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DER KÖBES JENS PRÜSS EIN RHEINISCHES ORIGINAL DROSTE

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DER

KÖBESJ E N S P R Ü S S

E I N R H E I N I S C H E S O R I G I N A L

JEN

S PR

ÜSS

DROSTE

pfl egt einen rauen Umgangston, oft noch auf

überhaupt in den Schankraum? Und wie ist es

heute um den Jesöff schlepper und seinen

Kulturgeschichte des Köbes geht Jens Prüss diesen

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Jens Prüss

DER KÖBES

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Jens Prüss

Ein rheinisches Original

Droste Verlag

DER KÖBES

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten

sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2016 Droste Verlag GmbH, Düsseldorf

Einbandgestaltung: Kay Bach, Köln unter Verwendung einer

Abbildung des Düsseldorfer Stadtarchivs

Satz: Droste Verlag

Druck und Bindung: CPI – Clausen & Bosse, Leck

ISBN 978-3-7700-1574-0

www.drosteverlag.de

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durch die Rechte Dritter verletzt werden, bitten wir, dies zu entschuldigen.

Hinweise und Änderungen nehmen wir gern entgegen.

Bildnachweis

Brauerei Ferdinand Schumacher GmbH & Co. KG:

S. 10, S. 20/21, S. 38, S. 66, S. 69, S. 94Brauerei Heller GmbH: S. 101

Brauerei und Wirtschaft „Im Füchschen“ Peter König e. K.: S. 6 rechtsCölner Hofbräu P. Josef Früh KG: S. 6 links, S. 15, S. 56/57

EDEL: S. 32 (Köbese Tommy und Franz), S. 37 (Köbese Tommy und Franz), S. 128Fotolia © Oleg Zhukov: S. 3

Gebr. Sünner GmbH & Co. KG: S. 52Privatbrauerei Gaffel: S. 111

Rheinisches Schützenmuseum Neuss mit Joseph-Lange-Schützenarchiv: S. 73Schlüssel GmbH & Co. KG: S. 62/63, S. 96

Stadtarchiv Düsseldorf: S. 115 (Schwemme im „Schlüssel“), S. 120 (Ausschank der Privatbrauerei Frankenheim)

Köbessprüche

Quellen:Neben eigener Erfahrung aus Franz Mathars Köbes, noch e Kölsch, FAZ und Express Düsseldorf

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Meinen Brüdern Jörg und Holger,

die mich gern zu den Köbesen begleiteten;

manchmal aber auch die anderen

Punker bevorzugten,

die im Ratinger Hof.

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Einstimmung

Peter Berchem, „Der Kölsche Zappes“ – Seite 9

Einleitung

Ein Frankfurter ist an allem schuld – Seite 11

Überleitung

Annäherungsversuche – Seite 15

Braubursche, Jakobspilger – ja, was denn nun?

Wer der Köbes wirklich ist – Seite 24

Fragen & Antworten

Interview mit einem Köbes – Seite 31

Wo Jakob zu Hause ist

Eine Geschichte der Brauhäuser – Seite 38

Der weibliche Köbes

Seeräuber-Jenny – Seite 52

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Benimmregeln

Der Brauhaus-Knigge – Seite 59

Jakobs Bierhäppchen

Ein winziges Wörterbuch der Brauhausküche – Seite 67

Köbes international

Jakob und seine Brüder – Seite 69

Das Gesöff

Kleine Geschichte von Kölsch und Alt – Seite 73

Gambrinus

Eine merkwürdige Bierlegende – Seite 93

Exkurs

Mit dem Hopfen kam das Alt – Seite 96

Brauereien heute

Schöne neue Welt – Seite 101

Statistik

Fernsehbiere & fein Jebräu – Seite 112

Der Köbes heute

Wo der Köbes noch der „wahre“ Jakob sein darf – Seite 115

Anstelle eines Nachworts

Blick zurück nach vorne – Seite 121

Nachlese

Ausgewählte Literatur – Seite 127

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Einstimmung

Peter Berchem, „Der Kölsche Zappes“

Hä kann esu blieve,

Deit „Hendrich“ sich schrieve,

Weed „Köbes“ genannt,

Süht us wie vum Land,

Hät Backe wie Keesche,

Der Schnäutzer gestreche,

De Hoore voll Fett,

Eß immer adrett.

E blau Kammesölche,

Am Hals e wieß Röllche,

‘ne Schooz nit ze spack:

Dat es singe Frack.

De Täsch am bequeme

Glanzleddere Reeme,

Dat mäht in räch schlank,

Un vör modern langk.

Su deit hä sich schlängele,

Un öfters sich drängele,

Lans Desche un Stöhl

Durch all dat Gewöhl.

Deit einer im winke,

Si Glas nor usdrinke,

Ov rächs eß ov links.

Da hät hä gespingks.

Brängk hä denne Härcher

Fünfpennings-Zigärcher,

Dem do e Glas Wieß,

Bei et Röggelche Kies,

Höllt flöck enem Madämmche

E dreistöckig Hämmche,

Dem Stammdesch „Goot Spund“

De veezehnte Rund.

Hä weiß zo verzälle

Manch Krätzche us Kölle,

Verdräht ene Wetz,

Nimmb keinem jet spetz,

Eß fründlich, maneerlich,

Vör allem grundehrlich

Un immer fidel:

Ene prächtige Kähl!

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Einleitung

Ein Frankfurter ist an allem schuld

Es gibt Wörter, die lösen Klänge im Kopf aus. Wenn jemand Köbessagt, höre ich sofort das Klimpern der Geldkatze. Gäbe es ein hei-teres Beruferaten der Geräusche, wäre dies das typische Arbeits-geräusch. „Machen Sie Menschen glücklich oder zufrieden?“„Ijoaah“, hätte Moderator Lembke wohl geantwortet. Aber wärees dem Rateteam auch gelungen, das Geklimper dem Beruf zuzu-ordnen? Verdammt, was ist der Kerl? Ein Küster? Ich glaube mal,im Schweinderl des Kölner Köbes hätten am Ende 50 Mark gele-gen. Denn kein deutscher Kellner macht so viel Klimbim beimService wie der Kerl in der blauen Kutte. Da die Börse wie ein Fei-genblatt vor dem Gemächt hängt, schallert das Wechselgeld beijedem Schritt. Man mag es nicht glauben, aber bayerische Schank-kellner sind gegen diese Kakophonie Leisetreter.

Fast zeitgleich drängt ein zweites, hässlicheres Geräusch inden Kopf. Das entsteht, wenn der Köbes den feuchten Boden desBierglases am Tablettrand abstreift, bevor er es auf den Filzdeckelstellt. Glas auf Metall ergibt ein zahnstumpfes „Klack!“. Will mannicht wirklich hören. „Klack“ muss der Kerl aber machen, weilder Bierdeckel sonst schnell durchnässt wäre. Woran sein AlterEgo, der Zappes, schuld ist, der die Gläser nach dem Spülen nichtabtrocknet. Männerhaushalt, sagen nun manche. Aber mich hatein Zapfer mal belehrt, dass ein abgetrocknetes Glas schlechtenSchaum gibt. Das wollen wir ja nun gar nicht.

Nehmen wir noch das dumpfe Donnergrollen der Eichenfässerdazu, wenn sie aus dem Lagerkeller über den Steinboden in denAusschank gewälzt werden, und dieses grellhelle „Plock, Plock“beim Fassanstich, dann ist der Arbeitsplatz des Köbes akustischumfassend beschrieben. Für mich sind dies himmlische Disso-nanzen. Dabei bin ich weder Zwölftöner noch Zen-Buddhist, son-

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dern einfach nur ein sentimentaler Schlucker. Kaum sitze ich amblanken, vom vielen Geschrubbe aufgeplatzten Ahorntisch, nehmeich Abschied von der Resopal-Wirklichkeit des modernen Alltags.Nur schummerig dringt die geschäftige Welt durch das bleiver-glaste Fenster, die Holzverschalung der Räume ist schwarz vor Al-ter, und es duftet süßlich nach Hefe. An den Wänden hängen alte,vom Tabakrauch patinierte Malerschinken, die die Geschichte desHauses illustrieren. Die massiven Deckenbalken betonen den rus-tikalen Charakter des Schauplatzes, und ein antiker Kronleuchterhüllt alle Gegenstände in ein honigfarbenes Zwielicht. Währendich vor dem Mostertpöttchen mit gefalteten Händen das Klimbimdes Köbes erwarte, durchfährt mich ein Schauder der Behaglich-keit. „Ne, wat schön!“

Gut, ich gebe zu, nicht jeder ist für diese Urigkeit zu haben. InKöln und Düsseldorf gibt es sicherlich angesagtere Traumwelten.Die Frage nach der „korrekten“ Freizeitgestaltung kann ganze Fa-milien entzweien, zumindest für Stunden. Mein Bruder und ich,wir trennten uns in jungen Jahren regelmäßig, wenn wir die Düs-seldorfer Altstadt betraten, er strebte zum Ratinger Hof und ichzum Uerige. High waren wir am Ende beide, jeder auf seine Art.

Der Joseph Beuys war da schon ganzheitlicher. Der sagte sich:Pogo ist überall. Brauhaus und Pissoff-Klangaktion, das ist eins.Der glühte zunächst im Kreise seiner Jünger im Füchschen aufder Ratinger Straße vor und gab dann um Mitternacht im Cream-cheese den Schamanen. Kunststudenten hatten selbst in denhochpolitischen Siebzigern ein entspanntes Verhältnis zu denSudhäusern, die manche Linke als Biotope für „Bierspießer“ ab-taten. Vielleicht weil sie in diesem unakademischen Milieu zu fin-den meinten, was sie im Atelier so verzweifelt suchten: dasEhrliche und Echte.

Als es den Begriff Retro noch gar nicht gab, waren die Brau-häuser schon Inseln der Traditionspflege. Niemals würde dort aufdem Tresen ein Aluminiumfass stehen, echte alte Eiche muss es

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sein, archaisch umgürtet von eisernen Ringen. Der Köbes trägt dielange Schürze und das blaue Hemd nicht aus folkloristischem Jux,sondern weil dies seit Urvaters Zeiten die Arbeitstracht der Brau-burschen ist. Sie hat sich bewährt. Proletarisch auch der Umgangs-ton, der uff Platt und ohne Zierrat daherkommt. „Tee? Da gehsteam beste glich gägenüvver, do es en Appotek!“ Der domestizierteStädter lächelt süßsauer und seufzt: „Ach, wie authentisch!“ DieBrauhäuser sind Zeitkapseln, in denen seit Generationen die glei-chen simplen Abfolgen zelebriert werden. Und der Köbes ist derZeremonienmeister dieser Gedächtnishäuser.

„So was haben wir nicht“, seufzte kürzlich ein Messebesucheraus Frankfurt. Ich versuchte ihn mit Sachsenhausen und den uri-gen Äppelwoi-Kneipen zu trösten. Aber der Frankfurter schüttelteenergisch den Kopf. Und als der Bursche im blauen Arbeitshemdihm ungefragt das nächste Bier hinstellte, setzte er lachend hinzu:„Und so was kennen wir auch nicht.“ So sei er halt, unser Köbes,entschuldigte ich den Übergriff.

„Kööö-bess! Haha! Kööö-bess!“, rief der Fremde, „komischesWort“. Das Bier begann zu wirken. „Und wo kommt’s her?“

„Tja“, sagte ich, „gute Frage.“ Irgendwas hatte ich mal dazugelesen. „Hm.“

„Von Jakob“, rief jemand aus der Runde, der wohl das Gesprächmitgehört hatte. Richtig! Die kölsche Verballhornung des NamensJakob. Ja, ja, ich erinnere mich. Muss man erst mal drauf kommen.

Wie soll das denn geschehen sein, sinnierte der Frankfurterweiter und wunderte sich, dass sein Glas schon wieder leer war.Er trank das Zeug wie einen sauer Gespritzten. Außerdem unter-schätzte er wie alle Süddeutschen das kleine Volumen.

Wir machten uns den Spaß, den Namen zu verhunzen: Jakobwurde zunächst zu Kob. „Da kütt dä Kob.“ Dann zu Köb undschließlich quasi als Kosename des Köb zu Köbes. So könnte esgewesen sein. Vielleicht hieß er auch mal Köbche. Auch niedlich.„Eh, Köbche, noch e Bier!“ Hat sich aber wohl nicht durchgesetzt.

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Der Frankfurter lachte laut wie ein Holländer. Köbche gefielihm. Trotzdem hakte er nach. Wieso nur im Rheinland? Wiesonicht auch in Bayern, im Stammland der Biertrinker? Komischer-weise gehörte da zum Bestiarium der Brauhäuser eine Amazone,die zünftige Zenzi. Wenn man ehrlich ist, das geschäftstüchtigereModell. Bierkrüge vor wogendem Busen machen Männer sicherlichdurstiger als ein klingelnder Geldsack unterhalb des Bauchnabels.

Also bei der nächsten Zuteilung den Klingelmann selbst aufdas Problem angesprochen. Der musste doch wissen, wo er her-kommt. Leider verstand er unsere Frage als Versuch, ihn intellek-tuell aufs Glatteis zu führen, und knallte uns die Flönz mit demSatz hin: „Verarsche kann ich mich selber. Us ming Moder, duDoll.“ Vielleicht wusste er aber auch tatsächlich keine Antwort.Hand aufs Herz, wer weiß schon wirklich, wer er ist. Einen kleinenSchritt waren wir aber doch weitergekommen. Immerhin wusstenwir jetzt: Auch der Köbes hat eine Mutter.

Es müsste zu dem Thema doch Literatur geben, fuhr der Frank-furter hartnäckig fort. Heine vielleicht? Oder Goethe, gab ich über-mütig zurück. Aber weder Apfelküchlein noch Auerbachs Kellerbrachten uns diesem merkwürdigen blauen Burschen näher. Wirhaben viel gelacht an diesem Abend. Und dennoch war da plötzlichein Stachel. Der Mann aus der Goethestadt hatte Fragen gestellt,die wir Rheinländer uns doch eigentlich selbst stellen müssten.

Die Kölner werden es richten, dachte ich mir. Die Stadt ist be-kannt dafür, noch mehr Braupfannen als Taufbecken zu haben.Im Grunde arbeiten dort beide Institutionen seit JahrhundertenHand in Hand. Weshalb das Früh auch in Sichtweite zum Domsteht. Außerdem neigt der Kölner zur exzessiven Selbstbespiege-lung, da müsste es doch mit dem Teufel zugehen …

Also ran an den Speck. So kam es, dass ich zu einem alten Kum-pel, dem Kölner Historiker Christian Knorpp, der mir bei den Re-cherchen zum Zwist zwischen Köln und Düsseldorf so hilfreich zurSeite stand, erneut Kontakt aufnahm: Sag mir, wer der Köbes ist!

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