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Nr.1| 2017 Mitteilungen der evangelischen Werke für die Kirchgemeinden «Land muss dem Leben dienen – nicht dem Profit» © ACT Alliance / Paul Jeffrey

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Nr.1| 2017Mitteilungen der evangelischen Werke für die Kirchgemeinden

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2 contigo Nr.1 | 2017

INHALT contigoMitteilungen der evangelischenWerke für die KirchgemeindenHerausgegeben von Brot für alle, HEKS, Mission 21 und den OeME-Fachstellen

ISSN 1660-3788

Brot für alleBürenstrasse 12, Postfach 1015, 3000 Bern 23Tel. 031 380 65 65, Fax 031 380 65 64Mail: [email protected], Web: www.brotfueralle.chSpendenkonto: 40-984-9

HEKS – Hilfswerk der Evangelischen Kirchen SchweizSeminarstrasse 28, Postfach, 8042 ZürichTel. 044 360 88 00, Fax 044 360 88 01Mail: [email protected], Web: www.heks.chSpendenkonto: 80-1115-1

Mission 21 – Evangelisches Missionswerk BaselMissionsstrasse 21, 4009 BaselTel. 061 260 21 20, Fax 061 260 21 22Mail: [email protected], Web: www.mission-21.orgSpendenkonto: 40-726233-3

OeME-Fachstellen der KantonalkirchenWeb: www.oeme.ch

RedaktionDorothee Adrian (da) Mission 21Heinz Bichsel (hb), OeME Olivier Schmid (os), HEKSUrs Walter (uw), Brot für alle

RedaktionsleitungUrs Walter Tel. 031 380 65 71Bürenstrasse 12, Postfach 1015, 3000 Bern 23Mail: [email protected]

LayoutcomDesign AG, 4562 Biberist

DruckRub Media AG, 3001 Bern

Adressänderungen und AbonnementsverwaltungAdministration Brot für alle Bürenstrasse 12, Postfach 1015, 3000 Bern 23Mail: [email protected] Tel. 031 380 65 65Fax 031 380 65 64

Titelbild: Sorgfältig bereitet Alefa Soloti aus Dickson in Malawi ihr Sesam-Feld für die neue Ernte vor.

Rückseite: Der Kampf um den Zugang zu Land und gegen Land Grabbing prägt auch das Leben des Buben in Nanga Pari in West-Kalimantan, dem indonesischen Teil von Borneo.

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DOSSIER S4 – 9

«Land» ist lebenswichtig. In der Bibel wird betont, dass es den Menschen von Gott als Grundlage von Leben und Ernten zur Verfügung gestellt wurde. Mit Land lässt sich aber auch viel gewinnen – zu oft auf Kosten von Bauernfamilien oder indigenen Völkern. Die Werke unterstützen die Menschen, die sich wehren. Als Beispiel finden Sie im Dossier den Text über Landraub in Kalimantan auf Borneo und was Schweizer Banken damit zu tun haben. Auch in der Bibel ist Land ein wichtiges Thema: Gott übergibt es allen Menschen – und doch nehmen es Einzelne oft rücksichtslos in Beschlag. uw

BROT FÜR ALLE

S10 – Ökumenische Kampagne 2017: «Mein Traum von Entwicklung», Anton P. Wadjaya, Direktor von Walhi in Indonesien, im Gespräch

S12 – Kampf gegen Land Grabbing in Benin erfordert einen langen Atem

S13 – Neu mit einer englischsprachigen Web-Seite

HEKS

S14 – Haiti kommt nicht zur Ruhe

S15 – Naher Osten: Not lindern – Kirchen stärken

S16 – Südsudan: Eine vergessene Katastrophe

MISSION 21

S18 – Kirchenvertreter aus dem Südsudan bei Papst Franziskus zu Besuch

S19 – Nähen macht selbstbewusst

S20 – «Den Menschen etwas zurückgeben» – Gönnerin Arjana Metting van Rijn-Baud erzählt

HINWEISE UND MEDIENTIPPS

S22 – Agenda

S23 – Filmtipp

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3contigo Nr.1 | 2017

Die Leiterin und die Leiter der drei Werke Brot für alle, HEKS und Mission 21 sowie der OeME-Fachstellen wechseln sich beim Schreiben des Editorials ab.

Ein zweiter Beitrag im Dossier zeigt, wie Menschen

versuchen, sich gegen Land Grabbing zu wehren.

Eine langwierige Sache, wenn schriftliche Landrech-

te und präzise Pläne fehlen oder Regierungsstellen

lieber in ihrem Interesse handeln.

Zehntausende Quadratkilometer fruchtbares Land

und Wald wurden in den vergangenen Jahren in

Asien und Afrika zu Monokulturen mit Ölpalmen

umgewandelt. Dabei ging die Vielfalt an Früchten,

Medizinpflanzen, Holz und Tieren, die den Men-

schen zum Leben dient, verloren. Dieser Raubbau

verdeutlicht, wie grundlegend die heutige Art zu

wirtschaften, verändert werden muss. Dafür steht

symbolisch die Aktion Neuland, die zur diesjährigen

Informations- und Sammelkampagne zu Gunsten

der Projekte der Werke gehört. Ein paar Quadrat-

meter «Neuland» zum Leben zu schaffen, setzt ein

Zeichen gegen die Quadratkilometer Zerstörung für

den Profit. Das Fazit: Land muss dem Leben dienen

und nicht dem Profit.

Die Rechte der Menschen zu stärken und sie zu un-

terstützen, ihre Würde zu bewahren, das ist ein zen-

trales Anliegen der Werke und der OeME-Fachleute.

Unsere Vision ist das «Leben in Fülle» – und nicht

eine von Menschen herbeigeführte Zerstörung der

Lebensgrundlagen. Doch wer zum Beispiel in Kali-

mantan auf der Insel Borneo abgeholzte Wälder sieht

oder Plantagen, die verbotenerweise im Sumpfland

angelegt wurden, erkennt, wie häufig diese Sorgfalt

im Umgang mit der Schöpfung fehlt. Gegen solchen

Landraub mit negativen Folgen wehren sich die Wer-

ke. Stossend ist, dass auch Schweizer Banken und

Pensionskassen mit dem zerstörerischen Geschäft

Land Grabbing in Verbindung stehen.

EDITORIAL

«Neuland» bedeutet auch neu wirtschaften

Bernard DuPasquier, Geschäftsleiter Brot für alle

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Investitionen in die Palmölindustrie haben in den

letzten Jahren massiv zugenommen. Tausende

Quadratkilometer wurden in Ländern im Süden zu

Plantagen umgewandelt. Verdrängt werden dabei die

Bevölkerung und die Natur.

Wie einst die Goldgräber Land auf der Jagd nach dem grossen Verdienst umgegraben haben, planieren heute Palmölkonzerne riesige Ländereien und legen Plantagen an. Das Nachsehen haben die Bewohnerinnen und Bewoh-ner. Ihre Rechte am Land werden häufig verletzt. Besonders wenig gelten die traditionellen Rechte und Gebräuche, etwa das Sittenrecht Adat in Kalimantan (Beitrag Seite 6). Doch der neue Ölrausch verschlingt auch in anderen Ländern in der Anbauzone der Ölpalme im tropischen Gürtel zu beiden Seiten des Äquators tausende von Quadratkilometer Land. Besonders betrifft es Indonesien und Malaysia. Aber auch in Kamerun und anderen Ländern Westafrikas verdrän-gen Monokulturen der Ölpalmkonzerne verdrängen den früheren vielfältigen Regenwald und nachhaltig genutzte Acker- und Weideflächen. Wo zuvor die Bevölkerung ihre Ernährung sicherstellen konnte, wächst heute das Geschäft mit Palmöl für den Export.

Milliarden werden investiertTreiber ist einerseits die wachsende Nachfrage. Palmöl

ist günstig und lässt sich in der Nahrungsmittel- und Kos-metikindustrie vielfältig verwenden, kann aber auch zu Ag-rotreibstoff umgewandelt werden. Andererseits suchen In-vestoren weltweit nach rentablen Anlagen. Für sie verspricht Land Grabbing, die Aneignung grosser Flächen Land um darauf in Monokulturen Mais, Soja, Fleisch oder eben Palm-öl für den Export zu gewinnen, viel Ertrag. Die negativen Auswirkungen für den Grossteil der Bevölkerung kümmert dabei kaum jemand.

Eine Studie der niederländischen Nichtregierungsorga-nisation Fern erfasst allein für 23 grosse Produzenten und Händler von tropischen Agrarprodukten (mehrheitlich Palmölkonzerne) von 2010 bis 2015 von Finanzinstituten vermittelte Darlehen von rund 50 Milliarden US-Dollar. Zu-sätzlich gaben die untersuchten Unternehmen im gleichen Zeitraum mit Hilfe der Banken Aktien und Obligationen im Umfang von 22,7 Milliarden US-Dollar aus.

Schweizer Banken gut im Geschäft Auch Schweizer Banken und Finanzinstitute beteiligen

sich an der Finanzierung der Palmölindustrie. Damit stehen sie indirekt mit Land Grabbing in Verbindung – und tragen damit auch Verantwortung. Credit Suisse und UBS, J. Safra Sarasin, aber auch die Zürcher Kantonalbank und sogar Pen-sionskassen beteiligen sich diesem kurzfristig ausgerichteten Geschäft an. Eine für Brot für alle erstellte Studie der Nichtre-gierungsorganisation Profundo erfasst Engagements von 17 Schweizer Finanzinstituten bei 20 bedeutenden Palmölkon-zernen. Demnach beteiligten sich die untersuchten Schweizer Banken und Finanzdienstleister an Emissionen von Aktien und Obligationen und gewährten Kredite für den Ölpalm-Sektor in der Höhe von 1,1 Milliarden US-Dollar. Die Credit Suisse war dabei mit Abstand am stärksten engagiert. Zwi-schen Januar 2009 und August 2016 beteiligte sich die Gross-bank bei fünf Konzernen des Palmölsektors an Darlehen und Emissionen im Umfang von rund 901 Millionen US-Dollar .

Die brasilianische Gruppe J Safra Sarasin, zu der die einstige Basler Privatbank Sarasin heute gehört. Diese ist

DOSSIER

LAND GRABBING

Schweizer Verbindungen zum PalmölgeschäftUrs Walter

Grenzpfosten, Hinweisschilder und oft auch das Verbot, zu jagen oder Holz

zu schlagen, kennzeichnen die neu angelegten Plantagen. Damit fehlen der

Bevölkerung wichtige Nahrungsmittel, die sie vorher auf den Ackerflächen ernten

oder im Wald sammeln konnten.

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beim Asset Management, also dem Halten und Verwalten von Aktien und Obligationen, mit über 260 Millionen US-Dollar (Stand August 2016) engagiert. Für UBS, Pictet, Cre-dit Suisse und Unigestion beträgt diese Zahl zwischen rund 65 und 45 Millionen US-Dollar.

Als bei der Finanzierung von Palmölkonzernen aktivs-ten Schweizer Investmentbank beteiligte sich die Credit Suisse 2013 und 2014 auch an zwei Aktienemissionen der malayischen DSN (Anteil wenig über 10 Millionen US-Dol-lar). DSN besitzt riesige Palmölplantagen in Westkaliman-tan, dem indonesischen Teil von Borneo. Sie setzt sich auch über den Widerstand von Dörfern hinweg, was Menschen-rechte und auch Grundrechte der indigenen Völker verletzt. Oder sie pflanzt auch in Torfgebieten Ölpalmen an, im Wi-derspruch zum Gesetz in Indonesien und international aner-kannten Regelungen

Credit Suisse: Viele Regeln, doch…Menschenrechte werden ebenso missachtet wie der

Schutz von Natur und Tier- und Pflanzenwelt. Das betrifft auch die Banken als Financiers der Palmölkonzerne. In-ternationale Standards der Uno wie der OECD schreiben ein sorgfältiges Vorgehen vor: Die Uno-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGP) gelten auch für Banken. Die Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) setzt verbindliche, auch von der Schweiz übernommene Normen. So garantiert das IAO-Übereinkommen «169» indigenen und in Stämmen lebenden Völkern eine Vielzahl

von Grundrechten. Zentral, doch re-gelmässig missachtet, ist die Vorgabe, dass Land solcher Völker erst nach der ausdrücklichen und sorgfältig einge-holten Zustimmung der Betroffenen verkauft oder verpachtet werden darf.

Die Credit Suisse beteiligt sich auch an freiwilligen Strukturen der Bankbranche: Sie gehört zur Thun Group of Banks, welche die UNGP ausdrücklich mitträgt und konkret ausformuliert, wie die Banken ihre Sorgfaltspflicht und ihre Verantwor-tung umsetzen sollen. Ebenso hat die Grossbank die Äquator-Prinzipien unterschrieben: 88 international täti- ge Banken regeln darin, wie sie Um-welt- und Sozialstandards bei Pro-jektfinanzierungen einhalten wollen. Intern verfügt die Credit Suisse über einen CS Code of Conduct, in dem die ethischen Grundwerte und professi-onellen Standards der Bank festgelegt sind. Dazu gelten eine «Erklärung der Credit Suisse zur Nachhaltigkeit» und Weisungen zur Forst- und Agrarwirt-

schaft. Letztere benennt Situationen, in denen die Credit Suisse auf eine Finanzierung bzw. Beratung verzichten soll-te. Genannt werden Geschäftstätigkeiten in tropischen Pri-märregenwäldern oder in Wäldern mit hohem Schutzwert, in Torf- und Moorgebieten, aber auch Selbstverständliches wie illegaler Holzschlag, unkontrollierte Brandrodung sowie Verstösse gegen lokale Gesetze und die Menschenrechte.

Die Formulierung ist umfassend: «Diese Weisungen und Richtlinien gelten für sämtliche Geschäftsbeziehungen der Credit Suisse, die direkt mit Unternehmen aus diesen Industrien (sensiblen, also möglicherweise umweltbelasten-den, Ergänzung der Redaktion) verbunden sind, unabhän-gig davon, ob eine direkte vertragliche Beziehung zwischen dem Unternehmen und der Credit Suisse besteht oder ob das Unternehmen das Objekt oder Zielobjekt eines Kunden der Credit Suisse ist.» Leider wird diese Verantwortung dann eingeschränkt: Die Grundlagen sollen bloss «Entscheidun-gen leiten» und helfen, «Handlungen zu vermeiden, die ein inakzeptables Mass an Reputationsrisiken für die Bank bergen».

Entsprechend sieht die Realität leider anders aus. Das er-fährt die Partnerorganisation von Brot für alle in Indonesi-en Walhi ebenso wie viele Partner im Süden von HEKS und Mission 21. Zunehmend werden auch Menschen, die sich gegen Land Grabbing wehren, kriminalisiert und in Gefäng-nisse gesteckt.

Information: www.sehen-und-handeln.ch

DOSSIER

Das rasante Wachstum der Palmölindustrie in Kalimantan bedroht die ansässige Bevölkerung. Und jedes Jahr wachsen

die Ölpalmen einen halben Meter und bilden bald ein dichtes Blätterdach, unter dem nur wenige Tierarten und Pflanzen

überleben.

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Tausende Hektar Wald hat Bumitama in den letzten Jah-ren abgeholzt und Millionen von Ölpalmen gepflanzt. Das nötige Kapital nahm die Gruppe auch über die brasilianisch-schweizerische Bank J. Safra Sarasin auf. Andernorts sind es die Schweizer Grossbanken Credit Suisse und UBS, die im Geschäft mit Monokulturen und Land Grabbing mitmi-schen. Allzu oft werden dabei aber Menschenrechte verletzt und die Umwelt geschädigt.

Einfach weggenommen Von solch unrechtmässigem Vorgehen erzählt Aby Lei:

Er und seine Verwandtschaft wollten vor mehreren Jahren eine eigene kleine Ölpalmplantage anlegen. 96 Hektar Land erwarben sie rund um Sungai Kelik. Davon liessen sie un-gefähr 50 Hektar für nachhaltige Produktion zertifizieren. Dann tauchte die Bumitama-Gruppe auf. «Vor vier Jahren hat uns der Konzern mehr als ein Drittel unseres Landes weggenommen», erzählt Aby Lei. «Wir haben unseren Fall nach Disbun zur Forstschutzbehörde gebracht. Doch bis heute haben wir keine Antwort erhalten.» Um zumindest das Land um sein Haus und den Brunnen zu sichern, hat er aufgrund seiner Dokumente eigene Grenzpfähle machen lassen. Wie gut ihn das schützt, ist noch offen.

Derweil wachsen die Ölpalmen der Plantage um sein Haus jedes Jahr etwa einen halben Meter höher. Wo zwi-schen den kleinen Ölpalmen heute noch Maniok und Ge-müse wächst, wird bald ein düsteres Blätterdach den Boden überdecken. Da ist an Landwirtschaft zum Anbau für das tägliche Essen nicht mehr zu denken. Kommt hinzu, dass auf den Plantagen viel Dünger und Hilfsstoffe eingesetzt werden und regelmässig alles Unterholz weggeräumt wird. Tiere finden kaum mehr Nahrung und Schutz. Wie sich das auf den Brunnen der Familie auswirkt, ist ungewiss: Schon heute müssen Ayu Aby und ihre drei Buben das Wasser für die Familie mit einem Schlauch tiefer aus dem Boden holen.

Unterstützung ist nötig

Wie der Familie Lei geht es vielen. Allein in der Provinz West-Kalimantan besitzen 411 Palmöl-Konzerne eine Be-willigung für Plantagen. Zusammen mit Firmen für Holz-

DOSSIER

Palmöl-Konzerne pflanzen in West-Kalimantan

immer mehr Ölpalmen an. Das bedroht die Existenz

der Dayak, der ursprünglichen Bevölkerung. Walhi,

eine Partnerorganisation von Brot für alle, kämpft

gemeinsam mit den Betroffenen für ihre Rechte.

Es ist eine holperige und lange Fahrt bis zur Familie von Pak Aby Lei. Nach jedem Regenguss steht das Wasser vielerorts wadentief. Auf dem Motorrad, mit dem Aby Lei und seine Familie zu ihrem Haus kommen, gibt es oft nas-se Füsse. Ihr ständiger Begleiter ist das Grün der Ölpalmen. Kleine, grössere, in Reih und Glied – bis dicht an ihr Haus. Die Plantage rund um das einfache Holzhaus der Familie in Sungai Kelik im Südwesten von Kalimantan wird von der Bumitama Gunajaya Abadi Group betrieben. Sie ist eine der grossen Firmen im indonesischen Palmölgeschäft.

INDONESIEN

Ein Meer von Ölpalmen bedrängt die BevölkerungUrs Walter

Vor fünf Jahren wurde der Familie Aby ein grosser Teil ihres Landes weggenommen. Bis fast

ans Haus hat der Konzern Bumitama Ölpalmen gepflanzt. Das wirft Schatten auf die Zukunft

der Familie (von links: die Mutter Ayu Aby und die drei Buben Noel, Lodi und Buma).

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schlag und Bergbau beanspruchen sie über 5,5 Millionen Hektaren Land. Das sind 85 Prozent der gesamten Fläche von West-Kalimantan – oder rund ein Fünftel mehr Fläche als die ganze Schweiz umfasst. Die Kultur und die traditio-nelle Lebensweise der Dayak, der ursprünglichen Bevölke-rung der Region, werden verdrängt. Ihre Lebensgrundlage wird vernichtet. Dagegen wehren sich die Menschen in vie-len Dörfern. Denn ist der Wald weg, wo früher gejagt und gefischt wurde und viele gesunde Pflanzen wuchsen, fehlen jeden Tag wichtige Nahrungsmittel. Walhi, die Partneror-ganisation von Brot für alle, unterstützt den Widerstand der Betroffenen. Das ist wichtig, unterstreicht Aby Lei: «Bislang hat die Regierung keine Anzeichen gemacht, unsere Proble-me zu lösen und uns im Kampf um unser Land gegen Bu-mitama zu helfen». Wie nötig das ist, unterstreicht Anton P. Widjaya, Direktor von Walhi West-Kalimantan. «Auf Land-rechte oder Schutzgebiete zu achten, würde die Palmölkon-zerne nur in ihrem Geschäft stören.»

Im Dayak Kosmos aufgehobenDarum wehrt sich auch die Bevölkerung von Sungai

Utik, einem Dorf des Dayak-Volkes der Iban. Sie will ver-wurzelt bleiben in der traditionellen Lebensweise und aufge-hoben im Kosmos der Dayak. Dieser baut auf einem Leben in Harmonie mit der Umwelt. Die traditionellen Sitten und Regeln sorgen dafür, dass der Wald erhalten bleibt, die Tro-ckenreisfelder nach bestimmten Riten vorbereitet, bepflanzt und geerntet werden. Davon erzählt der 87-jährige Abay Janggut. «Ich sah, wie sich die Welt veränderte und wie es heute vielen unmöglich ist, frisches Wasser zu finden, die Trockenreisfelder zu bearbeiten und auf die Jagd zu gehen.»

Mit seiner Weisheit und als ehemaliger Chef des Dorfes ist er noch immer Hüter der traditionellen Rechte und Ge-bräuche. Sie heissen Adat und geben Kraft für den Kampf gegen die Palmölkonzerne. «Die Erde ist unsere Mutter, der Wald unser Blut und unser Atem», erklärt Janggut. «Wie können wir ohne Land und mit zerstörter Umwelt Lösungen für unser Leben in der Zukunft finden? Wenn du dein Land an das Unternehmen gibst, heisst das, dass du dich selber tö-test, denn du wirst dein Land für immer verlieren. Möchtest du dein Land behalten, solltest du es bepflanzen, um es vor den Unternehmen zu schützen.»

Janggut findet auch viel Unterstützung bei den Jungen im Dorf. Und darüber hinaus: sein Name und sein Enga-gement wirken bis über die Grenze von Indonesien nach Malaysia. Im Nachbardorf Ulak Pauk, ereifert sich Marse-lus Alek, Leiter einer Gruppe von jungen Bewohnern: «Wir sind gegen die Ölpalmplantagen, weil wir sehen, wie unfair sich der Konzern Rimba Utara benimmt. Er kam in unser Dorf, ohne uns zu informieren. Nie suchten die Manager un-sere Zustimmung. Unser Dorf liegt mitten in der geplanten Plantage, sie stehlen uns unsere Landrechte. Vermutlich hat sich Rimba Utara unser Land ohne Erlaubnis angeeignet.» Mit einem Manifest versuchen sie die Aufmerksamkeit der indonesichen Regierung auf diesen Landraub zu lenken. Doch diese ist weit weg in der Hauptstadt Jakarta. Darum braucht es auch da die Hilfe einer landesweit tätigen Orga-nisation wie Walhi.

Als weiser Dorfältester tritt Abay Janggut für die traditionelle Kultur der einheimischen

Dayak ein.

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Die Jäger und Sammler der Dayak leben eine vielfältige Naturreligion: Die langen Stangen auf

den Gedenkstätten weisen den Seelen der Verstorbenen den Weg zum Himmel.

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Land im ersten TestamentDer christlich-jüdische Schöpfungsmythos gründet ei-

ner agrarisch geprägten Gesellschaft. Seine Bilder entspre-chen eher der heutigen Lebensrealität vieler Menschen in Entwicklungsländern: Denn die Schöpfungsgeschichte zieht eine direkte Linie von der Existenz des Menschen zu seiner Verbundenheit mit der Erde. Bereits bei seiner Entstehung wird der Mensch demnach aus Erde geformt. Das zeigt sich auch in seinem Namen: Adam, hebräisch Mensch, wird vom Wort «adamah», hebräisch Ackerboden, abgeleitet. Die Erde zu bebauen und zu bewahren, wird gleich darauf zu seinem gottgegebenen Auftrag.

Auch der Erdboden als Lebensraum wird in etlichen Schriften des ersten Testamentes behandelt. Die Landver-heissung als Motiv in der Geschichte Israels beginnt bei Ab-raham, wird gegenüber Mose beim Auszug aus Ägypten er-neuert und nach dem Einzug ins Land durch die Erfahrung des Exils wieder in Frage gestellt. Dabei zeigen sich drei für die biblische Überlieferung bezeichnende Merkmale:

Land zu bewohnen, ist keine Selbstverständlichkeit: Das verheissene Land bleibt das Land der Fremdling-schaft: «Ich gebe dir und deinen Nachkommen das Land, in dem du als Fremder verweilst» Gen 17,8 (auch Gen 37,1; Ex 6,4). Überhaupt ist es interessant, dass in der Bibel vor allem über das nicht vorhandene und daher ersehnte Land nach-gedacht wird. Für Heimattümelei und religiöse Überhöhung («Gods own country», oder gar «Blut und Boden») eignen sich biblisch diese Texte also grundsätzlich nicht.

Land ist eine Leihgabe: Die Schöpfungsgeschichte, aber auch die Landverheissungen formulieren es so, dass es Gott ist, der dem Menschen seinen Lebensraum schafft, und dass Gott diesen dem Menschen zur Verfügung stellt. Selbst als das Volk Israel nach vierzig Jahren Wanderschaft schliess-lich an der Schwelle zum verheissenen Land steht, heisst es noch: «Wenn nun Adonaj, deine Gottheit, dich in das Land bringt und es dir gibt…» (Dtn 6,8-10). Da es Gott ist, der dem Volk Israel das Land gibt, ist es aus theologischer Sicht deshalb stimmiger, von «Landgabe» statt «Landnahme» zu reden, wie es im theologischen Diskurs lange üblich war. Dazu passt auch der Charakter der ersten «Eroberungen» im

Boden ist heute nur noch für wenige Menschen in

der Schweiz die direkte Lebensgrundlage. Anders in

der Zeit, als die biblischen Geschichten entstanden.

Immer wieder gehört auch Streit um das – von Gott

gegebene – Land und seine Nutzung dazu.

Noch viele unserer Grosseltern lebten direkt von der Landwirtschaft. Nicht viel weiter zurück galt die mittelal-terliche «Schollenpflicht», die unfreie Bauern zur Bebauung eines dem Gutsherren gehörenden Acker verpflichtete. Heu-te verlangt die industrielle Produktion nach Mobilität der Arbeitskräfte – der direkte Bezug zum Boden als Ort, wo die Nahrungsmittel herkommen, verschwand. Doch Land bleibt trotz Industrialisierung und Mobilitätsgesellschaft als nährende Erde und als Grund einer Wohnstatt in doppeltem Sinne unsere Lebensgrundlage.

LEIHGABE BODEN

Land soll dem Leben dienenJan Tschannen *

«Ins Land der Baumgärten habe ich euch gebracht, damit ihr seine Früchte und was es Gutes

bietet, essen konntet» (Jer 2,7). Früchte einer Ölpalme als Symbol der für Gott grundlegenden

Sorgfalt im Umgang mit Land.

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verheissenen Land unter Josua: Die «Eroberung» Jerichos hat eher liturgischen als militärischen Charakter. Das heisst, es war Gottes Wille, dass Jericho den Israeliten zufiel, und aus-drücklich nicht aufgrund einer militärischen Überlegenheit.

Fragen bezüglich des Landes betreffen immer auch Gottes eigene Interessen: Das Verhältnis der Israeliten zu Gott als befugte «Mieter» seines Landes regelt auch das Be-sitzrecht – «Das Land darf nicht unwiderruflich verkauft werden.» (Lev 25,23) –, die Zinsen – die Erstlingsgabe der Ernte in Dtn 26 – oder das Erbrecht – etwa der Frauen (Num 36,1-12). Die «Vermieterrolle» Gottes geht aber über das rei-ne Bodenrecht hinaus. Sie hat auch eine klare ethische Im-plikation, wie sein Land und was sich darauf befindet, be-handelt werden soll. «Und ins Land der Baumgärten habe ich euch gebracht, damit ihr seine Früchte und was es Gutes bietet, essen konntet.» (Jer 2,7) Gerade deshalb soll das Land besonders den Armen zur Verfügung stehen (vgl. Ps 37 und Mt 5,5).

Mächtige raffen Land – noch heuteDas Phänomen, das wir heute als «Land Grabbing» be-

zeichnen – Mächtige, die sich zur eigenen Bereicherung Land aneignen – kommt ähnlich in der Bibel schon vor. Elias berichtet etwa vom Raub eines Weinberges des Nabot durch König Ahab (1. Könige 21) und Samuel warnt das Volk davor,

Gott durch einen menschlichen König zu ersetzen, der ihnen ihre «besten Felder, Weinberge und Olivengärten» nehme (1. Sam 8,14).

Auch heute führt die Aneignung von Land durch Mäch-tige zu denselben Problemen: Betroffene können sich nicht mehr selbst ernähren. Land soll dem Leben dienen und nicht dem Profit, lautet deshalb die zentrale Forderung der Öku-menischen Kampagne 2017. In Indonesien zum Beispiel sind zehntausende Quadratkilometer von Land Grabbing betrof-fen, Schweizer Banken sind dabei an der Finanzierung betei-ligt (Beitrag Seite 4).

Dem lässt sich etwas entgegensetzen: Mit der Aktion Neuland werden leere Paletten oder andere Behälter zu Par-zellen voller Leben. Etwas gute Erde einfüllen, Samen säen, und schon bald spriesst das Grün. So kommen wir selbst wieder mit der Erde in Kontakt und lernen, was für ein kostbares Gut sie ist. Zugleich erfahren wir dabei, wie sich Kleinbauernfamilien weltweit gesund, ressourcenschonend und selbstbestimmt ernähren können. Vor der Kirche oder dem Gemeindehaus platziert, lässt sich öffentlich darauf auf-merksam machen, wo wir in der Schweiz ansetzen könnten, damit Menschen weltweit ihr Land zum Leben bleibt. (siehe www.sehen-und-handeln.ch/neuland)

* Jan Tschannen, Brot für alle, Bildung und Theologie

Roden, entwässern, planieren, anpflanzen – so machen Investoren aus Boden mit vielfältigem Regenwald eintönigen Ölpalm-Monokulturen.

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ÖKUMENISCHE KAMPAGNE

«Alle sollen das Land für ihr Leben nutzen können»

Urs Walter

Viele Fakten für die Ökumenische Kampagne 2017

hat Walhi, die Partnerorganisation von Brot für alle

in Indonesien, zusammengetragen. «So helfe ich,

die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu verbes-

sern», erzählt Direktor Anton P. Widjaya.

«Gute Lebensbedingungen für die ganze Bevölkerung zu ermöglichen», das leitet den 40-Jährigen in seiner Arbeit als Direktor von Walhi. «Alle sollen das Land für ihr Leben und das Leben der nachfolgenden Generationen nutzen können. Doch heute raffen Konzerne riesige Landflächen zusammen und zerstören die Umwelt. Quadratkilometer um Quadrat-kilometer werden für Plantagen gerodet, immer zahlreicher sind die Bergbaukonzessionen.» Das betrübt Widjaya: «Land Grabbing führt zu Umweltzerstörung, immer wieder werden die Rechte der Menschen verletzt. Und den vielen Landlosen fehlt die Lebensgrundlage. Diese Art Entwicklung geht zu Lasten vieler Menschen.»

«Gute Lebensbedingungen für alle»Diese Erfahrungen spornen Widjaya und das ganze

Walhi-Team in Pontianak, der Hauptstadt von West-Kali-mantan, an. Es gehört zum Walhi-Netzwerk von Indonesien. Hunderte von Einzelmitgliedern und Trägerorganisationen kämpfen für eine menschliche und umweltnahe Entwick-lung und gegen Land Grabbing. «Gemeinsam setzen wir uns für den Traum einer nachhaltigen Entwicklung hin zu guten Lebensbedingungen für alle ein. Wir geben nicht auf», bleibt Widjaya trotz allem geduldig. Als Forstwart mit einem Ab-schluss in Waldbewirtschaftung wisse er, dass gute Entwick-lungen Zeit brauchen.

Bei der Arbeit in den Dörfern hört Walhi den Wunsch der Bevölkerung nach Verbesserungen. Doch die Dayak auf dem Land wollten nicht die heutige Art Entwicklung, son-dern eine nachhaltige und klimaschonende Verbesserung ihrer Lebensbedingungen. «Das ist auch mein Traum!», be-kräftigt Widjaya. Und er fordert die Regierung und die Un-ternehmen auf, bei den Veränderungen in Kalimantan auf der Insel Borneo an das traditionelle Sittenrecht Adat der Dayak anzuknüpfen. «Adat verpflichtet auch zum Schutz des Landes und des Waldes. Konkret heisst das zum Beispiel, dass bei der Brandrodung einer kleinen Parzelle die angren-zenden Flächen geschützt werden und ständig jemand das Feuer beaufsichtigen muss. Diese Regeln müssen wieder für alle gelten (siehe Beitrag Seite 6).» Aber Walhi fordert auch Palmölfirmen auf, für faire Arbeitsbedingungen auf den Plantagen zu sorgen. In beiden Fragen unterstütut die Bevöl-kerung vor Ort Walhi, damit sie sich für ihre Lebensgrund-lagen wehren kann.

Wissen in die Dörfer bringen«Wir bringen aber auch Wissen in die Dörfer. So hel-

fen wir, das Land der Gemeinden zu kartographieren. Den Prozess nennen wir «participatory mapping». Dank diesem Prozess wissen die Menschen besser über das Land und die Grenzen ihres Eigentums Bescheid. Und sie kennen auch das wirtschaftliche Potenzial des Bodens und des Waldes.» Dahinter stecken laut Widjaya üble Erfahrungen: «In der Regel bezahlen die Palmölkonzerne einen fixen Preis pro Fläche Land. Der Nutzen von Wald und Feld für die Jäger und Sammlerinnen gilt wenig, der Wert des Holzes wird kaum einbezogen. Oft bringt der Verkauf des Holzes so viel Geld, wie der Konzern allein für das Land bezahlt hat. Er hat das Land also gleichsam geschenkt erhalten.» uw

Fotos für Aktion Neuland senden Die Aktion Neuland soll auch online sichtbar werden: Bitte auf www.sehen-und-handeln.ch/neuland anmelden und Fotos zusenden.

Veranstaltungen finden Nichts verpassen!: Auf www.sehen-und-handeln.ch/veranstaltungen finden sich Termine mit dem Kampagnengast Kartini Samon und des Impulstheaters «Gier».

Anton P. Widjaya, Direktor von Walhi West-Kalimantan .

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11contigo Nr.1 | 2017

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GUATEMALA

Warum der Kauf von Rosen Bauern mehr Mais bringt

Spenden aus der Rosenaktion machen Kleinbauern-

familien in Guatemala neuen Mut. Sie vermochten

auch ein Gesetz stoppen, das ihnen verboten hätte,

ihre eigenen Saatgutsorten anzubauen, zu tauschen

und zu verkaufen.

Guatemala ist in vielem ein armes Land. Umso wich-tiger ist die Unterstützung von Bäuerinnen und Bauern, damit sie ihre Ernährung besser sichern und sich für ihre Rechte wehren können. Oft ist es ein Kampf von David gegen Goliath: Agrarkonzerne wie Monsanto, Syngenta oder Bayer treiben Kleinbauernfamilien in Mittel- und Südamerika in die Abhängigkeit. Ihr Trick: Sie versprechen höhere Erträge und bieten den Menschen ihr – oft gentechnisch verändertes – Saatgut zu Lockvogel-Preisen an. Doch auf die Verheissun-gen folgt bald Ernüchterung: Verwendet man nicht den rich-tigen Dünger und die passenden Pestizide, bleiben die hohen Erträge aus. Zudem bringt solches Saatgut nur ein bis zwei Jahre genügend Ertrag. Danach muss Neues gekauft werden. Anders die lokalen Sorten, aus denen Jahr für Jahr eigenes Saatgut gewonnen und dabei verbessert werden kann.

Gesetz gegen Saatgut verhindertDoch viele Kleinbauern verfügen nicht über ausreichend

finanzielle Reserven, um neues Saatgut sowie teure Dün-ger und Pestizide zu kaufen. Sie verschulden sich, Ruin und Armut sind die Folge. Umso schlimmer, wenn dann der Staat noch einseitige Gesetze erlassen will, wie in Guatemala. Bäuerinnen und Bauern wäre verboten worden, ihre eigenen Saatgutsorten anzubauen, zu tauschen und zu verkaufen. Den Nutzen dieses «Monsanto-Gesetzes» hätten internatio-nale Saatgutkonzerne wie Syngenta und Monsanto gehabt, die ihr Hightech-Saatgut auf den Markt bringen und mit Patentrechten schützen wollten.

Doch was die Regierung beschloss, wurde 2014 nach massiven Protesten der Bäuerinnen und Bauern sowie der indigenen Bevölkerung gestoppt. Für die indigene Bevöl-kerung war klar: Mais ist nicht nur das wichtigste Grund-nahrungsmittel der Menschen in der Region. Mais ist für sie auch eine zentraler Teil ihrer Kultur und Spiritualität und unverzichtbarer Teil der Maya-Zeremonien. Mais ist für die Maya eine heilige Pflanze. In ihren Schöpfungsmythen wur-den die Menschen aus Mais geformt, sie selber bezeichnen sich als Hombres de Maíz, Menschen aus Mais.

Ökumenische Kampagne für ProjekteMit Projekten in Guatemala unterstützt Brot für alle

Bäuerinnen und Bauern, damit sie ihre Kultur bewahren und ihre Rechte schützen können. Oft weiss die indige-ne Bevölkerung zu wenig über das gentechnisch verän-derte Saatgut und die Ziele von Konzernen. Da schaffen Aufklärungs- und Bildungskampagnen Abhilfe. Auf politischer Ebene macht die Partnerorganisation Redsag zum Beispiel Vorschläge für Gesetzesentwürfe oder betreibt politische Lobbyarbeit zugunsten der Bauernfamilien. Die-ses Jahr werden mit dem Erlös der Rosenaktion der Ökume-nischen Kampagne Projekte von Brot für alle und Fasten-opfer unterstützt. uw

Spenden: mit Rosen-App Give-a-Rose oder auf das PC 40-984-9, für Projekt 835.8070 Guatemala, Auskunft Maria Dörnenburg, 031 380 65 62, [email protected]

Besseres Saatgut, ertragreichere Pflanzen: Auch die traditionellen Züchtungen der Bauern-

familien in Guatemala bringen Erfolg, zeigt Biobauer. Don Adolso

«Mutter Erde hat uns viele Sorten Mais geschenkt.

Die Saatguthersteller wollten uns verbieten, unseren

Mais anzubauen. Dagegen haben wir uns gewehrt.

Unser Mais ist uns heilig, er ernährt uns.»

Dolores Delgado, Bäuerin, Guatemala

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12 contigo Nr.1 | 2017

BENIN

«Gerechtigkeit baut man nicht in zwei Wochen»

Mathias Raeber *

Sprudelndes Wasser und lachende Kinder – wir ken-

nen solche Bilder von geglückter Entwicklung. Aber

wie wird der Erfolg in Landrechtskonflikten gezeigt?

Gerechtigkeit sprudelt leider nicht, sie tröpfelt lang-

sam – auch nach einem Gerichtsentscheid.

«Ihr seid die Löwen, die uns im Kampf gegen den Landräu-ber helfen.» Mit diesem Satz begrüsst uns der Dorfälteste. Das halbe Dorf versammelt sich im Schatten kühler Bäume auf dem Dorfplatz von Gbaouété zum Treffen mit Synergie Pay-sanne (Synpa), einer Partnerorganisation von Brot für alle. Rundherum ist alles grün. Es wachsen Orangen- und Man-darinenbäume. Das Dorf wird eingerahmt von hohen Kokos- und Ölpalmen – es scheint ein kleines Paradies zu sein.

Die Kinder von Gbaouété: Vor 15 Jahren waren sie noch nicht geboren – doch heute leiden sie darunter, dass die Plantage ums Dorf illegal verkauft wurde.

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Doch Land Grabbing wirft auch hier einen grossen Schatten: Das Bauernkollektiv betrieb auf rund 220 Hekta-ren fruchtbare Plantagen. Mit dem Erlös lebten die Familien gut und konnten eine Schule, eine Strasse und eine Gesund-heitsstation bauen. Doch 2002 verkaufte der Bürgermeister der nahen Stadt das Land an einen Bodenspekulanten. Das geschah illegal, die Dorfbewohner wurden weder einbezo-gen noch entschädigt.

Seit 15 Jahren ohne LandDieser Landraub zog den Menschen in Gbaouété im

wahrsten Sinne des Wortes den Boden unter den Füssen weg. Seit 15 Jahren leben sie von den wenigen Hektaren, die ihnen geblieben sind. Ihre einstigen Plantagen werden nicht gepflegt und die Bauernfamilien dürfen sie nicht betreten.

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13contigo Nr.1 | 2017

FILMTIPP

Plantagen bedroht ihr Zuhause

Die Geschwister Pia und Mogi leben in Indonesien in ei-nem Dorf auf der Insel Borneo. Schon von klein auf lernen sie, wie wichtig der Wald für sie ist: Sie finden darin Nah-rung und Baumaterial für ihre Häuser.

Doch nun ist ihnen von dem einst unendlichen Urwald nur noch ein kleines Stück geblieben. Der Rest wurde abge-holzt, um Ölpalmplantagen Platz zu machen: Das Fett der Ölpalme ist in Europa sehr beliebt, es steckt in Fertigpizzen, Lippenstiften, Kuchenteig, Sonnencreme und vielem mehr. Pia und Mogi und ihr kleiner Bruder wünschen sich, dass europäische Kinder eigene Fette essen, damit ihre Heimat nicht weiter zerstört wird.

Kinderfilm von Inge Altemeier, Deutschland 2010/2016, 9 Min., ab 10/12 Jahren

Nur Video on Demand (VOD) erhältlich: www.filmeeineweltvod.ch

Gratis unter «Materialien» für die Ökumenische Kampagne 2017: https://sehen-und-handeln.ch/fuer-pfarreien-und-kirchgemeinden/materialien-angebote/filme/ - palmoel-aus-indonesien-bedrohung-fuer-pias-und-mogis-zuhause

Sie müssen zusehen, wie die Früchte verderben. Statt Freude und Verdienst heisst das Armut. Die Jungen suchen in der angrenzenden Stadt nach Einkommensmöglichkeiten.

Lange Jahre wehrte sich das Dorf vergebens. Seit 2012 versucht der nationale Bauernverband Synpa mit der Hilfe von Brot für alle das Land für das Bauernkollektiv zurückzu-gewinnen. Mit einigem Erfolg: Ein Gericht hat den Landver-kauf als illegal eingestuft; der damalige Bürgermeister steckt seit 2015 im Gefängnis. Die Rückgabe des Landes scheint eine Formalität – doch die Familien warten noch immer.

Landrechtskonflikte brauchen langen AtemDerweilen bleibt viel Not: Familien haben kein Geld, um

Medikamente zu kaufen, oft reichen die Mittel kaum für die Schule; manchmal fehlt das Essen für das Frühstück der Kinder. Mit Nahrungsmitteln wäre kurzzeitig geholfen – in zwei Wochen wären sie geliefert. Aber das Hauptproblem von Gbaouété wäre noch immer nicht gelöst, die himmel-

Bread for all – auch mitenglischsprachiger Webseite

Für viele unserer Partnerorganisationen ist Englisch die Hauptsprache. Ebenso veröffentlichen wir viele Grundla-genpapiere auf Englisch. Und weil nicht nur beim Stichwort Land Grabbing weltweit Nichtregierungsorganisationen und offizielle Stellen zusammenarbeiten, gibt es bei Brot für alle jetzt auch die Webseite «Bread for all». Nicht alles wird über-setzt, doch wesentliche Unterlagen finden Sie künftig auf:

www.breadforall.ch (oder via www.brotfueralle.ch/e)

NACHRICHTEN

Newsletter für KirchgemeindenHaben Sie den Newsletter von Brot für alle für Kirchge-

meinden schon abonniert? Er bringt Ihnen regelmässig Neu-es aus unserer Arbeit, Studien oder Untersuchungen und den Angeboten von Brot für alle für die Kirchgemeinden. Kurz und kompakt erhalten Sie die Hinweise, mitsamt den weiter-führenden Links. uw

https://brotfueralle.ch/fuer-kirchgemeinden/

schreiende Ungerechtigkeit bliebe bestehen: Den Menschen wurde ihre Lebensgrundlage gestohlen – ihr Land.

Das zerreisst mir fast das Herz, denn es wirft auch grundsätzliche Fragen auf. Das Ziel von Brot für alle ist, die Ursache der Not zu lindern. Dazu gehört der Kampf gegen Land Grabbing – konkret in Gbaouété in Benin, aber auch in der Schweiz, wenn zum Beispiel eine Initiative unterstützt wird, um Konzerne darauf zu verpflichten, bei ihren Ge-schäften weltweit die Menschenrechte einzuhalten. Solche Anstrengungen gegen Land Grabbing brauchen aber Ge-duld, auch wenn die Not bleibt. Umso beeindruckender ist, dass die Bauernfamilien in Gbaouété seit 15 Jahren kämpfen. Es braucht zumindest ein Löwenherz, dass sie ihre Hoffnung nicht aufgeben. Brot für alle unterstützt die Familien dabei auch wenn man nicht abschätzen kann, wie lange dieser Kampf noch andauern wird.

* Mathias Raeber, Brot für alle, Fundraising Direct Marketing

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14 contigo Nr.1 | 2017

NOTHILFE

Haiti kommt nicht zur Ruhe

Bettina Filacanavo

Letzten Herbst hat der Hurrikan «Matthew» grosse

Landstriche im Südwesten Haitis verwüstet. Über

2,8 Millionen Menschen sind auf Hilfe angewiesen.

HEKS leistet mit finanzieller Unterstützung der

Glückskette Nothilfe.

Rund achtzig Prozent der Bevölkerung in Haiti leben un-ter der Armutsgrenze, gut fünfzig Prozent sogar in extremer Armut. Mehr als sechzig Prozent der Bevölkerung können ihre Grundbedürfnisse nicht decken, über die Hälfte der Er-wachsenen ist arbeitslos. Ursachen für die prekäre Situation sind nicht nur die schwache Wirtschaft und die instabile po-litische Lage, sondern auch Naturkatastrophen, welche die Lebensgrundlagen der Bauernfamilien immer wieder zer-stören. So hat der Hurrikan «Matthew», der letzten Herbst mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 230 km/h über Haiti fegte, hunderte Tote gefordert und Häuser, Strassen und den Grossteil der Vegetation zerstört. Die Landwirtschaft und somit das Einkommen der ländlichen Bevölkerung der Pro-vinz Grand’Anse lagen in kürzester Zeit am Boden.

Sauberes Trinkwasser und «Cash for work»HEKS war nach dem Hurrikan als eine der ersten inter-

nationalen Hilfsorganisationen vor Ort und stellte mit finan-zieller Unterstützung der Glückskette ein Nothilfe-Projekt im Umfang von 2,5 Millionen Franken auf die Beine. Um einer drohenden Cholera-Epidemie vorzubeugen, verteilte HEKS Wasser-Reinigungstabletten an die Bevölkerung. Bis Ende April 2017 legt HEKS nun gemeinsam mit der Bevöl-kerung mehrere Trinkwasserquellen frei, die seit dem Sturm nicht mehr zugänglich sind, um die Trinkwassersituation auch längerfristig zu verbessern.

Rund 3500 Familien aus 26 Dörfern in der Grand’Anse können sich zudem ein Einkommen erarbeiten und 50 US-Dollar verdienen, indem sie während zehn Tagen Wege und Strassen wieder passierbar machen. Das erlaubt ihnen, sich einen Monat lang auf den lokalen Märkten mit Lebensmit-teln zu versorgen oder Plastikplanen und Wellbleche zu kaufen. Die Sanierungsarbeiten kurbeln so auch die lokale Wirtschaft an und nützen der ganzen Region. Familien mit schwangeren Frauen, behinderten oder älteren Menschen, die sich an den Aufräumarbeiten nicht beteiligen können, erhalten von HEKS ohne Gegenleistung eine einmalige Aus-zahlung von 150 US-Dollar.

Saatgut verteiltIn der Provinz Grand’Anse, wo der Hurrikan die gröss-

ten Schäden angerichtet hat, arbeitet HEKS bereits seit meh-reren Jahren mit Kaffee- sowie Kakao-Produzentinnen und Produzenten zusammen. Alte Kakaobäume, Kaffeesträucher und viele Fruchtbäume haben den starken Hurrikan jedoch nicht überstanden. Bis zu achtzig Prozent der Bäume liegen am Boden, und auch die Ernten auf den Feldern und in den Gemüsegärten wurden vernichtet.

Damit sich die Menschen nach dem Sturm schnell wie-der ein Einkommen erarbeiten und mit Lebensmitteln auf dem Markt eindecken können, verteilte HEKS im November und Dezember 2016 gemeinsam mit lokalen Partnerorgani-sationen Saatgut an rund 6000 Familien. Das Saatgut wur-de auf lokalen Märkten in anderen Landesteilen, die vom Hurrikan weniger betroffen sind, eingekauft. So konnten die Menschen bereits Ende Januar wieder Gemüse ernten.

Renovation SchulhäuserBis Ende April 2017 werden zudem sechs vom Sturm

zerstörte Schulhäuser repariert. Zehn weitere Schulhäuser sind zu stark beschädigt und Renovationsarbeiten lohnen sich nicht. Für die Schülerinnen und Schüler werden aus dem Sturmholz Provisorien errichtet, damit sie wieder den Unterricht besuchen können. HEKS hat in den letzten Jah-ren unter anderem den Bau von 26 Schulhäusern unterstützt und seither auch den Schulbetrieb begleitet. Mehrere die-ser Zentren dienen bis auf Weiteres als Notunterkünfte für Dutzende von Familien, die kein Dach mehr über dem Kopf haben.

Spendenkonto: 80-1115-1, Vermerk «Haiti».

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HEKS hat in den letzten Jahren mehrere Schulhäuser gebaut. Diese dienen bis auf Weiteres

Dutzenden von Familien als Notunterkunft.

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15contigo Nr.1 | 2017

NAHER OSTEN

Not lindern – Kirchen stärken

Olivier Schmid

Seit mehreren Jahren unterstützt HEKS syrische

Flüchtlingsfamilien im Libanon und Nordirak. Seit

2016 leistet HEKS auch Nothilfe für die notleidende

Bevölkerung in Aleppo und stärkt reformierte Kir-

chen im Nahen Osten in ihrer Friedensarbeit.

Seit 2011 tobt in Syrien ein Bürgerkrieg zwischen ver-schiedenen Rebellengruppen und den syrischen Regie-rungstruppen. Bisher haben mehr als eine Viertelmillion Menschen ihr Leben verloren, 11,4 Millionen Menschen sind geflüchtet, davon rund 4,8 Millionen in die angrenzenden Länder.

Lebensmittel und Wolldecken in AleppoEinst eine blühende Millionenmetropole, ist Aleppo

in den letzten Monaten in Trümmern versunken und zum Schauplatz einer der schlimmsten menschlich verursachten Katastrophen weltweit geworden. Der mit beispielloser Bru-talität und Rücksichtslosigkeit geführte Kampf um die Stadt

hat Tausende von Menschenleben gekostet. Die Not der Zi-vilbevölkerung ist unbeschreiblich, die Versorgungslage ins-besondere im Ostteil der Stadt katastrophal. Die Menschen haben kaum mehr Zugang zu Lebensmitteln, Wasser oder Medizin. Die humanitäre Lage hat sich im Winter noch verschärft.

HEKS finanzierte deshalb von Dezember 2016 bis Febru-ar 2017 die Verteilung von Lebensmitteln und warmen De-cken an die Bevölkerung in Ost-Aleppo, um ihr Überleben zu sichern. Die HEKS-Partnerorganisation Forum for De-velopment, Culture and Dialogue (FDCD) und ihre kirch-lichen Partner verteilten an 1800 Familien oder rund 9000 Personen Nahrungsmittelpakete mit Zucker, Tee, Sardinen, Thunfisch, Mortadella, Halawe, Käse und Olivenöl. 300 be-sonders bedürftige Familien erhielten warme Wolldecken, um sich gegen die kalten Wintertemperaturen zu schützen.

Die soziale Verantwortung der Kirchen stärkenWegen des Bürgerkrieges ist eine friedliche Koexistenz

von Menschen verschiedener Religionen in vielen Regionen kaum mehr möglich. Von den früher 1,8 Millionen in Syrien lebenden Christen haben rund eine Million das Land ver-lassen. Die christliche Minderheit ist für eine durchmischte Gesellschaft und das friedliche Zusammenleben im Nahen Osten jedoch wichtig und hat weit über die Kirchen hinaus eine grosse Bedeutung. Gerade gemässigte muslimische Menschen haben Interesse an einer christlichen Präsenz in der Region. Die Kirchen sind ihre Verbündeten gegen die Erstarkung und den Vormarsch radikaler islamischer Gruppierungen.

Im Rahmen einer bis Ende 2017 dauernden Pilotphase unterstützt HEKS daher zwei protestantische Kirchen in Syrien und im Libanon, die dem Fellowship of Middle East Churches (FMEEC) angehören und die christliche Präsenz in der Region stärken. Die National Synod of Syria and Lebanon (NESSL) und die Union of Armenian Evangelical Churches in the Near East (UAECNE) fördern das kirchliche Leben in den Gemeinden, stärken die soziale Verantwortung der Kirchen für die gesamte Bevölkerung und fördern den Dialog mit anderen Kirchen. HEKS unterstützt Kinder und Jugendliche mit Schulschwierigkeiten – darunter Christen, Muslime, Libanesinnen, Armenier, Flüchtlinge und Migran-tinnen – mit Nachmittagsschulen und Freizeitprogrammen. Freiwillige erzählen den Jugendlichen biblische Geschichten, bieten handwerkliche Aktivitäten an und leiten gemeinsame Spiele. Rund dreimal pro Jahr führen die Kirchgemeinden Ferienlager und andere spezielle Anlässe durch.

Helfen Sie mit und unterstützen Sie die notleidende Bevölkerung im Nahen Osten. Ihre Spende kommt unseren Projekten in Syrien, Libanon und Nordirak zugute.

Spendenkonto: 80-1115-1, Vermerk «Sammelprojekt 301070».

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HEKS verteilt der notleidenden Bevölkerung in Ost-Aleppo gemeinsam mit seiner Partner-

organisation Forum for Development, Culture and Dialogue Lebensmittel und warme Decken.

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16 contigo Nr.1 | 2017

SÜDSUDAN

Eine vergessene Katastrophe

Olivier Schmid

Mittlerweile hat der Bürgerkrieg im Südsudan die

Region Yei River im Südwesten des Landes erreicht.

Seit Monaten sind 100 000 Menschen in der Stadt

Yei blockiert, die Sicherheits- und Versorgungslage

ist prekär. HEKS leistet mit Partnern Nothilfe.

Der seit 2013 anhaltende bewaffnete Konflikt im Süd- sudan zwischen dem Machthaber Salva Kiir und dem ehe-maligen Vizepräsidenten Riek Machar hat bereits mehr als 2,6 Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben. Eine Million Menschen sind in die Nachbarländer geflüchtet, 1,6 Millionen in andere Regionen des Landes. Nach den geschei-terten Friedensverhandlungen hat die Gewalt im Juli 2016 zum ersten Mal seit Beginn des Konflikts auch den Bezirk Yei

River südwestlich der Hauptstadt Juba erreicht. 50 000 Men-schen aus den umliegenden Dörfern haben Zuflucht in der Stadt Yei gesucht. Die Vertriebenen erzählen von gezielten Tötungen von Zivilpersonen, von Verstümmelungen, Mas-senvergewaltigungen, Plünderungen und Brandstiftungen.

In der Stadt eingeschlossen

Im September wurde Yei von den Regierungstruppen in einem Umkreis von fünf Kilometern abgeriegelt. Seither ist die Stadt nur noch aus der Luft zugänglich. Die Menschen in Yei, die vorwiegend von der Landwirtschaft leben, können ihre Felder ausserhalb der Stadt nicht mehr bestellen. Auf den Märkten gibt es kaum noch Nahrungsmittel, die Preise sind stark gestiegen. Wegen des Konfliktes wurde zudem der Unterhalt vieler Brunnen vernachlässigt. Viele Handpum-pen sind defekt, Ersatzteile fehlen. Gleichzeitig hat sich die Bevölkerung durch die intern Vertriebenen verdoppelt – über die Hälfte der Menschen in Yei hat kein sauberes Was-ser, die Hygieneverhältnisse sind prekär.

Wasser, Saatgut und «Cash for work»HEKS und Terre des hommes unterstützen mit finanzi-

eller Unterstützung der Glückskette die lokale Partnerorga-nisation South Sudan Health Association (SSUHA) dabei, die Menschen in Yei mit dem Notwendigen zu versorgen. Damit sich die Kleinbauernfamilien möglichst rasch wieder selbst ernähren können, erhalten 2000 Menschen Saatgut und Werkzeuge zum Anbau von Gemüse auf den fruchtba-ren Feldern an den Flüssen innerhalb der Stadt. 2000 beson-ders arme Menschen erhalten die Möglichkeit, im Rahmen von «Cash for work» während 15 Tagen rund 5 US-Dollar pro Tag zu verdienen durch den Unterhalt der Zugangs-strassen zu den Gärten. Und um den Zugang zu sauberem Wasser und die Hygienesituation von 25 000 Menschen zu verbessern, repariert SSUHA gemeinsam mit den Behörden Handpumpen, besorgt Ersatzteile, desinfiziert Brunnen und schult Wasserkomitees im Unterhalt der Wasserstellen. Zu-dem verteilt SSUHA Hygieneartikel und führt Sensibilisie-rungskampagnen für bessere Hygienebedingungen durch.

Schutz für KinderWegen der Lebensmittelknappheit und der prekären

Sicherheitslage bleiben immer mehr Kinder der Schule fern und arbeiten im Haushalt mit. Um die Eltern zu ermutigen, ihre Kinder wieder in die Schule zu schicken, werden die Be-treuung und der Schutz von 1000 Kindern in fünf Schulen verbessert: Schultransporte und ein Mittagstisch sollen die Sicherheit und die Ernährungssituation der Kinder verbes-sern. Die 25 Lehrpersonen erhalten Weiterbildungskurse zur psychosozialen Unterstützung der traumatisierten Kinder. Zudem werden Freizeitprogramme sowie ein wöchentliches Beratungsangebot für die Eltern auf die Beine gestellt.

Spendenkonto: 80-1115-1, Vermerk «Südsudan»

Immer mehr Kinder bleiben wegen des Konflikts der Schule fern. Darum verbessert HEKS

die Betreuung und den Schutz von rund 1000 Kindern in Yei.

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17contigo Nr.1 | 2017

Andreas Kressler

Rücktritt des HEKS-Direktors

Andreas Kressler hat HEKS per 31. Dezember 2016 verlassen. Nach an-derthalb Jahren guter und zielführender Zusammen-arbeit ist seine Kündigung die Folge von Differenzen mit dem Stiftungsrat und dessen Präsidenten be-züglich der operationellen und strategischen Füh-rung. Der Stiftungsrat und die Mitarbeitenden bedauern diese Kündigung ausserordentlich und danken Andreas Kressler für seine Arbeit als Direktor von HEKS, für seine Kreativität und sein umsichtiges Management. HEKS wünscht Andreas Kressler alles Gute für seine Zu-kunft. os

«MosaiQ»

Das Potenzial von MigrantInnen nutzen

Gut ausgebildete Migrantinnen und Migranten aus Drittstaaten haben auf dem Schweizer Arbeitsmarkt mit vielen Hindernissen zu kämpfen. Obwohl rund siebzig Pro-zent von ihnen einen Berufs- oder Hochschulabschluss ha-

ben, sind sie am stärksten von Erwerbslosigkeit und Überqualifizierung be-troffen. Sie stellen ein Po-tenzial dar, das Schweizer Unternehmen bei der Be-kämpfung des Fachkräf-temangels nutzen könn-ten. Um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu fördern, hat HEKS 2016 das Integrationsprojekt «MosaiQ» entwickelt. Die qualifizierten Migran-tinnen und Migranten werden während der Di-

plomanerkennung oder einer Nachholbildung begleitet und so beim Einstieg in den Arbeitsmarkt unterstützt. Ziel ist, dass ihr berufliches Potenzial in der Schweiz anerkannt und genutzt wird. In den Kantonen Aargau, Appenzell Innerrho-den und Ausserrhoden, Basel-Stadt und Basellandschaft, St. Gallen und Thurgau ist das Projekt bereits gestartet. In Bern, Zürich und in der Westschweiz wird der Start im Laufe des Jahres erfolgen. os

Mehr Informationen: www.heks.ch/MosaiQ

«HEKS@home»

Ein integratives Praktikum für Migrantinnen

In der Schweiz sind viele Migrantinnen sozial isoliert. Es fehlen ihnen Möglichkeiten, im Alltag mit der deutschspra-chigen Bevölkerung in Kontakt zu treten. Viele dieser Mig-rantinnen haben keinen Zugang zu etablierten Integrations-angeboten; sei es, weil sie nicht über die finanziellen Mittel verfügen oder keine staatliche Unterstützung erhalten, sei es, weil sie Erziehungs- und Haushaltspflichten haben. Diesen Frauen fällt die Integration besonders schwer und sie brau-chen Unterstützung.

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«HEKS@home», das neue Projekt der HEKS-Regional-stelle Bern, bietet ihnen sechsmonatige Praktika von vier bis acht Stunden pro Woche in deutschsprachigen Haushalten an. Ein wöchentlicher Deutsch- und Integrationskurs bietet ihnen zudem Sprachtraining, Orientierung über das Leben und die Arbeit in der Schweiz sowie individuelle Beratung und Begleitung. Die Praktika in den Gasthaushalten ermög-lichen den Migrantinnen Begegnungen mit der einheimi-schen Bevölkerung und schaffen eine Win-Win-Situation: Während die Migrantinnen bei der sozialen Integration unterstützt werden und ihre Deutschkenntnisse erweitern können, werden die Gasthaushalte bei der Kinderbetreuung oder bei der Hausarbeit entlastet und erhalten die Chance, sich intensiv mit einer Migrantin auszutauschen. os

Mehr Informationen: www.heks.ch/heksathome

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SÜDSUDAN

Besuch bei Papst Franziskus gibt Hoffnung auf Frieden

Der Südsudan ist kriegsgeplagt. «Wir sind im Krieg ge-boren, wir leben im Krieg, wir werden wohl auch im Krieg sterben», hören Dorina und Mathias Waldmeyer die Men-schen immer wieder sagen. Das Ehepaar arbeitet seit Anfang 2016 für Mission 21 in Kenia und Südsudan. Die Bürgerin-nen und Bürger des Südsudans leiden Hunger, auch die Kir-chen sind arm, können keine Gehälter bezahlen. Wonach sie sich am meisten sehnen, ist der Friede. Die Hoffnung darauf gibt ihnen Kraft, durchzuhalten.

Die Kirchen des Südsudans übernehmen eine wichtige Rolle im Friedensprozess, da sie Menschen verschiedener Ethnien vereinen. Papst Franziskus würdigte diese wichti-ge Rolle, indem er Vertreter der Kirchen Südsudans zu einer Audienz einlud. Für den Südsudanesischen Kirchenbund, Partner von Mission 21, nahmen Peter Gai Lual Marrow und Bruder James Oyet Latansio teil. In einer Pressemitteilung schreibt der Kirchenbund: «Der Heilige Vater wollte von uns über die Situation in unserem Land informiert werden, er wollte seine Besorgnis äussern und uns ermutigen. Er sagte uns zu, für die Menschen im Südsudan zu beten und frag-te, was er als Oberhaupt der katholischen Kirche tun kön-ne. Wir berichteten, […] was die Kirche unternimmt, um

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Felix Kuhn (im Bild obere Reihe links): «Im Ascension House hatte ich viel Kontakt

zu interessanten, internationalen Leuten!»

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Frieden, Heilung und Versöhnung voranzubringen.» Papst Franziskus zeigte sich laut der Mitteilung bewegt und sagte zu, den Südsudan zu besuchen. da

Spenden für die Arbeit im Südsudan: Vermerk «Kooperationsprogramm Südsudan, Projekt-Nr. 179.1001»

Konto PC 40-726233-2, IBAN Nr. CH58 0900 0000 4072 6233 2

KURZEINSÄTZE

Auf und davon! Hongkong für junge Erwachsene

Mission 21 bietet jungen Menschen die Möglichkeit, drei Monate Hongkong zu erleben. Gemeinsam mit anderen jungen Freiwilligen aus aller Welt leben sie im Backpacker-Hostel «Ascension House». Das Gästehaus gehört zum «Tao Fong Shan Christian Centre». Ein Vorgespräch sowie ein Vor- und ein Nachbereitungswochenende in Basel sind Be-standteil des Programms. Das Angebot richtet sich an junge Erwachsene zwischen 18 und 22 Jahren mit ausreichenden Englischkenntnissen.

Felix Kuhn ist als erster Programmteilnehmer Ende 2016 aus Hongkong zurückgekehrt. Dass er in der Herber-ge mitanpacken musste, fand er nicht schlimm. Insgesamt hat ihn der Einsatz begeistert: «Drei Monate sind genial, um eine Stadt zu erkunden. Man kann richtig eintauchen und das religiöse und kulturelle Leben in Hongkong haut-nah erleben.» Neben Kultur, gutem Essen, Wandern und dem Grossstadttrubel gibt es auch ruhige Momente. «Die

Kirchenleitende des Südsudans bei ihrer Papst-Audienz. Peter Gai Lual Marrow ist der Zweite

von links.

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Nähen macht selbstbewusst: Eine lokale Produzentin an ihrem eigenen Stand.

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MALAYSIA

Näherinnen machen sich selbstständig

Der Verkauf von traditionellem Kunsthandwerk ist auf der Insel Borneo wichtig: Die Insel in Südostasien ist zwar sehr fruchtbar, was die Selbstversorgung erleichtert, aber Geld – zum Beispiel für den Schulbesuch der Kinder – ist selten vorhanden. Mission 21 unterstützt deshalb 50 Arbeits-gruppen mit rund 500 aktiven Produzentinnen und hilft ih-nen, ihre Produkte zu vermarkten.

Vor allem im städtischen Kontext werden neben der traditionellen Flechtkunst auch Arbeiten mit der Näh-

maschine immer beliebter. In der Stadt Kota Marudu machte sich kürzlich eine Gruppe mit elf Produzentinnen selbstständig.

Der Frauenförderungsfonds von Mission 21 machte es möglich: Mit Unterstützungsgeldern aus dem Fonds wurden zwei voll ausgestattete Ateliers mit Nähmaschinen eingerich-tet. Zu Beginn stellte die Gruppe weiterhin Produkte für das Projekt von Mission 21 her, mittlerweile sind die Frauen aber mit Aufträgen für den lokalen Markt ausgelastet. «Genau das ist die Idee von Mission 21», sagt Katharina Gfeller, Pro-grammverantwortliche für Indonesien und Malaysia: «Wir wollen helfen, dass die Teilnehmerinnen ihre Ideen verwirk-lichen und ihr Leben selbst in die Hand nehmen.» mw

Spiritualität im «Tao Fong Shan Christian Centre» hat mir sehr gefallen», sagt Felix. Um viele Erfahrungen reicher kehrte er nach Hause zurück. «Für mich war es nach der Schule der ideale Einsatz», sagt er. «Ich habe es genossen, zu arbeiten und gleichzeitig für längere Zeit aus der Schweiz herauszukommen.» Neben der Arbeit kam auch das Vergnü-

gen nicht zu kurz – und sein Englisch habe sich automatisch verbessert. «Ich kann diesen Einsatz allen weiterempfeh- len!» lw

Kontakt: [email protected], 061 260 22 39, www.mission-21.org/auf-und-davon

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Arjana Metting van Rijn-Baud nahm letztes Jahr am

Gönnerseminar von Mission 21 teil. Sie erzählt

von ihrem ganz persönlichen Bezug zur Mission.

Ich bin Arjana Metting van Rijn-Baud, 1928 in den Nie-derlanden geboren. Meine ersten dreissig Lebensjahre zog ich sehr viel um, höchstens vier Jahre war ich ein einem Ort. Das lag auch am Krieg. Mit zehn Jahren wurde ich getauft. Als wir wieder einmal zügelten, wechselte ich von einer neu-tralen Schule in eine christliche, in einem Vorort von Den Haag. Jeden Morgen gab es eine halbe Stunde Religionsun-terricht. Montags lernten wir einen Psalm auswendig, diens-tags hörten wir Geschichten – und freitags ging es um die weltweite Kirche. Das war meine Lieblingsstunde!

Der Lehrer erzählte ausführlich von der Mission. Das war mein erster Kontakt damit. Alles, was ich hörte war neu und faszinierend! Mir gefiel, was die Mission machte, und ich ging sammeln. Das Motto war «Kwartaal kwartje voor de zending», möglichst viele sollten jedes Quartal 25 Cent für die Mission spenden.

Missions-Berichte beim Socken-StrickenAb 1945 studierte ich Jura, mein zukünftiger Mann

Theologie. 1960 zogen wir in die Schweiz, mein Mann arbei-tete im Auftrag der holländischen Kirche als Spitalseelsor-ger. Die Verbindung zur Mission schlief zu dieser Zeit. Das änderte sich, als wir in eine Kirchgemeinde mit einem „Mis-sionskranz“ kamen – so hiess die begeisternde Gruppe, die den jährlichen Missionsbasar organisierte. Die Basarfrauen sagten: «Die frühere Frau Pfarrer las immer die ganze Stun-de vor, während wir gelismet haben. Das wollen wir nicht mehr!»

Ich überlegte. Die ganze Stunde Dorfgeschichten anhö-ren wollte ich nicht. Da der Erlös des Basars für die Basler Mission war, wollte ich etwas von der Arbeit dort erzählen können. Ich fragte bei der Basler Mission nach, die mir dar-aufhin regelmässig Briefe von Missionarsfrauen schickte, die meisten aus Afrika. Sie erzählten darin von ihrer täglichen Arbeit und dem dortigen Leben. Meine Basarfrauen fanden das eine gute Lösung und hörten interessiert zu!

Ab 1980 war ich eher mit dem HEKS unterwegs, von 1985 bis 1990 als Ehrenamtliche bei der «Erklärung von Bern» (heute «Public Eye»). Doch nach der Pensionierung und dem Tod meines Mannes hat die Mission wieder ihren Platz bei mir gefunden.

SPENDERIN

Den Menschen etwas zurückgeben

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Gute Gründe für die MissionMeine Gründe, für Mission 21 zu spenden, sind Ers-

tens: Dass die Mission auf dem guten Weg ist vom Ziel (im 19. Jahrhundert) «den armen Heiden das Evangelium brin-gen» hin zum offenen Umgang mit gleichwertigen Partner-kirchen in aller Welt. Zweitens unterstützt sie den fairen Handel, anstatt «Almosen» zu geben. Drittens liegt mir die Arbeit in Indonesien besonders am Herzen. Meine Vorfah-ren lebten in Indonesien als Kolonialherren, fühlten sich er-haben über die Einheimischen. Meine Familiengeschichte ist mit der Ausbeutung Indonesiens verwoben. Fast alle meiner Grossonkel liegen dort begraben. Die Mission sieht die Men-schen heute aber anders, als ebenbürtiges Gegenüber. Mein Anliegen als Spenderin ist es, den Menschen ein klein wenig zurück zu geben.

Aufgezeichnet von Dorothee Adrian im Oktober 2016 beim Herbstbasar von Mission 21. Mission 21 dankt Frau van Rijn sehr herzlich für ihre langjährige und treue Unterstützung!

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21contigo Nr.1 | 2017

AGENDA

JUNIMissionssynode und Missionsfest

Synode 9. und 10. Juni 2017,

Missionsfest am 11. Juni

Das Missionsfest beginnt dieses Jahr mit einem Gottesdienst in der Peters-kirche Basel.

JULIFerien für Missionsinteressierte1–8. Juli 2017

Wieder einmal laden wir Missions-interessierte zu Sommerferien ein, dieses Jahr im Hotel Credo (Schloss Unspunnen) in Wilderswil nahe Interlaken. Inhaltlich geht es um die Projektarbeit von Mission 21 in Übersee. Gemeinsame Aktivitäten er-gänzen das Programm. Die Kosten für Vollpension und Programm betragen rund 900 Franken, An- und Abreise auf eigene Kosten.

Information und Anmeldung: [email protected], 061 260 22 53

Begegnungscamp in Taiwan mit jungen Erwachsenen

18. Juli bis 1. August 2017

Mit einer Gruppe junger Erwachse-ner aus der Schweiz reisen wir nach Taiwan und besuchen die Jugendor-ganisation unserer Partnerkirche PCT (Presbyterian Church of Taiwan). Wir erfahren mehr über die Lebenssitua-tion und Herausforderungen des All-tags in Taiwan. Kosten: 700 Franken plus Flug und allfällige Impfungen.

Information: [email protected], 061 260 22 39, www.missoin-21.org/taiwancamp

Den laufend aktualisierten Veranstaltungskalender mit weiterführenden Informationen finden Sie auf:

www.mission-21.org/agenda

Blick auf den Neubau sowie das alte Landesmuseum Zürich.

GÖNNERSEMINAR

«Die letzten Dinge regeln»

Wie kann ich zu Lebzeiten meine letzten Dinge regeln? Welche rechtlichen Rahmenbedingungen sind zu beachten? Wie kann ich meine finanziellen Angelegenheiten am besten ordnen? Antworten auf solche Fragen gibt das Gönner-Seminar von Mission 21 und der Basler Mission in Zusammenarbeit mit dem VZ VermögensZentrum. Es findet am 27. April 2017 in der Stiftung zum Glockenhaus in Zürich statt. Für persönliche Gespräche sind Mitglieder des Vor-standes und der Geschäftsleitung von Mission 21 sowie der Basler Mission wäh-rend des ganzen Anlasses anwesend.

Nach dem Mittagessen gibt es eine Führung durch den Neubau des Landes-museums Zürich. Im August letzten Jahres eröffnete der eindrucksvolle Neubau seine Tore. Die beiden Architekten Christ & Gantenbein sind mit ihrer imposan-ten Erweiterung im Dialog mit dem Altbau geblieben, sowohl in der Form als auch im Detail.

Wann und wo: Donnerstag, 27. April 2017, 09.30 – 14.30 Uhr

Stiftung zum Glockenhaus, Sihlstrasse 33, 8001 Zürich

Kostenbeitrag: Fr. 30.- pro Person (inkl. Kaffee und Gipfeli, Mittagessen, Tagungsunterlagen und Museumsbesuch)

Anmeldung bis 31. März 2017 bei Sarah Hess: [email protected], 061 260 23 36. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt.

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22 contigo Nr.1 | 2017

AGENDA

AGENDA

MÄRZPalmöl-Spekulation –

Ist mein Bankkonto clean?Dienstag, 14. März, 19-21 Uhr, Aki,

Alpeneggstrasse 5, Bern

Palmöl-Plantagen nehmen Menschen in Indonesien den Boden unter den Füssen weg – Diskussionsrunde mit Experten rund ums Thema Land Grabbing und der Rolle von Schweizer Banken, der Landwirtschaft und un-serem Konsum: Mit Kartini Samon, Kleinbauernbewegung Indonesien und Kampagnengast von Brot für alle; Michael Diaz, Mitglied Geschäftslei-tung ABS Alternative Bank Schweiz; Andrea Koch, Agronomin, Schweiz. Getreideproduzentenverband; Ste-phan Rist Center for Development and Environment (CDE), Uni Bern.

www.sehen-und-handeln.ch/veranstaltungen

Bedrohliche Realität in Guatemala

Bischof Alvaro Ramazzini berichtet über den Widerstand gegen Land Grabbing, eine Veranstaltung im Rahmen der Ökumenischen Kam-pagne 2017 «Geld gewonnen, Land zerronnen»Bern, Mittwoch, 15. März 2017

19–20.30 Uhr, Le Cap, Saal Nicolas

Manuel, Predigergasse 3

Zürich, Donnerstag, 16. März 2017

19–20.30 Uhr, Universität Zürich,

Hauptgebäude, Raum KOL-F-104

Rämistrasse 71.

www.sehen-und-handeln.ch/veranstaltungen

Der Verkauf von Kunsthandwerk gehört zum Basar.

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Konzerne unter BeobachtungMittwoch, 22. März, 19.30–21 Uhr,

Zentrum Karl der Grosse, Zürich

Die Schweizer Wirtschaft agiert global. Kritisiert werden aber auch Menschrechtsverletzungen, Kor-ruption, Ausbeutung und Umwelt-verschmutzung. Wie reagieren die Konzerne darauf? Braucht es verbind-liche staatliche Richtlinien? Markus Mugglin, Autor des gleichnamigen Buchs, leitet die Diskussion zwischen Doris Fiala (Nationalrätin FDP), Ueli Mäder (emeritierter Professor für Soziologie Basel), Danièle Gosteli Hauser (Amnesty International) und Stefan Barmettler (Chefredaktor Handelszeitung)

Eintritt frei, www.karldergrosse.ch/veranstaltung

El Salvador – 25 Jahre nach dem Bürgerkrieg

Freitag, 24. März, 16.30–21.30 Uhr,

RomeroHaus, Luzern

25 Jahre nach dem Friedensvertrag liegt in El Salvador noch vieles im Argen. An den Zentralschweizer RomeroTagen analysieren David Morales, Ralf Leonhard, Maja Hess, Corinne Sala, Annika Salmi, Hans Rudolf Twerenbold und Jaime Vargas die Lage und Entwicklungen.

www.comundo.org/de/agenda

Rosenaktion 2017Samstag, 25. März 2017

Rosen zur Freude, für die Beschenk-ten, für die Arbeiterinnen in Kenia, welche die Fair-Trade-Rosen hegen und pflücken – und aus dem Erlös die Bäuerinnen und Bauern in den Projekten, die dank der Spenden neu Hoffnung erhalten. Verkauft werden die Rosen an vielen Spenden Ständen in der ganzen Schweiz.

www.sehen-und-handeln.ch/veranstaltungen

Bessere Basare gestaltenMittwoch, 22. März 2017, 8.30–16.30, H50, Hirschgraben 50, Zürich

Basare gehören in vielen Kirchgemeinden zum Jahr und bringen Einnahmen zugunsten der reformierten Werke. Der in Kooperation mit OeMe durchgeführte Zürcher Werktag für Kirchenbasare gibt neue Impulse.

www.mission-21.org/agenda, Anmeldung Christine Lehni, 061 260 22 36

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23contigo Nr.1 | 2017

FILMTIPP

Der Fall Mubende in Uganda

Land Grabbing in Uganda: 2001

wurden über 2000 Menschen

vertrieben. Auf die Entschädi-

gung des Kaffeekonzerns warten

sie noch heute.

Der «Fall Mubende» dokumentiert Land Grabbing in Uganda: Über 2000 Menschen, die seit Generationen als Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in einer fruchtbaren Region im Südwesten Ugandas lebten, wurden im Jahr 2001 vertrieben. Das Land nahm ein Ham-burger Kaffeekonzern, um eine Kaffee-plantage zu betreiben. Die Vertriebenen strebten ein Gerichtsverfahren an und erhielten nach 12 Jahren juristischem Ringen Recht. Für ihr gutes Land soll-ten sie eine Entschädigung von 11 Mil-lionen Euro erhalten. Der Konzern ver-zögert jedoch bis heute die Zahlung…

Der solide gemachte, investigative Film zeigt Zusammenhänge zwischen globalisierter Wirtschaft und Men-schenrechten. Die Geschichte dieser unrechtmässigen Landnahme ver-deutlicht, wie wichtig es ist, dass die multinationalen Konzernen ihre Sorg-faltspflicht ernst nehmen. Verschie-dene Perspektiven unterschiedlicher Akteure ergeben eine differenzierte Darstellung, ein juristischer Teilerfolg zeigt die Wirkung von Widerstand auf und wirkt ermutigend.

Dokumentarfilm, Michael Enger, Deutschland 2015; 30 Min., ab 16 Jahren, VOD und DVD (Fr. 25.–)Verkauf und Verleih:éducation21, 031 321 00 22, [email protected], 044 299 33 81

HINWEISE & MEDIENTIPPS

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Diese Schülerinnen in Tathali, Nepal, dürfen in die Schule und lernen gerne.

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… UND AUSSERDEM

Schulmädchen immer häufiger bedroht, attackiert und bedrängt

Schulmädchen sind immer wieder Bedrohungen, gewalttätigen Attacken und Übergriffen ausgesetzt. So werden sie am Besuch des Unterrichts gehindert – und das hat Folgen: rund zwei Drittel der 774 Millionen Erwachsenen, die nicht Lesen und Schreiben können, sind Frauen (Zahlen von 2011). Angriffe gegen Mädchen, die eine Bildung in Anspruch nehmen, finden immer wieder statt und in manchen Ländern mit zunehmender Regelmässigkeit, steht in einem Bericht der UNO von 2015. Er dokumentiert allein für 2012 weltweit in mindestens 70 Ländern mehr als 3600 einzelne Angriffe gegen Bildungseinrichtungen, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler. uw

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Kriegsgeplagter SüdsudanMittwoch, 29. März, 16–18 Uhr, Missions-

strasse 21, Basel

Die Koordinatoren Dorina und Ma-thias Waldmeyer und Karin Augustat, Programmverantwortliche Südsudan bei Mission 21, berichten von ihrem Besuch in der krisengeplagten Region Südsudan. www.mission-21.org/agenda

APRIL Ostermarsch in Bern

Ostermontag, 17. April, 13–ca. 16 Uhr,

Bern

Der Ostermarsch 2017 steht unter dem Motto «Mein Geld führt Krieg. Waffengeschäfte von Pensionskassen und Banken stoppen!» Schweizer Geld soll nicht mehr in der Kriegsindustrie angelegt und somit zur Unterstützung von Kriegen weltweit missbraucht werden.

http://ostermarschbern.ch

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«Barmherzigkeit gegen die Leoparden ist Unrecht gegen die Ziegen.»

Sprichwort aus dem Sudan

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