Juni 2014 Rechtund Wettb ewerb - SchutzverbandGeplante EU-Richtlinie zum Schutz von...

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WETTBEWERBSKOMMENTAR Wertreklame – Spannungsbogen zwischen grundsätzlicher Zulässigkeit und (Irreführungs)Verbot im Einzelfall WETTBEWERBSRECHT AKTUELL Geplante EU-Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen Verstärkter Kampf gegen Produktpiraterie Access-Provider können zu „Website-Sperren“ verpflichtet werden Aktuelle Judikatur zur irreführenden Blickfangwerbung 20-jähriges Jubiläum: ÖBl-Seminar 2014 Recht und Wettbewerb Mitgliederzeitschrift Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb Nummer 183 Juni 2014 60. Jahrgang

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WETTBEWERBSKOMMENTAR

Wertreklame – Spannungsbogen zwischen grundsätzlicher Zulässigkeit und (Irreführungs)Verbot im Einzelfall

WETTBEWERBSRECHT AKTUELL

Geplante EU-Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen

Verstärkter Kampf gegen Produktpiraterie

Access-Provider können zu „Website-Sperren“ verpflichtet werden

Aktuelle Judikatur zur irreführenden Blickfangwerbung

20-jähriges Jubiläum: ÖBl-Seminar 2014

Recht undWettbewerbMitgliederzeitschrift Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb

Nummer 183 Juni 2014 60. Jahrgang

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Inhalt

2 Recht und Wettbewerb

Recht undWettbewerbWETTBEWERBSKOMMENTAR

Wertreklame – Spannungsbogen zwischen grundsätzlicher Zulässigkeit und (Irreführungs)Verbot im Einzelfall SEITE 4

WETTBEWERBSRECHT AKTUELL

Geplante EU-Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen SEITE 8

Access-Provider können zu „Website-Sperren“ verpflichtet werden SEITE 12

Verstärkter Kampf gegen Produktpiraterie SEITE 16

Aktuelle Judikatur zur irreführenden Blickfangwerbung SEITE 19

Hohe Haftstrafen wegen irreführenderWerbung mit Korrekturabzügen SEITE 22

TAGUNGSBERICHT AKTUELL

20-jähriges Jubiläum: ÖBl-Seminar 2014 SEITE 25

„Recht und Wettbewerb“ ist die zweimal jährlich erscheinende Mitgliederzeitschrift des Schutzverbandes gegen unlauteren Wettbewerb zu Themenund Fällen des Wettbewerbsrechts. Alle Beiträge sind urheberrechtlich geschützt und dürfen grundsätzlich ohne Zustimmung des Medieninhabers weder vervielfältigt noch veröffentlicht werden. Medieninhaber, Hersteller sowie Redaktion: Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb, 1040 Wien, Schwarzenbergplatz 14, ZVR 473025626. Vorstand: Friedrich Ammaschell, KommR Helmut Schramm, KommR Hans Seemann, KommR Dr. Haidemarie Heinz, KommR Herbert Gänsdorfer, KommR Karl Hofmann, KommR Gerhard Holub, KommR Ing. Johann Klein, KommR Ralph Plaichinger, Gerhard Steurer. Für den Inhalt verantwortlich: Mag. Hannes Seidelberger, Geschäftsführer. Layout: Greiner & Greiner GmbH,1050 Wien, Schlossgasse 10–12. Druck: Druckerei Robitschek & Co GmbH, 1050 Wien, Schlossgasse 10–12

Nummer 183 Juni 2014 60. Jahrgang

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Editorial

Nummer 183 Juni 2014 60. Jahrgang 3

„Der Schutzver-band setzt sichseit 60 Jahren füreine Bekämpfungdes unlauterenWettbewerbs zumSchutz der davonbetroffenen ge -setzestreuen Un-ternehmer ein …“

MAG. HANNES SEIDELBERGERGeschäftsführer

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Liebe Mitglieder!

Der Schutzverband wird dieses Jahr 60 Jahre alt und ich darf Sie seit 15 Jahren als dritter Ge-schäftsführer in der Geschichte des Vereins mit meinem Team betreuen. Besonders freut esmich, dass wir in dieser Zeit nicht nur die Interventionen, sondern vor allem die Anzahl derMitglieder kontinuierlich steigern konnten. Das ist ein starkes Zeichen dafür, dass unsere rasche und effektive Unterstützung in allen Fällen von unlauterem Wettbewerb geschätzt wird.Ein besonderer Schwerpunkt unserer Dienstleistung ist die Betreuung der selbstständig

Tätigen aus dem Kreise unserer Mitglieder bei allen Fällen von Werbekriminalität. Hier helfenwir nicht nur laufend Betroffenen, aus diesen erschwindelten „Verträgen“ wieder heraus zukommen, sondern sind auf mehreren Ebenen aktiv, um eine noch bessere Bekämpfung zu er-reichen.Bei den Verfahren nach dem UWG haben wir wichtige Grundsatzentscheidungen im Sinne

einer Verschärfung für die Unternehmer als Opfer dieser „Abzocke“ erreicht. Parallel sind wirverstärkt aktiv gewesen, um eine strafrechtliche Verfolgung der Hintermänner ins Laufen zubringen. Erfreulicherweise hat ein besonders problematischer Fall mit Klagen in Spanien gegen österreichische Unternehmer zu einer deutlichen Verurteilung der deutschen Täter inder ersten Instanz wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs geführt.In dem Bereich des normalen Wettbewerbs sind ebenfalls Musterverfahren zur Klärung von

wichtigen Rechtsfragen erforderlich. Hier haben wir mit einer Klage bezüglich einer Gewinn-spielankündigung eines dann mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ausgespielten Gewinns eineklarstellende OGH-Entscheidung erlangt.Solche Fragen der Irreführung sind in der Praxis von großer Bedeutung, nachdem Zu gaben

und andere Formen der Wertreklame nach der Aufhebung des § 9a UWG und den Entschei-dungen des OGH im Gegensatz zur früheren Rechtslage grundsätzlich erlaubt sind. Diese aktuelle Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Vorspannangeboten wird in dem Wett bewerbs-kommentar unserer Verbandsanwältin Dr. Marcella Prunbauer umfassend beleuchtet. Unser juristischer Mitarbeiter Dr. Rainer Tahedl beschäftigt sich in Wettbewerbsrecht

Aktuell mit einem neuen Vorschlag der Europäischen Kommission in Form einer Richtliniezum Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Nach der Richtlinie über irreführende und ver-gleichbare Werbung (dieses Jahr 30 Jahre alt) und der Richtlinie über unlautere Geschäfts-praktiken (nächstes Jahr 10 Jahre alt) ist damit eine weitere Vereinheitlichung des Lauter-keitsrechts auf europäischer Ebene geplant.In einem Gastkommentar behandelt Rechtsanwältin Dr. Sonja Dürager eine besonders

heiß diskutierte Entscheidung des EuGH aus dem Urheberrecht, wo es um die allgemein spannende Frage geht, wie weit Access-Provider zu „Website-Sperren“ verpflichtet werdenkönnen.Auf nationaler Ebene soll ein verstärkter Kampf gegen Produktpiraterie durch eine neue

EU-Verordnung unterstützt werden, wobei wir bei einlangenden Beschwerden gemeinsammit den Markeninhabern aktiv werden, solche unrechtmäßigen Imitate vom Markt zu bringen.Schließlich berichten wir über das ÖBl-Seminar, welches dieses Jahr sein 20. Jubiläum

gefeiert hat. Für Fragen oder konkrete Anliegen zu allen diesen Themen stehen wir Ihnen wieimmer gerne zur Verfügung.

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4 Recht und Wettbewerb

I. EINLEITEND:Der Begriff „Wertreklame“ umfasst traditio-nell Werbemittel, mit welchen der Unter-nehmer versucht, den Absatz seiner Pro-dukte oder Dienstleistungen durch das Ver-sprechen besonderer Vorteile zu fördern. Ty-pische Sachverhalte sind das Versprechenvon Geschenken oder die attraktive Koppe-lung mit einer anderen Ware, die unentgelt-lich (Zugabe) oder billiger überlassen wird(Vorspannangebot). Geworben wird alsonicht mit den Eigenschaften der Hauptware(Preis, Qualität), sondern mit einem ande-ren Anreiz, der mit der Hauptware sachlichin der Regel nichts zu tun hat, aber gleich-wohl den Kunden zum Kauf verlocken soll.Der Kunde soll in seiner Entscheidungdurch den in Aussicht gestellten Vorteil sa-lopp gesprochen gleichsam „bestochen“werden. Nicht nur, aber vor allem inDeutschland, werden unter dem Einflussder Entwicklungen des Gemeinschaftsrech-tes solche Werbemittel mit sinngleicher Be-deutung auch als „verkaufsfördernde Maß-nahmen“ bezeichnet.Diese Werbemittel sind mit dem Leitbild

eines in erster Linie durch die Güte undPreiswürdigkeit der Leistung geprägten Leis-tungswettbewerbs schwer zu vereinbaren.Seit der durch die Richtlinie über unlautereGeschäftspraktiken ausgelösten Debatte umdie gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit desösterreichischen Zugabenverbots1, derdurch mehrere Entscheidungen des EuGH

geprägten Rechtsprechung des OGH2 undder schließlich konsequenten ersatzlosenAufhebung des Zugabenverbots des § 9aUWG mit Wirkung vom 12.1.20133 gilt derGrundsatz, dass solche nur dann unzuläs-sig sind, wenn sie im Einzelfall gegen einenTatbestand der „schwarzen Liste“ der An-hangsverbote verstoßen, irreführend, ag-gressiv oder sonst im Sinne des § 1 UWGunlauter sind.

II. JÜNGERE RECHTSPRECHUNGS- ENTWICKLUNG:Der neue Prüfungsansatz mit der nun gebo-tenen Einzelfallprüfung führt gegenüberdem gewohnten „alten“ Formalverbot einer -seits zu einer Liberalisierung. Gleichzeitigliegt aber die Verantwortung dafür, ob sichdie Geschäftspraktik noch innerhalb der zu-lässigen Grenzen bewegt, verstärkt beimwerbenden Unternehmer. Daraus folgt: DerJudikatur kommt sohin verstärkt Klarstel-lungsfunktion zu, soweit Sachverhalte an dieGerichte herangetragen werden.

a. Änderung der Rechtsprechung zu kopf-lastigen Vorspannangeboten/Gleichbehand -lung von Zugaben und Vorspannangebo-ten, 4 Ob 129/13vNach alter – auch nach der UWG-Novelle2007 fortgeführter – gefestigter Rechtspre-chung war die Koppelung einer preisgünsti-gen Nebenware mit dem Erwerb der Haupt-

Wertreklame – Spannungsbogen zwischen grundsätzlicher Zulässigkeit und (Irreführungs)Verbot im EinzelfallAufgrund der aktuellen Entwicklungen wie der Liberalisierung im Zugabenbereich

ist Wertreklame in einem wesentlich größeren Ausmaß zulässig als noch vor einigen Jahren.

Gerade deshalb ist hier nun verstärkt zu prüfen, ob bei der einzelnen Ankündigung nicht

insbesondere gegen das allgemeine Verbot der Irreführung verstoßen wird.

Wettbewerbskommentar

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DR. MARCELLA PRUNBAUER-GLASERRechtsanwältin in Wien

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ware dann – und zwar auch ohne Hinzutre-ten weiterer unlauterkeitsbegründenderUmstände, wie zB einer Irreführung – sit-tenwidrig, wenn sie geeignet war, Verbrau-cher ohne jede sachliche Prüfung, allein we-gen der Möglichkeit, den Vorspannartikel zueinem Bruchteil des üblichen Preises zu er-

werben, zum Kauf der Hauptware zu verlei-ten. die sie sonst nicht gekauft hätten4. Sit-tenwidrigkeit war anzunehmen, wenn dieErsparnis bei der Nebenware deutlich höherwar als der Preis der Hauptware5 (soge-nanntes „kopflastiges Vorspannangebot“).Auch nach der UWG-Novelle 2007 war zu-

PRUNBAUER-GLASER, Wertreklame – Spannungsbogen zwischen grundsätzlicher Zulässigkeit und (Irreführungs)Verbot im Einzelfall

Die Gratis-Zugabe eines iPhone bei Abschluss eines lang-fristigen Versicherungs-produkts wurde als zulässig beurteilt.

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nächst auf diese Rechtsprechung Bezug ge-nommen worden, wobei ausgeführt wurde,dass eine gemäß § 1a UWG aggressive Ge-schäftspraktik dann vorliegen könne, wenneine Zugabe aufgrund ihres – tatsächlichenoder angenommenen Wertes – einen so ho-hen Anlockeffekt ausübt, dass sie auch füreinen ansonsten aufmerksamen und kriti-schen Verbraucher unter Ausschaltung ra-tionaler Erwägungen zum alleinigen Grundfür den Erwerb der Hauptware würde. Allerdings hat der OGH sodann in keinem

einzigen Fall tatsächlich einen derart hohenAnlockeffekt als gegeben angesehen. So wa-ren zeitlich befristete Gratisgaben in Abhän-gigkeit zur Höhe des Einkaufswertes, zB so-gar ein Kleinwagen als Zugabe bei Einkaufum EUR 50.000,– nicht unlauter6; ebensozulässig ein hochwertiges Mobiltelefon alsZugabe bei Abschluss eines langfristigenVersicherungsproduktes7. Selbst ein Vor-spannangebot, wo der Vorspannartikel (Kü-chenhelfergeräte) unter dem Einstandspreisdes Fachhandels abgegeben wurde, warnoch als zulässig beurteilt worden, da wegeneiner Ersparnis von bloß EUR 20,–, wenn die„Treuepunkte“ überdies durch mehrere Ein-käufe „verdient“ werden mussten, von einersolchen gänzlichen Ausschaltung rationalerErwägungen beim Kaufentschluss nach Auf-fassung des OGH keine Rede sein konnte8.Jüngst hat der OGH den sich seit der Än-

derung der Rechtslage zu Zugaben abzeich-nenden (notwendigen) Gleichklang zwi-schen der Beurteilung von Zugaben undVorspannangeboten in seiner grundlegen-den Richtungsentscheidung 4 Ob 129/13vvom 22.10.2013, die gleichzeitig eine Abkehrvon der bisherigen Beurteilung von kopflas-tigen Vorspannangeboten beinhaltet, fest-geschrieben. Zu beurteilen war die Koppelung eines

EUR 3,– Gutscheins zum verbilligten Erwerbeiner „Edition“ von Tonträgern mit musika-lischen Inhalten mit dem Kauf einer Zeitungum EUR 1,–. Durch den Gutschein lag derGesamtpreis von Haupt- und Nebenwaredeutlich, nämlich um ein Viertel, unter dem

Preis der Nebenware; die Ersparnis bei derNebenware betrug das Dreifache des Preisesder Hauptware. Es war daher denkbar – undwäre objektiv aus Sicht desjenigen Verbrau-chers, der den Tonträger möchte, ein sogarin hohem Maße rationales Verhalten – dasser die Zeitung, allenfalls auch mehrereExemplare, nur deshalb kauft, um einenoder mehrere der Tonträger billiger zu be-kommen. Dabei ist unerheblich, ob er sichfür den Inhalt der Zeitung (Hauptware) in-teressiert oder sie allenfalls ungelesen weg-wirft. Als irrational könnte man das Verhal-ten nur bezeichnen, wenn man ausschließ-lich den Erwerb der Zeitung betrachtet, fallsdiese sofort weggeworfen würde. Allerdings– so der OGH – hätte eine solche isolierte Be-trachtung mit der Realität der geschäftlichenEntscheidung, die sich auf beide Waren be-zieht, also auf das „Gesamtpaket“, nichts zutun. Die jüngere Rechtsprechung zeige viel-

mehr, dass Zugaben und Vorspannangebotegrundsätzlich gleich zu behandeln sind. Ag-gressivität, also „Belästigung, Nötigung, ein-schließlich Anwendung körperlicher Ge-walt“ gemäß § 1a UWG scheiden bei einem„nur“ überaus günstigen Vorspannangebotjedenfalls aus. Auch eine „unzulässige Be-einflussung“ im Sinne einer gegenüber demVerbraucher bestehenden Machtposition istdarin für sich genommen nicht zu erken-nen.

Die allein mit Wertrelationen begründeteRechtsprechung zur Unzulässigkeit vonVorspannangeboten kann daher nichtmehr aufrechterhalten werden. Eine denPreis der Hauptware übersteigende Erspar-nis bei einer Nebenware ist ohne Hinzutre-ten besonderer Umstände (Irreführung,Drucksituation, Missbrauch einer marktbe-herrschenden Stellung, Behinderungswett-bewerb) nicht für sich genommen geeignet,die Rationalität des Verbraucherverhaltensauszuschließen.

b. Verbotene Zugabe durch irreführendeGewinnspielankündigung, 4 Ob 149/13k

6 Recht und Wettbewerb

Wettbewerbskommentar

Dass die Ersparnis beider Nebenware höherist als der Preis derHauptware (sog. kopf-lastiges Vorspannange-bot), ist laut OGH fürsich allein nicht mehrals unlauter anzusehen.

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Wegen der Systematik der Richtlinie überunlautere Geschäftspraktiken und des ab-schließenden Charakters der Anhangsver-botsliste zum UWG kann – siehe auch oben– die Ankündigung von Zugaben nur mehrdann verboten werden, wenn entweder einTatbestand des Anhangs zum UWG erfülltist oder die konkrete Ankündigung irrefüh-rend, aggressiv oder sonst unlauter ist. DieKoppelung des Warenbezugs mit einem Ge-winnspiel bzw die Einräumung der Teilnah-memöglichkeit an einem Gewinnspiel alsZugabe ist für sich genommen nicht verbo-ten9.Ein Tatbestand der Z 19 des Anhangs (An-

bieten von Preisausschreiben, ohne dass diebeschriebenen Preise vergeben werden)oder nach Z 31 (Erwecken des unrichtigenEindrucks, der Verbraucher werde einenPreis zwar gewinnen, obwohl es in Wirklich-keit keinen Preis gibt) ist dann nicht ver-wirklicht, wenn im Rahmen des angekün-digten Gewinnspiels der Preis zwar theore-tisch, wenn auch nur mit äußerst geringerWahrscheinlichkeit (– hier nach den Fest-stellungen mit einer Wahrscheinlichkeit von0,000000X%! –) tatsächlich gewonnen wer-den kann.Allerdings erwartet der maßgebliche

Durch schnittsverbraucher im Fall der An-kündigung eines Gewinnspiels, dass derausgelobte Preis jedenfalls einem Teilneh-mer des Spiels zukommt, wobei er hoffenwird, dass er selbst der Glückliche sein wird.Der Verbraucher wird in dieser Erwartungund über die Werthaltigkeit des gekoppel-ten Gewinnspiels getäuscht, wenn ihm ver-schwiegen wird, dass nach den Regeln desGewinnspiels der ausgelobte Gewinn mit anSicherheit grenzender Wahrscheinlichkeitgar nicht vergeben wird, weil bereits vor Be-ginn der Auslosung feststeht, dass so gut wiesicher kein Teilnehmer die Gewinnspielbe-dingungen erfüllen wird.Zu den weiteren Details des konkreten

Sachverhaltes und der Entscheidung kannauf den gesonderten Beitrag in dieser Aus-gabe von RuW (S. 19) verwiesen werden.

III. RESÜMEE UND AUSBLICK:Die Wogen der großen Erschütterung desösterreichischen Zugabenrechts nach demUrteil des EuGH vom 9.1.2010, C-540/08–Fußballer des Jahres flauen langsam ab, ha-ben jedoch noch einmal durch konsequenteFortführung der jüngeren Rechtsprechungeine grundlegende Änderung bei der Beur-teilung von Vorspannangeboten bewirkt. Die Richtungspflöcke der Rechtspre-

chung zeigen bislang zwei Tendenzen:Wenngleich zwar weiterhin theoretisch dieVerlockung durch Wertreklame unlautersein kann, sollte sie durch übertriebene An-reizeffekte in einem besonders gestaltetenFall die „rationale Entscheidung“ des Ver-brauchers vollkommen ausschließen, wirdselbst ein überaus günstiges Vorspannange-bot und jedenfalls die bloße Wertrelation al-lein für sich genommen künftig ohne Hin-zutreten weiterer besonderer Umstände, wiez. B. Druckausübung oder allenfalls ein kar-tellrechtlicher Marktmachtmissbrauch, dieWerbemaßnahme nicht unzulässig machen.Die Rechtsprechung räumt hier einen sehrweiten Spielraum ein und unterstellt, dassbei einem informierten Verbraucher, dereine situationsadäquate Aufmerksamkeitaufwendet, ein „Ausschalten der Rationali-tät“ praktisch keine Rolle mehr spielendürfte. Ob diese Annahme bei besonders at-traktiven Zugaben oder Vorspannartikel derRealität entspricht, mag nach den Erfahrun-gen der Praxis allerdings bezweifelt werden. Anders hingegen und mit Recht weiterhin

streng werden Wertreklamemethoden beur-teilt, welche mit Irreführungseignung ver-bunden sind. Der Richtlinie über unlautereGeschäftspraktiken (RL-UGP) liegt insbe-sondere der Schutz der richtig, auch voll-ständig informierten Kaufentscheidung zu-grunde. Damit werden zukünftig Zugabe-und Vorspannwerbungen verstärkt unterdem Aspekt der Irreführung zu prüfen sein.Die Verantwortung der klaren Kommunika-tion liegt beim Werbenden. Für einen po-tentiellen Kläger ist allerdings die ihn tref-fende Beweislast zu berücksichtigen.

Nummer 183 Juni 2014 60. Jahrgang 7

PRUNBAUER-GLASER, Wertreklame – Spannungsbogen zwischen grundsätzlicher Zulässigkeit und (Irreführungs)Verbot im Einzelfall

1 Vergleiche M. Prunbauer-Glaser, Das Zugabenverbot– was gilt aktuell?, RuW2012/179 mwN und M.Prunbauer-Glaser, Zugabenund Koppelungsangebote –wie weit geht die Liberali-sierung durch die Recht-sprechung?, RuW2011/177, mwN.

2 4 Ob 154/09p – Fußballerdes Jahres; 4 Ob 162/11v;RIS-Justiz RS0127299.

3 Art 3 des Kartell- und Wett-bewerbsrechtsänderungsG2012 BGBl I 2013/13.

4 4 Ob 47/93= ÖBl1993,73 – Badezimmer -radio.

5 Vgl 4 Ob 227/98f – Pkw-Jahresvignette.

6 4 Ob 38/11h – Jubiläums-geschenke

7 4 Ob 100/13d – iPhone.8 4 Ob 43/11w – Treue-

punkteaktion II; vgl auch 4Ob 36/11i – Gesundheits-bibliothek.

9 RIS-Justiz RS0126589.

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8 Recht und Wettbewerb

Wettbewerbsrecht aktuell

Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sindoft eine wesentliche Grundlage für den Er-folg eines Unternehmens im wirtschaftli-chen Wettbewerb. Vertrauliche und unveröf-fentlichte technische und kommerzielle In-formationen unterschiedlichster Art bedeu-ten wertvolles Betriebsvermögen und es be-steht großes Interesse daran, diese geheimzu halten und vor unbefugter Verwertung zuschützen. Unternehmerisches Know-howkann häufig nicht durch gewerblicheSchutzrechte (Marke, Patent, Geschmacks-muster, Gebrauchsmuster) abgesichert wer-den bzw wird in vielen Fällen von den Un-ternehmen bewusst auf eine Anmeldungverzichtet, um nicht geheime Informationenoffenbaren zu müssen (vgl dazu Kucsko, ZurHarmonisierung des Geheimnisschutzes,ecolex 2014, 253). Eine besondere Bedeu-tung kommt dem rechtlichen Schutz vonGeschäftsgeheimnissen auch bei For-schungs- und Entwicklungskooperationenzu, wenn geheime Produktinformationenausgetauscht werden, die in der Folge in un-lauterer Weise verwendet werden können.Der Richtlinienentwurf der Kommission

vom 28.11.2013, COM (2013) 813 final, ab-rufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX:52013PC0813,enthält Regeln für den Schutz von Ge-schäftsgeheimnissen vor rechtswidrigemErwerb, Nutzung und Offenlegung. Auf derBasis des TRIPS-Abkommen aus dem Jahr1994 (Abkommen über handelsbezogeneAspekte der Rechte des Geistigen Eigen-tums), dessen Art 39 einen allgemeinen

Schutz für „nicht offengelegte Informatio-nen“ vorsieht, soll EU-weit ein rechtlicherMindeststandard geschaffen werden, derstrengere Regeln in den einzelnen Mitglied-staaten unberührt lässt. Derzeit ist derrechtliche Schutz von nicht veröffentlichtemKnow-how und anderen vertraulichen Ge-schäftsinformationen in den Ländern derEuropäischen Union uneinheitlich und oftnur bruchstückhaft im Rahmen unter-schiedlicher Rechtsmaterien geregelt bzwfehlen in manchen Staaten entsprechendeVorschriften nahezu überhaupt. Dieses un-terschiedliche Schutzniveau ist nach An-sicht der Kommission besonders bei inno-vativen, grenzüberschreitenden Kooperatio-nen ein Hindernis. Gerade auch für kleineund mittlere Unternehmen, in denen Pro-duktentwicklungen meist schrittweise erfol-gen, ist es von besonderer Bedeutung, dassdie unbefugte Verwertung vertraulicher Da-ten und Unternehmensinformationen, dienicht oder noch nicht durch gewerblicheSchutzrechte gesichert sind, EU-weit ange-messen sanktioniert ist. Der Richtlinienvorschlag, der aktuell im

Rat der Europäischen Union und im EU-Parlament behandelt wird, sieht eine ge-meinsame Begriffsbestimmung des „Ge-schäftsgeheimnisses“ vor, welche drei Elemente umfasst: Die Information mussvertraulich sein, sie muss aufgrund ihrerVertraulichkeit von kommerziellem Wertsein und der Inhaber des Geheimnissesmuss angemessene Anstrengungen zur Ge-heimhaltung der Information unternehmen

Geplante EU-Richtlinie zum Schutz von GeschäftsgeheimnissenDie Europäische Kommission hat den Entwurf für eine Richtlinie

vorgelegt, die zu einem einheitlichen Mindestrechtsschutz von

Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen in allen Mitgliedstaaten führen soll.

DR. RAINER TAHEDL,em. RA, Jurist im Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb

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Nummer 183 Juni 2014 60. Jahrgang 9

TAHEDL, Geplante EU-Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen

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bzw unternommen haben. Nicht nur tech-nische Informationen, wie Verarbeitungs-prozesse, Rezepturen oder Konstruktions-zeichnungen, sondern auch wirtschaftlicheInformationen, wie Kundenkarteien, Ein-kaufskonditionen oder Ergebnisse von Mar-ketingstudien, sollen vom Schutzumfangder Richtlinie erfasst sein. Als zentrale Bestimmung soll normiert

werden, wann bzw durch welche Handlun-gen ein Erwerb von Geschäftsgeheimnissenals rechtswidrig anzusehen ist. Entschei-dendes Kriterium für die Rechtswidrigkeitentsprechender Handlungen sowie für dieunbefugte Nutzung oder Offenlegung einesGeschäftsgeheimnisses soll grundsätzlichdas Fehlen der Zustimmung des Inhabersdes Geschäftsgeheimnisses sein. Als Hand-lungen genannt werden die unbefugte An-fertigung von Kopien vertraulicher Doku-mente oder elektronischer Dateien, der Er-werb geheimer Informationen durch Dieb-stahl, Betrug, Bestechung, sowie – quasi alsGeneralklausel – jedes sonstige Verhalten,das „unter den jeweiligen Umständen alsmit einer seriösen Geschäftspraxis nicht ver-einbar gilt“ (die genaue Formulierung istnoch Gegenstand der Beratungen, vgl denÄnderungsvorschlag des Rates dazu vom5.3.2014, 7039/1/14, abrufbar unterhttp://www.parlament.gv.at/PAKT/EU/XXV/EU/01/50/EU_15078/imfname_10445105.pdf – bis dato nur englisch). Rechtswidrigsoll auch die Nutzung eines Geschäftsge-heimnisses durch einen Dritten sein, dernicht unmittelbar am ursprünglichenrechtswidrigen Erwerb bzw der rechtswidri-gen Nutzung oder Offenlegung beteiligt war,sofern diesem bewusst ist oder bewusst seinmuss, dass hier eine unrechtmäßige Hand-lung vorausgegangen ist. Der vorliegendeTextentwurf enthält allerdings auch ein-schränkende Ausschlusstatbestände, bei de-ren Vorliegen kein rechtswidriger Erwerb ei-nes Geschäftsgeheimnisses vorliegt, wieetwa beim reverse engineering, also der Re-konstruktion bzw Analyse eines – rechtmä-ßig erlangten – Produkts. Kein Anspruch auf

Rechtsschutz soll auch dann bestehen,wenn etwa der Erwerb oder die Nutzung desGeschäftsgeheimnisses einer legitimenWahrnehmung des Rechts auf Meinungsäu-ßerung und Informationsfreiheit dienteoder zur Aufdeckung eines ordnungswidri-gen Verhaltens, einer strafbaren Handlungoder einer illegalen Tätigkeit erforderlichwar.Die Kommission legt in ihrem Entwurf

besonderes Augenmerk auf eine wirksameRechtsdurchsetzung. Die Mitgliedstaatensollen verpflichtet werden, geeignete Maß-nahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe vor-zusehen, die erforderlich sind, um den zivil-rechtlichen Schutz von Geschäftsgeheim-nissen zu gewährleisten. Dazu zählen die Si-cherstellung einer effektiven Durchset-zungsmöglichkeit von Unterlassungs-,Schadenersatz- und Vernichtungsansprü-chen. Überdies sollen die zuständigen Jus-tizbehörden auf Antrag des Inhabers des Ge-schäftsgeheimnisses berechtigt sein, vor-läufige bzw vorbeugende Maßnahmen zuverhängen. Der Entwurf spricht auch dieWahrung der Vertraulichkeit von Geschäfts-geheimnissen im Verlauf von Gerichtsver-fahren an und trägt den Mitgliedstaaten auf,entsprechende geheimnisschutzwahrendeVorkehrungen auf Gesetzesebene zu treffen. In Österreich ist die Verletzung von Ge-

schäfts- und Betriebsgeheimnissen als straf-rechtliches Privatanklagedelikt (Verfolgungnur auf Verlangen des Verletzten) in § 11UWG sanktioniert (siehe auch §§ 122 ffStGB). Strafbar macht sich nach dieser Be-stimmung, wer als Bediensteter eines Un-ternehmens Geschäfts- oder Betriebsge-heimnisse, die ihm im Rahmen des Dienst-verhältnisses anvertraut oder sonst zugäng-lich geworden sind, während der Geltungs-dauer des Dienstverhältnisses unbefugt an-deren zu Zwecken des Wettbewerbes mitteilt(Abs 1; das Gesetz sieht hier eine Freiheits-strafe bis zu drei Monaten bzw eine Geld-strafe bis zu 180 Tagessätzen vor). Die glei-che Strafe trifft den, der Geschäfts- oder Be-triebsgeheimnisse, deren Kenntnis er durch

10 Recht und Wettbewerb

Wettbewerbsrecht aktuell

Dieser Vorschlag einerEU-Richtlinie will einheitlich für alle Mitgliedstaaten einenMindeststandard fürden rechtlichen Schutzvon Geschäftsgeheim-nissen festlegen.

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TAHEDL, Geplante EU-Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen

eine solche Mitteilung oder durch eine ei-gene gesetz- oder sittenwidrige Handlungerlangt hat, zu Zwecken des Wettbewerbesunbefugt verwertet oder anderen mitteilt(Abs 2). Die Bestimmung enthält keine Definition,

was unter einem Geschäfts- und Betriebs-geheimnis zu verstehen ist. In der Judikaturwurden als Geschäftsgeheimnisse angese-hen etwa Musterkollektionen, Lieferange-bote, Geschäftsbriefe über die Preisbemes-sung, Kundenlisten mit Zusatzinformatio-nen (nicht hingegen der Kundenkreis alssolcher), als Betriebsgeheimnisse warenetwa Produktionsverfahren und Konstrukti-onszeichnungen verfahrensgegenständlich(siehe Wiltschek, UWG7 § 11 E 10ff). Der Tat-bestand des § 11 UWG bezieht sich nach derRechtsprechung auch auf typische Fälle derFörderung fremden Wettbewerbs, sodassetwa die Weitergabe von vertraulichen In-formationen an einen von mehreren Bieternin einem Vergabeverfahren durch einen Mit-arbeiter der vergebenden Stelle als Verstoßgegen § 11 UWG gewertet wurde (OGH28.08.2012, 12 Os 38/12y – Schnellstraße). Weiters macht sich nach § 12 UWG straf-

bar, wer die ihm im geschäftlichen Verkehranvertrauten Vorlagen oder Vorschriftentechnischer Art zu Zwecken des Wettbe-werbs unbefugt verwertet oder anderen mit-teilt. Unter „Vorlagen und Vorschriften tech-nischer Art“ wird dabei alles verstanden,was bei der Herstellung von Wirtschaftsgü-tern als Vorbild dienen soll, sowie jede An-weisung über technische Vorgänge (ständigeRechtsprechung, vgl nur OGH 28.7.1964, 4Ob 323/64 – Mehrzwecksilo). Ebenso wie §11 UWG setzt auch diese Bestimmung vo-raus, dass (noch) ein Geheimhaltungsinte-resse an den geschützten Informationen be-steht, sodass der Schutz gegen den Vorla-genmissbrauch dann endet, wenn die be-treffenden technischen Zeichnungen, Mo-delle, Schablonen oder Anweisungen allge-mein bekannt geworden sind (vgl Thiele inWiebe/Kodek, UWG2 § 12 Rz 20, mit Nach-weisen aus der Judikatur). Praktisch bedeut-

samer als diese strafrechtliche Sanktionie-rung sind jedoch die zivilrechtlichen An-sprüche des Verletzten, der gemäß § 13UWG Unterlassung und Schadenersatz be-gehren kann.Die unlautere Erlangung und Verwertung

von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissenund vertraulichen Unterlagen kann darüberhinaus auch ein Verstoß gegen die General-klausel des § 1 UWG sein, und zwar sowohlunter dem Gesichtspunkt einer unlauterenAusbeutung als auch nach den Fallgruppendes Rechtsbruchs und der Behinderung. Inder Rechtsprechung dazu wurde der Begriffder Geschäfts- und Betriebsgeheimnissesehr weit definiert und als jede in Beziehungzum Betrieb eines Unternehmens stehendeTatsache oder Vorgang verstanden, die fürdessen Wettbewerbsfähigkeit von Bedeu-tung ist; sie darf außerdem nicht offenkun-dig sein, sondern nur einem eng begrenz-ten, im Wesentlichen geschlossenen Perso-nenkreis bekannt sein, dem diese Kenntnisnach der Natur des Geschäftsbetriebs nichtverwehrt werden kann, und sie soll nachdem Willen des Betriebsinhabers geheim ge-halten werden und ein berechtigtes wirt-schaftliches Interesse daran vorhanden sein(Wiebe in Wiebe/Kodek, UWG2 § 1 Rz 639, mitzahlreichen Nachweisen aus der Judikatur).Nach dem Inkrafttreten der Richtlinie

werden voraussichtlich Anpassungen imUWG notwendig werden. Der Entwurf istwohl noch längere Zeit in Begutachtung undvieles ist noch in Diskussion, wie die jüngs-ten Abänderungsvorschläge des EU-Ratesbelegen. Für die Praxis von Bedeutung wirdauch sein, wie die Regelungen für die recht-liche Durchsetzung der Ansprüche formu-liert werden, etwa hinsichtlich der Frage desnotwendigen Beweises einer Rechtsverlet-zung oder zum Schutz des gegenständlichenGeschäftsgeheimnisses im Rahmen des Ver-fahrens. Insgesamt ist die Initiative der EU-Kommission jedenfalls zu begrüßen und alswichtige Konkretisierung des lauterkeits-rechtlichen Schutzes von Geschäfts- undBetriebsgeheimnissen anzusehen.

Die Bestimmungen überdie Verletzung von Ge-schäftsgeheimnissen inden §§ 11 und 12 UWGwerden gegebenenfallsden Richtlinienvorga-ben entsprechend anzupassen sein.

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1. AUSGANGSLAGE UND VORLAGEFRAGENUPC Telekabel GmbH beantragte gegenConstantin Film Verleih GmbH und WegaFilmproduktionsgesellschaft GmbH aufGrundlage von § 81 Abs 1a UrhG eine einst-weilige Verfügung, mit welcher den beklag-ten Parteien verboten werden sollte, ihreKunden im Internet den Zugang zur Websitekino.to zu vermitteln, wenn den Kunden dieFilmwerke „Wickie und die starken Män-ner“, und/oder „Pandorum“ oder „Dasweiße Band“ ganz oder in Ausschnitten zurVerfügung gestellt werden. Das Erstgerichtuntersagte die Vermittlung des Zugangs zukino.to unter Namhaftmachung konkreterMaßnahmen (Domain Name System [DNS]-Sperre und Internet Protocol [IP]-Blockade).Das Oberlandesgericht Wien änderte denBeschluss des Erstgerichtes insoweit ab,dass der Beklagten nur generell untersagtwerden konnte, ihren Kunden den Zugangzu kino.to zu vermitteln. UPC könnte dahernur ein Erfolgsverbot auferlegt werden,nicht aber die konkreten Maßnahmen zurRealisierung dieses Erfolgs. Die Frage derMöglichkeit und Zumutbarkeit konkreterMaßnahmen sei nach dem OLG in einemallfälligen Exekutionsverfahren zu prüfen.Gegen diese Entscheidung richtete sich derRevisionsrekurs der UPC, welchen der OGH(OGH 11. 5. 2012, 4 Ob 6/12d, kino.to/UPC.)zum Anlass genommen hat, eine Klarstel-

lung der Verpflichtung von Access-Providernzur Sperre von Websites mit rechtswidrigenInhalten zu erreichen.Im Zentrum des Vorlageverfahrens steht

die Auslegung des Art 8 Abs 3 der InfoRL, derbesagt, dass die Mitgliedstaaten sicherzu-stellen haben, dass die Rechtsinhaber ge-richtliche Anordnungen gegen Vermittlerbeantragen können, deren Dienste von ei-nem Dritten zur Verletzung eines Urheber-rechts oder verwandter Schutzrechte ge-nutzt werden. Die erste Frage des OGH zieltedarauf ab, ob auch ein Access-Provider, derlediglich seinen Kunden den Zugang zumInternet verschafft, überhaupt als Vermittlerim Sinne des Art 8 Abs 3 InfoRL in Fragekommt. Sollte diese Frage verneint werden,stellte der OGH als zweite Frage, ob eine Ver-vielfältigung zum privaten Gebrauch (beimDownload) bzw eine flüchtige und beglei-tende Vervielfältigung (beim Streaming) vo-raussetzt, dass das Angebot rechtmäßig zu-gänglich gemacht wurde. Wenn Frage 1 oder2 bejaht würden, war die dritte Frage, ob dieAnordnung eines generellen Verbots (alsoohne Anordnung konkreter Maßnahmen) inBezug auf die Ermöglichung des Zugangs zueiner Website, auf der Inhalte ohne Zustim-mung des Rechteinhabers zugänglich sind,zulässig sei. Soweit dem Provider hingegenkonkrete Maßnahmen aufzutragen sind,stellte sich als vierte Frage, ob Maßnahmen

12 Recht und Wettbewerb

Wettbewerbsrecht aktuell

Access-Provider können zu „Website-Sperren“ verpflichtet werdenDer EuGH hat in einem Aufsehen erregenden Urteil (EuGH 27.3.2014, Rs C-314/12,

UPC Telekabel) bestätigt, dass Sperren zu bestimmten Websites mit rechtswidrig zugänglich

gemachten Inhalten vom Access-Provider grundsätzlich verlangt werden können. Die konkrete

Ausgestaltung solcher „Blockaden“ ist nicht gerichtlich anzuordnen, sondern wird dem Access-

Provider überlassen. Das Urteil des EuGH stieß bei Internetanbietern wohl nicht nur wegen der

ihnen damit auferlegten Bürde naturgemäß auf Unverständnis; doch auch für die Kreativindustrie

scheint es nur ein Teilerfolg auf dem Weg zur gewünschten Rechtssicherheit im Internet zu sein.

Fotostud

io M

aurizio Maier

DR. SONJA DÜRAGERbpv Hügel Rechtsanwälte

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zulässig seien, die einen nicht unbeträchtli-chen Aufwand erfordern, hingegen leichtumgangen werden könnten.

2. ANTWORTEN AUF ZWEI DIESER FRAGENDie erste Frage, bei der es letztlich darumgeht, ob der unmittelbar Täter der Urheber-rechtsverletzung nicht nur die Dienste seinesProviders, sondern auch jene des Providers

desjenigen nutzt, welcher die rechtswidrigzugänglich gemachten Inhalte konsumiert,hat der EuGH bejaht. Er begründet dies da-mit, dass Art 8 Abs 3 InfoRL so zu verstehensei, dass Vermittler jede Person ist, welche dieRechtsverletzung eines Dritten in Bezug aufein geschütztes Werk in einem Netz über-trägt. Durch die Gewährung des Zugangszum Netz mache der Anbieter von Internet-zugangsdiensten die rechtverletzende Über-

Nummer 183 Juni 2014 60. Jahrgang 13

DÜRAGER, Access-Provider können zu „Website-Sperren“ verpflichtet werden

Foto: Spiegel Online

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tragung erst möglich, weshalb der mit derRichtlinie angestrebte Schutz der Rechtsin-haber die Einbeziehung der Access-Providerverlangen würde. Ein Nachweis, wonachKunden des Anbieters tatsächlich auf der be-treffenden Website auf solche rechtswidrigenInhalte zugegriffen haben, sei im Sinne derRichtlinie nicht erforderlich, weil – unter Ver-weis auf die Entscheidung Scarlet Extended(EuGH 24.11.2011, Rs C-70/10) – nicht nurVerstöße gegen das Urheberrecht abgestellt,sondern auch solchen Verstößen vorgebeugtwerden sollte. Anzumerken ist dazu, dassauch der OGH im Vorlagebeschluss den Ac-cess-Provider als Vermittler im Sinne des Art8 Abs 3 InfoRL angesehen hat, im Wesentli-chen mit der Begründung, dass das Zugäng-lichmachen geschützter Inhalte erst wirt-schaftlich relevant sei, wenn andere Inter-netnutzer darauf zugreifen könnten. Ohnedie Dienste der Access-Provider könnte derRechtsverletzer daher keine wirtschaftlichenVorteile erzielen, weshalb er die Dienste zu-mindest mittelbar nutze.Bezüglich der dritten Frage – auf die

zweite Frage war wegen Bejahung der erstenFrage vom EuGH nicht einzugehen – bestä-tigt der EuGH, dass eine gerichtliche Anord-nung, mit welcher einem Access-Providerverboten wird, den Zugang zu einer be-stimmten Website mit rechtsverletzendenInhalten zu ermöglichen, ohne die zu er-greifenden Maßnahmen im Einzelnen zudeterminieren, im Einklang mit Unionsrechtstünde. In diesem Punkt unterscheidet sichder EuGH vom Generalanwalt Villalón, derdie Zulässigkeit eines derartigen Erfolgsver-bots verneint hatte. So sei es seiner Meinungnach mit der erforderlichen Abwägung zwi-schen den Grundrechten der Beteiligtennicht vereinbar, einem Provider ohne An-ordnung konkreter Maßnahmen zu verbie-ten, seinen Kunden den Zugang zu einer be-stimmten Website zu ermöglichen. Dieswürde auch dann gelten, wenn der ProviderBeugestrafen wegen Verletzung dieses Ver-bots durch den Nachweis abwenden könnte,dass er alle zumutbaren Maßnahmen zur

Erfüllung des Verbots getroffen habe(Schlussanträge vom 26. 11. 2013, Rz 90). Zuderselben Rechtsauffassung war auch derOGH gelangt, der im Vorlagebeschlusskundgetan hat, dass eine bloß nachträglichePrüfung der konkreten Maßnahmen im Voll-streckungsverfahren den Anforderungendes Unionsrechts nicht genüge tun würde,da die mit den zunächst durch den Providereigenverantwortlich vorgenommenen Maß-nahmen verbundene Rechtsunsicherheit füralle Beteiligten unzumutbar sei.Der EuGH ging allerdings, wie oben er-

wähnt, in anderer Rechtsansicht davon aus,dass die bloß generelle Anordnung der Blo-ckade des Zugriffs auf eine bestimmte Web-site unionsrechtskonform sei. Dies nur un-ter der Voraussetzung, dass der AnbieterBeugestrafen wegen eines Verstoßes gegendie Anordnung abwenden kann, indem erim Vollstreckungsverfahren nachweist, dasser alle zumutbaren Maßnahmen gesetzt hat.Der EuGH argumentierte mit dem Schutzder unternehmerischen Freiheit (Art 16Charta der Grundrechte der EU), da die Auf-erlegung bestimmter Maßnahmen unterUmständen mit erheblichen Kosten für denProvider verbunden wäre und allenfallsseine Ressourcen und technischen Möglich-keiten nicht berücksichtigen würde. DerEuGH überlässt damit die Entscheidungüber die technische Lösung für die Sperredem Provider. Dem Access-Provider soll al-lerdings offenbar auch die Aufgabe der Ab-wägung der Wechselwirkungen der durchdie Maßnahmen tangierten Grundrechteübertragen werden. So stellt der EuGH fest,dass die vom Anbieter ergriffenen Maßnah-men dazu dienen müssen, „der Verletzungdes Urheberrechts oder eines verwandtenSchutzrechts durch einen Dritten ein Endezu setzen, ohne dass Internetnutzer, die dieDienste dieses Anbieters in Anspruch neh-men, um rechtmäßig Zugang zu Informatio-nen zu erlangen, dadurch beeinträchtigtwerden“ (EuGH, Rz 56).Zu vermissen sind im Urteil, da auf die

vierte Vorlagefrage des OGH nicht einge-

14 Recht und Wettbewerb

Wettbewerbsrecht aktuell

Laut EuGH kann grund-sätzlich auch von Access-Providern dieSperre bestimmterWebsites mit rechts-widrig zugänglich gemachten Inhaltenverlangt werden.

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gangen werden musste, Beispiele für kon-krete Maßnahmen bzw Leitlinien zur Beur-teilung, welche Maßnahmen diese vom Pro-vider wahrzunehmenden Anforderungenerfüllen.

3. ANMERKUNGEN ZUM URTEILDer Tenor der Entscheidung ist daher, dasszwar Internetanbieter grundsätzlich dazuverpflichtet werden können, den Zugang zubestimmten Websites mit rechtsverletzen-den Inhalten zu unterbinden, allerdings ei-genverantwortlich unter Abwägung der kon-fligierenden Grundrechte (Schutz des Geis-tigen Eigentums, unternehmerische Freiheitund Informationsfreiheit) die dafür erfor-derlichen technischen Maßnahmen ent-scheiden müssen. Offen bleibt, welche Maß-nahmen von Providern zu treffen sind, umden Zugriff zu einer Website mit (unter an-derem) ohne Zustimmung des Urhebers zu-gänglich gemachten Inhalten zu blockieren.An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dassder EuGH die vom OGH in diesem Zusam-menhang unter Punkt 3.3. seiner Entschei-dung relevierte Problematik, dass eine ge-nerelle Sperre auch rechtmäßig zugänglichgemachte Inhalte betrifft, geflissentlichübergeht. Entschieden hat der EuGH bereitsin einem früheren Urteil, dass es unzulässigwäre, einem Access-Provider die Einführungeines Filtersystems aufzuerlegen, das vomAccess-Provider verlangt, den Datenverkehrseiner sämtlichen Kunden zu überwachen,im weiteren zu ermitteln, wer Daten aus-tauscht, und welche Kunden mutmaßlichUrheberrechte verletzen, sowie in letzterKonsequenz den als unzulässig eingestuftenAustausch von Dateien zu blockieren (EuGH24. 11. 2011, C-70/10, Scarlet Extended). Eskönnen daher allenfalls weniger eingrei-fende Maßnahmen in Frage kommen, wel-che derzeit – auch nach Meinung des OGH –

etwa die Sperre der Domain des Anbietersauf dem DNS-Server und die Sperre der IP-Adressen der betroffenen Website sind.Diese bergen allerdings beide auch ein hö-heres Risiko der Sperre legaler Inhalte insich1, was mit der Informationsfreiheit kolli-dieren würde. Wie daher die Informations-freiheit bei gleichzeitiger Gefahr der Sperrevon rechtmäßig zugänglich gemachtemContent gewahrt werden soll, bleibt weiter-hin unklar.Die Bedenken des OGH bezüglich der

obengenannten Maßnahmen, dass dieseaufgrund ihrer Umgehungsmöglichkeitnicht geeignet wären, den angemessenenAusgleich zwischen den Grundrechten derBeteiligten herbeizuführen, vermag derEuGH mit der Konstatierung zu zerstreuen,dass die unerlaubten Zugriffe auf dieSchutzgegenstände verhindert oder zumin-dest erschwert werden müssen und auchwenn die Maßnahmen „nicht geeignet seinsollten, die Verletzung des Rechts des geisti-gen Eigentums gegebenenfalls vollständigabzustellen, sie demnach gleichwohl nichtals unvereinbar mit dem Erfordernis ange-sehen werden können, im Einklang mit Art52 Abs 1 letzter Satz der Charta ein ange-messenes Gleichgewicht zwischen allen an-wendbaren Grundrechten herzustellen“(EuGH, Rz 63). Offen bleibt, wo die Grenzezu ziehen ist, zwischen einer gerade noch alswirkungsvoll bezeichneten Sperre, obgleichdiese theoretisch vom nicht nur technischversierten Nutzer umgangen werden kann,und einer nicht mehr verhältnismäßigenweil wirkungslosen Maßnahme. Es liegt nun wieder an den nationalen Ge-

richten Rechtssicherheit dahin zu schaffen,welche Sperrmaßnahmen unter Abwägungder Grundrechte bei Berücksichtigung derVerhältnismäßigkeit und Angemessenheitvom Access-Provider tatsächlich zu setzensind.

Nummer 183 Juni 2014 60. Jahrgang 15

DÜRAGER, Access-Provider können zu „Website-Sperren“ verpflichtet werden

1 Vgl zu den technischen Wirkungen diverser Sperrmethoden: Heidinger, Die zivilrechtliche Inanspruchnahme von Access-Providernauf Sperre urheberrechtsverletzender Webseiten, ÖBl 2011/37.

Offen bleibt, welcheMaßnahmen zur Sperrevon Websites von denProvidern zu treffensind. Die Sperre soll einerseits wirkungsvollsein, andererseits be-steht das Risiko einerVerletzung der Infor-mationsfreiheit, wennauch legale Inhalte gesperrt würden.

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Der Handel mit nachgeahmten und ge-fälschten Produkten ist weltweit im Steigenbegriffen. Betroffen sind alle Arten von Kon-sumgütern, wie Kleidung, Taschen, Schuhe,Uhren, Kosmetika, Kinderspielzeug, elek-tronische Artikel (insbesondere Mobiltele-fone einschließlich Teile und Zubehör), so-wie – mittlerweile als größte Produktgruppe– Arzneimittel. Jährlich werden mehr als 100Millionen Artikel, bei denen der Verdacht ei-ner Verletzung von Rechten des geistigen Ei-gentums besteht (insbesondere Marken-,Patent-, Urheberrechte, Geschmacks- undGebrauchsmusterrechte), von den Zollbe-hörden an den EU-Außengrenzen zurückge-halten. Vom österreichischen Zoll wurdenlaut dem Produktpirateriebericht 2013 desFinanzministeriums (abrufbar unterwww.bmf.gv.at/zoll/produktpiraterie) imvergangenen Jahr 1894 Sendungen aufge-griffen, wobei der Wert der dabei beschlag-nahmten 98.440 Produkte mehr als EUR 5.6Millionen (gemessen am Originalpreis) be-trug.Grundlage für das Tätigwerden der Zoll-

behörden ist dabei in fast allen Fällen einvorher gestellter Antrag (Grenzbeschlag-nahmeantrag) der jeweiligen Schutzrechts-inhaber (meist von Marken- bzw Gemein-schaftsmarken) bzw deren Lizenznehmer. Je

nach räumlichem Geltungsbereich desSchutzrechts können diese Anträge (jeweilsnur für ein Schutzrecht) von den betroffe-nen Unternehmen (bzw nunmehr auch vonVerwertungsgesellschaften und bestimmtenanderen Berufsorganisationen und Vereini-gungen) als „nationaler Antrag“ oder als„Unionsantrag“ (für mehrere Mitgliedstaa-ten bzw die gesamte Europäische Union) ge-stellt werden. Der (positive) Bescheid (sogProduktpirateriebescheid) über einen An-trag ist ein Jahr gültig und kann jeweils umein Jahr verlängert werden. Die in Österreichfür die Entgegennahme von Anträgen undderen Bearbeitung zuständige Zolldienst-stelle ist das Zollamt Klagenfurt Villach(siehe § 1 öst Produktpirateriegesetz, PPG2004 – dieses unverändert gebliebene Ge-setz enthält nur einige wenige, innerstaatli-che Verfahrensbestimmungen, weil die EU-PPV in den Mitgliedstaaten unmittelbargilt). Es ist gemäß Art 3 PPV 2014 nun jeden-falls erforderlich, dass der jeweilige Antrag-steller berechtigt ist oder vom Rechtsinha-ber förmlich ermächtigt wurde, ein Verfah-ren zur Feststellung einzuleiten, ob einRecht geistigen Eigentums verletzt ist (näherzur Antragslegitimation Donath, Die neueProduktpiraterie-Verordnung, ÖBl 2014, 57).Der Katalog der „Rechte des geistigen Ei-

gentums“, die vom Schutzumfang der Pro-duktpiraterieverordnung erfasst sind, wurdegegenüber der PPV 2004 ausgedehnt: Erfasstsind nun auch Topografien von Halbleiter-erzeugnissen und – sofern sie nach einzel-staatlichen Rechtsvorschriften oder Rechts-vorschriften der Union als ein Recht geisti-gen Eigentums geschützt sind – Handelsna-men und Gebrauchsmuster. Weiters wurde

Wettbewerbsrecht aktuell

Verstärkter Kampf gegen ProduktpiraterieMit der am 1.1.2014 in Kraft getretenen, neuen europäischen Produktpiraterieverordnung

(PPV 2014; bisher galt die PPV 2004) soll der Einfuhr von nachgeahmten und gefälschten

Produkten in die EU mit verbesserten rechtlichen Rahmenbedingungen entgegengewirkt werden.

16 Recht und Wettbewerb

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die Begriffsbestimmung der „Waren, die imVerdacht stehen, ein Recht geistigen Eigen-tums zu verletzen“ insofern erweitert, alsnun auch Vorrichtungen, Erzeugnisse oderBestandteile darunter fallen, die hauptsäch-lich zur „Umgehung von Technologien, Vor-richtungen oder Bestandteilen“ entwickeltwurden. Weiterhin vom Anwendungsbe-reich der Verordnung ausgenommen sindParallelimporte sowie Waren ohne gewerb-lichen Charakter, die im persönlichen Ge-päck von Reisenden mitgeführt werden.Schon nach der bisherigen PPV 2004

konnten die Mitgliedstaaten ein vereinfach-tes Verfahren vorsehen, nach dem beschlag-nahmte Waren mit Zustimmung des Anmel-ders (Zollanmelder gemäß Art 4 Nr 18 derEWG-VO Nr. 2913/92)/Besitzers/Eigentü-mers und des Rechtsinhabers unter Aufsichtder Zollbehörden vernichtet werden konn-ten, ohne dass ein (gerichtliches) Verfahrenzur Feststellung einer Immaterialgüter-rechtsverletzung eingeleitet werden musste.Dieses Verfahren, das in Österreich bereitsgemäß § 4 PPG angewendet werden konnte,hat sich in vielen Mitgliedstaaten bewährt

Nummer 183 Juni 2014 60. Jahrgang 17

Verstärkter Kampf gegen Produktpiraterie

Die neue EU-Produkt -piraterieverordnungpräzisiert und ver -größert den Kreis derAntragsberechtigtenund erweitert den Katalog der geschütz-ten Rechte des geis-tigen Eigentums.

Fotos Original und Plagiat von www.plagiarius.de

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und ist nun EU-weit obligatorisch (Art 23PPV 2014). Demnach können Waren, die imVerdacht stehen, ein Recht geistigen Eigen-tums zu verletzen, ohne förmliche Feststel-lung einer solchen Verletzung vernichtetwerden, wenn der Inhaber des Produktpira-teriebescheides binnen zehn Arbeitstagen(im Fall verderblicher Waren innerhalb vondrei Arbeitstagen) die Rechtsverletzung be-stätigt und sowohl er als auch der Anmel-der/Besitzer der Vernichtung innerhalb die-ser Frist zustimmen (bleibt der Anmel-der/Besitzer untätig bzw erhebt er auch kei-nen Widerspruch, gilt dies als Zustimmung). Nicht zuletzt als Folge einer immer größe-

ren Anzahl von Bestellungen über das Inter-net werden nach Angaben der Zollbehördennachgeahmte und gefälschte Waren zuneh-mend in kleinen Sendungen in die EU ein-geführt. In der neuen PPV wurde auf dieseEntwicklung reagiert und zwecks Verringe-

rung des Verwaltungs- und Kostenaufwandsein besonderes, vereinfachtes Vernichtungs-verfahren für Kleinsendungen (ausgenom-men verderbliche Waren) vorgesehen. AlsKleinsendung gelten laut Art 2 Z 19 PPV 2014Post- oder Eilkuriersendungen, die höchs-tens drei Produkteinheiten enthalten oderein Bruttogewicht von weniger als zwei Kilo-gramm haben. Wurde vom Rechtsinhaber(auch) ein Antrag auf Anwendung eines sol-chen Verfahrens gestellt, kann die Vernich-tung von potentiell rechtsverletzenden Wa-ren eigenständig durch die Zollbehördenohne seine vorherige Information und Zu-stimmung erfolgen, wenn der (zu informie-rende) Anmelder/Besitzer nicht innerhalbvon zehn Arbeitstagen widerspricht. DieZollbehörden haben dann dem Rechtsinha-ber – auf Antrag – Informationen über dietatsächliche oder vermutete Menge und dieArt der vernichteten Waren zu übermitteln.

18 Recht und Wettbewerb

Wettbewerbsrecht aktuell

Vereinfachte Verfahren,insbesondere bei Klein-sendungen, sollen dieVernichtung beschlag-nahmter Waren ohnegrößeren Aufwand ermöglichen.

Fotos mit A

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www.plagiarius.de

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Der Schutzverband ist nach erfolgloser au-ßergerichtlicher Intervention klagsweise ge-gen ein Unternehmern eingeschritten, weildieses mit der „Sensation“ eines Gewinn-spiels mit einer Million Euro in bar gewor-ben hatte, obwohl die Gewinnchance füralle Teilnehmer praktisch gleich null war.Konkret wurde über mehrere Monate hin-durch blickfangartig in Prospekten, auf Pla-katen und im Internet mit der Ankündigung„Die Sensation: Mit Ihrer Handynummer 1Mio. Euro in bar gewinnen!“ geworben, wo-bei an diesem Gewinnspiel teilnehmenkonnte, wer bis Ende Jänner 2013 bei die-sem Händler ein Handy neu anmeldete bzwden Vertrag verlängerte. Bei näherer Be-trachtung dieses „Gewinnspiels“ stellte sichallerdings heraus, dass von einer sensatio-nellen Gewinnchance nicht die Rede seinkonnte.Eine genaue (mathematische) Analyse

der ausgeklügelten, in den – kleingedruck-ten – Teilnahmebedingungen kursorisch be-schriebenen „Gewinnspiellogik“ führtenämlich bei errechneten 56 Millionen Ruf-nummern-Kombinationsmöglichkeiten inVerbindung mit der Beschränkung auf300.000 Teilnehmer zu dem Ergebnis, dassde facto mit allergrößter Wahrscheinlichkeitniemand den Preis gewinnen würde. DerAnbieter konnte sich praktisch sicher sein,den ausgelobten Gewinn gar nicht auszah-len zu müssen. Die allerdings im Verfahrennicht mehr entscheidungsgegenständlicheZiehung mittels Glücksrad (live in einemFernsehsender) brachte dann auch keinenGewinner, weil der ermittelten Telefonnum-

mer kein Anschluss zugeordnet war. Die beiden Vorinstanzen sahen keine Ir-

reführung und wiesen die Klage ab. DerOGH korrigierte diese Rechtsansicht undgab in seinem Erkenntnis (4 Ob 149/13kvom 17.12.2013) der Revision des Schutz-verbandes Folge: Die beklagte Partei hat esim geschäftlichen Verkehr zu unterlassen,blickfangmäßig hervorgehoben auszuloben,dass bei einer Handy-Neuanmeldung bzw -Vertragsverlängerung innerhalb eines be-stimmten Zeitraumes 1 Mio. Euro in bar ge-wonnen werden können, wenn nach denSpielregeln des Gewinnspiels nicht sicher-gestellt ist, dass zumindest ein Teilnehmerden Gewinn auch tatsächlich erhält.Der OGH hielt zunächst fest, dass wegen

des abschließenden Charakters der„schwarzen Liste“ unzulässiger Geschäfts-praktiken die Ankündigung von Zugabennur mehr dann untersagt werden kann,wenn sie einen Tatbestand des Anhangszum UWG erfüllt oder im Einzelfall irrefüh-rend, aggressiv oder sonst unlauter ist. EineKoppelung des Warenbezugs mit einem Ge-winnspiel verstoße als solche nicht gegendas Lauterkeitsrecht. Es sei im vorliegendenFall auch nicht gegen eine Bestimmung desAnhangs verstoßen worden (in Betracht ge-kommen wären hier Z 19 – Anbieten vonPreisausschreiben, ohne dass die beschrie-benen Preise vergeben werden, und Z 31 lita – Erwecken des unrichtigen Eindrucks, derVerbraucher werde einen Preis gewinnen,obwohl es in Wirklichkeit keinen Preis gibt).Die UWG-Novelle 2007 hat laut OGH

nichts an der Rechtsprechung geändert, wo-

Nummer 183 Juni 2014 60. Jahrgang 19

Aktuelle Judikatur zur irreführenden Blickfangwerbung

Aktuelle Judikatur zur irreführenden BlickfangwerbungAufgrund einer Klage des Schutzverbandes wurde die Ankündigung eines in Wahrheit

mit höchster Wahrscheinlichkeit gar nicht ausgespielten Gewinns von einer Million Euro

als täuschend angesehen und dabei wichtige Aussagen zum Irreführungstatbestand getroffen.

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nach eine Ankündigung bezüglich der Irre-führung nach ihrem Gesamteindruck zu be-urteilen ist. Der Gesamteindruck ist abernicht gleichbedeutend mit dem Gesamtin-halt der Ankündigung, da der Gesamtein-druck durch einzelne Teile der Ankündi-gung, die als Blickfang besonders herausge-stellt sind, bereits entscheidend geprägtwerden könne. In solchen Fällen darf auchder blickfangartig herausgestellte Teil derAnkündigung für sich allein nicht irrefüh-rend im Sinne des § 2 UWG sein. Von einem Blickfang ist – so der OGH – zu

sprechen, wenn in einer Gesamtankündigungeinzelne Angaben im Vergleich zu den sons-tigen Angaben besonders herausgestellt sind;sie dürfen für sich allein genommen nicht zurIrreführung geeignet sein. Im konkreten Fallhatten die Verbraucher dem als Blickfang be-sonders herausgestellten Teil der Ankündi-gung ohne jeden Zweifel entnommen, dasssie hier mit ihrer Handy nummer eine Million

Euro in bar gewinnen könnten.Der maßgebliche Durchschnitts-verbraucher erwartet, so der OGH,im Fall der Ankündigung einesGewinnspiels, dass der ausgelobtePreis jedenfalls einem Teilnehmerdes Spiels zufällt (und hofft, selbstder Glückliche zu sein). Diese Er-wartung wird enttäuscht, wennihm verschwiegen wird, dass dasGewinnspiel nach seinen Regelnso gestaltet ist, dass der ausge-lobte Gewinn mit einer Wahr-scheinlichkeit von mehr als 99,9%, also mit an Sicherheit grenzen-der Wahrscheinlichkeit, gar nichtvergeben wird, weil schon vor Be-ginn des Glücksspiels feststeht,dass so gut wie sicher kein Teil-nehmer die Gewinnspielbedin-gungen erfüllen wird. Der Ver-braucher wird damit über dieWerthaltigkeit des mit Vertragsab-schluss oder -verlängerung ge-koppelten Gewinnspiels ge-täuscht.

Auch an der Eignung dieser Irreführung,die geschäftliche Entscheidung des Durch-schnittsverbrauchers zu beeinflussen, istnicht zu zweifeln. Dass der Durchschnitts-verbraucher in Kenntnis der Regeln des Ge-winnspiels seine geschäftliche Entschei-dung, einen Vertrag bei der Beklagten neuabzuschließen oder dort einen bestehendenVertrag zu verlängern und damit am Ge-winnspiel teilzunehmen, möglicherweiseanders getroffen hätte, liegt auf der Hand.Der Hinweis der Beklagten, auch bei Lotto-und Totospielen sei nicht gesichert, dass eszu einem oder mehreren Gewinnernkomme, überzeugte den OGH nicht, weil„bei den genannten Spielen die in einerSpielrunde nicht ausgezahlten Beträge demSpielkapital der nächsten Runde zugeschla-gen werden, also – irgendwann – jedenfallszur Auszahlung gelangen“.Besonders beachtenswert sind auch die

Ausführungen des Höchstgerichts zur Wahr-

20 Recht und Wettbewerb

Wettbewerbsrecht aktuell

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nehmung aufklärender Hinweise: Ein auf-klärender Hinweis kann eine Täuschungdurch eine – wie hier – blickfangartig um-fassend formulierte und daher in ihrer Un-vollständigkeit irreführungsgeeignete Wer-beaussage nur verhindern, wenn er von denangesprochenen Verkehrskreisen auchwahrgenommen wird. Das setzt im Regelfallgleiche Auffälligkeit voraus. Maßgebend ist,ob ein durchschnittlich informierter, ver-ständiger Verbraucher den aufklärendenHinweis wahrnimmt, wenn er mit der Wer-beaussage konfrontiert wird. Im konkreten Fall ist die Gewinnspielan-

kündigung in ihrer Auffälligkeit dreifach ge-staffelt gewesen und erst in dritter Linie aufdie dem Gewinnspiel zugrundeliegende Ge-winnspiellogik hingewiesen worden. DieseAufklärung über die Gewinnspiellogik hatkeinesfalls denselben Aufmerksamkeitswertbeanspruchen können wie der Blickfang, inwelchem der Umstand verschwiegen wor-den ist, dass der ausgelobte Preis mit an Si-cherheit grenzender Wahrscheinlichkeitnicht zur Auszahlung gelangen wird.Der OGH griff die Anregung, ein Vor -

abentscheidungsersuchen an den EuGH zurichten, nicht auf. Die hier einschlägigenFragen seien einerseits in der Recht-sprechung des EuGH hinreichend geklärtund andererseits sei die Gesamtwürdigungund Gewichtung der relevanten Umständeim konkreten Einzelfall Sache der natio-nalen Gerichte. Dass die Einhaltung der beruflichen Sorgfalt (hier: Einholung desRates eines im Lauterkeitsrecht speziali-sierten Rechtsanwalts) im Zusammenhangmit irreführenden Geschäftspraktiken nichtzu prüfen ist, hat der EuGH erst jüngst aus-gesprochen (Entscheidung vom 19.9.2013,C-435/11 – CHS Tour Services, vgl dazuPrunbauer-Glaser, Wichtige Klarstellung desEuGH zum Irreführungsverbot, RuW 2013Nr. 182, 4).Auch bei einer Fernsehwerbung hat der

OGH bereits kurz zuvor eine solche irrefüh-rende Blickfangwerbung angenommen.Hier warb ein Optiker mit folgendem ge-

sprochenen Text: „Die schönsten Brillen –die beste Auswahl!“. Dann folgte für vier Se-kunden lang eine Einblendung auf grauemHintergrund in weißen, groß gehaltenenBuchstaben mit folgenden, in großer grünerSchrift gehaltenen Worten: „Sparen Sie jetzt100“ und direkt unterhalb dieses Betrags in– auch im Vergleich zu obigem Hinweis„Sparen Sie jetzt“ – kleinerer, allerdings gutlesbarer weißer Schrift, der Hinweis „gültigbeim Kauf einer optischer Brille (Fassung +Gläser) ab 200,–“. Sowohl die Ankündigung des Angebots

als auch diese Einschränkung wurden zeit-gleich für vier Sekunden eingeblendet, wo-bei die Preisangabe „100,–“ zusätzlich her-vorgehoben wurde, in dem sie gleichsam ineinem kurzen Aufblinken herangezoomtwurde. Gleichzeitig spricht eine Stimme:„Sparen Sie jetzt 100 EUR und mehr bei je-der Brille! 100 x in Österreich!“. Grundsätz-lich kann ein aufklärender Hinweis eineTäuschung aber nur verhindern, wenn ervon den angesprochenen Verkehrskreisenwahrgenommen wird, was im Regelfall glei-che Auffälligkeit voraussetzt und hier nichtgegeben war. Maßgebend ist dabei, ob eindurchschnittlich informierter, verständigerVerbraucher den aufklärenden Hinweiswahrnimmt, wenn er mit der Werbeaussagekonfrontiert wird (4 Ob 68/13y vom9.7.2013).Die vorliegenden Entscheidungen ver-

deutlichen, dass in jenen Bereichen der Wer-bung, in denen nach dem Wegfall des Zuga-benverbots eine grundsätzliche Liberalisie-rung eingetreten ist, nach wie vor ein stren-ger Maßstab anzulegen ist, was eine mögli-che Irreführung über den Wert des Zugege-benen (hier: Gewinnchance) anbelangt.Eine Information im Kleingedruckten odermit einer kurzen Einblendung neben einergroßen, blickfangartigen Anpreisung odereinem gesprochenen Text genügt nicht, umhier die angesprochenen Verbraucher inadäquater Weise aufzuklären (siehe dazuauch den Wettbewerbskommentar auf Seite4 dieser Ausgabe).

Nummer 183 Juni 2014 60. Jahrgang 21

Aktuelle Judikatur zur irreführenden Blickfangwerbung

Auch nach dem Wegfalldes Zugabenverbots ist nach wie vor einstrenger Maßstab an-zulegen, was eine mögliche Irreführungüber den Wert des Zugegebenen betrifft.

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Ein Schöffensenat des Landesgerichtes Le-oben hat in einem Urteil vom 12. März 2014die beiden gemäß § 146 StGB (Strafgesetz-buch), § 147 Abs 3 StGB, § 148 erster FallStGB (teils in Verbindung mit § 15 StGB –Versuch) angeklagten Personen wegenschweren gewerbsmäßigen Betruges zusechs bzw fünf Jahren unbedingter Haft ver-urteilt. Nachdem beide Angeklagte dagegenNichtigkeitsbeschwerde und Berufung ein-gebracht haben, ist dieses Urteil nichtrechtskräftig. Der Entscheidung zugrunde liegt eine

nach Ansicht des Gerichtes täuschende Aus-sendung der von diesen Personen geführtenspanischen Firmen IHG Business Data S.L.(IHG) und nachfolgend Herolds Medienver-

lag S.L. für ein Internet-Branchenverzeich-nis mit dem Betreff „Eintragungsantrag undKorrekturabzug Änderungen kostenlos“. Beiden Aussendungen der Herolds Medienver-lag S.L. wurde überdies ein gelbes Formularmit dem Titel „Gelbes Branchenbuch“ ver-wendet. Der Schutzverband hat im Jahr 2010gegen die IHG ein zivilgerichtliches Urteilauf Unterlassung erwirkt und auch die He-rolds Medienverlag S.L. wegen ihrer irrefüh-renden Geschäftspraktik und unzulässigenFruchtziehung mehrmals abgemahnt. Imgegenständlichen Strafverfahren wurdenseitens des Schutzverbandes wiederholtEingaben gemacht. Nachdem hier jeweils hunderttausende

Unternehmer und andere Adressaten ange-schrieben wurden, ist vom Gericht von ei-nem versuchten Betrug in der Höhe von ins-gesamt 1,23 Milliarden Euro (Milliarden sindkein Tippfehler – es wurden rund 800.000Aussendungen veranlasst) ausgegangenworden, wobei eine nicht näher bekannteAnzahl an Betroffenen aufgrund der laufen-den Klagsdrohungen und einzelnen Klagenin Spanien auch bezahlt hat. In den 11 Ver-handlungstagen vor dem Landesgericht Le-oben wurden rund 200 Zeugen einvernom-men. Mit dieser Entscheidung wird das Unter-

lassungsurteil nach dem UWG aufgrund derKlage des Schutzverbandes gegen die IHGbestätigt und ein strafrechtlich relevantesVerhalten in der ersten Instanz festgestellt.Die Bedeutung der vorliegenden Entschei-dung liegt darin, dass nun erstmals einestrafrechtliche Verurteilung wegen einer ir-reführenden Aussendung für ein Branchen-

22 Recht und Wettbewerb

Wettbewerbsrecht aktuell

Hohe Haftstrafen wegen irreführender Werbung mit KorrekturabzügenDas Landesgericht Leoben hat zwei deutsche Staatsangehörige aufgrund der massenweisen

und täuschend gestalteten Aussendung für ein Internet-Branchenverzeichnis wegen schweren

gewerbsmäßigen Betruges zu unbedingten Freiheitsstrafen (nicht rechtskräftig) verurteilt.

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verzeichnis vorliegt. In der Vergangenheitwar bereits die Versendung eines rech-nungsähnlichen Formulars samt Zahlscheinfür eine Veröffentlichung in einem fiktiven„allgemeinen Datenregister“ vom Landes-gericht Innsbruck strafrechtlich geahndetworden und auch der OGH hatte zu einemFall von Erlagscheinwerbung schon einestrenge Beurteilungslinie im Hinblick aufden Betrugstatbestand erkennen lassen(siehe dazu den Beitrag „Strafrechtliche Ver-urteilung von Erlagscheinwerbung“ in Rechtund Wettbewerb Nr 179, 14 vom Juni 2012). Das Gericht sah es als erwiesen an, dass

die beiden Angeklagten (die sich nichtschuldig bekannten) über einen Zeitraumvon mindestens dreieinhalb Jahren gemein-sam versucht hatten, die Empfänger ihrerAussendungen zu täuschen, und zwar durch Erwecken des falschen Eindrucks,

die gesamte Einschaltung im Branchenre-gister sei kostenlos, obwohl lediglich Ände-rungen kostenlos waren;durch die Vorspiegelung, man habe es mit

dem bekannten Unternehmen „Der Herold“zu tun, unddurch die Vorspiegelung, es werde eine

dem monatlichen Entgelt von Euro 43,–(netto) entsprechende Leistung erbracht,obwohl die Einschaltungen in den kaum be-kannten Online-Branchenregistern tatsäch-lich im Wesentlichen wertlos waren,um auf diese Weise die Adressaten zur

Unterfertigung und Rücksendung des For-mulars und in der Folge zur Überweisungder verlangten Beträge zu verleiten. Die Tat-sache der (versuchten) Täuschung ergabsich nach den umfassenden Ausführungendes Gerichts (die schriftliche Urteilsausfer-tigung hat 105 Seiten) zum einen aus demfestgestellten äußeren Erscheinungsbild derFormulare selbst, welches eine gezielte Täu-schungseignung zeige, sowie zum anderendaraus, dass der weit überwiegende Teil derin der Hauptverhandlung vernommenenZeugen angab, dass man beim Empfang desjeweiligen Formulars davon ausgegangensei, es mit dem bekannten „Herold“ zu tun

zu haben (wo Grundeinträge kostenlos sind)und angenommen habe, mit der bloßen Er-gänzung bzw Korrektur der Daten und derRetournierung keine Kostenfolgen auszulö-sen.Zur subjektiven Tatseite stellte das Straf-

gericht fest, dass sich schon aus dem Er-scheinungsbild der Formulare der IHG undder Herolds ohne Zweifel der Täuschungs-,Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz derAngeklagten ersehen lasse. Die Gewerbsmä-ßigkeit ergebe sich schon aus der Vielzahlder versandten Formulare sowie aus der or-ganisiert-arbeitsteiligen Vorgehensweise der

Nummer 183 Juni 2014 60. Jahrgang 23

Hohe Haftstrafen wegen irreführender Werbung mit Korrekturabzügen

Bericht der Zeitung Presse im Rechts-panorama über die zivilrechtliche Ent-scheidung des OGH zu dieser Aussendung

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beiden Angeklagten. Auch der Umstand,dass es sich bei den in Österreich angegebe-nen Adressen lediglich um Postkastenadres-sen gehandelt habe, spreche deutlich dafür,dass die Angeklagten als Personen für ihreKunden verborgen bleiben sollten. Wäre tat-sächlich eine der monatlichen Zahlung ent-sprechende Leistung erbracht worden, hät-ten die Angeklagten einen Hinweis auf ihrePerson und ihren Aufenthalt nicht zuscheuen brauchen.In seiner rechtlichen Beurteilung führte

das Gericht aus, dass die Angeklagten dasVerbrechen des schweren und gewerbsmä-ßigen Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 3,148 erster Fall StGB – teilweise in der Ent-wicklungsstufe des Versuches nach § 15StGB – begangen haben (der Betrugstat -bestand in § 146 StGB lautet: Wer mit demVorsatz, durch das Verhalten des Getäuschtensich oder einen Dritten unrechtmäßig zu be-reichern, jemanden durch Täuschung überTatsachen zu einer Handlung, Duldung oderUnterlassung verleitet, die diesen oder einenanderen am Vermögen schädigt, ist mit Frei-heitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mitGeldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestra-

fen.; § 147 Abs 3 StGB: schwerer Betrug beieinem Schaden von mehr als Euro 50.000,–mit Strafdrohung bis zu zehn Jahren; § 148erster Fall StGB: gewerbsmäßiger Betrug beiAbsicht, sich durch wiederkehrende Bege-hung eine fortlaufende Einnahmenquelle zuverschaffen). Wie auch der OGH bereits aus-gesprochen habe (13 Os 127/07m), schließedie Erkennbarkeit, Nachlässigkeit oderLeichtgläubigkeit eine Täuschung nicht aus.Ein besonders raffiniertes Vorgehen des Tä-ters sei zur Begehung eines Betruges nichterforderlich. Werde die Täuschung durch-schaut, so ist der Betrug versucht; selbstleicht durchschaubare Täuschungen seientatbildlich (das Gericht verweist hier aufKirchbacher, WK-StGB § 146 Rz 17 und 129).Wenn einzelne Opfer die Formulare „durch-schauten“, sei damit für die Angeklagtennichts gewonnen, weil einerseits das äußereErscheinungsbild der Formulare und ande-rerseits die Vielzahl der erfolgreich ge-täuschten Opfer die Täuschungseignungunzweifelhaft belegten. Es bestehe auch einKausalzusammenhang (Ursächlichkeit derTat für die Handlungen und Schädigung derGetäuschten), weil die Opfer in Kenntnis derwahren Sachlage die Formulare nicht zu-rückgesandt bzw die Forderungen bezahlthätten.Die vorliegende, erstmalige strafgerichtli-

che Verurteilung einer irreführenden Bran-chenbuch-Werbung kann als Signal dafürangesehen werden, dass derartige „Ange-bote“ künftig auch von den Strafverfol-gungsbehörden nicht mehr als Kavaliersde-likt behandelt und mit dem Hinweis auf einemögliche Erkennbarkeit der Täuschung beiganz genauer Durchsicht entschuldigt wer-den. Nachdem der Schutzverband beharr-lich schon über die letzten Jahre für einestrafrechtliche Verfolgung gekämpft undzahlreiche Eingaben gemacht hat, werdenwir uns jedenfalls weiter dafür einsetzen,dass solche grob täuschenden Geschäfts-modelle als „Abzocke“ bei Unternehmernauf allen rechtlichen Ebenen verfolgt wer-den.

24 Recht und Wettbewerb

Wettbewerbsrecht aktuell

Das Gericht bewertetedie irreführende Bran-chenbuch-Werbung alsBetrug, weil sowohl dasäußere Erscheinungs-bild der Formulare alsauch die Vielzahl dergetäuschten Opfer dieTäuschungseignung un-zweifelhaft belegten.

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Ursprünglich nur als einmalige Veranstal-tung gedacht ist das ÖBl-Seminar mittler-weile ein fest etabliertes Forum für den Ge-dankenaustausch zwischen führenden Ex-perten aus den Gebieten Patentrecht, Lau-terkeitsrecht, Markenrecht, Musterrecht, Ur-heberrecht und Kartellrecht. Der Name ÖBlleitet sich von der seit 1952 von der ÖV he-rausgegebenen Fachzeitschrift „Österrei-chische Blätter für gewerblichen Rechts-schutz und Urheberrecht“ ab.Die Veranstaltung fand auch heuer wieder

in der Wirtschaftskammer Österreich in1040 Wien statt. Die über 170 Teilnehmerwurden zunächst durch den Präsidenten derÖV, RA Dr. Michael Meyenburg, begrüßt, dersich bei den Organisatoren und Vortragen-den für die kontinuierliche Mitwirkung inden vergangenen Jahren bedankte. Wie je-des Jahr wurde das Seminar von Rechtsan-walt Hon.-Prof. Dr. Guido Kucsko geleitet,der seine Moderation diesmal mit amüsan-ten Bildern von Produktplagiaten garnierte.Im einleitenden Vortrag referierte die Vi-

zepräsidentin des Österreichischen Patent-amts, Frau Dr. Andrea Scheichl, über offeneFragen im Zusammenhang mit dem geplan-ten EU-Gemeinschaftspatent, insbesonderedass im Rahmen des einheitlichen europäi-schen Patentgerichts in Österreich sinnvol-lerweise eine lokale Kammer eingerichtetwerden sollte sowie über die weitgehend un-geklärte Gebührenfrage. Patentanwalt DI Dr.Rainer Beetz fasste die wichtigsten Ände-rungen durch die am 1.1.2014 in Kraft getre-tene Patent- und Markenrechtsnovelle 2014zusammen, durch die der Oberste Patent-und Markensenat (OPM) sowie die Rechts-

mittelabteilung des Patentamts aufgelöstwurden. Stattdessen ist ein Instanzenzugvom Patentamt an das OLG Wien und anden OGH geschaffen worden. Erfreulicher-weise ist dafür beim OLG Wien ein eigener,für alle patentrechtlichen Entscheidungendes Patentamts (und des HandelsgerichtsWien) zuständiger 33. Senat eingerichtetworden, bestehend aus zwei Berufsrichternund einem fachkundigen Laienrichter. Derpatentrechtliche Teil des Seminars wurdevon Patentanwalt Dr. Daniel Alge mit einemumfassenden Überblick über die jüngsteRechtsprechung abgerundet.Als erster Referent des lauterkeitsrechtli-

chen Teils informierte Mag. Hannes Seidel-berger – der auch Generalsekretär der ÖV ist– zunächst über den aktuellen nationalenund europäischen Normenbestand. Die Än-derungen des UWG im vergangenen Jahrbetrafen im Wesentlichen die Aufhebungdes Zugabenverbots und die Liberalisierungdes Ausverkaufsrechts. Hinsichtlich der EU-Richtlinie über unlautere Geschäftsprakti-ken werde derzeit nach Ansicht der Kom-mission kein Änderungsbedarf gesehen,hingegen sei eine Überarbeitung der Richt-linie über irreführende und vergleichendeWerbung in Vorbereitung, wodurch ein ver-stärkter Schutz von Unternehmen vor täu-schenden Vermarktungspraktiken erreichtwerden solle. Nach einem Blick auf die ge-plante Richtlinie über den Schutz von Ge-schäftsgeheimnissen (vergleiche dazu denBeitrag in diesem Heft, S. 8) gab Mag. Seidel -berger einen durch zahlreiche Abbildungenillustrierten Überblick über die EuGH-Recht-sprechung des vergangenen Jahres, der auch

Nummer 183 Juni 2014 60. Jahrgang 25

20-jähriges Jubiläum: ÖBl-Seminar 2014Das von der Österreichischen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und

Urheberrecht (ÖV) gemeinsam mit dem Manz-Verlag organisierte Seminar fand heuer

bereits zum zwanzigsten Mal statt. Die Vorträge und Diskussionen gewährten wieder

einen kompakten und praxisorientierten Überblick über die aktuelle Rechtsentwicklung.

Tagungsbericht aktuell

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wieder Vorabentscheidungsersuchen ausÖsterreich zugrunde lagen. Im Anschlussdaran berichtete die Vizepräsidentin desOGH, Hofrätin Dr. Brigitte Schenk, die auchVorsitzende des für lauterkeitsrechtlicheEntscheidungen zuständigen 4. Senats ist,ausführlich über die jüngste Judikatur desHöchstgerichts. So sind nach dem Wegfalldes Zugabenverbots etwa ein iPhone oderein iPad als Gratis-Zugabe zu einem Versi-cherungsprodukt ebenso für zulässig erklärtworden wie „kopflastige“ Vorspannange-bote, wo der Wert der Nebenware den derHauptware übersteigt. Nach wie vor einstrenger Beurteilungsmaßstab wurde dortangelegt, wo es um aggressive Geschäfts-praktiken oder irreführende (zB unvollstän-dige) Werbeankündigungen geht.

Den markenrechtlichen Teil des Seminarseröffnete Hofrat (des OGH) Dr. GottfriedMusger mit einer umfassenden Darstellungder Rechtsprechung des OGH und des OPMim vergangenen Jahr. In den besprochenenEntscheidungen ging es insbesondere umden Verkehrsgeltungsnachweis bei geringerUnterscheidungskraft der Marke bzw wennetwa bloße Schlagworte oder beschreibendeAngaben bzw Gattungsbezeichnungen ge-schützt werden sollen. In der anschließen-den Darstellung der Markenrechtsprechungdes EuGH durch RA Dr. Christian Schuma-cher wurden unter anderem Fragen derrechtserhaltenden Nutzung einer Markeund die Folgen der Entwicklung einer Markezur Gattungsbezeichnung erörtert. LetztereThematik war auch Gegenstand einer Ent-

26 Recht und Wettbewerb

Tagungsbericht aktuell

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scheidung des EuGH vom März dieses Jah-res zu einem Fall aus Österreich, in welcherdie Frage im Mittelpunkt stand, inwieweit esder Inhaber der Marke „Kornspitz“ unter-lassen habe, ausreichend Markenpflege zubetreiben. Erörtert wurde weiters eine be-merkenswerte – und im Anschluss disku-tierte – Entscheidung des EuGH zum Wider-ruf eines an sich unbefristet erteilten Mar-kenbenützungsrechts durch den Lizenzge-ber. Mag. Christoph Bartos vom Harmoni-sierungsamt Alicante erörterte in seinemBeitrag die Entscheidungspraxis dieser eu-ropäischen Institution und brachte interes-sante und zum Teil außergewöhnliche Bei-spiele sowohl von absoluten als auch relati-ven (ältere Markenrechte Dritter) Eintra-gungshindernissen.Die jüngste Rechtsentwicklung im Mus-

terrecht wurde von Prof. Kucsko mit plasti-schen Beispielen dargestellt. Hier ging esetwa um den – nicht gewährten – Schutz ei-ner konkreten Idee für ein besonderes Uh-renziffernblatt (die Erscheinungsform einesErzeugnisses kann geschützt werden, nichtaber schon die Idee dafür), um den Schutzeiner herzförmigen Tomate, die Frage derschutzwürdigen Eigenart einer Damenbluseoder eines Sessels, die technische Bedingt-heit einer Eierverpackung oder den Ge-samteindruck, den ein speziell gestaltetesGrablicht vermittelt. Eine wichtige Ent-scheidung des EuGH zu mehreren Fragendes Geschmacksmusterrechts (Neuheits-schädlichkeit, Beweislast, Verjährung, natio-nale Zuständigkeit) erging vor kurzem in Zu-sammenhang mit Abbildungen bzw derAusstellung eines Gartenpavillons.Am Beginn des urheberrechtlichen Teils

stand ein Bericht des zuständigen, leitendenStaatsanwalts im Justizministerium, Mag.Christian Auinger, über die Urheberrechts-Novelle 2013, mit der die Leistungsschutz-rechte der Tonträgerhersteller und aus-übenden Künstler von 50 auf 70 Jahre nachder Erstveröffentlichung des Werks verlän-gert wurden. Die geplante Urheberrechts-Novelle 2014 dürfte umfangreicher ausfallen

und insbesondere auch Neuregelungen be-treffend den Auskunftsanspruch gegen In-ternetprovider und die Vergütung für privateVervielfältigungen enthalten. Aus europäi-scher Sicht ist bis 2016 die Umsetzung einerRichtlinie zur Rechtewahrnehmung durchVerwertungsgesellschaften vorzunehmen.Gleichsam als „Doppelconférence“ vorge-tragen wurde danach abwechselnd durchDr. Christian Handig (WirtschaftskammerWien) und Prof. Dr. Manfred Büchele (Uni-versität Innsbruck) die neueste Judikaturdes EuGH und des OGH, wobei hier Fragendes urheberrechtswidrigen Internet-Down -loads im Mittelpunkt standen.Der letzte Teil des Seminars war dem

Wettbewerbsrecht (Kartellrecht) gewidmet.Hofrat Dr. Manfred Vogel, Vorsitzender deszuständigen Senats 16 des OGH, berichtetevon einem zunehmenden Aktenanfall. Dievon ihm ausführlich erläuterten Entschei-dungen des OGH aus dem vergangenen Jahrbetrafen unter anderem vermutete kartell-rechtswidrige Absprachen von Installations-unternehmen im Zuge eines Vergabeverfah-rens (wurde wegen geringer Marktanteile alsBagatellkartell qualifiziert) sowie den Ver-dacht auf Missbrauch einer marktbeherr-schenden Stellung durch exklusive Vertrags-bindungen (kein Kartellrechtsverstoß auf-grund kurzfristiger Kündbarkeit). Rechtsan-walt MMag. Dr. Hanno Wollmann infor-mierte in seinem Referat über aktuelle EU-Entscheidungen und stellte umfassend diemit 1.5.2014 in Kraft getretene, neue EU-Gruppenfreistellungsverordnung für Tech-nologietransfer-Vereinbarungen vor (durchGruppenfreistellungsverordnungen werdenbestimmte Gruppen von wettbewerbsbe-schränkenden Vereinbarungen, wie etwa ex-klusive Produktionslizenzen, unterhalb be-stimmter Marktanteilsschwellen vom Kar-tellverbot freigestellt). Die Kommission hatparallel dazu Leitlinien erlassen, welche diegemeinschaftskonforme Interpretation die-ser wichtigen Bestimmungen an derSchnittstelle von Wettbewerbs- und Imma-terialgüterrecht erleichtern sollen.

Nummer 183 Juni 2014 60. Jahrgang 27

20-jähriges Jubiläum: ÖBl-Seminar 2014

Hochkarätige Vor-tragende gaben einen Überblick überaktuelle rechtliche Entwicklungen im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht.

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Was macht dieÖsterreichische Vereinigung

für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (ÖV) ?

• ist herausgeber der Österreichischen blätterfür gewerblichen rechtsschutz und urheberrecht („Öbl“)

• gibt stellungnahmen zu gesetzesentwürfen ab• veranstaltet Vorträge und seminare wie insbesondere das Öbl-seminar• hält den Kontakt zu internationalen Organisationen• bietet ein wissenschaftliches diskussionsforum

Welche internationalen Zusatzmitgliedschaften stehen offen?

AIPPIAssociation internationale pour la Protection de la Propriété industrielle(internationale Vereinigung für gewerblichen rechtsschutz) www.aippi.org

die AiPPi (gegründet 1897 unter Mitwirkung der damaligen österreichischen landesgruppe) fördert in zu-sammenarbeit mit behörden, richtern und hochschulen den schutz geistiger und gewerblicher leistungenauf internationaler ebene.

L.I.D.C. (ligA)ligue internationale du droit de la concurrence(internationale liga für wettbewerbsrecht) www.ligue.org

die ligA (gegründet 1930 auch mit österreichischer beteiligung) ist eine unabhängige internationale wis-senschaftliche Vereinigung. zu ihren zielen zählt insbesondere die förderung eines freien, gesunden undlauteren wettbewerbs.

Welche Mitgliedsbeiträge sind zu entrichten?

neben einer Mitgliedschaft in der Österreichischen Vereinigung für gewerblichen rechtsschutz und urheber-recht stehen auch zusatzmitgliedschaften in der AiPPi und der ligA offen.

Mitgliedsbeiträge (pro Jahr)

ÖV einzelmitglieder: 60,– eurOPersonengesellschaften, Kapitalgesellschaftenund sonstige Körperschaften (firmen) 120,– eurObeamte, richter, studenten, Pensionisten 37,– eurO

AIPPI zusatzmitgliedschaft (alle Kategorien) 160,– chf (€ 132,– für 2014)

LIGA zusatzmitgliedschaft (alle Kategorien) 60,– chf (€ 49,– für 2014)

die zahlungen für diese zusatzmitgliedschaften decken die an die jeweilige internationale Organisation ab-zuführenden beiträge, wobei sich der euro-betrag aufgrund der überweisung im Vorjahr berechnet.

Österreichische Vereinigungfür gewerblichen rechtsschutz und urheberrecht

GEGRÜNDET 1958, A-1040 WIEN, Schwarzenbergplatz 14TEL: +43 – 1 – 501 970, E-MAIL: [email protected], www.oev.or.at

ZVR 890558976, DVR 0690660HERAUSGEBER DER ÖSTERREICHISCHE BLÄTTER FÜR GEWERBLICHEN RECHTSSCHUTZ UND URHEBERRECHT