Kapitel 1 Die hydrodynamischen...

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Kapitel 1 Die hydrodynamischen Gleichungen 1.1 Die Boltzmann-Gleichung Gegeben sei ein klassisch–mechanisches System von N Teilchen ohne innere Frei- heitsgrade (d.h. Teilchen ohne innere Struktur). Die Bewegung der Teilchen ist durch die Hamiltonschen Gleichungen q i ∂t = ∂H p i , p i ∂t = ∂H q i i =1,...,N (1.1) bei gegebenen Anfangsbedingungen festgelegt (kanonisches, auch Hamiltonsches oder konservatives System). Hierbei sind: q i =(q 1 ,q 2 ,q 3 ) die verallgemeinerten Koordinaten und p i =(p 1 ,p 2 ,p 3 ) die verallgemeinerten Impulse derTeilchenund H = H ( q 1 ,..., q N , p 1 ,..., p N ,t)dieHamilton–FunktiondesSystems ur große Teilchenzahlen N ist es nicht m¨ oglich, die Bewegungsgleichungen aller Teilchen zu l¨ osen (Rechenaufwand zu groß; Unkenntnis der genauen Anfangsbedin- gungen). statistische Beschreibung von Systemen mit großer Teilchenzahl erforderlich Gibbs–Gesamtheit oder Ensemble: Vielzahl von gleichartigen physikalischen Systemen (gleiche Hamilton–Funktion H ), die unter denselben makroskopischen (nicht in H enthalten ) Bedingungen als nebeneinander etabliert gedacht werden k¨ onnen. 5

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  • Kapitel 1

    Die hydrodynamischen Gleichungen

    1.1 Die Boltzmann-Gleichung

    • Gegeben sei ein klassisch–mechanisches System von N Teilchen ohne innere Frei-heitsgrade (d.h. Teilchen ohne innere Struktur). Die Bewegung der Teilchen ist durchdie Hamiltonschen Gleichungen

    ∂~qi∂t

    =∂H

    ∂~pi,

    ∂~pi∂t

    = −∂H∂~qi

    i = 1, . . . , N (1.1)

    bei gegebenen Anfangsbedingungen festgelegt (kanonisches, auch Hamiltonsches oderkonservatives System). Hierbei sind:

    ~qi = (q1, q2, q3) die verallgemeinerten Koordinaten

    und

    ~pi = (p1, p2, p3) die verallgemeinerten Impulse

    der Teilchen undH = H(~q1, . . . , ~qN , ~p1, . . . , ~pN , t) die Hamilton–Funktion des Systems

    • Für große Teilchenzahlen N ist es nicht möglich, die Bewegungsgleichungen allerTeilchen zu lösen (Rechenaufwand zu groß; Unkenntnis der genauen Anfangsbedin-gungen).

    • statistische Beschreibung von Systemen mit großer Teilchenzahl erforderlich

    • Gibbs–Gesamtheit oder Ensemble:Vielzahl von gleichartigen physikalischen Systemen (gleiche Hamilton–Funktion H),die unter denselben makroskopischen (nicht in H enthalten ) Bedingungen alsnebeneinander etabliert gedacht werden können.

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  • KAPITEL 1. DIE HYDRODYNAMISCHEN GLEICHUNGEN 6

    • Unter gewissen Umständen (Energieerhaltung) kann man ein einzelnes physikalischesSystem im zeitlichen Hintereinander als äquivalentes Ensemble betrachten (Ergoden-hypothese)

    • Beschreibungsgrundlage für die statistische Beschreibung einer Gibbs–Gesamtheit istder Γ-Phasenraum.

    • Dies ist ein 6N–dimensionaler Raum (allgemein ein 2fN–dimensionaler Raum, wobeif die Anzahl der Freiheitsgrade der Teilchen ist), der von den Vektoren ~q1, . . . , ~qNund ~p1, . . . , ~pN aufgespannt wird.

    • Ein Punkt in diesem Phasenraum beschreibt den Zustand aller N Teilchen zu einemgegebenen Zeitpunkt. Die zeitliche Entwicklung des Systems ist durch eine (eindeu-tige) Phasenbahn (Trajektorie) im Γ–Raum gegeben.

    • Die bisherigen Betrachtungen sind auf ein klassisch–mechanisches System aus sehrvielen (gleichartigen oder nicht gleichartigen) wechselwirkenden Teilchen zugeschnit-ten.

    • Liegt zwischen den Teilchen keine Wechselwirkung vor, so reicht die Betrachtungdes einem Einzelteilchen zugeordneten 6 (allgemein 2f)–dimensionalen Phasenraumsaus, der von den Vektoren ~q und ~p aufgespannt wird. Dieser Phasenraum wird alsµ–Phasenraum bezeichnet.

    • Wegen der Unabhängigkeit der Teilchen: bei N Teilchen, N Phasenraumpunkte indemselben µ–Raum (in der Quantenmechanik: Phasenraumpunkt → Phasenraum-zelle)

    • Grundaufgabe der statistischen Beschreibung: Bestimmung der Verteilung der Pha-senraumpunkte, die den physikalischen Systemen der betrachteten Gibbs-Gesamtheitzugeordnet sind.

    Definition: N-Teilchen oder Liouville-Verteilungsfunktion

    F (~q1, . . . , ~qN , ~p1, . . . , ~pN , t)

    ist Wahrscheinlichkeitsdichte im Γ–Raum mit

    F (~q1, . . . , ~qN , ~p1, . . . , ~pN , t) dΩ = 1

    wobei dΩ ≡ d~q1, . . . , d~qN , d~p1, . . . , d~pN das Volumenelement des Phasenraumes ist.Die Größe FdΩ ist demnach die Wahrscheinlichkeit zur Zeit t das physikalischeSystem im Volumenelement dΩ anzutreffen, d.h. Teilchen (1) im Ortsintervall[~q1, ~q1 + d~q1] und im Impulsintervall [~p1, ~p1 + d~p1], Teilchen (2) im Ortsintervall[~q2, ~q2 + d~q2] und im Impulsintervall [~p2, ~p2 + d~p2], u.s.w.

  • KAPITEL 1. DIE HYDRODYNAMISCHEN GLEICHUNGEN 7

    • für wechselwirkungsfreie Teilchen (d.h. Eigenvolumen = 0) ist der Γ–Phasenraumgleich dem Produkt aus den unabhängigen µ–Phasenräumen. Ordnet man dem (i)-tenTeilchen die Verteilungsfunktion fi(~qi, ~pi, t) mit der Eins–Normierung

    fi(~qi, ~pi, t)d~qid~pi = 1

    zu, so gilt die Produktdarstellung der Gesamtverteilungsfunktion

    F (~q1, . . . , ~qN , ~p1, . . . , ~pN , t) =N∏

    i=1

    fi(~qi, ~pi, t) (1.2)

    • Im Spezialfall gleichartiger, wechselwirkungsfreier Teilchen stimmen die Vertei-lungsfunktionen fi(~qi, ~pi, t) überein

    F (~q1, . . . , ~qN , ~p1, . . . , ~pN , t) =N∏

    i=1

    fi(~qi, ~pi, t) = [f(~q, ~p, t)]N

    • Zur Herleitung von Differentialgleichungen (d.h. Entwicklungsgleichungen) für dieVerteilungsfunktionen verwendet man für kanonische Systeme den Liouville’schenSatz

    d

    dt(dΩ) = 0 (1.3)

    d.h. das Phasenraumvolumen dΩ eines kanonischen Systems bleibt bei der zeitlichenEntwicklung des Systems (=̂ Bewegung im Phasenraum) erhalten. Es gilt

    d

    dt

    FdΩ = 0 da

    FdΩ = 1

    Daraus folgt

    ∫d

    dt(FdΩ) = 0 d.h.

    dΩdF

    dt= 0

    und damit die Liouville–Gleichung für die Verteilungsfunktion einer GibbsschenGesamtheit im Γ–Phasenraum.

    dF

    dt≡ ∂F

    ∂t+

    3N∑

    i=1

    (∂F

    ∂qi

    dqidt

    +∂F

    ∂pi

    dpidt

    )

    = 0 (1.4)

  • KAPITEL 1. DIE HYDRODYNAMISCHEN GLEICHUNGEN 8

    • Betrachtet man ein physikalisches System dieser Gesamtheit, das aus gleichartigenwechselwirkungsfreien Teilchen besteht, dann wird dieses System selbst zu einerstatistischen Gesamtheit im µ–Phasenraum

    Für die Einteilchen–Verteilungsfunktion gilt dann die Vlasov–Gleichung:

    ∂f

    ∂t+

    3∑

    i=1

    (∂f

    ∂qi

    dqidt

    +∂f

    ∂pi

    dpidt

    )

    = 0 (1.5)

    • Wenn die Teilchendichte zunimmt werden Stöße zwischen den Teilchen wichtig, dasich das Eigenvolumen der Teilchen bemerkbar macht.

    Liouville–Gleichung muss anstelle der Vlasov–Gleichung verwendet werden.

    a) Falls Wechselwirkung kurzreichweitig und Dichte nicht “allzu hoch” (nur Zwei-erstöße + molekulare Unordnung, d.h. die durch einen Stoß erzeugte lokaleOrdnung wird vor nächstem Stoß wieder völlig verwischt). In diesem Fall istdas System als verdünntes, neutrales Gas beschreibbar und die Dynamik desSystems ist durch die Boltzmann–Gleichung gegeben.

    b) Falls Wechselwirkung langreichweitig (Coulomb, Gravitation): Es finden vieleKleinwinkelstreuprozesse statt. Die Beschreibung des Systems ist durch dieFokker–Planck–Gleichung gegeben.

    c) Falls Wechselwirkung langreichweitig und falls kollektive Abschirmprozessewirksam sind (wie in einem Plasma): Das System ist durch die Lenard–Balescu–Gleichung beschreibbar

    Alle diese Stoßgleichungen (im µ–Phasenraum) lassen sich aus der Liouville–Gleichung z.B. unter Verwendung der BBGKY–Hierarchie (Born, Bogoljubov,Green, Kirkwood, Yvon) streng ableiten (siehe Abb. 1.1 und z.B. Ecker 1972).

    • Die BBGKY–Hierarchie basiert auf der sukzessiven Integration der Liouville–Gleichung über die Koordinaten der N–Teilchen-Verteilungsfunktionen. Daraus re-sultieren gekoppelte Integro–Differentialgleichungen mit einer zunehmenden Ordnungvon Teilchenkorrelationen.

    • Integriert man die N -Teilchenfunktion über die Orts- und Impulskoordinaten vonN − 1 Teilchen, so erhält man die nur von den Koordinaten und Impulsen einesTeilchens abhängige Liouville’sche Einteilchen-Verteilungsfunktion

    F(1)(~q1, ~p1, t) ≡∫

    F (~q1, . . . , ~qN , ~p1, . . . , ~pN , t) d~q2 . . . d~qN d~p2 . . . d~pN ,

    die die Wahrscheinlichkeit angibt, an der Stelle (~q1, ~p1) ein Teilchen anzutreffen.

  • KAPITEL 1. DIE HYDRODYNAMISCHEN GLEICHUNGEN 9

    Green − Funktions−

    methode

    Aufstiegsmethode

    von DupreeVernachlässigung

    von Stö ßen

    Liouville − Gleichung

    Lenard − Balescu −

    Gleichung

    Fokker − Planck −

    Gleichung

    Vlasov −

    Gleichung

    Vernachlässigung der Stö ße

    ( adaptiert aus F. Cap ) Momentenmethode

    Hydrodynamik − Gleichungen

    Boltzmann − Gleichung

    BBGKY

    Abstiegsmethode

    BBGKY −

    Gleichung

    Abbildung 1.1: Übersicht zur Herleitung der hydrodynamischen Gleichungen

    • Wenn Teilchen i und j durch ein Wechselwirkungspotential Ψi,j(qi, qj) aufeinanderKräfte ausüben 1, dann ist in der Liouville–Gleichung (1.4) die auf das Teilchen iwirkende Beschleunigung

    1

    mi

    d~pidt≡ d~ui

    dt

    durch

    −∂Ψi∂~qi

    ≡ −∑

    j 6=i

    ∂Ψi,j∂~qi

    zu ersetzen, wobei ~ui die Geschwindigkeit des Teilchens i ist. Damit lautet dieLiouville–Gleichung (1.4):

    ∂F

    ∂t+

    N∑

    i=1

    {

    ~ui∂F

    ∂~qi− ∂Ψi

    ∂~qi

    ∂F

    ∂~ui

    }

    = 0 . (1.6)

    Setzt man ohne Beschränkung der Allgemeinheit i = 1 und integriert (1.6) über dieverallgemeinerten Koordinaten und Impulse der anderen N − 1 Teilchen, so folgt∂F(1)∂t

    + ~u1∂F(1)∂~q1

    =

    ∫∂Ψ1∂~q1

    ∂F

    ∂~u1d~q2 . . . d~qN d~p2 . . . d~pN . (1.7)

    1In diesem Fall sind die Kräfte zwischen den Teilchen konservativ, d.h. die Beschleunigung, die auf einTeilchen wirkt, hängt nur von den Koordinaten, aber nicht von den Impulsen der Teilchen ab.

  • KAPITEL 1. DIE HYDRODYNAMISCHEN GLEICHUNGEN 10

    Dabei wurde verwendet, dass die Integration der Terme mit ∂F/∂~qi für i = 2, . . . , NNull ergibt, da

    ∫(∂F/∂~qi) d~qi = 0 falls die N-Teilchenfunktion F für |~qi| → ∞ aus-

    reichend schnell gegen Null strebt. Dies gilt analog auch für die Terme mit ∂F/∂~ui.

    Nimmt man nun noch zur Vereinfachung an, dass F eine symmetrische Funktion derunabhängigen Variablen d~q1 . . . d~qN d~p1 . . . d~pN ist (ohne diese Vereinfachung ist dieAbleitung langwieriger), dann lässt sich die rechte Seite von (1.7) unter Beachtungvon

    Ψ1 =∑

    j 6=2

    Ψ1,j

    in der Form

    (N − 1)∫

    ∂Ψ1,2∂~q1

    ∂F

    ∂~u1d~q2 . . . d~qN d~p2 . . . d~pN

    schreiben.

    Definiert man gemäß

    F(2)(~q1, ~q2, ~p1, ~p2, t) ≡∫

    F (~q1, . . . , ~qN , ~p1, . . . , ~pN , t) d~q3 . . . d~qN d~p3 . . . d~pN

    die Zweiteilchen-Verteilungsfunktion F(2), so folgt aus (1.7)

    ∂F(1)∂t

    + ~u1∂F(1)∂~q1

    = (N − 1)∫

    ∂Ψ1,2∂~q1

    ∂F(2)∂~u1

    d~q2 d~p2 . (1.8)

    • Um die Zweiteilchen-Verteilungsfunktion F(2) zu berechnen, muss man die (N −2)-fach integrierte Liouville–Gleichung lösen, wobei die unbekannte Dreiteilchen-Verteilungsfunktion F(3) auftritt, die aus der (N − 3)-fach integrierten Liouville–Gleichung folgt, die die Wechselwirkung zwischen drei Teilchen (Dreierstöße) bein-haltet.

    • Das sich so ergebende hierarchische Gleichungssystem ist geschlossen nicht lösbar undman muss mit Näherungsverfahren ein Abbrechen der BBGKY–Hierarchie erzwingen(z.B. Annahme über F(3) als Funktion von F(2)).

    • Beschränkt man sich bei geringer Dichte auf Zweierstöße, betrachtet nur geschwindig-keitsunabhängige Wechselwirkungkräfte kurzer Reichweite (die nur vom Abstand zwi-schen den Teilchen abhängen), nimmt weiterhin an, dass molekulares Chaos herrschtund dass die Wirkung von äußeren Kräften während des Stoßvorgangs vernachlässigt

  • KAPITEL 1. DIE HYDRODYNAMISCHEN GLEICHUNGEN 11

    werden kann, fordert schließlich noch, dass F(1) während des Stoß konstant ist, soerhält man die Boltzmanngleichung für die Einteilchen-Verteilungsfunktion f

    ∂f

    ∂t+ ~u gradqf − gradqΦ graduf =

    [∂f

    ∂t

    ]

    c

    (1.9)

    wobei

    gradq ≡(

    ∂q1,∂

    ∂q2,∂

    ∂q3

    )

    , gradu ≡(

    ∂u1,

    ∂u2,

    ∂u3

    )

    und Φ ein äußeres Potential ist, das eine glatte (d.h. auf makroskopischen Skalenvarierende) Beschleunigung d~u/dt bewirkt.

    • Der irreversible Stoßterm [∂f/∂t]c beschreibt die zeitliche Änderung der Einteilchen-verteilungsfunktion aufgrund von Teilchenstößen (d.h. die Teilchen-Wechselwirkung)auf statistische Weise. Er repräsentiert irreversible Prozesse (z.B. Viskosität, Diffusi-on).

    • Es existieren zwei weitere Methoden zur Herleitung von Stoßgleichungen.

    a) Die Methode von Klimontovitsch und Dupree geht von der Einteil-chenverteilungsfunktion und der Einteilchen–Bewegungsgleichung und führt zurFokker–Planck–Gleichung (und auch zur Boltzmann–Gleichung).

    b) Die Methode von Lenard und Balescu basiert auf Greens–Funktionen undkann zur Herleitung der Lenard–Balescu–Gleichung (und auch der Fokker–Planck–Gleichung) verwendet werden.

    Bemerkung: Die Lösungen der Lenard–Balescu–Gleichung streben der Gleich-gewichtsverteilung ∂F/∂t = 0 (Maxwell–Verteilung) zu, falls auch Φ = 0. Hier-bei ist zu beachten, dass im Gleichgewicht Stöße auftreten, aber das Stoßintegralverschwindet!

  • KAPITEL 1. DIE HYDRODYNAMISCHEN GLEICHUNGEN 12

    1.2 Bedingungen für eine hydrodynamische Beschrei-

    bung

    Ein System von N freien Teilchen läßt sich als ein Kontinuum beschreiben, wenn

    a) das mikroskopische Verhalten einzelner Teilchen vernachlässigbar ist

    λ≪ l (1.10)

    Hier ist λ die mittlere freie Weglänge der Teilchen und l die charakteristische makro-skopische lineare Dimension des Systems, oder die Skala, über die die Verteilungs-funktion signifikant variiert.

    Das Konzept des Flüssigkeitselements ist sinnvoll, falls

    λ≪ lf ≪ l (1.11)

    In diesem Fall ist die Anzahl der Teilchen im Flüssigkeitelement groß, d.h. mittlereGrößen sind sinnvoll definierbar, z.B. die Dichte ρ und die Geschwindigkeit einesFlüssigkeitselements ~v. Die Geschwindigkeit eines Teilchens

    ~u = ~v + ~w (1.12)

    setzt sich aus einer statistischen Komponente ~w und der mittleren Geschwindigkeit~v zusammen.

    Da λ ≪ l, besitzen die Teilchen eine kleine zufällige Geschwindigkeitskomponen-te (“random walk”) zusätzlich zur mittleren Strömungsgeschwindigkeit, d.h. dasFlüssigkeitselement bleibt während der Entwicklung “erhalten” (bis auf einen ge-ringen Teilchenaustausch an seinem Rand, der sich als Diffusionsprozeß beschreibenläßt)

    b) Die Wechselwirkung zwischen den Teilchen muss sättigen, d.h. die Wechselwirkungmuss kurzreichweitig sein, da sonst kollektive Effekte berücksichtigt werden müssen.

    Formal heißt dies

    limN→∞

    (E

    N

    )

    = const (1.13)

    wobei E/N die Energie pro Teilchen ist.

  • KAPITEL 1. DIE HYDRODYNAMISCHEN GLEICHUNGEN 13

    • Energiedichte und Druck (auf die “Wände” des Flüssigkeitselements) sind dannwie folgt definerbar:

    e ≡ EV= n

    (E

    N

    )

    (1.14)

    p ≡ n ∂e∂n− e (1.15)

    wobei n ≡ N/V und V das Volumen des Flüssigkeitelements ist.

    • Beispiel für nicht-sättigende Kräfte:Gravitation, Coulomb (∼ 1

    r)

    E

    N∼

    {N2 Bosonen

    N4/3 Fermionen

    Gravitation muss als äußere makroskopische Kraft in Hydrodynamik beschriebenwerden.

  • KAPITEL 1. DIE HYDRODYNAMISCHEN GLEICHUNGEN 14

    1.3 Herleitung der hydrodynamischen Gleichungen

    • Hauptproblem bei der Herleitung makroskopischer Gleichungen ist der Stoßterm inden kinetischen Gleichungen

    • Mehrere Verfahren existieren (z.B. Methode von Grad und von Chapman und Ens-kog), um makroskopische Transportgleichungen für mittlere Größen aus der Boltz-manngleichung abzuleiten.

    • Basis: Makroskopische Größen, die als Geschwindigkeits- bzw. Impulsmomente derVerteilungsfunktion definiert sind.

    1.3.1 Maxwell–Boltzmann–Gleichung

    • Verfahren: Multiplikation der Boltzmann–Gleichung mit Größen

    Θ(τ) ≡ m~uτ τ = 0, 1, 2, . . . (1.16)

    und Integration über den Impuls- bzw. Geschwindigkeitsraum.

    • Speziell von Interesse sind dabei die 3 niedrigsten Momente, die eine direkte physika-lische Bedeutung besitzen. Sie sind die Dichte, der Impuls und die kinetische Energieder statistischen Geschwindigkeitskomponente ~w = ~u−~v (innere Energie) des Gasesam Ort ~q zur Zeit t

    ρ =

    mf(~q, ~p, t)d~p (1.17)

    ρv =

    m~u f(~q, ~p, t)d~p (1.18)

    ρε =

    ∫m

    2|~w|2f(~q, ~p, t)d~p (1.19)

    • Allgemein ist das r-te Moment definiert als

    〈Θ(r)

    〉≡ 1

    n

    Θ(r) fd~p , (1.20)

    woraus sich gemäß (1.9) die r-te Momentengleichung ergibt

    Θ(r)[∂f

    ∂t+ ~ugradqf − gradqΦgraduf

    ]

    d~p =

    ∫ [∂f

    ∂t

    ]

    c

    Θ(r)d~p (1.21)

  • KAPITEL 1. DIE HYDRODYNAMISCHEN GLEICHUNGEN 15

    Die mittlere Teilchenanzahldichte n ist gemäß

    n ≡∫

    fd~p (1.22)

    definiert, wobei

    〈nΘ〉 =∫nΘfd~p

    n=

    Θfd~p = n 〈Θ〉 (1.23)

    gilt.

    • Da Θ(r) nicht explizit von ~q und t abhängt, folgt aus Gleichung (1.21)

    ∂t

    Θ(r)fd~p+

    ~u gradq(Θ(r)f) d~p−

    Θ(r)gradq Φgraduf d~p

    =

    ∫ [∂f

    ∂t

    ]

    c

    Θ(r)d~p (1.24)

    1. Term von (1.24):

    ∂t

    Θ(r)fd~p =∂

    ∂t

    (n〈Θ(r)

    〉)=

    ∂t

    〈nΘ(r)

    2. Term von (1.24):

    ~ugradq(Θ(r)f) d~p =

    divq(Θ(r)f~u) d~p−

    Θ(r)f · divq~u d~p

    = divq〈nΘ(r)~u

    〉−

    〈nΘ(r)divq~u

    wobei die Identität

    divΨ ~A = ~AgradΨ + Ψdiv ~A (1.25)

    verwendet wurde.

    3. Term von (1.24):

    −∫

    Θ(r)gradqΦgraduf d~p =

    Θ(r) ~̇u graduf d~p =

    Θ(r) ~̇p gradpf d~p

  • KAPITEL 1. DIE HYDRODYNAMISCHEN GLEICHUNGEN 16

    wegen ~̇u = −gradqΦ. Mit Hilfe der Identität (1.25) folgt dann

    −∫

    Θ(r)gradqΦgraduf d~p =

    divp(Θ(r)~̇pf) d~p

    ︸ ︷︷ ︸

    ≡0

    −∫

    fdivp(Θ(r)~̇p) d~p

    Das erste Integral auf der rechten Seite ist identisch gleich Null. Dies kann man mitHilfe des Gauss’schen Satz zeigen unter der sinnvollen Annahme, dass f für |~u| → ∞schneller gegen Null strebt als jede Potenz von |~u| (z.B. Boltzmannverteilung).Nochmalige Anwendung der Identität (1.25) liefert

    −∫

    Θ(r)gradqΦgraduf d~p = −∫

    fΘ(r)divp~̇p d~p−∫

    f ~̇p gradpΘ(r) d~p

    Die Divergenz im Integranden des ersten Integrals auf der rechten Seite läßt sich mitHilfe der Hamiltonschen Gleichungen (1.1) umschreiben. Wegen ṗ1 = −∂H/∂q1 undq̇1 = +∂H/∂p1 gilt

    ∂ṗ1∂p1

    = − ∂2H

    ∂p1∂q1= −∂q̇1

    ∂q1

    und damit

    ∂ṗ1∂p1

    +∂q̇1∂q1

    = 0

    bzw.

    divp ~̇p = −divq ~̇q (1.26)

    Demnach läßt sich der 3-te Term von (1.24) unter Verwendung von ~̇q = ~u in der Form

    −∫

    Θ(r)gradqΦ graduf d~p =〈nΘ(r)divq~u

    〉−

    f ~̇p gradpΘ(r)d~p

    bzw.

    −∫

    Θ(r)gradqΦ graduf d~p =〈nΘ(r)divq~u

    〉+

    fgradqΦgraduΘ(r)d~p

    schreiben. Zusammenfassung aller Terme ergibt die Maxwell–Boltzmann–Transportgleichung (MBT–Gleichung) für das Moment Θ(r)

    ∂t

    〈nΘ(r)

    〉+ divq

    〈nΘ(r)~u

    〉+ gradqΦ

    〈ngraduΘ

    (r)〉

    =

    ∫ [∂f

    ∂t

    ]

    c

    Θ(r)d~p(1.27)

  • KAPITEL 1. DIE HYDRODYNAMISCHEN GLEICHUNGEN 17

    • Die rechte Seite dieser Transportgleichung ist gleich null, falls Θ(r) (oder eine Line-arkombination von Θ(r)’s) eine Erhaltungsgröße bei Stößen ist

    • Für elastische Kollisionen infolge kurzreichweitiger Kräfte gibt es im nicht–relativistischen Grenzfall genau 5 unabhängige Erhaltungsgrößen:

    – Masse: m

    – Impuls: m~u

    – kinetische Energie: 12m|~u|2

    • Die Maxwell–Boltzmann–Transportgleichungen stellen ein hierarchisches System vonGleichungen dar, da das r-te Moment wegen des Terms divq

    〈nΘ(r)~u

    〉vom (r+1)–ten

    Moment abhängt und weil der Stoßterm nicht auf eine Funktion des r-ten Momentsreduzierbar ist. Daher ist eine unabhängige Schließbedingung erforderlich.

    1.3.2 Hydrodynamische Gleichungen

    Zur Herleitung der hydrodynamischen Gleichungen verwendet man die MBT–Gleichungen für die 3 niedrigsten Momente und eine Zustandsgleichung für das 3-teMoment als Schließbedingung.

    • Nulltes Moment r = 0:

    Θ(0) = m (1.28)

    ∂t〈nm〉+ div 〈nm~u〉 = 0 , (1.29)

    da die Masse der Teilchen während der Teilchenkollision erhalten ist (nicht–relativistische Beschreibung und keine Reaktionen).

    Mit nm = ρ =∫mfd~p ergibt sich dann die Kontinuitätsgleichung

    ∂ρ

    ∂t+ div (ρ~v) = 0 (1.30)

    • Erstes Moment r = 1:

    Θ(1) = m~u (1.31)

    Aus der Maxwell–Boltzmann–Transportgleichung (1.27) folgt dann

    ∂t(ρ~v) + div [ρ 〈~u⊗ ~u〉] + ρgradΦ = 0 (1.32)

  • KAPITEL 1. DIE HYDRODYNAMISCHEN GLEICHUNGEN 18

    Hierbei ist ~u⊗ ~u die symmetrische Dyade uiuk. Der Stoßterm (d.h. die rechte Seite)ist gleich null, da der Impuls in Teilchenkollisionen erhalten ist.

    Für die Dyade ~u⊗ ~u gilt

    〈~u⊗ ~u〉 = 〈~v ⊗ ~v〉+ 〈~v ⊗ ~w〉+ 〈~w ⊗ ~v〉+ 〈~w ⊗ ~w〉

    Da ~v eine gemittelte Größe ist und da 〈~w〉 = 0 gilt, folgt

    〈~u⊗ ~u〉 = 〈~v ⊗ ~v〉+ 〈~w ⊗ ~w〉 (1.33)

    und damit die Navier–Stokes–Gleichung (Bewegungsgleichung der Hydrodyna-mik)

    ∂t(ρ~v) + div [ρ(~v ⊗ ~v)] + divΠ = −ρgradΦ (1.34)

    Der Drucktensor Π ≡ ρ (~w ⊗ ~w) wird üblicherweise in der Form

    Π = p I − π (1.35)

    geschrieben, wobei I der Einheitstensor ist,

    p ≡ 13ρ〈|~w|2

    〉(1.36)

    der isotrope Gasdruck (Spur der symmetrischen Dyade) und

    π ≡ ρ〈1

    3|~w|2I − ~w ⊗ ~w

    (1.37)

    der Viskositätstensor.

    Für reibungsfreie Gase gilt die Euler–Gleichung:

    ∂t(ρ~v) + div [ρ(~v ⊗ ~v)] + gradp = −ρgradΦ (1.38)

    oder auch

    ∂~v

    ∂t+ (~vgrad)~v +

    1

    ρgradp = −gradΦ (1.39)

  • KAPITEL 1. DIE HYDRODYNAMISCHEN GLEICHUNGEN 19

    • Zweites Moment r = 2:Mit

    Θ(2) =1

    2m|~u|2 (1.40)

    folgt

    ∂t

    〈nΘ(2)

    〉=

    ∂t

    2

    〈|~w + ~v|2

    〉]

    =∂

    ∂t

    2|~v|2 + ρ

    2< |~w|2 >

    ]

    (zeitliche Änderung der totalen, d.h. kinetischen plus thermischen Energiedichte) und

    div〈nΘ(2)~u

    〉=

    i

    ∂xi

    [

    ρ

    2

    j

    〈u2jui

    ]

    Die Summe in der eckigen Klammer läßt sich umformen zu

    j

    〈u2jui

    〉=

    j

    〈(w2j + 2wjvj + v

    2j ) (wi + vi)

    =∑

    j

    w2jwi + 2wjwivj + v2jwi

    ︸︷︷︸

    =0

    +w2jvi + 2wjvjvi︸ ︷︷ ︸

    =0

    +v2j vi

    =〈|~w|2wi

    〉+ 2

    j

    〈wiwj〉 vj +〈|~w|2

    〉vi + ~v

    2vi

    und daraus folgt dann

    div〈nΘ(2)~u

    〉=

    i

    ∂xi

    {

    ρ

    2

    [

    |~v|2vi + vi〈|~w|2

    〉+ 2

    j

    vj 〈wiwj〉+〈wi|~w|2

    ]}

    Mit Hilfe der spezifischen inneren Energie [erg/g]

    ε ≡ 12

    〈|~w|2

    〉(1.41)

    und des Energieflußes durch Wärmeleitung (Transport von Wärme ρ2〈|~w|2〉

    durch thermische Bewegung)

    ~h ≡ ρ〈

    ~w1

    2|~w|2

    , (1.42)

  • KAPITEL 1. DIE HYDRODYNAMISCHEN GLEICHUNGEN 20

    läßt sich die Energiegleichung in der Form

    ∂t(ρE) + div [(ρE + p)~v] + div~h− div(π~v) = −ρ~vgradΦ (1.43)

    schreiben, wobei die spezifische Gesamtenergiedichte E [erg/g] durch

    E ≡ 12|~v|2 + ε (1.44)

    gegeben ist.

    • Im Spezialfall einer adiabatische Strömung ohne Gravitation (d.h. Entropie ist kon-stant) gilt für die spezifische Gesamtenergiedichte die Gleichung

    ∂t(ρE) + div [(ρE + p)~v] = 0 (1.45)

    und für die spezifische Entropie S (pro Masseneinheit) die Gleichung

    ∂ρS

    ∂t+ div(ρS~v) = 0 . (1.46)

    • Einen phänomenologischer Ansatz für die Wärmeleitung erhält man durch Taylor–Entwicklung bis zur 1.Ordnung in T

    ~h = −κ gradT , (1.47)

    wobei κ der Wärmeleitungskoeffizient [erg/K/sec/cm2] ist.

    • Die allgemeinste Form des Viskositätstensors lautet (siehe z.B., Landau und Lifshitz):

    πik = η

    (∂vi∂xk

    +∂vk∂xi

    − 23δik div~v

    )

    − ζδikdiv~v , (1.48)

    wobei η und ζ die Viskositätskoeffizienten sind. Man beachte, dass der erste Termspurfrei ist.

    • Die Zustandsgleichung (Schließbedingung) verknüpft den Druck p (3.Moment) mitder Dichte ρ und der spezifischen inneren Energie ε bzw. der Temperatur T derFlüssigkeit oder des Gases. Im Falle eines idealen, einatomigen Boltzmanngases lautetdie Zustandsgleichung

    p = nkBT = RρT (1.49)

    wobei n die Teilchenanzahldichte [cm−3], kB = 1.38 10−16 [erg/K] die Boltzmannkon-

    stante und R = 8.31 107 [erg/K mol] die allgemeine Gaskonstante sind.

  • KAPITEL 1. DIE HYDRODYNAMISCHEN GLEICHUNGEN 21

    1.4 Relativistische Hydrodynamik

    • In der Newtonschen Theorie der Gravitation wird ein”absoluter“ euklidischer Raum

    postuliert, in dem sich die Massen bewegen, die sich gegenseitig durch die von ihnenausgeübten Gravitationskräfte beeinflussen. In der Einsteinschen Allgemeinen Rela-tivitätstheorie bewirken die in einer Raumzeit vorhandenen Massen (Energien) eineKrümmung der Raumzeit (d.h. eine Veränderung der Raumzeitgeometrie) und dieRaumzeitkrümmung (Gravitation) bestimmt ihrerseits die Bewegung der Massen.

    • Mathematisch lässt sich dieses physikalische Konzept im Rahmen einer Theorie einerPseudo–Riemannschen Geometrie einer kontinuierlichen vierdimensionalen Raumzeitformulieren. Die Raumzeit wird durch eine MannigfaltigkeitM mit einer symmetri-schen Metrik gµν (Tensorfeld 2. Stufe mit µ, ν = 0, 1, 2, 3) beschrieben, die durchsechs unabhängige Metrikfunktionen definiert ist (4 Koordinaten–Freiheitsgrade).

    • Die nicht–linearen (es gilt kein Superpositionsprinzip für Gravitationsfelder) Einstein-schen Feldgleichungen verknüpfen die Krümmung der Raumzeit spezifiziert durch denEinstein–Tensor Gµν (quasilinearer Differentialoperator von 2.Ordnung in der Me-trik gµν , d.h. linear in den 2.Ableitungen) mit dem Energie–Impuls–Tensor T µν derMassenenergieverteilung der Raumzeit

    Gµν =8πG

    c2T µν , (1.50)

    wobei G die Newtonsche Gravitationskonstante und c die Lichtgeschwindigkeit sind.

    • Annahme: Ideale Flüssigkeit charakterisiert durch 4–Geschwindigkeit (dimensions-los)

    uµ =dxµ

    c dτ, (1.51)

    wobei dxµ und dτ das Koordinaten- bzw. das Eigenzeitintervall sind, sowie durch denEnergie–Impuls–Tensor

    T µν = (e+ p)uµuν + pgµν . (1.52)

    Hierbei ist e = ρc2+ρε die Gesamtenergiedichte [erg/cm3], p der Druck und ρ dieEigenruhemassendichte bzw. die Baryonenanzahldichte (alle Größen gemessenim lokalen Bezugssystem der Flüssigkeit)

  • KAPITEL 1. DIE HYDRODYNAMISCHEN GLEICHUNGEN 22

    • Mit Hilfe der Relation

    e+ p = ρ(c2 + ε) + p = ρh ,

    wobei

    h ≡ c2 + ε+ p/ρ

    die spezifische Enthalpie [erg/g] ist, läßt sich der Energie–Impuls–Tensor auch inder Form

    T µν = ρhuµuν + pgµν (1.53)

    schreiben.

    • Mit Hilfe der Bianchi–Identität ∇νGµν = 0 folgen aus den Einsteinschen Feldglei-chungen zwei Erhaltungssätze in kovarianter (koordinatenfreier) Form, die die Be-wegung der Flüssigkeit mit dem Teilchenstrom Jµ ≡ ρuµ beschreiben:

    – Teilchenzahlerhaltung

    ∇µJµ = 0 (1.54)

    – Energie–Impuls–Erhaltung

    ∇µT µν = 0 (1.55)

    • Die kovariante Ableitung ∇µ ist wie folgt definiert:

    ∇µAν ≡ Aν , µ+ ΓνσµAσ

    wobei

    Aν , µ ≡ ∂µAν ≡∂Aν

    ∂xµ

    die gewöhnliche Ableitung bedeutet und

    Γνσµ ≡1

    2gνλ (∂σgλµ + ∂µgλσ − ∂λgσµ) (1.56)

    der metrische Zusammenhang (kein Tensor, da er sich linear inhomogen trans-formiert), bzw. die Christoffelsymbole zweiter Art der Metrik der Raumzeit–Mannigfaltigkeit sind.

  • KAPITEL 1. DIE HYDRODYNAMISCHEN GLEICHUNGEN 23

    • Wichtig: Um die kovarianten Gleichungen für die Teilchenzahl-Erhaltung 1.54) unddie Erhaltung des Energie-Impulses (1.55) numerisch intergrieren zu können, mussman ein geeignetes Koordinatensystem wählen. Da das Newtonsche Konzept einesabsoluten Raums und einer absoluten Zeit in der Allgemeinen Relativitätstheorienicht existiert, muss man bei der Interpretation der geometrischen Bedeutung derKoordinaten sehr vorsichtig sein.

    1.4.1 Speziell–relativistische Hydrodynamik

    • Die Raumzeit–Metrik der speziellen Relativitätstheorie ist die (“flache”)Minkowski–Metrik

    gµν −→ ηµν ≡ diag(−1, 1, 1, 1) und Γνσµ = 0 .

    In dieser Metrik geht die kovariante Ableitung ∇µ in die gewöhnliche Ableitung ∂µüber. Die Gleichungen für die Teilchenzahlerhaltung bzw. für die Energie–Impuls–Erhaltung lauten dann

    ∂µ(ρuµ) = 0 ∧ ∂µT µν = 0 . (1.57)

    • Mit Hilfe des Lorentzfaktors

    W ≡ [1− ~v2/c2]−1/2 , (1.58)

    wobei ~v ≡ d~x/dt die 3–Geschwindigkeit ist, läßt sich die 4–Geschwindigkeit in derForm

    uµ = W (1, ~v/c)

    schreiben.

    • Definition relativistischer Erhaltungsgrößen im Laborsystem:

    – Ruhemassendichte [g/cm3]

    D ≡ ρu0 = ρW (1.59)

    – Impulsdichte

    Si ≡ T 0i/c = hc2W 2ρvi , i = 1, 2, 3 (1.60)

  • KAPITEL 1. DIE HYDRODYNAMISCHEN GLEICHUNGEN 24

    – und Energiedichte [erg/cm3]

    τ ≡ T 00 − ρu0c2 = ρhW 2 − p− ρWc2 (1.61)

    • Damit lauten die relativistischen hydrodynamischen Gleichungen in Erhaltungsformwie folgt:

    ∂D

    ∂t+ div(D~v) = 0

    ∂Si

    ∂t+ div(Si~v) + (∇p)i = 0

    ∂τ

    ∂t+ c2div(~S −D~v) = 0

    (1.62)

    • Im Newtonschen Grenzfall ~v → 0 und h→ 1 gilt:

    D → ρ ∂ρ∂t

    + div(ρ~v) = 0

    ~S → ρ~v ∂(ρ~v)∂t

    + div(ρ~v ~v) + gradp = 0

    τ → 12ρ~v2 + ρε = ρE

    ∂(ρE)∂t

    + div [(ρE + p)~v] = 0

    (1.63)

    1.4.2 Allgemein–relativistische Hydrodynamik

    • In der numerischen Relativitätstheorie wird zur Lösung der Einsteinschen Feldglei-chungen üblicherweise ein 1962 von Arnowitt, Deser & Misner 2 vorgeschlagener For-malismus verwendet. Es basiert auf der sogenannten {3 + 1} Foliation der Raumzeitdurch Lichnerovicz 3 und ist allgemein als der ADM {3+1} Formalismus bekannt.Der ADM {3 + 1} Formalismus basiert auf einer Foliation der vierdimensionalenRaumzeit–Mannigfaltigkeit M in eine Abfolge dreidimensionaler, sich nicht schnei-dender raumartiger Hyperflächen Σt̂, wobei t̂ ein skalarer Zeitparameter ist. DieseFoliation der Raumzeit hat eine anschauliche geometrische Interpretation (Abb. 1.2):

    2Arnowitt, R., Deser, S. & Misner, C.W., “The dynamics of general relativity”, in Witten, L., ed.,Gravitation: An introduction to current research, 227–265, (Wiley, New York, U.S.A., 1962).

    3Lichnerovicz, A., “L’integration des équations de la gravitation relativiste et le problème des n corps”,J. Math. Pures Appl., 23, 37–63, (1944).

  • KAPITEL 1. DIE HYDRODYNAMISCHEN GLEICHUNGEN 25

    ^

    boundaries

    hypersurfaces2

    1

    0

    1

    2

    initial data

    numerical grid t

    t

    t

    x

    x

    t^

    ^

    ^

    Abbildung 1.2: Foliation der Raumzeit–Mannigfaltigkeit M in Hyperflächen Σt̂ im ADM{3 + 1} Formalismus.

    Jeder zeitlicher Schnitt Σt̂ ist eine raumartige Hyperfläche, die den gesamten drei-dimensionalen Raum umfasst. Damit ist ein Cauchy–Problem definierbar, d.h. fallsAnfangsdaten auf einer Hyperfläche Σt̂0 und Randbedingungen für alle anderen Hy-perflächen Σt̂>t̂0 spezifiziert sind, ist die zeitliche Entwicklung der Anfangsdaten voll-kommen bestimmt.

    • Die allgemeinste Metrik, die eine entsprechend foliierte Raumzeit beschreibt, kannman auf folgende Weise herleiten: Zuerst führt man Koordinaten (xµ) = (t, xi) ein, diedie gesamte Raumzeit–MannigfaltigkeitM überdecken. Das Linienelement ds2, d.h.das Intervall zwischen zwei Ereignissen x̂µ und xµ, die auf den zeitlich infinitesimalvoneinander entfernten Schnitten Σt̂ und Σt̂+dt̂ der Raumzeit stattfinden, ist durchden auf die Riemannsche Geometrie verallgemeinerten Satz des Pythagoras gegeben(Achtung: In den folgenden Gleichungen werden geometrische Einheiten mitc = G = 1 verwendet):

    ds2 = −(Eigenzeitabstandder Hyperflächen

    )2

    +

    (Eigenabstand innerhalb

    der Hyperfläche

    )2

    , (1.64)

    d.h.

    ds2 = −(dt̂ )2 +∑

    i

    (dx̂i)2. (1.65)

    • Im ADM {3 + 1} Formalismus ist der Abstand zweier zeitlich infinitesimal benach-barter Schnitte im allgemeinen eine Funktion der Position xi auf Σt̂. Damit folgt

    dt̂ = αdt , (1.66)

  • KAPITEL 1. DIE HYDRODYNAMISCHEN GLEICHUNGEN 26

    wobei α die sogenannte Zeitablauffunktion oder”lapse function“ ist.

    Projeziert man die Position des Punktes xi auf die Hyperfläche Σt̂+dt̂ unter Verwen-dung des Normalenvektors der Hyperfläche Σt̂, so wird sich diese im allgemeineninfinitesimal um einen Betrag βidt verschieben, d.h.

    dx̂i = dxi + βidt , (1.67)

    wobei βi der sogenannte Verschiebungsvektor oder”shift vector“ ist. Daher ist die

    Weltlinie eines Beobachters mit festen Raumkoordinaten im allgemeinen nicht or-thogonal zu den räumlichen Hyperflächen. Die vier Koordinatenfunktionen α und βi

    bestimmen demnach die Beziehung zwischen den Koordinaten zweier infinitesimalbenachbarter Zeitschnitte.

    • Für das ADM–Linienelement ergibt sich daraus die Form

    ds2 = gµνdxµdxν = −α2dt2 + γij(dxi + βidt)(dxj + βjdt) , (1.68)

    wobei γij der intrinsische dreidimensionale Krümmungstensor der Hyperfläche Σt̂ ist.Für die vierdimensionale Raumzeit–Metrik gµν gilt:

    gµν =

    −α2 + βiβi β1 β2 β3β1β2 γijβ3

    . (1.69)

    • Ist uµ die 4–Geschwindigkeit der Flüssigkeit bzw. des Gases, dann ist die entsprechen-de 3–Geschwindigkeit für einen ruhenden Eulerschen (d.h. raumfesten) Beobachterin der raumartigen Hyperfläche Σt̂ der ADM–Foliation durch

    vi =ui

    αu0+

    βi

    α(1.70)

    gegeben. Der Lorentzfaktor ist gemäß W ≡ αu0 = (1 − v2)−1/2 mit v2 = γijvivjdefiniert.

    • Führt man, wie 1997 von Banyuls 4 et al. vorgeschlagen, die folgenden hydrodynami-schen Erhaltungsgrößen (siehe Gl. 1.59–1.61)

    D = ρW, Ruhemassendichte, (1.71)

    Si = ρhW 2vi, Impulsdichte, (1.72)

    τ = ρhW 2 − p− ρW, Gesamtenergiedichte (1.73)4Banyuls, F., Font, J.A., Ibáñez, J.Ma, Mart́ı, J.Ma & Miralles, J.A., “Numerical {3 + 1} general

    relativistic hydrodynamics: A local characteristic approach”, Astrophys. J., 476, 221–231, (1997).

  • KAPITEL 1. DIE HYDRODYNAMISCHEN GLEICHUNGEN 27

    ein, so lauten die zugehörigen hydrodynamischen Erhaltungsgleichungen

    1√−g

    [∂√γF 0

    ∂x0+

    ∂√−gF i∂xi

    ]

    = Q , (1.74)

    wobei der Zustandsvektor (Vektor der Erhaltungsgrößen), der Flussvektor und derQuellenvektor durch

    F 0 = (D,Sj, τ)T (1.75)

    F i =

    (

    D

    (

    vi − βi

    α

    )

    , Sj

    (

    vi − βi

    α

    )

    + δijp, τ

    (

    vi − βi

    α

    )

    + pvi)T

    , (1.76)

    Q =

    (

    0, T µν(∂gνj∂xµ

    − Γ λµνgλj)

    , α

    (

    T µ0∂ lnα

    ∂xµ− T µνΓ 0µν

    ))T

    (1.77)

    gegeben sind. Hierbei gilt√−g = α√γ mit den Determinanten der 4–Metrik g =

    det(gµν) und der 3–Metrik γ = det(γij). Weiterhin sind Γλµν die vierdimensionalen

    Christoffelsymbole (Gl. 1.56) und δij das Kroneckersymbol.

    • In expliziter Form und mit v̂i = vi − βi/α lauten die allgemein–relativistischen hy-drodynamischen Gleichungen:

    1√−g

    (∂√γρW

    ∂t+

    ∂√−gρWv̂i

    ∂xi

    )

    = 0,

    1√−g

    (∂√γρhW 2vj

    ∂t+∂√−g(ρhW 2vj v̂i+pδij)

    ∂xi

    )

    = T µν(∂gνj∂xµ

    −Γ λµνgλj)

    ,

    1√−g

    (∂√γ(ρhW 2−p−ρW )

    ∂t+∂√−g((ρhW 2−p−ρW )v̂i+pvi)

    ∂xi

    )

    = α

    (

    T µ0∂ lnα

    ∂xµ−T µνΓ 0µν

    )

    .

  • KAPITEL 1. DIE HYDRODYNAMISCHEN GLEICHUNGEN 28

    1.5 Magnetohydrodynamik

    Befindet sich ein leitendes flüssiges (oder gasförmiges) Medium in einem Magnetfeld, sowerden in ihm bei seinen hydrodynamischen Bewegungen in ihm elektrische Felder indu-ziert, und es entstehen elektrische Ströme. Im Magnetfeld wirken auf Ströme aber Kräfte.Gleichzeitig verändern diese Ströme das Magnetfeld. Es bestehen also komplizierte Wech-selwirkungen zwischen den magnetischen und den hydrodynamischen Erscheinungen, dieauf der Grundlage des kombinierten Systems der Feldgleichungen und der Bewegungsglei-chungen der Flüssigkeit untersucht werden müssen.

    • Das Verhalten elektromagnetischer Felder wird durch vier gekoppelte partielle Diffe-rentialgleichungen 1.Ordnung beschrieben. Diese berühmten Maxwellschen Glei-chungen lauten für ein einkomponentiges, elektrisch neutrales Medium (ρQ = 0 mitε0 = 1, µ0 = 1):

    div ~E = 0 rot ~E + 1c∂ ~B∂t

    = 0

    div ~B = 0 rot ~B = 4πc~J + 1c

    ∂ ~E∂t

    (1.78)

    Wegen ihrer Lorentz-Invarianz gelten die Maxwellschen Gleichungen in dieser Formauch in einem Koordinatensystem, das sich mit der Geschwindigkeit ~v bewegt. Be-zeichnet man etwa mit ~E ′ das elektrische Feld im Ruhsystem des Mediums und mit~E das elektrische Feld in einem System relativ zu dem sich das Medium mit derGeschwindigkeit ~v bewegt, so hat (1.78) in beiden Systemen die gleiche Form.

    Die in der Induktionsgleichung auftretende elektrische Stromdichte ~J folgt ausdem Ohmschen Gesetz gemäß

    ~J = σ

    (

    ~E +~v

    c× ~B

    )

    , (1.79)

    wobei σ die (isotrope) elektrische Leitfähigkeit des Mediums ist, denn im Ruhsy-

    stem des Mediums gilt nach Ohm ~J ′ = σ ~E ′, und für nicht-relativistische Geschwin-digkeiten (|~v| ≪ c) die Transformationsbeziehungen ~E ′ = ~E + ~v/c× ~B sowie ~J ′ = ~J ,falls ρQ = 0.

    Ist σ sehr groß (d.h. effektiv unendlich) strömt die Flüssigkeit bzw. das Gas unterdem Einfluss der elektromagnetischen Felder gemäß der Bedingung (ideale Magneto-hydrodynamik)

    ~E +1

    c~v × ~B = 0 . (1.80)

  • KAPITEL 1. DIE HYDRODYNAMISCHEN GLEICHUNGEN 29

    • Die beiden grundlegenden Näherungen der nicht–relativistischen Magnetohydro-dynamik (MHD) sind:

    – (i) Alle Geschwindigkeiten sind klein im Vergleich zur Lichtgeschwindigkeit|~v| ≪ c (quasistationäre Näherung)

    – (ii) die Ladungsdichte und das elektrische Feld im Ruhesystem der Flüssigkeitsind Null (Einflüssigkeitsmodell). Das Medium ist daher elektrisch neutral.

    Mit diesen Annahmen kann man zeigen, dass das elektrische Feld im Laborsystemverglichen mit dem magnetischen Feld klein von erster Ordnung in v/c ist

    | ~E| = O(v

    c| ~B|

    )

    ,

    und dass der Verschiebungsstrom verglichen mit dem Ladungsstrom klein von zweiterOrdnung ist

    1

    c

    ∣∣∣∣∣

    ∂ ~E

    ∂t

    ∣∣∣∣∣= O

    (v2

    c2| ~J |

    )

    .

    Das bedeutet insgesamt: Die Gleichungen der Magnetohydrodynamik folgen aus denMaxwellschen Gleichungen (Gl. 1.78), wenn alle Größen vernachlässigt werden, dieklein von zweiter Ordnung in v/c sind [Landau & Lifschitz, 1985].

    • Mit den obigen Annahmen ergibt sich mit Gl. (1.79) und der Vektoridentitätrot(rot ~B) = grad(div ~B)−∇2 ~B die folgende Näherung für die Induktionsgleichung

    ∂ ~B∂t

    = rot(~v × ~B) + νm∇2 ~B . (1.81)

    Der zweite Term auf der rechten Seite beschreibt die resistive Felddiffusion mit demDiffusionskoeffizienten

    νm =c2

    4πσ. (1.82)

    Für eine ruhende Flüssigkeit verschwindet in Gleichung (1.81) der erste Termauf der rechten Seite und die Induktionsgleichung geht in eine Diffusionsgleichungüber, die besagt, dass ein vorhandenes Anfangsmagnetfeld innerhalb einer Zeitska-la τ ≡ 4πσL/c2 zerfällt, wobei L eine charakteristische Längenskala ist. Für dengeschmolzenen Kern der Erde ist τ ∼ 104 Jahre und für das typischen Sonnenma-gnetfeld gilt τ ∼ 1010 Jahre.

  • KAPITEL 1. DIE HYDRODYNAMISCHEN GLEICHUNGEN 30

    Für Zeiten klein im Vergleich zur Diffusionszeit τ oder, in anderen Worten, wenndie elektrische Leitfähigkeit σ so groß ist, dass man den 2.Term in der Induktions-gleichung vernachlässigen kann, besagt Gl. (1.81), dass das Magnetfeld

    ”eingefroren“

    ist, d.h. die Kraftlinien werden mit der Flüssigkeit advektiert (siehe z.B. Landau &Lifschitz, Bd.8). Außerdem gilt dann Gl. 1.80.

    Falls die Strömung von Wirbeln durchsetzt bzw. turbulent ist, werden die Feldli-nien schnell aufgewickelt und Gebiete mit hoher magnetischer Energiedichte ent-stehen. In diesen Gebieten wechselt das Feld innerhalb sehr kleiner Volumina dieRichtung. Physikalisch führt dies zum Kurzschluss (

    ”reconnection“) der Feldlinien

    und zur Auslöschung des Feldes, wobei Magnetfeldenergie in thermische Energie um-gesetzt wird. Diese turbulente Felddiffusion bewirkt, dass Wirbelzentren sehr schnellfeldfrei und je nach Feldstärke mehr oder weniger stark aufgeheizt werden.

    • Gleichung (1.81) kann in die Form einer Kontinuitätsgleichung für die Flussdichte ~Bumgeschrieben werden (von Bedeutung für numerische Simulationen)

    ∂Bi

    ∂t= −∇k[F ik −Gik], (1.83)

    mit den anti–symmetrischen 5 Transport- und Diffusionsflusstensoren

    F ik = Bivk − Bkvi, (1.84)

    Gik = νm (∇kBi −∇iBk). (1.85)

    • Die Quellfreiheit des magnetischen Feldes div ~B = 0 wird durch die Gleichungen(1.81) bzw. (1.83) zu einer reinen Anfangsbedingung reduziert, da für einen belie-

    biges Vektorfeld div(rot ~A) = 0 bzw. für einen beliebigen antisymmetrischen Tensor∇i∇kAik = 0 gilt, und somit ein ursprünglich quellfreies Feld diese Eigenschaft bei-behält.

    • Die restlichen elektromagnetischen Größen sind in der MHD keine unabhängigenVariablen, sondern Funktionen des Magnetfeldes:

    ~J =c

    4πrot ~B (1.86)

    ~E =1

    c

    (

    ~B × ~v + νm rot ~B)

    . (1.87)

    5Für anti–symmetrische Tensoren gilt: T ik = −T ki und T ii = 0.

  • KAPITEL 1. DIE HYDRODYNAMISCHEN GLEICHUNGEN 31

    • Durch das Auftreten elektromagnetischer Größen müssen sowohl die Energie- (1.43)als auch die Impuls–Gleichungen (1.34) abgeändert werden. Zu Energie- und Impuls-dichte sind die jeweiligen Feldanteile zu addieren. Die zugehörigen Flüsse müssen umden Poyntingfluss bzw. den Maxwellschen Spannungstensor erweitert werden.

    Die Energiedichte des Feldes [erg/cm3], die zu (1.44) hinzu addiert werden muss,ergibt sich wegen O(E2) = O(v2/c2 B2) ≈ 0 zu

    ρEmag =B2

    8π(1.88)

    und der magnetische Energiefluss zu

    ~qmag =1

    4π~B ×

    (

    ~v × ~B)

    − νm4π

    ~B × rot ~B , (1.89)

    bzw. zu

    qkmag = −1

    (

    BiviBk − B

    2

    2vk

    )

    +νm4π

    (

    Bi∇iBk −∇kB2

    2

    )

    . (1.90)

    Weiterhin läßt sich zeigen, dass der Feldimpuls klein von zweiter Ordnung im Ver-gleich zum mechanischen Impuls ist und daher vernachlässigt werden darf. Im Max-wellschen Spannungstensor T ik werden die elektrischen Terme vernachlässigt:

    −T ik ≈ Πikmag = −1

    (

    BiBk − B2

    2δik

    )

    . (1.91)

    Diesermagnetische Drucktensor muss zum Drucktensor Πik (1.35) in der Navier–Stokes–Gleichung (1.34) hinzu addiert werden. Den isotropen Anteil des magneti-schen Drucktensors (2. Term in 1.91) kann man auch mit dem isotropen Gasdruck(1.36) zu einem isotropen Gesamtdruck ptot ≡ p + pmag mit pmag ≡ B2/8π zusam-menfassen.

    • In der gewöhnlichen Hydrodynamik wird die Reynolds–Zahl verwendet, um dierelative Stärke der Viskositäts- und Trägheitsterme in den Bewegungsgleichungen zucharakterisieren

    Re ≡ ulν, (1.92)

    wobei l und u = l/τ für die gegebene Bewegung charakteristische Längen- und Ge-schwindigkeitsskalen sind und ν ≡ η/ρ die kinematische Zähigkeit der Flüssigkeitbzw. des Gases ist (η ist die entsprechende dynamische Zähigkeit; siehe Gl. 1.48).

  • KAPITEL 1. DIE HYDRODYNAMISCHEN GLEICHUNGEN 32

    Neben dieser Zahl kann man in der MHD eine magnetische Reynolds–Zahl

    Rem ≡ul

    νm(1.93)

    einführen (mit νm aus Gl. 1.82), die die relative Stärke des Leitfähigkeitsterms cha-rakterisiert. Dessen Vernachlässigung ist im allgemeinen für Rem ≫ 1 gerechtfertigt.

    • Durch Entwicklung der Eulerschen Gleichungen nach kleinen Störungen und nachanschließender Linearisierung erhält man Wellengleichungen für die Dichte ρ, denDruck p und das Geschwindigkeitspotential Ψ, für das gilt ~v = gradΨ. Die Phasen-geschwindigkeit der so definierten Schallwellen ist

    c0 =

    √(∂p

    ∂ρ

    )

    S

    , (1.94)

    wobei die Ableitung bei konstanter Entropie zu bilden ist. Wie auf Grund der ver-schwindenden Scherkräfte für ideale Flüssigkeiten zu erwarten ist, sind Schallwellenlongitudinale Wellen, d.h. der Wellenvektor ist parallel zur Geschwindigkeit ~k ‖~v.Auf analoge Weise ist es möglich, die MHD–Gleichungen zu linearisieren. Die Pro-jektion der (vektoriellen) Dispersionsrelation senkrecht zur Ebene, die durch den

    Wellenvektor ~k und das ungestörte Feld ~B aufgespannt ist, liefert die sogenanntenAlfvén–Wellen. Deren Phasengeschwindigkeit ist

    cA =B‖√4πρ

    , (1.95)

    wobei B‖ die Projektion von ~B auf ~k bezeichnet ~B‖ = (~k ~B)~k / |~k|2. Die Projektionder Dispersionsrelation in die ~k ~B-Ebene und ihre weitere Zerlegung parallel undsenkrecht zu ~k liefert die schnellen und langsamen sonischen Wellen. DerenPhasengeschwindigkeiten sind

    c2S,L =1

    2

    B2

    4πρ+ c20 ±

    [(B2

    4πρ+ c20

    )2

    −B2‖c

    20

    πρ

    ]1/2

    . (1.96)

    Alfvén-Wellen sind grundsätzlich transversale Wellen, während die sonischen Wellenim allgemeinen Fall – beliebiger Winkel zwischen ~k und ~B – sowohl transversaleals auch longitudinale Anteile besitzen. Für die Phasengeschwindigkeiten lassen sichjedoch einige Beziehungen ableiten, die allgemein gelten

    cL < cA < cS und cL < cO < cS . (1.97)

    Im Grenzfall kleiner Felder verschwinden cL und cA, und cS geht in die gewöhnlicheSchallgeschwindigkeit c0 über.