KalteAtomein singul¨aren Potentialen · 2005. 6. 30. · KalteAtomein singul¨aren Potentialen...

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Kalte Atome in singul¨ aren Potentialen Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors an der Naturwissenschaftlichen Fakult¨ at der Universit¨ at Innsbruck vorgelegt von Johannes Peter Denschlag Innsbruck, September 1998

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  • Kalte Atome insingulären Potentialen

    Dissertation

    zur Erlangung des Grades eines Doktors

    an derNaturwissenschaftlichen Fakultät

    der Universität Innsbruck

    vorgelegt vonJohannes Peter DenschlagInnsbruck, September 1998

  • Inhaltsverzeichnis

    1 Einleitung 5

    2 Experimenteller Aufbau 92.1 Die magneto-optische Falle (MOT) . . . . . . . . . . . . . . . 92.2 Die Vakuumkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132.3 Die Quadrupol-Magnetfeldspulen . . . . . . . . . . . . . . . . 142.4 Laser System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152.5 Der Laserlock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172.6 Steuerung des Experiments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202.7 Datenaufnahme und Verarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . 212.8 Temperatur und Verteilung der Atome in der MOT . . . . . . 232.9 Atomanzahl der Falle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282.10 Herstellung dünner Drähte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

    2.10.1 Ströme durch einen dünnen Draht . . . . . . . . . . . . 35

    3 Atome im 1/r2 Potential 393.1 Methode des Experiments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463.2 Durchführung des Experiments . . . . . . . . . . . . . . . . . 493.3 Scannen der Drahtladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533.4 Lichteinflüsse auf die Messungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

    3.4.1 Der Schatteneffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603.5 Quantitativer Vergleich zwischen Theorie und Experiment . . 623.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

    4 Der Draht als Sonde für Atomflußdichten 69

    5 Van der Waals Kräfte 75

    6 Atome im 1/r Potential 796.1 Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 816.2 Atome in Donuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

    i

  • 6.3 Simulationsrechnungen zum 1/r Potential . . . . . . . . . . . 1006.4 Magnetische Streufelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

    6.4.1 Magnetfeld entlang des Drahtes . . . . . . . . . . . . . 1056.4.2 Magnetfeld senkrecht zum Draht . . . . . . . . . . . . 106

    6.5 Einfluß des elektrischen Feldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

    7 Magnetische Atomschläuche: Die Seitenfalle 1177.1 Integrierte Schaltkreise atomoptischer Elemente . . . . . . . . 123

    Zusammenfassung und Ausblick 125

    A Das Element Lithium 127A.1 g-Faktoren für den Grundzustand von 7Li . . . . . . . . . . . 128

    B Streutheorie in zwei Dimensionen 129

    C Berechnung der Quantenstufen 133C.1 Der unendlich dünne Draht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133C.2 Der geladene Draht endlicher Dicke . . . . . . . . . . . . . . . 137C.3 Experimentelle Parameter für die Quantenstufen . . . . . . . . 142

    D Magnetisches Moment und Magnetfeld 145D.1 Klassische Bahngleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145D.2 Monte-Carlo Simulationen für das 1/r Potential . . . . . . . . 146

    E Eine elektrisch geladene optische Faser als Atomleiter 151

    F Miszellaneen 157F.1 Spontane Kräfte in einem Drahtmagnetfeld mit Laserlicht . . . 157F.2 Neue Magnetfallen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

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  • wire

    trap

    Abbildung 1: Draht und Atom-Falle. Gezeigt wird der Blick in die Vakuum-apparatur. Neben der kleinen, roten Wolke von etwa 107 Lithium Atomenscheint rechts daneben im Laserlicht ein 10 µm dünner Draht. Weiter rechtseine Gewindestange, die der Aufhängung des Drahtes dient.

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    bilder/trapbild.eps

  • Abstract

    In the early days of atom optics it was desirable to separate atoms as far aspossible from material objects in order to obtain pure and isolated quantumsystems. Today cooling and trapping techniques of atoms are so well esta-blished that there is now an interest in bringing the atoms close to materialmacroscopic objects. The proximity of atoms to the object allows the designof tailored and easily controllable potentials which can be used to build novelatom optical elements.In order to study the feasibility of such elements we used thin free standing

    wires. We chose this system because the small wire size allows the interactionregion to remain optically accessible, and the influence of the wire itself onthe atoms can be kept small.We studied both theoretically and experimentally the interaction bet-

    ween cold Li atoms from a magnetic-optical trap (MOT) and a charged orcurrent-carrying wire. With this system, we were able to realize 1/r2 and 1/rpotentials in two dimensions and to observe the motion of cold atoms in bothpotentials.A pure attractive 1/r2 potential has never before been experimentally rea-

    lized even though it is often discussed in classical mechanics textbooks. Foran atom in this potential, there exist no stable trajectories, instead there isa characteristic class of trajectories for which atoms fall into the singularity.We were able to observe this falling of atoms into the center of the potential.Moreover, by probing the singular 1/r2 potential with atomic clouds of va-rying size and temperature we extracted scaling properties of the atom-wireinteraction.For very cold atoms and very thin wires the motion of the atoms must

    be treated quantum mechanically. Here we predict that the absorption crosssection for the 1/r2 potential should exhibit quantum steps. These quantumsteps are a manifestation of the quantum mechanical decomposition of planewaves into partial waves.For the second part of this work, we realized a two dimensional 1/r poten-

    tial for cold atoms. If the potential is attractive, the atoms can be bound andfollow Kepler-like orbits around the wire. The motion in the third dimensionalong the wire is free. We were able to exploit this property and constructeda novel cold atom guide, the ‘Kepler guide’.We also demonstrated another type of atom guide (the ‘side guide’), by

    combining the magnetic field of the wire with a homogeneous offset magneticfield. In this case, the atoms are held in a potential ‘tube’ on the side of thewire. The versatility, simplicity, and scaling properties of this guide make itan interesting technique. Because atoms are held to the side of a wire, the

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  • wire may be mounted on a flat surface. This allows for simple miniaturizationand also construction of complex, integrated structures for mesoscopic atomoptical networks. For example, by simply combining two wires it may bepossible to construct an atomic beamsplitter.In addition to producing singular potentials and new types of atom guides

    we demonstrated that the wire can also be used as a probe to determinethe local density flux of atoms in a MOT. This measurement technique iscomplementary to the fluorescence measurement on atomic clouds for whichonly the local atomic density can be extracted.Finally our experiments have also shown that using the wire we can mea-

    sure the Van der Waals interaction between cold atoms and material surfaces.

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  • Kapitel 1

    Einleitung

    Die rasante Entwicklung der atomoptischen Kühl- und Fallentechniken inden letzten Jahren hatte zum primären Ziel, möglichst reine Quantensystemezu konstruieren [Ato89, Ada94, Bos95]. Dies gelang durch maximale Tren-nung und Isolierung der Atome von anderen materiellen Gegenständen. Mitden fortschreitenden Erfolgen in der Kühlung und Manipulation der Atom-zustände ist es nun von Interesse, sich mit den kalten Atomen wieder makro-skopischen, materiellen Objekten zu nähern. Dies eröffnet neue Möglichkeitenfür das Studium der Wechselwirkungen zwischen kalten Atomen und Ober-flächen und ermöglicht eine neue Generation maßgeschneiderter und kontrol-lierbarer Potentiale, in denen sich Atome bewegen können. Die Konstrukti-on neuer, effizienter atom-optischer Elemente wie Atomspiegel, Atomleiter,Strahlteiler und Fallen bietet sich an [Atopt]. Erste Vorschläge zur Minia-turisierung und Zusammenfassung atomoptischer Bauelemente in integrierteatomoptische Schaltungen liegen vor [Wei95, Den98b, Sch98, Vul98].

    Dünne, freistehende Drähte sind einfache, makroskopische Körper, diesich gut für erste Untersuchungen zur Konstruktion atomoptischer Bau-elemente eignen, weil sie aufgrund ihrer Kleinheit für Laserstrahlen prak-tisch kein Hindernis darstellen: Die Wechselwirkungsregion bleibt optischvollständig zugänglich und der Einfluß des Festkörpers auf die Atome kannkleingehalten werden.

    Im Rahmen dieser Arbeit wird die Wechselwirkung kalter Lithiumatomeaus einer magneto-optischen Falle mit geladenen und stromdurchflossenenDrähten experimentell und theoretisch untersucht. Mit Hilfe der Drähte wer-den ein 1/r2 Potential und ein 1/r Potential in 2 Dimensionen für kalte Ato-me realisiert und die Bewegung der Atome in diesen zylindersymmetrischenPotentialen studiert.

    Das 1/r2 Potential ist ein Modell-Potential der klassischen Mechanik[Cas50, Mor53, Lan87, Lan88, Lev67], das in der vorliegenden Arbeit zum

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  • ersten Mal experimentell realisiert und analysiert werden konnte [Den98a].In einem 1/r2 Potential gibt es keine stabilen Bahnen. Den in theoretischenLehrbüchern vorhergesagte “Sturz” der Teilchen ins Zentrum konnten wir imExperiment beobachten.Im quantenmechanischen Regime, d.h. für kalte Atome und sehr dünne

    Drähte (d.h. Radius des Drahtes Rw ist kleiner als die deBroglie Wellenlängeder Atome λ), wird für das 1/r2 Potential in einem theoretischen Teil derArbeit ein Quanteneffekt vorausgesagt: Der Absorptionsquerschnitt des 1/r2

    Potentials besteht aus “Quantenstufen”. Die Quantenstufen entsprechen ei-ner direkten Manifestierung der quantenmechanischen Zerlegung einer ebe-nen Welle in Partialwellen.Im zweiten Teil der Arbeit wird die Realisierung eines 1/r Potentials

    mit einem stromdurchflossenen Draht für kalte Atome beschrieben. Atomekönnen in diesem 1/r Potential gebunden werden und bewegen sich in Kep-lerellipsen um den Draht [Vla61, Sch92]. Weil die Bewegung der Atome inDraht-Richtung frei ist, läßt sich damit ein Atomleiter konstruieren, der inder vorliegenden Arbeit zum ersten Mal experimentell für kalte Atome de-monstriert wird [Den98b].Es wird weiterhin durch Experimente gezeigt, wie man durch Kombina-

    tion des Drahtmagnetfeldes mit einem homogenen magnetischen Offsetfeldeinen weiteren Atomleiter bauen kann. Die Atome werden in diesem Fall ineinem magnetischen Potentialschlauch an der Seite des Drahtes gehalten. Die-ser Atomleiter besticht vor allem durch seine Vielseitigkeit, Einfachheit undsein Skalierungsverhalten. So kann er zum Beispiel auf einer glatten Ober-fläche montiert werden, sodaß die Atome oberhalb der Oberfläche entlangdes Drahtes geführt werden. Es ist dann denkbar, durch Verknüpfung vie-ler solcher Drähte auf der Oberfläche eine komplexe, integrierte Architekturatom-optischer Elemente zu ermöglichen. Zum Beispiel kann durch einfacheKombination zweier Drähte ein Atomstrahlteiler hergestellt werden.Es wird experimentell gezeigt, daß neben der Erzeugung der singulären

    Potentiale, der Draht auch als Sonde verwendet werden kann, um den lokalenDichtefluß, ρ · v, in einem atomaren Ensemble zu messen. Diese Meßmethodeist komplementär zu Fluoreszenzmessungen einer Atomwolke, in die nur dielokale Dichte ρ der Atome eingeht.Weiterhin zeigt sich, daß unsere Experimente eine geeignete Methode dar-

    stellen, um Wechselwirkungen wie die Van der Waals-Kraft zwischen kaltenAtomen und materiellen Oberflächen zu vermessen (siehe auch die Experi-mente von [Lan30]).

    Die Arbeit gliedert sich wie folgt:In dem ersten Abschnitt wird der Aufbau des Experiments, sowie die Her-

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  • stellung und freie Aufhängung dünnster Drähte beschrieben. Es folgt dannTheorie und Experiment zum elektrisch geladenen Draht. Anschließend wer-den Theorie und Experiment des stromführenden Drahtes behandelt. Einigeder theoretischen Betrachtungen werden mit ausführlichen Rechnungen imAnhang genauer erläutert, um die Darstellung im Hauptteil übersichtlich zugestalten.

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  • 8

  • Kapitel 2

    Experimenteller Aufbau

    2.1 Die magneto-optische Falle (MOT)

    Ein Hauptbestandteil unserer Experimente ist die magneto-optische Falle(MOT) [Raa87, Lin91]. Sie dient als Quelle und Behälter eines Gases kalterLithiumatome. Die MOT empfängt ihre Atome von einem effusiven Lithium-Gasstrahl, der aus einem 380o C heißen Ofen tritt1. Sie sammelt die Atome ineiner etwa 1 mm großen Wolke und kühlt diese auf submilli-Kelvin Tempera-turen ab. In unserer Falle können einige 107 Lithiumatome gefangen werdenmit Atomdichten von etwa 1011 Atomen pro cm3. Die Ladezeit für die Fal-le beträgt etwa 20 Sekunden. Durch einen zusätzlichen Laser-Bremsstrahl(Slower), der 100 MHz rotverstimmt zur Lithium Linie ist, kann die An-zahl der gefangenen Atome um einen Faktor 5 gesteigert werden. Bei einemHintergrundgasdruck von etwa 6 · 10−10 Torr haben die Lithiumatome eineLebensdauer in der Falle zwischen 10 und 20 Sekunden (siehe Abb. 2.1).Obwohl die magneto-optische Falle schon ein Standard-Instrument in derexperimentellen Quantenoptik darstellt, soll im Sinne einer abgeschlossenenDarstellung kurz auf ihre Funktionsweise eingegangen werden. Die MOT ba-siert auf zwei Mechanismen: Kühlung und räumlicher Einschluß von Atomen.

    • Die Kühlung basiert auf einer Idee von Hänsch und Schawlow [Han75],nach der das Atom durch eine geschwindigkeitsabhängige Bremskraftim Impulsraum eingefangen wird: Es befindet sich im rotverstimmtenLichtfeld zweier gegenläufiger Lichtstrahlen gleicher Intensität. Bewegtsich das Atom auf einen der beiden Strahlen zu, so wird die Doppler-verschiebung ∆ν = kv den einen Strahl näher zur Resonanz schiebenund der andere Strahl wird weiter weg ins Rote verschoben. Daraus

    1Der Ofen besteht aus einem angeflanschten Rohr, das mit einem Heizdraht (1.3 A, 40V) von außen auf Temperatur gebracht wird.

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  • Ofen

    CCD

    Brems-strahl100 MHz

    Laser

    Photodiode

    Falle

    Draht

    Abbildung 2.1: Schema des Versuchsaufbaus in der Vakuumkammer.

    resultiert dann ein Kräfteungleichgewicht, weil von dem Laserstrahl,dem das Atom entgegenläuft, häufiger Photonen absorbiert werden alsvom anderen Strahl. Jedes absorbierte Photon überträgt wegen derpunktsymmetrischen Reemissionscharakteristik des Atoms im Mitteleinen Photonenrückstoß auf das Atom. Dies sollte das Atom auf die Ge-schwindigkeit Null bremsen. Allerdings bewirken die spontanen Emis-sionen des Atomes zusätzlich eine Diffusion im Impulsraum, die eineder Kühlung entgegen wirkende ‘Aufheizung’ bedeutet. Die minimalerreichbare Temperatur ergibt sich schließlich aus dem Verhältnis derDiffusionsgeschwindigkeit und der Kühlgeschwindigeit. Theoretisch fin-det man die tiefsten Temperaturen bei einer Laserverstimmung der hal-ben Linienbreite Γ und die erreichbare Temperatur TD ergibt sich zu[Win79]:

    TD =m

    3kB< v2 >= h̄

    Γ

    2kB. (2.1)

    Im Fall von Lithium liegt diese Dopplertemperatur bei TD = 140µK;sie entspricht einem Impuls von etwa 5 Photonenrückstößen. Für vie-le andere Elemente führen zusätzliche Kühlvorgänge zu noch kälterenTemperaturen. Diese, unter dem Begriff Polarisationsgradientenkühlenbekannten Schemata, wurden zufällig 1988 entdeckt[Let88]. Verschiede-ne Variationen dieser Kühlmechanismen sind seitdem vorhergesagt undexperimentell demonstriert worden [Ato89]. Allen ist gemeinsam, daß

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    bilder/setup.eps

  • zum Kühlen Kräfte zur Anwendung gelangen, die durch die Bewegungdes Atoms in stehenden Lichtwellen mit räumlich veränderlicher Pola-risation entstehen. In Lithium treten diese Kühlprozesse jedoch nichtin Erscheinung, weil die Hyperfeinaufspaltung des 2P1/2 Niveaus sehrklein ist und in der Größenordnung weniger MHz liegt. Außerdem liegtdie in einer MOT für Lithium erreichbare minimale Impulsverteilungmit 5 Photonenrückstößen sowieso schon sehr nahe an der Untergrenzeder spontanen Kühlung, dem einzelnen Photonrückstoß.

    • Für eine Falle wird außer dem Einschluß des Atoms im Impulsraumauch ein räumlicher Einschluß benötigt, der durch eine ortsabhängigeKraft realisiert werden muß. Es zeigt sich, daß spontane Kräfte, dieallein auf einer räumlich variierenden Intensitätsverteilung basieren,nicht geeignet sind einen dreidimensionalen Einschluß zu gewährleisten.(Dies kann aus der Divergenzfreiheit des Poyntingvektors S und der

    daraus folgenden Divergenzfreiheit der Kräfte F ∝ S abgeleitet werden[Ash83].) und wird als ‘optisches Earnshaw’-Theorem bezeichnet.

    Die für den räumlichen Einschluß erforderlichen räumlich variieren-de Kräfte auf die Atome werden nach einer Idee von Jean Dalibarddurch Ausnutzung des Zeemaneffekts in einem inhomogenen Magnet-

    Energie

    z

    σ+ σ−

    0

    mF

    F=0

    F=1

    -1

    +1

    0

    ωLaser!

    Abbildung 2.2: Die Funktionsweise einer magneto-optischen-Falle. Ein Atommit F = 1 im angeregten Zustand erfährt im Magnetfeld der Form B ∝ zêzam Ort z �= 0 eine Zeeman-Verschiebung, die einen der Übergänge ∆mF =±1 in Resonanz mit dem Laserlicht bringt. Dieser Übergang kann aufgrundder Polarisation des Lichtes nur aus einem der beiden Laserstrahlen angeregtwerden, so daß sich eine rücktreibende Kraft ergibt.

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    bilder/MOTschem.eps

  • feld erreicht. Das Prinzip ist in Abb. 2.2 anhand eines Modellsystemsin einer Dimension dargestellt. Ein Atom mit drei magnetischen Un-terzuständen MF = −1, 0,+1 im angeregten Zustand erfährt in ei-nem entlang der z-Achse linear ansteigenden Magnetfeld der Form( B = B0 z êz) eine ortsabhängige Zeeman-Verschiebung der Über-gangsfrequenzen mit entgegengesetzten Vorzeichen für die ZuständemF = −1 und mF = +1. Zwei entlang der z-Achse in entgegengesetz-ten Richtungen propagierende, rotverstimmte Laserstrahlen zirkularerσ+ bzw. σ− Polarisation können jeweils Übergänge mit ∆mF = −1bzw. ∆mF = +1 anregen. Befindet sich nun ein Atom z.B. an ei-nem Ort z > 0, so wird über die Zeeman-Verschiebung gerade dermF = −1 Zustand näher in Resonanz mit der Lichtfrequenz geschoben.Dieser Zustand wird durch Licht aus dem in -z Richtung propagieren-den Strahl angeregt. Die daraus resultierende, in -z Richtung wirkendespontane Lichtkraft stellt eine ortsabhängige, rücktreibende Kraft, diedazu benutzt werden kann, Atome am Ursprung z = 0 ‘festzuhalten’.Die magneto-optische Falle ist eine Erweiterung dieser Konfigurationin drei Raumdimensionen. Laserstrahlen werden aus den drei Raum-richtungen x, y, z eingestrahlt und in sich zurückreflektiert. Magnet-feldgradienten in x, y und z Richtung werden durch ein Spulenpaar in

    7Li (I = 3/2, τ = 27.2ns) a2 = -3.08 MHz

    10056 MHz

    22P1/2

    22P3/2

    22S1/2 803.5 MHz

    3a1/4

    -5a1/4

    9a2 /4

    -3a2 /4

    -11a2 /4-15a2 /4

    F2

    2 F1

    1

    2

    3

    1 0

    670.961(0) nm

    670.962(0) nm

    Rückpumper

    Kühlübergang

    Abbildung 2.3: Ausschnitt aus dem Niveauschema für das Element 7Lithiumnach [Lin91]. Eingezeichnet ist der zum Betrieb der magneto-optischen Falleverwendete Übergang, sowie der Rückpumpübergang (Repumper).

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    bilder/lithiums.eps

  • Anti-Helmholtzkonfiguration erzeugt.

    In unserer Falle haben die Laserstrahlen einen Radius von RL = 1 cmund eine Leistung von etwa 30 mW/Strahl (eine Richtung). Abb. 2.3stellt einen Ausschnitt aus dem Niveauschema von 7Li dar (siehe auchAnhang A). Das zum Laden eingestrahlte Laserlicht ist zum Übergang22S1/2 F = 2 → 22P3/2 F = 3 (D2 -Linie) des Isotops 7Li um 25 MHzrotverstimmt. Weil die oberen Hyperfein-Niveaus von 22P3/2 sehr engliegen, werden zusätzlich zum F = 3 Niveau auch noch die NiveausF = 2 und F = 1 bevölkert. Diese zerfallen spontan mit einer hohenWahrscheinlichkeit (1/2 und 5/6) in den Zustand 22S1/2 F = 1. Aufdiese Weise würden bereits nach wenigen Mikrosekunden alle Atome inden letztgenannten Zustand gepumpt werden. Um dies zu verhindern,wird zusätzlich Rückpumplaserlicht eingestrahlt, dessen Frequenz re-sonant zum Übergang 22S1/2 F = 1 → 22P3/2 F = 2 ist. Die Atomewerden dann wieder in den Kühlübergang zurückgepumpt. Die Erzeu-gung der Laserfrequenzen wird im Kapitel 2.4 beschrieben.

    Ofen

    Pumpe

    Blick von oben

    CF40

    CF63

    Ofen

    Blick von vorne

    Abbildung 2.4: Die Vakuumaparatur des Experiments. Gezeigt wird (links)ein Blick von oben auf die Kammer mit Turbopumpe. Rechts der Blickvon vorne auf die Kammer. Die Cf40 Rohre werden für die MOT-Laserlichtstrahlen benutzt.

    2.2 Die Vakuumkammer

    Die Experimente mit den kalten Lithium-Atomen finden unter Ultra-Hoch-Vakuum (UHV) Bedingungen bei ungefähr 5 · 10−10 Torr statt. Die dazu-gehörige Vakuumaparatur besteht aus einem 6-Wege Kreuz der Dimension

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    bilder/vakumapa.eps

  • CF63 (63 mm Innendurchmesser, Rohre aus V2A Stahl) mit vier zusätzli-chen Rohren (CF40) die zwischen den CF63 Rohren angebracht sind (sieheAbb. 2.4). Diese dienen dazu, zwei der drei Laserstrahlenpaare in die Fal-le einzubringen. Als Pumpe verwenden wir eine Turbopumpe (Fa. Varian,Model Turbovac), die eine Saugleistung von 250 l/s aufweist. Eine Ionisa-tionsröhre erlaubt es, Drücke bis 2 · 10−11 Torr zu messen. An einem CF63Flansch ist ein kleines Rohr angeflanscht, das mit Lithiummetall gefüllt ist[Weh96]. Das Rohr wird von außen mit einem Widerstandsdraht auf etwa380 o C aufgeheizt, um das Lithium zu verdampfen. Durch ein 1mm großesLoch tritt das Lithium als effusiver Strahl in die Vakuumkammer, um damitdie magneto-optische Falle zu laden.

    2.3 Die Quadrupol-Magnetfeldspulen

    Das magnetische Quadrupolfeld, das für den Betrieb der MOT gebrauchtwird, stammt von 2 Spulen in Anti-Helmholtz-Konfiguration mit je 65 Win-dungen. Die Spulen bestehen aus mit Plastikschrumpfschläuchen isolier-ten Kupferkapillarröhren (Außendurchmesser 2.2 mm, Innendurchmesser 1.5mm), die mit Leitungswasser unter 3 bar Druck im Durchfluß gekühlt wer-den. Damit kann man problemlos kontinuierlich 30 Ampere durch die Spulenschicken, ohne daß sie zu warm werden.

    In den Experimenten dieser Arbeit wurden die Spulen jedoch nur miteinem Strom von 9 A betrieben. Bei einem Abstand von d = 9 cm zwischenden Spulen und einem mittleren Spulenradius von R = 4 cm ergibt sich eingemessener Magnetfeldgradient von etwa 14 Gauß/cm auf der Symmetrie-achse. Die Spulen befinden sich außerhalb der Vakuumkammer, die aus nichtmagnetischem V2A-Stahl besteht.

    Abschalten des Magnetfeldes

    Das Quadrupolmagnetfeld muß in manchen unserer Experimente möglichstschnell abgeschaltet werden können, um eine zwischenzeitliche Expansion derAtomwolke zu verhindern. In unserem Setup erreichen wir Schaltzeiten von0.5 ms. Abb. 2.5 zeigt den Schaltplan zur Magnetfeldabschaltung. Ein FET(BUZ 30 A) unterbricht innerhalb weniger Nanosekunden den 9 A Stromkreiszur Stromquelle (Fa. Heinzinger, Modell LNG 16-30, Economy Line). Auf-grund der Selbstinduktion der Quadrupolspulen mit der Induktion L bautsich eine Spannung U gemäß

    U = −Lİ (2.2)

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  • an den Spulenenden auf. Über den Darlingtontransistor baut sich die in denSpulen gespeicherte Energie ab. Die Schaltung aus Zener-Diode und Darling-tontransistor hält die Induktionsspannung U auf konstant hohem Niveau von80 V. Eine hohe Induktionsspannung beschleunigt die Abschaltgeschwindig-keit. Trotzdem wurde sie auf 80 Volt begrenzt, weil bei zu hohen Spannungendie Schaltung unsicher wird und Überschläge drohen. Zudem wird die Ab-schaltgeschwindigkeit der Spulen durch Induktionsströme in den Wänden derVakuumapparatur begrenzt.

    +-

    Schottky

    SpulenBUZ 30A

    TTL

    Darlington

    Zener 80V

    Abbildung 2.5: Durch die Spulen in Anti-Helmholtz Konfiguration fließt einStrom von 9 A. Um diesen Strom im Experiment abzuschalten, wird dieStromzufuhr mit dem FET BUZ 30A unterbrochen. Induktionsströme fließenüber den Darlingtontransistor und die Schottkydiode ab. Die Schaltung ausZener-Diode und Darlingtontransistor hält die Induktionsspannung U aufkonstantem Niveau von 80 V, was den Abschaltvorgang beschleunigt.

    2.4 Laser System

    Um die magneto-optische Falle zu betreiben, werden zwei Laserfrequenzenbei 670,962 nm benötigt. Das Laserlicht wird in einem von einem Argon-Laser(Coherent Innova 400) gepumpten Farbstoff-Laser (Coherent Ring Laser 899-21) erzeugt (siehe Abb. 2.6). Als Farbstoff benutzen wir DCM-Spezial2. Der

    2Wir haben uns für den Farbstoff von Lambda-Chrome entschieden anstatt für den vonRadiant Dyes, weil er viel länger haltbar ist und auch eine größere Lichtleistung gibt. 2-2.5g des Farbstoffs werden in 400 ml Benzylalkohol über Nacht im geheizten Rührer gelöstund dann zusammen mit 600 ml Ethylenglykol in die Farbstoffpumpe des Farbstofflasersgegeben. Beim Anrühren sollte das Ethylenglykol auf keinen Fall schon dazugegeben wer-den, da es schäumt und die feinen Schaumblasen eine lange Lebensdauer haben. Geratensie durch die Düse in den Jet, so bricht für kurze Zeit die Frequenzstabilisierung zusam-men. Der Farbstoff hat uns schon viele Nerven gekostet, weil er schlecht löslich ist und

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    bilder/magnetsh.eps

  • Ar-Ion-Laser

    Dye- Laser

    EOM812 MHz

    AOM 170 MHz

    LithiumHeatpipe

    -

    Photodioden

    AOM 295 MHz

    AOM 380 MHz

    MO

    T L

    ase

    r

    Slo

    we

    r

    Zur Lockbox

    Plan-Substrat

    BS

    BS

    BS

    Polarisator

    Abbildung 2.6: Aufbau des Lasersystems. Das Kürzel “BS” steht für Strahl-teiler (Beamsplitter). Weitere Erklärungen siehe Text.

    Farbstofflaser erzeugt mit frisch angerührtem Farbstoff und einer Pumplei-stung von etwa 7 Watt etwa ein halbes Watt rotes Licht. Sie fällt innerhalbetwa anderthalb Monaten (200 Betriebstunden) auf eine Leistung von 300mW, bei der unser Experiment gerade noch betrieben werden kann. Vondieser Laserleistung werden etwa 20 mW benutzt, um den Laser in der Fre-quenz zu stabilisieren (locken). Dazu wird der Laserstrahl durch einen 75MHz akusto-optischen Modulator (AOM) geschickt, der mit 40 kHz frequenz-moduliert ist (Hub ≈ 1MHz). Es wird dann dopplerfreie Sättigungsspektro-skopie betrieben, in der ein Sonden- und Sättigungsstrahl entgegengesetztdurch eine Lithium-“Heatpipe” laufen. Ein dritter Strahl läuft parallel dazudurch die Heatpipe und mißt den reinen Dopplerdip ohne Lambdips. Die-ses Signal wird vom Signal mit Lambdips abgezogen, um die Lambdips undderen Ableitungen offsetfrei zu erhalten (vgl. Kapitel 2.5).

    Die Heatpipe

    Gewöhnliche Gaszellen eignen sich nicht für Lithium, weil es sehr schnell aufGlasoberflächen aufdampft und sie verspiegelt. Zusätzlich greift Lithium auchgewöhnliches Glas chemisch an und macht es stumpf. Nach vielen Versuchenmit verschiedenen Zellentypen wurde in unseren Experimenten schließlich die

    gerne einmal auskristallisiert. Es muß auf absolute Sauberkeit geachtet werden und es mußsichergestellt sein, daß der Laserfarbstoff vollständig im Butylalkohol gelöst ist. Der La-serfarbstoff DCM Spezial hat weiterhin die unangenehme Eigenschaft, daß er leicht im Jetzu “kochen” beginnt: Der Farbstoff sprüht dann kleinste Farbstoffspritzer und Tröpfchenab. Damit die Spiegel nicht beschmutzt werden, darf so etwas natürlich nicht vorkommen.Das Spritzen tritt vor allem bei hohen Pumpdrücken (> 50 PSI, 40 PSI sind normal) undhohen Laser-Pumpleistungen auf.

    16

    bilder/lasertis.eps

  • Heatpipe als Gaszelle eingesetzt. Sie ist ein etwa 50 cm langes Rohr, das inder Mitte auf etwa 260o C geheizt wird und dort Lithiumgas freisetzt. Anden Enden wird das Rohr gekühlt. Das Rohr ist so lang, daß Atome auf jedenFall mit der kalten Wand kollidieren, bevor sie auf die Endfenster gelangenkönnen. So wird das Beschlagen der Fenster verhindert.

    Seitenbänder mit EOM

    Auf den Hauptstrahl des Lasersystems werden mittels Phasenmodulation ineinem elektro-optischen Modulator (EOM) Seitenbänder mit 812 MHz auf-geprägt. Sie dienen als Rückpumper für die MOT und enthalten 2×30% derLaserintensität des Hauptträgers. Der EOM wird per induktiver Einkopplungmit einigen Watt elektrischer Leistung resonanzüberhöht betrieben [Abf94].Seine Wirkung ist stark temperaturabhängig und über einen Zeitraum vonetwa einer halben Stunde haben wir Drifts in seinen Polarisationseigenschaf-ten festgestellt. Die Drehung der Polarisation des Fallenlaserlichtes wirkt sichjedoch sehr stark auf Temperatur und Form der magneto-optischen Falle aus.Um diese Drifts zu beseitigen, wurde nach den aktiven optischen Elementen(EOM, AOM) ein Polarisator zur Filterung in den Strahlengang gegeben, wasdie Stabilität und Reproduzierbarkeit unserer Messungen bedeutend erhöhte.Beim Durchgang durch den EOM verliert der Laserstrahl etwa 25 % seinerLeistung durch Rückreflexe.

    AOMs

    Nach dem EOM läuft der Laser durch den AOM 2 (-95 MHz), der zur Kon-trolle der Laserintensität benutzt wird. Der Durchgang durch den AOM 3(-80 MHz) schließlich sorgt für einen zusätzlichen, 105 MHz rot-verstimmtenLaserstrahl, der als Bremsstrahl (Slower) verwendet wird. Die Effizienz derAOMs war sehr gut und es konnten routinemäßig 85-90 % der Laserleistungin die erste Beugungsordnung konvertiert werden.

    2.5 Der Laserlock

    Während der Experimente war es wichtig, den Laser über Stunden hinwegdriftfrei auf Frequenz zu halten. Zusätzlich sollte die Laserfrequenz in eini-gen Millisekunden beliebig und genau verfahren werden können, ohne da-bei die Richtung des Laserstrahles zu ändern, denn die magneto-optischeFalle ist sehr sensitiv auf Richtungsänderungen des Laserstrahls. Dies wirdgewöhnlich in einer AOM-Doppelpass Geometrie erreicht, in der der Licht-strahl zweimal den AOM-Kristall durchläuft. Weil man aber üblicherweise

    17

  • beim AOM-Doppelpass etwa die Hälfte der Laserleistung verliert, haben wiruns für eine andere Lösung entschieden, die etwas ungewöhnlich ist, und hiervorgestellt werden soll.

    Dopplerfreie Sättigungsspektroskopie

    Der Laser wird in der Ladephase der magneto-optischen Falle nach der Me-thode der dopplerfreien Sättigungsspektroskopie auf den Lambdip der Li-thium D2 Linie gelockt [Dem88]. Ein typisches spektroskopisches Signal derLithium D2 Linie bestehend aus breitem Dopplerdip, den zwei Lambpeaksund Crossoverdip findet man in Abbildung 2.7. Das Lambdipsignal wird imLock-In-Verstärker analysiert, der zum Signal die Ableitung liefert (sieheAbb. 2.8). Es wird auf den Nulldurchgang des Peaks links im Bild gelockt,(22S1/2 F = 2 → 22P3/2 F = 3). Dieser Nulldurchgang wird von der Kon-trollbox des Farbstofflasers als Fehlersignal interpretiert und entsprechendnachgeregelt. Dies ist allerdings nur eine langsame Regelung, die ein paarMillisekunden Zeit in Anspruch nimmt. Intern ist der Farbstofflaser (Fa. Co-herent, Modell 899-21 Ring-Laser) für den schnellen Zeitbereich bis 1/10 msauf eine Cavity gelockt. Von außen kann über die Kontrollbox die Eigenfre-quenz der Cavity und damit die Frequenz des Lasers verstellt werden. DieserKontrollbox-Eingang wird für das spektroskopische Fehler-Signal benutzt.

    Lock auf Lasercavity

    Da die Laser Cavity über Sekunden hinweg weniger als ein MHz driftet, ha-ben wir uns entschieden, den Laser nur während des Ladens auf die LithiumLinie zu locken. Im eigentlichen Experiment, wenn die Atome gekühlt wer-den und mit dem Draht wechselwirken, wird nur auf die Laser Cavity selbstgelockt. Die dazugehörige Schaltung ist in Abb. 2.9 dargestellt. Das Lambdip-Fehlersignal aus dem Lock-In Verstärker kann über einen Relais-Schalter vonder restlichen Elektronik abgetrennt werden. Ist der Schalter geschlossen,wird das Fehlersignal in einer PI Regelstufe aufbereitet und dann in einemAnalog-Addierer mit weiteren Offset- und Steuerspannungen kombiniert undin die Laser-Kontrollbox geschickt. Die Offsetspannung dient dazu, den La-ser genau auf die Lithium Resonanzlinie zu stellen. Mit der Steuerspannungaus dem “Labview”-Computer (der das Experiment steuert), kann dann dieFrequenz des Lasers eingestellt werden.In dieser Konfiguration kann die Laser-Frequenz innerhalb 4 ms beliebig

    innerhalb des Scanbereiches verfahren werden (Prinzipiell bis zu 30 GHz!).Dabei ändert sich die Laserintensität und die Richtung des Laserstrahlesnicht. Wir betrieben den Farbstoff-Laser in einem Scanbereich von 500 MHz,

    18

  • −4000 −2000 0 2000 40000

    0.05

    0.1

    0.15

    0.2

    0.25

    0.3

    0.35

    0.4

    Lambdips der D2 Linie

    von 7Li

    Detuning [MHz]

    Tra

    nsm

    issi

    on [

    a.u.

    ]

    Abbildung 2.7: Der Dopplerdip der Lithium D2 Linien zusammen mit Lamb-dips (links und rechts)und Crossoversignal (Mitte).

    −200 0 200 400 600 800−10

    −5

    0

    5

    10

    Ableitungen der Lambdips

    Detuning [MHz]

    Loc

    k−In

    Sig

    nal

    (V

    olt)

    Abbildung 2.8: Das Ableitungssignal der Lambdips und des Crossoversignals.Auf den Nulldurchgang des dispersiven Signals ganz links im Bild wird inInnsbruck gelockt.

    19

    bilder/doplerdp.epsbilder/lock_in.eps

  • +

    Lock-inVerstärker

    Addierer

    P

    I

    TTLSchalter

    Laser

    ReferenzCavity

    1 ms schnell

    Stell-mechanik

    0.1 ms schnell

    fester Offset (Lockbox)

    variabler Offset (Labview)25 MHz = 0.9 V

    Lithiumlinie 'Ableitung'

    Abbildung 2.9: Aufbau des Laserlocks. Erklärungen finden sich im Text.

    wo nach letzter Kalibrierung 1 Volt am Steuerspannungseingang einen Fre-quenzschub von etwa 28 MHz ausmachen.Wurde der Laser gut einjustiert und gelockt, blieb er gewöhnlich über

    einen ganzen Tag lang auf Frequenz. Es wurde trotzdem gewöhnlich alle 2-3Stunden nachjustiert, weil die Laserintensität etwa 10% pro Stunde sank.

    2.6 Steuerung des Experiments

    Zur Steuerung des Experimentes wurde die Computer Software “Labview”benutzt. Labview zeichnet sich aus durch eine übersichtliche und flexibleOberfläche, mit der vollautomatisch Experimente gesteuert, experimentelleDaten erfaßt und auch verarbeitet werden können. Auf der anderen Seitemacht seine Langsamkeit es manchmal nahezu unbrauchbar.In unserem Experiment kontrolliert Labview das Experiment über ver-

    schiedene Erweiterungskarten von National Instruments. So wurde eine Ti-mer Karte, PC-TIO10, mit 10 unabhängigen 16 bit Zählern dazu benutzt,TTL Trigger-Pulse mit einer Präzision von 5 MHz auszugeben. Eine Analog-In/Out Karte, AT-MIO16X, dient im Experiment dazu, analoge Signale von−10V bis +10V zu lesen als auch herauszuschreiben. Es können 16 ver-schiedene analoge Spannungen gemessen werden und 2 verschiedene analogeSpannungen ausgegeben werden. Das Lesen und Schreiben der Spannungengeschieht mit einer Auflösung von 16 Bit (z.B. 0.3 mV bei einem Meßbereichvon ± 10 Volt) und einer maximalen Samplingrate von 100 kHz. Eine zusätz-

    20

    bilder/lockbox.eps

  • Labview-Steuerungs-ComputerKamera-Computer

    Laser-Ein /Ausschalten

    Laser-Frequenz

    Laser-Intensität

    Slower-Ein / Aus

    MagnetischesQuadrupolfeldEin / Aus

    Verschiebe-Spulen

    Photodioden-signal messen

    Hoch-spannungs-gerät

    Mech.-Shutter

    Abbildung 2.10: Mit Hilfe von Labview wird eine ganze Reihe von Gerätengesteuert und ausgelesen.

    liche GPIB Karte kann mit ‘intelligenten’ Geräten direkt kommunizieren. Dader Computer auch am Haus-internen Ethernetz hängt, kann er auch mitdem Computer für die CCD Kamera Informationen austauschen. Abbildung2.10 zeigt, welche Geräte im Wesentlichen vom Labview-Computer gesteuertund getriggert werden. In unseren Experimenten wird an einem typischenExperimentiertag nach Vorbereitungen und Probemessungen schließlich dieKontrolle des Experimentes vollständig an Labview übergeben. Labview ar-beitet dann Serien von Messungen durch, die jeweils etwa 20 Sekunden dau-ern. Diese langsame Repetitionsrate ist durch die Ladezeit der MOT bedingt.

    2.7 Datenaufnahme und Verarbeitung

    In der Datenaufnahme wurden zwei triggerbare, interlaced Standard-CCDKameras (Fa. Pulnix, Modell TM 620 und TM 6AS) verwendet, mit denenBreite, Temperatur und Ort der Wolke der gespeicherten Atome gemessenwurden. Dazu wurden Fluoreszenzbilder der Atomwolke aufgenommen. Unterder Annahme einer räumlich konstanten Anregungswahrscheinlichkeit inner-halb der Wolke ist die Intensitätsverteilung des abgestrahlten Lichtes propor-tional zur Dichteverteilung der Atome, und das Bild der Intensitätsverteilungentspricht einem Bild der Dichteverteilung. Beide Kameras sind etwa 20 cmvon der Atomwolke entfernt. Die Abbildung auf den CCD-Chip geschiehtmit lichtstarken Standardobjektiven (z.B. Fa. Nikon, Modell Nikkor 1:1.2,55mm). Längeneichungen ergeben typischerweise, daß der Abstand zweierBildpunkte auf dem CCD-Chip (‘Pixel’) einem abgebildeten Abstand in derFallenregion von 30 bzw. 60 µm entspricht. Eine Länge von 30 µm entsprichtauch ungefähr dem Auflösungsvermögen des Objektivs. Belichtungszeiten la-

    21

    bilder/labpuls.eps

  • CCD Kamera

    Pceye C-Programm

    Matlab

    Labview-Computer

    Kamera-Computer

    Kamera-Computer

    Kommunikationüber DDE

    Kommunikationüber Ethernet

    Experiment-steuerung

    Bildauswertung(Temperatur,Fallenparameter)

    Kamera-steuerung,Bild-darstellung

    Abbildung 2.11: CCD Kamera und Computer.

    gen je nach Fall zwischen 0.5 und 20 ms. Das Auslesen des Bildes geschiehtüber einen Framegrabber (Fa. Eltec, Modell Pceye1), der das von der Kame-ra erzeugte Signal mit einer Tiefe von 8 bit digitalisiert. Das Kamera-Bild(276× 448 Pixel, interlaced) wird vom Framegrabber in den Computerspei-cher geschrieben und von dort von einem selbstgeschriebenen C-Programm“Pceye” in Empfang genommen (siehe Abb. 2.11). Es übernimmt das Anzei-gen der Bilder auf dem Bildschirm und ihr Abspeichern auf der Festplatte.Gleichzeitig ruft es über “DDE” (Direct Data Exchange) die Matlabumge-bung3 auf und übergibt Matlab die Bilddaten, die dort bequem online analy-siert werden. Weiterhin wurde der Kameracomputer über das Ethernet mitdem Labview-Computer, der das Experiment steuert, verbunden, um Datenaustauschen zu können und die Synchronisation zu vereinfachen. Details undgenauere Ausführungen zum Pceye Programm können in der Diplomarbeitvon Gerhard Umshaus [Ums98] gefunden werden.Die Anzahl der gefangenen Atome wird zeitaufgelöst in einer Si-PIN Pho-

    todiode (Fa. Thorlabs, Modell Det100, 13.7mm2) gemessen, die über einenempfindlichen Low-Noise Stromverstärker (Fa. SRS, Modell SR570) an ei-ne Analog-Karte (Fa. National Instruments, Modell AT-MIO 16x, 16 bit,100 kS/s) im Labview-Computer führt. Labview übernimmt anschließenddie Aufbereitung und teilweise auch die Analyse der Daten und speichert siedanach ab. Die Abbildung der Falle auf die Photodiode geschieht mit Hilfeeiner geeigneten, antireflexionsbeschichteten Linse (f = 70 mm, Durchmesser=2RL = 23 mm). Der Abstand dieser Linse von der Falle beträgt r = 23

    3Matlab ist eine umfangreiche Computersoftware für numerische Mathematik und Ta-bellenkalkulationen.

    22

    bilder/kameraau.eps

  • cm. Damit beträgt der abgebildete Raumwinkel πR2L/(4πr2) = 1/1600. Mit

    der Effizienz der Photodiode von 0.45 A/Watt bei 670 nm konnten wir inunseren Messungen Lichtintensitäten bis unterhalb von 10 pW messen beieiner Frequenzbreite von etwa 100 Hz. Das entspricht bei 2 · 107 Atomeneiner Fluoreszenzrate pro Atom von einem Photon in 400 Mikrosekunden.Das Photodetektionssystem war in dieser Einstellung so empfindlich, daß esals Bewegungsmesser im Labor benutzt werden konnte: Näherte man sichdem Detektor während der Messung, so wurden kapazitiv Ströme induziert.Deswegen lieferten die Experimente immer besonders gute Daten, wenn sichvorübergehend niemand im Labor aufhielt...

    2.8 Temperatur und Verteilung der Atome in

    der MOT

    Zur experimentellen Bestimmung der Temperatur T ∝< v2 > wird die freieExpansion der Wolke von Atomen nach Abschalten der Falle beobachtet[Kun96]: Unter der Annahme eines nicht wechselwirkenden Ensembles vonTeilchen werden sich die Atome nach Abschalten der Laserstrahlen aufgrundihrer Geschwindigkeitsverteilung ρv frei auseinander bewegen. Aus der Ge-schwindigkeit der Expansion kann dann auf die quadratisch gemittelte Ge-schwindigkeit < v2 > geschlossen werden. Dabei ergibt sich die Größe derWolke zur Zeit t aus der Orts- und Geschwindigkeitsverteilung zu Beginn derExpansion ρrρv. Wurde die Falle zum Zeitpunkt t = 0 ausgeschaltet, so hatsich nach der Zeit t jedes Atom um die Strecke r = vt bewegt. Die Dichte amOrt r zum Zeitpunkt t ergibt sich daher aus der Integration über alle Ato-me der Anfangsverteilung, die sich während der Zeit t an den Ort r bewegthaben

    ρr(r, t) =∫ρr(r − vt, t = 0)ρv(v)dv. (2.3)

    Die Ortsverteilung ρr(r) und Geschwindigkeitsverteilung ρv(v) der Atome ineiner MOT ist unter normalen Bedingungen zu einer sehr guten Näherungdurch eine Gaußverteilung gegeben,

    ρ(r, v) = ρr(r)ρv(v) (2.4)

    =1

    (√2π)6

    1

    σxσyσz

    1

    σvxσvyσvz×

    exp

    (− x

    2

    2σ2x

    )exp

    (− y

    2

    2σ2y

    )exp

    (− z

    2

    2σ2z

    exp

    (− v

    2x

    2σ2vx

    )exp

    (−

    v2y2σ2vy

    )exp

    (− v

    2z

    2σ2vz

    ).

    23

  • Dies rührt daher, daß die Verteilungsfunktion durch eine Boltzmannvertei-lung beschrieben wird und daß die magneto-optische Falle näherungsweisedurch ein harmonisches Potential V genähert werden kann [Raa87].Sind die Geschwindigkeitsbreiten σv ≡ σvx = σvy = σvz gleich (was durch-

    aus in einer MOT nicht der Fall ein muß), so läßt sich die Temperatur desAtomgases definieren durch:

    Mσ2v = kBT, (2.5)

    wo M die Masse des Atoms ist und kB die Boltzmannkonstante. Die Tem-peratur T kann aus dem Expansionsverhalten von ρr(r, t) bestimmt werden.Unter der Annahme der Verteilung gemäß Gl. (2.4) separieren die drei Orts-koordinaten, und es ergibt sich die eindimensionale Ortsverteilung ρx(x, t):

    ρx(x, t) ∝∫exp

    (−(x− vxt)

    2

    2σ2x

    )exp

    (v2x2σ2v

    )dvx. (2.6)

    Die Ortsverteilung ρx(x, t) entsteht aus einer Faltung zweier Gaußfunktionender Breiten σx und σvt. Das Ergebnis ist wieder eine Gaußfunktion der Breiteσx(t),

    ρx(x, t) =1√

    2πσx(t)exp

    (− x

    2

    2σx(t)2

    )mit (2.7)

    σx(t) =√σ2x(t = 0) + (σvt)

    2. (2.8)

    Die volle Breite (FWHM) der Dichteverteilung ρx(x, t) zum Zeitpunkt t istalso gegeben durch

    ∆x(t) =√8 ln 2 σx(t). (2.9)

    Zur Messung der Temperatur werden die Laserstrahlen und das Quadrupol-Magnetfeld der MOT zum Zeitpunkt t = 0 abgeschaltet. Ab diesem Zeit-punkt expandiert die Atomwolke frei gemäß Gl. (2.8) für eine variable Zeitvon ein paar ms (typisch 0.5 bis 5 ms). Nach der Expansionszeit wird das La-serlicht wieder blitzartig eingeschaltet und es wird mit der CCD-Kamera einBild von der Atomwolke aufgenommen mit einer typischen Belichtungszeitvon 0.5 bis 1 ms.Innerhalb dieser Belichtungszeit verändert sich die Größe und Form der

    Falle praktisch nicht, da die Atome in einer optischen Melasse “eingefroren”sind: Die Atome streuen ununterbrochen Photonen und bewegen sich in einerArt Brownschen Bewegung, sodaß die Atomwolke nur sehr langsam ausein-ander diffundiert4.

    4Eine theoretische Abschätzung liefert für die diffusive Ausdehnung eines punktförmi-gen atomaren Ensembles σx = σv

    √2τ√t, wo τ die typische Abbremszeit der Atome in der

    Melasse angibt [Let89]. Für Lithium gilt ungefähr τ = 14 µs. In t = 10 ms wächst z.B. einpunktförmiges atomares Ensemble dann auf nur σx = 0.5 mm.

    24

  • 0.5 ms

    1.5 ms

    2.5 ms

    3.5 ms

    4.5 ms

    0 5 10

    P os ition [m m ]

    5.5 ms

    Abbildung 2.12: Frei expandierende Atomwolke. Links: Bilder der ex-pandierenden Wolke nach unterschiedlichen Zeitschritten in Falschfarben-Darstellung. Die y-Achse der Bilder ist im Vergleich zur x-Achse um einenFaktor 2 gestaucht. Deswegen erscheinen die Wolken als Ellipsen. Unterhalbder Atomwolke ist der Draht zu erkennen, hier allerdings nur als “passiver”Zuschauer. Rechts: Waagrechter Schnitt durch die Atomwolke und Gauß’scheFitkurven. Die atomare Wolke wird sehr gut durch eine Gaußverteilung be-schrieben.

    25

    bilder/expatafl.eps

  • 0 1 2 3 4 50

    0.5

    1

    1.5

    2

    2.5

    3

    3.5

    4

    4.5

    5

    Expansions−Zeit [ms]

    Bre

    ite σ

    x [m

    m]

    267 µ K465 µ K798 µ K

    Abbildung 2.13: Je nach Temperatur der Atom-Falle expandiert das atomareGas schneller oder langsamer. σx ist die Breite der gaußförmigen Atomwolke.

    Die Bilder der Falle spiegeln dann die Dichteverteilung ρr(r, t) wider.Durch das Anfitten von Gaußverteilungen kann daraus die Breite σx(t) be-stimmt werden. Abb. 2.12 zeigt Bilder der expandierenden MOT und Schnittedurch die Atomverteilungen. Die atomare Wolke wird offensichtlich sehr gutzu allen Zeiten durch eine Gaußverteilung beschrieben, was den Ansatz zurDichteverteilung in Gl. (2.4) bestätigt.

    Wiederholte Messungen für verschiedene Expansionszeiten t erlauben dieMessungen der Größe der Wolke in Abhängigkeit der Zeit t. Abb. 2.13 zeigteine entsprechende Auftragung der Breiten σx(t) gegen die Expansionszeit t.Aus dieser Auftragung kann durch einen erneuten Fit der in Gl. (2.8) gege-benen Form die Temperatur bestimmt werden. Für die gezeigten Beispielebeträgt die Temperatur 270, 470 und 800 µK mit einem Fehler von etwa 40µK.

    Meßgenauigkeit

    Die Unsicherheiten in der Temperaturmessung stammen von den Unsicher-heiten der Pixelabstands-Kalibrierung und von den Schwankungen der Falleselber. Zur Messung der Temperatur darf die “Melasse” als ganzes sich nichtbewegen. Zu einer Bewegung der Melasse kommt es, falls Offsetmagnetfelder

    26

    bilder/dreitemp.eps

  • 10−1

    100

    101

    102

    103

    0

    200

    400

    600

    800

    1000

    1200

    Intensität des Lasers [mW]

    Tem

    pera

    tur µ

    K

    25 MHz Detuning6 MHz Detuning

    Abbildung 2.14: Die Temperatur derAtome hängt von der Intensität desFallenlasers und seinem Detuning ab.Für Lithium werden die niedrigstenTemperaturen von etwa 200 µK erzeugtbei geringem Detuning und niedrigerLeistung. Die “Intensität des Lasers”ist die totale Intensität des Fallenlasersmit Seitenbändern. Dieser Laserstrahlwird noch aufgeweitet und auf die dreiFallenstrahlen aufgeteilt.

    0 0.05 0.1 0.15 0.2 0.25

    300

    400

    500

    600

    t(on) / t(off)

    Tem

    pera

    tur µ

    K

    15 MHz Detuning10 MHz Detuning

    Abbildung 2.15: Die Temperaturder Falle ist ebenfalls eine Funkti-on des “Chopverhältnisses”, wenndie Falle gepulst betrieben wird.Je kürzer die Atome angeblitztwerden, desto kälter werden sie.

    existieren oder gegenläufige Laserstrahlen verschiedene Intensitäten aufwei-sen. In unserem Aufbau wurde meist das Ungleichgewicht der Laserstrahlendurch entsprechende Offsetmagnetfelder ausgeglichen, um die Melasse zumStillstand zu bringen.

    Gemessene Temperaturen

    Für die Lithium MOT liegen die Temperaturen typischerweise im Bereichzwischen 200 µK und 1 mK. Anders als bei anderen Elementen gelangt manfür Lithium zu den kältesten Temperaturen bei niedrigen Laserleistungenund geringem Detuning (etwa 6 MHz). Im Rahmen der Diplomarbeit vonG. Umshaus [Ums98] wurde die Abhängigkeit der Temperatur von Laser-leistung, Detuning und weiteren Parametern ausgemessen. Abb. 2.14 zeigtMessungen zur Abhängigkeit der Temperatur der Atome von der Intensitätdes Lasers und seinem Detuning. Deutlich ist zu erkennen, daß die Tempe-ratur mit sinkender Laserintensität abnimmt. Die Intensität des Lasers kann

    27

    bilder/pow_temp.epsbilder/choptemp.eps

  • nicht beliebig klein gewählt werden, da sonst die Atome aus der Falle entkom-men. Deswegen wird für ein Detuning von 25 MHz mehr Leistung benötigtals für 6 MHz. Die Daten wurden über einen Zeitraum von vielen Wochengesammelt und geben gleichzeitig einen Eindruck zur Reproduzierbarkeit derFallenparameter.

    Gepulste Falle

    In einem Teil unserer Experimente betrieben wir die magneto-optische Fallein einem gepulsten Modus. Das Laserlicht wurde in kurzen Intervallen ein-und ausgeschaltet (typisch 0.5 ms aus, 50 µs an). Erstaunlicherweise fan-den wir eine Abhängigkeit der Temperatur von den Schaltzeiten: So sinktzum Beispiel die atomare Temperatur je kürzer die Beleuchtungsdauer derAtome ist. Dies zeigt Abb. 2.15. Diesen Kühleffekt kann man sich wie folgterklären: In den Dunkelpausen expandieren die Atome frei, die Dichte derAtome in der Wolke sinkt dadurch. Mit der Atomdichte sinkt auch gleichzei-tig die Wahrscheinlichkeit der Vielfachstreuung eines Photons im Atomgas(ein Fluoreszensphoton wird durch eine zweites Atom in der Falle reabsor-biert.). Die Vielfachstreuung ist aber gerade ein Heizprozeß in der MOT.

    2.9 Atomanzahl der Falle

    Die Atomanzahl in der Falle wird bestimmt, indem die Fluoreszenz der Ato-me in der MOT mit Hilfe einer geeichten Photodiode gemessen wird. Da-zu wurde bei voller Laserleistung innerhalb von 100 ms die Laserfrequenzder Fallenstrahlen über die Lithiumlinie gefahren. In dieser Zeit steigt dasFluoreszenzsignal der Atome solange, bis bei der Resonanzfrequenz der Li-thiumlinie schließlich die Falle instabil wird und birst. Ziel ist es, die Atomemaximal zu sättigen. Dann ist jedes Niveau im Grund- und angeregten Zu-stand gleichbesetzt. Lithium hat 16 Zustände im angeregten Zustand (2P3/2)und 8 Zustände im Grundzustand (2S1/2). Die Lebensdauer jedes angeregtenZustands beträgt 27.2 ns.

    Eine Linse mit einem Linsenradius von RL = 11.5 mm im AbstandRa = 23 cm von der MOT bildet das Bild der fluoreszierenden Falle durcheine Iris auf die Photodiode ab. Der dazugehörige Raumwinkel beträgt(πR2L)/(4πR

    2) = 1/1600. Das Fluoreszenzlicht einer Falle von typischerweise2 · 107 Atomen erzeugt dann in der Photodiode (0.45 A/W bei 670nm) einenStrom von 40 nA.

    Obwohl dies die einfachste und schnellste Weg ist, die Atomanzahl zubestimmen, haben wir noch andere Methoden zur Atomzahl und Dichtebe-

    28

  • stimmung getestet und verglichen.

    Dazu wurde ein schwacher Laser-Probe-Strahl einer Laserdiode durch dieMOT fokussiert, dessen Frequenz über die beiden Lithiumlinien in etwa ei-ner Sekunde gefahren wurde. Die Absorption des Laserstrahles in der MOTwurde von einer Photodiode gemessen.

    In einer dritten Methode wurde das Licht der Laserdiode aufgeweitet undals breiter Strahl durch den Fallenbereich in eine CCD Kamera geschickt. DieCCD Bilder zeigen die Absorption des Lasers in der MOT als ortsaufgelöstesBild. Bei dieser Methode müssen noch zusätzliche Hintergrundbilder aufge-nommen werden (Laserstrahl ohne Falle), die von den Absorptionsbildern imComputer elektronisch subtrahiert werden. Ergebnisse und Bilder sind in derDiplomarbeit von Alexander Kasper zu finden [Kas98].

    2.10 Herstellung dünner Drähte

    Für die Drahtexperimente werden Drähte unterschiedlicher Dicke undLeitfähigkeit benötigt. Für die Beschaffung dünner Drähte gibt es im wesent-lichen drei Methoden: 1) Dünne Metalldrähte kaufen. 2) Sehr dünne Metall-drähte ätzen. 3) Sehr dünne Quarzfäden ziehen und mit einer Metallschichtbedampfen (siehe auch [Sac82]).

    1. Wolfram-Drähte bis 4µm Dicke können auf Rollen gewickelt im Handelbezogen werden [Good]. Obwohl ein 4µm Draht schon so dünn ist,daß er nur noch mit Mühe mit dem bloßen Auge im normalen Lichtgesehen werden kann, läßt er sich doch noch relativ einfach handhaben.Dabei machte sich ein Arbeitsmikroskop der Firma Wild/Heerbrugg(Modell M8, 20×Vergrößerung) verdient, das den Vorteil hat, daß dasMikroskopobjektiv bis zu 8 cm vom Objekt entfernt ist. Der Drahtläßt sich sehr gut bewegen und einspannen, wenn man an seinen Endenkleine Klebestreifen anklebt. Der 4µm Draht ist gerade noch so dick,daß man zumindest am Ruck in den Fingern merkt, wenn er gerissenist. Die Wolframdrähte sind relativ sauber oder lassen sich leicht inAceton und Isopropanol reinigen und variieren in der Dicke etwa um10% über einen Zentimeter Länge.

    2. Für noch dünnere Metallfilamente empfehlen sich Wollaston Drähte.Diese sind dünne Silberdrähte (0.1mm Durchmesser), die einen feinenPlatinkern mit einem Radius zwischen 120 nm und 500 nm haben.In Salpetersäure (Konzentration 20 bis 30 %) wird der Silbermanteldann weggeätzt. Platin ist chemisch edler als das Silber und wird von

    29

  • CCl4

    HNO3

    Abbildung 2.16: Herstellung und Aufhängung des Wollaston-Drahtes.

    der Salpetersäure nicht angegriffen. Im Vergleich zu den dickeren Wolf-ramdrähten sind die Platindrähte aufgrund ihres kleinen Durchmessersund des weicheren Materials um Größenordnungen zerbrechlicher. Essoll nun kurz besprochen werden, worauf beim Ätzen der Drähte zuachten ist und wie man die Drähte am besten montiert und spannt.Folgende Methode hat sich bewährt: Man spannt den Wollastondrahtan einem Ende in die Fassung ein (siehe Abb. 2.16) und läßt zunächstdas andere Ende frei hängen5. Der Wollaston-Draht wird dann in dieSalpetersäure eingetaucht und über eine Länge von etwa 5 cm geätzt.Das dünn geätzte Metallfädchen ist äußerst leicht und wird vom klein-sten Lufthauch wie eine Spinnwebe weggetragen. Um zu verhindern,daß der Draht beim Herausziehen aus der Lösung unkontrolliert durchdie Lüfte schwebt, kann sein freies Ende beschwert werden. Dies hältden Draht an Ort und Stelle und spannt ihn gleichzeitig. Das Beschwe-ren des Drahtes gelingt, indem man etwa 1-1.5 cm des unteren Teilsdes Drahtes nicht ätzt. Dazu wurde Tetrachlorkohlenstoff verwendet,das schwerer als Salpetersäure ist, zudem inert und hydrophob. Säureund ‘Tetra’ durchmischen sich also nicht. Man taucht den Draht durch

    5Spannt man beide Enden von Anfang an ein und ätzt dann den Draht in der Mitte,so zerreißt er. Dies liegt wahrscheinlich an inneren Spannungen im Metall des Wollaston-Drahtes zwischen den beiden Enden. Wird an einer Stelle der dünne Teil des WollastonDrahtes freigelegt, so ziehen an ihm die gesamten inneren Spannungs-Kräfte.

    30

    bilder/drahtbau.eps

  • Salpetersäure

    DrahtaufhängungdrehbareHebebühne

    Abbildung 2.17: Bild der Hebebühne zur Drahtherstellung. Die Arbeiten ge-schehen am besten im Reinraum des Institutes, der Staubfreiheit und dienötige Ruhe garantiert.

    die Säure in das Tetra. Das Drahtende, das in Kontakt mit dem Te-trachlorkohlenstoff ist, wird nicht weggeätzt6. Beim Ätzen des Drahteswerden Gase (Stickoxid NO) frei,

    3Ag + 4HNO3 −→ 3AgNO3 + NO + 2H20 , (2.10)

    die zunächst als kleine Blasen auf dem Draht sitzen. Werden die Bla-sen zu zahlreich, so können sie den Draht aus dem Tetra herausheben.Deswegen sollte nicht zu schnell geätzt werden. Nach einem Ätzvorgangist der Draht oft noch nicht sauber, er kann nach dem Abschöpfen derSäure mit einer Hebebühne aus dem Tetra gehoben werden und inAceton und Isopropanol gereinigt werden. Der Draht wird danach oftein zweites Mal einem konzentrierteren Säurebad ausgesetzt, um letzteReste Silber aufzulösen. Nach dem Ätzvorgang läßt sich der Draht mitder Hebebühne aus der Lösung heben (Abb. 2.17 ). Durch anschließen-des Kippen der Drahthalterung kommt das Drahtende auf einem mitelektrisch leitendem UHV Kleber benetzten Metallplättchen zu liegenund wird in gespanntem Zustand fixiert. Bis jetzt sind auf diese Wei-se Drähte bis zu einem Radius von 250 nm erfolgreich geätzt und in

    6In anderen Versuchen wurde das Drahtende mit Gold bedampft, um das darunterlie-gende Silber vor der Säure zu schützen. Man könnte dann auf die Arbeit mit Tetrachlor-kohlenstoff verzichten, das sehr leicht flüchtig und toxisch ist. Diese Versuche scheitertenallerdings, weil die Säure sich rasend schnell unter die Goldschicht hineinfrißt — es bildetsich ein mikroskopisches Goldtöpfchen.

    31

    bilder/wirmount.eps

  • eine Halterung wie in Abb. 2.16 eingebaut worden. Ein Draht mit ei-nem Radius von nur 100 nm konnte ebenso über eine Länge von 1cm geätzt werden und in einer kleineren Halterung montiert werden.Die 100 nm Drähte sind um ein Vielfaches empfindlicher als die 250nm Exemplare, und nur einer von vielen Ätzvorgängen führt zum Er-gebnis. Deswegen ist es sinnvoll, diese Drähte in einer verkleinertenHalterungsversion einzubauen. Abb. 2.18 und 2.19 zeigt eine kleineGallerie von Drähten verschiedener Größen. Deutlich erkennbar ist einHauptproblem: Auf der Drahtoberfläche haften unerwünschte Verun-reinigungen und Staub. Zusätzlich bildet sich über einen längeren Zeit-raum innerhalb der Vakuumkammer auf dem Draht ein Überzug: DerDraht steht im Lithiumstrahl unseres Lithiumofens. Atome, die auf denDraht treffen, bilden eine Lithiumkruste. Diese sollte aber prinzipielldurch Ausheizen des Drahtes aufzulösen sein. Die Bilder zeigen Bei-spiele für Drähte (Drahtabschnitte), die sich teilweise mehrere Monatein Vakuumsystem befanden und dem Lithiumstrahl ausgesetzt waren.Die Aufnahmen wurden mit einem Rasterelektronenmikroskop des In-stitutes aufgenommen (Zeiss, DSM 950). Dieses Mikroskop hat einemaximale Auflösung von 50 nm.

    Wollaston Drähte bezogen wir von der Firma Goodfellow oder Leico[Good, Leico]. Goodfellow verkauft halb-Meterware mit Preisen vonetwa 10000 ATS pro Meter. Leico möchte mindestens 10 Meter Drahtverkaufen zu einem Preis von 2500 ATS pro Meter.

    3. Sehr dünne Fäden können mit etwas Geschicklichkeit auch ausQuarzfäden gewonnen werden. Dabei verwendet man einen Quarzstab,der in eine heiße Wasserstoff- oder Acetylen-Flamme (bis 3200 oC) ge-halten wird. Schmilzt das Quarzglas7 bei 1500 oC, so kann man denQuarzstab in der Flamme dünnziehen. Ab einer bestimmten Dicke wirdschließlich das Quarzfädchen reißen und die beiden Enden werden vomglühenden Luftstrom der Flamme mitgerissen, wo sie sich weiterhinverjüngen. Die Quarzstabenden werden anschließend aus der Flammeentfernt und mit etwas Glück hängen die dünnen etwa 30 cm langenQuarzfäden noch daran und schweben in der Luft. Die Kunst bestehtnun darin, sie zu finden, aufzufangen und einzuspannen. Dies kannauf folgende Weise getan werden: Mit einer Metallgabel streicht mandurch die Luft und hofft, die Quarzfäden aus der Luft zu fischen. An-schließend können die auf der Gabel aufgefangenen Quarzfäden mit

    7Quarz existiert in verschiedenen Modifikationen. β−Cristobalit z.B. schmilzt erst bei1700 o C. Bei langem Glühen des Quarzglases wandelt es sich in β−Cristobalit um [Hol60].

    32

  • Abbildung 2.18: Dünne Drähte unter dem Elektronenmikroskop.

    33

  • Abbildung 2.19: Dünne Drähte unter dem Elektronenmikroskop.

    34

  • Gold bedampft werden und unter dem Mikroskop vermessen werden.Es wurden8 auf diese Weise in Innsbruck Quarzdrähte bis zu einemDurchmesser von 200 nm hergestellt. Glücklicherweise ist Quarz we-sentlich stabiler als Platin und der Umgang mit den Quarzdrähtennicht ganz so kritisch. In einem nächsten Schritt muß der Quarzfadenvon der Gabel auf die UHV Halterung übertragen werden. Dazu nähertman dem Draht vorsichtig die Halterung, die mit zwei mit UHV Kle-ber bestrichenen Metallplättchen versehen ist, bis der Draht auf beidenMetallplättchen zu liegen kommt. In diesem letzten Schritt konnte bis-her nur ein 3.5 µm Quarzfaden erfolgreich in die Halterung eingespanntwerden.

    V

    10 Ω

    V

    Spannungstreiber

    Draht 4.6 Ω

    Pulsgen.Trigger

    Abbildung 2.20: Sicherheitsschaltung für die Stromversorgung des Drahtes.

    2.10.1 Ströme durch einen dünnen Draht

    Der in der ersten Generation verwendete Draht unserer Stromexperimentewar 50 µm dick und etwa 10 cm lang. Er bestand aus Wolfram und hatteeinen Widerstand von RD = 4.6 Ω, wenn er kalt war. Ein konstanter Stromvon etwa 100 mA brachte den Draht im Vakuum zu einem zarten orangeGlühen, und sein Widerstand stieg auf etwa 13 Ω. Wegen der Infrarotempfind-lichkeit der CCD Kameras und weil der Draht auf keinen Fall durchbrennensollte, ist ein heißer Draht für die Experimente unbrauchbar. Um einen ‘kal-ten’ Draht zu haben und gleichzeitig hohe Ströme, wurde der Draht gepulstbetrieben. Bis zu 40 Millisekunden konnte ein Strom von etwa 1 A durchden Draht geschickt werden, danach durfte er sich für eine Zeitdauer vonetwa 20 Sekunden abkühlen. Das Abkühlen geht relativ langsam vor sich,

    8 G. Umshaus hat sich mit der Herstellung dieser Quarzfäden befaßt und gibt nähereAusführungen dazu in seiner Diplomarbeit [Ums98].

    35

    bilder/strodrah.eps

  • 0 0.05 0.1 0.15 0.2 0.25 0.30

    0.5

    1

    1.5

    2

    2.5

    3

    3.5

    4

    4.5

    5

    Zeit−0.5 [ms−0.5]

    Max

    imal

    er S

    trom

    [A

    ]

    Dicke: 25 µmDicke: 50 µm

    Abbildung 2.21: Eingetragen sind die maximalen Ströme zu verschiedenenStromflusszeiten ∆t für einen 50 µm Kupfer-Draht, die den Draht geradenoch nicht zum Glühen bringen. Man erkennt, daß der Strom in den Heiz-prozeß quadratisch eingeht. Eine Verdopplung des Stroms viertelt die Expe-rimentierzeit ∆t.

    da es im Vakuum praktisch vollständig über Wärmestrahlung stattfindet.Im Laufe eines Pulses erwärmt sich der Draht aufgrund ohmscher Verlusteund seine Temperatur kann zeitaufgelöst über seinen Widerstand abgelesenwerden. Eine Temperatur, die einem Widerstand von 10 Ω des Drahtes ent-sprach, wurde von den CCD Kameras noch nicht gesehen und als maximaleEndtemperatur eines experimentellen Durchlaufs festgelegt. Um eine hohe Si-cherheit vor dem Durchbrennen des Drahtes zu gewährleisten, verwendetenwir den in Abb. 2.20 gezeigten Aufbau. Ein programmierbarer Pulsgenera-tor (Fa. SRS, Modell DS345) bekommt von der Timer-Karte (National In-struments, PC TIO-10) des Steuerungscomputers (Windows, Labview) einenStartpuls und generiert dann einen vorprogrammierten Puls, der eine strom-starke Spannungsquelle steuert. Sollte das Computersystem abstürzen9, sosorgt der Pulsgenerator als Sicherheitsstufe dafür, daß nicht unkontrollierteStröme durch den Draht fließen. Ebenso macht die Verwendung einer Span-nungsquelle anstatt eines Stromtreibers die Gefahr des Durchbrennens weni-ger kritisch: Heizt sich der Draht sehr stark auf, so steigt sein Widerstandund es fließt weniger Strom. Vor den Draht ist ein geeichter Widerstand vonRRes = 10 Ω vorgeschaltet. Er wird benutzt, um bequem auf einem Oszillo-skop den Strom durch den Draht zu messen und den aktuellen Widerstand

    9Auf diese Weise verloren wir schon einen Draht.

    36

    bilder/maxcurr.eps

  • des Drahtes zu bestimmen. Gleichzeitig stabilisiert der 10 Ω VorwiderstandRRes ein wenig den Stromfluß durch den Draht, der durch das Aufwärmenseinen Widerstand RD von 4.6 Ω bis auf 10 Ω vergrößert. Der Strom sinktdann nicht um einen Faktor 4.6/10, sondern nur um einen Faktor 14.6/20 =0.73.Die Aufheizung des Drahtes in der Zeit ∆t ist einerseits bestimmt durch

    seine Wärmekapazität und die durch den Strom verursachte WärmeleistungP innerhalb des Drahtes. Um die Temperatur des Drahtes um einen be-stimmten Betrag zu erhöhen, braucht man eine Energie ∆E, die aus demelektrischen Strom stammt,

    ∆E = P ∆t = RD I2 ∆t = RD

    (U

    RRes +RD

    )2∆t, (2.11)

    wo U die angelegte Spannung ist und I der Strom durch die Widerstände.Gleichung (2.11) scheint nur für kurze Zeiten ∆t richtig zu sein, da ja derWiderstand RD mit der Zeit wächst, RD(∆t) ≈ RD(0)+const ∆t. Allerdingsfällt zur gleichen Zeit der Strom I. In unserem Fall (2 RD ≈ RRes) hebensich diese beiden Effekte gerade in der ersten Ordnung gegeneinander wegund Gl. (2.11) liefert korrekte Werte auch für längere Zeiten ∆t. ∆E ist fest-gelegt durch die maximale Temperatur, die der Draht erreichen darf. Möchteman die Stromflußzeit ∆t um einen Faktor 2 erhöhen, so braucht der Stromnur um einen Faktor

    √2 verkleinert zu werden. Dieser Zusammenhang ist

    auch in Abb. 2.21 zu erkennen. Eingetragen sind die maximalen Ströme zuverschiedenen Stromflußzeiten ∆t, die einen 50µm Kupfer-Draht gerade nochnicht zum Glühen bringen.Für das Experiment bedeutet das: wurden in Strom-Experimenten die

    Atome nur 20 ms lang anstatt 40 ms dem stromführenden Draht ausgesetzt,so konnte die Stromstärke gefahrlos von 1 A auf

    √2 A = 1.4 A angehoben

    werden.

    37

  • 38

  • Kapitel 3

    Atome im 1/r2 Potential

    In diesem Kapitel wird gezeigt, wie man ein 1/r2 Potential für Atome durchelektrisches Aufladen eines Drahtes herstellen kann. Es wird die klassischeund quantenmechanische Bewegung des Atoms in diesem Potential studiert.Wir werden sehen, daß die starke Singularität des 1/r2 Potentials stabile Bah-nen von Atomen um den Draht verbietet. Atome stürzen in die Singularitätähnlich einem Sturz in ein schwarzes Loch.Im Grenzfall sehr dünner Drähte und sehr kalter Atome gelangt man in ein

    Quantenregime: die Quantisierung des Drehimpulses der externen Bewegungder Atome sollte auf direkte Weise beobachtbar sein. Die physikalischen Ideenzu dieser Vorhersage werden vorgestellt, detaillierte Berechnungen befindensich aber im Anhang. Theorie und Experiment sind in kompakter Form in[Den97, Den98a] veröffentlicht worden.

    Wir betrachten nun ein neutrales Atom im radial-symmetrischen elektri-schen Feld E (Zylinderkoordinaten) eines geladenen, dünnen Drahtes. Daselektrische Feld hat die Form

    E =1

    2π(0

    q

    rêr =

    U

    ln( RgRw)

    êrr, (3.1)

    wobei êr der Einheitsvektor in radialer Richtung und q die elektrische Linien-ladung auf dem Draht (Einheit [C/m]) ist. Im Experiment wird der Ladezu-stand des Drahtes über die Spannung U zwischen Draht mit Radius Rw undVakuumkammer (Radius Rg) kontrolliert (siehe Abb. 3.1b). Das elektrischeFeld E induziert im Atom ein elektrisches Dipolmoment di,

    di = αE,

    wo α die Polarisierbarkeit des Atoms ist. Wir nehmen im Folgenden an, daßdie Polarisierbarkeit α des Atoms eine skalare Größe ist, was im allgemeinen

    39

  • (Polarisierbarkeit α )

    +--+

    E

    Linienladung q

    Atomare Dipole

    2Rw

    Atom

    r

    Draht

    Wände derVakuumkammer

    Rg

    a) b)

    +

    +

    +

    Abbildung 3.1: a) Neutrale Atome wechselwirken mit einem geladenen Draht:Das elektrische Feld E induziert in den neutralen Atomen mit der Polarisier-barkeit α ein elektrisches Dipolmoment. In dem inhomogenen elektrischenFeld resultiert eine anziehende Kraft auf den geladenen Draht. b) zeigt dieGeometrie unseres Setups: Der Draht ist mit einem geerdeten Zylinder umge-ben (die Wände der Vakuumapparatur). Dies definiert die Randbedingungendes elektrischen Feldes.

    der Fall ist für Alkaliatome im Grundzustand. Wegen der Inhomogenität deselektrischen Feldes um den Draht (1/r Abfall) erfährt das Atom ähnlich wiein einem Stern- Gerlach Versuch eine anziehende Kraft auf den Draht. Wennwir alle anderen Wechselwirkungen vernachlässigen wie z.B. 1

    c2

    µ · (v× E), so

    lässt sich das Wechselwirkungspotential in zylindrischen Koordinaten (derDraht läuft entlang der z-Achse) wie folgt schreiben,

    Vpol(r) = −1

    2diE = −

    1

    2αE2(r) = −

    (1

    2π(0

    )2 α q22r2

    . (3.2)

    Dieses Potential ist immer anziehend und seine Stärke kann über die Draht-ladung q kontrolliert werden. Seine Zylindersymmetrie ist offensichtlich undbedingt die Erhaltung des Drehimpulses in z-Richtung, der Richtung desDrahtes. Weil Bewegungskomponenten der Atome entlang der z-Achse freisind, können unsere Betrachtungen also auf Bewegungen in zwei Dimensionen(x,y-Richtung) beschränkt werden.

    Vpol hat genau die gleiche radiale (1/r2) Abhängigkeit wie das abstoßende

    ZentrifugalpotentialVL = L

    2z/2Mr

    2

    zum Drehimpuls Lz. Das Zentrifugalpotential VL ist bekannt aus Lehrbüchernder Mechanik. Es ist berühmt, weil es die Bahnen von Teilchen in allen rota-

    40

    bilder/elDraht2.eps

  • x Achse

    y Achse

    Lz > LcritLz < Lcrit

    Draht

    Abbildung 3.2: Gezeigt werden zwei klassische Trajektorien mit Lz < Lcritund Lz > Lcrit. Wenn der Drehimpuls des Atoms um den Draht zu klein ist,stürzt das Atom spiralförmig ins Zentrum, anderenfalls wird es gestreut undläuft ins Unendliche.

    tionssymmetrischen Potentialen stabilisiert, die für kleine Distanzen r lang-samer gegen unendlich streben als 1/r2. Zum Beispiel verhindert das Zentri-fugalpotential das Fallen der Erde auf die Sonne. Wie steht es nun mit einemattraktiven 1/r2 Potential wie Vpol? Vpol läßt sich mit dem Zentrifugalpoten-tial VL in der Hamiltonfunktion kombinieren (Radialgleichung),

    H =p2r2M

    +L2z

    2M r2−

    (1

    2π(0

    )2 α q22r2

    =p2r2M

    +L2eff2Mr2

    , (3.3)

    wo sie zusammen ein effektiv attraktives oder repulsives Potential bilden, jenach Vorzeichen von L2eff,

    Leff =√L2z −M α (q/2π(0)2 =

    √L2z − L2crit. (3.4)

    Es existieren keine stabilen Bahnen für das Atom. Abhängig vom Vor-zeichen von L2eff stürzt das Atom entweder ins Zentrum (auf den Draht)oder es entkommt dem anziehenden Drahtpotential und läuft ins Unendli-che [Lan87, Lan88]. Zwei typische klassische Bahnen von Teilchen im 1/r2

    Potential werden in Abb. 3.2 gezeigt.Es ist in diesem Zusammenhang nützlich, einen (critical) Grenz-

    Drehimpuls Lcrit einzuführen (vgl. Gl. (3.4)),

    Lcrit =√Mα|q|/(2π(0), (3.5)

    41

    bilder/classtra.eps

  • sodaß für (|Lz| < Lcrit) das effektive Potential in der radialen Bewegungs-gleichung anziehend ist und alle klassischen Trajektorien durch das Zentrumlaufen. Für (|Lz| > Lcrit) ist L2eff positiv und das effektive Potential in derRadialgleichung ist repulsiv, was verhindert, daß die Atome ins Zentrum fal-len. Der komplette Satz von Lösungen für die Bewegungsgleichungen des 1/r2

    Potentials findet sich in [Lan87]. Wir geben diese Lösungen der Vollständig-keit halber an:

    a) für E > 0, Lz > Lcrit,1

    r=

    √2ME

    L2z − L2critcos

    φ

    √√√√1− L2critL2z

    ,

    b) für E > 0, Lz < Lcrit,1

    r=

    √2ME

    L2crit − L2zsinh

    φ

    √√√√L2critL2z− 1

    ,

    c) für E < 0, Lz < Lcrit,1

    r=

    √2ME

    L2z − L2critcosh

    φ

    √√√√L2critL2z− 1

    ,

    und für die Zeit t gilt

    t =1

    2E

    √2ME r2 − L2z + L2crit. (3.6)

    In diesen Formeln wurden für Phase φ und Zeit t jeweils geeignete Nullpunktegewählt:

    • Im Fall a) stürzt das Teilchen nicht in den Ursprung. Es gibt aber einenPunkt der größten Annäherung an den Draht. Dort befindet sich dasAtom bei t = 0 und φ = 0 (siehe auch Abb. 3.2 rechts).

    • In b) und c) fallen die Atome auf einer Spiralbahn in die Singularität,die sie bei φ = +∞ erreichen. In b) startet das Atom im Unendlichenbei φ = 0 und t = +∞ (läuft in der Zeit rückwärts) und erreicht dasZentrum bei t = 1

    2E

    √−L2z + L2crit.

    • Für Fall c) schließlich ist das Teilchen energetisch im Potential gebun-den und es gibt einen Punkt maximaler Entfernung vom Ursprung; dortgilt φ = 0 und t = 0.

    Beginnend im Abstand r braucht das Atom für alle drei Fälle beim Sturz insZentrum die endliche Zeit ∆t,

    ∆t =1

    2E

    (√L2crit − L2z + 2MEr2 −

    √L2crit − L2z

    ). (3.7)

    42

  • p

    pp

    q

    RD

    bcrit

    Abbildung 3.3: Eine paralleler Strahl monoenergetischer Teilchen mit Im-puls p = Mv trifft auf einen geladenen Draht. Teilchen mit einem kleinerenStoßparameter als bcrit fallen auf den Draht. Der entsprechende Absorptions-wirkungsquerschnitt ergibt sich folglich als 2× bcrit.

    Wirkungsquerschnitte

    Wir nehmen nun im Folgenden an: Ein paralleler Strahl von monoenergeti-schen, klassischen Teilchen mit Impuls p trifft auf einen unendlich dünnengeladenen Draht, siehe Abb. 3.3. Alle Teilchen mit einem kleineren Stoßpara-meter b als bcrit = Lcrit/p fallen auf den Draht. Unter der Annahme, daß alleAtome, die auf den Draht treffen auf seiner Oberfläche adsorbiert werden (kle-ben bleiben), läßt sich ein Absorptions-Wirkungsquerschnitt definieren mitσabs = 2bcrit. Anders als üblich hat der Wirkungsquerschnitt nicht die Di-mension einer Fläche, sondern in den hier besprochenen zwei-dimensionalenStreuexperimenten die Dimension einer Länge. Nach Ersetzen von Lcrit durchseinen Ausdruck in Gl. (3.5) nimmt der Absorptionsquerschnitt σabs für denunendlich dünnen Draht folgende Form an,

    σabs =|q|v

    1

    π(0

    √α

    M. (3.8)

    Die lineare Abhängigkeit des Absorptionsquerschnitts σabs von der Ladung qund von der inversen Geschwindigkeit 1/v sind Charakteristika für die 1/r2

    Singularität.Für einen geladenen Draht endlicher Dicke bekommt man einen Ausdruck

    für den Absorptionsquerschnitt σabs nach folgender Überlegung: Es werdennicht nur die Atome aus dem einfallenden Strahl absorbiert, die in die Sin-gularität bei r = 0 stürzen, sondern auch die, die nicht in die Singularität

    43

    bilder/ebenewel.eps

  • Drahtladung q

    σ ab

    s Rw>0

    Rw=0

    Abbildung 3.4: Klassische Absorptionswirkungsquerschnitte für einen unend-lich dünnen Draht und einen Draht endlicher Dicke. Im Limes großer Drahtla-dungen q ist der σabs auch für den endlich dicken Draht eine lineare Funktionvon q.

    fallen, dafür aber auf Ihrer Trajektorie mit dem endlich dicken Draht (RadiusRw) kollidieren. Mithilfe der Energie- und Drehimpulserhaltung Lz = Mvbund mit rmin als Entfernung der größten Annäherung gilt

    E =Mv2

    2= −

    (1

    2π(0

    )2 αq22r2min

    +M2v2b2

    2Mr2min. (3.9)

    Je nachdem, ob rmin innerhalb oder außerhalb des Drahtradius liegt (rmin <(>)Rw), wird absorbiert oder nicht. Für den Grenzfall, daß die Trajektorieden Draht tangential berührt, ersetzen wir rmin in Gl. 3.9 durch den Drahtra-dius Rw und lösen nach b auf. So erhalten wir schließlich

    σabs = 2b = 2

    √R2w +

    (1

    2π(0

    )2 αM

    q2

    v2. (3.10)

    Abbildung 3.4 zeigt diesen Wirkungsquerschnitt zusammen mit dem des un-endlich dünnen Drahtes als Funktion der Drahtladung. Der Wirkungsquer-schnitt setzt sich aus zwei Teilen unter der Wurzel zusammen: der erste Teilbeschreibt die Absorption durch die endliche Dicke des Drahtes selbst. Erdominiert im Limes kleiner Ladung auf dem Draht die Absorption und istgegeben durch den doppelten Drahtradius, 2Rw. Für große Ladungen auf demDraht dominiert hingegen der zweite Teil, der die elektrische Wechselwirkungund den Sturz des Atoms ins Zentrum beschreibt. In diesem Grenzfall erhältman für einen endlich dicken Draht wieder das lineare Verhalten bezüglichLadung q und 1/v zurück, das als Charakteristikum für die 1/r2 Singularitäterhalten bleibt.

    44

    bilder/classwq.eps

  • Beispiel

    Wir betrachten nun anhand eines Beispieles, wie stark im Experiment dieLadung des Drahtes den Wirkungsquerschnitt σabs bestimmt. Ein Draht mitRadius Rw = 1 µm sei in einem Metallzylinder mit Radius Rg = 3 cm zen-trisch aufgehängt. Bei einer elektrischen Spannung U von 100 Volt (Es giltq = 2π(0U/ ln(Rg/Rw).) zwischen Zylinder und Draht entsteht dann für Li-thiumatome der Geschwindigkeit v = 0.5 m/s (senkrecht zum Draht) einAbsorptionsquerschnitt von etwa 19 µm. Im Vergleich zum reinen Drahtab-sorptionsquerschnitt von 2 µm dominiert also schon bei 100 Volt die elektri-sche Wechselwirkung.

    10

    8

    6

    4

    2

    0543210

    σ abs

    (1

    /k)

    Drahtladung in Drehimpulseinheiten

    kR= 0kR= 0.1kR= 1kR= 2

    Abbildung 3.5: Quantenstufen für verschiedene relative Drahtdicken kRw. kist der Wellenvektor der einfallenden ebenen Welle der Atome. Die Einheit derLadung auf dem Draht ist in reduzierten Einheiten gegeben (siehe AnhangC).

    Quantenstufen

    Bevor wir nun dazu übergehen, die Experimente zu besprechen, mit denendie Absorptionsquerschnitte und Ihre Abhängigkeiten gemessen wurden, sollkurz die Physik des 1/r2 Potentials im quantenmechanischen Limes darge-stellt werden.Im Gegensatz zur klassischen Betrachtung, wo der Drehimpuls Lz =Mvb

    der Teilchen eine kontinuierliche Größe ist, ist Lz im Quantenregime quan-tisiert. Die einfallende ebene Welle der Atome mit Wellenvektor k läßt sichin Partialwellen, d.h. einfach gesprochen Klassen von Atomen zerlegen mitganzzahligen Drehimpulsen. Je nach Ladung auf dem Draht wird jede Klasse

    45

    bilder/quastep.eps

  • für sich genommen auf den Draht stürzen oder nicht. Variiert man die Ladungauf dem Draht, so wird die Absorption sich entsprechend der Quantisierungdes Drehimpulses und der Klassenaufteilung sprunghaft ändern: Der Absorp-tionswirkungsquerschnitt zeigt “Quantenstufen”. Dies ist in Abbildung 3.5für verschiedene Drahtradien dargestellt. Für dünne Drähte sind die Quan-tenstufen sehr gut zu sehen. Je dicker der Draht allerdings wird, desto mehrund mehr waschen die Stufen aus.Die Größe, die in die Berechnungen eingeht, ist nicht die absolute Dicke

    des Drahtes, sondern seine Dicke im Vergleich zur deBroglie Wellenlänge(λ = 2π/k) der einfallenden Atome. Im Grenzfall dicker Drähte und schnellerAtome erhält man wieder die glatteWurzelfunktion in Gl. 3.10 der klassischenBetrachtung. Das Auswaschen der Stufen, kann auf zwei Arten verstandenwerden. Zum einen gibt es eine Reflexion von Teilchen an der Oberfläche:Partialwellen, die eigentlich unseren Überlegungen zufolge absorbiert wer-den sollten, können teilweise entkommen. Zum anderen gibt es auch einenTunnelprozeß, indem die Teilchen, die in der semiklassischen Beschreibungeigentlich nicht absorbiert werden sollten, durch die Zentrifugalbarriere aufdie absorbierende Oberfläche des Drahtes hindurchtunneln. In Anhang Cund C.2 findet man nocheinmal eine ausführliche Behandlung der gesamtenTheorie zu den Quantenstufen.

    3.1 Methode des Experiments

    Der Absorptionswirkungsquerschnitt aus Gl. (3.10),

    σabs = 2

    √R2w +

    (1

    2π(0

    )2 αM

    q2

    v2. (3.11)

    könnte prinzipiell gemessen werden, indem der geladene Draht in einen kolli-mierten Strahl von Atomen mit Impuls p =Mv gestellt wird und die Zahl derauf den Draht auftreffenden Atome gezählt wird. In unserem Labor bot sicheine andere Methode an. Der Draht wechselwirkt nicht mit einem Strahl vonAtomen, sondern mit einer im Raum stehenden Atomwolke mit N Atomen.Innerhalb der Wolke bewegen sich kalte Lithiumatome wie ein quasi frei-

    es Gas, das in einer Box gehalten wird (siehe Abb. 3.6). Diese, die Atomehaltende Box, wird realisiert durch eine Modifikation der magneto-optischenFalle. Dazu wird entweder die kontinuierliche Lichtintensität der Falle sehrstark gesenkt oder aber die MOT wird gepulst betrieben. Im gepulsten Be-trieb werden die Fallen-Laserstrahlen der MOT abgeschaltet, nur für einekurze Zeit von wenigen Mikrosekunden Länge wird jede halbe Millisekundedas Laserlicht in die Fallenregion geblitzt. Dieses Verfahren erlaubt es, die

    46

  • Draht

    Abbildung 3.6: In einer MOT mit niedriger Lichtintensität werden N kalteAtome wie ein freies Gas in einer Box gehalten. Sie streuen immer wieder am1/r2 Potential des Drahtes, bis sie früher oder später auf den Draht stürzen,wo sie absorbiert werden.

    Atome stabil in der Falle zu halten. Gleichzeitig kann man erreichen, daßdie Atome sich bis zu 95% der Zeit frei im Dunkeln bewegen. In dieser Zeitkönnen sie ungestört mit dem Drahtpotential wechselwirken. Zusätzlich wirddurch das Senken der Lichtintensität auch die Laderate der MOT praktischabgeschaltet. Dies garantiert eine gewisse Abgeschlossenheit der Atomwolkenach außen. Die sich in der Atomwolke bewegenden Atome wechselwirkenund streuen solange mit dem 1/r2 Potential des Drahtes, bis ein Atom nachdem anderen auf den Draht gestürzt ist. Dort bleiben sie entweder haftenoder sie lösen sich mit thermischen Geschwindigkeiten wieder vom Drahtund entkommen der lichtschwachen MOT. Der geladene Draht stellt durchdie Absorption der Atome auf seine Oberfläche einen Verlustmechanismusder Atomanzahl in der Atomwolke dar. Die daraus resultierende Verlustrateder Atome wird im Experiment gemessen. Aus ihr können Informationen zurSingularität des Potentials und seiner Stärke gewonnen werden, was späteran den experimentellen Daten gezeigt wird.Folgende Ratengleichung läßt sich für die Anzahl N der Atome in der

    Falle aufstellen,

    dN

    dt= −N

    ∫ρ(xw, v) σabs

    √v2x + v

    2y d

    3vdz + L+ − L−, (3.12)

    wo ρ(xw, v) die normalisierte Phasenraumdichte der Atome am Ort des Drah-tes, xw, ist. Für sie gilt ∫

    ρ(x,v) d3x d3v = 1. (3.13)

    47

    bilder/lithiumw.eps

  • Gl. (3.12) beschreibt den Atomfluß N ·ρ·v von Atomen mit Geschwindigkeit vauf ein Target mit Wirkungsquerschnitt σabs. Da in der Atomwolke Atome ausallen Richtungen auf den Draht strömen, wird über alle Geschwindigkeitenintegriert. L+ ist die verbleibende Laderate der lichtschwachen MOT und L−steht für Verluste durch Kollisionen mit dem thermischen Hintergrundgas.

    Es soll im weiteren Verlauf angenommen werden, daß die Dichtevertei-lung ρ(xw, v) zeitunabhängig ist. Dies ist der Fall, wenn die Atome in derFalle sich nicht gegenseitig beeinflussen und damit die atomare Verteilungdichteunabhängig ist. Weiter muß man voraussetzen, daß es einen effektivenMechanismus gibt, der die Bewegungzustände der Atome in der Falle mischtund auf diese Weise den Phasenraum der absorbierten Atome (Atome mitDrehimpuls Lz < Lcrit) wieder auffüllt. Das Mischen wird durch Lichtstreu-ung in der MOT erreicht.

    Solange die drei Summanden in Gleichung (3.12) linear abhängig von Noder unabhängig von N sind, wird die Zahl der Atome (N) in der “magneto-optischen Box” exponentiell abnehmen:

    N(t) = Noe−(D+Db)t + const. (3.14)

    Db stammt vom L− Term und wir nennen Db den “Hintergrund”-Zerfall. DieZerfallskonstante D ergibt sich aus der Atom- Draht Wechselwirkung und istgleich dem Integral in Gl. (3.12). Wir nehmen an, daß die Dichteverteilungder Atome in Raum und Geschwindigkeit, ρ(x,v), gaußförmig ist, was für eineMOT niedriger Dichte typisch ist und in unseren Experimenten durch Kon-trollmessungen immer wieder bestätigt wurde. Der vollständige Ausdruck fürρ(x,v) findet sich in Gl. (2.4) in Kapitel 2.8. Falls die Geschwindigkeitsvertei-lung isotrop ist, σv = σvx = σvy , kann das Integral analytisch gelöst werdenund man erhält als Zerfallskonstante D

    D =exp(− x2

    2σ2x) exp(− y2

    2σ2y)

    σxσy

    [Rwσv√2π

    WF +1

    π

    √α

    M

    q

    2π(0

    ], (3.15)

    WF = WF (Wp) = eWp

    (1− Erf

    (√Wp

    )),

    Wp =π

    4

    (1

    π2α

    M

    q2

    (2π(0)2

    )/(R2wσ2v2π

    ).

    Die Zerfallskonstante D besteht aus zwei Summanden: der rechte beschreibtdie elektrische Atom-Draht Wechselwirkung (und das Fallen in die Singu-larität), der linke ist eine Korrektur und berücksichtigt die endliche Aus-dehnung des Drahtes. Dieser Term ist als Produkt geschrieben: der Fak-tor Rwσv/

    √2π beschreibt die Absorption durch den ungeladenen Draht.

    48

  • 0 0.5 1 1.5 2 2.5 30

    1

    2

    3

    4

    Ladung q [a.u.]

    Abs

    orpt

    ions

    kons

    tant

    e D

    [a.

    u.]

    exakt

    Näherung

    Abbildung 3.7: Vergleich des exakten Integrals für die Zerfallskonstante Dmit der wurzelförmigen Näherung.

    Die Wichtungsfunktion WF gibt an, wie stark die Absorption des ungela-denen Drahtes an der Gesamtabsorption beteiligt ist. Es gilt WF (0) = 1 undWF (∞) = 0. Die Wichtung erfolgt über einen Wichtungsparameter WP , dergegeben ist durch das Verhältnis der Größe der reinen elektrischen Absorp-tion zur Absorption des ungeladenen Drahtes. Obwohl die Formel (3.15) fürD also anschaulich ist, ist sie trotzdem ein wenig unhandlich. Sie kann je-doch sehr gut durch die folgende einfache und intuitive Beziehung genähertwerden,

    D =1√2π

    σvσxσy

    √√√√R2w + 2πα

    M

    q2

    (2π(0)21

    σ2v. (3.16)

    In diesem Schritt wurde gleichzeitig noch (x = y = 0) gesetzt, weil später imExperiment die Falle mittig auf den Draht zentriert sein wird.

    Diese Darstellung von D hat die gleiche Form wie der Absorptionsquer-schnitt σabs in Gl. (3.10). Die Abweichung dieser Näherung vom exaktenAusdruck für D in Gl. (3.16) ist nie größer als 3% und exakt im Limes q = 0and q →∞. Abb. 3.7 zeigt die Kurvenform der exakten Lösung im Vergleichzur Näherung des Integrals.

    3.2 Durchführung des Experiments

    Um die Absorptionsexperimente durchführen und die Zerfallskonstanten Dzu bestimmen, werden die Experimente, wie in Abb. 3.8 dargestellt, in dreiSchritten ausgeführt.

    49

    bilder/vergleic.eps

  • Falle

    Laden1)

    Geladener Draht

    Schieben2)

    Photo-

    diodeLinse

    Zerfall3)

    Abbildung 3.8: Schrittfolge im Experiment.

    1. Laden: In einem ersten Schritt (1) werden die Lithiumatome, wie inKapitel 2.1 beschrieben, 20 Sekunden lang in die MOT eingeladen. DieFalle ist dabei etwa ein 1 bis 2 mm vom Draht entfernt, um Verlustedurch den Draht zu vermeiden.

    2. Verschieben: Nach dem Laden (2) wird der “Slower”-Laserstrahl ab-geschaltet. Die MOT wird auf den Draht geschoben und dort auf dengeladenen Draht zentriert. Die Justage der Falle geschieht mit Hilfeverschiedener CCD-Kameras, die aus drei Raumrichtungen auf Falleund Draht blicken. Das Verschieben der Falle benötigt etwa 5 ms undgeschieht mit einem zusätzlichen Offset-Magnetfeld, das in einer dafürvorgesehenen Spule erzeugt wird. Durch das magnetische Offsetfeld ver-schiebt sich der Nullpunkt des Quadrupolfeldes und damit der Ort derFalle.

    Die Ladung auf dem Draht wird kontrolliert über die SpannungU zwischen Draht und dem Gehäuse der Vakuumkammer, U =ln(Rg/Rw)q/(2π(0), wo Rw der Radius des Drahtes ist und Rg der Radi-us der geerdeten Vakuumkammer. Als nächstes wird die Laserfrequenzund die Laserleistung auf vorgesehene Werte gesetzt. Auf diese Weisekann die Größe (Dichte) der Falle als auch ihre Temperatur eingestelltwerden. Während der Absorptionsexperimente wird die MOT bei einemsehr niedrigen Lichtlevel betrieben, um zu garantieren, daß die Atomesich möglichst frei im 1/r2 Potentials des Draht bewegen. Entweder dasLaserlicht wird einfach stark abgeschwächt oder die Falle