstenthält, als die unendliche Bewegung in sich.. ."

. . . „Das Wesen in dieser seiner Selbstbewe-gung ist die Reflexion. Der Schein ist dasselbe,was die Reflexion ist." (14.)

Der Schein (das Scheinende) ist die Wider-spiegelung des Wesens in sich (ihm) selbst.

. . . „Das Werden im Wesen, seine reflektie-rende Bewegung, ist daher die Bewegung vonNichts zu Nichts, und dadurch zu sich selbst zu-rück . . . " (15.)

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Wesen 123

Das ist scharfsinnig und tief. Es gibt in derNatur und im Leben Bewegungen „zu Nichts".Bloß „von Nichts" gibt es wohl keine. Immervon irgend etwas.

„Die Reflexion wird gewöhnlicherweise in sub-jektivem Sinne genommen, als die Bewegungder Urteilskraft, die über eine gegebene unmittel-bare Vorstellung hinausgeht und allgemeine Be-stimmungen für dieselbe sucht oder damit ver-gleicht." (21.) (Zitat aus Kant - Kritik der Ur-teilskraft82) . . . „Es ist aber hier nicht, wedervon der Reflexion des Bewußtseins noch vonder bestimmteren Reflexion des Verstandes, diedas Besondere und Allgemeine zu ihren Bestim-mungen hat, sondern von der Reflexion über-haupt die Rede . . . "

Also auch hier beschuldigt Hegel Kant desSubjektivismus. Dies NB. Hegel ist für die„objektive Gültigkeit" (sit venia verbo*) des

Scheins, des „unmittelbar Gegebenen" derAusdruck „ Gegeb enesu ist bei Hegel überhauptgebräuchlich, auch hier s. S. 21 i. f.; S. 22 |.Geringere Philosophen streiten darüber, obdas Wesen oder das unmittelbar Gegebenezugrunde gelegt werden soll (Kant, Hume, alleMachisten). Hegel setzt und an die Stelle desoder und erklärt den konkreten Inhalt dieses„und".

„Die Reflexion ist das Scheinen des Wesens in

sich selbst."(27.) ^Übersetzung? peijmeKTHBHOcra.?

pe$:ieKTHBHoe onpefleneHne? pe$aeKcas paßt nicht, j

* wenn man so sagen darf. Die Red.

124 W. I. Lenin

NBdie von mir un-terstrichenen

Termini

. . . „Es" (das Wesen) „ist eine Bewegungdurch unterschiedene Momente, absolute Ver-mittelung mit sich . . . " (27.)Identität - Unterschied - Widerspruch

I -\- [L Gegensatzj]im BesonderenEntgegengesetztes

(Grund)...

Darum erläutert Hegel die Einseitigkeit, dieUnrichtigkeit des „Gesetzes der Identität" (A =A), der Kategorie (alle Bestimmungen des Seien-den sind Kategorien - S. 27J28).

„Wenn alles identisch mit sich ist, so ist esnicht verschieden, nicht entgegengesetzt, hat kei-nen Grund." (29.)

„Das Wesen ist . . . einfache Identität mitsich." (30.)

Das gewöhnliche Denken stellt Identität undUnterschied nebeneinander („daneben"), ohne„diese Bewegung des Übergehens einer dieser Be-stimmungen in die andere" zu begreifen (31).

Und wiederum gegen das Gesetz der Identität(A = A): seine Anhänger,

„indem sie an dieser unbewegten Identitätfesthalten, welche ihren Gegensatz an der Ver-schiedenheit hat, so sehen sie nicht, daß sie hier-mit dieselbe zu einer einseitigen Bestimmtheitmachen, die als solche keine Wahrheit hat" (33).

(„Leere Tautologie": 32)(„nur die formelle, eine abstrakte, unvoll-

ständige Wahrheit enthalte" (33)).

Die Arten der Reflexion: die äußere etc. sehrunklar dargestellt.

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Wesen 125

Die Prinzipien der Verschiedenheit: „AlleDinge sind verschieden". . . „A ist auch nicht A"(44) . . .

„Es gibt nicht zwei Dinge, die einander gleichs i n d . . . "

Der Unterschied besteht nach einer oder nachder andern Seite, [_Rücksichtj etc. „insofern"etc.

bien ditl!„Die gewöhnliche Zärtlichkeit für die Dinge

aber, die nur dafür sorgt, daß diese sich nichtwidersprechen, vergißt hier wie sonst, daß damitder "Widerspruch nicht aufgelöst, sondern nuranderswohin, in die subjektive oder äußere Re-flexion überhaupt geschoben wird, und daß diesein der Tat die beiden Momente, welche durchdiese Entfernung und Versetzung als bloßes Ge-setztsein ausgesprochen werden, als aufgehobeneund aufeinander bezogene in einer Einheit ent-hält." (47.)

(Diese Ironie ist köstlich! Die „Zärtlichkeit"für Natur und Geschichte (bei den Philistern) -das Bestreben, sie von Widersprüchen und vomKampf zu befreien...)

Das Resultat der Addition von + und — istNull. „Das Resultat des Widerspruchs ist nicht nurNull." (59.)

Die Auflösung des Widerspruchs, die Reduktiondes Positiven und Negativen auf „nur Bestimmun-gen" (61), verwandelt das Wesen in den Grund(ibidem).

. . . „Der aufgelöste Widerspruch ist also derGrund, das Wesen als Einheit des Positiven undNegativen . . . " (62.)

„Eine geringe Erfahrung in dem reflektieren-den Denken wird es schon wahrnehmen, daß,

NB

126 W. I. Lenin

Wahrheitund Objekt

das an und füreich Seiende

wenn etwas als positiv bestimmt worden, indemman nun von dieser Grundlage weiter geht, sichdasselbe unmittelbar unter der Hand in Negati-ves verkehrt hat und umgekehrt das negativeBestimmte in Positives, daß das reflektierendeDenken sich in diesen Bestimmungen verwirrt undsich widersprechen wird. Die Unbekanntschaftmit der Natur derselben ist der Meinung, dieseVerwirrung sei etwas Unrechtes, das nicht ge-schehen soll, und schreibt sie einem subjektivenFehler zu. Dieses Übergehen bleibt in der Tat auchbloße Verwirrung, insofern das Bewußtsein überdie Notwendigkeit der Vencandelung nicht vor-handen ist." (63.)

. . . „Vornehmlich wird der Gegensatz vom Po-sitiven und Negativen in dem Sinne genommen,daß jenes (ob es gleich seinem Namen nach dasPoniertsein, Gesetztsein ausdrückt) ein Objekti-ves sein soll, dieses aber ein Subjektives, welchesnur einer äußern Reflexion angehöre, das anund für sich seiende Objektive nichts angeheund ganz und gar nicht für dasselbe vorhandensei." (64.) „In der Tat, wenn das Negative nichtsanderes als die Abstraktion einer subjektivenWillkür ausdrückt" . . . (dann ist es, dieses Ne-gative, „für das objektive Positive" nicht vor-handen) . . .

„Auch die Wahrheit ist das Positive als dasmit dem Objekte übereinstimmende Wissen, abersie ist nur diese Gleichheit mit sich, insoferndas Wissen sich negativ gegen das Andere ver-halten, das Objekt durchdrungen und die Nega-tion, die es ist, aufgehoben hat. Der Irrtum ist einPositives, als eine Meinung des nicht an und für sichSeienden, die sich weiß und behauptet. Die Un-wissenheit aber ist entweder das gegen Wahrheit

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vorn Wesen 127

und Irrtum Gleichgültige, somit weder als posi-tiv noch als negativ bestimmt, und die Bestim-mung derselben als ein Mangel gehört der äuße-ren Reflexion an, oder aber als objektiv, alseigene Bestimmung einer Natur, ist sie der Trieb,der gegen sich gerichtet ist; ein Negatives, daseine positive Richtung in sich enthält. - Es ist eineder wichtigsten Erkenntnisse, diese Natur derbetrachteten Reflexionsbestimmungen, daß ihreWahrheit nur in ihrer Beziehung aufeinander unddamit darin besteht, daß jede in ihrem Begriffeselbst die andere enthält, einzusehen und festzu-halten; ohne diese Erkenntnis läßt sich eigent-lich kein Schritt in der Philosophie tun." (65/66.)Dies aus Anmerkung 1.

Anmerkung 2. „Der Satz des ausgeschlossenenDritten."

Hegel führt diesen Satz des ausgeschlossenenDritten an: „Etwas ist entweder A oder Nicht-A; es gibt kein Drittes" (66) und „analysiert".Wird damit darauf hingewiesen, daß „alles einEntgegengesetztes ist", alles seine positive undseine negative Bestimmung hat, dann ist es gut.Wird das aber, wie gewöhnlich, so verstanden,daß einem Dinge von allen Prädikaten entwederdas gegebene oder sein Nichtsein zukomme, dannist das „trivial"!! Der Geist . . . süß, nicht süß?grün, nicht grün? Die Bestimmung soll zur Be-stimmtheit werden, in dieser Trivialität abergeht sie zum Nichts.

Und dann - spottet Hegel - sagt man: es gibtkein Drittes. Es gibt ein Drittes in dieser Theseselbst, A selbst ist das Dritte, denn^4 kann sowohl+ A als auch — A sein. „Das Etwas selbst istalso das Dritte, welches ausgeschlossen seinsollte." (67.)

123 W. I. Lenin

Das ist scharfsinnig und richtig. Jedes kon-krete Ding, jedes konkrete Etwas steht inverschiedenartigen und oft widersprechendenBeziehungen zu allem übrigen, ergo ist es esselbst und ein Anderes.

Anmerkung 3. „Satz des Widerspruchs"(am Ende des 2. Kapitels des 1. Abschnitts desII . Buches der Logik).

„Wenn nun die ersten Reflexionsbestimmun-gen, die Identität, die Verschiedenheit und dieEntgegensetzung, in einem Satze aufgestelltworden, so sollte noch vielmehr diejenige, inwelche sie als in ihre Wahrheit übergehen, näm-lich der Widerspruch, in einen Satz gefaßt undgesagt werden: Alle Dinge sind an sichselbst widersprechend, und zwar in demSinne, daß dieser Satz gegen die übrigen viel-mehr die Wahrheit und das Wesen der Dingeausdrücke. — Der Widerspruch, der an der Ent-gegensetzung hervortritt, ist nur das entwickelteNichts, das in der Identität enthalten ist und indem Ausdrucke vorkam, daß der Satz der Iden-tität nichts sage. Diese Negation bestimmt sichweiter zur Verschiedenheit und zur Entgegen-setzung, welche nun der gesetzte Widerspruchist.

Es ist aber eines der Grundvorurteile der bis-herigen Logik und des gewöhnlichen Vor-stellens, als ob der Widerspruch nicht eine sowesenhafte und immanente Bestimmung sei alsdie Identität; ja wenn von Rangordnung dieRede und beide Bestimmungen als getrenntefestzuhalten wären, so wäre der Widerspruchfür das Tiefere und Wesenhaftere zu nehmen.Denn die Identität ihm gegenüber ist nur die Be-

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Wesen 129

Stimmung des einfachen Unmittelbaren, destoten Seins; er aber ist die Wurzel aller Be-wegung und Lebendigkeit; nur insofernetwas in sich selbst einen Widerspruch hat,bewegt es sich, hat Trieb und Tätig-keit.

Der Widerspruch wird gewöhnlich fürs erstevon den Dingen, von dem Seienden und Wahrenüberhaupt, entfernt; es wird behauptet, daß esnichts Widersprechendes gebe. Er wird fürsandere dagegen in die subjektive Reflexion ge-schoben, die durch ihre Beziehung und Ver-gleichung ihn erst setze. Aber auch in dieser Re-flexion sei er nicht eigentlich vorhanden, denndas Widersprechende könne nicht vorgestelltnoch gedacht werden. Er gilt überhaupt, sei esam Wirklichen oder in der denkenden Re-flexion, für eine Zufälligkeit, gleichsam für eineAbnormität und vorübergehenden Krankheits-paroxysmus.

Was nun die Behauptung betrifft, daß es denWiderspruch nicht gebe, daß er nicht ein Vorhan-denes sei, so brauchen wir uns um eine solche Ver-sicherung nicht zu bekümmern; eine absolute Be-stimmung des Wesens muß sich in aller Erfahrungfinden, in allem Wirklichen wie in jedem Begriffe.Oben beim Unendlichen, das der Widerspruch ist,wie er in der Sphäre des Seins sich zeigt, ist dasgleiche bereits erinnert worden. Die gemeine Er-fahrung aber spricht es selbst aus, daß es wenig-stens eine Menge widersprechender Dinge, wider-sprechender Einrichtungen usf. gebe, derenWiderspruch nicht bloß in einer äußerlichen Re-flexion, sondern in ihnen selbst vorhanden ist.Er ist aber ferner nicht bloß als eine Abnormitätzu nehmen, die nur hier und da vorkäme, sondern

130 W. I. Lenin

ist das Negative in seiner wesenhaften Bestim-mung, das Prinzip aller Selbstbewegung,die in nichts weiter besteht als in einer Darstel-lung desselben. Die äußerliche sinnliche Bewe-gung selbst ist sein unmittelbares Dasein. Esbewegt sich etwas nur, nicht indem es in diesemJetzt hier ist und in einem anderen Jetzt dort,sondern indem es in einem und demselben Jetzthier und nicht hier, indem es in diesem Hierzugleich ist und nicht ist. Man muß den altenDialektikern die Widersprüche zugeben, die siein der Bewegung aufzeigen, aber daraus folgtnicht, daß darum die Bewegung nicht ist, son-dern vielmehr, daß die Bewegung der daseiendeWiderspruch selbst ist.

Ebenso ist die innere, die eigentliche Selbst-bewegung, der Trieb überhaupt (Appetit oderNisus der Monade, die Entelechie des absoluteinfachen Wesens) nichts anderes, als daß Etwasin sich selbst und der Mangel, das Negativeseiner selbst, in einer und derselben Rücksichtist. Die abstrakte Identität mit sich ist nochkeine Lebendigkeit, sondern daß das Posi-tive an sich selb st die Negativität ist, dadurch gehtes außer sich und setzt sich in Verände-rung. Etwas ist also lebendig, nur insofern esden Widerspruch in sich enthält, und zwar dieseKraft ist, den Widerspruch in sich zu fassen undauszuhalten. Wenn aber ein Existierendes nichtin seiner positiven Bestimmung zugleich überseine negative überzugreifen und eine in derandern festzuhalten, den Widerspruch nicht inihm selbst zu haben vermag, so ist es nicht dielebendige Einheit selbst, nicht Grund, sonderngeht in dem Widerspruche zugrunde. — Dasspekulative Denken besteht nur darin, daß das

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Wesen 131

Denken den Widerspruch und in ihm sich selbstfesthält, nicht aber daß es sich, wie es dem Vor-stellen geht, von ihm beherrschen und durch ihnsich seine Bestimmungen nur in andere oder inNichts auflösen läßt." (67-70.)

Bewegung und,,Selbstbewegung" (diesNB!selbsttätige (selbständige), spontane, innerlich-notwendige Bewegung), „Veränderung", „Be-wegung und Lebendigkeit", „Prinzip jederSelbstbewegung", „Trieb" zur „Bewegung"und zur „Tätigkeit" - Gegensatz zum „totenSein" - wer würde glauben, daß das der Kernder „Hegelei", der abstrakten und Lahstrusen J(schwerfälligen, absurden?) Hegelei ist?? DiesenKern mußte man entdecken, begreifen, L_hin-überrettenj, herausschälen83, reinigen, und daseben haben Marx und Engels getan.

Die Idee der universellen Bewegung und Ver-änderung (1813, Logik) ist vor ihrer Anwendungauf das Leben und die Gesellschaft erraten. Inbezug auf die Gesellschaft früher verkündet(1847), als in Anwendung auf den Menschen be-wiesen (1859).8*

„Wenn in der Bewegung, dem Triebe und der-gleichen der Widerspruch in die Einfachheitdieser Bestimmungen für das Vorstellen ver-hüllt ist, so stellt sich hingegen in den Verhält-nisbestimmungen der Widerspruch unmittelbardar. Die trivialsten Beispiele, von oben undunten, rechts und links, Vater und Sohn und sofort ins Unendliche, enthalten alle den, Gegen-satz in Einem. Oben ist, was nicht unten ist;

in die Einfach-heit verhüllt

132 W.I.Lenin

oben ist bestimmt nur dies, nicht unten zu sein,und ist nur, insofern ein Unten ist; und umge-kehrt; in der einen Bestimmung liegt ihr Gegen-teil. Vater ist das Andere des Sohnes, und Sohndas Andere des Vaters, und jedes ist nur alsdies Andere des Andern; und zugleich ist dieeine Bestimmung nur in Beziehung auf die an-dere; ihr Sein ist ein Bestehen . . ." (70.)

„Das Vorstellen hat daher wohl allenthalbenden Widerspruch zu seinem Inhalte, kommt abernicht zum Bewußtsein desselben; es bleibtäußerliche Reflexion, die von der Gleichheit zurUngleichheit oder von der negativen Beziehungzum Reflektiertsein der Unterschiedenen in sichübergeht. Sie hält diese beiden Bestimmungeneinander äußerlich gegenüber und hat nur sie,nicht aber das Übergehen, welches das Wesent-liche ist und den Widerspruch enthält, im Sinne. I- Die geistreiche Reflexion, um diese hier zu er-wähnen, besteht dagegen im Auffassen und Aus-sprechen des Widerspruchs. Ob sie zwar denBegriff der Dinge und ihrer Verhältnisse nichtausdrückt und nur Vorstellungsbestimmungenzu ihrem Material und Inhalt hat, so bringt siedieselben in eine Beziehung, die ihren Wider-spruch enthält und durch diesen hindurch ihrenBegriff scheinen läßt. — Die denkende Ver-nunft aber spitzt, sozusagen, den abgestumpftenUnterschied des Verschiedenen, die bloße Man-nigfaltigkeit der Vorstellung, zum wesentlichenUnterschiede, zum Gegensatze, zu. Die Mannig-faltigen werden erst, auf die Spitze des Wider-spruchs getrieben, regsam und lebendig gegen-einander und erhalten in ihm die Negativität,welche die inwohnende Pulsation der Selbst-bewegung und Lebendigkeit i s t . . ." (70/71.)

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Wesen 133

NB(1) Das gewöhnliche Vorstellen erfaßt

Unterschied und Widerspruch, nichtaber das Übergehen von dem einen zumandern, das aber ist das Wichtigste.

(2) Geistreiches Denken und Verstand.Das geistreiche Denken erfaßt den

Widerspruch, spricht ihn aus, bringt dieDinge zueinander in Beziehung, läßt „denBegriff durch den Widerspruch hindurchscheinen", ohne jedoch den Begriff derDinge und ihrer Verhältnisse auszu-drücken.

(3) Die denkende Vernunft (Verstand)spitzt den abgestumpften Unterschied desVerschiedenen, die bloße Mannigfaltigkeitder Vorstellungen, zum wesentlichen Un-terschiede, zum Gegensatze, zu. Erst aufdie Spitze des Widerspruchs getrieben,werden die Mannigfaltigkeiten |_regsamjund lebendig gegeneinander - erhalten siedie Negativität, welche die inwohnendePulsation der Selbstbewegung undLebendigkeit ist.

Einteilung:Der Grund -(1) absoluter Grund - die Grundlage. „Form

und Materie". „Inhalt". _(2) bestimmter Grund (als Grund [jyonj einem

bestimmten Inhalt).

Sein Übergang in \_die bedingende Ver-mittelung_j

(3) die Sache an sich (Übergang in die Existenz).

134 W. I. Lenin

Anmerkung. „Satz des Grundes".Das Gewöhnliche: „Alles hat seinen zureichen-

den Grund."„Dies heißt im allgemeinen nichts anderes,

als was ist, ist nicht als seiendes Unmittelbares,sondern als Gesetztes zu betrachten; es ist nichtbei dem unmittelbaren Dasein oder bei der Be-stimmtheit überhaupt stehenzubleiben, sonderndavon zurückzugehen in seinen Grund . . ." Essei überflüssig hinzuzusetzen: zureichender Grund.Ein unzureichender Grund ist kein Grund.

Leibniz, der das Gesetz des zureichenden Grun-des zur Grundlage seiner Philosophie machte,faßte das tiefer. „Leibniz . . . stellte das Zu-reichende des Grundes vornehmlich der Kau-salität in ihrem strengen Sinne, als der me-chanischen "Wirkungsweise, entgegen." (76.)Er suchte die (..„Beziehung" der Ursachenj(77), „das Ganze als wesentliche Einheit"*

Er suchte den Zweck, aber die Teleolo-gie85 gehöre nicht hierher, sondern zurLehre vom Begriff.

. . . „Es kann . . . nicht gefragt werden, wiedie Form zum "Wesen hinzukomme, denn sie istnur das Scheinen desselben in sich selbst, dieeigene ihm inwohnende (sie!) Reflexion..." (81.)

Die Form ist wesentlich. Das Wesen istformiert. So oder so in Abhängigkeitauch vom "Wesen . . .

Das Wesen als formlose Identität (seinerselbst mit sich) wird zur Materie.

„Sie" (die Materie) „ist . . . die eigentlicheGrundlage oder Substrat der Form.. ." (82.)

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Wesen 135

„Wenn von allen Bestimmungen, aller Formeines Etwas abstrahiert wird, so bleibt die un-bestimmte Materie übrig. Die Materie ist einschlechthin Abstraktes. (- Man kann die Materienicht sehen, fühlen usf. - was man sieht, fühlt,ist eine bestimmte Materie, d. h. eine Einheit derMaterie und der Form.)" (82.)

Die Materie ist nicht der Grund der Form,sondern die Einheit des Grundes und desBegründeten. Die Materie ist das Passive, dieForm - das Aktive (|_Tätiges j ) (83). „Die Materiemuß formiert werden, und die Form muß sichmaterialisieren . . ." (84.)

„Dies, was als Tätigkeit der Form erscheint,ist ferner ebensosehr die eigene Bewegung derMaterie selbst. . ." (85/86.)

. . . „Beides, das Tun der Form und die Be-wegung der Materie, ist dasselbe . . . Die Materieist als solche bestimmt oder hat notwendig eineForm, und die Form ist schlechthin materielle,bestehende Form." (86.)

Anmerkung: „Formelle Erklärungsweise austautologischen Gründen."

Sehr oft würden, besonders in den physikali-schen Wissenschaften, die „Gründe" tautolo-gisch erklärt: Die Bewegung der Erde wirddurch die „anziehende Kraft" der Sonne er-klärt. Was ist aber die Anziehungskraft? Eben-falls eine Bewegung!! (92.) Eine leere Tautolo-gie: Warum reist dieser Mensch in die Stadt?Infolge der anziehenden Kraft der Stadt! (93.)Es kommt auch vor, daß in der Wissenschaftanfangs, als „Grund", die Moleküle, der Äther,die „elektrische Materie" (95/96) etc. angeführtwerden, dann aber zeigt sich, „daß sie" (dieseBegriffe) „vielmehr aus dem, was sie begründen

NB

11 Lenin, Werke, Bd. 38

136 W. I. Lenin

sollen, geschlossene Bestimmungen, von einerunkritischen Reflexion abgeleitete Hypothesenund Erdichtungen sind" . . . Oder man sagt,daß wir „das innere Wesen dieser Kräfte undMaterien selbst nicht kennen . . ." (96), dannbrauche man auch nichts zu „erklären", son-dern könne sich einfach auf die Tatsachen be-schränken . . .

l_Der reale Grundj <... keine Tautologie, son-dern schon „eine andere Inhaltsbestimmung"(97).

Zur Frage des „Grundes" bemerkt Hegel u. a.:„Wenn von der Natur gesagt wird, daß sie der

Grund der Welt ist, so ist das, was Natur ge-nannt wird, einerseits eins mit der Welt und dieWelt nichts als die Natur selbst." (100.) Ander-seits „zur Natur, um Welt zu sein, noch eineMannigfaltigkeit von Bestimmungen äußerlichhinzukommt. . ."

Da jede Sache „mehrere" - „Inhaltsbestim-mungen, Verhältnisse und Rücksichten" hat,so können Gründe in beliebiger Menge für undgegen angeführt werden (103). Eben das ist es,was Sokrates und Plato Sophisterei nannten.Solche Gründe enthalten nicht „den ganzenUmfang der Sache", „erschöpfen" sie nicht (imSinne von „die Verknüpfung der Sache aus-machen" und „alle" ihre Seiten „enthalten").

Übergang von Grund in Bedingung.

If I'm not mistaken, there is much mysti-cism and* [Jeerej Pedanterie in diesenSchlußfolgerungen Hegels, genial aber ist derGrundgedanke: des universellen, allseitigen,

* Wenn ich nicht irre, liegt viel Mystizismus und . . . Die Red.

Konspekt zur „Wissenschaß der Logik". Die Lehre vom, Wesen 137

lebendigen Zusammenhangs von allem mitallem und der Widerspiegelung dieses Zu-sammenhangs —i_materialistisch auf den Kopfgestellter Hegel j - in den Begriffen des Men-schen, die ebenfalls abgeschliffen, zugerichtet,elastisch, beweglich, relativ, gegenseitig ver-bunden, eins in den Gegensätzen sein müssen,um die Welt umfassen zu können. Die Fort-führung des Werks von Hegel und Marxmuß in der dialektischen Bearbeitung derGeschichte des menschlichen Denkens, derWissenschaft und der Technik bestehen.

Ein Fluß und die Tropfen in diesem Fluß.Die Lage jedes Tropfens, sein Verhältnis zuden anderen; sein Zusammenhang mit denanderen; die Richtung seiner Bewegung; dieGeschwindigkeit; die Linie der Bewegung -gerade, krumme, runde etc. - nach oben,nach unten. Die Summe der Bewegung. DieBegriffe als das Erfassen der einzelnen Seitender Bewegung, der einzelnen Tropfen ( = „derSachen"), der einzelnen „Ströme" etc. Diesä peu pres* das Weltbild nach Hegels„Logik" - freilich minus den lieben Gott unddas Absolute.

„Wenn alle Bedingungen einer Sache vor-handen sind, so tritt sie in die Existenz..." (116.)

Sehr gutl Wozu dann die absolute Idee undder Idealismus?

Ergötzlich diese „Ableitung" der . . . Exi-stenz . . .

Und die „reinlogische" Be-

arbeitung?l_Das fällt zu-

sammen, jDas muß zu-sammenfal-len, wie In-duktion undDeduktion

im „Kapital"

Oft bei He-gel das Wort„Moment"im Sinne

vonMomentdes Zusam-menhangs,Moment inder Verket-

tung

• ungefähr. Die Red.

l l*

138 W. I. Lenin

ZWEITER ABSCHNITT:

DIE ERSCHEINUNG

Erster Satz: ,JDas Wesen muß erscheinen"(119) das Erscheinen des Wesens ist (1) |_Exi-stenzj (Ding); (2) Erscheinung. („Die Erschei-nung ist das, was das Ding an sich ist, oder seineWahrheit", S. 120.) „Der Welt der Erscheinungstellt sich die in sich reflektierte, an sich seiendeWelt gegenüber..." (120.) (3) Verhältnis undWirklichkeit.

U. a.: „Das Beweisen ist überhaupt die ver-mittelte Erkenntnis . . ."

. . . „Die verschiedenen Arten des Seins for-dern oder enthalten ihre eigene Art der Ver-mittelung; so wird auch die Natur des Beweisensin Ansehung einer jeden verschieden..." (121.)

Und wiederum . . . über die ExistenzGottes!! Dieser armselige Gott, sobald dasWort Existenz auch nur erwähnt wird,fühlt er sich beleidigt.

Die Existenz unterscheidet sich vom Sein

durch ihre LVerinittelung j (124). [Tpurch Kon-

kretheit und Zusammenhang? |„. . . Das Ding an sich und sein vermitteltes

Sein sind beide in der Existenz enthalten und

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Wesen 139

beide selbst Existenzen; das Ding an sieb, exi-stiert und ist die wesentliche, das vermittelteSein aber die unwesentliche Existenz desDinges . . . " (125.)

? Das Ding an sich verhält sich zum Seinwie das Wesentliche zum Unwesentlichen?

. . . „Dieses" (Ding an sich) „soll keine be-stimmte Mannigfaltigkeit an ihm selbst haben;und erhält sie deswegen erst an die äußerlicheReflexion gebracht; aber bleibt gleichgültigdagegen. (- Das Ding an sich hat Farbe erst andas Auge gebracht, Geruch an die Nase usf.). . . " (126.)

. . . „Ein Ding hat die Eigenschaft, dies oderjenes im Andern zu bewirken und auf eine eigen-tümliche Weise sich in seiner Beziehung zuäußern . . . " (129.) „Das Ding an sich existiertalso wesentlich . . . "

In der Anmerkung ist vom „Ding an sich destranszendentalen Idealismus" die Rede . . .

„ . . . das Ding an sich als solches nichts anderesals die leere Abstraktion von aller Bestimmtheitist, von dem man allerdings nichts wissen kann,eben darum weil es die Abstraktion von allerBestimmung sein so l l . . . "

Der transzendentale Idealismus . . . verlegt„alle Bestimmtheit der Dinge sowohl der Formals dem Inhalte nach in das Bewußtsein" . . .„so fällt es nach diesem Standpunkt in mich, indas Subjekt, daß ich die Baumblätter nicht alsschwarz, sondern als grün, die Sonne rund undnicht viereckig sehe, den Zucker süß und nichtbitter schmecke; daß ich den ersten und zweitenSchlag einer Uhr als sukzedierend und nicht

140 W. I. Lenin

der Kern= gegen denSubjektivis-mus und die

Trennungzwischen demDing an sich

und denErscheinungen

Gesetz (der Er-scheinungen)

nebeneinander, noch den ersten als Ursache,auch nicht als Wirkung des zweiten bestimmeusf." (131) . . . Hegel macht dann den Vorbe-halt, daß er hier nur die Frage des Dinges an sichund der „äußerlichen Reflexion"untersuchthabe.

„Das Wesentliche der Unzulänglichkeit desStandpunkts, auf dem jene Philosophie stehen-bleibt, besteht nun darin, daß sie an dem ab-strakten Dinge an sich als einer letzten Be-stimmung festhält und die Reflexion oder dieBestimmtheit und Mannigfaltigkeit der Eigen-schaften dem Dinge an sich gegenüberstellt, in-dem in der Tat das Ding an sich wesentlich jeneäußerliche Reflexion an ihm selbst hat und sichzu einem mit eigenen Bestimmungen, mit Eigen-schaften begabten bestimmt, wodurch sich dieAbstraktion des Dinges, reines Ding an sich zusein, als eine unwahre Bestimmung erweist."(132.)

Die „. . . mehrern verschiedenen Dinge stehenin wesentlicher Wechselwirkung durch ihreEigenschaften; die Eigenschaft ist diese Wechsel-beziehung selbst, und das Ding ist nichts außerderselben . . ." (133.)

l_Die Dingheit j geht in die [_Eigenschaft j über(134). Die i_Eigenschaftj in eine „Materie" odereinen „Stoff" („die Dinge bestehen aus Stoffen")etc.

„Die Erscheinung i s t . . . zunächst das Wesenin seiner Existenz..." (144.) „Die Erscheinungist... Einheit des Scheins und der Existenz..."(145.)

Die Einheit in den Erscheinungen: „DieseEinheit ist das Gesetz der Erscheinung. DasGesetz ist also das Positive der Vermittelungdes Erscheinenden." (148.)

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Wesen 141

[HiHier im allgemeinen sehr viel Un-klares. Aber ein lebendiger Gedanke istoffenbar da: der Begriff des Gesetzes isteine der Stufen der Erkenntnis der Einheitund des Zusammenhangs, der wechsel-seitigen Abhängigkeit und der Totalitätdes Weltprozesses durch den Menschen.Das „Zurichten" und „Verdrehen" der"Worte und Begriffe, dem sich Hegel hierergibt, ist ein Ringen mit der Verabso-lutierung des Begriffes Gesetz, mit seinerSimplifizierung, mit seiner Fetischisierung.NB für die moderne Physik Ml]

„Dies bleibende Bestehen, welches die Er-scheinung im Gesetze ha t . . ." (149.)

„Das Gesetz ist die Reflexion der Erscheinungin die Identität mit sich." (149.) (Das Gesetz istdas Identische in den Erscheinungen: „die Wi-derspiegelung der Erscheinung in die Identitätmit sich selbst".)

. . . „Diese Identität, die Grundlage der Er-scheinung, welche das Gesetz ausmacht, ist ihreigenes Moment . . . Das Gesetz ist dahernicht jenseits der Erscheinung, sondern in ihrunmittelbar gegenwärtig; das Reich der Ge-setze ist das ruhige (hervorgehoben von Hegel)Abbild der existierenden oder erscheinendenW e l t . . . "

Das ist eine ausgezeichnet materialisti-sche und wunderbar treffende (mit demWort „ruhige") Bestimmung. Das Gesetz

NBDas Gesetzistdas Dauerhafte

(Bleibende)in der

Erscheinung

(Das Gesetz -das Identische

in derErscheinung)

NB

Das Gesetz= das ruhigeAbbild der

ErscheinungenNB

142 W. I. Lenin

Das

wesentlicheErschei-

nung

NB(Das Gesetz istdie Widerspie-

gelung desWesentlichen

in der Be-wegung des

Universums.)

(ErscheinungGanzheit,

Totalität) ((Ge-setz = Teil))(Die Erschei-

nungist reicher

als das Gesetz)

nimmt das Ruhige - und darum ist dasGesetz, jedes Gesetz, eng, unvollständig,annähernd.

„Die Existenz geht in das Gesetz als in seinenGrund zurück; die Erscheinung enthält diesbeides, den einfachen Grund und die auflösendeBewegung des erscheinenden Universums, derenWesentlichkeit er ist." „Das Gesetz ist also diewesentliche Erscheinung." (150.)

Ergo sind Gesetz und Wesen gleichartigeBegriffe (Begriffe gleicher Ordnung) oderbesser gleicher Potenz, welche die Vertiefungder Erkenntnis der Erscheinungen, der Weltetc. durch den Menschen zum Ausdruckbringen.

Die Bewegung des Universums in den Er-scheinungen (LBewegung des erscheinenden Uni-versumsj), in der Wesentlichkeit dieser Bewe-gung ist das Gesetz.

„Das Reich der Gesetze ist der ruhige Inhaltder Erscheinung; diese ist derselbe, aber sich imunruhigen Wechsel und als die Reflexion inanderes darstellend. . . . die Erscheinung istdaher gegen das Gesetz die Totalität, denn sieenthält das Gesetz, aber auch noch mehr,nämlich das Moment der sich selbst bewegendenForm." (151.)

Konspekt zur „Wissenschaß der Logik". Die Lehre vom Wesen 143

Aber weiter wird, wie es scheint, wennauch unklar, zugegeben, S. 154, daß dasGesetz diesen [_Mangelj beheben, auchdie negative Seite, auch die [_Tptalität derErscheinungj erfassen kann (besonders154 i. f.). Zurückkehren!

Die Welt an und für sich ist identisch mitder Welt der Erscheinungen, aber zugleich ihrentgegengesetzt (158). Das, was in der einenpositiv, ist in der anderen negativ. Was in derWelt der Erscheinungen böse, ist in der Welt anund für sich gut. Vgl. - sagt Hegel hier - Phä-nomenologie des Geistes, S. 121 ff.86

„Die erscheinende und die wesentliche Welt...sind beide die selbständigen Ganzen der Exi-stenz; die eine sollte nur die reflektierte Exi-stenz, die andere die unmittelbare Existenz sein;aber jede kontinuiert sich in ihrer andern undist daher an ihr selbst die Identität dieser beidenMomente . . . Beide sind erstlich Selbständige,aber sie sind dies nur als Totalitäten, und diessind sie insofern, daß jede wesentlich das Mo-ment der andern an ihr h a t . . ." (159/160.)

Der Kern ist hier der, daß sowohl die Weltder Erscheinungen als auch die Welt an sichMomente der Naturerkenntnis des Men-schen, Stufen, Veränderungen oder Ver-tiefungen (der Erkenntnis) sind. Das immerweitergehende Abrücken der Welt an sichvon der Welt der Erscheinungen — davon istbei Hegel bisher noch nichts zu sehen. NB.Haben die „Momente" des Begriffs bei Hegelnicht die Bedeutung von „Momenten"des Übergangs?

144 W. I. Lenin

...„So ist das Gesetz wesentlichesVerhältnis." (Hervorgehoben von Hegel.)

Gesetz ist Verhältnis. Dies NB für die Ma-chisten und sonstige Agnostiker sowie für dieKantianer etc. Verhältnis der Wesenheiten oderzwischen den Wesenheiten.

„Welt drückt überhaupt die formlose Totali-tät der Mannigfaltigkeit aus . . ." (160.)

Und das 3. Kapitel („Das wesentliche Ver-hältnis") beginnt mit der These: „Die Wahrheitder Erscheinung ist das wesentliche Verhältnis..."(161.)

Einteilung:

Das Verhältnis des Ganzen und der Teile;dieses Verhältnis geht in das folgende über (sie!!(S. 168)): - der Kraft und ihrer Äußerung; - desInnern und Äußern. - Übergang zur Substanz, zurWirklichkeit.

. . . „Die Wahrheit des Verhältnisses bestehtalso in der Vermittlung . . ." (167.)

„Übergang" zur Kraft: „Die Kraft ist dienegative Einheit, in welche sich der Widerspruchdes Ganzen und der Teile aufgelöst hat, die Wahr-heit jenes ersten Verhältnisses." (170.)

((Das ist eine von 1000 ähnlichen Stellen beiHegel, die naive Philosophen vom SchlagePearsons, des Verfassers von „The Grammar ofScience"87, außer sich bringen. Er zitiert eineähnliche Stelle und tobt: was lehre man inunseren Schulen für einen Galimathias!! Und ineinem gewissen, begrenzten Sinn hat er recht.Das zu lehren ist unsinnig. Daraus muß man zu-nächst die materialistische Dialektik heraus-schälen. Es sind aber zu9/10 Schale, Schutt.))

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Wesen 145

Die Kraft tritt als „Attribut" (|_als angehörig j )(171) „dem existierenden Dinge oder einerMaterie" auf . . . „Wenn daher gefragt -wird,wie das Ding oder die Materie dazu komme,eine Kraft zu haben, so erscheint diese alsäußerlich damit verbunden und dem Dingedurch eine fremde Gewalt eingedrückt." (171.)

. . . „In aller natürlichen, voissenschaftli- IIchenund geistigen Entwickelungüberhaujtt jjbietet sich dies dar, und es ist wesentlich dies zuerkennen, daß das Erste, indem Etwas nur erstinnerlich oder auch in seinem Begriffe ist,eben darum nur sein unmittelbares, passivesDasein is t . . . " (181.)

Der Anfang von allem kann als einInnerliches - Passives - und zugleichÄußerliches betrachtet werden.

Aber nicht das ist hier interessant, son-dern etwas anderes: das unversehens ent-schlüpfte Kriterium der Dialektik beiHegel: „in aller natürlichen, wissen-schaftlichen undgeistigen Entwicke-lung": hier liegt ein Körnchen tieferWahrheit in der mystischen Schale desHegelianertums!

ijij: Beispiel: der Keim des Menschen sei nur \ \ Feuerbacherst innerlicher Mensch, ein i_dem Anders- ^\ „knüpft an"sein Preisgegebenes j , ein Passives. [_ Gott j \\ daran88,ist anfangs noch nicht Geist. „Unmittel- JJ I_Gott_| weg,bar ist daher Gott nur die Natur." (182.) JJ bleibt die

(Das ist auch charakteristisch!!) i' \_Naturj.

146 W. I. Lenin

gewöhnlich:von einem Ex-

trem zumandern

Totalität= (als) zer-streute Voll-ständigkeit

DRITTER ABSCHNITT:

DIE WIRKLICHKEIT

... „Die Wirklichkeit ist die Einheit desWesens und der Existenz . . . " (184.)

Einteilung: 1) „das Absolute" -2 ) die eigent-liche Wirklichkeit. „Wirklichkeit, Möglichkeitund Notwendigkeit machen die formellen Mo-mente des Absoluten aus." 3) „das absoluteVerhältnis": Substanz.

„In ihm selbst" (dem Absoluten) „ist keinWerden" (187) - und anderer Unsinn über dasAbsolute...

das Absolute ist das Absolut-Absolute . . .das Attribut ist das relative „ . . .

In der „Anmerkung" spricht Hegel (gar zuallgemein und nebelhaft) über die Mängel derPhilosophie von Spinoza und Leibniz.

U. a. vermerken:„Der Einseitigkeit eines philosophischen Prin-

zips pflegt sich die entgegengesetzte gegenüber-zustellen und, wie in allem, die Totalität wenig-stens als eine zerstreute Vollständigkeit vor-handen zu sein." (197.)

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Wesen 147

Die Wirklichkeit steht höher als das Sein undals die Existenz.(1) Sein unmittelhar. „Das Sein ist noch

nickt wirklich."Es geht in anderes über.

(2) Existenz (sie - geht aus dem Grunde,geht in Er- aus den Bedingungenscheinung über) hervor, aber in ihr ist

noch nicht die Einheit„der Reflexion und derUnmittelbarkeit".

(3) "Wirklichkeit Einheit von Existenzund Ansichsein.

. . . „Die Wirklichkeit steht auch höher als dieExistenz . . ." (200.)

. . . „Die reale Notwendigkeit ist . . . inhalts-volle Beziehung " „Diese Notwendigkeit aberist zugleich relativ . . ." (211.)

„Die absolute Notwendigkeit ist also die "Wahr-heit, in welche "Wirklichkeit und Möglichkeitüberhaupt sowie die formelle und reale Not-wendigkeit zurückgeht." (215.)

(Fortsetzung)* . . .(Ende des II . Bandes der Logik, der Lehre vom

"Wesen)...Vermerken, daß in der kleinen Logik (Enzy-

klopädie) dasselbe sehr oft klarer, mit konkretenBeispielen dargelegt wird. Vgl. idem Engels undKuno Fischer.89

Zur Frage der „Möglichkeit" vermerkt Hegeldie Inhaltslosigkeit dieser Kategorie, und in derEnzyklopädie sagt er:

„Ob dieses möglich oder unmöglich ist, daskömmt auf den Inhalt an, d. h. auf die Totalität

* Hier beginnt bei Lenin das Heft „Hegel. Logik II (S. 49-88)". Die Red.

148 W. I. Lenin

der Momente der Wirklichkeit, welche sich inihrer Entfaltung als die Notwendigkeit erweist."(Enzyklopädie, Bd. VI, S. 287, § 143, Zusatz.)

„Die Gesamtheit, die Totalitätder Momente der Wirklichkeit,welche sich in ihrer Entfaltung als die Not-wendigkeit erweist".

Die Entfaltung der gesamten Totalitätder Momente der Wirklichkeit NB = dasWesen der dialektischen Erkenntnis.

Vgl. in derselben Enzyklopädie, Bd. VI, S. 289,die beredten Worte von der Eitelkeit der bloßenBewunderung für den Reichtum und den Wech-sel der Naturerscheinungen und von der Not-wendigkeit,

, , . . . zur nähern Einsicht in die innereHarmonie und Gesetzmäßigkeit der Naturfortzuschreiten . . ." (289.) (Nahe beim Ma-terialismus.)

Ibid. Enzyklopädie, S. 292: ,>Die entwickelteWirklichkeit, als der in Eins fallende Wechsel desInnern und Äußern, der Wechsel ihrer entgegen-gesetzten Bewegungen, die zu einer Bewegungvereint sind, ist die Notwendigkeit."

Enzyklopädie, Bd. VI, S. 294: . . . „Bundist die Notwendigkeit nur, insofern dieselbenicht begrifFen wird . . . "

Ib. S. 295 „. . . es geschieht ihm . . . " (demMenschen), „daß bei seinem Tun etwas ganzanderes herauskommt, als er gemeint und ge-wollt hat. . ."

Ib. S. 301. „Die Substanz ist eine wesentlicheStufe im Entwickelungsprozeß der Idee..."

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Wesen 149

Lies: eine wesentliche Stufe im Entwick-lungsprozeß der menschlichen Erkenntnis derNatur und der Materie.

Logik, Bd. IV„. . . ist sie" (die Substanz) „das Sein in allem

Sein" (220) . . .Das Substantialitätsverhältnis geht in das

Kausalitätsverhältnis über (223).. . . „Die Substanz hat . . . erst als Ursache

Wirklichkeit.. ." (225.)

Einerseits muß die Erkenntnis der Materiebis zur Erkenntnis (zum Begriff) der Sub-stanz vertieft werden, um die Ursachender Erscheinungen zu finden. Anderseits istdie wirkliche Erkenntnis der Ursache die Ver-tiefung der Erkenntnis von der Äußerlich-keit der Erscheinungen zur Substanz. Zweier-lei Beispiele sollten das klarmachen: 1) ausder Geschichte der Naturwissenschaft und2) aus der Geschichte der Philosophie. Genauer:Nicht „Beispiele" sollen das sein - com-paraison n'est pas raison* - , sondern dieQuintessenz der einen wie der anderen Ge-schichte + der Geschichte der Technik.

„Die Wirkung enthält . . . überhaupt nichts,was nicht die Ursache en thä l t . . . " (226) [_undumgekehrt^ . ..

Ursache und Wirkung ergo nur Momenteder weltumfassenden wechselseitigen Ab-hängigkeit, des (universellen) Zusammen-

* Vergleich ist kein Beweis. Die Red.

150 W. I. Lenin

NB

in derGeschichte„kleine Ur-

sachen großerBegeben-heiten"

hangs, der wechselseitigen Verkettung derEreignisse, nur Glieder in der Kette derEntwicklung der Materie.

NB:„Es ist dieselbe Sache, welche sich das eine

Mal als Ursache, das andere Mal als Wirkungdarstellt, dort als eigentümliches Bestehen, hierals Gesetztsein oder Bestimmung an einem An-dern." (227.)

Die Allseitigkeit und der allumfas-sende Charakter des Weltzusammen-

NB hangs, der durch die Kausalität nureinseitig, lückenhaft und unvollständigzum Ausdruck gebracht wird.

„Dies kann hier noch bemerkt werden, daß,insofern das Verhältnis von Ursache und Wir-kung, obwohl in uneigentlichem Sinne, zugelassenwird, die Wirkung nicht größer sein könne als dieUrsache; denn die Wirkung ist nichts weiter alsdie Manifestation der Ursache."

Und weiter über die Geschichte. In ihr sei esBrauch, Anekdoten anzuführen als kleine „Ur-sachen" großer Begebenheiten - in Wirklich-keit sind das nur Veranlassungen, nur LäußereErregung j , „deren der innere Geist der Begeben-heit- nicht bedurft hätte" (230). „Jene Arabes-kenmalerei der Geschichte, die aus einemschwanken Stengel eine große Gestalt hervor-gehen läßt, ist daher wohl eine geistreiche, aberhöchst oberflächliche Behandlung." (Ib.)

Dieser „innere Geist" - vgl. Plechanow90 -ist ein idealistischer, mystischer, aber sehr

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Wesen 151

tiefer Hinweis auf die geschichtlichen Ur-sachen der Ereignisse. Hegel subsumiert dieGeschichte vollständig unter die Kausalitätund faßt die Kausalität tausendmal tieferund reicher als eine Unmenge von „Gelehrten"heutzutage.

„So ist ein Stein, der sich bewegt, Ursache;seine Bewegung ist eine Bestimmung, die er hat,außer welcher er aber noch viele andere Be-stimmungen der Farbe, Gestalt usf. enthält,welche nicht in seine Ursachlichkeit eingehen."(232.)

Die Kausalität, wie sie gewöhnlich vonuns verstanden wird, ist nur ein kleines Teil-chen des universellen Zusammenhangs, aber(materialistische Ergänzung) ein Teilchennicht des subjektiven, sondern des objek-tiv realen Zusammenhangs.

„Durch die Bewegung des bestimmtenKausalitätsVerhältnisses ist aber nun dies ge-worden, daß die Ursache nicht nur in der Wir-kung erlischt, und damit auch die Wirkung, wiein der formellen Kausalität, sondern daß die Ur-sache in ihrem Erlöschen, in der Wirkung wiederwird, daß die Wirkung in Ursache verschwindet,aber in ihr ebenso wieder wird. Jede dieser Be-stimmungen hebt sich in ihrem Setzen auf undsetzt sich in ihrem Aufheben; es ist nicht einäußerliches Übergehen der Kausalität von einemSubstrat an ein anderes vorhanden, sonderndies Anderswerden derselben ist zugleich ihreigenes Setzen. Die Kausalität setzt also sichselbst voraus oder bedingt sich." (235.)

12 Lenin, Werke, Bd. 38

152 W. I. Lenin

„Zusammen-hang und

Beziehung"

„Einheit derSubstanz im

Verschiedenen''

Beziehung,Vermittelung

„Bewegung des Kausalitätsverhältnisses"= in Wirklichkeit: Bewegung der Materieresp. Bewegung der> Geschichte, erfaßt, an-geeignet in ihrem inneren Zusammenhangbis zu diesem oder jenem Grad der Breiteoder Tiefe . . .

„Zunächst stellt die Wechselwirkung sich darals eine gegenseitige Kausalität von vorausge-setzten, sich bedingenden Substanzen; jede istgegen die andere zugleich aktive und zugleichpassive Substanz." (240.)

„In der Wechselwirkung stellt die ursprüng-liche Kausalität sich als ein Entstehen aus ihrerNegation, der Passivität, und als Vergehen indieselbe, als ein Werden dar . . .

. . . Notwendigkeit und Kausalität sind alsodarin verschwunden; sie enthalten beides, dieunmittelbare Identität als Zusammenhang undBeziehung und die absolute Substantialität derUnterschiedenen, somit die absolute Zufälligkeitderselben; die ursprüngliche Einheit substan-tieller Verschiedenheit; also den absoluten Wi-derspruch. Die Notwendigkeit ist das Sein, weiles ist; die Einheit des Seins mit sich selbst,das sich zum Grunde hat; aber umgekehrt, weiles einen Grund hat, ist es nicht Sein, ist esschlechthin nur Schein, Besiehung oder Ver-mittelung. Die Kausah'tät ist dies gesetzte Über-gehen des ursprünglichen Seins, der Ursache,in Schein oder bloßes Gesetztsein, umgekehrtdes Gesetztseins in Ursprünglichkeit; aber dieIdentität selbst des Seins und Scheins ist nochdie innere Notwendigkeit. Diese Innerlichkeitoder dies Ansichsein hebt die Bewegung der

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Wesen 153

Kausalität auf; damit verliert sich die Substan-tialität der im Verhältnisse stehenden Seiten,und die Notwendigkeit enthüllt sich. Die Not-wendigkeit wird nicht dadurch zur Freiheit, daßsie verschwindet, sondern daß nur ihre nochinnere Identität manifestiert wird." (241/242.)

Wenn man bei Hegel über die Kausalitätliest, so erscheint es auf den ersten Blick

. sonderbar, warum er dieses Lieblingsthema: der Kantianer so verhältnismäßig kurz be-handelte. Warum ? Nun, eben weil für ihn dieKausalität nur eine der Bestimmungen desuniversellen Zusammenhangs ist, den er vieltiefer und allseitiger schon früher, in seinerganzen Darlegung erfaßte, stets und von An-fang an diesen Zusammenhang, die wechsel-seitigen Übergänge etc. etc. betonend. Eswäre sehr lehrreich, die „Geburtswehen"des Neuempirismus (resp. des „physikali-schen Idealismus") den Lösungen oder,richtiger, der dialektischen Methode Hegelsgegenüb erzustellen.

Zu bemerken ist noch, daß Hegel in der Enzy-klopädie die Unzulänglichkeit und Hohlheitdes bloßen Begriffs der „Wechselwirkung"unterstreicht.

Band VI, S. 308:„Die Wechselwirkung ist nun zwar allerdings

die nächste Wahrheit des Verhältnisses vonUrsache und Wirkung und steht dieselbe, sozu-sagen, an der Schwelle des Begriffs, jedoch ebenum deswillen hat man sich mit der Anwendungdieses Verhältnisses nicht zu begnügen, insofernes um das begreifende Erkennen zu tun ist.

DieNotwendig-keit verschwin-det nicht, in-dem sie zur

Freiheit wird.

12«

154 W. I. Lenin

bloß „Wechsel-wirkung"

= Hohlheit

die Forderungder Vermitte-lung (des Zu-

sammenhangs),darum handeltes sich bei der

AnwendungdesKausalitäts-verhältnisses

alle „besondernSeiten"

und das Ganze(„Begriff")

Bleibt man dabei stehen, einen gegebenen In-halt bloß unter dem Gesichtspunkt der Wechsel-wirkung zu betrachten, so ist dies in der Tat eindurchaus begriffloses Verhalten; man hat esdann bloß mit einer trocknen Tatsache zu tun,und die Forderung der Vermittelung, um die essich zunächst bei der Anwendung des Kausali-tätsverhältnisses handelt, bleibt wieder unbe-friedigt. Das Ungenügende bei der Anwendungdes Verhältnisses der Wechselwirkung besteht,näher betrachtet, darin, daß dies Verhältnis,anstatt als ein Äquivalent für den Begriff geltenzu können, vielmehr selbst erst begriffen seinwill, und dies geschieht dadurch, daß die beidenSeiten desselben nicht als ein unmittelbar Ge-gebenes belassen, sondern, wie solches in denbeiden vorhergehenden §§ gezeigt worden, alsMomente eines Dritten, Höhern erkannt werden,welches dann eben der Begriff ist. Betrachtenwir z. B. die Sitten des spartanischen Volkesals die Wirkung seiner Verfassung und so um-gekehrt diese als die Wirkung seiner Sitten, somag diese Betrachtung immerhin richtig sein,allein diese Auffassung gewährt um deswillenkeine letzte Befriedigung, weil durch dieselbein der Tat weder die Verfassung noch die Sittendieses Volkes begriffen werden, welches nur da-durch geschieht, daß jene beiden und ebensoalle die übrigen besondern Seiten, welche dasLeben und die Geschichte des spartanischenVolkes zeigen, als in diesem Begriff begründeterkannt werden." (308/309.)

NB

Am Ende des zweiten Bandes der Logik,Bd. IV, S.243, beim Übergang zum „Begriff"

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Wesen 155

stellt die Definition: „Begriff, das Reich derSubjektivität oder der Freiheit" . . .

NB Freiheit = Subjektivität,(„oder")

Zweck, Bewußtsein, StrebenNB

156 W. I. Lenin

BD.V.WISSENSCHAFT DER LOGIK

II. Teil: Die subjektive Logik

oder die Lehre vom Begriff

YOM B E G R I F F IM ALLGEMEINEN

In den ersten beiden Teilen habe er keine |_Vor-arbeitenj gehabt, hier dagegen gebe es „ver-knöchertes Material", das man „in Flüssigkeitbringen" müsse (3) . . .

„Sein und Wesen sind insofern die Momenteseines" ( = |_des BegrifFesj) „Werdens." (5.)

Umkehren: Die Begriffe sind das höchsteProdukt des Gehirns, des höchsten Pro-dukts der Materie.

„Die objektive Logik, welche das Sein undWesen betrachtet, macht daher eigentlich diegenetische Exposition des Begriffes aus." (6.)9/10: Große Bedeutung der Philosophie Spino-

zas als Philosophie der Substanz (das ist einsehr hoher Standpunkt, aber er ist unvoll-ständig und nicht der höchste: überhaupt,ein philosophisches System widerlegen be-deutet nicht, es verwerfen, sondern esweiterentwickeln, nicht es durch ein an-deres, einseitiges, entgegengesetztes er-setzen, sondern es in etwas Höheres ein-fügen). Im System Spinozas gibt es keinfreies, selbständiges, bewußtes Subjekt

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Begriff 157

(ihm mangelt „Freikeit und Selbständigkeitdes selbstbewußten Subjekts"), aber auch beiSpinoza ist ein Attribut der Substanz dasDenken. (10 i. f.)

13 i. f.: Nebenbei - wie es eine Zeitlang in derPhilosophie Mode gewesen sei, |_der Ein-bildungskraft und dem Gedächtnisse „dasSchlimme nachzusagen" j - so jetzt, die Be-deutung des „Begriffs" (= „das Höchstedes Denkens") herabzusetzen und „dasUnbegreifliche" zu lobpreisen Anspielung

auf Kant?.Zur Kritik des Kantianismus über-

gehend, hält Hegel für dessen großes Ver-dienst (15) die Aufstellung des Grund-satzes der „transzendentalen Einheit derApperzeption" (die Einheit des Bewußt-seins, in welcher der [_Begriffj sich bildet),aber er wirft Kant Einseitigkeit undSubjektivismus vor:

. . . „Wie er" (der Gegenstand) „ . . . imDenken ist, so ist er erst an und für sich;wie er in der Anschauung oder Vorstellungist, ist er Erscheinung..." (16.) (Hegelerhebt den subjektiven Idealismus Kantszu einem objektiven und absoluten . . . )

Kant anerkennt die Objektivität der Be-griffe (die [_Wahrheitj ist ihr Gegenstand),läßt sie aber dennoch als etwas Subjektivesbestehen. Dem Verstand schickt er |_Ge-fühl und Anschauungj voraus. Hegel sagtdarüber:

„"Was nun erstens jenes Verhältnis des Ver-standes oder Begriffs zu den ihm vorausgesetztenStufen betrifft, so kommt es darauf an, welches

von derAnschauung

zur Erkenntnisder objektiven

Realität

158 W. I. Lenin

„Vorabend"des Um-

schlagens desobjektivenIdealismus

in denMaterialismus

die Wissenschaft ist, die abgehandelt wird, umdie Form jener Stufen zu bestimmen. In unserer"Wissenschaft, als der reinen Logik, sind dieseStufen Sein und Wesen. In der Psychologie sindes das Gefühl und die Anschauung und dann dieVorstellung überhaupt, welche dem Verstandevorausgeschickt werden. In der Phänomenologiedes Geistes, als der Lehre vom Bewußtsein,wurde durch die Stufen des sinnlichen Bewußt-seins und dann des "Wahrnehmens zum Ver-stande aufgestiegen." (17.) Bei Kant ist die Dar-legung hier sehr „unvollständig".

Dann - die HAUPTSACHE -„ . . . ist hier . . . der Begriff nicht als

Aktus des selbstbewußten Verstandes,nicht der subjektive Verstand zu betrachten,sondern der Begriff an und für sich, welcherEBENSOWOHL EINE STUFE DER NA-TUR ALS DES GEISTES ausmacht. DASLEBEN ODER DIE ORGANISCHE NATURIST DBESE STUFE DER NATUR, AUF"WELCHER DER BEGRD7F HERVOR-TRITT." (18.)

Dann folgt eine sehr interessante Stelle(S. 19-27), wo Hegel Kant namentlich gnoseo-logisch widerlegt (Engels hatte wahrscheinlichgerade diese Stelle im Auge, als er im LudwigFeuerbach schrieb, daß das Entscheidende gegenKant bereits von Hegel gesagt sei, soweit diesvom idealistischen Standpunkt möglich ist91) —und die Zwiespältigkeit, die InkonsequenzKants, sein Schwanken, sozusagen, zwischenEmpirismus ( = Materialismus) und Idealismusaufdeckt, wobei Hegel diese Argumentationganz und gar und aus schließlich vom Stand-punkt eines konsequenteren Idealismus führt.

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Begriff 159

|_Begriffj ist noch nicht der höchste Begriff:noch höher steht die Idee = Einheit des (_Be-griffs j und der Realität.

„ ,Es ist nur ein Begriff', pflegt man zu sagen,indem man nicht nur die Idee, sondern das sinn-liche, räumliche und zeitliche handgreifliche Da-sein als etwas gegenüberstellt, das vortrefflichersei als der Begriff. Das Abstrakte hält man danndarum für geringer als das Konkrete, weil ausjenem soviel dergleichen Stoff weggelassen wor-den sei. Das Abstrahieren hat in dieser Meinungdie Bedeutung, daß aus dem Konkreten nur zuunserem subjektiven Behuf ein oder das andereMerkmal so herausgenommen werden, daß mitdem Weglassen so vieler anderer Eigenschaftenund Beschaffenheiten des Gegenstandes den-selben an ihrem Werte und ihrer Würde nichtsbenommen sein solle; sondern sie als das Reelle,nur auf der andern Seite drüben, noch immer alsvöllig Geltendes gelassen werden; so daß es nurdas Unvermögen des Verstandes sei, solchenReichtum nicht aufzunehmen und sich mit derdürftigen Abstraktion begnügen zu müssen.Wenn, nun der gegebene Stoff der Anschauungund das Mannigfaltige der Vorstellung als dasReelle gegen das Gedachte und den Begriffgenommen wird, so ist dies eine Ansicht, welcheabgelegt zu haben nicht nur Bedingung desPhilosophierens ist, sondern schon von der Reli-gion vorausgesetzt wird; wie ist ein Bedürfnisund der Sinn derselben möglich, wenn die flüch-tige und oberflächliche Erscheinung des Sinn-lichen und Einzelnen noch für das Wahre ge-halten wird? . . . Das abstrahierende Denkenist daher nicht als bloßes Auf-die- Seite- Stellen

Kant setzt dieMacht des Ver-standes herab

Der konsequen-tere Idealist

klammert sichan Gott!

160 W. I. Lenin

des sinnlichen Stoffes zu betrachten, welcher da-durch in seiner Realität keinen Eintrag leide,sondern es ist vielmehr das Aufheben und dieReduktion desselben als bloßer Erscheinungauf das "Wesentliche, welches nur im Begriff sichmanifestiert." (19-21.)

Hegel ist hier im Wesentlichen Kant gegen-über vollkommen im Recht. Das Denken, dasvom Konkreten zum Abstrakten aufsteigt,entfernt sich nicht — wenn es richtig ist (NB)(und Kant spricht, wie alle Philosophen, vomrichtigen Denken) -von der Wahrheit, son-dern nähert sich ihr. Die Abstraktion derMaterie, des Naturgesetees, die Abstraktiondes Wertes usw., mit einem "Wort alle wissen-schaftlichen (richtigen, ernst zu nehmenden,nicht unsinnigen) Abstraktionen spiegeln dieNatur tiefer, richtiger, vollständiger wi-der. Von der lebendigen Anschauung zum ab-strakten Denken und von diesem zur Praxis —das ist der dialektische "Weg der Erkenntnisder Wahrheit, der Erkenntnis der objektivenRealität. Kant setzt das Wissen herab, um demGlauben Platz zu machen: Hegel erhöht dasWissen, beteuernd, daß Wissen das Wissenvon Gott sei. Der Materialist erhöht dasWissen von der Materie, von der Natur, undwirft Gott und das ihn verteidigende Philo-sophenpack auf den Misthaufen.

„Ein hauptsächlicher Mißverstand, welcherhierbei obwaltet, ist, als ob das natürliche Prin-zip oder der Anfang, von dem in der natürlichenEntwickelung oder in der Geschichte des sichbildenden Individuums ausgegangen wird, das

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Begriff 161

Wahre und im Begriffe Erste sei." (21.) (- Dasist richtig, daß die Menschen damit beginnen, aberdie Wahrheit liegt nicht am Anfang, sondern amEnde, richtiger in der Fortsetzung. Die Wahrheitist nicht der anfängliche Eindruck.).. . „Aber diePhilosophie soll keine Erzählung dessen sein, wasgeschieht, sondern eine Erkenntnis dessen, waswahr darin ist." (21.)

Bei Kant „psychologischer Idealismus": dieKategorien bei Kant „nur Bestimmungen seien,die vom Selbstbewußtsein herkommen" (22). VomVerstand zur Vernunft aufsteigend, setzt Kant dieBedeutung des Denkens herab, indem er ihm dieFähigkeit abspricht, „zur vollendeten Wahrheit(zu) kommen".

„Es wird" (bei Kant) „für einen Mißbraucherklärt, daß die Logik, die bloß ein Kanon derBeurteilung sein solle, als ein Organon zur Her-vorbringung objektiver Einsichten angesehenwerde. Die Vernunftbegriffe, in denen man einehöhere Kraft" (idealistische Phrase!) „undtief ern" (richtig!!) „Inhalt ahnen mußte, haben

nichts Konstitutives muß heißen: Objektivesmehr, wie noch die Kategorien; sie sind bloßeIdeen; es soll ganz wohl erlaubt sein, sie zu ge-brauchen, aber mit diesen intelligibeln Wesen, indenen sich alle Wahrheit ganz aufschließen sollte,soll weiter nichts gemeint sein als Hypothesen,denen eine Wahrheit an und für sich zuzuschrei-ben eine völlige Willkür und Tollkühnheit seinwürde, da sie - in keiner Erfahrung vorkommenkönnen. — Hätte man es je denken sollen, daßdie Philosophie den intelligibeln Wesen darum dieWahrheit absprechen würde, weil sie des räum-lichen und zeitlichen Stoffes der Sinnlichkeit ent-behren?" (23.)

162 W. I. Lenin

Auch hier hat Hegel im Wesen recht: derWert ist eine Kategorie, die [_des Stoffes derSinnlichkeit entbehrtj, aber sie ist wahrerals das Gesetz von Nachfrage und Angebot.

Nur ist Hegel Idealist: daher der Unsinn:„Konstitutives" etc.

Hegel für dieErkennbar-

keit der Dingean sich

die Erscheinungist Manifesta-

tion des Wesens

Kant anerkennt einerseits ganz klar die„Objektivität des Denkens" („eine Identitätdes Begriffs und des Dinges") - anderseitsaber:

„Auf der andern Seite wird aber ebenso wiederbehauptet, wir können die Dinge doch nicht er-kennen, wie sie an und für sich seien, und dieWahrheit sei für die erkennende Vernunft un-zugänglich; jene Wahrheit, welche in der Einheitdes Objekts und des Begriffs besteht, sei dochnur Erscheinung; und zwar nun wieder aus demGrunde, weil der Inhalt nur das Mannigfaltigeder Anschauung sei. Es ist hierüber schon daranerinnert worden, daß eben im Begriffe vielmehrdiese Mannigfaltigkeit, insofern sie der An-schauung im Gegensatze gegen den Begriff an-gehört, aufgehoben werde und der Gegenstanddurch den Begriff in seine nicht zufällige Wesen-heit zurückgeführt sei; diese tritt in die Er-scheinung, darum eben ist die Erscheinung nichtbloß ein Wesenloses, sondern Manifestation desWesens." (24/25.)

„Es wird . . . als etwas Verwundernswürdigesausgezeichnet werden, wie die Kantische Philo-sophie dasjenige Verhältnis des Denkens zumsinnlichen Dasein, bei dem sie stehenblieb, fürein nur relatives Verhältnis der bloßen Er-scheinung erkannte und eine höhere Einheit

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Begriff 163

beider in der Idee überhaupt und z. B. in derIdee eines anschauenden Verstandes sehr wohlanerkannte und aussprach, doch bei jenem rela-tiven Verhältnisse und bei der Behauptung IIIstehengeblieben ist, daß der Begriff schlechthin | NBvon der Realität getrennt sei und bleibe — somit ||als die Wahrheit dasjenige behauptete, was sieals endliche Erkenntnis aussprach, und das fürüberschwenglich, unerlaubt und für Gedanken-dinge erklärte, was sie als Wahrheit erkannte undwovon sie den bestimmten Begriff aufstellte."

In der Logik wird die Idee „die Schöpferin der II !! Haha!Natur" (26). ||

Die Logik ist die „formelle Wissenschaft"gegen die konkreten Wissenschaften (von Naturund Geist), aber ihr Gegenstand ist „die reineWahrheit" (27) . . .

Kant, der auf die Frage, was die Wahrheit sei(Kritik der reinen Vernunft, S. 83), eine trivialeAntwort gibt („die Übereinstimmung der Er-kenntnis mit ihrem Gegenstande"), schlägt sichselbst, denn es ist die „Grundbehauptung destranszendentalen Idealismus",

- daß „die Vernunfterkenntnis die Dinge an sichzu erfassen nicht vermögend sei" (27) -

— es sei klar, daß das alles „unwahre Vor-stellungen" sind (28).

Hegel, der sich gegen die rein formelle Auf-fassung der Logik (die auch bei Kant vorhandensei) wendet und feststellt, daß nach der üblichenAuffassung (Wahrheit ist die | „Übereinstim-mung" I der Erkenntnis mit dem Objekt) zurÜbereinstimmung „wesentlich zwei gehören"(29), sagt, daß das Formelle in der Logik die„reine Wahrheit" sei, und:

164 W. I. Lenin

. . . „Dieses Formelle muß daher in sich vielreicher an Bestimmungen und Inhalt, sowieauch von unendlich größerer Wirksamkeit aufdas Konkrete gedacht werden, als es gewöhnlichgenommen wird . . ." (29.)

. . . „Soll in den logischen Formen auch weiternichts gesehen werden als formelle Funktionendes Denkens, so wären sie schon darum derUntersuchung, inwiefern sie für sich der Wahrheitentsprechen, würdig. Eine Logik, welche diesnicht leistet, kann höchstens auf den Werteiner naturhistorischen Beschreibung der Er-scheinungen des Denkens, wie sie sich vorfin-den, Anspruch machen." (30/31.) (Darin liegedas unsterbliche Verdienst des Aristoteles),aber „es ist nötig, daß weitergegangen werde"(31) . . .

Bei einersolchen Auf-fassung fällt

die Logikmit der

Erkennt-nistheoriezusammen.Das ist über-haupt einesehr wich-tige Frage.

Also nicht nur eine Beschreibung der For-men des Denkens und nicht nur eine natur-historische Beschreibung der Erschei-nungen des Denkens (worin unterscheidetsich das von der Beschreibung der Formen ? ?),sondern auch Übereinstimmung mit derWahrheit, d. i. ?? die Quintessenz oder,einfacher, das sind die Resultate und Ergeb-nisse der Geschichte des Denkens?? Hier gibtes bei Hegel idealistische Unklarheit und et-was nicht zu Ende Ausgesprochenes. Mystik.

Nicht Psychologie, nichtPhänomenologie des Geistes,sondern Logik = Frage nachder Wahrheit.

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Begriff 165

Vgl. Enzyklopädie, Bd. VI, S. 319: „In derTat aber sind sie" (die logischen Formen) „um-gekehrt als Formen des Begriffs der lebendigeGeist des Wirklichen . . ."

Der [_Begriffj, in seiner Entwicklung zum„adäquaten Begriff", wird Idee. (33.) „Der Be-griff in seiner Objektivität ist die an und für sichseiende Sache selbst." (33.)

Die allgemeinenBewegungsge-setze der Welt

und desDenkens

NB

= Objektivismus + Mystik undVerrat an der Entwicklung.

166 W. I. Lenin

ERSTER ABSCHNITT:

DIE SUBJEKTIVITÄT

En lisant. . .These parts of

the workshould be

called:a best means

f or gettinga headache!*

Die dialektische Bewegung des „Begriffs" -vom rein „formellen" Begriff im Anfang — zumUrteil, dann zum Schluß und schließlich zumUmschlägen der Subjektivität des Begriffes inseine Objektivität (34/35).

Das erste Unterscheidungsmerkmal des Be-griffs - Allgemeinheit. NB: Der Begriff ist ausdem Wesen und dieses aus dem Sein hervorge-gangen.

Die weitere Entwicklung des Allgemeinen, desBesonderen und des Einzelnen ist in höchstemGrade abstrakt und „abstrus".

Kuno Fischer legt diese „abstrusen" Be-trachtungen sehr schlecht dar, indem er dasLeichtere herausgreift - Beispiele aus derEnzyklopädie - und Banalitäten hinzufügt(gegen die Französische Revolution. KunoFischer, Bd. 8, 1901, S. 530) etc., ohne indesdem Leser zu zeigen, wie der Schlüssel zuden schwierigen Übergängen, Schattierungen,zu dem Ineinanderüberfließen der Hegel-schen abstrakten Begriffe zu finden ist.

* Beim Lesen . . . Diese Teile des Werkes müßten überschrieben sein:das beste Mittel, um Kopfschmerzen zu bekommen! Die Red.

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Begriff 167

Offenbar ist die Hauptsache für Hegel auchhier, die Übergänge zu verzeichnen. Voneinem gewissen Standpunkt, unter gewissenBedingungen ist das Allgemeine das Einzelne,das Einzelne das Allgemeine. Nicht nur (1)der Zusammenhang, und zwar der untrenn-bare Zusammenhang aller Begriffe und Ur-teile, sondern (2) die Übergänge des einen indas andere, und nicht nur die Übergänge,sondern auch (3) die Identität der Gegensätze —das ist für Hegel die Hauptsache. Aber das„scb.imm.art" nur durch den Nebel der aufsäußerste „abstrusen" Darstellung hindurch.Die Geschichte des Denkens vom Stand-punkt der Entwicklung und der Anwendungder allgemeinen Begriffe und Kategoriender Logik - voilä ce qu'il faut !*

Hegel führt auf S. 125 den „berühmten"Schlußsatz an - „Alle Menschen sind sterblich,Cajus ist ein Mensch, also ist er sterblich" - undfügt geistreich hinzu: „Man wird sogleich vonLangeweile befallen, wenn man einen solchenSchluß heranziehen hört" - das rühre von der„unnützen Form" her - und er macht die tiefeBemerkung:

„Alle Dinge sind der Schluß, ein Allgemeines,das durch die Besonderheit mit der Einzelnheitzusammengeschlossen ist; aber freilich sii-d sienicht aus drei Sätzen bestehende Ganze." (126.)

Sehr gut! Die gewöhnlichsten logischen„Figuren" - (dies alles im Paragraphen über

Oder ist dasdoch ein Tri-but an diealte, f or-

melleLogik?Ja! und

noch ein Tri-but-einTri-but an den

Mystizismus^Idealismus

Voilä einReichtum an„Bestimmun-

gen" und [_Be-griffsbestim- •

mungen j ;dieses Teils der

„Logik"!

richtig!

„Alle Dingesind der :

Schluß'1...NB

* das ist es, was not tut! Die Red.

13 Lenin. Werke. Bd. 38

168 W. I. Lenin

die „erste Figur des Schlusses") sind -schulmäßig breitgewalzt, sit venia verbo -die gewöhnlichsten Beziehungen der Dinge.

Die Analyse der Schlüsse bei Hegel([_E.-B.-A., Eins; Besonderes; Allgemeines,B.-E.-A. etc. j ) erinnert an die NachahmungHegels bei Marx im I. Kapitel.92

Über KantU.a.:„Die Kantischen Antinomien der Vernunft

sind nichts anderes, als daß aus einem Begriffeeinmal die eine Bestimmung desselben zugrundegelegt wird, das andere Mal aber ebenso not-wendig die andere . . . " (128/129.)

AufHegelmüßte

man zu-rückgrei-fen, umSchritt

fürSchrittirgend-eine ge-wöhn-. lieheLogik

und ET-

kennt-nis-

theorie

NB:LÜrn-

kehren j :Marx hatdie Dia-lektik

Hegels inihrer ra-tionellenForm auf

die poli-tischeÖko-

nomiean-

gewendet.

Die Bildung von (abstrakten)Begriffen und die Operationen mitihnen schließen schon die Vorstel-lung, die Überzeugung, das Be-wußtsein von der Gesetzmäßigkeitdes objektiven "Weltzusammen-hangs in sich. Die Kausalität ausdiesem Zusammenhang hervorzu-heben ist unsinnig. Die Objekti-vität der Begriffe, die Objektivitätdes Allgemeinen im Einzelnen undim Besonderen zu leugnen ist un-möglich. Hegel ist folglich vieltiefer als Kant und andere, wenner die Widerspiegelung der Be-wegung der objektiven Welt in derBewegung der Begriffe untersucht.So, wie die einfache Wertform, dereinzelne Akt des Tausches einer

NBZur

Frageder wirk-

lichenBedeu-

tung derHegel-schenLogik

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Begriff 169

einesKan-

tianersu. ä. zu

analysie-ren.

einzelnen gegebenen Ware gegeneine andere schon in unentwickel-ter Form alle Hauptwidersprüchedes Kapitalismus in sich ein-schließt - so bedeutet schon dieeinfachste Verallgemeinerung, dieerste und einfachste Bildung vonBegriffen (Urteilen, Schlüssen etc.)die immer mehr fortschreitendeErkenntnis des tiefen objektiven"Weltzusammenhangs durch denMenschen. Hier muß man denwirklichen Sinn, die wirkliche Be-deutung und Rolle der HegeischenLogik suchen. Dies NB.

Zwei Aphorismen:1. Plechanow kritisiert den Kantianismus

(und den Agnostizismus überhaupt) mehr vomvulgär-materialistischen als vom dialektisch-materialistischen Standpunkt, insofern er ihreGedankengänge nur a limine verwirft, sie abernicht richtigstellt (wie Hegel Kant richtigstellte),indem er sie vertieft, verallgemeinert, erweitertund den Zusammenhang und die Übergängealler und jeder Begriffe aufzeigt.

2. Die Marxisten kritisierten (zu Beginn des20. Jahrhunderts) die Kantianer und die An-hänger Humes mehr auf Feuerbachsche (undBüchnersche) als auf Hegeische Art.

Zur Kritikdes

modernenKantianis-mus, des

Machismususw.:

. . . „Eine Erfahrung, die auf Induktion be-ruht, wird als gültig angenommen, obgleichdie Wahrnehmung zugestandenermaßen nichtvollendet ist; es kann aber nur angenommen wer-den, daß sich keine Instanz gegen jene Erfahrung

NB

13*

170 W. I. Lenin

ergeben könne, insofern diese an und für sich,wahr sei." (154.)

Diese Stelle im Paragraphen: „Schluß derInduktion". Die auf dem einfachsten, induk-tiven Wege erhaltene einfachste Wahrheit istimmer unvollständig, denn die Erfahrung istimmer unvollendet. Ergo: Zusammenhang derInduktion mit der Analogie - mit der Mut-maßung (der wissenschaftlichen Voraussicht),die Relativität alles Wissens und der absoluteInhalt in jedem Schritt der Erkenntnis nachvorn.

Aphorismus: Man kann das „Kapital" vonMarx und besonders das I. Kapitel nicht voll-ständig begreifen, ohne die ganze Logik vonHegel durchstudiert und begriffen zu haben.Folglich hat nach einem halben Jahrhundertnicht ein Marxist Marx begriffen!!

Aphorismus.

Der Übergang des Schlusses der Analogie(von der Analogie) in den Schluß der Notwendig-keit, des Schlusses der Induktion in den Schlußder Analogie, des Schlusses vom Allgemeinen aufdas Besondere in den* Schluß vom Besonderenauf das Allgemeine, - die Darstellung desZusam-menhangs und der Übergänge [Zusammen-hang ist eben Übergangj, das ist die Aufgabe

Hegels. Hegel hat wirklich bewiesen, daßdie logischen Formen und Gesetze keineleere Hülle, sondern Widerspiegelung derobjektiven Welt sind. Vielmehr nicht be-wiesen, sondern genial erraten.

* Im Manuskript fehlt das Wort „ B " (in den). Die Red.

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Begriff 171

In der Enzyklopädie bemerkt Hegel, daßdie Teilung in Verstand und Vernunft, in Be-griffe dieser und jener Art so zu verstehen ist,

„daß es unser Tun ist, entweder bloß bei dernegativen und abstrakten Form des Begriffs / abstraktestehenzubleiben oder denselben, seiner wahren I und konkreteNatur nach, als das zugleich Positive und Kon- \ Begriffekrete aufzufassen. So ist es z. B. der bloße 'Ver-standesbegriff der Freiheit, wenn dieselbe alsder abstrakte Gegensatz der Notwendigkeit be- Freiheit undtrachtet wird, wohingegen der wahre und ver- Notwendigkeitnünftige Begriff der Freiheit die Notwendigkeitals aufgehoben in sich enthält." (S. 347/348,Bd. VI.)

Ib. S. 349: Aristoteles hat die logischen For-men mit einer solchen Vollständigkeit beschrie-ben, daß „im wesentlichen" nichts weiter hin-zuzufügen gewesen ist.

Gewöhnlich betrachtet man die „Figuren desSchlusses" als leeren Formalismus. „Sie" (dieseFiguren) „haben aber einen sehr gründlichenSinn, der auf der Notwendigkeit beruht, daßjedes Moment als Begriffsbestimmung selbst dasGanze und der vermittelnde Grund wird." (352,Bd. VI.)

Enzyklopädie (Bd. VI, S. 353/354):„Der objektive Sinn der Figuren des Schlusses

ist überhaupt der, daß alles Vernünftige sich alsein dreifacher Schluß erweist, und zwar derge- NBstalt, daß ein jedes seiner Glieder ebensowohldie Stelle eines Extrems als auch die der ver-mittelnden Mitte einnimmt. Dies ist namentlichder Fall mit den drei Gliedern der philosophi-schen Wissenschaft, d. h. der logischen Idee, Ider Natur und dem Geist. Hier ist zunächst dieNatur das mittlere, zusammenschließende Glied.

172 W. I. Lenin

NB II Die Natur, diese unmittelbare Totalität, ent-|| faltet sich in die beiden Extreme der logischen

Idee und des Geistes." -f-

NB:

„Nur", daßHegel diese

„logische Idee",dieGesetzmäßig-

keit,Allgemeinheit,

vergottet

NB

„Die Natur, diese unmittelbare Totalität,entfaltet sich in die logische Idee und in denGeist." Die Logik ist die Lehre von der Er-kenntnis. Sie ist Erkenntnistheorie. Erkennt-nis ist die Widerspiegelung der Natur durchden Menschen. Aber das ist keine einfache,keine unmittelbare, keine totale Widerspiege-lung, sondern der Prozeß einer Reihe von Ab-straktionen, der Formierung, der Bildung vonBegriffen, Gesetzen etc., welche Begriffe,Gesetze etc. (Denken, Wissenschaft = „lo-gische Idee") eben bedingt, annähernd dieuniverselle Gesetzmäßigkeit der sich ewigbewegenden und entwickelnden Natur um-fassen. Hier gibt es wirklich, objektiv dreiGlieder: 1) die Natur; 2) die menschlicheErkenntnis = das Gehirn des Menschen(als höchstes Produkt eben jener Natur)und 3) die Form der Widerspiegelung derNatur in der menschlichen Erkenntnis, unddiese Form sind eben die Begriffe, Gesetze,Kategorien etc. Der Mensch kann die Naturnicht als ganze, nicht vollständig, kann nichtihre „unmittelbare Totalität" erfassen =widerspiegeln = abbilden, er kann dem nurewig näher kommen, indem er Abstraktionen,Begriffe, Gesetze, ein wissenschaftliches Welt-bild usw. usf. schafft.

+„Der Geist aber ist nur Geist, indem er durchdie Natur vermittelt ist." . . . „Der Geist ist es,der in der Natur die logische Idee erkennt undsie so zu ihrem Wesen erhebt." . . . Die logische

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Begriff 173

Idee ist „die absolute Substanz des Geistes wieder Natur, das Allgemeine, Alldurchdringende"(353/354).

In bezug auf die Analogie eine treffende Be-merkung :

„Es ist der Instinkt der Vernunft, welcherahnen läßt, daß diese oder jene empirisch aufge-fundene Bestimmung in der innern Natur oderder Gattung eines Gegenstandes begründet sei,und welcher darauf weiter fußt." (357.) (Bd. VI,S. 359.)

Und S. 358: die berechtigte Geringschät-zung der Naturphilosophie sei durch einnichtiges Spiel mit leeren Analogien hervor-gerufen.

Gegensich selbst!

In der gewöhnlichen Logik* wird das Denkenformalistisch von der Objektivität getrennt:

„Das Denken gilt hier als eine bloß subjektiveund formelle Tätigkeit und das Objektive, demDenken gegenüber, als ein Festes und für sichVorhandenes. Dieser Dualismus ist aber nichtdas Wahre, und es ist ein gedankenloses Ver-.fahren, die Bestimmungen der Subjektivität undder Objektivität so ohne weiteres aufzunehmenund nicht nach ihrer Herkunft zu fragen . . . "(359/360.) In Wirklichkeit aber sei die Subjekti-vität nur eine Stufe der Entwicklung aus demSein und dem Wesen — worauf diese Subjektivi-tät, „als dialektisch, ihre Schranke durchbricht"und „sich durch den Schluß zur Objektivitäterschließt" (360).

* Im Manuskript ist das Wort „Logik" mit dem Wort „hier" in demfolgenden Hegel-Zitat verbunden. Die Red.

174 W. I. Lenin

NB

Sehr tief und klug! Die Gesetze der Logik6ind "Widerspiegelungen des Objektiven imsubjektiven Bewußtsein des Menschen.

Bd. VI, 360:Der „realisierte Begriff" ist das Objekt.Dieser Übergang vom Subjekt, vom Begriff

zum Objekt scheine „fremdartig", aber unterObjekt soll man nicht einfach Sein, sondern einvollendetes, „ein konkretes, in sich vollständigesSelbständiges" verstehen (361) . . .

„Die Welt ist das Anderssein der Idee."

Subjektivität (oder Begriff) und Objektsind dasselbe und nicht dasselbe (362) . . .

Über den ontologischen Beweis, über GottBlödsinn!

„. . . verkehrt es ist, Subjektivität und Ob-jektivität als einen festen und abstrakten Gegen-satz zu betrachten. Beide sind schlechthin dia-lektisch . . ." (367.)

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Begriff 175

ZWEITER ABSCHNITT:

DIE OBJEKTIVITÄT

(Logik) V, 178:Die doppelte Bedeutung der Objektivität:

„. . . erscheint auch für die Objektivität die ge-doppelte Bedeutung, dem selbständigen Be-griffe gegenüberzustehen, aber auch das An-und Fürsichseiende zu sein" (178) . . .

. . . „Die Erkenntnis der Wahrheit wird dareingesetzt, das Objekt, wie es als Objekt frei vonZutat subjektiver Reflexion, zu erkennen . . . "(178.)

Betrachtungen über „Mechanismus" -weiter - äußerst Labstrus J, wo nicht gar kom-pletter Blödsinn.

Weiter, id. über Chemismus, ein Momentdes „Urteils" etc.

Der Paragraph mit der Überschrift „DasGesetz" (198/199) gibt nicht das, was man vonHegel in einer so interessanten Frage erwartensollte. Sonderbar, warum wird das „Gesetz"unter „Mechanismus" gebracht?

Der Begriff des Gesetzes nähert sich hier denBegriffen „Ordnung", Gleichförmigkeit; Not-wendigkeit; „Seele" [_der objektiven Totalitätj;„Prinzip der Selbstbewegung".

Objektivität

Erkenntnisdes Objekts

diese Annähe-rung ist sehr

wichtig

176 W. I. Lenin

„Natur = Ver-senktsein desBegriffs in die

Äußerlichkeit"(haha!)

Freiheitund

Notwendigkeit

Hegel gegenKant

(über Freiheitund Notwen-

digkeit)

Alles das unter dem Gesichtspunkt, daßMechanismus Anderssein des Geistes, desBegriffs etc., der Seele, der Individualitätsei . . . Offensichtlich ein Spiel mit leerenAnalogien!

Vermerken: auf S. 210 findet sich der Begriff„Naturnotwendigkeit" - „beides, Mechanismussowie Chemismus, wird also unter der Natur-notwendigkeit zusammengefaßt" . . . denn hiersehen, wir „sein" (des Begriffs) „Versenktsein in\\die Äußerlichkeit" (ib.). / /

„Es ist erinnert worden, daß der Gegensatzder Teleologie und des Mechanismus zunächstder allgemeinere Gegensatz von Freiheit undNotwendigkeit ist. Kant hat den Gegensatz indieser Form unter den Antinomien der Vernunft,und zwar als den dritten Widerstreit der tran-szendentalen Ideen aufgeführt." (213.) DieBeweise Kants für Thesis und Antithesis kurzwiederholend, konstatiert Hegel die Hohlheitdieser Beweise und lenkt die Aufmerksamkeitauf das Ergebnis der Betrachtung Kants:

„Die Kantische Auflösung dieser Antinomieist dieselbige wie die allgemeine Auflösung derübrigen; daß nämlich die Vernunft weder deneinen noch den andern Satz beweisen könne,weil wir von Möglichkeit der Dinge nach bloßempirischen Gesetzen der Natur kein be-stimmendes Prinzip a priori haben können; - daßdaher ferner beide nicht als objektive Sätze,sondern als subjektive Maximen angesehenwerden müssen; daß ich einerseits jederzeit über

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Begriff 177

alle Naturereignisse nach dem Prinzip desbloßen Naturmechanismus reflektieren solle,daß aber dies nicht hindere, bei gelegentlicherVeranlassung einigen Naturformen nach einerandern Maxime, nämlich nach dem Prinzipder Endursachen, nachzuspüren; — als ob nundiese zwei Maximen, die übrigens bloß für diemenschliche Vernunft nötig sein sollen, nichtin demselben Gegensatze wären, in dem sichjene Sätze befinden. - Es ist, wie vorhin be-merkt, auf diesem ganzen Standpunkte das-jenige nicht untersucht, was allein das philo-sophische Interesse fordert, nämlich welches vonbeiden Prinzipien an und für sich Wahrheithabe; für diesen Gesichtspunkt aber macht eskeinen Unterschied, ob die Prinzipien als ob-jektive, das heißt hier äußerlich existierendeBestimmungen der Natur, oder als bloße Maxi-men eines subjektiven Erkennens betrachtetwerden sollen; - es ist vielmehr dies ein sub-jektives, d.h. zufälliges Erkennen, welchesauf gelegentliche Veranlassung die eine oderandere Maxime anwendet, je nachdem es sie fürgegebene Objekte für passend hält, übrigens nachder Wahrheit dieser Bestimmungen selbst, sieseien beide Bestimmungen der Objekte oder desErkennens, nicht fragt." (215/216.)

Bien!

Hegel:„Der Zweck hat sich als das

Dritte zum Mechanismus undChemismus ergeben; er istihre "Wahrheit. Indem er selbstnoch innerhalb der Sphäreder Objektivität oder derUnmittelbarkeit des • totalen

Materialistische Dialektik:Die Gesetze der Außen-

welt, der Natur, unterteilt inmechanischeundchemische(das ist sehr wichtig), sinddie Grundlagen der zweckmäßi-gen Tätigkeit des Menschen.

Der Mensch hat in seiner

178 W. I. Lenin

Begriffs steht, ist er von derÄußerlichkeit als solcher nochaffiziert und hat eine objek-tive Welt sich gegenüber, aufdie er sich bezieht. Nach die-ser Seite erscheint die mecha-nische Kausalität, wozu imallgemeinen auch der Chemis-mus zu nehmen ist, noch beidieser Zweckbeziehung, wel-che die äußerliche ist, aberals ihr untergeordnet, als anund für sich aufgehoben."(216/217.)

. . . „Die Natur der Unter-ordnung der beiden vorheri-gen Formen des objektivenProzesses ergibt sich hieraus;das Andere, das an ihnen indem unendlichen Progreßliegt, ist der ihnen zunächstals äußerlich gesetzte Begriff,welcher Zweck ist; der Be-griff ist nicht nur ihre Sub-stanz, sondern auch dieÄußerlichkeit ist das ihnenwesentliche, ihre Bestimmt-heit ausmachende Moment.Die mechanische oder chemi-sche Technik bietet sich alsodurch ihren Charakter, äußer-lich, bestimmt zu sein, vonselbst der Zweckbeziehung dar,die nun näher zu betrachtenist." (217.)

praktischen Tätigkeit die ob-jektive Welt vor sich, ist vonihr abhängig, läßt durch sieseine Tätigkeit bestimmen.

Von dieser Seite, von derSeite der praktischen (zweck-setzenden) Tätigkeit des Men-schen gesehen, erscheint diemechanische (und die che-mische) Kausalität der Welt(der Natur) wie etwas Äußer-liches, wie etwas Zweitrangi-ges, wie etwas Verdecktes.

2 Formen des objektivenProzesses: die Natur (mecha-nische und chemische) und diezweck setzende Tätigkeit desMenschen. Die Wechselbe-ziehung dieser Formen. DieZwecke des Menschen schei-nen anfangs in der Beziehungzur Natur fremd („andere")zu sein. Das Bewußtsein desMenschen, die Wissenschaft(„der Begriff"), widerspiegeltdas Wesen, die Substanz derNatur, zugleich aber ist diesesBewußtsein ein äußerlichesin seiner Beziehung zur Natur(das mit ihr nicht sofort, nichteinfach zusammenfällt).

DIE MECHANISCHE UNDCHEMISCHE TECHNIK dienteben darum den Zwecken desMenschen, weil ihr Charakter

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Begriff 179

(Wesen) in ihrer Bestimmungdurch die äußerenBedingungen(die Naturgesetze) besteht.

((TECHNIK und OBJEKTIVE Welt.TECHNIK und ZWECKE))

„. . . er" (der Zweck) „eine objektive, mecha-nische und chemische Welt vor sich hat, aufwelche sich seine Tätigkeit, als auf ein Vorhan-denes bezieht. . . " (219/220.) „Insofern hat ernoch eine wahrhaft außerweltliche Existenz,insofern ihm nämlich jene Objektivität gegen-übersteht . . . " (220.)

In Wirklichkeit werden die Zwecke desMenschen durch die objektive Welt erzeugtund setzen diese voraus - finden sie als Ge-gebenes, Vorhandenes vor. Aber dem Men-schen scheint es, daß seine Zwecke von außer-halb der Welt stammen, von der Welt unab-hängig sind („Freiheit").

((NB: Das alles im Paragraphen über den„subjektiven Zweck" NB.)) (217-221.)

„Der Zweck schließt sich durch ein Mittel mitder Objektivität und in dieser mit sich selbst zu-sammen." (221 §: „Das Mittel".)

„Indem der Zweck endlich ist, hat er fernereinen endlichen Inhalt; hiernach ist er nicht einAbsolutes oder schlechthin an und für sich einVernünftiges. Das Mittel aber ist die äußerlicheMitte des Schlusses, welcher die Ausführungdes Zweckes ist; an demselben gibt sich daherdie Vernünftigkeit in ihm als solche kund, indiesem äußerlichen Andern und gerade durchdiese Äußerlichkeit sich zu erhalten. Insofern

Ansätze deshistorischen

Materialismusbei Hegel

180 W. I. Lenin

Hegel und derhistorische

Materialismus

ist das Mittel ein Höheres als die endlichenZwecke der äußern Zweckmäßigkeit; - derPflug ist ehrenvoller, als unmittelbar die Ge-nüsse sind, welche durch ihn bereitet werden unddie Zwecke sind. Das Werkzeug erhält sich, wäh-rend die unmittelbaren Genüsse vergehen undvergessen werden. AN SEINEN WERKZEUGENBESITZT DER MENSCH DIE MACHT ÜBERDIE AUSSERLICHE NATUR, WENN ER AUCHNACH SEINEN ZWECKEN IHR VIELMEHRUNTERWORFEN IST." (226.)

L Vorbericht j , d. h. Vorwort des Buches,datiert: Nürnberg, 21. VII. 1816

Dies im §: „Der ausgeführte Zweck"

DER HISTORISCHE MATERIALISMUSALS EINE DER ANWENDUNGEN UNDENTWICKLUNGENDER GENIALEN IDEEN,DER SAMENKÖRNER, DIE BEI HEGELIM KEIMZUSTAND VORHANDEN SIND.

„Der teleologische Prozeß ist Übersetzung desdistinkt als Begriff (sie!) existierenden Begriffs indie Objektivität. . ." (227.)

Wenn Hegel sich bemüht - manchmal so-gar : sich abplagt und abrackert - , die zweck-mäßige Tätigkeit des Menschen unter dieKategorien der Logik zu bringen, und sagt,diese Tätigkeit sei ein „Schluß", das Subjekt(der Mensch) spiele die Rolle eines „Gliedes"in der logischen „Figur" des „Schlusses"usw. -SO IST DAS NICHT NUR AN DEN

HAAREN HERBEIGEZOGEN, NICHT NUR

NB

NB

Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Begriff 181

NB

SPIEL. HIER GIBT ES EINEN SEHR TIE-FEN, REIN MATERIALISTISCHEN IN-HALT. MAN MUSS DIE SACHE UMKEH-REN: DIE PRAKTISCHE TÄTIGKEIT DESMENSCHEN MUSSTE DAS BEWUSSTSEINDES MENSCHEN MILLIARDENMAL ZURWIEDERHOLUNG DER VERSCHIEDENENLOGISCHEN FIGUREN FÜHREN, DAMITDIESE FIGUREN DIE BEDEUTUNG VONAXIOMEN ERHALTEN KONNTEN. DIESNOTABENE.

„Die Bewegung des Zweckes hat nun dieserreicht, daß das Moment der Äußerlichkeitnicht nur im Begriff gesetzt, er nicht nur einSollen und Streben, sondern als konkreteTotalität identisch mit der unmittelbaren Ob-jektivität ist." (235.) Am Ende des Paragraphenüber den „ausgeführten Zweck", am Ende desAbschnitts (Kapitel III: Teleologie), des Ab-schnitts II „Die Objektivität" - Übergang zuAbschnitt III: „Die Idee."

Ausgezeichnet: Zur „Idee" als Zusammen-fallen des Begriffs mit dem Objekt, zur Ideeals Wahrheit kommt Hegel über die prak-tische, zweckmäßige Tätigkeit des Menschen.Ganz nahes Herankommen daran, daß derMensch durch seine Praxis die objektiveRichtigkeit seiner Ideen, Begriffe, Kennt-nisse, seiner Wissenschaft beweist.

DTE KATE-GORIEN DERLOGIK UND

DIE MENSCH-LICHE

PRAXIS

NB

NB

VOM SUBJEKTI-VEN BEGRIFF UND

SUBJEKTIVENZWECK ZUR

OBJEKTIVENWAHRHEIT