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Journal Club AINS 1 · 2012 Leitlinien in der Praxis: Leitlinie des European Resuscitation Council zur kardiopulmonalen Reanimation Die aktuellen Top-Studien: kommentiert & komprimiert Journal Club AINS Heft 1 2012 1. Jahrgang Seite 1–48

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Journal Club

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Leitlinien in der Praxis:Leitlinie des European Resuscitation Council zur kardiopulmonalen Reanimation

Die aktuellenTop-Studien:kommentiert &komprimiert

Journal Club AINS

Heft 1 • 2012 • 1. Jahrgang • Seite 1–48

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die Anästhesiologie ist ein riesiges Fachgebiet und es ist zeitlich fast unmöglich, alle relevanten Publi kationen aus den zugehörigen Bereichen Anästhesie, Intensiv-, Notfall- und Schmerzmedizin im Original lesen. Trotz-dem ist es für die bestmögliche Versorgung unserer Patienten geboten, auf dem Laufenden zu bleiben über neue wissenschaftliche Entwicklungen und Erkennt-nisse. Für alle, die diese Zwickmühle kennen, gibt es nun genau das Richtige: den neuen Journal Club AINS!

In unserer Zeitschrift präsentieren wir Ihnen eine Aus-wahl praxisrelevanter internationaler Studien aus der Anästhesiologie – auf Deutsch zusammengefasst und von Experten kommentiert. Auf diese Weise erfahren Sie kompakt in 4 Ausgaben pro Jahr, was im letzten Quartal wirklich wichtig war – und finden Hinweise, welche Orginalarbeiten das Lesen wirklich lohnen.

Als Ergänzung interviewen wir in der Rubrik „Nach-gehakt“ den Autor einer Studie persönlich: Was war der Anlass für seine Studie? Wie bewertet er die Ergebnisse? Zudem beleuchten wir in „Highlights aus der medizinischen Forschung“ besonders interessan-te Forschungsarbeiten aus hochrangigen Journals wie z. B. Science oder Nature. Und auch die etablierte Praxis kommt nicht zu kurz: In jedem Heft stellen Experten eine aktuelle Leitlinie vor und arbeiten die klinisch besonders relevanten Aspekte für Sie heraus.

Wir wünschen Ihnen eine gewinnbringende Lektüre – und freuen uns über Ihre Anmerkungen: Schicken Sie Kritik oder Lob an [email protected]!

Mit herzlichen Grüßen

Gernot Marx & Hinnerk Wulf

HerausgeberG. Marx, AachenH. Wulf, Marburg

Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

Prof. Dr. med. Gernot Marx

Prof. Dr. med. Hinnerk Wulf

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Prof. Dr. med. Gernot Marxist Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Caream Universitätsklinikum der RWTH Aachen.

Gernot Marx promovierte 1995 an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), 2000 folgte die Habilitation. Von 2000 – 2004 war er stellvertretender Direktor der Klinik für Anästhesiologie an der Universität Liverpool. 2004 wurde er zum außerplanmäßigen Profes-sor an der MHH ernannt und auf eine C3-Professur für Anästhesiologie, Intensiv- und Not-fallmedizin an die Universität Jena berufen. Dort war er von 2004 – 2008 Leitender Oberarzt an der Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie. Seit 2008 ist Prof. Marx Lehrstuhl-inhaber für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin sowie Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care am Universitäts klinikum der RWTH Aachen. Seine Forschungsschwerpunkte sind Sepsis und systemische Inflammation.

Prof. Dr. med. Hinnerk Wulfist Direktor der Klinik für Anästhesie und Intensivtherapie am Standort Marburg,Universitätsklinikum Gießen und Marburg.

Hinnerk Wulf studierte Humanmedizin in Würzburg, Chicago, Kiel und Basel. Nach der Grundausbildung in Pharmakologie begann er 1984 die Facharztweiterbildung zum Arzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin an der Universität Kiel. Dort wurde er 1989 Oberarzt und mit der Habilitation 1994 Leitender Oberarzt der Klinik. 1999 wurde er zum außerplan-mäßigen Professor ernannt. Seit 2001 ist er Lehrstuhlinhaber und Direktor der Klinik für Anästhesie und Intensivtherapie am Universitätsklinikum Gießen und Marburg. Schwer-punkt seiner wissenschaftlichen Arbeit ist die Regionalanästhesie. Prof. Wulf ist Landes-vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) in Hessen, zudem war er viele Jahre Sprecher des Arbeitskreises Regionalanästhesie der DGAI.

Die Herausgeber des Journal Clubs AINS

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Inhalt

Journal Club AINS

6 News aus der Medizin

8 Journal Club

10 Magensonde: schnelle Lagekontrolle durch

Ultraschall 11 Tibialisblockade im Kniekehlenbereich:

weniger motorische Ausfälle 12 RSI: Rocuronium + Sugammadex statt

Succinylcholin 13 Stickstoffmonoxid kann Herzen retten

14 Periphere Regionalanästhesie: Nervenschäden trotz Ultraschall

15 3-Punkte-Programm reduziert

ZVK-assoziierte Infektionen 16 Modifizierte Analysetechnik ergänzt PiCCO 18 Notfallintubation: einfacher mit Muskelrelaxanzien 19 Sectio unter Reanimation: Wieviel Zeit bleibt? 20 Schlafapnoe erhöht Risiko für postoperatives Delir 22 Schlafapnoe: Detektion durch

Hochfrequenzoximetrie

23 Hypnosetiefeveränderung durch i. v.-Lidocain 24 Thoraxsonografie: Tubuslage bei Adipösen

zügig verifizieren

25 CSE vs. EDA: vermindertes Schmerzniveau

bei Gebärenden 26 PONV-Prophylaxe: Ja? Nein? Vielleicht? 28 Optimale Intubation stark adipöser Patienten

29 Durapunktion erhöht Risiko chronischer Kopfschmerzen

30 Laparoskopie: systemisches Lidocain

verbessert Befinden 32 Allgemeinanästhesie: Einschätzung der

Schmerz wahrnehmung 33 Venenpunktion beim Kleinkind:

Sonografie vs. Landmarken technik 34 Blutmanagementprogramm für Knie- und

Hüftgelenk ersatz-OP 36 Aktiviertes Protein C enttäuscht auch bei

schwerer Sepsis

37 Frühes Erkennen von Blutverlusten 38 HES 130/0,4: sicher in der Anwendung

bei Kindern

39 Extrakorporale Membranoxigenierung bei Reanimation

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40 Nachgehakt

Schwere Sepsis: Reicht ein einziges Antibiotikum? Die Ergebnisse der weltweit ersten Studie zur frühen empirischen Antibiotika­

therapie bei Patienten mit Sepsis und septischem Schock sind da. Die Redaktion hat bei Prof. Dr. Frank M. Brunkhorst, dem Erstautor der Studie nachgehakt.

42 Highlights aus der Forschung

Wie eine gestörte Darmflora letale Infektionen auslösen kann Ayres JS, Trinidad NJ, Vance RE. Nat Med 2012; 18: 799–806

Neuroinflammation läuft nicht über den Opioidrezeptor Wang X, Loram LC, Ramos K et al. PNAS 2012; 109: 6325–6330

44 Leitlinien in der Praxis

Leitlinie des European Resuscitation Council zur kardiopulmonalen Reanimation

48 Impressum

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10 Magensonde: schnelle Lagekontrolle durch Ultraschall Chenaitia H et al. Resuscitation 2012; 83: 447–451

11 Tibialisblockade im Kniekehlenbereich: weniger motorische Ausfälle

Sinha SK et al. Anesth Analg 2012; 115: 202–206

12 RSI: Rocuronium + Sugammadex statt Succinylcholin Sørensen MK et al. Br J Anaesth 2012; 108: 682–689

13 Stickstoffmonoxid kann Herzen retten Neye N et al. Intensive Care Med 2012; Jun 1: Epub ahead of print

14 Periphere Regionalanästhesie: Nervenschäden trotz Ultraschall

Sites BD et al. Reg Anesth Pain Med 2012; Jun 14: Epub ahead of print

15 3-Punkte-Programm reduziert ZVK-assoziierte Infektionen Munoz-Price LS et al. Crit Care Med 2012; 40: 1464–1469

16 Modifizierte Analysetechnik ergänzt PiCCO Kiefer N et al. Critical Care 2012; 16: R98

18 Notfallintubation: einfacher mit Muskelrelaxanzien Wilcox SR et al. Crit Care Med 2012; 40: 1808–1813

19 Sectio unter Reanimation: Wieviel Zeit bleibt? Einav S et al. Resuscitation 2012; May 18: Epub ahead of print

20 Schlafapnoe erhöht Risiko für postoperatives Delir Flink BJ et al. Anesthesiology 2012; 116: 788–796

22 Schlafapnoe: Detektion durch Hochfrequenzoximetrie Chung F et al. Anesth Analg 2012; 114: 993–1000

23 Hypnosetiefeveränderung durch i. v.-Lidocain Altermatt FR et al. Br J Anaesth 2012; 108: 979–983

24 Thoraxsonografie: Tubuslage bei Adipösen zügig verifizieren

PfeifferPetal.ActaAnaesthesiolScand2012;56:571–576

25 CSE vs. EDA: vermindertes Schmerzniveau bei Gebärenden Patel NP et al. Anaesthesia 2012; 670: 584–593

26 PONV-Prophylaxe: Ja? Nein? Vielleicht? Kooij FO et al. BJA 2012; 108: 961–965

28 Optimale Intubation stark adipöser Patienten Ranieri D Jr et al. Anaesthesia 2012; Jun 1: Epub ahead of print

29 Durapunktion erhöht Risiko chronischer Kopfschmerzen Webb CA et al. Anesth Analg 2012; Mar 30: Epub ahead of print

30 Laparoskopie: systemisches Lidocain verbessert Befinden De Oliveira GS Jr et al. Anesth Analg 2012; May 14: Epub ahead

of print

32 Allgemeinanästhesie: Einschätzung der Schmerz-wahrnehmung

von Dincklage F et al. Anaesthesia 2012; May 18: Epub ahead of print

33 Venenpunktion beim Kleinkind: Sonografie vs. Landmarken technik

Benkhadra M et al. Paediatr Anaesth 2012; 22: 449–454

34 Blutmanagementprogramm für Knie- und Hüftgelenk ersatz-OP

Kotzé A et al. Br J Anaesth 2012; 108: 943–952

36 Aktiviertes Protein C enttäuscht auch bei schwerer Sepsis Ranieri VM et al. N Engl J Med 2012: 366: 2055–2064

37 Frühes Erkennen von Blutverlusten Scully CG et al. Anesth Analg 2012; 115: 74–81

38 HES 130/0,4: sicher in der Anwendung bei Kindern Sümpelmann R et al. Pediatric Anesthesia 2012; 22: 371–378

39 Extrakorporale Membranoxigenierung bei Reanimation Avalli L et al. Resuscitation 2012; 83: 579–583

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Journal Club

Referat

Magensonde: schnelle Lagekontrolle durch Ultraschall

„klassischen“ Einsatzgebieten in der Regio­nalanästhesie und bei Gefäßpunktionen nun auch die orientierende kardiale und thorakoabdominelle Sonografie. Ziel ist es, den häufig in der Notfall- oder Intensivme­dizin tätigen Anästhesiologen in die Lage zu versetzen, lebensbedrohliche Krankheitsbil­der rasch und sicher zu identifizieren.

▶ So gehören zu den Lernzielen bei der kardialen Sonografie nach dem sogen­nanten FEEL-Konzept (FEEL: Focused Echocardiography for Life Support) die Beurteilung der ventrikulären Funktion und der Ausschluss einer Perikardtam­ponade.

▶ Thorakoabdominelle Fragestellungen werden im sogenannten FAST­Unter­suchungsgang (FAST: fokussierte abdo­minelle Sonografie bei Trauma) syste­

PD Dr. med. Michael Fries, Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care, Universitätsklinikum Aachen

Ultraschallgestützte Diagnostik ist in der modernen Medizin unverzichtbar geworden und hat in den letzten Jahren auch zuneh­mende Bedeutung in der Notfallmedizin gewonnen. Dieser Tatsache Rechnung tra­gend, hat die Deutsche Gesellschaft für An­ästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) ein Curriculum zur sogenannten „Anästhe­sie fokussierten Sonografie“ (AFS) verfasst. Bestandteile der 5 Module sind neben den

Kommentar

ten Sonden. Radiologen überprüften dieses Resultat mit einer Röntgenaufnahme. Die Wissenschaftler dokumentierten

▶ bei 116 Probanden eine erfolgreiche ultraschallgestützte Lagekontrolle – die Sonde lag in allen Fällen korrekt,

▶ bei 14 versagte die ultraschallgestützte Lagekontrolle.

Bei diesen 14 Fällen hinderte bei 2 Patien­ten mit korrekter Sondenlage eine Luftüber­lagerung die Detektion, in 12 Fällen ergab die spätere Röntgenkontrolle eine ösopha­geale Lage.Nach Auswertung der Studiendaten zeigte die Visualisierung der Sonde durch Ultra­schall eine Sensitivität von 98,3 % (94–99,5) und eine Spezifität von 100 % (75,7–100).Zudem berechneten die Autoren positive Prädiktivwerte von 100 % und Negativprä­diktivwerte von 85,7 %.

Fazit Ultraschalluntersuchungen gehören zunehmend zu den routinemäßige ange­wandten diagnostischen Methoden in Not­aufnahmen. Die vorliegende Studie zeigt, dass die sonografische Lagekontrolle der präklinisch gelegten Magensonden als eine

Notärzte im Einsatz legen nur bei wenigen

Indikationen eine Magensonde, z. B. bei Ma-

genüberblähung durch Maskenbeatmung.

Eine Fehllage dieser Sonden kommt selten

vor, kann jedoch insbesondere bei trachealer,

intravasaler und intrakranieller Dyslokation

zu erheblichen Komplikationen führen. Die

sonografische Lagekontrolle der Sonden ist

Inhalt der folgenden Studie.

Die sonografische Darstellung der präkli­nisch gelegten Magensonde eignet sich als sicheres Verfahren zur Lagekontrolle. Dieses Ergebnis publizierten französische Wissen­schaftler nach Auswertung ihrer multizen­trischen prospektiven Studie.Dazu führten sie bei insgesamt 130 intu­biert und beatmeten Patienten eine ultra­schallgestützte Lagekontrolle durch. Die Magensonden wurden von Pflegekräften unter ärztlicher Anleitung gelegt. Ob eine korrekte gastrale Lage bestand, prüfte man durch die übliche gastrale Auskultation bei Luftinsufflation sowie Aspiration. Im An­schluss kontrollierten ultraschallerfahrene Ärzte der Notaufnahme sonografisch die Lage der entweder nasal oder oral geleg­

schnelle und sehr sichere Methode gewertet werden kann. Somit sollte die gastrale Son­denlage bei ohnehin durchgeführter Ultra­schalluntersuchung automatisch detektiert werden.

Dr. med. Holger Baust, Halle

Chenaitia H, Brun PM, Querellou E et al. Ultra-

sound to confirm gastric tube placement in pre-

hospital management. Resuscitation 2012; 83:

447–451

matisch abgearbeitet. Sie ermöglichen den Nachweis freier abdomineller Flüs­sigkeit, eines relevanten Pleuraergusses oder eines Pneumothorax.

Erste wissenschaftliche Arbeiten belegen die Möglichkeiten dieser Diagnostik und attestieren eine im Vergleich zu anderen Verfahren hohe Sicherheit. Dies wird in der hier vorliegenden Studie von Chenaitia et al. erneut bestätigt. Als erste Ärztekammer hat Westfalen-Lippe daher das Beherrschen von sonografischen Methoden als Weiterbil­dungsziel für Anästhesiologen eingeführt. Wir werden also in den nächsten Jahren – auch als bereits „altgediente“ Kollegen – nicht umhin kommen, uns mit dieser span­nenden und wichtigen Technik zu beschäfti­gen. Zum Wohle unserer Patienten.

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Abb. Eine Fehllage einer Magensonde ist selten, kann aber zu ernsthaften Komplikationen führen.

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Journal Club

Referat

RSI: Rocuronium + Sugammadex statt Succinylcholin

Die Erkenntnis, dass die Kombination aus 1 mg/kg KG Rocuronium gefolgt von 16 mg/kg KG Sugammdex eine schnellere neuro­muskuläre Erholung ermöglicht als 2 mg/kg KG Succinylcholin ist nicht ganz neu [4]. Aber wie oben beschrieben, werden die meisten Anästhesisten weder auf die Spon­tanerholung nach Succinylcholin setzen bzw. die noch schnellere Reversierung nach Rocuroniumgabe abwarten, sondern eben eine Alternative zur Oxigenierung des Pati­enten wählen. Denn Patienten sterben nicht daran, dass sie nicht zu intubieren sind, sondern an der Hypoxie. Insgesamt weist die vorgestellte Studie durchaus in die rich­tige Richtung: den Einsatz von Succinylcho­lin kritisch zu überdenken.

1 Fink H, Geldner G, Fuchs-Buder T et al. Muskelrelaxanzien in Deutschland 2005: Ein Vergleich zwischen den Anwen-dungsgewohnheiten in Krankenhäusern und Praxen. Der Anaesthesist 2006; 55: 668–678

2 American Society of Anesthesiologists Task Force on Ma-nagement of the Difficult Airway. Practice guidelines for management of difficult airway. Anesthesiology 2003; 98: 1269–1277

3 Bisschops M, Holleman C, Huitink J. Can sugammadex save a patient in a simulated ‚cannot intubate, cannot ven-tilate‘ situation? Anaesthesia 2010; 65: 936–941

4 Perry JJ, Lee JS, Sillberg VA et al. Rocuronium versus succi-nylcholine for rapid sequence induction intubation. Cochrane Database Syst Rev (2008); CD002788

Prof. Dr. med. Götz Geldner, Direktor der Klinik für Anästhesie, Intensiv-medizin, Schmerz-therapie und Notfall-medizin, Klinikum Ludwigsburg

Es verwenden zwar immer mehr Anästhe­sisten Rocuronium für die RSI, trotzdem entscheiden sich die allermeisten für Suc­cinylcholin [1]. Zentrales Argument dafür ist noch immer dessen kurze Wirkungs­zeit: Bei Schwierigkeiten mit dem Atem­wegsmanagement könnte eine rechtzeitig einsetzende Spontanatmung den Patienten vor Hypoxie schützen. Dass es sich dabei v. a. um eine gefühlte Sicherheit handelt, ist wohl inzwischen jedem Anästhesisten bewusst: Bei den meisten RSI-Einleitungen reichen die Sauerstoffreserven kaum aus, bis die neuromuskuläre Erholung nach Succinylcholin eine rettende Spontanat­mung wieder erlauben würde. Daher haben Atemwegshilfen längst einen viel größeren Stellenwert zur Vermeidung dieses Horror­szenarios [2, 3].

Kommentar

▶ 719 s für die Succinylcholin-Gruppe (p < 0,0001).

Ausgehend vom Zeitpunkt der erfolgreichen Intubation waren es 168 s und 518 s respek­tive (p < 0,0001). Die Intubationsbedingungen waren in bei­den Gruppen ähnlich, überraschenderweise mit einer Tendenz zu besseren Bedingun­gen mit Rocuronium. In der Succinylcho­lin­Gruppe berichten die Autoren über je 1 Episode von Bronchospasmus und Ent­sättigung auf 80 %, 2 Patienten erfuhren schwere postoperative Muskelschmerzen. In der Rocuronium-Sugammadex-Gruppe kam es 1-mal zum Auftreten von Urticaria bei Desinfektion des OP-Gebiets und 1-mal zu einer Tachykardie mit einer HF > 100/min. In keiner Gruppe kam es zu Awareness.

Nach Einführung von Sugammadex wird Ro-

curonium alternativ zu Succinylcholin zur

Durchführung der Rapid-Sequence-Induction

(RSI) verwendet. Dafür müssen allerdings

nicht nur Anschlagszeit und Intubationsbe-

dingungen, sondern auch die Rückkehr der

neuromuskulären Erregbarkeit vergleichbar

sein. Sørensen und Kollegen haben dies in

einer randomisierten Doppelblindstudie de-

monstriert.

Sie untersuchten das Wiedereinsetzen der Spontanatmung und das Abklingen der neuromuskulären Blockade nach einer RSI bei 55 Patienten. Ihr Ergebnis: Beides findet nach Verwendung von Rocuronium + Su­gammadex signifikant früher statt als nach Succinylcholin. Im Rahmen elektiver Ope­rationen führte die Forschergruppe – bei gegebener Indikation – eine RSI nach loka­lem Protokoll durch (Präoxygenierung über 3 min, Alfentanil 10 μg/kg KG, Propofol 2 mg/kg KG, Succinylcholin 1 mg/kg KG oder Ro­curonium 1 mg/kg KG und nach Intubation Sugammadex 16 mg/kg KG). Zur Aufrechter­haltung wählten sie 3 mg/kg KG/h Propofol mit zusätzlichen Boli mit einem Ziel-Bis­pektralindex von 45–55.Primärer Endpunkt war die Zeit bis zum Einsetzen spontaner Ventilation – definiert als 8 Atemzüge/min und einem Atemzeit­volumen (AZV) von 3 ml/kg KG über mind. 30 s. Als sekundären Endpunkt wählten die Forscher die 90 %-ige Erholung der ersten Muskelantwort nach TOF-Stimulation („T1 90 %“; TOF: Train of Four, T4/T1-Verhältnis). Sie maßen die Dauer ausgehend vom Zeit­punkt der Applikation des Relaxans sowie der erfolgreichen endotrachealen Intubati­on. Zusätzlich verglichen sie die Qualität der Intubationsbedingungen 60 s nach Relaxa-tion.

▶ In der Rocuronium-Sugammadex-Grup­pe (n = 29) betrug die mediane Dauer bis zur Rückkehr der Spontanatmung 216 s,

▶ in der Succinylcholin-Gruppe (n = 26) da­gegen 406 s (p = 0,002).

Die „T1 90 %” betrug ▶ 282 s für die Rocuronium-Sugammadex-

Gruppe und

Fazit Die Autoren folgern, dass man die Sicherheit bei RSI durch Rocuronium + Su­gammadex erhöhen kann, v. a., weil man so im Falle einer „cannot ventilate, cannot intubate“­Situation eine kritische Entsät­tigung verhindern kann. Weitere Gründe seien das günstigere Nebenwirkungsprofil, möglicherweise bessere Intubationsbedin­gungen und die geringere Tendenz, selbst frühe Entsättigungen zu verursachen.

Dr. med. Johannes Achenbach, Hannover

Sørensen MK, Bretlau C, Gätke MR et al. Rapid

sequence induction and intubation with rocuro-

nium-sugammadex compared with succinylcho-

line: a randomized trial. Br J Anaesth 2012; 108:

682–689

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Journal Club

Referat

Periphere Regionalanästhesie: Nervenschäden trotz Ultraschallwusstlosigkeit, Krampfanfälle, Herzrhyth­musstörungen oder ein Herz-Kreislauf-Still­stand auf, lag nach Definition der Autoren eine systemische Überdosierung mit ört­lichem Betäubungsmittel vor. Ein postope­rativer Nervenschaden lag nach Definition der Untersucher vor, wenn

▶ Gefühlsstörung oder motorische Schwä­che länger als 5 Tage nach dem Eingriff bestanden und

▶ das neurologische Defizit anatomisch eindeutig zu dem Nervenareal passte, das durch den vorausgegangenen Block abgedeckt war.

Die häufigsten Blockaden waren ▶ die N.-femoralis-Blockade (34,6 %), ▶ der interskalenäre Block (15,8 %) und ▶ der supraklaviculäre (11,9 %) Block.

In fast 40 % der Fälle benutzten die Anästhe­sisten einen Nervenstimulator zusätzlich zum Ultraschall.

▶ Insgesamt traten bei 23 Patienten post­operative Nervenschäden auf (0,18 %),

▶ nach 6 Monaten hatten noch 12 Patien­ten Beschwerden (0,09 %).

▶ Längerfristige Nervenprobleme fanden die Forscher tendenziell beim interska­lenären Block (p = 0,002) und bei Kathe­ter-Verfahren (p = 0,08).

Bei peripheren Regionalanästhesien sind

eine akute Überdosierung mit örtlichem

Betäubungsmittel und ein bleibender Ner-

venschaden besonders gefürchtet: Sites et al.

haben bei über 12 000 ultraschallgesteuerten

Regionalanästhesien untersucht, wie häufig

diese Nebenwirkungen auftraten.

Ultraschallgesteuerte periphere Regional­anästhesien sind mit einem erhöhtem Risiko für bleibende Nervenschäden assoziiert. Eine Überdosierung von Lokalanästhetika tritt da­gegen sehr selten auf. Das haben die Wissen­schaftler vom Dartmouth-Hitchcock Medical Center, Lebanon, USA, herausgefunden.Die Anästhesisten untersuchten alle Pati­enten ihrer Abteilung, die von Juli 2003 bis Februar 2011 eine periphere Regionalanäs­thesie erhalten hatten (n = 12 668). Zur An­lage der Regionalanästhesie verabreichten die Ärzte i. v. Midazolam und Fentanyl nach einem abteilungsinternen Standard.

▶ Jede Blockade wurde ultraschallgesteu­ert durchgeführt, allerdings durften die Anästhesisten zusätzlich einen Nerven­stimulator benutzen.

Für die Nervenblockade konnten die Ärzte zwischen verschiedenen Lokalanästhetika wählen. Traten während der Injektion Be­

Prof. Dr. med. Hinnerk Wulf,Direktor der Klinik für Anästhesie und Intensivtherapie am Standort Marburg, UniversitätsklinikumGießen und Marburg

Die vorliegenden Studien, Fallberichte und Registerdaten weisen darauf hin, dass die periphere Regionalanästhesie in Hinsicht auf das Auftreten von Nervenschädigungen eine durchaus sichere Technik darstellt. Schwere neurologische Komplikationen in Form ir­reversibler Nervenschäden sind sehr selten (0,03 %). Lediglich reversible neurologische Symptome werden wesentlich häufiger be­obachtet (3–8 %). Irreversible Nervenschäden

Kommentar

Im gesamten Untersuchungszeitraum trat nur ein einziges Mal eine systemische Über­dosierung mit örtlichem Betäubungsmittel auf (0,008 %): Bei Anlage eines N.-femora­lis-Katheters in „Out-of-Plane“-Technik er­kannte der Anästhesist nicht, dass die Ka­nülenspitze im Blutgefäß lag. Die Autoren empfehlen daher, während der Injektion sonografisch zu kontrollieren, wie sich das Lokalanästhetikum im Gewebe ausbreitet.

Fazit Die akute Überdosierung von örtli­chem Betäubungsmittel ist ein sehr seltenes Ereignis bei ultraschallgesteuerter peri­pherer Regionalanästhesie. Nervenschäden können auch unter Anwendung von Ultra­schall nicht ganz vermieden werden. Ins­gesamt ist das Verfahren nach Meinung der Autoren relativ sicher.

Dr. med. Felix Gössler, Mainz

Sites BD, Taenzer AH, Herrick MD et al. Incidence

of local anesthetic systemic toxicity and post-

operative neurologic symptoms associated with

12 668 ultrasound-guided nerve blocks: An analy-

sis from a prospective clinical registry. Reg Anesth

Pain Med 2012; Jun 14: Epub ahead of print

sind also selten, jedoch von großer Relevanz für den Patienten und für forensische Aus­einandersetzungen. Insbesondere die hohe Rate transienter neurologischer Symptome kann einen nicht zu unterschätzenden Ein­fluss auf die Patientenzufriedenheit, den Behandlungskomfort und die Akzeptanz der peripheren Blockadetechniken haben. Das kontrolliert-gezielte Umspülen von Ner­venstrukturen unter Ultraschall hat sich als entscheidendes Zielkriterium für eine erfolg­reiche Blockade herausgestellt. Lediglich bei kontinuierlichen Verfahren scheint die Ultra­schalltechnik den stimulierbaren Kathetern im Hinblick auf die Blockadequalität nicht ebenbürtig zu sein. Des Weiteren stößt die Sonografie bei tiefen Nervenlokalisationen auf ihre technischen Grenzen, weshalb sich

eine Kombination mit der Nervenstimulati­onstechnik empfiehlt. Zur Vermeidung mög­licher Nervenschäden durch intraneurale Punktion oder Lokalanästhetikagabe hat sich keines der beiden Verfahren als überlegen gezeigt. Zwar liegt bisher keine Evidenz vor, dass die Kombination beider Techniken die Patientensicherheit verbessert, jedoch wird angenommen, dass eine intraneurale Kanü­lenlage sicherer auszuschließen ist. Derzeit sind also keine Vorteile der Ultraschalltech­nik bei der Vermeidung von Nervenschäden nachgewiesen. Dies bestätigen indirekt auch die Inzidenzen der vorliegenden Studie. Da­gegen gilt die zuverlässigere Vermeidung von Gefäßpunktionen unter Ultraschall mitt­lerweile als gesichert. Auch dies scheint die Studie von Sites et al. zu unterstreichen.

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Referat

Sectio unter Reanimation: Wieviel Zeit bleibt?

80 Studien nur 94 Fälle analysieren konn­ten, bei denen eine Schwangerenreanima­tion durchgeführt werden musste. Zudem war diese Reanimationen mit einem guten neurologischen Status bei Krankenhausent­lastung assoziiert. Da die geforderten 4 min bis zur Entbindung nur in sehr wenigen Fäl­len eingehalten werden konnten, erscheint der Vorschlag der Autoren, die Zeitvorgabe auf 10 min zu ändern, zumindest diskussi­onswürdig. In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass das gute Outcome dadurch ermöglicht werden konnte, dass die Pati­entinnen, die im Krankenhaus reanima­tionspflichtig wurden, an einem Monitor überwacht wurden. Die Bedeutung dieser Überwachungsmaßnahme kann offensicht­lich nicht überbewertet werden.

Prof. Dr. med. Gernot Marx, Direktor der Klinik für Operative Intensivme-dizin und Intermediate Care, Universitätsklini-kum Aachen

Die Reanimation von Schwangeren ist eine besonders schwerwiegende Situation. Die israelischen Kollegen haben mit ihrem Li­teraturreview über einen 30-jährigen Zeit­raum eine wichtige Grundlage geschaffen, auf der die existierenden Reanimationsleit­linien zur Schwangerenreanimation erneut diskutiert werden sollten. Erfreulich ist das Ergebnis des Literaturreviews, weil diese in

Kommentar

Von diesen Patientinnen überlebten 89,5 % bis zur Krankenhausentlassung – und dies mit überwiegend gutem neurologischen Status (78,4 %). Der Kreislaufstillstand im Krankenhaus und eine Kaiserschnittentbin­dung innerhalb von 10 min waren Prädik­toren für das mütterliche Überleben (Odds Ratio 7,42 und 5,17). Trotzdem fanden sich mehr Fälle mit ROSC ohne Kaiserschnittent­bindung (93,8 %).Zum Outcome der Neugeborenen:

▶ Die Gesamtüberlebensrate betrug bei Einzelkindern 63,3 %.

▶ Die Überlebensrate bei Zwillingen war mit 63,1 % vergleichbar.

Auch hier war der Kreislaufstillstand inner­halb des Krankenhauses ein positiver Prä­diktor für das Überleben (Odds Ratio 13,02).Die geforderten 4 min bis zur Entbindung konnten in lediglich 4 von 57 Fällen einge­halten werden. Die durchschnittliche Abnabelungszeit be­ trug bei den überlebenden Neugebore­nen 14 min., bei den verstorbenen 22 min. (p = 0,016).

Fazit Zwar ist eine Schwangerenreanima­tion ein deletärer Zustand, jedoch ist das mütterliche Outcome besser als in ande­

Ein Kreislaufstillstand bei Schwangeren ge-

hört glücklicherweise zu den seltenen Ereig-

nissen. Die Reanimationsleitlinien empfehlen

eine Kaiserschnittentbindung in den ersten

4 min. nach Einsetzen des Kreislaufstillstan-

des. Sharon Einav und Kollegen haben über-

prüft, ob diese Frist gerechtfertigt ist.

Schwangere mit einem hohen Risiko kar­dialer Komplikationen sollten engmaschig überwacht werden. Im Falle eines Kreis­laufstillstandes sollte eine hochqualitative Reanimation und die Kaiserschnittentbin­dung innerhalb der ersten 10 min erfolgen. Das schließen Sharon Einav, Nechama Kauf­mann und Hen Y. Sela vom Shaare Zedek Medical Centre, Jerusalem (Israel) aus ei­nem Literatur-Review. Sie analysierten insgesamt 1594 Artikel aus den Jahren 1980–2010, von denen letztlich 80 in die Studie eingingen. Diese beschrie­ben 94 Fälle, in denen Schwangere reani­miert wurden. Hauptgründe für die Reani­mation waren

▶ Trauma (20,2 %) ▶ mütterliche kardiale Komplikationen

(19,1 %) und ▶ Komplikationen einer schweren Prä-

eklampsie (18,1 %).Das Kava-Kompressions-Syndrom war le­diglich in einem Fall ursächlich für einen Kreislaufstillstand. 67 % der Patientinnen wurden im Krankenhaus am Monitor re­animationspflichtig. Daher wurde auch der Großteil (89,4 %) beobachtet, so dass der ini­tiale Rhythmus dokumentiert war:

▶ Asystolie 25,5 % ▶ Kammerf lattern/Kammerf limmern/

pulslose Kammertachykardie 24,5 % ▶ „Herzstillstand“ 20,4 %

Defibrillierbare Rhythmen waren mit einem besseren Outcome assoziiert. In 87,2 % der Fälle erfolgte eine Kaiserschnittentbindung, jedoch wurde bei nur 75 % die hierfür benö­tigte Zeit nach Kreislaufstillstand dokumen­tiert. Zum Outcome der Mütter:

▶ Ein Return­of­spontaneous­Circulation (ROSC) trat bei 60,6 % ein.

ren Reanimationssituationen. Die Autoren stellen fest, dass die 4 min Entbindungs­zeit nicht realistisch eingehalten werden können. Sie schlagen eine Zeitvorgabe von 10 min vor, zumal der Zusammenhang zwi­schen Kaiserschnittentbindung und mütter­lichem Outcome weiterhin unklar bleibt.

Dr. med. Marc-Michael Ventzke, Ulm

Einav S, Kaufman N, Sela HY. Maternal cardiac ar-

rest and perimortem caesarean delivery: Evidence

or expert-based? Resuscitation 2012; May 18:

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Abb. Ein seltener Notfall: Kreislaufstillstand bei einer Schwangeren. Nach den Reanimationsleitlinien sollte innerhalb der ersten 4 min eine Sectio erfolgen – den Studien ergebnisse von Einav et al. zufolge kann diese Zeit in der Realität oftmals nicht eingehalten werden.

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Nachgehakt

Untersuchung zur frühen empirischen Anti-biotikatherapie von Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock. Die pharma-zeutische Industrie hatte solche Patienten bislang in ihren Zulassungsstudien für neue Antibiotika ausgeschlossen – und die Frage, ob eine Kombinations- oder eine Monothe-rapie vorteilhafter ist, blieb daher offen.

Gab es vorher Studien, die einen Vorteil der Kombinationstherapie andeuteten?Einige Studien in Bezug auf schwere In-fektionen durch gramnegative Bakterien, neutropenische Sepsis und Endokarditis unterstützen die Hypothese, dass relevante Synergismen durch bestimmte Kombina-tionen erreicht werden können. Eine Meta- Regressionsstudie von Kumar und Kolle-gen [2] ergab, dass ein positiver Effekt auf kritisch kranke Patienten mit septischem Schock beschränkt sein könnte; eine an-dere vom gleichen Autor zeigte bei gram-positivem bakteriellen septischen Schock die Möglichkeit einer geringeren 28-Tage-Mortalität sowie einer geringeren Kranken-hausmortalität [3]. Die Ergebnisse bezo-gen sich jedoch auf die Kombination von

Die Ergebnisse der weltweit ersten Studie

zur frühen Therapie von Sepsispatienten

mit Breitspektrumantibiotika sind da. Die in

JAMA vorgestellte MAXSEP-Studie zeigt: Eine

Kombinationstherapie mit 2 Breitbandanti-

biotika hat im Vergleich zur Therapie mit nur

einem Präparat keinerlei Vorteile bezüglich

des Vorkommens von Organversagen. Das

Antibiotikum Meropenem wirkte genauso

gut wie die gleichzeitige Gabe zweier Anti-

biotika mit unterschiedlichen Wirkmecha-

nismen [1]. Beim Erstautor der Studie, Prof.

Dr. Frank M. Brunkhorst vom Universitäts-

klinikum Jena, haben wir nachgehakt.

Warum war diese Studie zur Antibiotika­therapie bei Patienten mit schwerer Sepsis nötig?Das Thema ist hochrelevant, denn von den Patienten mit schwerer Sepsis und septi-schem Schock versterben 30 – 50 %. Die The-rapie mit Breitspektrumantibiotika muss innerhalb der ersten Stunden nach Krank-heitsbeginn und bereits vor dem definitiven Erregernachweis eingeleitet werden.Vor unserer Studie gab es weltweit noch kei-ne prospektive randomisierte, kontrollierte

β-Lactam-Antibiotika mit Aminoglykosiden, Fluorchinolonen oder Makroliden und Clin-damycin.

Wer war an der MAXSEP­Studie beteiligt?Es waren 44 Intensivstationen in Deutsch-land an der Durchführung der Studie betei-ligt. Die Koordination übernahm die deut-sche Studiengruppe Kompetenznetz Sepsis – SepNet.

Wie war die Studie konzipiert?Die Studie wurde von Oktober 2007 bis März 2010 durchgeführt und es wurden 600 Patienten mit schwerer Sepsis bzw. septischem Schock eingeschlossen. Auslöser der Sepsis waren meist Pneumonien und Infektionen im Bauchraum. Allen Patienten wurde vor der Therapieeinleitung Blut für die Blutkulturen abgenommen. Die Patien-ten wurden in 2 Gruppen randomisiert:

▶ 298 Patienten erhielten eine intravenöse Monotherapie mit Meropenem und

▶ 302 Patienten eine Kombinations-therapie mit Meropenem plus Moxi-floxacin.

Schwere Sepsis: Reicht ein einziges Antibiotikum?Nachgehakt bei Prof. Dr. Frank M. Brunkhorst

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Die Therapie wurde für 7 Tage empfohlen bzw. bis zu maximal 14 Tagen nach der Ran-domisierung oder bis zur Entlassung von der Intensivstation. Um die Behandlung zu steuern, verwendeten wir den Biomarker Procalcitonin.

Welche Ergebnisse erhielten Sie?Die Untersuchung der Blutkulturen ergab bei 33 % der Patienten einen positiver Erre-gernachweis. Die Patienten wurden durch-schnittlich 8 Tage behandelt – im Gegensatz zu anderen Studien, bei denen die Behand-lung fast doppelt so lange dauerte. Schwere Nebenwirkungen traten unter der Behand-lung mit Moxifloxacin nicht auf.49 der 600 Patienten wurden von der Aus-wertung ausgeschlossen, da im Nachhinein keine Zustimmungserklärung erteilt wurde. Bei den 551 auswertbaren Patienten konn-ten weder bezüglich des Organversagens noch im Hinblick auf die 28- und 90-Tage-Sterblichkeit statistisch signifikante Unter-schied festgestellt werden:

▶ Bis zum 28. Tag verstarben 66 Patienten, die eine Kombina tionstherapie erhalten hatten, und 59 Patienten der Monothera-piegruppe – also 23,9 % versus 21,9 %.

▶ Bis zum Tag 90 gab es 96 Todesfälle in der Kombinationstherapiegruppe und 84 Todes fälle in der Monotherapiegruppe. Das ist nur ein Unterschied von 35,3 % zu 32,1 %.

Welche Schlüsse lassen sich aus den Zahlen ziehen?Es stellte sich heraus, dass Meropenem ein hochwirksames Antibiotikum in der empi-rischen Initialtherapie ist. Allerdings sollten nur Patienten mit hohem Sterberisiko derart behandelt werden. Die Dauer der Therapie muss an die Blutkulturergebnisse angepasst und möglichst kurz gehalten werden. Wir folgern weiterhin aus den Ergebnissen der Studie, dass eine empirische Kombinations-behandlung mit 2 Breitbandantibiotika im Vergleich zur Therapie mit einem Präparat nicht zu weniger Organversagen führt – zu-mindest bezogen auf den 14-Tages-SOFA-Score.

Warum wurde Moxifloxacin als Antibio­tikum gewählt?Moxifloxacin wurde aus 3 Gründen ausge-wählt:

▶ Ambulant erworbene Infektionen, ganz besonders ausgelöst durch Streptokok-ken und Staphylokokken, sollten damit abgedeckt werden.

▶ Außerdem sollten intraabdominelle Infektionen durch doppelte Antibiotika-gabe verhindert werden.

▶ Drittens wurden für Moxifloxacin schnelle antibakterielle und antiin-flammatorische Effekte beschrieben.

Was muss bei der Interpretation der Ergeb­nisse in Bezug auf die Kombinationstherapie beachtet werden? In dieser Studie war die Kombinations-therapie nicht der Monotherapie überle-gen. Allerdings war Streptococcus pneumo-niae bei unseren Patienten sehr selten – er machte nur 4,5 % der Krankheitserreger aus. Oft ist dieser Prozentsatz wesentlich höher. Wir können daher nicht sagen, ob eine an-dere Patientenzusammensetzung mit mehr grampositiven Erregern einen Vorteil in Be-zug auf die Kombinationstherapie gezeigt hätte. Wenn in unserer Studie nur gram-negative Bakterien abgedeckt wurden, wäre das eine Erklärung, warum kein höherer Erfolg nachzuweisen war: Von diesen Erre-gern sind nur wenige resistent gegen Mero-penem; das zweite Antibiotikum muss so-zusagen dann nicht in die Bresche springen.

Wie ist der Zeitpunkt der Antibiotikagabe zu bewerten? Das Outcome des Patienten hängt stark vom Zeitpunkt der Antibiotikagabe ab. In unserer Studie wurde Meropenem in 96,8 % der Fäl-le initial zum adäquaten Zeitpunkt gegeben. Antibiotika wurden vorwiegend in den ersten 1½ Stunden nach Aufnahme das erste Mal verabreicht. Beobachtungsstudien halten diese Zeiten oft nicht so genau ein, daher können die Ergebnisse dann auch unter-schiedlich ausfallen. Man kann an unse-ren Zahlen jedoch abschätzen, wieviel der richtige Zeitpunkt bei der Behandlung aus-macht.

Was ist das Besondere an dieser Studie in Bezug auf die Antibiotikaentwicklung?Erstmals wurde eine randomisierte klini-sche Studie zur empirischen Antibiotika-therapie bei schwerer Sepsis in Kooperation mit der pharmazeutischen Industrie unter Koordination einer akademischen Studien-gruppe durchgeführt. Angesichts der Zunahme von Antibiotikaresistenzen bei Fäkalbakterien und der mangelnden Verfüg-barkeit von neuen Antibiotika ist eine enge Zusammenarbeit mit der pharmazeutischen Industrie ein großer Fortschritt.

Die Fragen stellte Anna-Luise Vogel.

Prof. Dr. med. Frank M. Brunkhorst arbeitet an der Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie der Friedrich-Schiller-Universität Jena in der Paul-Martini-Forschergruppe für klinische Sepsisforschung und ist General sekretär der Deutschen Sepsisgesellschaft. E-Mail: [email protected]

Die Studie wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, aber auch von den Firmen Astra Zeneca GmbH (Wedel), und Bayer Vital GmbH (Leverkusen) in Form von „unrestricted grants“ gefördert. Die be-teiligten Firmen hatten in diesem „investi-gator-initiated trial“ keinen Einfluss auf das Studiendesign, die Studienduchführung, die Auswertung der Daten und die Publikation.

Literatur: 1 Brunkhorst FM, Oppert M, Marx G et al. for the German

Study Group Competence Network Sepsis (SepNet). Effect of empirical treatment with moxifloxacin and meropenem vs meropenem on sepsis-related organ dysfunction in pa-tients with severe sepsis: a randomized trial. JAMA 2012; 307: 2390–2399

2 Kumar A, Safdar N, Kethireddy S, Chateau D. A survival benefit of combination antibiotic therapy for serious infec-tions associated with sepsis and septic shock is contingent only on the risk of death. Crit Care Med 2010; 38: 1651–1664

3 Kumar A, Zarychanski R, Light B et al. Early combination antibiotic therapy yields improved survival compared with monotherapy in septic shock. Crit Care Med 2012; 38: 1773–1785

Beitrag online zu finden unter http://dx.doi.org/10.1055/s-0032-1327040

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Journal Club AINS 1· 2012

Referat

Neuroinflammation läuft nicht über den Opioidrezeptor

Unter Morphintherapie beobachtet man im­

mer wieder entzündliche Veränderungen im

Nervengewebe. Klinisch sind diese entzünd­

lichen Veränderungen u. a. mit Toleranz­

entwicklung und Abhängigkeit assoziiert.

Wissenschaftler um Xiaohui Wang von der

University of Adelaide, Australien, konnten

jetzt am Tiermodell zeigen, dass dieser Effekt

über Rezeptoren des angeborenen Immun­

systems vermittelt wird und pharmakolo­

gisch gehemmt werden kann.

Bisher gingen die meisten Wissenschaftler davon aus, dass die Neuroinflammation bei Morphintherapie über den Opioidrezeptor vermittelt wird. Das scheint aber nicht der Fall zu sein, wie Wang und Kollegen jetzt in einer Serie von Experimenten nachweisen konnten. Vielmehr scheint die Neuroin-flammation über den Toll-Like-Rezeptor 4 (TLR 4) vermittelt zu werden, einen Rezep-tor des angeborenen Immunsystems, der u. a. als Zielstruktur des bakteriellen Endo-toxins LPS bekannt ist.Tatsächlich wirkt Morphin an diesem Re-zeptor ganz ähnlich wie LPS: Es bindet an ein akzessorisches Protein, das Myeloid-Differentiation-Protein (MD-2). Das mit Morphin verbundene MD-2 bindet wiede-rum an TLR 4 und bildet ein Oligomer, das letztlich die TLR-4-Signalkaskade initiiert. Mit anderen Worten:

▶ Analog zu LPS führt Morphin zu einer Aktivierung des TLR-4-Signalling. Das angeborene Immunsystem wird akti-viert, es kommt zur Neuroinflammation.

Dass der Signalweg über TLR 4 der ent-scheidende ist, konnten die Wissenschaft-ler mit Mäusen belegen, bei denen TLR 4 /MD-2 durch einen genetischen Knock-out entfernt worden war. Diese Mäuse zeigten unter Morphintherapie nicht nur keinerlei Hinweise auf eine Neuroinflammation. Die analgetische Wirkung des Morphins war auch wesentlich stärker als in Mäusen ohne Knock-out.Bestätigt wurden diese Beobachtungen durch weitere Experimente, bei denen TLR 4 /MD-2 durch kleine inhibierende

Moleküle (ein TLR-4-Hemmer und ein MD-2-Antagonist) und durch RNA-Interferenz blockiert wurde. In beiden Fällen das glei-che Bild:

▶ Der analgetische Effekt von intrathekal appliziertem Morphin war wesentlich ausgeprägter, wenn gleichzeitig einer der Hemmstoffe von TLR 4/MD-2 appli-ziert wurde.

Nach Ansicht der Autoren liefert der be-schriebene Signalweg einen interessanten Ansatz, um die Verträglichkeit der Morphin-therapie pharmakologisch zu verbessern. Zwar seien mehrere klinische Studien mit TLR-4-Hemmstoffen an unterschiedlichen Stellen der TLR-4-Signalkaskade (u. a. bei Sepsis) nicht von Erfolg gekrönt gewesen. Möglicherweise liefere aber das durch Mor-phin-Einwirkung gebildete TLR 4/MD-2- Oligomer ein neues Target, mit dem TLR 4

vergleichsweise selektiv medikamentös an-gegangen werden könnte.

Fazit Die Neuroinflammation unter Mor-phintherapie ist Folge einer Aktivierung des TLR-4-Signalwegs – und nicht Folge der Morphinwirkungen am Opioidrezeptor. Eine Hemmung der TLR-4-Signalkaskade (und speziell des durch Morphin induzier-ten TLR-4 / MD-2-Oligomers) könnte ein neuer Ansatzpunkt für TLR-4-hemmende Therapien sein. Damit ließe sich u. a. die Verträglichkeit von Morphin verbessern.

Philipp Grätzel von Grätz, Berlin

Wang X, Loram LC, Ramos K et al. Morphine

activates neuroinflammation in a manner parallel

to endotoxin. Proceedings of the National

Academy of Sciences (PNAS) 2012; 109:

6325–6330

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