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Deutsche Gesellschaft für Kristallographie Arbeitskreis Nichtkristalline und Partiellkristalline Strukturen Kurzfassungen der Vorträge XXVI. (13.) Arbeitstagung Methoden und Algorithmen zur Charakterisierung von Strukturen und Strukturbildungsprozessen in nichtkristallinen Materialien 19. bis 21. September 2005 im Hotel Am Kellerberg Wolfersdorf

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Deutsche Gesellschaft für Kristallographie

Arbeitskreis Nichtkristalline und

Partiellkristalline Strukturen

Kurzfassungen der Vorträge

XXVI. (13.) Arbeitstagung

Methoden und Algorithmenzur Charakterisierung von Strukturen

und Strukturbildungsprozessenin nichtkristallinen Materialien

19. bis 21. September 2005

im

Hotel Am Kellerberg

Wolfersdorf

Vorwort zu Methoden und Algorithmen zur Charakterisierung

von Strukturen und Strukturbildungsprozessen in

nichtkristallinen Materialien

B. Müller, Sprecher des Arbeitskreises

Institut für Physikalische Chemie, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Der Arbeitskreis Nichtkristalline und Partiellkristalline Strukturen in der Deutschen Ge-sellschaft für Kristallographie kommt zum 26. Male zu einer Arbeitskreistagung zusam-men, um in gewohnter und bewährter Art und Weise Wissenschaftlern und Technologen,die sich mit Strukturen nichtkristalliner Materialien beschäftigen, Gelegenheit zu geben,zu diesem Gegenstand vorzutragen, sich auszutauschen und Kontakte zu knüpfen.Das Schwerpunktthema der diesjährigen Arbeitskreistagung Methoden und Algorithmen

zur Charakterisierung von Strukturen und Strukturbildungsprozessen in nichtkristallinen

Materialien wurde gewählt, um auf die methodischen Aspekte unserer Arbeiten auf-merksam zu machen. Eine kritische Betrachtung zu Strukturen und Strukturfunktionennichtkristalliner Materialien sowie zu Methoden und Algorithmen, diese experimentellzu ermitteln und zu charakterisieren, ist von Zeit zu Zeit angebracht, um entsprechen-de Innovationen und Problemlösungen auf diesen wissenschaftlichen und technologischenGebieten zu forcieren. Auch prägen sich im Laufe der Zeit bei den wissenschaftlichen undtechnischen Bearbeitern Bezeichnungen für Sachverhalte und Begriffe aus, deren Bedeu-tungen einerseits unterschiedlich gebraucht und verwendet und andererseits oft nur voneinigen Spezialisten so benutzt werden, so daß es zu inhaltlichen Verwechslungen undVerwirrungen kommen kann. Deshalb sollten die Vorträge und vor allem auch die Dis-kussionen genutzt werden, sich mit den verschiedenen Methoden, ihren Begriffssystemensowie ihren Problemen, die meist nicht publiziert und somit ignoriert werden, vertrautund bekannt zu werden.Andererseits ist es immer wieder erforderlich, sich mit den Parametern der Empfindlich-keit, der Genauigkeit und der Richtigkeit der einzelnen Methoden zu beschäftigen, umihre Resultate hinsichtlich dieser Parameter einschätzen und wichten zu können. Denn oftnoch werden einzelne Methoden in ihrer Leistungsfähigkeit für die Strukturanalyse und-beschreibung nichtkristalliner Materialien über- bzw. unterbewertet, weil sie nur in derjeweiligen Methodengemeinschaft vorgetragen und verwertet werden. Deshalb soll dieseArbeitskreistagung auch dabei helfen, eine entsprechende Einordnung der Methoden undAlgorithmen in den Kanon aller Methoden zu ermöglichen und die Überzeugung fördern,daß Strukturaufklärung und -beschreibung nichtkristalliner Materialien nur interdiszipli-när zu lösen ist. Insbesondere gilt dies auch für nanoskalige Strukturen, deren Problematiksich auch vermehrt in unserem Arbeitskreis etabliert.Das diesjährige Vortragsprogramm weist wiederum in seinen einundzwanzig Beiträgendas Grundanliegen des Arbeitskreises zur Auf- und Erklärung nichtkristalliner Strukturenaus: Probleme und Resultate ihrer Simulation und Generierungen sowie ihrer Stabilität,zu Überlegungen über ihre geometrischen und topologischen Grundlagen, zu Fragen undErgebnissen ihrer Strukturanalyse und -beschreibung an unterschiedlichen Materialien, zuden vielfältigen Einflüssen auf die Keimbildung und Kristallisation usw. – aus meiner Sichtein gelungenes Tagungsprogramm dank des interdisziplinären Kreises der Teilnehmer.

Strukturen und Strukturfunktionen nichtkristalliner Materialien

Eine kritische Betrachtung

B. Müller

Institut für Physikalische Chemie, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Die konventionelle Physik, Chemie und Technologie des Glases verwendet im praktischenSinne zur strukturellen Charakterisierung von Gläsern meist solche Begriffe wie Dichteρ, fiktive Temperatur Tf , Transformationstemperatur Tg, freies Volumen vf , kooperati-ves Volumen va und ähnliche [4]. In dieser Arbeit werden – ausgehend vom allgemeinentheoretischen Standpunkt und vom Methodengerüst der stochastischen Geometrie, derGruppentheorie und der algebraischen Topologie – bekannte und weniger bekannte undauch neue Strukturparameter nichtkristalliner Materialien abgeleitet und deren Bedeu-tung erläutert sowie in Zusammenhang mit den geläufigen Begriffen gebracht, um diesemiteinander vergleichen sowie Richtigkeit und Genauigkeit ihrer experimentellen Bestim-mung aufzeigen zu können. Insbesondere wird ihre Anwendung und Verwendung auch imnanoskaligen Strukturbereich, an Strukturmodellen sowie an den experimentellen Datenvon nanodispersen Xerogelen demonstriert.

Die Grundlage der Betrachtungen sind Punktmengen mit der PunktstrukturfunktionP (~r) =

∑N

n=1δ(~r − ~rn) als Abstraktionen kondensierter atomarer Materialien, wel-

che jedem Punkt n ∈ N einen Lagevektor ~rn zuordnet. Treten mehrere Atomsorten{i = 1, · · · , I} auf, so lassen sich diese als Untermengen markieren, und die Punktstruk-turfunktion ergibt sich entsprechend zu P (~r) =

∑NI

n=1

∑I

i=1δ(~r − ~rn,i). Wesentliche

Charakteristika dieser Punktmengen sind die Korrelations- bzw. Momentenfunktionender Ordnung n, Integral- und Krümmungsmaße der Dimension d [2], sowie Gruppen undGruppoide G, welche auf ihnen operieren können.

Die Verwendung dieser charakteristischen Strukturfunktionen ist deshalb möglich, weildie Atome, Moleküle usw. kondensierter Materie geometrisch und topologisch als Delone-(r, R)-Mengen interpretiert werden können [1], welche im Raume diskret mit r und ho-mogen mit R sind. Realisierungen solcher Punktmengen sind z. B. Hartkugelmengen,Gibbs’sche Punktmengen (Wechselwirkungen zwischen den Punkten aufgrund definierterPotentiale), kristalline Punktmengen, während zufällige Punktmengen wie Poissonmengennicht die Kriterien der Delone-(r, R)-Mengen erfüllen. Die Punkte der Delone-(r, R)-MengeA bilden die Ecken raumfüllender Polyeder K mit der mittleren Breite BA, deren Zentrendie Lücken bzw. Hohlräume V der Konfiguration sind. Zu jeder Polyederteilung K existie-ren dual eineindeutig raumfüllende Polyeder W mit der mittleren Breite BW , deren Zen-tren durch die Punkte A und deren Ecken durch die Hohlraumzentren V gebildet werden.Diese raumfüllenden Polyederteilungen können ebenfalls für jede markierte Untermengedurchgeführt werden. Die duale Polyederteilung W charakterisiert die Wirkungsbereicheder Punktstruktur, wobei deren mittlere Polyederbreite BW ≤ 2 r ist (r entspricht et-wa dem Umkreisradius des Wirkungsbereichspolyeders). Andererseits korrespondiert diemittlere Polyederbreite BA ≤ 2 R der Hohlräume mit der charakteristischen Größe R alsdem Umkreisradius derselben. Diese Raumteilungen durch Polyederstrukturen sind uni-versal sowohl für kristalline als auch nichtkristalline Strukturen kondensierter Materie.Die Punktmengen sind somit hinsichtlich ihrer Struktur einedeutig durch die Konnexi-

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onsmatrizen Mkl : k, l = 0, · · · , d charakterisiert. Die mittlere integrale Krümmung Mder Punktmengen ist proportional der mittleren Polyederbreiten B und gleich M = 2π B[2]. Für Punktmengen mit Raumgruppen gilt, daß ein d-Wert d(hp, kp, lp) = 2/3 BW ist,welcher dann prinzipieller Peak heißen soll.

Die Punktmengen lassen sich durch die skalare Größe der Punktdichte ρ0 = N0 = 1/v0 alsKorrelationsfunktion 0. Ordnung charakterisieren, wobei für das Volumen V als Zustands-größe V = N v0 gilt. Zwischen der Dichte der Punkte ρ0 und der Dichte der Hohlräumeρv besteht eine Relation ρv = ρ0 ((N01−2)/(N32−2)), wobei N01 die mittlere Anzahl derKanten (Bindungen) eines Punktes und N32 die mittlere Anzahl der Flächen der Hohl-raumpolyeder K ist, d. h. , die Hohlraumdichte ρv und somit deren Volumen vv = 1/ρv

ist topologisch konnektiv bedingt. Der Zusammenhang sowie auch der Unterschied desmittleren Hohlraumvolumens vv mit solchen spezifisch in der physikalischen Chemie desGlases verwendeten Größen wie der des freien Volumens vf werden eingehend diskutiertund abgegrenzt [4].

Der Abstandsvektorenfunktion Q(~rnm) =∑N

n=1

∑N

m=1δ(~r − (~rn − ~rm)) kommt eine be-

sondere Bedeutung zu, weil sie eine Observable mit den Abstandsvektoren ~rnm = ~rn −~rm

darstellt, also eine Korrelationsfunktion 1. Ordnung (auch als Autokorrelationsfunktionoder Pattersonfunktion, im mengentheoretischem Sinne auch als Differenzmenge bezeich-net) ist. In Mengen mit markierten Untermengen i ∈ I gibt es somit (I (I + 1)/2)markierte Punktstrukturpaare Qij(~rnm). Von Q(~rnm) hängen das Potential U(~rnm) undsomit auch die Verteilungsfunktion und das Zustandsintegral ab und somit auch wei-tere Zustandsgrößen und -funktionen. In einem System mit N Punkten existieren N2

Abstandsvektoren zwischen diesen, wobei N den Betrag Null haben und jeweils die Vek-toren zwischen zwei Punkten zentrosymmetrisch auftreten, d. h. , Q(~rnm) ist von Naturaus zentrosymmetrisch. Von jedem Punkt aus ergeben sich N-1 Vektoren als ein Vektor-bündel (Sohncke-Sterne genannt) zu den anderen Punkten. Im kristallinen Falle sind diemöglichen N-1 Sohncke-Sterne eines jeden Punktes gleich bzw. gleich spiegelsymmetrisch.Die Punkte dieses kristallinen Vektorraumes Q(~rnm) bilden ebenfalls eine Delone-(r, R)-Menge, die sich wiederum in raumfüllende Polyeder teilen läßt. Dabei zeigt es sich, daß diemittlere Polyederbreite BA erhalten bleibt, auch wenn diese Polyeder des Abstandsvektor-raumes anders strukturiert sind. Das ist dadurch bedingt, weil BA mit dem Parameter Rder Überdeckung korreliert, welche als symmetrische Eigenschaft im Vektorraum Q(~rnm)erhalten bleibt. Im Falle nichtkristalliner Materialien stimmen die Sohncke-Sterne derPunkte nicht mehr überein. Nur innerhalb eines Bereiches der Länge L – Korrelationslän-ge L genannt – können die Lagen der Vektoren jeweils zu einem Punkt gemittelt werden,so daß in diesem Bereich L wiederum Polyederteilungen mit der ungefähren mittlerenPolyederbreite BW vorgenommen werden können. Das läßt den Schluß zu, daß innerhalbeines Bereiches L auch in nichtkristallinen Materialien homogene Überdeckungen R imMittel existieren, d. h. , es gilt im Korrelationsbereich L auch 2/3 BW ≃ d(hp, kp, lp), wo-mit die Bedeutung des 1. starken Peaks erklärt werden kann. Der Zusammenhang mitden von Donth beschriebenen kooperativen Bereichen va in nichtkristallinen Materialienwird diskutiert und in Übereinstimmung gebracht [3]. Die so bestimmte Korrelationslän-ge L ist kleiner als die stabiler kristalliner Strukturbereiche (Keime). Eine Abgrenzungzu Strukturen kristalliner Keime wird aufgezeigt. Eine Relation zwischen BW und derfiktiven Temperatur Tf wird diskutiert.

Alle bisherigen Strukturanalysen nichtkristalliner Materialien, welche sich mit der Nahbe-reichsstruktur derselben befassen, basieren auf der radialen Verteilungsfunktion RDF (r) =ρ0 dK(r)/dr = dR(r)/dr, die also einerseits mit dem reduzierten 2. Moment zufälli-

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ger Punktmengen K(r) und andererseits mit der radialen Abstandsfunktion R(r) =(1/N)

∑N

n=1

∑N

m=1δ(r − rnm) zusammenhängt. Das von der Punktmenge eingenom-

mene Volumen ist V (R) =∫ R

0dK(r) und die Anzahl der Punkte bzw. die der Ab-

stände N(R) =∫ R

0dR(r), d.h. , N(dR(R)) = dR(R) ist die Anzahl der Abstände,

deren Länge zwischen R und R + dR liegt. Die radiale Verteilungsfunktion RDF (r) läßtsich darstellen als RDF (r) = 4πr2γ(r)(ρ0 + ∆ρ(r)), wobei γ(r) die Gestaltabstands-funktion (γ(r)

r→∞

−→ 1) und ∆ρ(r) die eigentliche charakteristische Strukturfunktion ist(für Poissonmengen ∆ρ(r) = 0). Deshalb wird die Funktion g(r) = γ(r) (∆ρ/ρ0) =RDF (r)/(4πr2ρ0)−γ(r) als reduzierte Paarkorrelationsfunktion bezeichnet. Eine wesent-liche Strukturinvariante ist das Integral

∫ R

0g(r) dr, welches sich mittels

∫ R

0g(r) dr ≃

−B0 −F (s1) cos(3π r/B) exp(−2π r/L) approximieren läßt, wobei B0 eine charakteristi-sche Strukurgröße und ein Maß für die Konfigurationsentropie Skonf ∼ ln(BW /B0), F (s1)der Wert des 1. starken Peaks, B = BW die mittlere Breite des typischen Wirkungsbe-reichspolyeders, wenn s1 ≃ 2π/d(hp, kp, lp), und L die Korrelationslänge der homogenenStrukturbereiche ist. Der Quotient L/BW ist eine universelle und lokale sowie globaleStrukturinvariante, welche die Bedingung für das lokale Theorem kristalliner Strukturenbeinhaltet L/BW > 6 [1]. Für markierte Punktmengen i ∈ I gelten für jedes der markier-ten Punktpaare diese genannten Relationen.

Die experimentelle Bestimmung der charakteristischen Strukturfunktion reduzierte Paar-korrelation g(r) ist anhand von Beugungsexperimenten möglich, indem aus der jeweiligenStreuintensitätsfunktion I(s) mit dem Betrag des Streuvektors s = 4π sin ϑ/λ der Struk-turfaktor F (s) entsprechend der Beugungsbedingungen berechnet werden muß. Es geltenfür die Korrelationsfunktion C(r) = 4πr ρ0 g(r) und den Strukturfaktor F (s) die ein-eindeutigen Relationen: C(r) = 2/π

∫ smax

0s (F (s) − 1) sin(s r) ds und s (F (s) − 1) =∫ rmax

0C(r) sin(s r) dr. Wenn die Fehlerfunktion ∆F (s) von F (s) ermittelt wird, er-

gibt sich die Fehlerfunktion von C(r) zu ∆C(r) = 2/π∫ smax

0s ∆F (s) sin(s r) ds, so

daß entsprechende Fehlerabschätzungen von Abständen und Koordinationszahlen mög-lich werden. Auf die Fehlermöglichkeiten bei Strukturmodellierungen mithilfe von RMC-Methoden wird hingewiesen. Wiederum läßt sich bei Kenntnis des markierten Struktur-faktores Fij(s) ebenso die markierte Korrelationsfunktion Cij(r) berechnen.

Eine weitere wesentliche globale Strukturinvariante ist das Integral∫ S

0s (F (s) − 1) ds,

das durch folgende Funktion approximiert werden kann∫ S

0s (F (s) − 1) ds ≃ −2π2 ρ0 −

N(dR(R1))/R1 sin(R1 S) exp(−1/3 ∆r2 S2), wobei N(dR(R1)) die Koordinationszahlbeim 1. Abstand R1 und ∆r2 die Fluktuation von R1 ist, welche sich aus einem Scharmittelder Konfiguration und einem Zeitmittel der Dynamik (proportional der Debye-TemperaturΘ) von R1 zusammensetzt. Diese Funktion ist jeweils für s = nπ/R1 gleich −2π2 ρ0, sodaß F (s) mittels des Wertes von ρ0 an diesen Stellen absolut angepaßt werden kann. DieBestimmung des Wertes von ∆r2(T ) als Funktion von T eröffnet die Möglichkeit, denGlasübergang strukturell und dynamisch zu charakterisieren.

Die dargelegten Resultate zeigen, daß unter Verwendung allgemeiner mathematischerStrukturtheorien sowohl die Strukturen kristalliner als auch nichtkristalliner Materiali-en besser charakterisiert und verstanden werden können. Das trifft insbesondere auf dennichtkristallinen Zustand und seine Strukturen zu. Die aus den integralen Strukturinva-rianten erhaltenen Größen BW und B0 sowie L weisen darauf hin, daß auch in nichtkri-stallinen Materialien in Längenbereichen ≤ L, welche kleiner als die der lokaler stabilerkristalliner Bereiche sind, homogene Strukturen mit Strukturgrößen BW ≃ BW existieren.

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Analysis of a non-crystalline structure from a diffraction

experiment: problems and solutions

W. Hoyer1, I. Kaban1, S. Gruner1, O. Akinlade2

1Institut für Physik, Technische Universität Chemnitz2Department of Physics, University Abeokuta, Nigeria

Diffraction of X-rays, neutrons or electrons is a basic scientific tool providing direct struc-tural information on crystalline as well as non-crystalline materials [1-3] However, thediffraction patterns obtained from crystalline and non-crystalline matter are quite dif-ferent due to different degree of regularity of the atomic positions. The simplicity anddiffuseness of diffraction patterns of disordered (liquid and amorphous) substances, theirslight differences even for objects with diverse physical nature complicates the interpre-tation of the data and description of the atomic structure. There is no a general schemeof the structural identification for non-crystalline objects such as is done with crystallinematerials.

Since the intensity scattered by a non-crystalline material depends on the scattering dif-fraction angle 2ϑ or diffraction vector Q = 4π sin ϑ/λ (λ is the radiation wavelength),available information permits determination of the magnitudes of the interatomic vectors,but not their directions. Therefore radial-distribution functions are applied for analysis ofthe diffraction data of liquid and amorphous substances. In particular, the pair distributionfunction g(r) and the radial distribution function 4πr2ρ(r), which are Fourier-transformsof the normalized scattering intensity function. The Ashcroft-Langreth [4], Faber-Ziman

[5] and Bhatia-Thornton [6] formalisms are used for obtaining of the total structure factorsof non-crystalline materials.

Transformation of the scattering intensity to the pair distribution function and (or) tothe radial distribution function yields such structural characteristics as the most probableinteratomic distance and the number of the neighbours that are the important parame-ters of the short-range order. The Fourier-transform requires data in the Q-space from0 to ∞, but experimental limitations and in some cases small angle scattering lead to alower limit Qmin > 0 for each diffraction experiment. On the other hand, the diffractionvector is terminated by a certain value Qmax which is determined by the wavelength used:Qmax = 4π/λ. Due to such limitation of the diffraction vector, the resulting pair distribu-tion function differs from the ideal g(r). So-called termination or truncation effect yieldsspurious details on the pair correlation functions. This deforms changes the position andprofile of the maxima and minima and introduces errors in the calculated coordinationnumbers [7]. Termination effect in the pair correlation functions can be eliminated or si-gnificantly reduced by extrapolation of the experimental scattering intensity or structurefactor to 0 and to ∞ using analytical functions. When this cannot be done, the termi-nation at high Q-values should be made at the position of an extremum (minimum ormaximum) of the structure factor.

Determination of the total structure factors and pair distribution functions and the struc-tural parameters is not enough for the understanding of the atomic structure of multi-component alloys. It is necessary to know the partial pair correlation functions, which canbe separated experimentally, for example, by the neutron diffraction with isotopic substi-

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tution technique [8] or by the anomalous X-ray scattering method (AXS) [9]. The reverseMonte-Carlo simulation technique [10] has been proven is also a powerful method forthe separation of the partial correlation functions of the multicomponent non-crystallinematerials.Some approximations and methods have been shown to be useful for analysis and inter-pretation of the atomic structure of multicomponent disordered alloys. For example:

i) Determination of the partial structure factors based on the assumption of their concen-tration independence [11]. The partial structure factors could be determined by changingweighting factors in total structure factors of the alloys through variation of the concen-tration.

ii) Analysis of the resonance-like interactions of the electrons and ions [12]. It is assumedthat similarly to the solid metallic alloys, the electron-ion interplay exists in the liquidstate and the atomic packing is electronically stabilized in the liquid alloys with a meanvalence near 1.8 e/a. The influence of the electron system on the atomic structure can bedetected experimentally: a maximum or a shoulder at scattering vector Q ≈ 2 kF in thestructure factor is electronically-induced.

iii) Description of the atomic structure in the frames of the micro-inhomogeneous mo-del [13]. According to the model, multi-component systems might be characterized bysome special alloys (so-called reference alloys) consisting of the atomic micro-formationsor clusters of one type. The alloys situated between the nearest reference alloys (withinone concentration range) contain clusters that distinguish by the atomic composition andpacking, and scatter X-rays independently. The number of clusters depends on the num-ber of components in the alloy and on the type of interaction between different kinds ofatoms in liquid state. The composition of the clusters remains constant if the alloy com-position changes within one concentration region, and only the relative number of eachcluster-type varies. Such a representation of the constitution of liquid alloys enables onefrom experimentally measured correlation functions of reference alloys to calculate therespective functions for an alloy of arbitrary composition inside the concentration range.

[1] R. W. James, The Optical Principles of the Diffraction of X-rays, G. Bell & Sons, London,1948[2] H. P. Klug, L. E. Alexander, X-ray Diffraction Procedures, John Willey & Sons, New York,London, Sydney, 1967[3] Y. Waseda, The Structure of Non-crystalline Materials: Liquids and Amorphous Solids,McGraw-Hill, New York, 1980[4] N. W. Ashcroft, D. C. Langreth, Phys. Rev. 156 (1967) 685[5] T. E. Faber, J. M. Ziman, Phil. Mag. 11 (1965) 153[6] A. Bhatia, D. Thornton, Phys. Rev. B 2 (1970) 3004[7] R. Kaplow, S. L. Strong, R. L. Averbach, Phys. Rev. 138/5A (1965) 1336[8] J. E. Enderby, D. M. North, P. A. Egelstaff, Philos. Mag. 14 (1966) 961[9] Y. Waseda, Novel Application of Anomalous (Resonance) X-ray Scattering for StructuralCharacterisation of Disodered Materials, Berlin, Springer-Verlag (1984)[10] R. L. McGreevy, L. Pusztai, Mol. Simul. 1 (1988) 359[11] N. C. Halder, C. N. Wagner, J. Chem. Phys. 47 (1967) 4385[12] P. Häussler, Phys. Rep. 222/2 (1992) 65[13] A. Il‘inskii, V. Korobov, I. Kaban, S. Slyusarenko, Phys. Metals 14/9 (1995) 1040

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Determination of partial structure factors of liquid Cu-Sn alloys

by the means of RMC simulations

S. Gruner, W. Hoyer, I. Kaban

Institut für Physik, Technische Universität Chemnitz

This work reports on the structural investigations of liquid Cu-Sn alloys by means ofneutron and X-ray diffraction. First X-ray diffraction measurements at a temperatureof 1000◦C have been performed using a high-temperature θ-θ Diffraktometer. Mo Kα-radiation diffracted by the sample was selected by a focusing graphite monochromator andmeasured with a scintillation detector. The scattered coherent intensities were evaluatedby applying of Il’inskii’s model of microheterogeneous alloys [1]. The results of this analysisgive raise to the assumption that the alloys under investigation are inhomogeneous on thelength-scale of the short-range order. To investigate microgroupings which thus mightexist in the liquid alloys further scattering experiments have been carried out.

Making use of the BW5 experimental station [2] at HASYLAB, DESY, Germany, the totalX-ray structure factors of three selected Cu-Sn alloys - Cu6Sn5, Cu42Sn58 and Cu33Sn67

- have been measured with Qmax = 20 A−1. The sample material was filled into thinwalled (0.02 mm) quartz capillary of 2.0 mm diameter. The energy of the incident beamwas 123.5 keV (λ = 0.1 A). Neutron diffraction experiments were carried out at theSLAD diffractometer [3], NFL Studsvik, Sweden. The samples were filled into quartztubes (external diameter 6 mm, wall thickness 0.2 mm). The wavelength of the incidentradiation was λ = 1.116 A.

The experimental X-ray and neutron structure factors of the liquid Cu-Sn alloys wereused to perform computer simulations of the atomic structure by means of the ReverseMonte-Carlo technique [4]. The contrast between the structure factors as well as theapplication of some physical constraints allowed the separation of the Cu-Cu, Cu-Sn andSn-Sn partial pair correlation functions for the investigated alloys and determination ofthe local environment of copper and tin atoms. It is noteworthy that the partial structurefactors derived for the Cu6Sn5 alloy by this method agree well with those obtained fromneutron scattering with isotopic substitution by Enderby et. al. [5]. Analysis of the partialpair distribution functions and structural parameters supposes formation of relativelylarge groupings of like atoms (especially those of Sn atoms). Existence of the Cu3Sn-typeatomic clusters in the investigated Cu-Sn alloys is also assumed.

This work has been partly supported by the European Community-Access to ResearchInfrastructure action on Improving Human Potential Programme.

[1] A. G. Il’inskii et. al. , in: Magnetic and Electronic Properties of Materials, vol. 2, p. 75, Naukova

Dumka, Kiev 1990

[2] H. F. Poulsen et. al. , J. Non-Cryst. Solids 188 (1995) 63

[3] http://www.studsvik.uu.se/Facilities/Slad/SLAD.HTM

[4] R. McGreevy, L. Pusztai, Mol. Simul. 1 (1988) 359

[5] J. E. Enderby, D. M. North, P. A. Egelstaff, Phil. Mag. 14 (1966) 961-970

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Charakterisierung von Strukturen und

Strukturbildungsprozessen im Bernalschen Modell

einfacher Flüssigkeiten

A. Elsner, H. Hermann

Institut für Festkörperanalytik und Strukturforschung Dresden

Das Bernalsche Modell für Flüssigkeiten und nichtkristalline Metalle wird von uns zurCharakterisierung von Strukturen und deren Bildungsprozessen im ungeordneten Materi-al benutzt. In den simulierten Modellsystemen werden Ordnungsparameter bestimmt, dieAufschluss über das Fortschreiten von Strukturbildungsprozessen während des Verdich-tungsvorgangs geben. Mit einem Algorithmus, der parametrisierbar dichte Kugelpackun-gen aus einer komplett unstrukturierten Ausgangskonfiguration bilden kann, wurden Mo-dellsysteme erzeugt, schrittweise weiter verdichtet und deren strukturelle Eigenschaftenuntersucht.

Der Algorithmus zum Erzeugen dichter Packungen wird vorgestellt. Die Auswirkung derSteuerparameter des Algorithmus auf die strukturellen Eigenschaften werden dargestelltund erläutert. Die Modellsysteme enthalten dabei zwischen 105 und 106 Kugeln. Je größerdie Anzahl Elemente in den Modellsystemen ist, desto höhere Aussagekraft besitzen dieErgebnisse der Simulation.

Zu den untersuchten Ordnungsparametern zählt die lokale Packungsdichte einer Kugel,die definiert ist durch den Quotienten aus dem Kugelvolumen und dem Volumen der sieumgebenden S-Voronoizelle. Weiterhin liefern radiale Dichteverteilung und StreukurvenHinweise auf strukturelle Eigenschaften der Packung. Ab einer Packungsdichte von 0.64entstehen Nanokristallite in einer zufälligen Matrix. Der Durchmesser der Nanokristalliteliegt in der Größenordnung von drei bis vier Atomen. Simulierte TEM-Aufnahmen dieserstark verdichteten Kugelpackung lassen den beginnenden Kristallisationvorgang deutlicherkennen. Veränderungen der Ordnungsparameter des Modells in Abhängigkeit vom Gradder Verdichtung werden aufgezeigt.

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Intermediate Range Order and Transport Processes in

Viscous Aluminum Silicates: Molecular Dynamics Simulations

P. Pfleiderer, J. Horbach, K. Binder

Institut für Physik, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz

Glassforming mixtures of SiO2 and Al2O3 with different compositions are investigatedby molecular dynamics (MD) computer simulations. These systems form tetrahedral net-work structures, i. e. both Al and Si are fourfold coordinated by oxygens. In all composi-tions we find that Al prefers a different, denser packing of tetrahedra involving threefold-coordinated O atoms. The result is a microphase-separated system in which alumina-richregions form a percolating network through the SiO2 structure. This intermediate-rangeorder appears as prepeaks in the partial static structure factors near 0.5 Å

−1.

We study how these structural properties influence dynamical quantities such as diffusionconstants, the Debye-Waller factor, and wave-vector dependent relaxation times. In thetemperature range under investigation, i. e. for T > 2000 K, structural relaxation can bewell described by mode-coupling theory.

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Zeitaufgelöste Röntgenbeugung

I. Uschmann, A. Morak, E. Förster, R. Sauerbrey

Institut für Optik und Quantenelektronik, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Die schnelle Entwicklung der Laser-Technologie ermöglicht heute die Erzeugung sehr kur-zer, energiereicher Laserimpulse mit hoher Folgefrequenz. Die Anwendung solcher Laser,zum einen in der Plasmaphysik, und zum anderen in Verbindung mit Teilchenbeschleu-nigern, ermöglicht die Erzeugung ultrakurzer Impulse im keV Röntgenbereich. Seit fast10 Jahren werden solche kurzen Röntgenimpulse für neuartige Laser-Anrege-Röntgen-Abfrage-Experimente angewendet. Hiermit kann derzeit die Dynamik kristalliner Festkör-per mit einer bisher unerreichter zeitlicher Auflösung verfolgt werden. Die Zeitauflösungist hierbei durch die Impulsdauer des Röntgenimpulses gegeben. Im Vortrag wird ein Ver-gleich der unterschiedlichen Röntgenquellen bezüglich emittierter Photonen, Strahlungs-charakteristik gegeben und die Anwendung der Quellen in zeitaufgelösten Experimentendiskutiert.

Beispiele zu Experimenten, wie schnelle Prozesse in Halbleitern, wie InSb und Ge, oderBi werden gegeben. Die ultraschnelle Anregung von Elektronen-Loch-Paaren kann sowohlzu schnellen Änderungen in der Nahordnung des Atomgitters (Elektronendichte in derElementarzelle) als auch zu Änderungen der Fernordnung (Deformationen) führen. DerVergleich der gemessenen zeitabhängigen Röntgeninterferenzen mit Simulationen ergibtneue Einblicke in die schnelle Bewegung von Atomen während Phasenübergängen. Ausder zeitabhängigen Gitterdeformation kann man neue Erkenntnisse über z. B. die Diffu-sion von Ladungsträgern in Halbleitern gewinnen. Mit der Entwicklung der Methode derzeitaufgelösten Röntgenbeugung ist eine neue Technik entstanden, die nun zur Verfügungsteht, um schnelle Änderungen (< 1 ps) der Elektronendichte, zunächst in Kristallgittern,zu detektieren.

Durch die rasche technische Entwicklung (fs-Laser, FEL-Tesla) kann sich insbesonderedie Dynamik der detektierten Röntgenbeugungssignale wesentlich verbessern, und somitkönnen neue Proben untersucht werden. Mögliche Anwendungen in Chemie und Biologie,die bereits diskutiert werden, können dann zur Realität werden.

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Methodische Aspekte der Strukturcharakterisierung

nanokristalliner Materie

R. B. Neder

Institut für Mineralogie, Universität Würzburg

Nanokristalline Teilchen sind durch eine Größe von wenigen Nanometer gekennzeichnet,wobei viele Eigenschaften der Teilchen von der Grösse der Teilchen abhängig sind.

Die Verfeinerung von Pulverdiagrammen nanokristalliner Teilchen mittles Rietveldverfah-ren greift nur in seltenen Fällen, wenn die Teilchen trotz ihrer geringen Größe noch gut alsKristalle beschrieben werden können. Ein Beispiel dafür ist ZnO, dessen Pulverdiagramselbst bei 4 nm Teilchen gut mittels der vorhandenen Profilfunktionen beschrieben werdenkann.

Da Rietveldverfahren intrinsisch von einer perfekten Kristallstruktur ausgehen, kann dieTeilchengröße nur indirekt über die Scherrer-Gleichung abgeschätzt werden. Um die Teil-chengröße, anisotrope Teilchengröße und Fehlordnung unmittelbar aus den Messdaten zubestimmen, wurde ein Algorithmus zur direkten Berechnung des Pulverdiagramms vonNanoteilchen entwickelt. Dazu werden die Teilchen direkt simuliert und das Pulverdia-gramm mittels der Debye-Gleichung berechnet. Dabei sind die Teilchengröße, die Teil-chenform, die Fehlordnung, die Atompositionen und Auslenkungsparameter unmittelbareParameter zur Simulation des Teilchens und des Pulverdiagramms und werden durchAnpassung an das experimentelle Pulverdiagramm angepasst.

Komplementär zu diesen Auswertungen von Pulverbeugungsdaten erfolgt die Anpassungdes strukturellen Modells an die Paarverteilungsfunktion (Pair Distribution Function,PDF). Die PDF wird aus der Fouriertransformation des Pulverdiagramms berechnet undzeigt Maxima, deren Position den interatomaren Abständen in der Struktur entsprechen.Die PDF erlaubt somit, eine unmittelbare, modellfreie Bestimmung der interatomarenAbstände und ist damit ein sehr wesentliches Werkzeug, um ein strukturelles Modell vonnanokristallinen Teilchen zu entwickeln.

Analog zu Pulverbeugungsexperimenten nahe bei Absorptionskanten erlauben Röntgen-absorptionsexperimente (EXAFS) elementspezifische Aussagen über die lokale Strukturvon Nanoteilchen.

Die Methoden werden anhand der Ergebnisse zu Nanoteilchen von CdS, ZnO und Cd-Se/ZnS Core-Shell Nanoteilchen demonstriert. Die verschiedenen Methoden ergeben ver-gleichbare Daten, die zusammen ein umfassendes strukturelles Bild erlauben.

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Kristallisation eines UV - strukturierbaren Glases

im System Li2O − Al2O3 − SiO2

S. Mrotzek, D. Hülsenberg

Fachgruppe Glas- und Keramiktechnologie, Technische Universität Ilmenau

In diesem Vortrag werden die Prozessabläufe bei der Kristallisation eines UV - struktu-rierbaren Glases im System Li2O − Al2O3 − SiO2 vorgestellt.

Der Mechanismus der heterogenen, UV - strahlenunterstützten Bildung von Kristallkei-men wird näher erläutert. Anhand verschiedener experimenteller Methoden wurden dieVorgänge während der technologischen Einzelschritte – Belichten, Tempern und Ätzen –untersucht. Es ist weitestgehend gelungen, die Wirkung von Silber als Keimbildner aufzu-klären und die exakten Belichtungs- sowie die thermischen Bedingungen für Keimbildungund Kristallwachstum zu definieren. Im Gegensatz zu bisher angenommenen Erkennt-nissen befinden sich die Silberionen nicht nur in den tröpfchenförmigen Entmischungendes Glases, sondern feinverteilt sowohl in der Matrix als auch in den Tröpfchen. Nur inden Tröpfchen kann auf den im Strukturierungsprozess gebildeten Silberclustern die Kri-stallphase Lithiummetasilicat aufwachsen, da nur hier die chemische Zusammensetzungpassfähig ist.

Die zur Herstellung von mikrostrukturierten Bauteilen gefundenen Bedingungen der Keim-bildung und des Kristallwachstums werden als Voraussetzung für die Erzeugung gut ätz-barer Kristallgefüge genutzt. Bei Anwendung eines mehrstufigen Temperregimes mit Hal-tezeiten bei Keimbildungs- und Kristallwachstumstemperatur konnten mit einer hohenReproduzierbarkeit und Ausbeute industriell verwendbare Messfedern hergestellt werden.

Weiterhin können die gefundenen Zusammenhänge zwischen Belichtungsenergiedichte,Keimbildungs- und Kristallwachstumsbedingungen genutzt werden, um die mechanischenEigenschaften fotostrukturierter Glasbauteile gezielt zu verändern. Definierte Belichtungund spezielle thermische Nachbehandlung erhöhte die Biegebruchfestigkeit mikrostruktu-rierter Bauteile von ca. 340 auf etwa 540 MPa.

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Rare-earth site distribution in RP3O9 metaphosphate glasses by

Reverse Monte Carlo

U. Hoppe

Institut für Physik, Universität Rostock

Nearest-neighbour distances between the rare-earth sites in rare-earth doped oxide glassesplay a great role for luminescense and magnetic properties of the corresponding materials.Binary rare-earth phosphate glasses can be prepared with great molar fractions (x < 0.28)of the rare-earth oxides. The R-R correlations of such glasses possess considerable weightin total x-ray scattering data due to greater fractions and great electron numbers of theR atoms. Reverse Monte Carlo is used to extract the R-R correlations from total x-rayscattering data where neutron diffraction data yield additional information. Other authorshave used contrast variation techniques in neutron diffraction to extract the correspondinginformation (isomorphic substitution of Dy by Ho; different magnetic scattering withaligned and randomly oriented magnetic moments of Tb). Our RMC results of the R-Rcorrelations with R = La, Nd, Er, Yb are similar to those the other authors obtainedfor the Tb-Tb correlations. Interpretations of the different R-R distances up to lengthsof 1 nm and of features of the partial R-R structure factors are given on the basis of astructural model which also includes the changes due to contraction of the R3+ ions withincreasing electron numbers.

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Zweiphasig amorphe Ni-Nb-Y–Legierungen

N. Mattern

Röntgenstrukturforschung, IFW Dresden

Die Strukturbildung von metallischen Gläsern erfolgt im allgemeinen, indem die Strukturder unterkühlten Schmelze bei der Glasbildungstemperatur eingefroren wird. Hier berich-ten wir über die Präparation und strukturellen Eigenschaften neuer, phasenseparierteramorpher metallischer Legierungen im ternären System Ni-Nb-Y, die mittels Rascher-starrung aus der Schmelze hergestellt werden konnten [1].

Die Mikrostruktur besteht aus zwei amorphen Phasen, in denen neben Ni einmal Nbangereichert vorliegt bzw. Y angereichert auftritt. Die Entmischung tritt bereits in derSchmelze vor der Erstarrung auf. Berechnungen des Phasendiagramms zeigen, daß diein der binären Nb-Y–Schmelze auftretende Mischungslücke weit in das ternäre Ni-Nb-Y–System hineinreicht.

Experimentell Messungen der Beugungsdiagramme in der Schmelze belegen die Phasen-separation. Das strukturelle Verhalten der rascherstarrten Zustände wurde mit Transmis-sionselektronenmikroskopie, Röntgenbeugung und Thermoanalyse untersucht. Die Hete-rogenitäten erstrecken sich von nm– bis mm–Dimensionen. Die Strukturbildung kannanhand des Phasendiagramms qualitativ verstanden werden. Die zweiphasig amorphenNi-Nb-Y–Legierungen kristallisieren zweistufig, indem zunächst kubisches Ni2Y aus derY-angereicherten amorphen Phase gebildet wird. In einer zweiten Kristallisationsstufeentsteht hexagonales Ni7Nb6 aus der Nb-angereicherten amorphen Phase.

[1] N. Mattern, U. Kuehn, A. Gebert, T. Gemming, M. Zinkevich, H. Wendrock, L. Schultz:

Scripta Materialia 53 (2005) Nr. 3, S. 271-

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Charakterisierung von Siliziumsesquioxid - Modifikationen

A. Hohl, H. Fueß

Institut für Materialwissenschaft, Technische Universität Darmstadt

Silizium-Suboxid mit einer festgelegten globalen Stöchiometrie lässt sich einteilen in Mo-difikationen, welche durch ihren unterschiedlichen Grad der Disproportionierung in Silizi-umdioxid und elementares Silizium charakterisiert sind. Das (amorphe) Siliziumsesquioxid(Si2O3) ist ungetempert ein einphasiges Suboxid (nur mit Si3+) und hat somit eine Struk-tur jenseits der Random-Bonding-Struktur, welche wiederum die am wenigsten stark dis-proportionierte mögliche Struktur des heute bekannten amorphen Siliziummonoxids ist.Der Disproportionierungsprozess (das Clusterwachstum) in SiOx in Abhängigkeit von derTemperatur kann bei Si2O3 also über einen größeren Bereich studiert werden als bei Sili-ziummonoxid.

Neue experimentelle Untersuchungen (u. a. mittels Magnetresonanzspektroskopie (NMRund ESR) sowie Messungen der Si K-Kante) an zuvor durch unterschiedliche Temperbe-handlung hergestellten Si2O3-Modifikationen zeigen deutliche Abhängigkeiten der Struk-tur (mit Bereichen unterschiedlicher lokaler Stöchiometrie) von der Temperatur. Herstel-lungs- und temperaturbedingt sind die Modifikationen zudem durch ihre spezielle Defekt-struktur charakterisiert.

Schwerpunkt der Studie ist eine Auswertung, bei der aufgrund der möglichen Defekt-struktur die NMR-Spektren nur mit Hilfe der ESR-Spektren korrekt interpretiert werdenkönnen. Es ergeben sich Folgerungen für die auf das Clusterwachstum Einfluss nehmen-den Faktoren. Der Mechanismus zu Beginn der Disproportionierung in dem noch vonSi-Clustern freien Si2O3-Festkörper kann Abweichungen zeigen zu den Disproportionie-rungsmechanismen sowohl bei massivem SiO als auch bei SiO-Dünnschichten.

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Produktvorstellung Köstrosorb

Herstellung und Anwendungsgebiete

A. Herbst

Chemiewerk Bad Köstritz GmbH, Bad Köstritz

Die Chemiewerk Bad Köstritz GmbH (CWK) besitzt seit den siebziger Jahren des vorigenJahrhunderts Erfahrung in der Herstellung synthetischer amorpher Kieselsäuren – sowohlin der Herstellung mikronisierter Silicagele (Köstrosorb) als auch kolloidaler Kieselsäuren(Köstrosol).

Köstrosorb stellt eine amorphe, hochreine Kieselsäure mit der ausgeprägten Porenstrukturin Pulverform mit Teilchen im Mikrometerbereich dar und wird durch ein selbst entwickel-tes nasschemisches Sol-Gel-Verfahren hergestellt. Die innere Porosität der Köstrosorb-Produkte, ihre hohe Reinheit und die Teilchengrößenverteilung in engen Grenzen machensie zu idealen Adsorptions- und Mattierungsmitteln sowie Füll- und Trägerstoffen in zahl-reichen Anwendungen unterschiedlichster Industriezweigen: in der Getränkeindustrie zurKlärung von Bier, Wein und Saft, in der Papierindustrie zur Herstellung von Inkjet-Papieren, in der Pharmaindustrie als Tablettierungsmittel, als Füllstoff für Kunststoffeund Anti-Blocking-Ausrüstung in Folien, als Mattierungsmittel in mehreren Lacken- undFarbsystemen, um einige wichtige Beispiele zu nennen.

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Methodische Aspekte der Charakterisierung von

Strukturbildungsprozessen in Wassergläsern

H. Roggendorf

Institut für Werkstoffwissenschaft, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Als Wassergläser bezeichnet man wässrige Alkalisilicatsole, insbesondere des Natriumsoder Kaliums. Die Sole werden meist durch Auflösen von binären Alkalisilicatgläsern inWasser hergestellt und enthalten bis zu 30 Massen-%. Es handelt sich als um eine Di-spersion kolloidaler Silcate in alkalischer wässriger Lösung, kurz um Sole. Die Sole werdenals Ausgangsstoffe für chemische Synthesen und Verfahren verwendet. Davon werden zweiVarianten näher vorgestellt: das Trocknen der Lösungen zu amorphen wasserhaltigen Al-kalisilicaten und ihr Einsatz in anorganischen Sol-Gel-Verfahren.

Besondere methodische Aspekte ergeben sich aus dem Wassergehalt vieler Produkte undaus den nanoskaligen Kolloiden, welche die Struktur der Ausgangsmaterialien und einigerProdukte bestimmen. Daher muss diskutiert werden, welche Methoden zur Charakterisie-rung nanoskaliger Kolloide in silicatischen Lösungen und Festkörpern geeignet sind undwelche dieser Methoden für wasserhaltige Materialien anwendbar sind.

Zur Chrakterisierung des kolloidalen Bestands der Ausgangsmaterialien eignen sich Licht-streuverfahren, etwa die dynamische Lichtstreung oder weiterentwickelte Formen der Fraun-hofer - Beugung. Grundlegende Informationen über den Wasserhaushalt und einige Struk-turbildungsprozesse liefert die Thermoanalyse. Nanoskalige Strukturen können mit Hil-fe der Elektronenmikroskopie, der Atomkraftmikroskopie und einiger Beugungsverfahrencharakterisiert werden. Dabei eignet sich die atmosphärische Rasterelektronenmikrosko-pie insbesondere auch zur Charakterisierung feuchter Proben, während bei den anderenMethoden einige Besonderheiten berücksichtigt werden müssen.

Insgesamt gesehen bedarf es mehrerer, sich ergänzender Methoden, um Strukturbildungs-prozesse in Wassergläsern transparenter zu machen.

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Solid State NMR Studies of Guest Molecules

in Mesoporous Silica

G. Buntkowsky

Institut für Physikalische Chemie, Friedrich-Schiller-Universität Jena

In recent years novel mesoporous silica materials with ordered arrays of pores of uniformsize (periodic mesoporous silica, PMS) or disordered pore geometries have been synthe-sized. The pores can accommodate small guest molecules, either as individual (gas-like)species or as a condensed phase, interacting with the pore surfaces. The solid - fluid in-teraction at the pore walls causes a perturbation of the three-dimensional ordering andwill thus affect the freezing of the guest phase in the pores. Specifically, the molecules inthe direct vicinity of the surface experience forces according to the surface material andgeometry, which in general are not compatible to the crystal packing forces of the crystallattice. As a result, the molecules in the vicinity of the surface will not easily align in theproper crystal positions and the formation of a crystal lattice is hindered or prohibitednear the surface, leading to the formation of amorphous or ordered liquid phases, simi-lar to those in liquidcrystals. In the vicinity of the surface, there will be vacancies andstructural defects, which can enhance translational diffusion of the guest molecules andmolecules in this surface phase will in general exhibit an increased rotational mobility atlower temperatures, as compared to the molecules in the crystalline phases.

Dynamical properties of guest molecules in mesoporous silica are investigated with 2H-solid state and 1H-MAS NMR spectroscopy. First the the rotational dynamics of Benzene-d6 confined in the low-diameter hexagonal ordered cylindrical pores of mesoporous silicawith different diameters is studied in the temperature range between 236 K and 19 K andcompared to bulk benzene-d6. At all temperatures below the freezing point the spectra ofbenzene in the silica show the co existence of several states with temperature dependentintensity ratios. These states can be attributed to glassy, liquid and crystalline states ofbenzene.

Next the adsorption of water in mesoporous silica materials with different diameters isstudied by 1H-MAS and static solid state NMR spectroscopy. Depending on the prepara-tion technique and pore diameter interesting differences in the spectra are observed anddiscussed. Finally the micro-phase behavior of a binary liquid in these silica materials isstudied by a combination of various NMR techniques.

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Argon and CO2 diffusion in silicate melts: A tool for the

development of a CO2 speciation and diffusion model

M. Nowak

Institut für Mineralogie, Universität Hannover

Next to H2O, carbon dioxide is the second most abundant reactive volatile dissolved inmagmas and plays an important role in the degassing of dynamic magmatic systems.It has recently been shown that in albitic, dacitic and jadeitic melts nearby the glasstransition temperature the equilibrium of the homogeneous species reaction CO2 (melt)+O2 (melt) = CO3

2− (melt) shifts towards molecular CO2 with increasing temperature [1,2].This implies that a significant part of dissolved total CO2 in silicate melts is in the form ofmolecular CO2. Thus, even in highly depolymerised melts, in which CO3

2− is the dominantspecies, the mobility of molecular CO2 might contribute to the diffusivity of bulk CO2.Furthermore, diffusion experiments have shown that in rhyolitic melt the mobility of theinert component Ar is comparable to molecular CO2 mobility [3]. Assuming that thisholds for the whole investigated compositional range (iron free rhyolite to hawaiite [4]and NaAlSi3O8 + n Na2O (n = 0 − 7 wt%), it is possible to estimate the contribution ofmolecular CO2 to the bulk CO2 diffusivity by replacement of DCO2,mol with DAr.

Therefore we performed one dimensional Ar and CO2 diffusion couple experiments in aninternally heated argon pressure vessel (IHPV). Run conditions varied from 1373 to 1773 Kand from 0.5 to 11.2 h at a constant pressure of 500 MPa. Concentration-distance profilesalong the diffusion axis were monitored using micro-infrared spectroscopy for CO2 andelectron microprobe for Ar, respectively. Error functions were fitted to the symmetricalprofiles to derive the diffusion coefficients of Ar and bulk CO2.

The CO2 diffusion experiments in rhyolite to hawaiite demonstrated that the diffusivityof bulk CO2 is independent from the melt composition [4] and a mean log DCO2,total =−11.18 ± 0.08 (D in m2s−1) for 500 MPa and 1623 K was calculated. In contrast to this,the CO2 diffusion experiments in albitic glasses, that were depolymerized by the additionof excess Na2O (NaAlSi3O8 + n Na2O; n = 0 − 7 wt%) have shown an exponentialincrease of bulk CO2 mobility with increasing degree of depolymerisation [5], e. g. fromlog DCO2,total = −11.1 ± 0.1 (D in m2s−1) to −10.5 ± 0.1 at 1613 K..

The Ar diffusion experiments demonstrated that the Ar mobility is also increasing ex-ponentially with increasing degree of depolymerisation in both investigated systems,but with a significantly steeper slope than the corresponding CO2 mobility, e. g. fromlog DAr = −11.1 ± 0.1 to −10.7 ± 0.1 at 1623 K in rhyolite to hawaiite and fromlog DAr = −11.1 ± 0.1 to −10.1 ± 0.1 at 1613 K in Ab + n Na2O.

Assuming, that the equilibrium between CO2 species is maintained during diffusion andthat the mole fraction of molecular CO2 is independent of total CO2 concentration for thesame bulk composition, we developed a CO2 diffusion model on the basis of our diffusionexperiments. The necessary diffusion data for the diffusivity of CO3

2− was calculated usingthe non-Arrhenian multicomponent viscosity model for silicate melts from Giordano andDingwell [6] in combination with the Eyring equation, and by using Ar diffusion data asa proxy for the diffusion of molecular CO2. The model demonstrates that even in highlydepolymerised melt compositions like Ha and Th or Ab + n Na2O (n > 4 wt%) molecular

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CO2 is a stable species in the melt. It contributes 70 to 80 % in Ha and Th and nearly100 % in Ab+n Na2O(n > 4 wt%) to total CO2 diffusion, although molecular CO2 in theglasses at ambient conditions has not been detected. This shows, that the determinationof CO2 speciation using diffusion data is a promising approach and an alternative to highpressure high temperature in situ spectroscopic studies.

[1] Morizet et al. (2001): Annealing experiments on CO2-bearing jadeite glass: an insight into

the true temperature dependence of CO2 speciation in silicate melts. Min Mag 65: 701 - 707.

[2] Nowak et al. (2003): Carbon dioxide speciation in silicate melts: a restart. EPSL 207: 131 -

139.

[3] Behrens H and Zhang Y (2001): Ar diffusion in hydrous silicic melts: implications for volatile

diffusion mechanisms and fractions. EPSL 192: 363 - 376.

[4] Nowak et al. (2004): Argon and CO2 on the race track in silicate melts: A tool for the

development of a CO2 speciation and diffusion model. GCA 68: 5127 - 5138.

[5] Sierralta et al. (2002): The influence of bulk composition on the diffusivity of carbon dioxide

in Na aluminosilicate melts. Am Min 87: 1710 - 1716.

[6] Giordano D and Dingwell D B (2003): Non-Arrhenian multicomponent melt viscosity: a model.

EPSL 208: 337 - 349.

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Energie und Entropie von Kristallen, Schmelzen und Gläsern

H. - J. Hoffmann

Institut für Werkstoffwissenschaften und -technologien: Glaswerkstoffe, TechnischeUniversität Berlin

Extrapoliert man den Verlauf der Entropie von unterkühlten Schmelzen zu hinreichendtiefen Temperaturen, so können ihre extrapolierten Werte unterhalb derjenigen der be-treffenden Kristallphasen, ja sogar bei negativen Werten liegen. Da die Entropie einesSystems nur positive Werte hat, bemerkte bereits Kauzmann, dass solch eine Extrapola-tion nicht erlaubt ist. Er schlug als Begründung hierfür das Auftreten des Glasübergangsvor. In der Literatur wird dieses Szenario immer wieder diskutiert, ohne zu prüfen, obein realistischer vollständiger Prozess von Kauzmann betrachtet wurde. Dies ist erfor-derlich, um die Entropien der (unterkühlten) Schmelze und der Glas- oder Kristallphasemiteinander vergleichen und zu tiefen Temperaturen extrapolieren zu können.

Es werden daher die Entropie- und Enthalpie-Funktionen von Kristallen, Schmelzen undGläsern von Einkomponenten-Systemen in geeigneter Weise dargestellt, wobei möglicheÜbergänge aus der Schmelze in den kristallinen und glasartigen Zustand eingeschlossenwerden. Im Vergleich zum Idealkristall sind Enthalpie und Entropie eines Glases im Grenz-fall T → 0 K um ∆H0 bzw. ∆S0 grösser. Entropie und Enthalpie von Gläsern entspre-chen einer stetigen Fortsetzung der Entropie und Enthalpie von Schmelzen zu tieferenTemperaturen. Kristallisation erfolgt in dieser Darstellung als spontaner Prozess unterEntropieproduktion, was in der klassischen Keimbildungs- und Kristallwachstumstheorienicht beachtet wird.

Bereits die Extrapolation der Entropien der Schmelzen und Festkörper vom Bereich derSchmelztemperatur zu tiefen Temperaturen ist als Ausgangspunkt von Kauzmanns Pa-

radoxon zweifelhaft und irreführend, da beträchtliche Abweichungen zu den bekanntenEntropiefunktionen von Gläsern und Kristallen auftreten. Solch eine Extrapolation liefertdemnach keinen Grund für eine Entropiekatastrophe, wie sie in Kauzmanns Paradoxon

postuliert wird, da die Enthalpiedifferenz zwischen unterkühlter Schmelze und entspre-chenden Kristallen unbeachtet bleibt und die Entropien in beiden Zuständen nicht durcheinen isothermen Prozess verbunden sind.

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Configurational Entropy of Mechanically Quenched

Metaphosphate Glasses

L. Wondraczek, Y. Yue

Institut für Nichtmetallische Werkstoffe, Technische Universität Clausthal

Several experiments on the effect of mechanical quenching on the thermodynamic stateof an inorganic glass, i. e. calcium metaphosphate glass, will be demonstrated. Calciummetaphosphate glasses were isothermally stretched as well as compressed at given stressand pressure, respectively, and then cooled slowly. Afterwards, the glasses were subjectedto two runs of DSC scans, whereby a pronounced sub-Tg exotherm on the first upscan couldbe observed. This effect is due to the release of mechanically induced excess enthalpy andincreases with increasing stress or pressure. The exotherm is associated with mechanicalexcitation and relaxation of configurational states. It might be understood as decouplingof dynamic and structural order in the considered glasses.

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Dichte- und Konzentrationsfluktuationen in Gläsern aus der

Analyse ihrer Nullwinkelstreuung

R. Kranold

Institut für Physik, Universität Rostock

Ein Mass für die in jedem Glas während des Glasübergangs eingefrorenen Fluktuationender Konzentration und bzw. oder der topologischen Dichte ist durch den Grenzwert, S(0),des totalen Strukturfaktors für den Streuwinkel Null gegeben. In einkomponentigen Glä-sern existieren nur Dichtefluktuationen, deren Grösse durch die Einfriertemperatur, Tf ,und den Wert der isothermen Kompressibilität bei Tf bestimmt werden. Am Beispiel desglasigen SiO2 wird gezeigt, wie mit Hilfe der aus Röntgenbeugungsexperimenten bestimm-ten S(0)-Werte zwischen verschieden hergestellten Kieselgläsern differenziert und währendeiner Wärmenachbehandlung der Gläser ablaufende Relaxationsprozesse studiert werdenkönnen.

Bei Phosphatgläsern sind insbesondere solche mit Metaphosphat-Zusammensetzung häu-fig untersucht worden. Die Metaphosphatgläser bestehen aus separaten anionischen Phos-phatketten und bzw. oder -ringen, die, aus Gründen des Ladungsausgleichs, in wohlde-finierter Weise von den Metallionen umgeben sind. Verschiedene experimentelle Befundezeigen, dass, zumindest bei einigen der binären Metaphosphatgläser, die Konzentrati-onsfluktuationen gegenüber den Dichtefluktuationen vernachlässigbar klein sind. Diesebinären Gläser können daher als pseudoeinkomponentige Systeme interpretiert werden.Folgerichtig behandeln wir hier die aus solchen Gläsern zusammengesetzten ternären Me-taphosphatgläser als pseudozweikomponentige Systeme.

Untersucht wurden die strukturellen Effekte einer schrittweisen Substitution von K2Ofür Na2O, BaO für SrO und BaO für Na2O in ternären Metaphosphatgläsern. Die Ab-hängigkeit der experimentell bestimmten S(0)-Werte von der Glaszusammensetzung wirddiskutiert, indem diese mit der zu erwartenden Konzentrationsabhängigkeit von S(0) fürden Fall einer idealen bzw. einer regulären Mischung verglichen wird. Die experimentel-len S(0)-Werte der K-Na-Metaphosphatgläser lassen sich durch eine ideale Mischung vonKPO3 - und NaPO3 - Einheiten erklären, während die S(0)-Werte der Ba-Sr-Gläser offen-baren, dass eine Nachbarschaft von ungleichen Metaphosphateinheiten deutlich bevorzugtwird. Im Gegensatz dazu wird für das Ba-Na-System eine starke Tendenz zur Segregationin Cluster von NaPO3 - und Ba(PO3)2 - Einheiten festgestellt. Bei Zugrundelegung desModells der regulären Mischung ergibt sich eine kritische Temperatur von Tc = 340 K,die beträchtlich unterhalb der Temperatur des Glasübergangs liegt.

Die beobachteten Unterschiede im Mischungsverhalten verschiedener Metaphosphatein-heiten werden auf verschiedenartige Bauprinzipien der Ordnung mittlerer Reichweite zu-rückgeführt.

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Confined side chain crystallization in microphase-separated

poly(styrene-block-octadecylmethacrylate) copolymers

M. Beiner1, E. Hempel1, H. Budde2, S. Höring2

1Fachbereich Chemie und 2Fachbereich Physik, Martin-Luther-UniversitätHalle-Wittenberg

The crystallization behavior of microphase-separated poly(styrene-b-octadecylmethacry-late) block copolymers with different morphology is studied by scattering techniques andcalorimetry.

It is shown that these block copolymers are systems with a hierarchy of length scalesin the nanometer range: One length scale is related to the microphase-separation of PSand PODMA blocks (10 − 30 nm) and the other one is due to a nanophase-separationof incompatible main and side chain parts within the PODMA domains (about 3 nm).At temperatures in the range 10◦ C < Tc < 30◦ C side chain crystallization occurs inPODMA domains surrounded by glassy polystyrene. Crystallization occurs in a strongconfinement, i. e. the block copolymer morphology is not destroyed during the crystalli-zation process. The glass temperature of the immobile polystyrene phase (90◦ C < Tg <100◦ C) is significantly higher than Tc.

The influence of the confinement on the crystallization behavior is studied. Data for theblock copolymers and PODMA homopolymers are compared. The crystallization beha-vior of PODMA lamellae is similar to the situation in the homopolymer and practicallyunaffected by the confinement. Strong confinement effects are observed in cylindricalPODMA domains with a diameter of about 10 nm: The degree of crystallinity is 50 %reduced and the crystallization kinetics slows down. These findings are discussed in thecontext of a change from heterogeneous to homogeneous nucleation and/or from three- toone-dimensional crystal growth.

Speculative pictures for the internal structure of the PODMA domains explaining quali-tatively differences between the crystallization in lamellae and cylinders are presented.

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Mean and fluctuating free volume in polymers from

ortho-positronium lifetime distribution: Comparison with

structural relaxation and estimation of dynamic heterogeneity

G. Dlubek

ITA Institute for Innovative Technologies, Köthen/Halle

Positron annihilation lifetime spectra (PALS) are analyzed with respect to the meanand dispersion of ortho-positronium (o-Ps) lifetimes using the new routine LT9.0. Fromthese data the size distributon of subnanometre local free volumes (holes) characerizedby their mean volume, vh, and mean dispersion, sh, is derived [1,2]. Pressure-volume-temperture (PVT) experiments were analyzed employing the lattice-hole theory of Simha

and Somcynsky (S-S eos) in order to abtain the fraction, h, and the specific, Vf = hV ,hole free volume and its expansivity and compressibility. From comparison of Vf with vh

the specific number of holes, Nh, is estimated [1,2].

From comparison with reported dielectrical and viscosity measurements we found thatthe structural relaxation slows down faster than the shrinkage of the hole free volumeVf would predict on the basis of the free volume theory [3]. Our results indicate thatthe structural relaxation in polymers operates via the free-volume mechanism only whenliquid-like cluster of cells of the S-S lattice appear which contain a local free volume of3 or more empty S-S cells. The same conclusion follows from the pressure dependency ofthe structual relaxation and Vf .

It is show that the hole size dispersion from PALS mirrors dirctly the thermal fluctua-tion in the free volume as long as the relaxation time of structural motion is large thanthe o-Ps lifetime of a few nanoseconds [1,2]. The mean fluctuation in the fractional andspecific free volume is calculated. Starting from a fluctuation approach the mean size ofthe smallest subvolume representative for structural relaxation is estimated. This volu-me corresponds to the volume of a cooperatively rearranging region (CRR) and mirrorsthe dynamic heterogeneity. Its variation with temperature and pressure is analyzed. Theexperimental data are interpreted in terms Donth´s theory of dynamic glass transiitonheterogeneity.

[1] G. Dlubek, A. Sen Gupta, J. Pionteck, R. Krause-Rehberg, H. Kaspar, K. H. Lochhaas, Ma-

cromolecules 37, 6606 (2004)

[2] G. Dlubek, J. Wawryszczuk. J. Pionteck, T. Gworek, H. Kaspar, K. H. Lochhaas, Macromo-

lecules 38, 429 (2005)

[3] G. Dlubek, D. Kilburn, M. A. Alam, Macromol. Chem. Phys. 206, 818 (2005).

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Szenarien der Strukturbildung

P. Häussler, J. Barzola-Quiquia, M. Stiehler

Institut für Physik, Technische Universität Chemnitz

Strukturbildung ist auf der Basis von Molekülen ein durch die Lösung der Schrödingerglei-chung (Quantenchemie) wohlverstandenes lokales Selbstorganisationsproblem zwischenden Elektronen und den Abständen der Atome/Ionen. Für größere Systeme (mehr als10-50 Atome) versagt diese Methode wegen rechentechnischer Begrenzungen, es sei denn,dass verschiedene Parameter wie die Teilchendichte oder gar die Lage der Atome, die sicheigentlich aus dem Selbstorganisationsprozess erst ergeben sollten, als bekannt vorausge-setzt werden. Dies gilt insbesondere, wenn verschiedene Atomsorten teilhaben und z. B.Ladungstransfer oder Hybridisierungseffekte vorkommen. Die lokale Quantenchemie istalso nur begrenzt einsetzbar.

Von Kristallen wissen wir, dass auch Bandstruktureffekte eine wichtige Rolle spielen kön-nen. Bandstruktureffekte sind globale Effekte, bei denen das Elektronensystem als Ganzesund die statische Struktur durch ihre Periodizität sich gegenseitig beeinflussen. Sie sindin Resonanz zueinander. Ist die Struktur bekannt, lässt sich die Quantenchemie lokal inder Elementarzelle lösen und global durch das Bloch-Theorem ergänzen. Das Problem derStrukturbildung selbst wurde dabei jedoch nicht verstanden, sondern experimentell vomKristallographen gelöst. Andererseits wird durch die Kristalle jedoch deutlich, dass zurStrukturbildung nicht nur lokale, sondern gegebenenfalls auch globale Effekte zu berück-sichtigen sind.

Für Materialien, die sich gerade auf dem Weg der Strukturbildung befinden, nämlichfür Flüssigkeiten und amorphe Systeme, wurden globale Effekte in der Vergangenheitvernachlässigt oder bestenfalls als Störung der lokalen Quantenchemie betrachtet. Dem-zufolge ist die Strukturbildung für größere Komplexe ein noch offenes Problem und kaumüber das Stadium der lokalen Quantenchemie oder der Diskussion der Packung harterKugeln hinausgekommen. Die flüssigen und amorphen Systeme eignen sich andererseitsbesonders gut für Untersuchungen der Strukturbildung, da sie sich sehr flexibel auf dielokalen und globalen Bedingungen einstellen können. Sie haben ausserdem eine herausra-gende Bedeutung, da sie die Prekursoren aller Kristalle darstellen; Kristalle werden ausden Flüssigkeiten gezogen, bzw. entstehen durch Kristallisation ungeordneter Phasen. DieStrukturbildung in der ungeordneten Phase entscheidet über die nachfolgende kristallinePhase.

Wir haben deshalb die statische und elektronische Struktur amorpher und flüssiger Sy-steme näher untersucht. In diesem Beitrag soll darüber berichtet werden, wie neben derstatischen Struktur auch das Elektronensystem als Ganzes die Möglichkeit hat, sich globalmit der sich bildenden Struktur so einzurichten, dass stabile Konfigurationen auftreten.Den sich selbstorganisierenden globalen Resonanzen zwischen dem Elektronensystem undder sich bildenden Struktur kommt dabei eine besondere Rolle zu.

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Inhaltsverzeichnis

2 Vorwort

3 B. Müller: Strukturen und Strukturfunktionen nichtkristalliner Materialien – Einekritische Betrachtung

6 W. Hoyer, I. Kaban, O. Akinlade: Analysis of a non-crystalline structure from a dif-fraction experiment: problems and solutions

8 S. Gruner, W. Hoyer, I. Kaban: Determination of partial structure factors of liquidCu-Sn alloys by the means of RMC simulations

9 A. Elsner, H. Hermann: Charakterisierung von Strukturen und Strukturbildungspro-zessen im Bernalschen Modell einfacher Flüssigkeiten

10 P. Pfleiderer, J. Horbach, K. Binder: Intermediate Range Order and Transport Pro-cesses in Viscous Aluminum Silicates: Molecular Dynamics Simulations

11 I. Uschmann, A. Morak, E. Förster, R. Sauerbrey: Zeitaufgelöste Röntgenbeugung

12 R. B. Neder: Methodische Aspekte der Strukturcharakterisierung nanokristallinerMaterie

13 S. Mrotzek, D. Hülsenberg: Kristallisation eines UV - strukturierbaren Glases imSystem Li2O − Al2O3 − SiO2

14 U. Hoppe: Rare-earth site distribution in RP3O9 metaphosphate glasses by ReverseMonte Carlo

15 N. Mattern: Zweiphasig amorphe Ni-Nb-Y–Legierungen

16 A. Hohl, H. Fueß: Charakterisierung von Siliciumsesquioxid - Modifikationen

17 A. Herbst: Produktvorstellung Köstrosorb – Herstellung und Anwendungsgebiete

18 H. Roggendorf: Methodische Aspekte der Charakterisierung von Strukturbildungs-prozessen in Wassergläsern

19 G. Buntkowsky: Solid State NMR Studies of Guest Molecules in Mesoporous Silica

20 M. Nowak: Argon and CO2 diffusion in silicate melts: A tool for the development ofa CO2 speciation and diffusion model

22 H. - J. Hoffmann: Energie und Entropie von Kristallen, Schmelzen und Gläsern

23 L. Wondraczek, Y. Yue: Configurational Entropy of Mechanically Quenched Meta-phosphate Glasses

24 R. Kranold: Dichte- und Konzentrationsfluktuationen in Gläsern aus der Analyseihrer Nullwinkelstreuung

25 M. Beiner, E. Hempel, H. Budde, S. Höring: Confined side chain crystallization inmicrophase-separate poly(styrene-block-octadecylmethacrylate) copolymer

26 G. Dlubek: Mean and fluctuating free volume in polymers from ortho-positroniumlifetime distribution: Comparison with structural relaxation and estimation of dy-namic heterogeneity

27 P. Häussler, J. Barzola-Quiquia, M. Stiehler: Szenarien der Strukturbildung