Internationale Offnung der Schweiz

61
140 Internationale Öffnung der Schweiz Peter Balastèr 1 Abstract Dieser Beitrag hat die internationale Öffnung der Schweiz zum Gegenstand. Zunächst wird der Frage nachgegangen, ob und warum theoretisch die aussenwirtschaftliche Öffnung einen Wachstumsbeitrag ergibt, der noch über das hinausgeht, was die Theorie der relativen Faktorausstattung und der Aufholprozesses zurückliegender Länder in Sachen Technologie erklären. Wieweit die Theorie in der Empirie eine Bestätigung findet, wird anschliessend betrachtet, bevor die Ergebnisse der Studien zu den wirtschaftlichen Auswirkungen eines EU-Beitritts der Schweiz zusammengefasst werden. In allen Teilen hervorgehoben wird die zentrale Bedeutung, die einerseits den WTO-Regeln zukommt, anderseits der Ausgestaltung unseres Verhältnisses zur EU. Die Doha-Runde und die bilateralen Verhandlungen II mit der EU sind denn auch die Hauptachsen, entlang denen gehandelt werden kann. Frühzeitig eingeleitete Reformen im Agrarsektor sollten Anpassungserfordernisse im Inland, welche aus international vereinbarten Liberalisierungen hervorgehen, erträglicher gestalten. Namentlich wird für eine frühzeitige Einleitung des Strukturwandels innerhalb der Landwirtschaft selbst plädiert. 1 Der Autor dankt den Teilnehmern des WP-Seminars für ihre wertvollen Kommentare. Allfällige Fehler verbleiben selbstverständlich in der Verantwortung des Autors.

description

La série WP Discussion Papers présente, à intervalles irréguliers, des analyses plutôt techniques du domaine de prestations «Analyses et politique économique» du Secrétariat d'Etat à l'économie (seco). Il s'agit pour les auteurs de présenter des thèmes de discussion, qui ne recouvrent pas nécessairement l'avis du seco ou du DFE.

Transcript of Internationale Offnung der Schweiz

  • 140

    Internationale ffnung der Schweiz

    Peter Balastr1

    Abstract

    Dieser Beitrag hat die internationale ffnung der Schweiz zum Gegenstand. Zunchst wird der Frage nachgegangen, ob und warum theoretisch die aussenwirtschaftliche ffnung einen Wachstumsbeitrag ergibt, der noch ber das hinausgeht, was die Theorie der relativen Faktorausstattung und der Aufholprozesses zurckliegender Lnder in Sachen Technologie erklren. Wieweit die Theorie in der Empirie eine Besttigung findet, wird anschliessend betrachtet, bevor die Ergebnisse der Studien zu den wirtschaftlichen Auswirkungen eines EU-Beitritts der Schweiz zusammengefasst werden. In allen Teilen hervorgehoben wird die zentrale Bedeutung, die einerseits den WTO-Regeln zukommt, anderseits der Ausgestaltung unseres Verhltnisses zur EU. Die Doha-Runde und die bilateralen Verhandlungen II mit der EU sind denn auch die Hauptachsen, entlang denen gehandelt werden kann. Frhzeitig eingeleitete Reformen im Agrarsektor sollten Anpassungserfordernisse im Inland, welche aus international vereinbarten Liberalisierungen hervorgehen, ertrglicher gestalten. Namentlich wird fr eine frhzeitige Einleitung des Strukturwandels innerhalb der Landwirtschaft selbst pldiert.

    1 Der Autor dankt den Teilnehmern des WP-Seminars fr ihre wertvollen Kommentare. Allfllige Fehler verbleiben selbstverstndlich in der Verantwortung des Autors.

  • 141

    Inhaltsverzeichnis 1 Von der Unmglichkeit, sich der Globalisierung zu entziehen 143 2 Internationale ffnung und Wirtschaftswachstum: Was sagt die Theorie 144 3 Empirische Ergebnisse zu internationaler ffnung und Wachstum 149 4 Wrdigung der Indikatoren zur internationalen ffnung 157 4.1 Zum Leitindikator 158 4.2 Die weiteren statistischen Indikatoren 160 4.2.1 Handelsschranken 160 4.2.2 Auslandsinvestitionen 161 4.2.3 Die Spezialisierung nach Wirtschaftszweigen 163 4.2.4 Die auslndische Bevlkerung 164 4.3 Die Umfrageergebnisse 164 4.4 Indikatoren zur Agrarpolitik im besondern 165 5 Institutionelles Umfeld 174 6 Darstellung der aktuellen Situation 175 7 Trends auf internationaler Ebene /

    best practices 182

    8 Empfehlungen internationaler Organisationen 185 9 Stossrichtung einer zuknftigen Politik in der Schweiz 186 9.1 Wahrnehmung unserer offensiven Interessen 187 9.1.1 Vertiefung der Integration mit der EU 187 9.1.2 Wahrnehmung unserer offensiven Interessen

    In der WTO 189 9.1.3 Ausdehnung des Vertragsnetzes (Freihandels-

    Abkommen via EFTA, bilaterale Wirtschafts- Beziehungen) 191

    9.2 berwindung des Agrarprotektionismus 191

  • 142

    9.2.1 International kompatible Ausgestaltung nationaler Rahmenbedingungen 196

    Literaturverzeichnis 197

  • 143

    1 Von der Unmglichkeit, sich der Globalisierung zu entziehen Der aus internationalen Verhandlungen in der WTO und aus bilateralen Verhandlungen mit der EU resultierende Rechtsrahmen greift immer tiefer in frher der nationalen Politik vorbehaltene politische Handlungsspielrume hinein und zwingt so immer weitere Sektoren, ihre Vorleistungs-, Produktions-, Entwicklungs- und Vertriebsstrukturen in einem internationalen Kontext zu optimieren. Die Schweiz definiert sich seit jeher als kleine offene Volkswirtschaft. Dies bedeutet einerseits, dass sie auf Grund ihrer Grsse nur beschrnkte Mglichkeiten hat, eine strategische Handelspolitik zu betreiben. Die Schweiz kann anderseits wegen ihrer Grsse auch nicht den Weg der Isolation gehen, denn dies hiesse den Wohlstand, der ihr aus der internationalen Arbeitsteilung erwchst, in Frage zu stellen. Die Schweiz ist deshalb in ausgeprgtem Mass auf den internationalen Rechtsrahmen angewiesen, der ihr den gleichberechtigten Zugang zu den Mrkten der Welt gewhrleistet, d.h. auf die WTO. Entsprechendes Gewicht kommt dem Gang der Verhandlungen in dieser internationalen Organisation zu, man denke nur an die Subventionierung der Landwirtschaft, ein Thema, das in diesem Hintergrundpapier angesichts des auf internationaler Ebene aufziehenden Handlungsbedarfs eine breite Darstellung finden wird. Parallel dazu ist die Schweiz aufgrund ihrer geographischen Lage und der bestehenden wirtschaftlichen Verflechtungen zunehmend darauf angewiesen, der Entwicklung in der EU zu folgen. Die Vorstellung, dass zuerst nationale Regelungen getroffen werden knnen, fr die man dann in internationalen Verhandlungen an der Grenze den Ausgleich sucht, wenn sich Liberalisierungen im grenzberschreitenden Verkehr, einzeln oder zu Verhandlungspaketen vereint, als fr beide Seiten von Vorteil erweisen, wird zumindest mit Blick auf die Beziehungen zur EU zunehmend zu einer das politische Denken fehlleitenden Vorstellung. EU-Recht, und immer weniger nationales Recht, legt die Marktordnungen im Europischen Binnenmarkt fest, und wenn sich Mitgliedlnder, die wesentlich grsser als die Schweiz sind, diesen Bestimmungen zu unterziehen haben, so verlangt dies die EU zunehmend auch von jenen Drittstaaten, die ihren bisherigen Marktzugang zum Binnenmarkt wahren wollen. Dies kommt darin zum Ausdruck, dass fr die bilateralen Verhandlungen der acquis communautaire den - von EU-Seite als unverhandelbar erklrten - Ausgangspunkt bildet. Ein guter Teil der Verhandlungen dient folglich allein noch der Klrung der Frage, wieweit Drittstaaten auf dieser Basis die gleichen Zugangsrechte haben sollen und ob diese Drittstaaten im autonomen Nachvollzug zu gleichen, allenfalls noch zu gleichwertigen Regelungen gelangt sind, wobei zumindest im zweitgenannten

  • 144

    Fall Einschrnkungen bei der Einfachheit des Marktzugangs zu gewrtigen sind (in beiden Richtungen). Sowohl in der WTO, wie in der EU den beiden Referenzordnungen, die den vorstehenden Ausfhrungen folgend in diesem Papier eingehend zu betrachten sein werden - ist eine Ausweitung der Gegenstnde festzustellen, ber die international verbindliche Abmachungen getroffen werden. Konzentrierte man sich frher auf den Handel mit Industrieerzeugnissen, fllt in zunehmendem Mass das Sonderstatut, das den landwirtschaftlichen Erzeugnissen wegen ihrer Funktion bei der Deckung des Grundbedarfs der Menschen zugebilligt wurde. Da auf den gehandelten Waren geistige Schutzrechte liegen, sind auch diese zu einem prominenten Thema der WTO-Verhandlungen geworden. Ausgehend von der Feststellung, dass Wertschpfungsketten in zunehmendem Mass aufgebrochen werden und dem intra-industriellen, ja konzerninternen grenzberschreitenden Warenverkehr enorme Bedeutung zukommt, gewinnt der Schutz von Direktinvestitionen an Gewicht. Weiter findet eine Ausweitung der Verhandlungen auf die Dienstleistungen statt. Da Dienstleistungen persnlich erbracht werden, ist ein Konnex zur Personenfreizgigkeit gegeben. Gleichzeitig besteht aber auch ein Bezug zur Kapitalverkehrsfreiheit, da ein wesentlicher Teil der Dienstleistungen mit Finanzierung lokaler Niederlassungen zu tun hat. Ein letztes bedeutendes Thema, das in diesem Papier nach dem Warenhandel, der Landwirtschaft, den geistigen Schutzrechten, den Direktinvestitionen, der Dienstleistungsfreiheit sowie dem freien Personen- und Kapitalverkehr angesprochen werden muss, ist das ffentliche Beschaffungswesen, soll als Einkufer doch auch der Staat die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung nutzen. 2 Internationale ffnung und Wirtschaftswachstum: Was sagt

    die Theorie Die internationale Arbeitsteilung als wesentliche Quelle des Wirtschaftswachstums ist anerkannt, seit David Ricardo nachgewiesen hat, dass Handel sich zum Vorteil beider am Austausch beteiligter Parteien auswirkt. Zwar knnen unter besonderen Umstnden die Vorteile der Handelsliberalisierung berwiegend einer Nation zufallen; weiter lassen sich theoretisch Konstellationen denken, unter denen es von Vorteil ist, vor der Aufnahme von Verhandlungen ber Handelsliberalisierungen hinter protektionistisch hohen Zollschranken eine international wettbewerbsfhige Industrie aufzubauen (fr eine moderne Begrndung siehe Young (1991)). Diese Argumente werden allerdings fr in Entwicklung befindliche Lnder gemacht und ihre Berechtigung ist auch in diesem Fall mehr als zweifelhaft, haben Lnder, die sich frh der internationalen Konkurrenz stellten, in einem statistischen Sinn doch einen besseren Wachstumsausweis vorzulegen als

  • 145

    Lnder, die hohe Zugangsschranken zu ihrem Markt aufrecht erhielten (vgl. unter 2.). Ein wesentlicher Grund mag darin liegen, dass ein offenes System wesentlich dazu beitrgt, dass nicht eine politische Kaste des Landes hinter Zollschranken u..m. unangefochten ihre Pfrnden aufbauen kann. Fr eine hoch entwickelte Volkswirtschaft wie die Schweiz treffen die Argumente zu Gunsten einer Verstrkung der internationalen Arbeitsteilung nur noch verstrkt zu. Dort, wo die Schweiz sich bislang am protektionistischen verhielt, nmlich bei den Agrarerzeugnissen, werden denn auch die nicht-wirtschaftlichen Ziele der Landwirtschaft als Begrndung fr das Fortbestehen massiver Handelsschranken angefhrt. Auch wenn sie zurckzuweisen sind, verweisen die kritischen Einwnde gegen die These von den Vorteilen einer wachsenden internationalen Arbeitsteilung dennoch auf gewisse Aspekte, die es bei der grenzberschreitenden ffnung von Mrkten zu beachten gilt. Einmal werden die heutigen Handelsstrme immer weniger durch angestammte Vorteile eines Landes bei der Erzeugung eines bestimmten Gutes erklrt (Wein in Portugal und Wolle in England). Zurcktreten muss auch die vom Heckscher-Ohlin-Theorem geprgte Sicht der Dinge, wonach der internationale Handel auf unterschiedliche Ausstattungen der teilnehmenden Lnder mit Produktionsfaktoren zurckgeht und dass der Handel bewirkt, dass sich die Entgelte fr Lohn und Kapital in den einzelnen Volkswirtschaften einander angleichen. Immer strker geprgt wird heute der internationale Handel durch industriekonomische Tatsachen. So haben Industrien eines Landes immer wieder neu einen Wettbewerbsvorteil gegenber der auslndischen Konkurrenz zu erringen, soll das Land Nettoexporteur bei der fraglichen Produktion bleiben. Die Richtung von Handelsstrmen ist also immer weniger zeitlos gegeben, oder aus Faktorausstattungen und Faktorintensitten der produzierten Gter abzuleiten, sondern historisch ererbt und somit vor neuen Entwicklungen auch nicht geschtzt. Wenn zentrale Weichenstellungen von den wirtschaftlich Verantwortlichen verpasst werden, ist ein skularer Abstieg ganzer Wirtschaftszweige, Regionen und Lnder denkbar, und dies namentlich dann, wenn die Produktionsfaktoren aus den im Niedergang befindlichen Gebieten auch rumlich abwandern knnen. Zwar gibt es gesamtwirtschaftliche Ausgleichsmechanismen, wenn ein wichtiger und bislang wertschpfungsstarker Wirtschaftszweig eines Landes in die Krise gert und Weltmarktanteile verliert. Bei funktionierenden Arbeits- und Kapitalmrkten im Inland werden sich dann bislang weniger wertschpfungsstarke Industrien besser entwickeln knnen und das Land selbst vermag bei einem tieferen realen Wechselkurs den Zahlungsbilanzausgleich wieder herzustellen. Die Frage bleibt allerdings, auf welchem (Reallohn-) Niveau dies der Fall ist und wie viele (soziale) Kosten die Umstellung nach sich zieht. Im Prozess der wachsenden internationalen Arbeitsteilung spielt nicht zuletzt das Argument der Skalenertrge eine nicht zu unterschtzende Rolle, gerade

  • 146

    auch, weil es heute oft um die ffnung von Mrkten geht, in denen Skalenertrge und Netzwerkeffekte bedeutend sind (Infrastrukturen). Ist die bislang geschtzte, nationale Industrie wegen der beschrnkten Bedrfnisse der einheimischen Wirtschaft oder aus andern Grnden kleinstrukturiert, kann der wirtschaftliche Konzentrationsprozess, der nach einer ffnung oft einsetzt, dazu fhren, dass die Produktion in erheblichem Umfang ins Ausland abwandert, weil dort bereits Produktionseinheiten in Funktion sind, die auf eine andere Marktdimension ausgerichtet sind. Dies gilt fr Industrien, wie fr Dienstleistungen und spricht falls in Verhandlungen durchsetzbar - fr eine mglichst frhe ffnung, damit auch die einheimische Industrie die Skaleneffekte zu nutzen vermag2. Ein aktuelles Beispiel fr eine solche Tendenz mag im Industriebereich die Waggonindustrie sein,3 auch wenn sie nicht von gesamtwirtschaftlicher Bedeutung ist. Im Dienstleistungsbereich kann die Konzentration an Standorten im Ausland zumindest fr die wertschpfungsstarken Funktionen der Unternehmensleitung zutreffen. Sobald der Kunde, oder der Produzent, oder beide mobil sind (vgl. hierzu Henneberger (2001)), kann dies aber auch fr die eigentliche Produktion der Dienstleistung zutreffen. So wohnen im Luftverkehr die meisten Beschftigten im Hub, obwohl sehr viele der Passagiere zwischen zwei andern Punkten verkehren. Der Hinweis auf ein unterschiedliches Schicksal, das Management und Produktion erfassen kann, macht noch eine andere Dimension deutlich, die es bei der Frage, wer mit wem Handel treibt, heute in weit strkerem Mass zu beachten gilt, nmlich das Aufbrechen der Wertschpfungsketten (Sell (2001)). Die Zeit, da nationale Industrien auf der internationalen Bhne gegeneinander im Handelskrieg standen, ist in zunehmendem Mass vorbei. Ein immer grsserer Teil des Welthandels ist firmeninterner Gteraustausch ber Landesgrenzen hinweg.4 Will ein Konzern erfolgreich sein, gilt es, Produktionsschritte und Unternehmensfunktionen dort anzusiedeln, wo hierfr 2 Ein paralleler Effekt der Existenz von Skalenertrgen ist, dass er eine strategische Handelspolitik zu einer wirtschaftspolitischen Option macht (Brandner and Spencer (1985)). Es kann sich lohnen, durch Subventionen Produktionen, wo wenige Anbieter als Oligopolisten weltweit eine hohe Rente abzuschpfen vermgen, ins eigene Land zu holen. Fr eine eingehendere Auseinandersetzung mit der Frage, ob sich fr einen Staat die Verfolgung einer strategischen Handelspolitik lohnt, vgl. Canada (1993). Ergnzend anzumerken ist, dass die Zugehrigkeit zu einem handelspolitischen Block die Konstellation ndert (EU und Airbus). 3 Durch die Liberalisierung des ffentlichen Beschaffungswesens auch in den Sektoren mit Konzessionspflichten wurde fr die kanadische Firma Bombardier ein Einstieg in Europa interessant. Das Werk Pratteln, das kurz vorher zu AdTrans gewechselt hatte, wechselte so erneut die Hand und stand in seinem Fortbestand nun in Konkurrenz mit Standorten in Deutschland, die wre der Konzern in deutscher Hand geblieben - wohl berlegene Chancen gehabt htten. 4 Nach Berechnungen der KOF (vgl. Arvanitis et al. 2000), die sich auf eine Input-Output-Matrix absttzen, wird in den Industriebranchen noch 1/3 der Vorleistungen aus dem Inland bezogen. Hinzu kommt, dass der Wertschpfungsanteil am Produktionswert unter 50% liegt.

  • 147

    die besten Voraussetzungen gegeben sind (Software-Abteilung der alten Swissair in Indien). Parallel dazu verlieren die Unternehmen zunehmend ihre nationale Bindung (Bilanzpressekonferenz einer Basler Chemiefirma in London, Englisch als Konzernsprache in einem schweizerischen Maschinenbaukonzern). Wenn am alten Ort die beschrnkten Ausbaumglichkeiten mit den Grssenanforderungen, die in der fraglichen Industrie gelten, nicht mehr in Einklang zu bringen sind, oder andere Standortvoraussetzungen nicht stimmen, knnen sogar Kernaktivitten ins Ausland abwandern. Dies gilt nicht nur fr industrielle Komplexe, sondern auch fr Dienstleistungen. Tendenzen wie das global sourcing in der Forschung verringern gleichfalls die Bindung an den ursprnglichen Standort. Ganz klassische Standortfaktoren, wie die Grsse oder zentrale Lage eines Landes, interagieren in diesem Wettbewerb ggf. mit ganz modernen Standortfaktoren, im Beispiel eines Drehkreuzes im Luftverkehr (hub) mit der Stringenz der Auflagen in Sachen Lrmschutz als Teil der staatlichen Rahmenbedingungen. Nicht berraschend wird in der laufenden wirtschaftspolitischen Debatte denn auch verbreitet davon gesprochen, dass auf Grund der Globalisierung die einzelnen Staaten mit den Rahmenbedingungen, die sie bieten, direkt miteinander in Konkurrenz treten. Mit in dieses Bild passt, dass in den Wirtschaftsverhandlungen auf der internationalen Ebene zwar weiter ber Zlle gesprochen wird. In rasch an Bedeutung gewinnendem Umfang geht es hier heute jedoch um die Zulssigkeit von sog. Umwelt- und Sozialdumping oder auch darum, was sich als harmful tax competition qualifiziert, alles Gebiete, welche die sog. staatlichen Rahmenbedingungen ausmachen. Wie aus diesen Ausfhrungen deutlich wurde, konzentriert sich die Aussenwirtschaftstheorie auf die Frage, wer mit wem weshalb Handel treibt und wo welche Produktion angesiedelt wird. Was dies fr das Wirtschaftswachstum bedeutet, ist fr diese Theorierichtung ein sekundres Thema. Zwar ist klar, dass wenn immer weniger Produktionen an einem bestimmten Standort angesiedelt werden, es um das Wachstum in dieser Weltgegend nicht zum Besten bestellt sein kann. Gegen diese unkomplizierte Argumentation kann allerdings die oben angefhrte Feststellung ins Feld gefhrt werden, dass es gesamtwirtschaftliche Ausgleichsmechanismen, namentlich den realen Wechselkurs gibt, der zumindest ein ungebremstes spiralling down verhindert. Indem die Aussenwirtschaftstheorie selbst auf die Faktorausstattungen als Determinanten der Handelsstrme verweist, macht sie zudem den Stellenwert deutlich, der den klassischen Produktionsfaktoren zukommt, nmlich der Ausstattung der Volkswirtschaft mit Kapital und Arbeit einer bestimmten Qualitt und ihrer Kombination in einer gesamtwirtschaftlichen Produktionsfunktion, d.h. den building blocks des Solowschen Wachstumsmodells. Es kann gezeigt werden, dass wenn die Faktoren immobil sind, sich die Arbeitsteilung frei

  • 148

    einspielen kann und das industriekonomische Element der Skaleneffekte ohne Bedeutung ist, die Faktorausstattung in Verbindung mit gewissen weiteren Annahmen (insbesondere hinsichtlich verwendeter Technologie, aber auch Prferenzen der Konsumenten) Wohlstandniveau und aussenwirtschaftliche Verflechtung simultan zu erklren vermag (Zweifel und Heller (1997)). In empirischen Untersuchungen des Wachstums wrde dem Grad der aussenwirtschaftlichen ffnung, zumindest bei gegebener rechtlicher ffnung und mit bezug auf die Wachstumsrate, dann neben den klassischen Argumenten, nmlich der Ausstattung mit Produktionsfaktoren, keine zustzliche Erklrungskraft mehr zukommen. Da Handelsschranken fortbestehen und Skaleneffekte ihre Bedeutung haben, und es zunehmend wichtig wird, die produktivsten Kpfe beizuziehen, ist allerdings zu gewrtigen, dass sich in Regressionen des Wirtschaftswachstums auf seine Determinanten unter diesen Determinanten auch der Grad der aussenwirtschaftlichen ffnung empirisch durchsetzt, und zwar nicht nur in einem komparativ-statischen Sinn (einmalige Niveaueffekte der ffnung), sondern auch im Sinn einer Relation zwischen dem Grad der aussenwirtschaftlichen ffnung und der Wachstumsrate. Eine theoretische Erklrung hierfr liefert die Neue Wachstumstheorie, welche den Produktivittszuwachs endogenisiert. Dank der Nutzung einer nicht mehr nur lokalen, sondern einer globalen Wissensbasis wird der technische Fortschritt begnstigt (Aghion und Howitt (1998), Kapitel 8). Auch nach andern Modellen sind Knowledge spillovers eine wesentliche Ursache fr den positiven Einfluss des Grades der aussenwirtschaftlichen ffnung auf die Rate des Wirtschaftswachstums (Young (1991)). Ein letzter Aspekt gilt der Erklrung der Widerstnde gegen eine vermehrte aussenwirtschaftliche ffnung. Diese sind wesentlich durch die Verteilungseffekte der Liberalisierung bestimmt (ORourke (2002)). Es gilt, dass im Zeichen der aussenwirtschaftlichen ffnung der Preis desjenigen Faktors steigt, der in der bisher geschlossenen Volkswirtschaft und im Quervergleich zu den neuen Handelspartnern reichlich vorhanden war, und dass der andere Faktor relativ verliert, auch wenn das Land in der Summe reicher wird. Besondere Nachfrageverhltnisse und Produktionscharakteristika (wie umschlagende Faktorintensitten)) bleiben vorbehalten. Anzumerken ist auch, dass die Faktorpreisangleichung wohl durch die Faktorwanderung noch untersttzt wird, dass sie aber trotzdem nur in der Tendenz gilt und laufend durch neue Entwicklungen auf den Mrkten durchbrochen wird. Denkt man an die Landwirtschaft, wird allerdings deutlich, dass dort, wo aufgrund der Preisverhltnisse auf den internationalen Mrkten relativ klar erscheint, wer bei der internationalen ffnung gewinnt und wer verliert, gesamtwirtschaftlich gesehen vorteilhaften Entwicklungen nmlich einer Annherung an die Weltmarktpreise - beraus starker Widerstand der direkt Betroffenen erwchst,

  • 149

    was wiederum zur hier nicht nher zu errternden wohlfahrtskonomischen Frage fhrt, ob eine Reform nur gerechtfertigt werden kann, wenn den Verlierern eine Kompensation gezahlt wird oder bereits dann, wenn eine Kompensation geleistet werden knnte. Zu dieser politisch zu beantwortenden Frage ist hier nur anzumerken, dass drei Grnde diesbezglich zur Zurckhaltung mahnen: die in der Praxis kaum nachzuweisenden restriktiven Bedingungen, die erfllt sein mssen, damit berhaupt Vermutungen angestellt werden knnen, wer gewinnt und wer verliert, die Dynamisierung des wirtschaftlichen Geschehens, welche die Beurteilungsgrundlagen hinsichtlich Gewinnern und Verlieren rasch obsolet machen kann, und der grundlegende Schumpetersche - Gedanke, dass ein marktwirtschaftliches System im Interesse aller keine garantierten Besitzstnde kennen soll, weil sonst der Fortschritt beeintrchtigt wrde, ein Umstand, der in der sozialen Marktwirtschaft durch die Existenz eines sozialen Sicherheitsnetzes politisch akzeptabel gemacht wird. 3 Empirische Ergebnisse zu internationaler ffnung und

    Wachstum Die eingangs des Theoriekapitels angesprochene Diskussion, ob ein nach Innen orientierter, auf Industriepolitik abstellender Wachstumsprozess bessere gesamtwirtschaftliche Zuwachsraten erwarten lsst als ein auf Marktmechanismen und auf grenzberschreitend offene Mrkte abstellender Wachstumsprozess, wurde nicht nur theoretisch erwogen, sondern auch praktisch umgesetzt und in der Folge empirisch verschiedentlich geprft (vgl. Baldwin (2000)). Die Evidenz (vgl. Sachs and Warner (1995), Ben-David (1996)) spricht fr eine aussengeleitete Entwicklungsstrategie und gegen die lange praktizierte Politik der Importsubstitution vorab industrieller Erzeugnisse (Stichwort: Aufbau einer eigenen Automobilindustrie). Diese Ergebnisse zu Gunsten offener Grenzen haben allerdings insofern nur beschrnkte Relevanz, als unter industrialisierten Lndern der Grundsatzentscheid zu Gunsten eines relativ offenen Handelsregimes gefallen ist. Die industrialisierten Lnder gehren durchgehend der WTO an und haben allesamt bereits mehrere Zollabbaurunden im GATT hinter sich. Darber hinaus sind sie meist noch in bilaterale und regionale wirtschaftliche Integrationsbestrebungen eingebunden. Es geht fr sie folglich nicht mehr um die grundstzliche Wahl zwischen einem aussengeleiteten oder innengeleiteten Entwicklungsmodell, sondern um die Frage, wie umfassend die Einbettung einzelner Staaten in ihre jeweiligen Integrationsrume fortgeschritten ist und was weitere Integrationsschritte wirtschaftlich noch bringen knnen, wobei diese weiteren Integrationsschritte immer weniger mit herkmmlichen Indikatoren der aussenwirtschaftlichen ffnung wie Durchschnittszollstzen empirisch erfasst werden knnen. Wird der grundstzlich positive

  • 150

    Zusammenhang zwischen Integration und Wohlstand vorausgesetzt, sind vor weiteren wachstumsanalytischen Untersuchungen deshalb in erster Linie auch neue Indikatoren fr die Messung des Grades der wirtschaftlichen Integration zu ermitteln, die ber das Verhltnis der Exporte zum BIP hinausgehen (fr Ideen vgl. z.B. Foreign Policy (2002)). In einer zweiten Phase knnen diese Indikatoren dann regressionsanalytisch mit der Wachstumsleistung der einzelnen Volkswirtschaften in einen Konnex gebracht werden. Die Messung des Grades der Integration ist Aufgabe des nchsten Abschnittes. Hier geht es um die Vorstellung von Ergebnissen aus einigen vorliegenden Untersuchungen. Der Konnex zwischen dem Anteil der Exporte (und Importe) am BIP und der gesamtwirtschaftlichen Wachstumsrate wurde am hufigsten getestet. Die Wachstumsregressionen zeigen, dass strker in den Welthandel integrierte Lnder die besseren Wachstumsaussichten haben (OECD (2000)). Verwiesen werden kann aber auch auf Sala-i-Martn (1997). Die Jahre, whrend welchen eine Volkswirtschaft zwischen 1950 und 1990 nach Sachs and Warner (1995) als offen galt, setzt sich als erklrende Variable systematisch und mit einem signifikanten Vorzeichen neben allen andern denkbaren Determinanten des Wirtschaftswachstums durch. Zum Konnex Direktinvestitionen und BIP-Zuwachs liegen vereinzelte Untersuchungen vor (Brecher et al. (1996), Edwards (1998), Chakrabarti (2001)). Sie sprechen fr einen positiven Zusammenhang, der insbesondere mit dem Import von zustzlichem Know How in Verbindung zu bringen ist. Gewisse Einwnde ergeben sich hinsichtlich der Kausalitt. Es knnte sein, dass im ersten Schritt Firmen eine berlegene Technologie usw. entwickeln, und dann in einem zweiten Schritt ihren Wettbewerbsvorsprung international zu nutzen beginnen. Erst wenn im Importland der neuen Lsung dann die Erkenntnisse auf Arbeitskrfte und weitere Firmen berspringen, kann argumentiert werden, dass Offenheit Wachstum generiert habe. Ein ber den Know How Erwerb laufender Konnex zwischen Offenheit und Wachstum kann auch direkt bei der Wanderung von qualifizierten Arbeitskrften hergestellt werden, ohne Konnex ber Direktinvestitionen, obwohl dem firmeninternen Transfer von Kadern und ausgewiesenen Spezialisten natrlich erstrangige Bedeutung zukommt. Die Einschrnkung hinsichtlich qualifizierter Zuwanderer zu machen, erscheint dabei wesentlich, denkt man an die Erfahrungen der Schweiz mit einer starken Zuwanderung, die wohl das BIP steigen liess, aber die Arbeitsproduktivitt, die in einer individuellen Wachstumsperspektive vor allem interessiert, eher senkte (es geht hier um das prominente Thema des Wachstums in die Breite).

  • 151

    Was schliesslich die Kapitalverkehrsfreiheit angeht, soweit sie fr Portfolioinvestitionen genutzt wird, ist die politische Wrdigung der Erfahrungen ambivalent. Verbreitet wird argumentiert, die Finanzmrkte seien nicht in der Lage, ein halbvolles Glas als solches zu erkennen (vgl. z.B. de Grauwe 2001). Zunchst wrden sie in das voll geglaubte Glas noch weiter Kapitalien hineinschtten, um dann pltzlich ausgelst durch eine Krise, die meist nicht in dem betreffenden Land ihren Ursprung hat ihre Einschtzung grundlegend zu revidieren und dazu berzugehen, Kapitalien abzuziehen, bis das Glas mehr als trockengelegt ist. Stabilisierende Krfte wrden bei solchen Bewegungen erst bei realen Wechselkursen, die weit ber das fr den realen Sektor ertrgliche Mass hinausgeschossen sind, wieder die berhand gewinnen. Um solchen Entwicklungen entgegenzuwirken, wird eine Transaktionssteuer (Tobin-Tax) auf Bewegungen von Finanzkapital vorgeschlagen. Das Problem hat seinen Ursprung indes mindestens so oft in Politikversagen wie in Marktversagen, indem nationale Zentralbanken verfehlte Politiken verfolgen. Hinzu kommt, dass der IMF eigentlich ein committment to bail out hat, und es bislang in einem institutionellen Sinn nicht gelungen ist, die privaten Kapitalgeber an den volkswirtschaftlichen Verlusten, die bei der Korrektur unsinniger Wechselkurse eintreten, zu beteiligen. Die Folge ist, dass so fr private Anleger immer wieder Spielsituationen mit einseitiger Gewinn-Verlustverteilung entstehen. Whrend ein verbessertes Reporting (data dissemenation standard) solche Situationen in ihrer Hufigkeit sicher einzudmmen vermag, stossen die in der Krise als Lsung denkbaren debt equity swaps, die das Finanzkapital an den realwirtschaftlichen Folgen eines weiteren Wechselkurszerfalls beteiligen, rasch an politische Grenzen, die insofern auch eine Begrndung haben, als dass der swap gegebenenfalls erst in einem Moment erfolgt, wo die Gegenbewegung schon zu erwarten ist, so dass das Land seine assets unter ihrem Wert ins Ausland verkauft (Argument bei der Asienkrise 1998). Das geschilderte Problem ist allerdings auf Schwellen- und Entwicklungslnder konzentriert. Zumindest in Europa hat die Mglichkeit von Finanzstrmen, die eine berbewertete Whrung noch weiter hinauftreiben, mit der Schaffung der Europischen Whrungsunion an Relevanz verloren. Auch die frher vorab von den Gegenbewegungen bei Krisensituationen tangierte Schweiz (safe haven - Funktion des Schweizer Frankens) war in den letzten Jahren destabilisierenden Wechselkursbewegungen in geringerem Mass als frher ausgesetzt, was auf eine gute Interaktion zwischen Zentralbank und Finanzmrkten hindeutet, die allerdings nicht fr alle Zeiten garantiert ist. Das Instrumentarium zur Abwehr von Fluchtbewegungen in den Franken bleibt jedenfalls schmal. Was bezogen auf die industrialisierte Welt auch fortbestehen drfte, sind ausgeprgte Schwankungen des Wechselkurses zwischen Dollar und Euro, selbst wenn die relativ stabilen Whrungsrelationen whrend der jngsten Rezession der Weltwirtschaft diese Einschtzung nun etwas in Frage stellen.

  • 152

    Bedenkt man die Eventualitt krisenhafter Entwicklungen, die ein gleichgewichtiges Wachstum immer wieder stren, mssen die Mobilitt von Finanzkapital und trendmssiges Wachstum nicht positiv korreliert sein. Sie drften dies jedoch insoweit sein, als dass sich die Gefahr, dass die eigene Whrung unter den Druck der Finanzmrkte gert, tendenziell zu Gunsten einer zweckmssigen monetren Politik auswirkt, was auch das Wachstum strkt. Unter dieser Prmisse einer erfolgreichen Stabilittspolitik sowohl hinsichtlich Inflation, wie Wechselkursstabilitt, erklrt sich der positive Zusammenhang zwischen Kapitalmobilitt und Wirtschaftswachstum dadurch, dass dank grenzberschreitenden Kapitalstrmen Investitionen nicht mehr durch die nationale Ersparnis limitiert sind, sondern dort gettigt werden, wo sie die hchste Rendite zeitigen. Der Umfang der Zahlungsbilanzsaldi erreicht allerdings bei den meisten Lndern kaum mehr als 2%, so dass es hier um langsame Prozesse geht. Der wesentlich hhere Wert im Fall der Schweiz erklrt sich zu einem erheblichen Teil damit, dass die Ertrge aus dem grossen, bereits im Ausland befindlichen Kapitalstock daselbst reinvestiert werden. Aus der Sicht eines Landes wie der Schweiz, dessen Zinsstze unter dem internationalen Niveau liegen und das deshalb als Kapitalexporteur auftritt, ist es darber hinaus wichtig, ob der Konnex zwischen der Offenheit bei Kapitalstrmen (Achtung: von der Regelung im Export- wie im Importland abhngig) und dem Wirtschaftswachstum am BSP- oder am BIP-Wachstum gemessen wird. In einer Phase der Zinsangleichung an den Rest der Welt wird das BSP-Wachstum das BIP-Wachstum nmlich bertreffen. Ein wichtiges Thema ist der Konnex zwischen der Zugehrigkeit zu einem Integrationsraum und dem BIP-Wachstum. In den 90er Jahren wurde verschiedentlich argumentiert, das EWR-Nein von 1992 und die daraus resultierende integrationspolitische Sonderstellung der Schweiz habe dem Wachstum in der Schweiz nachhaltig geschadet. Oftmals wurde der Schaden psychologisch begrndet, d.h. das Nein von 1992 wurde als ein negatives Signal fr die zuknftige Prosperitt am Wirtschaftsstandort Schweiz angesehen, weil es einen Unwillen der Bevlkerung zum Ausdruck bringe, in einer sich globalisierenden Welt die ntigen inneren Reformen vorzunehmen; auf Investitionen in der Schweiz werde folglich besser verzichtet. So bedeutend diese Argumentation sein kann (vgl. unten die nachteilige Einschtzung der Offenheit der Schweiz in Befragungen von Unternehmern, die internationale Investitionsentscheide zu fllen haben), so schwierig ist die empirische Messung dieses Zusammenhangs. Nachstehend halten wir uns deshalb an Untersuchungen zu den direkten Konsequenzen des integrationspolitischen Abseitsstehens. Der Darstellung von Ergebnissen aus Integrationsstudien vorauszuschicken ist allerdings, dass die Zugehrigkeit zu einem wirtschaftlichen (und politischen) Integrationsraum als Konzept die Analyse des Zusammenhanges Internationale

  • 153

    ffnung Wachstum sprengt, da die Zugehrigkeit namentlich zur EU fr die Mitgliedstaaten Implikationen zeitigt, die nicht mehr das Handelsregime allein betreffen, sondern die Stellung des Mitgliedlandes bei verschiedenen Wachstumsdeterminanten simultan bestimmen. Dies zeigt sich am konkreten Beispiel des MWST-Mindestsatzes von 15% in der EU. Dieser Mindestsatz hat als Bestimmungsfaktor des Wirtschaftswachstums weit mehr mit der Fiskalpolitik zu tun, als mit dem Grad der internationalen ffnung. Diese Bemerkung vorausgeschickt, nmlich dass Untersuchungen zum Zusammenhang Wirtschaftswachstum und EU-Beitritt fr den Einfluss von weit mehr Bestimmungsfaktoren des Wachstums testen als nur fr den Grad der aussenwirtschaftlichen ffnung, soll hier doch dargestellt werden, dass die Empirie einen positiven Einfluss des EU-Beitritts auf das Wirtschaftswachstum des beigetretenen Landes zeitigte.

    Die wirtschaftliche Leistung der neuen EU-Mitgliederim Vergleich mit den EU15

    95

    97

    99

    101

    103

    105

    107

    109

    111

    113

    115

    -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

    Quartale nach dem Beitritt

    Volu

    men

    inde

    x de

    s PI

    B

    Mittelwert derneuen EU-Mitglieder

    Mittelwert derEU15

    Schweiz(100=94:1)

    Quelle: BWA (1999), Beitrag von Marc Surchat. Im Fall der Schweiz ist allerdings einschrnkend anzumerken, das die Annherung unseres Landes an die EU aus einer anderen Richtung als bei den meisten beigetretenen Staaten erfolgen wrde (tiefere (Real-) Zinsen, Nettotransfer nach Brssel und nicht aus Brssel, eher tiefere Teuerung usw.).

  • 154

    Bezogen auf die spezifische Situation der Schweiz von besonderem Interesse sind folglich die 1998/1999 durchgefhrten wissenschaftlichen Untersuchungen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen eines EU-Beitrittes (vgl. Bundesamt fr Wirtschaft und Arbeit 1999), auch wenn, wie ausgefhrt, die Betrachtung damit Determinanten des Wachstums mit einschliesst, die Gegenstand anderer Hintergrundpapiere sind und von daher nicht ins Kapitel internationale ffnung gehren. Integrationsstudien Die Integrationsstudien 1998/1999 schliessen an frhere analoge Untersuchungen an. ber die Ergebnisse der Studien, welche die Aussagen im Integrationsbericht 1999 zu den wirtschaftlichen Folgen eines EU-Betrittes untermauern sollten, herrschte unter den beauftragten Instituten der folgende Konsens: A. Bilaterale Abkommen Auf das Wirtschaftswachstum wirken sich die bilateralen Vertrge vom ersten Jahr an positiv aus; zu einem hheren pro-Kopf-Einkommen trgt neben der zentralen Personenfreizgigkeit, die mismachtes und andere Defizite auf dem hiesigen Arbeitsmarkt lindern hilft, vor allem noch das Transportabkommen bei. Die Einfhrung der Personenfreizgigkeit wird dabei nur zu einer begrenzten Zahl von Einwanderern fhren, wobei innerhalb Europas vor allem qualifizierte Arbeitskrfte in einem andern Land ttig werden. Entsprechend wird es zu keiner Erhhung der Arbeitslosigkeit kommen, vielmehr wird sich das Funktionieren des Arbeitsmarktes verbessern. Dies heisst allerdings, dass in einer ersten Phase die Lhne gewisser gesuchter Berufsleute unter Druck kommen knnen. Diese Berufsleute erhalten dafr die Mglichkeit, ihre berufliche Karriere durch Auslanderfahrung anzureichern. Lngerfristig geht vom Personenfreizgigkeitsabkommen kein Druck auf die Lhne aus, die Lohndisparitten knnten sich je nach Qualifikation der Zuwanderer sogar verringern. B. EU-Beitritt Ein EU-Beitritt ist mit einem weitreichenden Strukturwandel verbunden. Entsprechend verursacht er whrend mehrerer Jahre erhebliche Anpassungskosten. Ursache sind namentlich die ntigen Anpassungen in der Fiskalpolitik, in der Agrarpolitik und im Immobiliensektor (aufgrund des Verschwindens der Zinsinsel Schweiz bei einem Beitritt zur Whrungsunion). Die Anpassungskosten lassen sich jedoch tief halten, wenn die Mehrwertsteuererhhung auf 15%, namentlich aber die Beitragszahlungen an die EU gestaffelt angehoben werden. Whrend der geforderte Umbau des

  • 155

    Steuersystems langfristig eher gnstig wirkt, schmlert der Nettotransfer an die EU den wirtschaftlichen Vorteil eines EU-Beitritts auch langfristig in signifikanter Weise und msste deshalb zum Gegenstand der Verhandlungen gemacht werden. Die Vorteile eines Beitritts liegen in einem Wegfall der Grenzen, dies sowohl in einem wrtlichen, wie auch in einem weiter gefassten Sinn. Es fallen nicht nur Kosten wegen der Zollkontrollen (Zeitverlust und Koordinationsprobleme in einer Zeit, wo just in time geliefert werden muss u..m.) und wegen nicht-tarifarischer Handelshemmnisse weg, es treten auch die Erhhung der Zahl der Konkurrenten sowie weitere Faktoren hinzu, welche wiederum eine intensivere Handelsverflechtung, rationellere Produktionsweisen und gnstigere Preise fr den Konsumenten bewirken. Mit Ausnahme der Basler Arbeitsgruppe fr Konjunkturforschung (BAK) meinen die Institute, dass auch der Eintritt in die Whrungsunion langfristig wirtschaftlich von Vorteil ist. Der Aufwertungsdruck auf den Schweizer Franken, die Unsicherheit wegen des Wechselkurses und die Kosten aus der Verwendung einer zweiten Whrung in der Schweiz entfallen. Die verbesserte Preistransparenz stimuliert den Wettbewerb. Im bergang verursacht die Zinsanpassung, wie ausgefhrt, allerdings erhebliche Anpassungskosten. Die Zinsangleichung verteuert jedoch auch langfristig die Investitionen in der Schweiz, wobei mehr an den Wohnungsbau als an industrielle Investitionen zu denken ist. Der Eintrittszeitpunkt in die EWU will auch deshalb gut gewhlt sein, weil der Eintrittswechselkurs bedeutenden Einfluss auf die preisliche Wettbewerbsfhigkeit der Sektoren in den ersten Jahren nach dem Beitritt ausbt. Eintrittszeitpunkt und Eintrittskurs wren somit auch Gegenstand allflliger Verhandlungen. Ergnzend wird in den Studien festgestellt, dass sich ein Beitritt der Schweiz zur EU auch auf die EU selbst gnstig auswirkt. Hauptnutzniesser bleibt aber die Schweiz selber. Die beiden Studien, welche auf berechenbaren Gleichgewichtsmodellen beruhten, vermitteln einen Eindruck von der Hhe und der Herkunft der erwarteten wirtschaftlichen Vorteile (vgl. nebenstehende Grafik): C. Folgerungen fr die Wirtschaftspolitik Gemss den Untersuchungen zum Integrationsbericht 1999 schneiden lngerfristig und bezogen auf das Wirtschaftswachstum sowohl eine Annahme der bilateralen Vertrge wie ein EU-Beitritt besser ab als ein Verharren im "status quo". Whrend die bilateralen Vertrge vom ersten Jahr an gnstig wirken, fllt das Wirtschaftswachstum bei einem rasch vollzogenen EU-Beitritt zu Beginn sprbar unter das Wirtschaftswachstum ohne Integrationsfortschritte zurck. Alles spricht aus wirtschaftlicher Sicht folglich dafr, die Integration

  • 156

    schrittweise zu vollziehen; d.h. heute die bilateralen Vertrge ihre Wirkungen entfalten zu lassen und parallel dazu den EU-Beitritt durch gezielte Reformen vorzubereiten, die nicht nur die Anpassungskosten im Beitrittsfall senken, sondern an und fr sich die Wirtschaft strken. Ein analoges Fazit scheint uns fr die antizipierbaren Konsequenzen der neuen WTO-Verhandlungsrunde am Platz zu sein. In beiden Fllen visiert die Aussage dabei den Reformbedarf in der Landwirtschaft in erster Linie an. Anpassungen in diesem Sektor erscheinen nicht zuletzt auch politisch als eine passage oblig auf dem Weg zur weiteren wirtschaftlichen Integration.

    Grafik 1: Auswirkungen eines EU-Beitrittes auf das reale BIP (Pro-Kopf-BIP) gemss der Studie ECOPLAN (nach Mller/van Nieuwkoop (2000)

    -1.5%

    -1.0%

    -0.5%

    0.0%

    0.5%

    1.0%

    1.5%

    2.0%

    2.5%

    3.0%

    3.5%

    Zolla

    bbau

    Gre

    nzfo

    rmal

    itte

    n

    Tran

    spor

    tkos

    ten

    Zula

    ssun

    g

    Mar

    ktin

    tegr

    atio

    n / F

    akto

    rpro

    dukt

    ivit

    t

    Frei

    er P

    erso

    nenv

    erke

    hr

    Tota

    l Bin

    nenm

    arkt

    Budg

    etr

    e Au

    swirk

    unge

    n/La

    ndw

    .

    Net

    totra

    nsfe

    rs

    Steu

    erre

    form

    Tota

    l Ste

    uerh

    arm

    ./Tra

    nsfe

    rs

    Tran

    sakt

    ions

    kost

    en

    Zins

    effe

    kt

    Prei

    stra

    nspa

    renz

    Tota

    l EW

    U

    Tota

    l

    in B

    IP%

    Bilaterales Abkommen EU-Beitritt

    Europischer Binnenmarkt Steuerharmonisierung und Transfers

    Europische Whrungsunion

    Total

  • 157

    Die Grafik die Sulen bilaterale Abkommen und EU-Beitritt sind vergleichend, nicht kumulativ zu interpretieren - zeigt den begrenzten Beitrag eines weiteren Zollabbaus nach dem Freihandelsabkommen von 1972. Die positiven wirtschaftlichen Effekte der bernahme der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) sind allerdings nicht nur mit dem Wegfall von Zllen verbunden, sondern schlagen sich auch in der Rubrik Budgetre Auswirkungen/Landwirtschaft nieder. Der Hauptbeitrag zur Steigerung des BIP aus einer ungehinderten Teilnahme am Binnenmarkt stammt aus dem Wegfall der Grenzkontrollen und der damit verbundenen besseren Marktintegration (modelliert als eine Erhhung der Substitutionselastizitt zwischen in- und auslndischen Gtern). Die Vorteile aus der Personenfreizgigkeit und im Transportbereich werden bereits mit den bilateralen Abkommen erreicht. Die Steuerreform zeigt die Vorzge einer Umlagerung von den direkten zu den indirekten Steuern, die der EU-Beitritt wegen des Mindest-MWST-Satzes in der EU von 15% nach sich zieht. Allerdings sind bei der zu ECOPLAN parallelen Untersuchung des LEA die Vorteile einer hheren MWST weniger gross, da LEA die Lcken in der Bemessungsgrundlage der MWST detaillierter abbildet als ECOPLAN. Per Saldo ist auch der Effekt eines Beitritts zur Whrungsunion positiv, da die Preistransparenz von LEA strker betont als von ECOPLAN - mehr bringt als die Zinsangleichung an Europa kostet (wobei hier der BIP-, nicht der weit gnstigere BSP-Effekt betrachtet wird). Nicht erfasst, da wie ausgefhrt nicht zu quantifizieren sind eine allfllige Neueinschtzung des Investitionsstandortes nach einem EU-Beitritt. 4 Wrdigung der Indikatoren zur internationalen ffnung Im Vorspann ist das Stichwort Globalisierung gefallen und Kennzeichen (Aufbrechen der Wertschpfungskette) sowie Implikationen der Globalisierung (Wettbewerb der Rahmenbedingungen) wurden anschliessend aufgezeigt. Dies ruft nach der Frage, wie man Globalisierung misst und ob die Welt vor dem Rckfall in den Protektionismus in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts nicht schon strker globalisiert war als heute. In der Tat kannte der internationale Handel bereits an der Wende zum 20. Jahrhundert einen hohen Entwicklungsstand. Ausgetauscht wurden dabei nicht nur Gter, sondern auch Dienstleistungen und Kapital. So wurde das Berner Villenquartier Kirchenfeld von einer englischen Immobiliengesellschaft gebaut, eine Bettigung, die heute am fortbestehenden Rest der Lex Friedrich scheitern drfte. Trotz solcher frher Beispiele fr einen ber das Gebiet des Gterhandels und der Anleihensemissionen hinausgreifenden weltweiten Austausch kann unter dem Titel der Globalisierung eine ausgeprgt im letzten Jahrzehnt eingetretene Entwicklung subsumiert werden, die sich in einem Faktum manifestiert, nmlich

  • 158

    dem - verglichen zum gleichfalls angestiegenen Handelsvolumen - sprunghaft angestiegenen Volumen an grenzberschreitenden Direktinvestitionen.5 4.1 Zum Leitindikator Trotz der Charakterisierung der Globalisierung durch die grenzberschreitenden Direktinvestitionen wurde als Hauptindikator fr die internationale ffnung das Verhltnis zwischen den addierten Importen und Exporten zum Bruttoinlandprodukt gewhlt. Anders als aus der Perspektive des Wohlstandes erlangen aus einer Perspektive der Arbeitspltze im Inland die Direktinvestitionen im Ausland nmlich nur indirekt Relevanz.6 Der Hauptindikator (X+M)/BIP zeigt eine gute Ausgangsposition der Schweiz, doch gilt es die These von der weltoffenen Schweiz in doppelter Hinsicht zu relativieren. Erstens gibt es Nationen mit vergleichbarer Bevlkerungsgrsse, bei denen die Summe aus Importen und Exporten das BIP bersteigt. In erster Linie ist dies Holland, wobei hier die Nordseehfen eine gewisse Rolle spielen knnten. Zweitens ist aber auch zu bemerken, dass andere Lnder die mit dem Indikator gemessene Aussenhandelsverflechtung in den letzten Jahren zu steigern wussten (sterreich). Den Konnex zur integrationspolitischen Sonderstellung der Schweiz herzustellen, liegt nahe. Aus theoretischer Sicht vermgen allerdings noch weitere Grnde, wie Verschiebungen in den Standortvoraussetzungen fr einzelne Branchen oder Vernderungen in der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, diese Entwicklung mit zu erklren. In statistischer Hinsicht ist der gewhlte Indikator sehr zuverlssig. Die Exporte und Importe werden in vielen Lndern mit hoher Przision erfasst und die Messung des BIP ist ber viele Lnder hinweg standardisiert. Entsprechend sind fr zahlreiche Lnder die Angaben vorhanden, und auch die Wachstumsregressionen rechtfertigen die Wahl dieses Indikators. Auch wenn sich zeigt, dass die Exportquote besser mit dem Wachstum korreliert, so ist auch die ffnung des Binnenmarktes fr Importe ein Faktor des Wachstums. Der

    5 Nach Siebert (2002) nahmen die Direktinvestitionen in den letzten zwei Jahrzehnten dreimal so stark zu wie der Weltexport, der wiederum krftiger nmlich doppelt so krftig wie die Produktion wchst. 6 Die volkswirtschaftliche Theorie beantwortet dabei die Frage der Substitutionalitt, resp. der Komplementaritt dieser Direktinvestitionen zum klassischen Handel, resp. zu den Arbeitspltzen im Inland berwiegend im Sinne der Komplementaritt (Hollenstein (2001)) oder der Neutralitt (Henneberger (2001))., d.h. in dem Sinne, dass Direktinvestitionen Handel generieren und eine Voraussetzung bilden, damit im Inland wettbewerbsfhige Arbeitspltze erhalten werden knnen. Gewisse substitutive Auswirkungen drften sich noch am ehesten bei der ffnung gegenber Mittel- und Osteuropa ergeben haben (Hollenstein (2001)).

  • 159

    Vorzug wurde deshalb dem Mittel aus Export- und Importquote gegeben, d.h. dem Grad der Aussenhandelsverflechtung. Der internationale Vergleich zur Aussenhandelsverflechtung zeigt die vorteilhafte Position der Schweiz :

    Aussenhandelsverflechtung(Export+Import)/(2*BIP) in 2000

    0

    20

    40

    60

    80

    100

    120

    140

    160

    Japa

    n

    Verei

    nigte

    Staate

    n

    Austr

    alien

    Italie

    n

    Frank

    reich

    Gros

    sbrita

    nnien

    Span

    ien

    Deuts

    chlan

    d

    Portu

    gal

    Finnla

    nd

    Norw

    egen

    Kana

    da

    Schw

    eiz

    Schw

    eden

    Oeste

    rreich

    Niede

    rland

    e

    Belgi

    enIrla

    nd

    Luxe

    mburg

    In den 90er Jahren wahrte die Schweiz einen relativ konstanten Grad der Aussenhandelsverflechtung, dies in bereinstimmung mit den meisten grossen Lndern :

  • 160

    Entwicklung der Aussenhandelsverflechtung

    0

    5

    10

    15

    20

    25

    30

    35

    40

    45

    50

    1980

    1982

    1984

    1986

    1988

    1990

    1992

    1994

    1996

    1998

    2000

    in %

    des

    PIB

    Frankreich

    Japan

    Schweiz

    VereinigteStaaten

    Grossbritannien

    Obwohl der Grad der internationalen ffnung als wichtig fr das Wachstum erscheint, kann der Zusammenhang bestritten werden. Erstens wird ein grosses Land angesichts der Grsse seines Binnenmarktes in der Regel einen tieferen Grad der Aussenhandelsverflechtung aufweisen. Weiter sind einige kleine Lnder Plattformen des internationalen Handels, so dass ihre Ausfuhren einen grossen Teil an Reexporten enthalten. Um nachzuweisen, ob ein Land wirklich offen ist, sollten deshalb auch noch andere Indikatoren beigezogen werden. Im Bereich des Warenverkehrs sind beispielsweise Angaben zum Zollschutz vorhanden. Im Dienstleistungshandel sind die Indikatoren dagegen weniger weit entwickelt. Wohl werden heute die ffnung fr Direktinvestitionen und fr auslndische Arbeitskrfte statistisch besser erfasst. Hervorzuheben ist allerdings, dass der zentrale Punkt nicht ist, das absolute Niveau der Direktinvestitionen oder die konkrete Zahl der Migranten zu kennen, sondern wieweit die vorhandenen Flsse das Potential ausschpfen und wie weit dieses durch weitere Reformen noch gesteigert werden kann. Die nachstehenden Indikatoren, welche den Rechtsrahmen fr den internationalen Handel betonen, erlauben gewisse berlegungen in dieser Hinsicht. 4.2 Die weiteren statistischen Indikatoren 4.2.1 Handelsschranken Im Rahmen der Erfassung der internationalen ffnung liefern die Zollschranken und die nicht-tarifarischen Handelshemmnisse Hinweise auf Einschrnkungen

  • 161

    der internatonalen Konkurrenz. Dabei ist die Schweiz unter den WTO-Lndern vorbildlich was den Industriebereich betrifft. Die mittleren Stze sind hier am tiefsten, auch wenn man auf die Zlle abstellt, die gemss dem Prinzip der meistbegnstigten Nation erhoben werden, welche die Freihandelsabkommen und die Prferenzzollregimes gegenber Entwicklungslndern nicht bercksichtigen. Die nicht-tarifarischen Handelshemmnisse, die vertraulich sind, liegen etwas hher, was an der Nicht-Mitgliedschaft in der EU liegt, bleiben aber moderat.

    Indikatoren Wert Rang (EU=14 Lnder)

    Zolltarif fr Industrieprodukte nach der Uruguay-Runde

    1.9 1/20

    Zolltarif fr Agrarprodukte nach der Uruguay-Runde

    51.1 19/20

    Allerdings bleibt die Schweiz eines der protektionistischen Lnder, was den Agrarhandel anbetrifft, und steht damit in Europa zusammen mit Norwegen allein da. Dieser Bereich wird einer neuen Zollabbaurunde in der WTO nicht entgehen. Die Zollstze sind hier hufig prohibitiv, d.h. sie verhindern die Einfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Eine wesentliche Quelle fr Reformideen sollte deshalb der Gedanke sein, die schweizerische Landwirtschaft in eine Situation zu versetzen, dass sie auf internationalen Mrkten Erfolg haben kann. Im Dienstleistungsbereich sind schon viele Wirtschaftszweige gegenber der auslndischen Konkurrenz geffnet, wie etwa der Bankensektor. Andere wurden krzlich in bedeutendem Mass liberalisiert, wie etwa der Luftverkehr mit den bilateralen Abkommen, oder der Telekommunikationssektor aufgrund interner Reformen, welche hufige grenzberschreitende Allianzen zwischen Unternehmen ausgelst haben. Daneben gibt es Sektoren, die gegenwrtig noch kaum eine internationale Konkurrenz kennen (medizinische Leistungen, Bildung, Verwaltung). 4.2.2 Auslandsinvestitionen Direktinvestitionen des Auslandes sind fr verschiedene Lnder ein bedeutender Wachstumsfaktor. Wie empirische Untersuchungen zeigen, erhhen sie nicht nur den im Inland verfgbaren Kapitalbestand. Fast immer beinhalten sie auch einen Technologietransfer, welcher die Produktivitt im Inland steigert.

  • 162

    Direktinvestitionen des Auslandes sind aus diesem Grund aus Wachstumssicht zu begrssen. Die Schweiz ist fr auslndische Direktinvestitionen relativ attraktiv. Sie sollen 1997 2% des BIP ausgemacht haben, und dies mit steigender Tendenz. Dies ist klar nicht mehr zu vernachlssigen. Diese Anlagen hatten allerdings die Tendenz, sich im Finanzbereich zu konzentrieren. Seit der ffnung verschiedener Sektoren im Inland ist die Struktur der Direktinvestitionen des Auslandes allerdings vielfltiger geworden.

    Indikator Wert Rang Ausl. Direktinvestitionen in der Schweiz in % des BIP

    2.0 7/18

    Direktinvestitionen der Schweiz im Ausland in % des BIP

    7.0 2/19

    Im umgekehrten Sinn ntzen die schweizerischen Unternehmen die Investitionsmglichkeiten im Ausland weit strker als ihre Konkurrenz aus andern Lndern. Entsprechend scheint die Schweiz unter einem Ungleichgewicht bei den Direktinvestitionen zu leiden. Verschiedene Grnden knnen hierfr genannt werden. So kann, obwohl die Kapitalbewegungen in der Schweiz immer relativ frei waren, etwa auf die Lex Friedrich verwiesen werden, welche noch bis vor kurzer Zeit den Erwerb von Immobilien durch auslndische Unternehmen begrenzte (was vor allem auslndische Grosshandelsketten in ihrer Expansion in die Schweiz gebremst haben knnte). Grosse Anlageinvestitionen knnten gebremst worden sein, weil der Zeitbedarf fr Bauvorhaben in der Schweiz angesichts der Verfgbarkeit geeigneter Gelnde und der raumplanerischen Einschrnkungen oft hher liegt. Die Tatsache, dass die Schweiz weder Mitglied der Zollunion in Europa ist, noch der Wirtschafts- und Whrungsunion angehrt, kann ein weiterer Grund sein, dass von Direktinvestitionen abgesehen wird. Die Gesamtheit dieser Faktoren drfte das Ungleichgewicht bei den Direktinvestitionen erklren. Rein sektorielle Gesichtspunkte drften noch hinzutreten.

    Indikator Wert Rang Auslandanlagen der Schweiz in % des BIP 63.4 1/14 Anlagen des Auslandes in der Schweiz in % des BIP

    20.7 4/14

    Wenn man den gesamten im Ausland angelegten Kapitalbestand betrachtet, erscheint die Schweiz gemessen in % des BIP als das am strksten globalisierte Land. Unter Einschluss der fr dieses Resultat massgebenden Portfolioinvestionen ist die Rolle des Finanzsektors natrlich noch weit bedeutender. Die Hhe der Sparquote in der Schweiz und die entsprechend

  • 163

    tiefen einheimischen Zinsen sind wahrscheinlich die Hauptgrnde fr die hohe Nettoposition. 4.2.3 Die Spezialisierung nach Wirtschaftszweigen Auf Grund seiner Wirtschaftsstrukturen kann ein Land strker als ein anderes Land auf Erzeugnisse ausgerichtet sein, die international gehandelt werden. Auch kann es auf Produkte spezialisiert sein, wo ein relativ grosser (Maschinenbau), resp. ein relativ kleiner Teil der Vorleistungen importiert werden kann (Tourismus). Diese Spezialisierung kann sich im Zeitablauf auch ndern (etwa im Zeichen der lange diskutierten Tendenz zur Verlngerung der Werkbank, wo nur noch ein kleiner, aber zentraler Teil der Wertschpfung im Land behalten wird). Es ist deshalb von Interesse zu sehen, in welchen Wirtschaftszweigen vor allem die Schweiz ttig ist, und wie sich der Standort im Quervergleich zu andern exportierenden Lndern in Sachen Marktanteil gehalten hat. Im Rahmen eines Auftrages des seco hat die KOF eine CMS-Analyse der schweizerischen Exporte vorgenommen. Im Rahmen dieser Analyse werden Vernderungen der Weltmarktanteile auf die geographische und produktmssige Zusammensetzung der Exporte zurckzufhren gesucht. Das Residuum kann mit Wechselkursbewegungen und der Kapazittsauslastung durch Auftrge aus dem Inland in Verbindung gesetzt werden, aber auch mit Vernderungen der nicht-preislichen Wettbewerbsfhigkeit (Innovationsgehalt usw.). Die Resultate der Analyse zeigen, dass die Schweiz lange Zeit allein aufgrund der geographischen und produktmssigen Ausrichtung ihrer Exporte nicht an Wettbewerbsfhigkeit eingebsst hat. Die 90er Jahre, mit der starken Aufwertung des Schweizer Frankens, stellen allerdings eine Ausnahme dar. Die Analyse nach Wirtschaftszweigen zeigt zwei zentrale Ergebnisse: Die Schweiz hat im Elektronikbereich (der sehr stark wchst) markant an Marktanteilen und damit an Wettbewerbsfhigkeit eingebsst, dagegen hat sie im Bereich der Metallwaren (ein Gebiet mit vielen Spezialitten wie Werkzeugen, aber mit schwachem Wachstum) an Wettbewerbsfhigkeit zugelegt. Das Spezialisierungsmuster der Schweiz hat sich demzufolge nicht positiv auf das strukturelle Wachstums und auch auf die Aussenhandelsverflechtung ausgewirkt. Ein Grund knnte in der Verfgbarkeit und in der Breite spezialisierten Wissens im Elektronikbereich liegen. Demgegenber zieht die Metallverarbeitung aus einem Bildungssystem Nutzen, das im internationalen Quervergleich bei mittleren bis hheren Qualifikationen wohlausgebaut ist.

  • 164

    4.2.4 Die auslndische Bevlkerung Die ffnung gegenber dem Ausland zeigt sich auch im Beitrag auslndischer Arbeitskrfte an die Produktion in der Schweiz. Hier kennt die Schweiz nach Luxemburg den hchsten Anteil. Allerdings erfolgt der Erwerb der Staatsbrgerschaft in vielen Lndern nach krzerer Frist und aufgrund eines einfacheren Verfahrens (ius soli). Betrachtet man die Zahl der Auslnder, die schon seit 30 Jahren und mehr oder seit ihrer Geburt in der Schweiz ansssig sind, erscheint der Bevlkerungs- und der Erwerbsttigenanteil der Auslnder in der Schweiz als weit weniger extrem. Obwohl wirtschaftlich gesehen der Beitrag der Auslnder sicher willkommen ist, wird der wirtschaftliche Wert dieses Beitrages etwas durch die qualifikationsmssige Zusammensetzung der Immigranten geschmlert. Der Strukturwandel in der Schweiz wurde nmlich lange durch eine Zuwanderungspolitik, die wertschpfungsschwache Wirtschaftszweige begnstigte, verzgert. Hochqualifiziertes Personal erhielt bis vor kurzem nur mit Mhe eine Arbeitsbewilligung, weil sich die Zuwanderungskontingente gerade in diesem Bereich als limitierend erwiesen. Eine solche Politik kann nicht den langfristigen wirtschaftlichen Interessen der Schweiz entsprechen. Eine auf Produktivittsbeitrge abstellende Zuwanderungspolitik knnte dagegen das Wachstum strken. Sie wrde auch zu einer gnstigeren Einschtzung des Beitrages der auslndischen Arbeitskrfte in der Bevlkerung fhren und so gesellschaftliche Spannungen abbauen helfen.

    Indikatoren Wert Rang Auslnderanteil an den Erwerbsttigen in Prozent (1997)

    17.5 2/17

    Prozentualer Auslnderanteil in der Bevlkerung (1996)

    18.9 3/20

    Einbrgerungsquote 1.6 16/18 4.3 Die Umfrageergebnisse Trotz all dieser Hinweise auf einen hohen ffnungsgrad unserer Mrkte weisen die Expertenbefragungen auf einen gewissen schweizerischen Protektionismus hin. Die tiefen Zollstze verhindern nicht, dass nach Auffassung der Experten Eintrittsbarrieren bestehen (ob offen oder verdeckt) und dass die Integration der Schweiz in den europischen Wirtschaftsraum ungengend ist. Diese Einschtzung rhrt wahrscheinlich nicht von der absoluten Hhe der Schranken her, sondern vom Vergleich mit den Vorteilen, welche die Konkurrenz im europischen Ausland gegenber Firmen in der Schweiz in vielen Belangen kennt.

  • 165

    Indikatoren Wert Rang

    Ist die nationale Kultur gegenber Einflssen des Auslandes offen ?

    6.49 17/20

    Sind ffentliche Beschaffungen fr auslndische Offertsteller gengend offen ?

    5.55 17/20

    Verhindert der nationale Protektionismus die Einfuhr auslndischer Erzeugnisse?

    6.8 17/20

    Grenzberschreitende Abkommen unter Unternehmen knnen ohne Einmischung der Behrden abgeschlossen werden?

    8.84 8/20

    Verhindern die Gesetze ber die Zuwanderung die Beschftigung auslndischer Arbeitnehmer?

    4.53 19/20

    Stellt die Globalisierung eine Bedrohung fr ihre Wirtschaft dar?

    6.49 9/20

    Vermittelt die Teilnahme ihres Landes an einem Handelsblock gengend Zugang zu Auslandmrkten?

    5.4 20/20

    Verhindern die Zollbehrden einen raschen Transit von Waren?

    6.43 10/20

    Sind versteckte Barrieren bei der Einfuhr ein bedeutendes Problem ?

    5.35 17/20

    Sind Zlle und Quoten bei der Einfuhr fr ihr Unternehmen ein ernsthaftes Problem, um zu auslndischen Waren und Ausrstungen zu kommen ?

    5.72 14/20

    Diese Wahrnehmung einer fehlenden ffnung scheint nicht durch andere Aspekte der internationalen ffnung kompensiert zu werden, wie die Effizienz des Zolls oder die Kooperationsmglichkeiten mit Gesellschaften in der Schweiz. In diesen Gebieten erreicht die Schweiz eine mittlere Einschtzung. Schliesslich sind sich die Experten des Agrarprotektionismus bewusst und der Schwierigkeiten, fr Auslnder eine Arbeitsbewilligung zu erhalten. Insgesamt ist die Einschtzung durch die Experten in relativer Hinsicht ausgesprochen nachteilig, hlt man sich an die absoluten Werte, ist sie tragbar. 4.4 Indikatoren zur Agrarpolitik im besonderen Die internationale Diskussion um die Agrarpolitik wird von der Thematik dominiert, das Schutzniveau fr diesen Sektor abzubauen. Entsprechend hat sich als Hauptindikator der PSE-Wert etabliert, den die OECD errechnet. Der PSE-

  • 166

    Wert bringt zum Ausdruck, wie hoch die quantifizierten Sttzungsmassnahmen in Prozent der Wertschpfung in der Landwirtschaft liegen (producer subsidy equivalents). In dieser Messung nimmt die Schweiz, zusammen mit wenigen andern Multifunktionalisten (Norwegen, Japan, Korea) immer einen Spitzenwert ein, der auch deutlich ber dem EU-Schutzniveau liegt, obwohl auch die EU zum Lager der Multifunktionalisten zhlt.

    PSE-Werte nach LndernNeuseeland = 0 per def.

    0

    10

    20

    30

    40

    50

    60

    70

    80

    Neus

    eelan

    d

    Austr

    alien

    Unga

    rn

    Mexik

    o

    Tsch

    echie

    n

    Kana

    daPo

    len

    USA

    OECD EU

    Islan

    dJa

    pan

    Norw

    egen

    Schw

    eizKo

    rea

    Quelle: OECD Die Verwendung des PSE-Wertes wird regelmssig kritisiert, da er die Direktzahlungen mit einschliesst. Aus der Sicht der Multifunktionalisten geht von Direktzahlungen keine produktionslenkende und damit die internationalen Handelsstrme verzerrende Wirkung aus. Sie werden, sofern korrekt ausgestaltet, von der WTO denn auch in der green box, d.h. unter den zulssigen Beihilfen gefhrt. Selbst wenn man die Direktzahlungen in Rechnung stellt, bleibt das Schutzniveau fr Agrarerzeugnisse in der Schweiz allerdings hoch. Dies bringen die Preisvergleiche und Simulationen zum Ausdruck, welche im Rahmen des Integrationsberichtes 1999 erstellt wurden und die nachstehend eingehender erlutert werden.

  • 167

    0

    0.1

    0.2

    0.3

    0.4

    0.5

    0.6

    0.7

    0.8

    0.9

    1996/97 AP2002 2007 UE (2007) UE(2007+)

    Milch

    0

    1

    2

    3

    4

    5

    6

    7

    Fleisch (Kalb) Fleisch (Rind) Fleisch (Kuh) Fleisch(Schwein)

    Fleisch(Geflgel)

    Fleisch (Schaf)

    0

    20

    40

    60

    80

    100

    120

    140

    160

    180

    Gerst

    e

    Weize

    n

    Karto

    ffeln

    Raps

    Wein

  • 168

    Auf Grund seiner Bedeutung fr die schweizerische Landwirtschaft steht der Milchpreis an der Spitze eines internationalen Preisvergleiches. Heute steht er nur indirekt, ber die Handelsverflechtungen beim Kse, in einem internationalen Preiszusammenhang. Direkter grenzberschreitender Handel mit Milch und zahlreichen Milchprodukten ist auch nach dem GATT-Abkommen von Marrakesh erst in marginalem Umfang zugelassen. Ausgehend von einem Produzentenpreis von Fr. -.82 rechnete man 1998 mit einem Preisrckgang bei der Milch wegen der Liberalisierungen im Zeichen der Agrarpolitik 2002 auf Fr. -.72, dem ein weiterer Rckgang bis 2007 auf etwas ber Fr. -.60 folgen sollte. Diese 60 Rappen htten immer noch um 10 bis 15 Rappen ber dem fr 2007, nach Inkraftsetzung der Agenda 2000 in der EU erwarteten Preis gelegen (UE(2007+)) bezieht sich dabei auf ein Szenario, in dem dank Produktdifferenzierung in der Schweiz ein etwas ber dem EU-Niveau liegender Preis erzielt werden kann). Tatschlich hielt sich der Milchpreis lange weiter bei Fr. 82.- und ist erst in der jngsten Zeit eingebrochen. Die Fleischpreise (ausgedrckt in Fr./kg Lebendgewicht) lagen 1996/1997 durchwegs doppelt so hoch wie in der EU fr das Jahr 2007 erwartet (ausser beim Kuhfleisch, wo die BSE-Krise den Preis drckte). Heute ist der Preis von Kalbfleisch weiterhin mindest so hoch wie 1996/97. Bei Futtergerste lag der Preis 1996/97 fast 3x so hoch wie in der EU fr 2007 erwartet. Es wird auch nicht erwartet, dass dank Produktdifferenzierung je ein hherer Preis als der EU-Preis erzielt werden kann. Immerhin ist hier der mit Agrarpolitik 2002 erwartete Preisrckgang auf Fr. 43.- eingetreten, was allerdings immer noch 240% des fr 2007 erwarteten EU-Preises ausmacht. Hervorzuheben ist, dass eine Preisangleichung bei diesem Produkt fr die preisliche Wettbewerbsfhigkeit vieler Milchproduzenten von ausschlaggebender Bedeutung ist: Wenn sie wie nachstehend gezeigt wird auch bei EU-Milchpreisen eine Chance haben, dann nur, weil die Vorleistungen - auch jene aus der Landwirtschaft selbst (Futtermittel) - deutlich preisgnstiger werden. Bei den Futtermittelimporten besteht im brigen der grsste Konflikt mit den Entwicklungslndern, die hier gerne ihren Absatz steigern wrden. Analoge Preisdifferenzen wie bei der Futtergerste bestehen bei einem andern Ackerbauprodukt, dem Weizen (AP-2002 erwartet: Fr. 55.- EU-2007 erwartet: Fr.20.-). Bedeutend sind weiter die Preisunterschiede bei den Kartoffeln (Fr. 40.- zu Fr. 21.50) und auch bei den Zuckerrben (Fr. 11.- zu Fr. 8.60), alles Mrkte, auf die neben der EU auch die Entwicklungslnder gerne vordringen wrden. Es besteht ja das Problem, dass die anvisierte ffnung gegenber der EU nicht unbedingt den wettbewerbsfhigsten Konkurrenten begnstigt. Gar als exorbitant mssen die Preisunterschiede bei den lsaaten (Raps) bezeichnet werden (Fr. 80.- zu 34.10), was im extremen Grenzschutz seine Begrndung findet, den man zwecks Schutz des Butterabsatzes vor pflanzlicher Margarine

  • 169

    hochzog und von dem dann auch andere Produzenten profitierten (alle Preise in Fr./100kg). Gnstiger stellt sich das Bild bei Gemse und Frchten und beim Wein dar (Indizes). Ein Export von pfeln aus dem Emmental nach Frankfurt erfolgte schon in der zweiten Hlfte des 19. Jahrhunderts. Neben der Milch knnten folglich beim Obstbau noch am ehesten komparative Vorteile der Schweiz liegen. Gemse hat oft einen lokalen Absatz und beim Wein, wo derzeit enormer Preisdruck herrscht, drfte dank Produktdifferenzierung (AOC) ein ertrglicher Preis gehalten werden knnen. Interessant ist nun, was die bernahme der EU-Preise (absatzseitig und auf Seiten der Vorleistungen) fr die Zahl der Betriebe in der Schweiz bedeuten wrde. Gemss den nebenstehenden Grafiken msste gegenber 1996/97 mit einem Preisrckgang von rund 40% gerechnet werden. Dies gibt zu zwei Gedankenexperimenten Anlass:

    - Sollen die verbleibenden Betriebe unter EU-Preisen einen gleichen Verdienst erzielen, wie mit Agrarpolitik 2002 erwartet wurde, wre nach den Berechnungen von Rieder et al. (1998) mit einem Rckgang der Zahl der Betriebe von 58'000 (1996/97) auf 30'000 bis 35'000 zu rechnen.

    - Hlt man statt der Einkommen die Zahl der Betriebe konstant, ergbe sich eine Halbierung der Einkommen.

    Im Fall mit konstanten Einkommen wre whrend 10 Jahren mit einem jhrlichen Rckgang der Zahl der Betriebe von knapp 5%, resp knapp 6% zu rechnen (mit/ohne Preisdifferenzierung). Wrde man die Zahl der Betriebe nur mit der vom BLW vorgesehenen Rate von 2% schrumpfen lassen, wren zwecks Erhaltung des Einkommens jhrlich wiederkehrend zustzliche Direktzahlungen von 1 Mrd., resp. 1,3 Mrd. ntig (Szenario mit/ohne Preisdifferenzierung). Anzumerken ist, dass sich die Produzentenprise und damit die Einkommen bisher eher gnstiger als mit Agrarpolitik 2002 erwartet entwickelt haben (vgl. die nachstehende 4. Grafik) und dass auch konjunkturbedingt die Schrumpfungsrate bei der Zahl der Betriebe ber den 2% lag. Die sozialen Kosten einer Reform knnten sich folglich gnstiger darstellen als es nach den vorangehenden Berechnungen scheint.

  • 170

    Index der Agrarpreise

    0

    20

    40

    60

    80

    100

    120

    1996/97 2002 2007 UE(2007) UE(2007+)

    Anzahl Durchschnittsbetriebe (bei Einkommen gemss AP2002)

    0

    10'000

    20'000

    30'000

    40'000

    50'000

    60'000

    70'000

    1996/97 2002 2007 UE(2007) UE(2007+)

    Einkommen (bei Anzahl Betrieben gemss AP2002)

    0

    10'000

    20'000

    30'000

    40'000

    50'000

    60'000

    1996/97 2002 2007 UE(2007) UE(2007+)

  • 171

    Ergnzend fhren wir nachstehend noch 3 Grafiken zu den Strukturen der Landwirtschaft nach Regionen, zur Einkommenssituation nach Regionen und zu den durchschnittlichen Betriebsstrukturen an. Die Grafiken basieren auf den aktuellen Buchhaltungsergebnissen der Referenzbetriebe (vgl. Hausheer 2001)). Aus der ersten Grafik werden die einseitigen Produktionsmglichkeiten im Berggebiet deutlich (Verkehrsmilchproduktion und Mutterkuhhaltung). Aus der zweiten Grafik geht hervor, in welchem Ausmass bereits heute die positiven externen Effekte der Landwirtschaft durch Direktzahlungen abgegolten sind, erreichen diese doch im Berggebiet einen Drittel des Erlses (zewites Sulensegment von oben). Die dritte Grafik zeigt eine langsame Anpassung der Betriebsgrssen an international wettbewerbsfhigere Strukturen. Wo diese liegen, illustriert ein Quervergleich mit Deutschland, mit dem wir den Abschnitt zu den Indikatoren im Bereich Landwirtschaft abschliessen (vgl. Bundesamt fr Landwirtschaft (2000), S.11): Schweiz 1996 Deutschland 1997 Haupterwerbsbetriebe 55'951 227000 Durchschnittliche Flche in ha 17.4 41.3 Arbeitskrfte je 100 ha 10.4 3.6 Grossvieheinheiten je Arbeitskraft 13.5 42.9 Allein diese kleine Tabelle zeigt den ausgeprgten strukturellen Anpassungsbedarf im Bereich der Landwirtschaft, denn auch in Deutschland kann man nicht von vernachlssigter Landschaft, mangelnder dezentraler Besiedelung und gefhrdeter Versorgungssicherheit ausgehen.

  • 172

    Produktionsstrukturen nach Regionen Zusammensetzung des Bruttoeinkommens nach Regionen

    0

    3

    6

    9

    12

    15

    18

    21

    24

    27

    Talregion Hgelregion Bergregion

    Kombiniert Andere

    Kombiniert Veredlung

    Kombiniert Mutterkhe

    Kombiniert Verkehrs-milch/AckerbauVeredlung

    Pferde/Schafe/Ziegen

    Anderes Rindvieh

    Mutterkhe

    Verkehrsmilch

    Spezialkulturen

    Ackerbau

    Tausend (Anzahl vertretene Betriebe)

    Quellen: Landwirtschaftliche Betriebsstrukturerhebung (BFS), Referenzbetriebe der Zentralen Auswertung (FAT)

    0

    50

    100

    150

    200

    250

    300

    91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00

    Versch.Rohertrge

    Direkt-zahlungen

    And. Tier-haltung

    And. Rind-viehhaltung

    Milch, Milch-produkte

    AndererPflanzenbau

    Getreide,Kartoffeln,Zuckerrben

    Talregion

    Bergregion

    Quelle: Referenzbetriebe der Zentralen Auswertung (FAT)

    Tausend Fr. je Betrieb

    Hgelregion

  • 173

    Grossvieh-Einheiten (GVE) und ha landwirtschaftlicher Nutzflche (LN) je Betrieb Entwicklung der landwirtschaftlichen Einkommen

    0

    10

    20

    30

    40

    50

    60

    70

    80

    90

    91 92 93 94 95 96 97 98 99 00

    TalregionHgelregionBergregion

    Quelle: Referenzbetriebe der Zentralen Auswertung (FAT)

    Tausend Fr. je Betrieb

    1,26 FamilienarbeitskrfteFr. 444 300.-

    Eigenkapital Betrieb

    1,29 FamilienarbeitskrfteFr. 337 200.-

    Eigenkapital Betrieb

    1,39 FamilienarbeitskrfteFr. 328 000.-

    Eigenkapital Betrieb

    0

    5

    10

    15

    20

    25

    30

    91 92 93 94 95 96 97 98 99 00

    Hgelregion: Tierbestand

    Talregion: Tierbestand

    Bergregion: Tierbestand

    Talregion: Landw. Nutzflche

    Bergregion: Landw. Nutzflche

    Hgelregion: Landw.Nutzflche

    Quelle: Referenzbetriebe der Zentralen Auswertung (FAT)

    GVE und ha LN je Betrieb

  • 174

    5 Institutionelles Umfeld Die durchzogene Bilanz hinsichtlich internationaler ffnung haben wir zum Teil auf institutionelle Gegebenheiten namentlich die fehlende volle Teilhabe am Europischen Binnenmarkt zurckgefhrt, ohne diesen Faktor allein ins Zentrum zu rcken, denn die Schweiz ist Mitglied oder steht in einem Vertragsverhltnis zu zahlreichen global oder regional ausgerichteten internationalen Organisationen, welche die wirtschaftliche Integration vorantreiben. Jede dieser Organisationen kennt dabei eine unterschiedliche Tiefe der wirtschaftlichen Integration. Auf globaler Ebene steht sicher die Mitgliedschaft der Schweiz in der WTO im Zentrum. Die WTO befasste sich ber Jahrzehnte vorwiegend mit dem Warenverkehr (Zollabbaurunden, Beseitigung von NTBs), doch hat sie mit dem GATS-Abkommen von Marrakesch neu auch bei der Liberalisierung des weltweiten Dienstleistungsverkehrs eine bedeutende Rolle gewonnen. Nicht zuletzt sichert das TRIPs-Abkommen den Schutz des Geistigen Eigentums unter den Vertragsstaaten (die invisibles haben eine grosse Bedeutung in der Schweiz). Im Bereich des Schutzes von Direktinvestitionen hat die WTO bislang nur eine beschrnkte Rolle erlangt (TRIMs). Hier geniesst der Codex der OECD zu den invisibles weiterhin eine Bedeutung. Der OECD-Codex im eng verwandten Gebiet des freien Kapitalverkehrs ist im gleichen Zug zu nennen. Dem Funktionieren der Kapitalmrkte nehmen sich auf globaler Ebene jedoch vorab die Bretton-Woods-Institutionen an (IWF und Weltbank), deren volles Mitglied die Schweiz 1992 geworden ist. Wachsende Bedeutung in diesem Gebiet geniessen mehr oder minder stark institutionalisierte Gremien, in denen die bedeutendsten Finanzmchte zusammenarbeiten (GAFI, Basel II u.a.m.). Zum Teil treffen sie sich im Umfeld der Bank fr Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). Aufgrund ihrer Grsse nicht Mitglied ist die Schweiz bei den G7. Zurckkommend auf die WTO ist schliesslich zu erwhnen, dass die Schweiz mit einer beschrnkten Anzahl weiterer Staaten dem Abkommen ber das ffentliche Beschaffungswesen (GPA) beigetreten ist. Die zentralen Prinzipien des GATT sind die Meistbegnstigungsklausel und das Gebot der Inlndergleichbehandlung. Fr die Schweiz von nicht zu unterschtzender Relevanz ist aber auch, dass die WTO regionale Integrationsanstrengungen nicht vorbehaltlos zulsst (trade diversion); zumindest mssen solche Abkommen alle handelbaren Gter inkl. die landwirtschaftlichen Erzeugnisse in angemessenem Umfang einschliessen.7 Auch der Spielraum zum Erlass von Kapitalverkehrsbeschrnkungen ist staatsvertraglich eingeengt (Bretton-Woods-Institutionen), was in der Schweiz

    7 Das Freihandelsabkommen der EFTA mit Mexiko wird folglich durch bilaterale Abkommen der EFTA-Lnder mit Mexiko zu Agrarerzeugnissen ergnzt.

  • 175

    seit dem Aufwertungsschub von 1978 aber kein politisches Thema mehr war. Das GATS-Abkommen gewhrleistet eine auf Kader und ausgewiesene Spezialisten beschrnkte Personenfreizgigkeit. Hinsichtlich regionaler Integration geniesst die EU ber alle Kontinente hinweg eine herausragende Stellung, denkt man an die Tiefe der erreichten Integration. Fr die Schweiz, die rundum an EU-Staaten grenzt (FL vorbehalten) und den grossen, wenn nicht berwiegenden Teil ihres wirtschaftlichen Austauschs mit den EU-Staaten abwickelt, gilt diese herausragende Stellung der EU in noch weit strkerem Mass. Die EFTA, 1960 als Konkurrenzorganisation mit rein wirtschaftlichen, und nicht auch und vor allem politischen Integrationszielen gegrndet, ist dagegen im Laufe ihrer Existenz von immer mehr Mitgliedstaaten verlassen worden, die sich dafr der EU angeschlossen haben. Heute erfllt die EFTA noch als 2. Pfeiler neben der EU beim Vollzug des EWR-Abkommens eine bedeutende Rolle (auch fr die Schweiz: Beobachterstatus). Anders als die bilateralen Abkommen beinhaltet der EWR eine weitreichende Entwicklungsklausel; er entbindet die am EWR beteiligten EFTA-Staaten weitgehend, bei der EU um Verhandlungen in wirtschaftlichen Integrationsgebieten nachzusuchen, beinhaltet aber gleichzeitig die Pflicht, neues EU-Recht im Bereich der 4 Freiheiten zu bernehmen (mit opting outMglichkeit, die bei einer gleichzeitigen Beteiligung der Schweiz und Norwegens am EWR wegen deren regelmssig divergierender Interessenlagen rasch theoretischer Art wre). Eine neue Rolle hat die EFTA beim Aufbau bilateraler Vertragsnetze zur Handelsliberalisierung gewonnen (vgl. unten). Von den verschiedenen UNO-Organisationen geniesst die UNO-Wirtschaftskommission fr Europa (ECE) in ausgewhlten Gebieten noch eine gewisse Bedeutung (Umwelt und Verkehr). Auf den aktuellen Trend zur Schaffung neuer regionaler (Wirtschafts-) Integrationsgemeinschaften (NAFTA, Mercosur, ASEAN) und was dies fr die Schweiz bedeutet, wird weiter unten zurckzukommen sein. 6 Darstellung der aktuellen Situation Nach den oben vorgestellten Indikatoren kann die internationale ffnung der Schweiz wie folgt charakterisiert werden : - Der Grad der ffnung ist hoch und schreitet weiter voran, vorbehalten die

    Landwirtschaft. - Die Globalisierung durch Direktinvestitionen ist bemerkenswert, vor allem

    was Anlagen der Schweiz im Ausland betrifft. - Obwohl die rechtlichen Beschrnkungen fr die Arbeitskrftemigration

    erheblich sind, gerade was qualifizierte Krfte anbelangt, liegt der Austausch

  • 176

    von Arbeitskrften (Auslnder in der Schweiz und Schweizer im Ausland) auf einem hohen Niveau.

    - Im Ausland gilt die Schweiz in vielen Bereichen als protektionistisch (ffentliches Beschaffungswesen, Importbewilligungen usw.), doch oftmals wurden Fortschritte im Gleichschritt mit dem Ausland erzielt.

    Wettbewerbsfhigkeit der Branchen und des Standortes Wenn man sich in einer eingehenderen Analyse zunchst auf die Exporte von Industriegtern konzentriert und eine Aggregationsstufe tiefer geht, besttigt sich das beim Hauptindikator gewonnene Bild einer von einem hohen Niveau ausgehenden, jedoch nicht berwltigenden Dynamik der schweizerischen Exportorientierung. Hlt man sich an die nachstehenden KOF-Tabelle (Arvanitis et al. (2001)), ergibt sich, dass es sogar in bevlkerungsmssig weit grsseren Lndern, die wegen ihres grossen Binnenmarktes weniger auf Exporte angewiesen sind, Branchen gibt, welche die einheimische Industrie in Sachen Exportorientierung bertreffen.

    Exportanteile am Bruttoproduktionswert - Schweiz und Deutschland, 1995, ausgewhlte Branchen

    Schweiz Deutschland

    Chemie 66.6 38.6Elektrotechnik 37.1 43.4Maschinen 67.6 35.5Metalle 25.4 43.6 Zu stark darf man bei der Erklrung dieser Resultate das Argument der integrationspolitischen Sonderstellung im Bereich der Industrie nicht betonen. Die Schweiz kennt jetzt seit bald 3 Jahrzehnten die Zollfreiheit fr Exporte von Industriegtern in den EU-Raum. Weiter hat sie in den 90er-Jahren ihr technisches Recht weitestgehend an dasjenige des Europischen Binnenmarktes angeglichen. Der damit bewirkte Wegfall nicht-tarifarischer Handelshemmnisse htte die Exporte an sich dynamisieren sollen, auch wenn das Argument der Zeitverluste und Kosten fr die Zollabfertigung bleibt. Grnde mssen deshalb durchaus auch bei den Standortvoraussetzungen gesucht werden. Denkbar, aber schwer nachzuweisen, ist eine Verbesserung der Standortvoraussetzungen an konkurrierenden Standorten bei einer nicht nur relativen, sondern zum Teil auch absoluten Verschlechterung der Standortvoraussetzungen im Inland : Htte in andern Zeiten das schleppende Wachstum im Inland dahingehend gewirkt, dass mehr Ressourcen fr den Export zur Verfgung standen, knnte in den 90er Jahren die parallele nachfrageseitige berlegung eine strkere Rolle gespielt

  • 177

    haben: Wie interessant ist es, an einem Standort zu investieren, an dem die Inlandnachfrage stagniert, wenn sich gleichzeitig an andern Orten Kapazitten aufbauen lassen, wo sich nicht nur die Standortvoraussetzungen laufend verbessern, sondern sich zustzlich noch eine starke Nachfrage gerade vor der Haustre entwickelt ? Die zentrale Lage der Schweiz in Europa, welche dieses Argument der Nhe zum Kunden relativiert, knnte in seiner Wirkung dabei durch die genannten Zollkontrollen, mindestens so sehr aber auch durch die ungnstige Wechselkursentwicklung und hohe diesbezgliche Unsicherheit neutralisiert, wenn nicht berkompensiert worden sein. Die Lohnstckkostenentwicklung (vgl. die nebenstehenden Berechnungen der KOF) ist jedenfalls stark von der Wechselkursentwicklung geprgt, und nicht von einer problematischen (Lohn-)Kostenentwicklung im Inland, wie in andern Staaten.8 Ein weiteres Argument fr die nicht berwltigende Performance der Unternehmen, soweit sie ab dem Standort Schweiz aktiv sind, knnte im skularen Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft begrndet sein. In der Tat kann man feststellen, dass in den Gesamtexporten die Dienstleistungen relativ zum Gterexport an Gewicht gewonnen haben. Auch hier drngt sich jedoch eine Analyse auf Branchenebene auf. Whrend der Finanzsektor mit 5% der Beschftigten 12% des BIP erwirtschaftet (Zahlen 1999), verhlt es sich beim Tourismus weit weniger gnstig. Der RCA-Wert (revealed comparative advantage, d.h. das Verhltnis von Exporten und Importen in einem Wirtschaftszweig) hat sich im Tourismus in den letzten Jahren dem Wert 1 angenhert (d.h. der Saldo der Tourismusbilanz geht gegen Null). Die Stellung des Tourismus als Zweig der Exportwirtschaft und die gesamtwirtschaftliche Bedeutung seiner Prosperitt drfen trotzdem nicht unterschtzt werden. Einerseits ist die starke Ausrichtung flchenmssig grosser Teile des Landes auf diesen Wirtschaftszweig zu beachten, anderseits ist in Rechnung zu stellen, dass dieser Wirtschaftszweig eine weit hhere Wertschpfungstiefe im Inland kennt als andere Branchen. Da noch eine hohe Preiselastizitt der stark auslandabhngigen Nachfrage hinzukommt, kann er folglich Wechselkursvernderungen weit weniger gut absorbieren als andere Wirtschaftszweige.

    8 Wegen des nur nachtrglich gewhrten Teuerungsausgleichs und der hohen Teuerungsraten zwischen 1989 und 1992 ergab sich zu Beginn des vergangenen Jarhrzehnts allerdings ein bedeutender Lohnkostenschub. Dieser ist weniger Ausdruck einer Disfunktionalitt des Arbeitsmarktes, als Ausdruck von Geldillusion bei der Rekrutierung auslndischer Arbeitskrfte.

  • 178

    Grafik 4: Industrie insgesamt: handelsgewichtete relative Lohnstckkosten, Arbeitsproduktivitt, Lohnkosten pro Beschftigten und branchenspezifischer Wechselkurs

    70

    80

    90

    100

    110

    120

    130

    140

    1980

    1981

    1982

    1983

    1984

    1985

    1986

    1987

    1988

    1989

    1990

    1991

    1992

    1993

    1994

    1995

    1996

    1997

    Jahr

    Inde

    xpun

    kte

    (198

    0 =

    100)

    Lohnstckkosten ArbeitsproduktivittLohnkosten pro Beschftigten Wechselkurs nom.

    Quelle: Arvanitis et al. (2000) Eine isolierte Betrachtung der Exporte, seien es Gter, seien es Dienstleistungen, greift zu kurz. Vielmehr gilt es in berwindung merkantilistischer Reflexe zu beachten, dass gesamtwirtschaftlich gesehen erst Importe die Voraussetzung fr Exporte schaffen. Dies ergibt sich aufgrund des gesamtwirtschaftlichen Erfordernisses des Zahlungsbilanzausgleichs, welcher die Schweiz mag hier eine Ausnahme sein meist den Handelsbilanzausgleich mit impliziert. Zumindest im Bereich der Landwirtschaft verhindert die Schweiz mit ihren oftmals prohibitiv hohen Zllen jedoch eine dynamische Entwicklung der Importe dort, wo andere Lnder ihre komparativen Vorteile haben. Im um die Nahrungsmittelindustrie erweiterten Agrarbereich sind nicht nur die Zlle sehr hoch, sondern auch die nicht-tarifarischen Handelshemmnisse. Erreichter Grad der Globalisierung Wie einleitend bereits festgehalten, gilt es im Zeichen der Globalisierung immer strker zwischen dem Erfolg sog. schweizerischer Unternehmen und dem Erfolg der Schweiz als Wirtschaftsstandort zu unterscheiden. Aus den Angaben zur Stellung der Schweiz bei den Direktinvestitionen ergibt sich, dass die schweizerischen Unternehmen in verschiedenen Weltgegenden als Investoren

  • 179

    eine Position innehaben, die jene gewisser bevlkerungsmssig mehrfach grsserer europischer Lnder (F, I) in absoluten Grssen sprbar bertrifft. Auch aus den Statistiken der SNB, etwa jener ber die Beschftigten in schweizerischen Unternehmen im In- und Ausland, geht deutlich hervor, dass die schweizerischen Unternehmen in sehr weitgehendem Mass die Mglichkeiten der internationalen Arbeitsteilung nutzen. Die grenzberschreitende Bettigung geht dabei weit ber das Errichten von Handelsniederlassungen hinaus. In zunehmendem Mass gilt heute sogar fr Forschungsaktivitten das Gebot des global sourcing (fr Zahlen vgl. Hollenstein (2001)). Hervorzuheben ist auch, dass kleine und mittlere Unternehmen in bedeutendem Mass im Ausland ttig sind. Gerade die schweizerischen KMU darf man nicht (allein) in der Rolle der Zulieferer der global ttigen Konzerne sehen, obwohl dies natrlich auch eine Rolle spielt. Vielfach sind die schweizerischen KMU auf Grund ihrer technologischen und kommerziellen Fhigkeiten nmlich in einem begrenzten Markt die Weltmarktleader und entsprechend global wenigstens mit Reprsentanten vertreten (Disetronic, Phonak). Diese Feststellung steht in engem Zusammenhang mit dem Branchenmix in der schweizerischen Metall- und Maschinenindustrie, in der die Automobilindustrie mit ihren riesigen Produktionssttten fehlt. Ihr Wertschpfungsanteil wird durch die Przisionsinstrumente wettgemacht, wo die kritische Unternehmensgrsse weit kleiner ist und wo die Schweiz sehr gut abschneidet. Allerdings ist anzumerken, dass sich gemss der KOF-Untersuchung zur Wettbewerbsfhigkeit der Wirtschaftszweige gerade die Chemie mit ihren Grosskonzernen unter den Branchen am besten entwickelt hat. Gemessen in Prozenten des BIP liegen die Direktinvestitionen des Auslands im Inland weit hinter den Direktinvestitionen des Inlands im Ausland zurck. Sieht man von einigen Sonderfaktoren ab (Fusion ASEA - BBC zur ABB), die einzelne Jahresergebnisse prgten, waren die Direktinvestitionen des Auslandes auch stark auf den Finanzsektor konzentriert, whrend die ausgehenden Direktinvestitionen sich auf mehr Wirtschaftszweige verteilen. In dieser Tatsache kann man einerseits reflektiert sehen, dass sich die Schweiz in der wachsenden internationalen Arbeitsteilung als Finanzdienstleistungszentrum etabliert, was in der Tat eine sehr wertschpfungsstarke wirtschaftliche Bettigung ist. Anderseits kann man diese Tatsache auch darauf zurckfhren, dass wegen der fortbestehenden Zollschranken (just in time) und Wechselkursrisiken industrielle und industriebezogene Dienstleistungs- Aktivitten (Lagerhaltung usw.) nicht in der Schweiz angesiedelt werden. Eine nicht unwesentliche Rolle hat weiter die spte Liberalisierung gespielt. Seit die Marktffnungen im Infrastrukturbereich eingesetzt haben, verteilen sich die auslndischen Direktinvestitionen in der Schweiz auf mehr Branchen. Ob die Lex Friedrich noch Investitionen bremst, ist weniger klar (Verbot der reinen Kapitalanlage in Immobilien und des Immobilienhandels). Eine Finanzierung

  • 180

    der Erneuerung der Hotelinfrastruktur mit auslndischem Geld wre jedenfalls willkommen. Offenheit der Faktormrkte Die Direktinvestitionen werden von den Portfolioinvestitionen ihrem finanziellen Umfang nach weit bertroffen. In dieser Tatsache kommt u.E. vor allem der hohe Sparberschuss der Schweiz zum Ausdruck. Es gibt angesichts der vielfltigen Produktepalette der hiesigen Banken fr den Investor keinen Grund, den Schutz des Bankgeheimnisses durch Anlagen in niedrig rentierenden Anlagen im Inland zu erkaufen. Obwohl der Sparberschuss die Zinsen im Inland drckt (selbst wenn man die trendmssige Aufwertung in Rechnung stellt) und damit mehr inlndische Investitionsvorhaben rentabel werden, mssen immer noch jedes Jahr mehrere Prozente des BSP netto ins Ausland exportiert werden (das grsste Portfolio hat dabei die SNB). Das Netto-Auslandvermgen der Schweiz bertrifft das BIP, ein weltweiter Rekordwert. U.E. ist dabei davon auszugehen, dass sich die Schweiz in einem skularen Prozess der Zinsangleichung an das europische Umland befindet, wobei es noch einige Zeit dauern wird, bis die Fllung der beiden Wirtschaftsrume mit Finanzkapital zu gleich hohen Zinsen gefhrt haben wird. Die wichtigsten Bremsen fr eine vollstndige Zinsangleichung sind u.E. die Anlagevorschriften fr Pensionskassengelder und die Wechselkursunsicherheit; sie begrnden u.U. einen dauerhaften Zinsvorteil der Schweiz, der in den langfristigen Zinsstzen allerdings nicht mehr sicher nachzuweisen ist. Dass es um die Zusammensetzung der zuwandernden Arbeitskrfte nach Qualifikation lange Jahre nicht zum Besten bestellt war, w