Kinder und Jugend- liche im Visier der Alkohol- industrie · Kinder und Jugend-liche im Visier der...

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Kinder und Jugend- liche im Visier der Alkohol- industrie Kinder und Jugendliche stellen eine immer wich- tigere Zielgruppe für die Alkoholindustrie dar, denn sie repräsentieren den Markt von morgen, sie sind die Trinker der Zukunft. Die Industrie in- vestiert heute, um mor- gen zu kassieren! Alko- holwerbung suggeriert Attraktivität, Männlich- keit, Romantik, Entspan- nung und Abenteuer. Die Werbestrategien nutzen Humor, Musik und Pro- minente, um die Popula- rität von Alkohol gerade bei sehr jungen Fernseh- zuschauern zu erhöhen. Da überrascht es nicht, dass Teenager insbeson- dere Alkoholwerbung im Gedächtnis behalten und diese Werbespots sogar zu ihren Favoriten zäh- len. Europa hat den weltweit höchsten Alkoholkon- sum, berichtet das nie- derländische Institut für Alkoholpolitik (STAP). In den letzten Jahren ha- ben Heranwachsende in den meisten EU-Mit- gliedstaaten immer frü- her mit dem Alkoholkon- sum begonnen und sie neigen immer stärker zum so genannten „bin- ge drinking“ (Rausch- trinken). Rund 15 Pro- zent der 15-16Jährigen haben im vorangegange- nen Monat exzessiv ge- trunken und etwa 13 Prozent waren schon mehr als 20 mal in ih- rem Leben betrunken. Alkohol ist der dritthäu- figste Grund für Gesund- heitsschäden bzw. so- gar für Todesfälle in Europa. Nahezu 25 Prozent der Todesfälle von Männern und immerhin 11 Pro- zent der Todesfälle von Frauen gehen auf das Konto eines gefährli- chen Alkoholkonsums. Umso bedenklicher stimmt die Tatsache,

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Kinder undJugend-liche im

Visier derAlkohol-industrie

Kinder und Jugendlichestellen eine immer wich-tigere Zielgruppe für dieAlkoholindustrie dar,denn sie repräsentierenden Markt von morgen,sie sind die Trinker derZukunft. Die Industrie in-vestiert heute, um mor-gen zu kassieren! Alko-holwerbung suggeriertAttraktivität, Männlich-keit, Romantik, Entspan-nung und Abenteuer. DieWerbestrategien nutzenHumor, Musik und Pro-minente, um die Popula-rität von Alkohol geradebei sehr jungen Fernseh-zuschauern zu erhöhen.Da überrascht es nicht,dass Teenager insbeson-dere Alkoholwerbung imGedächtnis behalten unddiese Werbespots sogarzu ihren Favoriten zäh-len.

Europa hat den weltweithöchsten Alkoholkon-sum, berichtet das nie-

derländische Institut fürAlkoholpolitik (STAP). Inden letzten Jahren ha-ben Heranwachsende inden meisten EU-Mit-gliedstaaten immer frü-her mit dem Alkoholkon-sum begonnen und sieneigen immer stärkerzum so genannten „bin-ge drinking“ (Rausch-trinken). Rund 15 Pro-zent der 15-16Jährigenhaben im vorangegange-nen Monat exzessiv ge-trunken und etwa 13Prozent waren schonmehr als 20 mal in ih-rem Leben betrunken.Alkohol ist der dritthäu-figste Grund für Gesund-heitsschäden bzw. so-gar für Todesfälle inEuropa.

Nahezu 25 Prozent derTodesfälle von Männernund immerhin 11 Pro-zent der Todesfälle vonFrauen gehen auf dasKonto eines gefährli-chen Alkoholkonsums.Umso bedenklicherstimmt die Tatsache,

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dass 55 Millionen Euro-päer einen riskanten Al-koholkonsum aufweisen.(Anderson & Baumberg:Alcohol in Europe: apublic health perspecti-ve: Institute of AlcoholStudies, UK. 2006). Eswerden Unsummen indie Werbung gesteckt:2007 wurden inDeutschland 556 Millio-nen Euro für Alkoholwer-bung ausgegeben undfür die Bewerbung vonTabakprodukten eben-falls ein dreistelliger Mil-lionenbetrag. Der Zu-sammenhang vonWerbeaufwand und Al-kohol- bzw. Tabakkon-sum ist komplex undmit einfachen Studien-methoden schwierig zufassen. Jedoch legendie Ergebnisse einerganzen Reihe wissen-schaftlicher und differen-zierter Untersuchungen

die Schlussfolgerungnahe, dass der Kontaktmit Werbung das Trink-und Rauchverhalten vonKindern und Jugendli-chen beeinflusst.

Die einfache Erkenntnis,dass Werbung wirkt undinsbesondere jungeMenschen in ihremTrinkverhalten durchWerbung beeinflusstwerden, belegt auch einzweijähriges EU-Projektin 24 EULändern(ELSA), das sich mitder Wirkung von Wer-bung und mit den ver-schiedenen Kontrollme-chanismen von Werbungbeschäftigt hat. EinezielgruppenpezifischeWerbung setzt beson-ders auf das jeweilspassende Image: An Ju-gendliche gerichteteWerbung muss vor al-lem witzig sein. Das

Umschwenken der Indu-strie auf Imagewerbunglässt selbst ein Getränkder Groß- bzw. Urgroß-eltern zum Kultgetränkwerden. Über eine halbeMilliarde Euro Werbe-ausgaben und Sponso-ring für alkoholische Ge-tränke standen imBundeshaushalt 20066,7 Millionen Euro fürsuchtpräventive Aufga-ben gegenüber. Die fi-nanzielle Relationspricht für sich. Die Ko-sten für Lobbying inDeutschland, auf Bun-des- wie auf Landesebe-ne, sowie im Rahmender EU sind in diesemWerbeaufwand nochnicht enthalten. (Quelle:Nielsen Media ResearchGmbH 2008, FASPO2008, EBDD/ DBDD2008)

Deshalb ist es unbe-dingt notwendig auchdie Marketingstrategiender Alkoholindustrienoch stärker in den Fo-kus alkoholpräventiverMaßnahmen zu rücken,denn offenbar sind gera-de junge Menschen be-sonders empfänglich fürdie Botschaften derWerbestrategen. Alko-holwerbung begleitetheute ganz selbstver-ständlich unseren Alltagund die Alkoholindustrieweiß genau, mit wel-

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chen Mitteln sie Jugend-liche zum Kauf alkoholi-scher Getränke animie-ren kann.

Die Werbung reicht vonTV-Werbespots über Pro-motion und Sponsoringspezieller Events biszum Marketing im Inter-net. Und auch wenn dieAlkoholindustrie behaup-tet, ihre Zielgruppe seidie der 21 bis 24Jähri-gen, werden doch geradedie sehr viel jüngeren Ju-gendlichen von der Alko-holwerbung erreicht. Re-lativ günstige Produktewie z.B. Alkopops, alko-holische Energydrinksoder vorgemixte Cock-tails in jugendlicher Ver-packung zeigen, dassdie Alkoholindustrie ins-besondere Jugendliche inden letzten Jahren ver-stärkt ins Visier genom-men hat. Die Werbungtransportiert die Alkohol-werbung in jugendlicheLebensstile über Musik,Mode und Sport.

Langzeitstudien belegen,dass Alkoholwerbung denBeginn des Alkoholkon-sums sowie die Häufig-keit und Menge des Trin-kens bei Jugendlichenbeeinflusst (vgl. Ander-son u.a.: Impact of alco-hol advertising and mediaexposure on adolescentalcohol use: a systema-

tic review of longitudinalstudies. Alcohol 2009,44; S.229-243).

Wie und auf welcheGruppe die Werbung be-sonders wirkt, hat aucheine Untersuchung derDAK näher untersucht.Die Ergebnisse zeigen:Je mehr AlkoholwerbungJugendliche schauen,desto mehr Alkohol trin-ken sie. Und: Alkohol-werbung wird eher vonJungen wahrgenommenals von Mädchen, sie er-innern sich auch häufi-ger an die Marken. 3.400Schüler im Alter vonzehn bis 17 Jahren aus174 Schulklassen nah-men an der großen Be-

fragung teil. Die Studiebelegt, dass es inDeutschland als Jugend-licher fast unmöglich ist,nicht in Kontakt mit Al-koholwerbung zu kom-men. Lediglich 1,5 Pro-zent der befragtenSchüler gab an, noch nieeine der in der Befra-gung vorgegebenen Alko-holwerbungen gesehenzu haben. Zudem ergabdie Untersuchung, dassJungen häufiger undmehr Alkohol trinken alsMädchen und auch eherzum so genannten Risi-kokonsum neigen. Inter-essant dabei ist, dassJungen Alkoholwerbungoffenbar auch eher wahr-nehmen als Mädchen.

RAUCHENund zu viel

ALKOHOLschaden Ihrer

GESUNDHEIT!

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Bei Kontrollwerbungen,beispielsweise Werbungfür Handys und Süßig-keiten, trat dieser Effektnicht auf. Das bedeutet,dass Jungen nicht perseinteressierter an Wer-bung allgemein sind,sondern dass sie beson-ders von Werbung für Al-koholika angesprochenwerden. Auch beim Kon-takt mit Alkoholwerbungund der Häufigkeit desexzessiven Alkoholkon-sums zeigt die DAK-Stu-die einen bedeutendenZusammenhang auf. Sohat die Gruppe mit demhöchsten Werbekontaktdoppelt so oft exzessivAlkohol konsumiert wiedie mit dem niedrigstenWerbekontakt.

Experten sehen daher inder Reduzierung vonWerbung einen wesent-lichen Faktor, um dieschädlichen Einflüsseauf jugendliches Trink-verhalten zu verringern,und fordern eine nochintensivere Beschrän-kung der Alkoholwer-bung. Dass auch Elterneffektives Handeln for-dern, zeigt das DAKGe-sundheitsbarometer2008: 69 Prozent der El-tern waren der Meinung,dass Werbung ein zupositives Bild vom Alko-hol vermittelt, 45 Pro-zent der Eltern forder-

ten, Alkoholwerbungsollte generell verbotenwerden. 38 Prozent wa-ren der Meinung, einWerbeverbot für Alkoholwürde besonders Kinderund Jugendliche vor denGefahren des Konsumsschützen. (DAKGesund-heitsbarometer, April2008. Befragt wurden1002 Eltern von Kindernim Alter bis 18 Jahren,repräsentative Forsa-Be-fragung)

Auch die DeutscheHauptstelle für Suchtfra-gen e.V. (DHS) setztsich mit dem Themaauseinander und kriti-siert den DeutschenWerberat hinsichtlich ei-ner ihrer Meinung nachnicht funktionierendenfreiwilligen Selbstregu-lierung der Werbewirt-schaft bei der Alkohol-werbung.

Die renommierte Sucht-institution beklagt einesexistische Alkoholwer-bung, ein auf Jugendli-che gerichtetes Produkt-design neu erfundenerAlkoholgetränke sowiedie Nutzung des positi-ven Images des Sportszur Verkaufsförderung.Ihrer Meinung nach istder Werberat der Flutneuartiger Werbemetho-den und kreativen Wer-bestrategen nicht ge-wachsen.

So wurden nach Aussa-ge der DHS Beschwer-den gegen die Verwen-dung sexistischer undfrauenfeindlicher Werbe-begriffe vom DeutschenWerberat abgelehnt oderaber die Beschwerdennicht nachhaltig verfolgt.Wiederholt hatte dieDHS Beschwerde etwagegen reißerische Na-

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mensgebungen und Neu-gier weckende Verpak-kungen alkoholischerGetränke eingelegt, dieeinzig und allein der Ver-kaufsförderung dieserErzeugnisse dienen.

Obwohl dies bei Namenwie „Mäusepisse“,„Arschgeweih“, „KleinerFlutscher“ und „GutenMorgen Latte“ zweifellosder Fall sei, habe derWerberat lediglich daraufverwiesen, für Namenund Verpackung nichtzuständig zu sein. DerWerberat würde zudemzu wenig Eigeninitiativezeigen, um insbesonde-re Werbung zu verhin-dern, die als Ansprachevon Kindern und Jugend-lichen missverstandenwerden kann. Die Ver-wendung jugendlicherModels, die Übernahmedes Sprachstils der Ju-gendkultur, die Nutzungvon Handys und sozialenNetzwerken wie „face-book“ und „myspace“ zurVerbreitung von Marke-tingbotschaften sprecheschließlich eine deutli-che Sprache. „Hier wer-den gezielt junge Men-schen angesprochen!Dies müsste der Werbe-rat eigentlich verhindern.Er müsste auch nichtauf Beschwerden vonBürgern oder Suchtex-perten warten, nein, der

Werberat kann auch vonsich aus ein Verfahreneinleiten.“

Gabriele Bartsch, stellv.Geschäftsführerin derDHS betont, dass Alko-holwerbung in Deutsch-land nur erlaubt seinsollte, wenn es ein Re-gelwerk gebe, das keineSchlupflöcher für „kreati-ve“ Werbestrategen offenlässt. Sie fordert eineunabhängige, gesetzlichgeregelte und sanktions-gestützte Kontrolle, diefür alle Medien, insbe-sondere auch für das In-ternet, gilt. „Anders kön-nen Verbraucher, allenvoran die Gewinn verhei-ßende Zielgruppe derKinder und Jugendli-chen, nicht wirksam ge-schützt werden.“ (DHS)

Eine Untersuchung überden Einfluss von Alko-holwerbung auf Jugendli-che in Irland (Dring &Hope, 2001) hat heraus-gefunden, dass die mei-sten Teenager aufgrundeingespielter Live-Musik-oder auch speziellertrendiger Tanzszenendas Gefühl hatten, dassdie Alkoholwerbung gera-de ihnen galt. Außerdemzeigten die Ergebnisse,dass die JugendlichenAlkohol aufgrund derWerbung tatsächlich alsMöglichkeit ansahen,

sozial und sexuell erfolg-reich zu sein, und ihmsogar therapeutische Ei-genschaften zuschrie-ben. Alkoholwerbung übtoffenbar eine enorme An-ziehungskraft auf Kinderund Jugendliche aus.Umso bedenklicher istes deshalb, dass sie dienegativen Aspekte ex-zessiven Alkoholkon-sums komplett ausblen-det. Die Werbung iststets einseitig, präsen-tiert das Trinken als si-cheren und problemlo-sen Konsum unduntergräbt damit präven-tive Maßnahmen, dieüber die negativen Fol-gen und tatsächlichengesundheitlichen Risikendes Alkoholkonsumsaufklären.