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Lebensspuren im Stein – hier: Saurierfährten in Sedimenten des Oberjuras im Teutoburger Wald. Die Fährten stammen von zwei unterschiedlichen Tieren, die im Schlamm in entgegengesetzten Richtungen gelaufen sind (Elephantopoides barkhausenensis, ein Pflanzenfresser, und Megalosaururs teutonicus, ein dreizehiger Raubdino- saurier). Bild: Klaus Rittner. 01_Rothe_Rothe 03.09.13 07:49 Seite a2

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Lebensspuren im Stein – hier: Saurierfährten in Sedimenten des Oberjuras im Teutoburger Wald. Die Fährten stammen von zwei unterschiedlichen Tieren, die im Schlamm in entgegengesetzten Richtungen gelaufen sind(Elephantopoides barkhausenensis, ein Pflanzenfresser, und Megalosaururs teutonicus, ein dreizehiger Raubdino -saurier). Bild: Klaus Rittner.

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1Exkurs

Lebensspuren im Stein – und die Grundlagen, um sie zu verstehen

Peter Rothe

entsprechende Fossilfunde richtig einschätzenzu können. Das ist Aktuo-Paläontologie, aberWeigelt nannte das noch nicht so. Es war Wil-helm Schäfer, dem langjährigen Direktor des Na-turmuseums und Forschungsinstituts Sencken-berg vorbehalten, sein Hauptwerk so zubenennen, mit dem Zusatz „nach Studien in derNordsee“ [1]. Und Schäfer dehnte – von „Sen-ckenberg am Meer“ in Wilhelmshaven aus arbei-tend – diese Studien auch auf wirbellose Tiereaus.

Es geht immer darum zu verstehen, wie sicheine Lebensgemeinschaft (Biozönose) in eine To-ten- bzw. Grabgemeinschaft verwandeln kann,für die es den Begriff Thanatozönose (Gemein-schaft von Organismen, die erst nach ihrem Todzusammengekommen sind) gibt. Fossil könnensolche Gemeinschaften gelegentlich außeror-dentlich individuenreich sein; man hat dafür in-zwischen den Begriff „Fossil-Lagerstätten“ ge-prägt und damit die Analogie zur Anreicherungwichtiger Rohstoffe hergestellt. Doch Fossil-La-gerstätten sind Ausnahmefälle und schon des-halb der Aufmerksamkeit sicher, was inzwischenauch an einer entsprechenden Literatur deutlichgeworden ist [2, 3].

Der Normalfall sind aber Einzelfunde, bei de-nen Fossilien Zeitmarken bilden können, die esGeologen ermöglichen, die Abfolgen von Ge-steinsschichten in eine relative Zeitskala einzu-

Die Lebensspuren, die längst vergangene Tiere undPflanzen hinterließen und die zu Stein wurden, sindnicht immer so leicht zu lesen wie diese Dinosaurier-Fährten. Einige Grundlagen zur Fossilisation, Li-thostratigrafie, Altersbestimmung, Stratigrafie undzu Massenaussterben helfen dabei, die Botschaftenaus der Vergangenheit zu verstehen.

Fossilisation: Wie aus Pflanzen und Tieren Fossilien werden

Ein gestrandeter Wal erregt meistens Mitleid beiTierfreunden, und das führt dann gelegentlichzu Rettungsaktionen, die darauf abzielen, ihnwieder in tieferes Wasser zu bugsieren. Wasaber, wenn keine Retter zugegen sind? Dannwird er zu Tode kommen, Faulgase werden sei-nen Körper aufblähen und womöglich platzenlassen und nach einiger Zeit wird nur noch dasSkelett übrig sein, vielleicht in der Sonne blei-chen und irgendwann in seine Einzelbestandtei-le zerfallen, die dann von der Strömung aufge-nommen, transportiert und an anderer Stelleabgesetzt werden, vielleicht nach ihrer Größesortiert oder nach dem Gewicht.

Solchen Vorgängen hat in den 1920er Jahrender Paläontologe Johannes Weigelt nachzuspü-ren versucht, als er – in den USA – seine Studienan rezenten Wirbeltierleichen betrieb; es gingihm um die Prozesse, die man kennen muss, um

Lebensspuren im Stein: Ausflüge in die Erdgeschichte Mitteleuropas, 1. Auflage.Herausgegeben von Peter Rothe, Volker Storch und Claudia von See© 2014 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA. Published 2014 by Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA

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ordnen; möglich ist das allerdings nur unter derVoraussetzung, dass die Fossilien Zeugnisse ei-ner Evolution sind, die – grob gesagt – von einfa-chen zu komplizierteren Bauplänen mutieren,und hier begegnen sich Biologie und Geologieganz unmittelbar. So kamen im frühen 19. Jahr-hundert schon Charles Darwin und Charles Lyellzusammen.

Was wir finden, sind meistens einzelne Kno-chen, die manchmal nur schwer in ihren ur-sprünglichen Zusammenhang zu bringen sind,was aber erst dann ermöglicht, einen Wal auchals Wal zu erkennen. Knochensubstanz ist ziem-lich stabil und kann daher über längere Zeit hin-weg erhalten bleiben. Tang dagegen, den herbst-liche Stürme am Strand aufgehäuft haben, ist imdarauf folgenden Frühjahr verschwunden, weildas sauerstoffreiche Wasser dessen organischeSubstanz vollständig vernichtet bzw. in CO2 undWasser umgewandelt hat. Und dennoch kennenwir Tang, der in hunderten von Millionen Jahrealten Schichten erhalten geblieben ist. Manmuss also fragen, wie es dazu kommt, dassPflanzen und Tiere durch die lange Zeit der Erd-geschichte bewahrt wurden, eine Tatsache, dieuns überhaupt erst gestattet, das Leben auf derErde in seiner vielfältigen Entwicklung nachzu-verfolgen.

Paläontologen haben es immer mit den End-produkten – den Fossilien – im weitesten Sinnezu tun, wobei sich in den meisten Fällen ein Ver-gleich mit den zoologisch oder botanisch sicherbestimmbaren heutigen Tieren und Pflanzen an-bietet. Es geht aber zunächst um die Bedingun-gen und die Prozesse, die lebende Organismenin Fossilien umwandeln können (Abb. 1).

Fossilien können aus höchst unterschiedli-chem Material bestehen: Wir kennen außer denerwähnten Knochen unter anderem Zähne undSchalen, die beispielsweise aus Kalk oder Phos-phat bestehen und bei einzelligen Organismenund manchen Schwämmen auch aus Opal seinkönnen. Im Extremfall bauen bestimmte Radio-larien ihre Skelette sogar aus Strontiumsulfatauf. Neben diesen mineralischen Komponenten

sind auch organische Substanzen unter be-stimmten Bedingungen erhaltungsfähig, das zei-gen uns zum Beispiel die Kohlen, in denenPflanzenstrukturen oft noch nach 300 MillionenJahren eine Zuordnung zur botanischen Syste-matik gestatten. Während hier das ursprünglichepflanzliche Gewebe überwiegend nur noch inForm des schwarzen Kohlenstoffs vorliegt, kön-nen Pflanzen unter anderen Bedingungen aberauch in Kieselhölzer überführt werden, wie mansie aus Arizonas „Petrified Forest“ oder dem„Versteinerten Wald von Chemnitz“ (s. a. Kap. 9zum Perm) kennt. In beiden Fällen steuern Ge-setzmäßigkeiten der anorganischen Chemie,nämlich Lösung und Fällung von Kieselsäure(SiO2, daraus besteht auch der Quarz) die Fossili-sationsprozesse, bei denen die ursprünglicheHolzsubstanz sozusagen Atom für Atom durchSiO2 ersetzt wird, wobei die Zellstrukturen voll-ständig erhalten bleiben. Lösung und Fällungder Kieselsäure ist stark vom pH-Wert der betei-ligten Lösungen abhängig, bei alkalischem er-folgt Lösung, bei saurem Fällung. Beim Kalk istdas gerade umgekehrt, wie man mit einem Trop-fen Salzsäure auf einen Kalkstein sofort sehenkann. Saure Wässer in der Natur, wie man sie inMooren antrifft, zerstören demnach die Kalk-schalen von Muscheln oder Schnecken. Da dieErhaltung von Kalkschalen also pH-abhängig ist,spielt bei ihrer Auflösung auch der CO2-Gehaltdes Wassers eine Rolle – und der ist seinerseitsabhängig von der Temperatur und/oder demherrschenden Druck. Das Wasser, das in denOzeanen aus den Polgebieten bis in niedere Brei-ten strömt, ist CO2-reich, weil es kalt ist und un-ter dem hohen Druck der überlagernden Wasser-säule steht – und das bedingt eine Auflösung vonKalkschalen, die im warmen Oberflächenwassernoch ihre Organismen umgeben hatten. Wissen-schaftlich nennen wir den Grenzbereich CCD(Carbonate Compensation Depth), und dieseCCD hat sich im Laufe der Erdgeschichte oft ge-ändert, was dann auch Rückschlüsse auf Paläo-Wassertiefen und das jeweils herrschende Klimagestattet. Kalkschalige Organismen sind also in

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den Ozeanen unterhalb der CCD nicht zu erwar-ten.

Nach diesem kleinen Ausflug in einige dermöglichen stofflichen Veränderungen müssenwir uns nun auch mit den erhaltenen Formenbeschäftigen, und wir werden dabei sofort sehen,wie diese beiden Gegebenheiten eigentlich garnicht voneinander zu trennen sind. Als Beispielesollen hier zunächst Muscheln dienen. Wennwir eine Schüssel voll Miesmuscheln verzehrthaben, bleiben allein deren kalkige Schalenübrig, weil wir uns die organische Substanz ein-

verleibt haben. Solche Schalen finden wir auchin manchen Kalksteinen, wo sie im Ausnahme-fall sogar noch zusammenhängen – das zeigt zu-nächst, dass sie dort gelebt haben können. DieSchalen wurden in Kalkschlamm eingebettet,aber dessen Porenwasser muss Sauerstoff ent-halten haben, der die organische Substanz oxi-dierend zerstört hat. In anderen Fällen sind dieorganischen Bänder dieser Tiere, die die Klappenmiteinander verbinden, bereits vor der Einbet-tung in Sedimente zerstört worden, sodass nureinzelne Klappen erhalten sind, die manchmal

Inkohlung

Fäulnis

Kerogen (Ausgangssubstanz für Kohlenwasserstoffe)

H2O CO

2+O

2

Verwesung

Detritus(dicht organogen)

Schill(Bruchstücke,locker)

vollkommeneZerstörungdes Fossils

Luftabschlusschemisch-biologische

Zerstörung

mechanische

Zerstörung

Einbettung

Transport

Zufuhr v.a. von SiO2- und/oder

CaCO3-Lösungen, auch Fe

(in reduzierendem Milieu FeS

2 (Pyrit), in oxidie-

rendem Fe(OH)3 ), Um-

Kristallisation v. a. von Aragonit in Kalzit

primäreLagerstätte

Hohlraumausfüllung

Sediment(Sand,

Tränkungmit mineralischen Lösungen

Intuskrustation

Schalenauflösungdurch H

2O

unvollständigeErhaltung

Mineralisationdes Gehäuses,Füllung desInnenhohlraumsmit Mineralen

Gestein(Sandstein, Kalkstein, Tonstein)

FreilegungFreilegung

Einbettung auf sekundärerLagerstätte

neuerlicheEinbettung

SteinkernAbdruckHohldruck

als Fossil aufsekundärerLagerstätte

tektonische Verformung und/oder vollkommene Zerstörung des Fossils

Abguss oderPseudomorphose

echteVersteinerung Prägesteinkern

Skulptursteinkern

Verfestigung (Diagenese)

Kalkschlamm,Tonschlamm)

Inkrustation

Fossilien

Lebewesen(Tier und/oder Pflanze)

Abb. 1 Überblick über verschiedene bei der Fossilisation ablaufende Prozesse. Bild: verändert nach „Lexikon der Biologie“, Spektrum- Verlag, Heidelberg.

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zu Muschelschill zusammengeschwemmt seinkönnen: die Lebensgemeinschaft wird zur Grab-gemeinschaft, die Biozönose zur Taphozöno-se/Thanatozönose.

Oft sind aber nicht einmal die einzelnen Scha-len erhalten geblieben, sondern nur noch derenAbdrücke im Gestein, was man relativ einfachverstehen kann, denn die Außenseite einer Scha-le ist in diesem Fall dem umgebenden Gesteineinfach aufgeprägt worden. In solchen Fällenmüssen wir annehmen, dass der Schalenkalkaufgelöst wurde, was sich mit den erwähntenchemischen Gegebenheiten erklären lässt; dasich entsprechende Verhältnisse im Verlauf derlangen Erdgeschichte immer wieder einmal ein-gestellt haben müssen, bleibt es eigentlich ver-wunderlich, dass wir überhaupt Fossilien finden.Darwin hatte einmal gesagt, dass die Fossilienwohl nur einen winzigen Bruchteil der einstigenLebewelt darstellen können.

Ein anderer Fall von Überlieferung ist der, beidem das Innere der Muschel durch das umge-bende Sediment ausgefüllt, die Schalensubstanzselbst aber nicht mehr vorhanden ist: dann spre-chen wir von einem Steinkern. Während einSteinkern der Ausguss des Schaleninneren ist,den man beispielsweise von Muscheln und Bra-chiopoden kennt, aber auch von Schachtelhal-men, entsteht der so genannte Prägesteinkern(Skulptursteinkern) erst durch die allmählicheAuflösung der Schale, wobei dem Steinkern dieäußere Skulptur der Schale aufgeprägt wird.

Viel einfacher sind dagegen direkt überlieferteBestandteile zu verstehen, wie etwa die kalkigenBruchstücke von Seelilien oder gar deren ganzeKronen, und noch einleuchtender sind riffbil-dende Organismen, die zusammenhängendeKalkmassen bilden können (Massenkalke). Diekalkigen Skelette solcher Organismen muss manallerdings differenziert betrachten, weil sie sichbezüglich ihrer Karbonatmineralogie unterschei-den: Korallen und Schnecken zum Beispiel bau-en ihre Hartteile aus Aragonit, die meisten Mu-scheln und die Ostrakoden aus Kalzit und –jedenfalls alle rezenten – Echinodermen aus Mg-

Kalzit. Aragonit und Mg-Kalzit sind beide nur immarinen Milieu stabil und wandeln sich bei Zu-tritt von Süßwasser in stabilen Kalzit um, wobeimeist auch die ursprüngliche Schalenstrukturzerstört wird, die oftmals für die systematischeZuordnung maßgeblich ist. Das Studium derUmwandlung der Karbonatphasen ermöglichtmeistens Hinweise auf das Milieu, dem die Fos-silien im Laufe ihrer geologischen Geschichteunterworfen waren.

Die angesprochenen Gegebenheiten betreffenim Prinzip eine Vielzahl von Tieren mit kalkigenSchalen, Mollusken vor allem, also Muscheln,Schnecken, Kopffüßer und Moostierchen, aberauch Korallen, und im Pflanzenreich die Kalkal-gen.

Ähnliche Veränderungen im Verlauf der Fos-silisation lassen sich bei Pflanzen und Tieren be-obachten, die ihre Skelette aus Opal bauen: Hiergreift nämlich auch wieder die Chemie in dasFossilisationsgeschehen ein, allerdings unterentgegengesetzten Verhältnissen: Opal ist unteralkalischen pH-Bedingungen löslich und so kön-nen Kieselalgen, Kieselschwämme oder Radiola-rien (Abb. 2) nur bei entsprechenden Gegeben-heiten erhalten bleiben, andernfalls lässt sichihre vormalige Existenz meist nur noch aus ent-sprechenden Gesteinen folgern, etwa Hornstei-nen (cherts) oder Radiolariten, in denen die Ske-

Abb. 2 Die einzelligen Radiolarien bauen ihre kugel-oder mützenförmigen Skelette aus Opal, der amorphenModifikation von SiO2, und sind damit wesentliche Be-standteile kieseliger Meeressedimente. Bild: aus [5].

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lettstrukturen nur schemenhaft erkennbar sind.Im Gegensatz zu den Wirbellosen haben Wirbel-tiere bessere Chancen, fossil erhalten zu bleiben.Das betrifft Knochen und Panzer, vor allem aberdie Zähne: Fossile Haifischzähne aus dem Terti-är sind meist noch so scharf und spitz wie die derrezenten Tiere.

Die Materialien, die uns in den Fossilien be-gegnen, sind also außerordentlich verschieden:Knochen, Schalen, pflanzliche Substanzen,Fleisch und Fett, Haare und Zähne. Bei denSchalen muss man weiter nach ihrem spezifi-schem Material unterscheiden, weil die TierePhosphat, verschiedene Arten von Kalk oderOpal als Baumaterial verwendet haben. Dassselbst Fleisch über längere Zeit hinweg erhaltenbleiben kann, hat man an den Mammuts sehenkönnen, die in der „Tiefkühltruhe“ des sibiri-schen Permafrosts lagen. Und auch Fett hat manin Form des so genannten Leichenwachses (Ozo-kerit) noch in vergleichsweise alten Schichten ge-funden; daran wird aber auch deutlich, dass sichin den meisten Fällen die ursprünglichen Sub-stanzen im Laufe der Zeit in andere umwandeln.Fossilien mit Weichteilerhaltung sind meistensnur tausende bis etwas über zehntausend Jahrealt. Anorganische Substanzen, wie vor allem Kal-ke, können aber hunderte von Millionen Jahrenüberdauern, und sie sind es, die die wesentlicheMasse der Fossilien ausmachen. Von Muschel-schalen, die wir am Strand aufsammeln, finden

wir – wie schon gesagt – oft nur noch einzelneKlappen, weil die organische Substanz, die siebeim lebenden Tier in Form des Ligaments zu-sammenhält, früher zerstört wird als der Kalkder Schalen selbst.

Zwischen Biozönose und Taphozönose ver-sucht die Aktuo-Paläontologie zu vermitteln. Dabeiwird deutlich, dass die Zersetzung der organi-schen Substanz durch vielerlei Faktoren gesteu-ert wird: Ein sauerstoffreiches, feuchtes Milieuführt zur Verwesung, ein sauerstoffarmes zurFäulnis, und zwischen beiden sind alle Über-gangsstadien möglich, wobei man auch die Zer-setzung durch Bakterien einbeziehen muss. Den-noch können Weichteile unter bestimmtenVoraussetzungen erhalten bleiben, wie wir das anMumien – und nicht nur an menschlichen – be-obachten können. Dazu müssen die Leichen vorden oben genannten Prozessen bewahrt werden.Am einfachsten versteht man das an den Ein-schlüssen im Bernstein, bei denen Tiere zu-nächst im zähen Harz steckengeblieben warenund dann von diesem überflossen wurden. Aucheine Imprägnierung durch Teer scheint gut zufunktionieren, wie die Mumien von Nashörnernund Mammuts in den pleistozänen Ölsümpfenvon Starunia in der heutigen Ukraine andeuten.Mumien bilden bzw. erhalten sich auch bei extre-mer Trockenheit. Die bekanntesten Mumien derPaläontologie sind aber zweifellos die Ichthyo -saurier aus dem Lias von Holzmaden (Abb. 3),

Abb. 3 Ichthyosaurier mit „Hautbekleidung“ aus dem Urweltmuseum Hauff. Bild: aus [22].

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für die man eine rasche Einbettung in ein ex-trem sauerstoffarmes Milieu annehmen muss,weil bei längerer Verweilzeit am Meeresbodeneine bakterielle Zersetzung die wenigstens teil-weise noch erhaltenen Hautreste zerstört hätte.Deswegen wurde als Erklärung ein schnellesEintauchen in ein „suppiges Substrat“ vorge-schlagen [4], wie man es heute auch in man-chen Bereichen des Wattenmeers in Formvon so genanntem „fluid mud“ beobachtenkann. Verwesung organischer Substanz führtzur Entwicklung von Gasen, die die Körper vonWirbeltieren aufplatzen lassen können, ent -sprechende Fischkörper sind aus dem per -mischen Kupferschiefer bekannt. Man kanndazu auch Mark Twains Tom Sawyer undHuckleberry Finn als Zeugen bemühen, die vonLeichen auf dem Mississippi erzählen, die zu-nächst noch ein paar Tage schwimmen, ehe sieuntergehen.

Auf eine sauerstoffarme bzw. -freie Umge-bung bei der Einbettung lassen auch die in Pyriterhaltenen Fossilien schließen, die Sammler ge-legentlich als „Goldschnecken“ (Abb. 4) bezeich-nen, obwohl es in den meisten Fällen keineSchnecken sind. Auch hierfür ist der Lias mit sei-nen dunklen, tonigen Sedimenten, die zudemreich an organischem Kohlenstoff sind, ein gutesBeispiel, oder die Tone der Unterkreide am Deis-

ter, in denen man manchmal massenhaft „golde-ne“ Ammoniten finden kann.

Lithostratigrafie: das Übereinandervon Gesteinspaketen

Schon in den Anfängen der Geologie gab es Ver-suche, das Übereinander verschiedener Gesteins -pakete deutend zu erfassen. Manchmal hatte dasauch praktische Bedeutung, beispielsweise,wenn man Kohleflöze (Abb. 5) verfolgen wollte,die zwischen Sandsteinen eingeklemmt waren.Diese Lithostratigrafie, wie wir das heute nen-nen, hat zu geologischen Systemen geführt, diedurch ihre Gesteine charakterisiert sind wie etwaBuntsandstein und Muschelkalk. Beginnenmuss te man allerdings mit einzelnen Gesteins-bänken, deren petrografische Zusammenset-zung man erfassen konnte; mit den eventuelldarin vorkommenden Fossilien gab es Kriterien,die als relative Zeitmarken verwendbar waren,weil in den unten liegenden Schichten andereFormen vorkamen als in denen weiter oben.

Wenn Schichten von einer Gebirgsbildung be-troffen werden, können sie in Falten gelegt oderdurch die Tektonik verschuppt und zerrissen, da-nach vielleicht abgetragen werden, manchmalsogar so weit, dass die Landschaft schließlichganz eingeebnet wird. Die anschließend darauf

Abb. 4 Die von Sammlern gelegentlich „Goldschnecken“genannten Fossilien haben ihre Farbe von Pyrit. Es sindaber meist keine Schnecken, sondern wie hier ein zu den Ammoniten zählender Dactylioceras. Bild: aus [22].

Abb. 5 Übertage anstehendes Steinkohlenflöz zwischenSandsteinlagen. Südrand des Ruhrgebiets bei Witten- Heven. Bild: aus [22].

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abgelagerten Schichten einer neuen Epoche bil-den einen Winkel mit ihrer Unterlage, es ent-steht eine Diskordanz (Abb. 6). Damit sind Dis-kordanzen auch relative Zeitmarken, die man fürdie Gliederung der Erdgeschichte verwendenkann, wobei zwischen unten und oben meist be-trächtliche Zeiträume anzunehmen sind.

Zeit vergeht auch während der Verwitterung,durch die unter Beteiligung von Organismen Bö-den entstehen können und so sind Böden eben-falls relative Zeitmarken der Erdgeschichte; diebekanntesten sind die Lehme in den Lössprofi-len des Quartärs, die zugleich Indikatoren fürwarmes Klima bilden (Abb. 7), während der Lössselbst die Kaltzeiten dokumentiert. Böden, dienicht unbedingt wie Böden aussehen, weil ihnendie organische Substanz fehlt, lassen sich aberauch anhand anderer Kriterien nachweisen; dazugehören Änderungen im Mineralspektrum einesBodenprofils, etwa die verwitterungsbedingtenTonminerale oder die Anreicherung bestimmterElemente in den tieferen Partien, aber auchstrukturelle Merkmale, die zum Beispiel nochdas Muster früherer Wurzeln erkennen lassen.Fossile Böden kennt man aus dem Rotliegendund dem Buntsandstein, wo sie sogar Eingang in

die Gliederung der Schichten gefunden haben.Die Versuche ihrer Rekonstruktion gehen mitt-lerweile bis in das Präkambrium zurück, obwohlman da ja noch nicht mit einer Besiedlung desFestlands durch Pflanzen rechnen kann.

Wesentlich kurzfristigere Ereignisse sind invielen Fällen die Ausbrüche explosiver Vulkane,deren feinkörnige Lockerprodukte zum Beispielin Form von Aschen innerhalb von manchenSchichten nachweisbar sind. Der Ausbruch desMt. St. Helens vom Mai 1980 hatte seine Aschendamals über mehrere Staaten der USA verteiltund damit eine sehr präzise Zeitmarke hinterlas-sen. Solche Zeitmarken kennen wir aus vielenSchichten innerhalb der gesamten Erdgeschich-te, sie lassen sich anhand ihrer mineralogischenZusammensetzung, die sozusagen den Finger-abdruck liefert, genau kennzeichnen und in jün-geren Ablagerungen auch mit physikalischenMethoden datieren. Diese Form der Schichten-gliederung wird als Tephrostratigrafie bzw.Tephrochronologie bezeichnet. Tephra umfasstalle unverfestigten vulkanischen Lockerproduk-te, die verfestigten nennt man Tuffe. Besondersbekannt ist die Tephra des letzten Ausbruchsvom Laacher See-Vulkan, die vor 12.900 Jahren

Abb. 6 Diskordanz. Im unteren Bilddrittel sind schräg-gestellte Schichten zu sehen, die von horizontalenSchichten überlagert werden (Bildmitte). Zwischen bei-den liegt der Zeitraum, in dem die ursprünglich ebenfallshorizontalen Schichten (unten) durch eine Gebirgsbil-dung gefaltet oder gekippt und nachfolgend eingeebnetwurden. Bild: aus [22].

Abb. 7 Zu den bekanntesten fossilen Böden gehören dieLagen von Lösslehm (braun) im Löss (hellgelb). Hiersind am Kaiserstuhl mehrere Böden aufgeschlossen, dieauch den Wechsel zwischen den Kalt- und Warmzeitendes Quartärs dokumentieren. Bild: aus [21].

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über ganz Europa verbreitet wurde. Die geologi-schen Schichtenfolgen sind aber voll von solchenZeitmarken, vorausgesetzt, man erkennt sie. Eingutes Beispiel dafür sind die Arbeiten von J. Win-ter [10], der früher immer als „Letten“ bezeichne-te Einlagerungen im Devon der Eifel als umge-bildete vulkanische Aschenlagen erkannt undanhand der darin enthaltenen Zirkone indivi-duell charakterisieren konnte. Hier zeigt sicheine anorganische Parallele zu den Leitfossiliender Biostratigrafie, die es ermöglicht, Schichtenüber weite Strecken miteinander zu korrelieren.

Die heute am häufigsten genutzte Methodezur Gliederung von Schichten hängt mit denständigen Schwankungen des Meeresspiegelszusammen, die auch das Ablagerungsgeschehenin den überwiegend marinen Sedimenten dergeologischen Vergangenheit gesteuert habenund bis heute steuern. Die Methode heißt Se-quenz-Stratigrafie und beruht letztlich auf derTatsache, dass sich bei fallendem und steigen-dem Meeresspiegel jeweils andere Ablagerungenbilden bis hin zu solchen, die im Auftauchbe-reich entstehen. Die im Ansatz schon 1906 vonEduard Suess erkannte weltweite Gleichzeitig-keit von Meeresspiegelschwankungen wurde an-hand ihrer Hinterlassenschaften überprüft unddurch verschiedene Methoden in eine zeitlicheAbfolge gebracht. Haq, Hardenbol und Vail ha-ben die Ergebnisse in einer grundlegenden Ar-beit zusammengefasst [11], mit der man nuneine entsprechende Basis für die letzten 250Millionen Jahre an der Hand hat. Der Vorteil ist,dass sich sowohl Schicht- als auch Erosionsgren-zen mit geophysikalischen Verfahren selbst inBohrprofilen relativ einfach über riesige Arealeverfolgen lassen.

Charakteristische Muster lassen sich auch inder Abfolge der Magnetisierung von Gesteinenerkennen, die auf eine vielfache Änderung desErdmagnetfelds während der gesamten Erdge-schichte hinweist. Die Ursache dafür wird inTurbulenzen des flüssigen äußeren Erdkernsvermutet, die aber zu unregelmäßigen Abstän-den bei der Umkehrung des Feldes geführt

haben. So ergeben sich unterschiedliche Zeitab-stände, in denen sich die Magnetisierungsrich-tung geändert hat; diese Abstände stellt manmeist mit einem Wechsel von schwarzen undweißen Strich- bzw. Balkensignaturen dar, so-dass sich ein ähnliches Muster ergibt wiebeim Strichcode für Registrierkassen. Bei dieserals Paläo-Magnetismus bekannten Erscheinungwerden in erster Linie die magnetischen Minera-le in Basaltschmelzen entsprechend dem geradeherrschenden Magnetfeld der Erde angeordnetund bei deren Abkühlung quasi eingefroren. Umzu Altersdaten zu kommen, muss man die be-treffenden Gesteine allerdings noch mit einerphysikalischen Methode datieren; wenn man dasdatierte Strichcode-Muster aber zeitlich einge-ordnet hat, lässt es sich über weite Strecken ver-folgen. Dies funktioniert auch bei Sedimenten,falls diese magnetisierbare Minerale enthalten.

Stratigrafie: geologische Schichten und ihre Bezeichnungen

Schon im 17. Jahrhundert war der dänische Uni-versalgelehrte Nicolaus Steno (1638 – 1686) derAnsicht, dass die Gesteine so übereinander la-gern, wie sie zeitlich nacheinander entstandensein mussten. Nach diesem „Lagerungsgesetz“verfahren die Geologen noch heute. Begrifflichwurden dabei im Laufe der Zeit viele unter-schiedliche Namen für Gesteinseinheiten ge-prägt, mit denen man den zeitlichen Verlauf derErdgeschichte beschreiben kann: Ären, Systeme,Gruppen, Formationen, Schichtglieder undSchichten. Die Bezeichnungen für geometrischfassbare Gesteinskörper sind also vielfältig undsie werden keineswegs immer eindeutig verwen-det. An ihrer Präzisierung arbeiten Stratigrafi-sche Kommissionen, die sich von Zeit zu Zeittreffen und vereinbaren, wie man geologischeSchichten sinnvoll benennen, definieren undvoneinander abgrenzen kann.

Eine alte, einfache Zählweise unterschiedmonti primari, secundari und terziari (Arduino1714–95). Diese Unterscheidung hatte das Über-

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einander von spezifisch unterscheidbaren Ge-steinspaketen zur Grundlage, sie orientierte sichdabei sowohl an deren Lagerungsverhältnissenals auch an der Ausbildung von Gesteinen bzw.dem Grad ihrer Verfestigung. Das wirkt in derVorstellung über geologische Zeiträume bis heu-te nach: der harte Gneis, den die Pioniere denmonti primari zuordneten, gilt geologisch nichtgeschulten Betrachtern noch immer als be-sonders alt, während unverfestigte Sande in allerRegel für jung gehalten werden. Beides trifftnicht notwendigerweise zu, weil der Verfesti-gungsgrad allein von den Bedingungen der Dia-genese abhängt: Die 300 Millionen Jahre altenMoskauer Braunkohlen sind aufgrund ihrer Po-sition noch immer Braunkohlen und die nur 30Millionen Jahre alten Pechkohlen in der Molassedes Alpenvorlands haben wegen des Gebirgs-drucks bereits das Steinkohlenstadium erreicht.Es gibt geologisch alten Kalkschlamm oder Mer-gel, aber auch ganz junge, bereits zu hartemKalkstein verfestigte „beach-rocks“ mit Cola-Fla-schen als Leitfossilien, die also erst nach 1945entstanden sein können.

Dass man Schichten ähnlich wie übereinandergestapelte Bretter auffassen konnte, hatte unteranderem der als „Schichten-Smith“ in die Litera-tur eingegangene britische Landvermesser Willi-am Smith (1769 – 1839) im England des frühen19. Jh. gezeigt, als er Schichten entlang vonbinnenländischen Schifffahrtskanälen verfolgte.Auf dem Kontinent hatten Johann Gottlob Leh-mann (1719 – 1767) und Georg Christian Füch-sel (1722 – 1773) im 18. Jahrhundert in Thürin-gen vorkommende Schichtenstapel feinergegliedert und sogar entsprechende Profile dazugezeichnet – und schon damals tauchte der Be-griff „Formation“ dafür auf. Wenn Viktor Schef-fel schrieb, dass „ein sehr bedenklicher Ton inder Liasformation eingerissen“ sei, dann stimmtdas mit diesem ursprünglichen Begriff nichtmehr überein, denn der als Zeiteinheit aufzufas-sende Jura besteht aus vielen unterscheidbarenFormationen, die man im heutigen Sinne alsdurch ihre spezifischen Gesteine abgrenzbare

und damit kartierbare Einheiten auffasst. Inso-fern spielt die Fazies (vereinfacht: die Summe al-ler Eigenschaften eines Gesteins einschließlichder darin eventuell vorkommenden Fossilien)eine wesentliche Rolle bei der Abgrenzung: Es istauch für Nicht-Geologen einsichtig, dass manGesteinskörper aus Sandstein von solchen ausTon- oder Kalksteinen abgrenzen kann.

Der Sprachgebrauch ist aber nicht immer ein-deutig und die nach heutigen Maßstäben fach-lich korrekten Termini sind nicht immer einfachzu handhaben. Was jedem geologisch Interes-sierten als „Buntsandstein“ geläufig ist, muss derFachmann eigentlich als „Buntsandstein-Grup-pe“ bezeichnen.

Heute gilt eine Unterteilung, die mit Ärenoder Ärathemen beginnt, denen als nächsteUntereinheit die Systeme/Perioden, dann die Se-rien/Epochen und weiter die Stufen folgen, dieim Einzelfall auch als Gruppen bezeichnet wer-den, die ihrerseits in Formationen und schließ-lich in Schichten weiter untergliedert sein kön-nen – aber das geschieht regional oft rechtunterschiedlich und es ist auch noch nicht füralle geologischen Zeiteinheiten bzw. überall kon-sequent durchgeführt worden bzw. durchführ-bar. Ein Beispiel für eine solche, konsequentdurchgeführte Gliederung unterscheidet:

Es gibt noch immer eine Vielzahl unterschied-licher Gliederungen, über die man sich anhandder Stratigraphischen Tabelle von Deutschland[12] informieren kann. Dort findet man auch –nicht ganz konsequent – für die Buntsandstein-Gruppe beispielsweise den Begriff „Folge“, dernach der oben aufgezeigten Gliederung eigent-lich durch „Formation“ ersetzt werden müsste.Diese „Folgen“ sind wahrscheinlich eine menta-

Ära/Ärathem: MesozoikumSystem/Periode: TriasSerie/Epoche: Mitteltrias Stufe/Gruppe: Muschelkalk-GruppeFormation: Jena-FormationSchicht: Terebratelbank

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le Folge der vorangegangenen, naturgesetzmäßi-gen Salzgesteinsfolgen des Zechsteins, die dortweiterhin so bezeichnet werden.

Im vorliegenden Buch haben die Herausgeberdarauf verzichtet, die einzelnen Beiträge konse-quent der modernen Terminologie anzupassen,auch weil uns der Leserkreis mit den gängigenBegriffen Buntsandstein, Muschelkalk oder Keu-per hinreichend genau über die jeweilige strati-grafische Position informiert scheint. Wer es ge-nauer wissen will, sollte die „StratigraphischeTabelle von Deutschland“ zu Rate ziehen, dieallerdings auch weiterhin Änderungen unterwor-fen bleiben wird [12].

Vom Alter der Erde – wie man zu Milliarden Jahren kommt

Milliarden sprechen zeitliche Dimensionen an,die selbst für studierte Geologen eigentlich nichtfassbar sind. Aber wir brauchen ein Zeit-Raster,um die natürlichen Zeugnisse der Geschichteunseres Planeten einigermaßen sinnvoll einord-nen zu können: das sind einmal die Gesteine,und zum anderen die Fossilien, die uns mit ih-ren Bauplan-Änderungen dazu anregen, die Evo-lution alles Lebendigen auch in Form eines zeit-lichen Ablaufs zu verfolgen.

Für die Evolution der Gesteine ist die Zeit ehernachrangig, weil wir inzwischen gelernt haben,dass sich nahezu alle Gesteine zu allen Zeitender Erdgeschichte bilden können – bis heute.Ausnahmen sind darunter nur die Sedimente,die sich als Folgeprodukte aus allen ursprünglichmagmatischen Gesteinen der Anfangszeit entwi-ckelt und die damit auch eine Art von Evolutions-prozess durchlaufen haben. Ein Beispiel dafürsind Grauwacken, die sich durch ständiges Recy-cling in reine Quarzsandsteine verwandelt ha-ben.

Im Übereinander unterschiedlicher Gesteinebegreifen wir in erster Näherung auch ein zeitli-ches Nacheinander – im Kapitel zur Lithostrati-grafie haben wir bereits mehr darüber erfahren.Fossilien in den Gesteinen halfen dann, die Zeit-

achse zu verfeinern: Das war der Anfang einerTeildisziplin, die später Biostratigrafie genanntwurde, und damit konnte man Schichten in einerelative zeitliche Abfolge einordnen. Mit zuneh-mender Sammeltätigkeit erkannte man auchbald, dass sich damit viele Schichten sogar welt-weit wiedererkennen ließen.

Und man lernte auch bald, dass viele Fossilienmit heute noch lebenden Tieren und PflanzenÄhnlichkeit hatten. Die Fülle der Funde führtedann zu Form-Vergleichen, aus denen sich – zu-nächst noch sehr grob – „Stammeslinien“ kon-struieren ließen. Mit einer entsprechenden Men-ge an Individuen ließ sich schließlich sogar„Bevölkerungsstatistik“ betreiben. Biologen undGeologen ergänzten sich vor allem im frühen 19.Jahrhundert nahezu ideal. Allmählich ließ sicheine stetige Evolution der Organismen begrün-den, die die zuvor von Cuvier postulierten Revo-lutionen in der Organismenwelt ablösten. Cuvierhatte die Fossilien des Pariser Beckens anhandihrer Schichtenfolge episodisch aussterben las-sen und sie dann im nächst jüngeren Abschnittdurch völlig neue ersetzt gesehen. Heute habenwir genügend Material, diesem Katastrophismusmit guten Argumenten zu begegnen. Außerdemkönnen wir mit einer guten statistischen Basiszeigen, welche Organismengruppen in welcherZeit besonders häufig gewesen sind und auch,dass manche von ihnen nur während einer be-grenzten Zeitspanne gelebt hatten: Das führteletztlich dazu, die großen Zeitabschnitte des Paläozoikums, Mesozoikums und Känozoikumszu begründen. Deren Zeitgrenzen sind durch be-deutende Änderungen in der Lebewelt begrün-det, die sich teilweise auch als Massenausster-beereignisse interpretieren lassen (s. a. denfolgenden Abschnitt sowie Kap. 16). Die Evolu-tion hat aber in fast allen Fällen auch da mit ei-ner Änderung der Baupläne reagiert. Die überle-benden Formen konnten in der Folge die durchdie Aussterbeereignisse leer gewordenen ökolo-gischen Nischen meistens schnell wieder beset-zen.

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Die Biostratigrafie sagt uns aber noch nichtsüber die riesigen zeitlichen Dimensionen, die dieEvolution der Organismen benötigte, um vomprimitiven Bakterium zum höchst komplexenWirbeltier zu gelangen. Gefragt waren also Zah-len, vor allem solche, die sich den Naturgesetzenfolgend reproduzieren ließen, und nicht die völ-lig unglaubwürdigen 6000 Jahre, die noch heutevon Sekten verbreitet werden, die sie aus der Bi-bel ableiten. Es hat bis zur Wende vom 19. zum20. Jahrhundert gedauert, bis man zu haltbarenZahlen kam, und das hing unmittelbar mit derEntdeckung der Radioaktivität zusammen. Davorbeherrschten Ideen dieses Feld, höchst theoreti-sche Berechnungsansätze zum Beispiel von LordKelvin, der immerhin schon zu 20–40 MillionenJahren kam. Graf Buffon errechnete hingegenanhand eines Modellversuchs aus der Abküh-lung glühender Eisenkugeln ein Alter der Erdevon 75.000 Jahren. Mit der Entdeckung der Ra-dioaktivität hatte Henri Becquerel eine zusätz -liche Wärmequelle aufgetan, die die zuvor thermodynamisch begründeten Berechnungenobsolet machte, zugleich aber ein Werkzeug bot,das Alter von Gesteinen nun einigermaßen ver-lässlich zu bestimmen. Anfangs des 20. Jahrhun-derts war die Erde dadurch etwa 2 Milliarden Jahre alt geworden.

Das Verfahren dieser Zeitmessung beruhte zu-nächst allein auf dem radioaktiven Zerfall vonUran, das sich im Laufe langer Zeiträume inmessbare Mengen von Blei umsetzt; da beideElemente in den meisten Gesteinen nur in Spu-ren vorkommen, verlangte das eine entspre-chend genaue Analytik. Als die WissenschaftlerBoltwood und Rutherford um 1906/07 began-nen, damit zu arbeiten, war man noch langenicht in der Lage, die Isotope dieser Elementevoneinander zu trennen. Das Massenspektrome-ter wurde erst in den 1930er Jahren durch Mat-tauch und Nier erfunden, in unmittelbarem Zu-sammenhang mit den Vorbereitungen zum Bauder Atombombe. Die folgenden Arbeiten lie -ferten zunehmend bessere Daten, weil man„Zerfallsreihen“ differenzierter erfassen konnte:

Uran mit seinen Isotopen 238U zerfällt in 206Pb ,235U in 207Pb und 232Th in 208Pb. Die Halbwerts-zeiten dieser Zerfallsprozesse unterscheidensich ebenfalls ganz beträchtlich voneinander. DieHalbwertszeit ist die Zeit, in der die Hälfte desinstabilen Ausgangselements in andere Kompo-nenten zerfallen ist. Das Ausgangselement wirdals Mutterelement, die Zerfallsprodukte alsTochterelemente bezeichnet und das Verhältniszwischen beiden ergibt dann ein Maß für die ver-gangene Zeit, die beim 238U zum Beispiel 4,51Milliarden Jahre beträgt und beim 235U ca. 713Millionen Jahre. Daran wird deutlich, dass man,um genaue Daten zu bekommen, zunächst dieIsotope trennen muss.

Was man ohne Massenspektrometer analysier-te, waren magmatische Gesteine, die man nurinsgesamt untersuchte; da sich deren Kompo-nenten aber über lange Zeiträume hinweg ausGesteinsschmelzen nacheinander abscheiden,waren diese Ergebnisse immer Mischalter; erstallmählich hat man dann die spezifischen Mine-rale isoliert und einzeln gemessen, wobei sichunterschiedliche Alter für einzelne Minerale wieBiotit oder Hornblende ergaben. Beim radioakti-ven Zerfall von Uran entsteht neben Blei auchdas Edelgas Helium – und auch das lässt sich inBeziehung zum Ausgangsprodukt setzen. Diedaraus folgenden Uran-Helium-Alter sind aller-dings höchst problematische Resultate: Gasesind flüchtige Gesellen, die durch Erwärmungder Gesteine oder bei deren Verwitterung ent-weichen können; dann misst man viel geringereMengen, als beim Zerfall ursprünglich entstan-den sind – die „Uhren wurden zurückgestellt“und das Gestein für zu jung gehalten. Eine Er-wärmung von ganzen Gesteinskomplexen er-folgt immer dann, wenn sie im Verlaufe einerGebirgsbildung in tiefere Bereiche der Erdkrusteversenkt werden – und die Erde hat in den 4,6Milliarden Jahren ihres Bestehens viele solcherEreignisse durchgemacht. Was man also in denGesteinen misst, sind die Alter der jeweils letz-ten thermischen Ereignisse, nicht aber die derGesteinsentstehung. Später hat man aber zum

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Glück herausgefunden, dass es ein Mineral gibt,das sich von solchen Wärme-Ereignissen nichtbeeinflussen lässt: Zirkon, der seiner dem Dia-manten ähnlichen hohen Lichtbrechung wegensogar als Edelstein verschliffen wird (Abb. 8);dazu müssen Zirkonkristalle allerdings be-sonders groß gewachsen sein, was eher seltender Fall ist. Die für Altersbestimmungen verwen-deten Kristalle bilden indes nur winzige, so ge-nannte akzessorische, Bestandteile in den Ge-steinen, die man normalerweise mit eigenenVerfahren erst anreichern muss, um genügendMaterial für die Analysen zusammenzubekom-men. Inzwischen ist man aber so weit, selbstwinzige Einzelkörner mit geradezu sensationel-len Resultaten analysieren zu können. An nurwenige μm-großen Zirkonen in metamorphenGesteinen hat man herausgefunden, dass sie so-

gar in Schichten aufgebaut sind, bei denen ein äl-terer Kern nach außen hin von immer jüngerenLagen umgeben ist. Mehr noch: Ein ursprüng-lich aus der Schmelze abgeschiedener Kern-Kri-stall mit seinen charakteristischen Ecken undKanten ist später zu einem Korn verrundet wor-den, danach infolge einer Erwärmung erneut zueinem kantigen Kristall weiter gewachsen – unddas mehrere Male nacheinander. Die Methodeist in Australien erfunden worden, wo man ge-zielt nach besonders alten Gesteinen aus derFrühzeit der Erde gesucht hatte. Inzwischen sindauf diese Weise extrem alte Gneise (Abb. 9) auchim Bayerischen Wald entdeckt worden, die mitüber 3800 Millionen Jahren der ältesten präkam-brischen Erdkruste in ganz Europa angehören.Mit Biologie bzw. Paläontologie hat aber nur dasAcronym für die Messmethode zu tun: SHRIMPsteht nämlich für „Sensitive High Resolution IonMicro Probe“. Bei diesem Verfahren „brennt“man mit einem superfein gebündelten Ionen-strahl eine winzige Probe aus dem Kristall undanalysiert daran mit den zuvor erwähnten Me-thoden deren Alter; dabei ist von Vorteil, dassZirkon relativ große Mengen an Uran enthältund man „schält“ mit dem Strahl sozusagen denKristall bis auf seinen Kern.

Für die in unserem Buch zusammengefasstenAufsätze – die ja vor allem die weit jüngeren An-teile der Erdgeschichte behandeln – ist das abernur insofern von Belang, als Zirkon-Alter offen-bar verlässliche Daten liefern.

Im Laufe der Entwicklung solcher Methodenhat man weitere instabile Elemente untersucht,die andere Halbwertszeiten haben; so kenntman, um nur noch wenige zu nennen, nebenden Uran/Thorium/Blei-Methoden zum Beispielauch die Kalium-Argon-Methode, die auf demZerfall des 40K zum 40Ar beruht. Sie ist für die Al-tersdatierung von Gesteinen besonders geeignet,weil Kalium in vielen häufigen gesteinsbilden-den Mineralen vorkommt, vor allem in den Feld-späten, die die häufigsten Minerale der Erdkrus-te bilden und in Glimmern. Die Halbwertszeitdes 40K beträgt etwa 1,3 Milliarden Jahre; man

Abb. 8 Zirkon-Kristalle enthalten Spuren von radioakti-ven Nukliden. Alle diese Isotope zerfallen über Zerfalls-reihen zu verschiedenen Bleiisotopen. Durch Messender entsprechenden Isotopen-Verhältnisse kann das Kristallisationsalter eines Zirkons und damit oft das -jenige des ihn enthaltenden Gesteins bestimmt werden.Hier ein großes Zirkon-Exemplar. Bild: Rob Lavinsky,iRocks.com.

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Vom Alter der Erde – wie man zu Milliarden Jahren kommt 13

muss allerdings bedenken, dass man es auchhier, wie beim Helium, mit einem Gas zu tunhat, sodass nur besonders frische Gesteinspro-ben, etwa solche von tertiären Vulkangesteinen,verlässliche Daten liefern.

Eine weitere Methode bedient sich des Zerfallsvon Rubidium zu Strontium – Rb-Sr-Methode –,und auch hier ist von Vorteil, dass Rb in Feldspä-ten vorkommt.

Insgesamt lässt sich aber sagen, dass die Al-tersbestimmungen an magmatischen Gesteinennatürlich auch geeignet sind, um Sedimente zudatieren, falls man diese im Verband mit Mag-matiten findet. Und davon profitieren dann auchdie Aussagen, die die Alter ganzer Gesteinskom-plexe betreffen, in denen man Fossilien findet.Wenn wir heute sagen können, dass das Kam-brium vor 541 Millionen Jahren begonnen hat,oder vor 252,2 Millionen Jahren das Mesozoi-kum, dann beruhen diese Aussagen auf den er-wähnten Methoden.

Die Größenordnung von Milliarden bis hin zuMillionen Jahren betrifft dabei die großen Syste-me, sobald man aber in die Zeitspannen vonhunderttausenden Jahren kommt, wird esschwieriger, weil angesichts der meist sehr lan-

gen Halbwertszeiten die entstandenen Tochter-produkte erst in sehr kleinen Mengen gebildetworden sind, sodass man bei der Analytik Unge-nauigkeiten in Kauf nehmen muss. Aber auchdabei ist man inzwischen weiter gekommen, ent-sprechende Fachbücher geben Auskunft zu denElementen und den Reichweiten der jeweiligenMethoden [13].

Mit Annäherung an die Gegenwart soll aberwenigstens noch kurz von der Radiokarbon-Me-thode die Rede sein, die erst nach dem zweitenWeltkrieg entwickelt wurde und inzwischen wei-ter verfeinert worden ist. Sie wird meist als 14C-Methode bezeichnet und beruht letztlich auchauf dem Zerfall eines radioaktiven Isotops, ebendes 14C. Kohlenstoff ist ein wichtiger Bestandteilorganischer Substanzen, aber auch von Kalk-schalen und er hat drei Isotope, 12C, 13C und 14C;letzteres wird durch kosmische Höhenstrahlungaus 14N gebildet. Man geht bei den Altersbestim-mungen davon aus, dass diese Strahlung überlange Zeiträume hinweg konstant geblieben ist.Hier liegt eine erste potenzielle Fehlerquelle,denn diese Strahlung ist sicherlich auch Schwan-kungen unterworfen. Den Kohlenstoff bauen Or-ganismen mit Kalkschalen während ihrer Le-benszeit in dem in der Atmosphäre oder in denGewässern herrschenden Verhältnis der Isotopeein. Nach dem Absterben beginnt sich infolgedes 14C-Zerfalls das Anfangsverhältnis zwischen14C und 12C (13C ist so selten, dass man es hiernicht berücksichtigt) auf Kosten des zerfallenden14C zu verschieben; man benutzt dann als Maßdie beim Zerfall entstehende beta-Strahlung, dieman mit Proportional-Zählrohren einfach mes-sen kann. Diese Strahlung klingt mit der Zeit abund nähert sich einem Nullwert. Die Halbwerts-zeit des 14C beträgt nur etwa 6000 Jahre, d. h.nach dieser Zeit ist die Strahlung bereits entspre-chend abgeklungen; je älter die Objekte sind,desto geringer ist also die gemessene Strahlung –und bei dieser kurzen Halbwertszeit wird sofortdeutlich, dass man mit dieser Methode nur rela-tiv junge Objekte datieren kann: die Größenord-nung liegt hier bei zehntausenden Jahren, Werte

Abb. 9 Gneis aus einem aufgelassenen Steinbruch bei Völling im Regensburger Wald. Aus diesem Gestein haben D. Gebauer et al. 1989 Zirkonkristalle isoliert und datiert, die mit 3840 Millionen Jahren die ältesten Zeugenfür eine kontinentale Kruste in ganz Europa sind [4]. Bild: Peter Will, rem.

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über 50.000 Jahre sind schon mit Vorsicht zu be-trachten und das Maximum liegt bei etwa 70.000Jahren. Hinzu kommt noch ein weiteres Pro-blem: Man hat erst relativ spät erkannt, dass dieursprünglich angenommene Halbwertszeit von5568 Jahren nicht ganz stimmt, sondern dassman mit 5730 –/+ 40 a rechnen muss; ältere Da-ten müssen also entsprechend korrigiert werdenund solche Daten heißen dann „kalibrierte“ 14C-Alter.

Für sehr junge Ablagerungen gibt es Metho-den, die auf direkten Zählungen dünner Schich-ten beruhen, bei denen sich die Zeit gewisserma-ßen selbst abbildet. Das allen bekannte Beispielsind natürlich die Baumringe, die infolge des se-kundären Dickenwachstums entstehen; sie sindunterschiedlich dick und geben damit auch Hin-weise auf klimatische Änderungen: In nassenJahren bilden sich dickere Lagen als in trocke-nen, außerdem muss man Standortfaktoren undvieles andere mehr berücksichtigen. Der Nach-teil ist, dass selbst sehr alte Bäume nur ein paartausend Jahre alt werden.

Eine zweite Methode ist die so genannte War-ven-Chronologie, die von dem Schweden de Geeram Anfang des 20. Jahrhunderts begründet wur-de [14] – interessanterweise zu einer Zeit, alsBoltwood und Rutherford mit den Datierungenextrem alter Gesteine begonnen hatten. De Geerzählte die oft nur Millimeter- bis Zentimeter di-cken Schichten der Sedimente in skandinavi-schen Eisrandseen, die sich beim Abschmelzennach dem Ende der letzten Eiszeit gebildet hat-ten. Diese Schichten weisen im einfachsten Falleine Zweiteilung in Lagen aus gröberen und fei-neren Komponenten auf, wobei die gröberen imSommer entstehen, weil dann mehr Schmelz-wasser für den Transport der Körner zur Verfü-gung steht als im Herbst und Winter; im Herbstsinkt nur noch feine Trübe auf den Seeboden.Ein Paar solcher Lagen repräsentiert also jeweilsein Jahr. Die Auszählung dieser ganz jungen Se-dimente ergab zusammen schon damals etwa12.000 Jahre, also doppelt so viel, wie uns man-che bibeltreue Christen heute als das Alter der

gesamten Erde weismachen wollen. ÄhnlicheJahresrhythmen, allerdings aus Salz und Ton,kennt man auch aus dem Toten Meer (Abb. 10),wo das Salz die sommerliche Trockenperiode ab-bildet. Warvenschichtung ist auch in geologischjungen Maarseen zu sehen und gibt Hinweiseauf die Klima-Entwicklung.

Zu den Altersdaten an Sedimenten, die einezyklische Steuerung erkennen lassen, gehörennun schon seit längerer Zeit die so genanntenMilankovitch-Zyklen. Sie gehen letztlich auf dengleichnamigen serbischen Mathematiker zu-rück, der seit den 1920er Jahren rechnerisch aneinem „Kanon der Erdbestrahlung“ gearbeitethat [15]. Diese Berechnungen betrafen zunächstdas Quartär, wo man vor allem die Ursachen fürdie Entstehung von Eiszeiten zu ergründen such-te. Dabei kam heraus, dass diese Zyklen durchÄnderungen der Erdbahn-Parameter zustandekommen: Es gibt 100.000 Jahr-Zyklen, die vomUmlauf der Erde um die Sonne gesteuert wer-den, 41.000 Jahr-Zyklen, die mit denen der Nei-gung der Erdachse zu tun haben und etwa 20.000Jahr-Zyklen, die auf deren Taumeln zurückge-hen (wie bei einem Kreisel, dessen Bewegungendet). Mit dieser Methode, die man natürlichnoch mit physikalischen Altersbestimmungeneichen muss, lässt sich inzwischen eine gute

Abb. 10 Warven. Im jahreszeitlichen Rhythmus abge -lagerte Feinschichten, hier Gips (Sommer) und Ton(Winter) aus dem letztglazialen Toten Meer, die als Zeit-marken gezählt werden können. Bild: aus [5]

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Massenaussterben 15

Gliederung für das Quartär erreichen. Dazukommt noch, dass man anhand der Sauerstoff-Isotope an kalkschaligen Foraminiferen denWechsel zwischen Warm- und Kaltzeiten in denOzeanen erfassen und diesen dann in die Milan-kovitch-Zyklen eingliedern kann. Die Geologieist dabei, solche Zyklen auch in den älteren Abla-gerungen zu rekonstruieren und damit wenig-stens die Dauer der Ablagerung bestimmterSchichtpakete zu erfassen. Angesichts der frühe-ren – und letztlich weitgehend vergeblichen –Versuche, aus der Mächtigkeit (Dicke) einzelnerGesteinslagen auf ihre Ablagerungsdauer zuschließen, ist das ein beträchtlicher Fortschritt.

Massenaussterben

Die Tatsache, dass sich zumindest die jüngereErdgeschichte, das Phanerozoikum, seit rund541 Millionen Jahren mit Hilfe von Fossilien ineigenständige Zeitabschnitte gliedern lässt, be-deutet auch, dass diese Fossilien – und meistenssogar ganze Fossilgesellschaften – ihre Baupläneim Sinne der Evolution immer wieder geänderthaben mussten. Wenn wir heute Pflanzen undTiere auf die „Rote Liste“ der bedrohten Artensetzen, weil wir deren Verschwinden befürchten,dann versuchen wir eigentlich, einen natürlichenProzess aufzuhalten, der sich schon über Millio-nen Jahre hinweg vollzieht. Ohne das Ausster-ben von ganzen Lebensgemeinschaften, dienachfolgend durch andere ersetzt wurden, wärenwir nicht imstande, zum Beispiel ein Paläozoi-kum von einem Mesozoikum zu unterscheiden.Diese Unterscheidung wurde aber zunächst nurqualitativ getroffen. Man definierte so genannteZonen, die die Lebensspanne vom ersten Auftre-ten einer Art bis zu deren Aussterben umfassten;dabei bleiben allerdings immer Zweifel, ob siewirklich ausgestorben sind oder ob man sie nurnoch nicht gefunden hat. Inzwischen habenGeologen und Paläontologen aber so viel Materi-al zusammengetragen und analysiert, dass nunauch eine quantitative Annäherung möglich ist[17]. Dies hat entscheidend zu der Erkenntnis

beigetragen, dass es während der ErdgeschichteZeiten gegeben hat, in denen die Lebewelt kata-strophal reduziert wurde: seitdem spricht manvon Massenaussterben. Die Fakten dafür liegennun auf dem Tisch, man hat fünf ganz großePhasen nachgewiesen (die auch in der deutsch-sprachigen Fachliteratur als „the big five“ gehan-delt werden), von denen vor allem das großeSterben an der Kreide/Tertiär-Grenze bekanntist, weil es die Dinosaurier hinweggerafft hat. Esgab aber schlimmere, soweit es die Anzahl dervernichteten Arten betrifft. Am Ende des Paläo-zoikums waren etwa 90 % betroffen, damals er-eignete sich ein global verfolgbarer Umbruch,der die schon früh definierte, sehr deutlicheGrenze zwischen dem Erdaltertum und demErdmittelalter nun auch quantitativ rechtfertigt.Innerhalb des Paläozoikums gab es zwei weitereMassenaussterben am Ende des Ordoviziumsund im Oberdevon. Am Ende der Trias folgtenoch ein Einbruch. Neben diesen Großereignis-sen gab es aber viele weitere, von denen dasjüngste durch das Aussterben der pleistozänenGroßsäuger bestimmt war, als bei uns Mammutund Wollhaariges Nashorn verschwanden. Hiersollte man aber den Begriff Massenaussterbenlieber vermeiden, weil sich diese Tiergruppen periodisch in Refugien mit ihnen genehmemKlima zurückziehen konnten, wo sie dann erstallmählich und sicherlich auch in einzelnen Re-gionen nacheinander ausstarben (s. a. Kap. 22).

Als Ursachen für die Massenaussterben wer-den Meteoriteneinschläge, Vulkanismus und Kli-mawandel diskutiert, nachrangig neben einerReihe anderer Erklärungsversuche auch eine ver-stärkte kosmische Strahlung infolge von Super-nova-Explosionen oder erhöhte Schwefelwasser-stoffgehalte im Ozeanwasser als Folge vonErwärmung. Derart spektakuläre Ereignisse werden aber vor allem immer gerne mit Kata-strophentheorien erklärt, weshalb für die K/T-Grenze und das Aussterben der Dinosaurier dieMeteoriten-Hypothese (Abb. 11) die Medien be-herrscht hat. Da die zeitlichen Abstände zwi-schen den Massenaussterbeereignissen keines-

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wegs regelmäßig sind, kommt zum Beispiel einum die Erde kreisender „Killerstern“, wie ihn un-ter anderem Sepkoski und Raup [17, 18] in den1980er Jahren mit ihrer Nemesis-Hypothese fürdas Dino-Sterben ins Spiel gebracht haben, alsonicht infrage. Hinzu kommt, dass man gelegent-lich vergisst, dass es ein zeitliches Nacheinanderaussterbender Tiergruppen gibt: In einer erstenAnnäherung wurden zunächst die tropischenRiffgemeinschaften reduziert, was darauf hin-

weist, dass Klimaänderungen die wahrschein-lichsten Faktoren sind, wenn man nach den Ur-sachen sucht. Am Ende des Paläozoikums warenerstmals auch Landwirbeltiere betroffen, wobeizunächst die größeren ausstarben, was sich miteinem zunehmenden Nahrungsmangel erklärenlässt, der seinerseits ebenfalls auf ein kühleresKlima zurückgeführt werden kann. Während desKarbons und Perms ist eine großmaßstäblicheVer eisung der damaligen Süderde belegt, wasgut zu dieser Erklärung passt. Man muss auchbedenken, dass alle diese Ereignisse nicht „plötz-lich“ stattgefunden haben, sondern sich überZeiträume von mehreren Millionen Jahren (undmanchmal mehr) hingezogen haben. Pflanzenreagieren besonders schnell auf klimatische Ver-änderungen: ein gutes Beispiel ist der mit demK/T-Ereignis einhergehende „Farn-Peak“, denman in den Übergangsschichten Nordamerikasgefunden hat. Farne stellen geringere Anforde-rungen an ihre Umgebung als Blütenpflanzen,und so kann auch dieser Peak als Hinweis aufein kühleres Klima interpretiert werden. Die Ver-änderungen der Fauna vom Ordovizium zum Si-lur, die vor allem an den Graptolithen ablesbarsind, stehen ganz offensichtlich im Zusammen-hang mit der Abkühlung, die dann zur ordovizi-schen Eiszeit geführt hat.

Diskussionswürdig scheint auch die Tatsache,dass großmaßstäblicher Vulkanismus einen Bei-trag geleistet haben könnte, weil er beträcht-lichen Einfluss auf die klimatische Entwicklungnehmen kann: Ein typischer Kandidat wäre derSibirische Trapp, ein ausgedehnter Flutbasaltaus übereinander gelagerten Basaltschichten, dieTreppenstufen ähneln (Trapp = Treppe). SeineEntstehung am Ende des Paläozoikums dürfteeinen verstärkten Treibhaus-Effekt zur Folge ge-habt haben. Die damit verbundene Erwärmungkönnte durch ein Aufbrechen von Methanhydra-ten am Meeresboden den Treibhaus-Effekt zu-sätzlich verstärkt haben.

Ähnliches lässt sich für das Massenaussterbenam Ende der Trias diskutieren, als Pangäa zer-brach und entlang der Bruchstrukturen riesige

Abb. 11 Vor etwa 65 Millionen Jahren muss ein riesigerMeteorit im Süden Mexikos aufgeschlagen sein. Möglicherweise war dieser „Impact“ der Auslöser desgroßen Artensterbens am Ende der Kreidezeit. Bild: DX – Fotolia.com.

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Literatur 17

Lavamassen durch einen entsprechend intensi-ven Spaltenvulkanismus gefördert wurden. Undnicht zuletzt wird in den immer noch kontrover-sen Erklärungsansätzen zur Kreide/Tertiär-Kata-strophe der ziemlich genau in diese Zeit da -tierbare Vulkanismus des „Dekkan-Trapps“ alsAlternative vermutet. Letztlich wird über diesen

Umweg wieder ein Klimawandel zur wesent-lichen Ursache.

Einen ausführlichen Exkurs zum Thema fin-den Sie im Kapitel 16 von Volker Storch „Mas-senaussterben – die großen fünf und ihre Aus -löser“.

Literatur[1] W. Schäfer, Aktuo-Paläontologie nach Studien in

der Nordsee, Waldemar Kramer, 1962.[2] D. Meischner, Europäische Fossillagerstätten,

Springer, Heidelberg, 2000.[3] P. Selden, J. Nudds, Fenster zur Evolution, Be-

rühmte Fossilfundstellen der Welt, Spektrum/ Elsevier, 2007.

[4] D. M. Martill, Soupy Substrates: A Medium for theExceptional Preservation of Ichthyosaurs of the Posidonia Shale (Lower Jurassic) in Germany, Kaupia, 1993.

[5] P. Rothe, Erdgeschichte, Spurensuche im Gestein,WBG/Primus, 2009.

[6] M. Amler, Allgemeine Paläontologie, WBG, 2012.[7] O. F. Geyer, Grundzüge der Stratigraphie und Fa-

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