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issn 1027-8303 FOLGE 118 SEPTEMBER 2011 32. JAHRGANG Kostendeckung durch Spenden In dieser Ausgabe: Kernspaltung und Kernfusion sind keine Klimaretter Können wir auf die Atom- energie gar nicht verzichten, weil nur mit ihr das Problem des Klimawandels gelöst werden kann? Ein fataler Irrtum, wie August Raggam zeigt Seite 1 Kolibri-Batterie: Bahnbrechende Erfindung in der Energiespeichertechnik Hohe Leistung und technische Sicherheit zeichnet die neuartige Batterie auf Lithium-Polymer-Basis aus Seite 4 Intelligente Netze für die Stromversorgung der Zukunft Für den Wandel unseres Energiesystems muß auch die Infrastruktur der Stromversorgung den neuen Herausforderungen angepaßt werden Seite 5 Nachruf auf Stefan Micko Seite 6 Reise in die Zukunft Wie der Alltag im Zeitalter erneuerbarer Energieversorgung aussehen könnte Seite 7 Kurzmeldungen Seite 8 Kernspaltung und Kernfusion sind keine Klimaretter von August Raggam Während nach Fukushima überall auf der Welt über einen Atomausstieg nachgedacht wird, behaupten einige, man könne gar nicht auf die Atomenergie verzichten, weil nur mit ihr das große Problem des Klimawandels gelöst werden könne. Ein fataler Irrtum, nicht nur weil schon bei der Urangewinnung beträchtliche Mengen CO 2 freiwerden, sondern auch wegen der großen Abwärme von Atomkraftwerken, die zur Erderwärmung beiträgt – ein bisher nicht beachteter Aspekt. Wir gehören zu den Glücklichen, zu jenen 20% der Weltbevölkerung, die es sich auf Kosten der restlichen 80% gut gehen lassen. Hiezu graben (stehlen?) wir Rohstoffe aus fremden Böden, transportieren, produzieren im Überschuss, konsumieren und deponieren. Unsere Weltwirtschaft wird betrieben mit Öl, Gas, Kohle und Atomenergie. Bei Rohstoff- verweigerung kommen Waffen und das Blut von Menschen zum Einsatz. Wir wollen den Spitzenplatz auf der Wohlstands-Pyramide halten. Leider müssen wir feststellen, dass uns zunehmend die Freude daran abhan- den kommt. So manches Elend trifft auch uns. Neben den Verkehrstoten und den zunehmenden Zivilisations- krankheiten sind es vor allem die explodierenden Sturm-, Hochwasser- und Trockenheitsschäden, die uns, längst unfinanzierbar geworden, mit Sorge erfüllen. Die Ökologie lehrt uns, daß der Mensch in ein hochintelligentes, traumhaftes grünes Kreislauf- Produktionssystem dieser Erde hin- eingeboren wurde, in das er sich auch über 6 Millionen Jahre problem- los einfügte. Seit der Mensch vor etwa zehntausend Jahren vom Jäger und Sammler zum Ackerbauern wurde, schuf er naturwidrige Systeme. Anfangs langsam, nach der Erfin- dung der Dampfmaschine immer schneller und seit etwa 100 Jahren mit atemberaubender Geschwindig- keit: die Einführung von Öl, Gas, Atomenergie, fettlöslichen chlorier- ten Kohlenwasserstoffen und der Humuszerstörung durch wasserlös- lichen Kunstdünger. Der Physiker und Nobelpreisträger Prof. Eigen verkün- dete vor 20 Jahren: „Um das CO 2 Problem zu lösen, müssen wir alles Geld in den Bau neuer Atomkraft- werke geben.“ Nach Tschernobyl "Der unverzügliche Wechsel zu erneuerbaren Energien ist keine Last, sondern die größte greifbare soziale und wirtschaftliche Zukunftschance“ Hermann Scheer

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issn 1027-8303

FOLGE 118 SEPTEMBER 2011 32. JAHRGANGKostendeckung durch Spenden

In dieserAusgabe:ll Kernspaltung und Kernfusionsind keine KlimaretterKönnen wir auf die Atom-energie gar nicht verzichten,weil nur mit ihr das Problem desKlimawandels gelöst werdenkann? Ein fataler Irrtum, wieAugust Raggam zeigt Seite 1

ll Kolibri-Batterie: Bahnbrechende Erfindung in derEnergiespeichertechnik Hohe Leistung und technischeSicherheit zeichnet die neuartigeBatterie auf Lithium-Polymer-Basisaus Seite 4

ll Intelligente Netze für die Stromversorgung der Zukunft Für den Wandel unseresEnergiesystems muß auch dieInfrastruktur der Stromversorgungden neuen Herausforderungenangepaßt werden Seite 5

ll Nachruf auf Stefan MickoSeite 6

ll Reise in die Zukunft Wie der Alltag im Zeitalter erneuerbarer Energieversorgungaussehen könnte Seite 7

ll Kurzmeldungen Seite 8

Kernspaltung und Kernfusionsind keine Klimaretter

von August Raggam

Während nach Fukushima überall auf der Welt über einenAtomausstieg nachgedacht wird, behaupten einige, man könnegar nicht auf die Atomenergie verzichten, weil nur mit ihr das

große Problem des Klimawandels gelöst werden könne. Ein fataler Irrtum, nicht nur weil schon bei der Urangewinnungbeträchtliche Mengen CO2 freiwerden, sondern auch wegen dergroßen Abwärme von Atomkraftwerken, die zur Erderwärmung

beiträgt – ein bisher nicht beachteter Aspekt.

Wir gehören zu den Glücklichen, zujenen 20% der Weltbevölkerung, diees sich auf Kosten der restlichen 80%gut gehen lassen. Hiezu graben(stehlen?) wir Rohstoffe aus fremdenBöden, transportieren, produzierenim Überschuss, konsumieren unddeponieren. Unsere Weltwirtschaftwird betrieben mit Öl, Gas, Kohleund Atomenergie. Bei Rohstoff-verweigerung kommen Waffen unddas Blut von Menschen zum Einsatz.Wir wollen den Spitzenplatz auf derWohlstands-Pyramide halten. Leidermüssen wir feststellen, dass unszunehmend die Freude daran abhan-den kommt. So manches Elend trifftauch uns. Neben den Verkehrstotenund den zunehmenden Zivilisations-krankheiten sind es vor allem dieexplodierenden Sturm-, Hochwasser-und Trockenheitsschäden, die uns,längst unfinanzierbar geworden, mitSorge erfüllen.

Die Ökologie lehrt uns, daß derMensch in ein hochintelligentes,traumhaftes grünes Kreislauf-Produktionssystem dieser Erde hin-eingeboren wurde, in das er sichauch über 6 Millionen Jahre problem-los einfügte. Seit der Mensch voretwa zehntausend Jahren vom Jägerund Sammler zum Ackerbauernwurde, schuf er naturwidrige Systeme.Anfangs langsam, nach der Erfin-dung der Dampfmaschine immerschneller und seit etwa 100 Jahrenmit atemberaubender Geschwindig-keit: die Einführung von Öl, Gas,Atomenergie, fettlöslichen chlorier-ten Kohlenwasserstoffen und derHumuszerstörung durch wasserlös-lichen Kunstdünger. Der Physiker undNobelpreisträger Prof. Eigen verkün-dete vor 20 Jahren: „Um das CO2

Problem zu lösen, müssen wir allesGeld in den Bau neuer Atomkraft-werke geben.“ Nach Tschernobyl

"Der unverzügliche Wechsel zu erneuerbaren Energien ist keine Last, sondern die größte greifbare soziale und wirtschaftliche Zukunftschance“

Hermann Scheer

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Neue Argumente ll www.arge-ja.at Folge 118 ll September 2011

versuchte man uns mit der Behaup-tung zu beruhigen, dass so ein Unfallnur in Russland möglich war. Jetzt,nachdem im hochentwickelten Japandie unmögliche Atomkatastrophedoch passierte, trafen sich der fran-zösische und japanische Präsidentum gemeinsam zu verkünden, daßman auf Atomenergie trotzdem nichtverzichten könne, weil das viel wich-tigere Problem Klimawandel nur mitihr lösbar sei. Ähnliches hört manauch von deutschen, schweizerischenund österreichischen sogenanntenEnergieexperten. Offensichtlichregiert nach wie vor Gier, Dummheitund Geld die Welt. Einen Lichtblickgewährte uns die von der deutscheBundeskanzlerin Angela Merkel ein-berufene Ethikkomission, die zu demSchluß kam, daß Atomenergieethisch nicht vertretbar ist undDeutschland seine Energieversorgungmöglichst rasch auf eine umweltver-träglichere Basis umstellen sollte.

Im Gegensatz zu Prof. Eigen lautetmein Credo: „ ausreichend Geld füreine neue, Humus aufbauende undkreislauforientierte ökologische Land-und Forstwirtschaft (Agroforst-kulturen), die uns zusammen mitEffizienzsteigerung und allen sonsti-gen verfügbaren Sonnenenergie-formen ausreichend mit gesundenLebensmitteln, Energie und biogenenRohstoffen versorgen kann.“

2000 Quadratmeter pro Einwohner für Nahrung und Energie

Nach meinen Berechnungen kannsich jedes Land der Welt mit minde-stens 0,2 ha Fläche je Einwohnernachhaltig und ausreichend mitLebensmittel, Energie und biogenenRohstoffen versorgen. Voraussetzungist nur, daß 50% der Energie durchWärmedämmung, Dezentralisationund Elektroautos eingespart werden– was ohne Komfortverlust möglichist. Die restliche Energie kann zurHälfte aus den SonnenenergieformenWind, Wasser, Solar und Fotovoltaik

kommen und zur Hälfte aus der kost-baren, weil gespeicherten Sonnen-energieform Biomasse. Die Tabelleoben zeigt, daß auch für die klassi-schen Atomländer wie Frankreich,Japan und auch Deutschland nie dieNotwendigkeit zum Bau von Atom-kraftwerken bestand. Diese sind ein-deutig auf die Überzeugungsgabeeinzelner Wissenschaftler, der Gierder Stromversorgungsgesellschaftenund der Unwissenheit bzw. Leicht-gläubigkeit von Politikern zurück-zuführen.

Sogar Südkorea mit der enormenBevölkerungsdichte von 0,2 ha proEinwohner und 97 % Energieimportkönnte auf Grund seines Waldreich-tums (wie auch Japan) auf seine vier

Atomkraftwerke und auf Energie-importe verzichten. Das AtomlandNr.1 Frankreich könnte sich, wieÖsterreich, fünf mal energetisch mitBiomasse versorgen, wobei denBerechnungen jeweils ein moderaterjährlicher Biomasseertrag von 10 atroTonnen (atro=absolute Trocken-masse) je Hektar zu Grunde liegt.

Wir können die eingestrahlteSonnenenergie direkt (Solar- und PV-Anlagen) oder indirekt, über Wind-,Wasser- oder Biomasseanlagen nut-zen, und zwar möglichst gleich-mäßig, also dezentral.

Ob Biomasse einfach verottet (wieim Urwald) oder zur Energieerzeugungverbrannt wird, ändert nichts an den

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Folge 118 ll September 2011 Neue Argumente ll www.arge-ja.at

Temperatur-, Sauerstoff- und CO2

Gleichgewichten der Umwelt, weilauch beim natürlichen Verrottungs-prozess CO2 frei wird. Wichtig ist nurdarauf zu achten, daß die für diePflanzen wichtigen Lebensbedingun-gen bewahrt werden, insbesonderedie Mineralien- und Wasserversor-gung, welche wieder stark von derBodenbeschaffenheit (Humusgehalt,Bodenleben und Wasserspeiche-rungsvermögen) abhängt.

Die Gefahr an unserer intensivenNutzung fossiler Brennstoffe ist, daßEnergie, welche im Erdinneren imLaufe von Millionen von Jahren abgespeichert wurde, plötzlich inner-halb kurzer Zeiträume freigesetztwird. Die dabei freiwerdende Wärmemuss zusätzlich zur eingestrahltenSonnenenergie abgestrahlt werden,was nur durch eine Erhöhung derErddurchschnittstemperatur möglichist. Gleichzeitig wird von dem eben-falls in Millionen Jahren gebildetenlebenswichtigen Sauerstoff viel mehrverbraucht, als durch die Photosyn-these der Pflanzen wieder produziert werden kann, und eine äquivalenteMenge CO2 an die Atmosphäre abgegeben.

CO2 hat die Eigenschaft, kurzwelli-ge Sonneneinstrahlung durchzulas-sen und die langwellige Rückstrah-lung von der Erde zu sperren. Diesbewirkt den von vielen Klimatologengefürchteten und von einigen bestrit-tenen Treibhauseffekt.

Auch die Abwärme der atomarenEnergienutzung muß wie bei derFossilenergienutzung über eineErhöhung der Erddurchschnitts-temperatur ins Weltall abgeführtwerden. Das birgt die Gefahr vonAnspringreaktionen, wobei immerrascher CO2 aus dem Meer in dieAtmosphäre ausdampft, und dieTemperatur weiter erhöht, wodurchder Prozess sich noch beschleunigt.Solche Anspringreaktionen könntendas Ende der Menschheit bedeuten.Die Lebewesen auf der Erde habensich bisher in Zeiträumen von hundert-

tausenden von Jahren an geänderteBedingungen angepasst. Niemandweiß, ob Menschen und die Tier- undPflanzenwelt auch mit dem gegen-wärtigen Tempo menschenverursach-ter Änderungen mithalten könnten.

Temperaturerhöhung um 0,9 Grad bei einerVerdoppelung derEndenergiebereitstellungmit Atomenergie

Würde der Primärweltenergieumsatzdes Jahres 2008 (14,3 . 1013 kWh) inZukunft durch Atomenergie (Kern-spaltung, Kernfusion) und Geothermieverdoppelt, hätte das eine Verfünf-fachung der abzustrahlenden Wärmezur Folge, wenn man den schlechtenWirkungsgrad der Atomkraftwerke,Netz- und Transformationsverlustesowie den Energiebedarf für denKraftwerksbau berücksichtigt. Esergibt sich sogar eine Versechs-fachung, wenn man das um 20% ver-ringerte Wärmeabfuhrvermögen derErde in den letzten 50 Jahren berük-ksichtigt, das der durch industrielleLandwirtschaft verursachte Humus-abbau bewirkt hat. Der KlimaforscherLennart Bengtsson nimmt wegen desschon bestehenden Treibhauseffektseinen zusätzlich verstärkenden Faktorvon 2,4 an.

Die effektiv abzustrahlendeEnergiemenge beträgt daher:Primärweltenergieumsatz 2008(14,3 x 1013 kWh) x 6 x 2,4 =205 x 1013 kWhpro Jahr. Diese Energiemenge ent-spricht einem Dreihundertzwölftel(1/312) der jährlich an der Erdober-fläche ankommenden Sonnenenergievon 64 x 1016 kWh. Die Wärme-abfuhr erfolgt allgemein durchKonvektion nach der Formel:

QEinstrahlung = QAbfuhr = = Konst. x Oberfl.Erde x ∆t

∆t = 273 °K + 16 ° K Erddurchschnittstemperatur) = 289 °K

Wenn wir bei einer Verdoppelungder Endenergie eine zusätzliche Abstrahlung von 1/312 der Sonnen-

einstrahlung erreichen wollen,errechnet sich die hiezu notwendigeErdoberflächentemperaturerhöhung tnach Kombination obiger Formel mitfolgender:

QEinstrahlung x (1 + 1/312) =

= Konst. x Oberfl.Erde x (∆t + t), mit 0,9 °C.

Eine Verdoppelung des Endenergie-umsatzes auf Basis Kernspaltung,Geothermie oder Kernfusion würdesomit einen Weltdurchschnitts-temperaturanstieg von 0,9 °Cbedeuten. Diese Energieformen brin-gen zusätzliche Wärmemengen inden oberirdischen Kreislauf und sinddaher nicht klimaneutral. Wenn dieEntwicklungsländer in ihrem Energie-verbrauch aufholen, wäre auch eineVerzehnfachung des Anstiegs auf 9 °C denkbar.

Die oben beschrieben gefährlichenAnspringreaktionen könnten wegender fehlenden Humusschichtendurchaus schon bei einem Temperatur-anstieg unter 0,9 °C ausgelöst wer-den. Einzig die erneuerbarenEnergien (mit Ausnahme der übli-cherweise dazu gezählten Geo-thermie) garantieren ein Energie-versorgung im ökologischen Gleich-gewicht für eine lebensfreundlicheZukunft. In fünf bis zehn Jahren kön-nen wir die Energiewende zurKlimarettung ökologisch und ökono-misch mit den in jedem Land reich-lich vorhandenen Sonnenenergie-formen schaffen.

Univ.-Prof. Dr.techn. DI AugustRaggam lehrte an der TU Graz undgründete und leitete das dortigeForschungsinstitut "AlternativeEnergienutzung- Biomasse". Er warwesentlich an der Entwicklung derersten automatischen Pellets- undHackgutheizungen beteiligt undMitbegründer der Firmen Ökofen undKWB.

Buchtipp: August Raggam, “Biomasse stoppt Klimawandel”2.Auflage, dbv-Verlag Wien 2008

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Am 26. Oktober 2010 sorgte derdeutsche Erfinder und Jungunter-nehmer Mirko Hannemann für eineSensation, als er in einem auf Elektro-antrieb umgebauten Audi A2 vonMünchen nach Berlin fuhr – gut 600Kilometer mit nur einer Batterie-ladung, Durchschnittsgeschwindig-keit 90 km/h, nachts, bei Temperatu-ren nahe dem Gefrierpunkt. Das lei-stungsstärkste derzeit am Markterhältliche Elektroauto, der 100.000Euro- Sportwagen Tesla Roadster,erreicht bei mäßiger Fahrweise 300Kilometer, die neuen E-Kleinwagenvon Citroen und Mitsubishi kaum dieHälfte dieser Strecke. Diese Weltrekord-leistung eines Außenseiters wurdevon der deutschen Autobranchenicht mit ungeteilter Freude aufge-nommen. Die Reaktionen reichtenvon Skepsis bis zur niederschmettern-den Kritik von Batterieexperten undBetrugsverdacht.

Als Mitte Dezember das Rekord-auto bei einem Brandanschlag aufdie Lagerhalle zerstört wurde, kamHannemann und seine Firma DBMnoch mehr unter Druck. Erst nach-dem unabhängige Prüfungen Anfang2011 die Qualität der Batterie bestä-tigten, gab es zögerliche Anerken-nung. Die deutsche Bundesanstaltfür Materialforschung (BAM) stellteder Kolibri-Batterie nach einer umfas-senden Serie von Stresstests unterextremen klimatischen Bedingungen,bei Feuer, Aufprall, elektrischenKurzschlüssen oder Überladung einZeugnis für hervorragende techni-sche Sicherheit nach internationalenStandards aus1. Das ist sensationell,weil es bisher bei diesem schon

bekannten Akkutyp auf Lithium-Polymer-Basis gerade Probleme mitEmpfindlichkeit und Sicherheit waren,welche eine breitere Anwendung versagt hatten.

Die KFZ-Prüfanstalt DEKRA führteeinen Fahrtest durch und stellte beidem umgebauten Audi A2 mit derBatterieleistung von 63kwh (statt99kwh wie bei Rekordauto) eineReichweite von 455 Kilometern fest.Der dabei ermittelte Wirkungsgradder Batterie lag bei 97%.

EntscheidendeErfolgsfaktorenEnergiedichte. Eine gute Batterie fürElektroautos zu bauen, ist deshalbeine besondere Herausforderung,weil diese möglichst viel Energie beimöglichst geringem Gewicht undRaumverbrauch liefern soll. Bei demRekordfahrzeug „Lekkermobil“ betrugdie Energiedichte nach Angaben derHersteller über 280 Wattstunden proKilo, das Gewicht der 98,8 kwh-Batterie 350 Kilo2. Das wäre mehr alsdie doppelte Energiedichte derbesten Akkus des E-Mobil-PioniersTesla3. Bei dem für den DEKRA-Test

verwendeten Wagen wurden aller-dings qualitativ andere Akkus mit„nur“ 170 wh/kg verwendet. DieHersteller begründeten dies mit derkurzen Zeit und dem begrenztenfinanziellen Spielraum, in dem nachdem Brandanschlag ein neues Träger-fahrzeug aufgebaut werden mußte.Weil die Kolibri-Batterie sehr kompaktist, konnten die Autos 4-sitzig und mitKofferraum ausgestattet werden.

Ladezeit und Lebensdauer.Der Hersteller gibt an, mit einem ent-sprechenden Schnelladeverfahrenund passender Strominfrastrukturkönnten die Batterien in weniger als20 Minuten geladen werden. DieLebensdauer wird auf 5000 Lade-zyklen geschätzt.

Alltagstauglichkeit und Langzeit-leistung. Die Kolibri-Batterie istschon seit über einem Jahr in denGabelstaplern der Firma Papstar imEinsatz. Die Firma ist sehr zufriedenund hat im Jänner zehn weitereAkkus zu einem Preis gekauft, derzwar das vierfache von Blei-Akkusbetrage, sich aber wegen einer mehrals verdoppelten Laufzeit der Geräteund 70% Stromersparnis amortisiere. Von Juni bis September werden vomForschungszentrum für Energietech-nologie des Energieversorgers EWE inOldenburg Langzeittests mit dreiKolibri-Autos unter Alltagsbedingun-gen durchgeführt, wobei überStrecken von jeweils 15.000 KilometernDaten gesammelt und die Praxis-tauglichkeit erprobt werden soll.Danach werden sie im DeutschenZentrum für Luft- und Raumfahrtweiter untersucht.

Kolibri-Batterie:

Bahnbrechende Erfindung in derEnergiespeichertechnik

Hohe Leistung und technische Sicherheit hat die neuartige Batterie auf Lithium-Polymer-Basisschon bewiesen. Wenn die vom Erfinder in Aussicht gestellte Langzeitleistung, niedere Kosten undLadezeit unter 20 Minuten sich noch bewahrheiten, wäre das ein Entwicklungssprung nicht nur im

Bereich der Elektromobilität, sondern für die erneuerbare Energieversorgung überhaupt.

Auf Elektrofahrzeug umgebauter AudiA2 beim DEKRA-Test

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Wer denkt sich schon was dabei - zu Mittag, während am E-Herd schondrei Kochplatten und der Backofenim Betrieb sind, warum nicht auchnoch schnell die Waschmaschineanschalten, und bis zum Fertig-kochen des Essens die Bügelwäscheerledigen. Für die Stromrechnungdes Einzelnen macht es im allgemei-nen keinen Unterschied, zu welcher

Tageszeit der Strom konsumiert wird.Wenn viele Konsumenten in einemStromnetz gleichzeitig viel Stromverbrauchen, spricht der Strom-versorger von einer Strom(bedarfs)-spitze. Spitzenstrom ist teuer, selbstin einem Netz mit konventionellerEnergieversorgung, wo in der Formvon Erdöl und Erdgas scheinbarunbegrenzte Energiespeicher zur

Verfügung stehen, und der Mann imKraftwerk scheinbar nur das Feuerweiter aufdrehen muß. Tatsächlichläßt sich die Leistung fossilerKraftwerke nur sehr begrenzt undmit beträchtlichen Effizienzverlustenhinauf- oder hinunterregeln. Das giltbesonders auch für Atomkraftwerke,die Tag und Nacht gleichförmigeMengen Stroms produzieren, egal,

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Sicherheit und Recycling. DieBatterie enthält keine Säuren oderGase und soll laut Hersteller auch freivon Giftstoffen und voll recyclingfä-hig sein. Die technische Sicherheitder Akkus wurde ja bereits im Rahmender BAM- Testserie bewiesen.

Preis. Erfinder Hannemann bezeich-net die Technik als marktreif undschätzt den möglichen Preis eines E-Autos mit 300 km Reichweite auf30.000 Euro. Da bei einem Energie-verbrauch von 14 kw /100 km dieStromkosten nur rund 3 Euro ausma-chen, wäre das gegenüber demösterr. Durchschnittsverbrauch vonsieben Liter bei PKW und einemSpritpreis von 1,3 Euro/l eineErsparnis von 700 Euro alle 10.000Kilometer. Selbst wenn die Lebens-dauer der Batterie um einiges weni-ger als die für möglich erklärten300.000 Kilometer reichen würde,wäre das ein sehr wirtschaftlichesFahrzeug, von der Umweltfreundlich-keit ganz abgesehen.

Großspeicher für erneuerbare EnergienDie Speichertechnik ist eine Schlüssel-technik für die breite Umstellungunseres Energiesystems auf erneuer-

bare Energien. Wind- und Sonnen-energie sind schwankend in ihrerVerfügbarkeit, diese Schwankungendem Bedarf anzupassen, ist eine dergrößten Herausforderungen. DieFirma DBM arbeitet auch daran, ihreErfindung für Großspeicher nutzbarzu machen, in Form sogenannter„Akkukraftwerke“ zur Zwischen-speicherung von Strom aus erneuer-baren Energien. Noch in diesem Jahrsoll ein Großspeicher mit einer Kapazitätvon 10 Megawatt gebaut werden.Auch kleinere Stromspeicher für Eigen-heime (z.B. für die Besitzer von Photo-voltaikanlagen, Kleinwindrädern undBlockheizkraftwerken) sind geplant.

Für die Speicherung großerMengen Stroms bestand lange Zeitkeinerlei Bedarf, da ja fossile Energie-speicher in der Form von Erdöl undErdgas über Jahrzehnte scheinbar billig zur Verfügung standen –scheinbar, weil die durch dieseBrennstoffe verursachte Umwelt-zerstörung und Gesundheitsbedrohungnicht unmittelbar offenbar wurdenund selbst heute noch kaum in diePreise einfließen. Daher gab es - vonKleinakkus für elektronische Geräteabgesehen- auch keinen Anreiz, inentsprechende Forschung zu investie-ren. Man kann daher in diesem

Bereich von einem beträchtlichenEntwicklungspotential ausgehen.

Wir haben in den vergangenendrei Jahrzehnten schon mehrmalstechnische Entwicklungen erlebt, diedie kühnsten Erwartungen in denSchatten gestellt haben und unsereLebensweise nachhaltig veränderthaben. Die rasante Entwicklung derelektronischen Datenverarbeitung,der Mobiltelefonie oder gerade dererneuerbaren Energien, in welchermehrmals Prognosen um den Faktor10 oder 100 übertroffen wurden. DieMöglichkeit einer effizienten undkostengünstigen Zwischenspeicherungvon Strom – beim Mini-Solarkraftwerksdes Hausbesitzer oder des Blockheiz-kraftwerks eines kommunalenEnergieversorgers - würde die Per-spektive einer hochgradig dezentra-len Energieinfrastruktur eröffnen, wiesie in der heute so von Monopolengeprägten Energiewirtschaft kaumvorstellbar scheint.

1 Dokumentationsvideo über die Test-ergebnisse auf der Internetseite des deutschen Bundeswirtschaftsministeriums:http://www.ikt-em.de/de/1193.php

2 http://dbm-energy.de/de/presse.html3 Tesla Roadster: 121wh/kg, Smart: 132wh/h

www.teslamotors.com/de_DE/roadster/technology/battery

Intelligente Netze für die Stromversorgung der ZukunftFür den Wandel unseres Energiesystems in den nächsten Jahrzehnten müssen nicht nur fossile undatomare Energiequellen durch erneuerbare ersetzt werden, sondern es muß auch die Infrastruktur

unserer Stromversorgung den neuen Herausforderungen angepaßt werden: der schwankendenVerfügbarkeit erneuerbarer Energiequellen und der Auflösung der klassischen Trennlinie zwischen

Stromproduzenten und -konsumenten.

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ob danach Bedarf besteht oder nicht.

Erneuerbare Energiequellen ande-rerseits schwanken mehr oder weni-ger in ihrer Verfügbarkeit. Die Sonnescheint nicht immer und überall, derWind bläst hier und nicht dort.Zeitunabhängig sind nur Wasser-speicherkraftwerke und Strom ausBiomasse. Manche Energiequellenergänzen sich gegenseitig, so blästder Wind mehr in den sonnenarmenWintermonaten, während in som-merlichen Flauten Photovoltaik-anlagen Hochproduktion haben.Außerdem fällt deren Leistungsspitzemit der mittäglichen Bedarfsspitzezusammen.

Charakteristisch für eine erneuer-bare Energieversorgung ist ihreDezentralität. Jeder Haushalt miteiner Photovoltaikanlage oder einemBlockheizkraftwerk speist seine Über-schüsse ins öffentliche Netz ein oderbezieht Strom daraus. Die klassischeTrennung zwischen Energie-produzenten und Konsumenten istdamit aufgehoben, das Netz bestehtaus Millionen Teilnehmern, die voneinem Augenblick auf den anderenihre Rolle wechseln können.

Das Stromnetz wird zum Gehirn

Der Zweck intelligenter Netze,auch „Smart grids“ genannt, ist, sol-chen komplexen Verhältnissengerecht zu werden, indem zusätzlichzum Strom auch Informationentransportiert werden. So kann einebessere Anpassung des Netzes aufSchwankungen des Energieangebotsstattfinden. Dazu gehört nicht nur,das Angebot an den Bedarf anzupas-sen, sondern vor allem auch, denStromverbrauch selbst zu steuern, jenach dem, ob Energieüberfluß oderMangel herrscht. Dabei wird ausge-nützt, das zahlreiche stromverbrau-chende Geräte ohne nennenswertenKomfortverlust zeitlich flexibel sind.Die Tiefkühltruhe muß nicht unbe-dingt zur mittäglichen Stromspitzelaufen, sie kann auch vorher zwei,

drei zusätzliche Minusgrade „Kälte-reserve“ anlegen, und sich erst wie-der nachmittags einschalten. AuchGeschirrspüler und Waschmaschinekönnten so programmiert werden,daß sie erst, wenn das Signal fürreichlich verfügbaren Strom amHauszähler eintrifft, dieser mittelsspezieller Regeltechnik die Geräte inGang setzt - mit der Belohnung einesgünstigeren Tarifs. Es geht alsodarum, Stromverbrauchsspitzen mög-lichst abzuschwächen, undStromüberschüsse sinnvoll zu nutzen.Diese Steuerungsprozesse, aufHaushalts- wie auf Netzebene, laufenhochgradig automatisch und selbst-regelnd ab. Intelligente Meß- undSteuerungsgeräte („Smart Meters“)

können anhand typischerVerbrauchskurven auch den Energie-bedarf einzelner Geräte feststellen,was das Identifizieren von Strom-fressern erleichtert.

Der neue Informationsfluß zwi-schen Verbraucher und Netzbetreiberbietet Chancen, aber auch Risiken,wie einen weiteren Schritt zum „glä-sernen Konsumenten“ bzw. die miß-bräuchliche Verwendung der Daten.Deren Anonymisierung ist technischmöglich, muß aber eingefordert undkontrolliert werden.

Besonders interessant wäre bei derin Zukunft erwartbaren Verbreitungvon Elektroautos die Möglichkeit,deren Batterien als Pufferspeicher fürdas Stromnetz zu verwenden.Normalerweise wird ein Auto nurzwei von 24 Stunden am Tag gefah-ren, in der übrigen Zeit wäre es amParkplatz mit dem „intelligenten“Netzkabel verbunden. Je nach Strom-angebot könnten die Batterien bis zueinem vom Fahrer bestimmten Maßangezapft oder aufgeladen werden.

Ein Land, das auf dem Weg zueiner erneuerbaren Energieversor-

Ein intelligentes Netz(„smart grid“) umfaßt diekommunikative Vernetzung

und Steuerung vonStromerzeugern, Speichern,elektrischen Verbrauchernund Netzbetriebsmitteln inEnergieübertragungs- und

verteilungsnetzen der Elektrizitätswirtschaft.

Wir trauern um Stefan Micko14.12.1932-12.8.2011

Stefan Micko war von Anbeginn der Arge bei dem Kampf um das AKW Zwentendorf an vorderster Front dabei. Prof. Tollmann war dieGalionsfigur, und in seinem Schatten erledigteStefan mit unglaublichem Fleiß und Tüchtigkeit dieOrganisation und all die unendliche Kleinarbeit,ohne die die Aktivitäten der Arge nicht denkbargewesen wären. Mit seinem großen Witz und sei-ner Menschenfreundlichkeit war er der idealeNetzwerker, er knüpfte Kontakte und gewann zahlreiche Freunde undMitarbeiter. Von 2003-2004 war er Obmann der Arge und initiierte anläßlich des 25-jährigen Jubiläums der Zwentendorf-Abstimmung 1978-2003 eine Sternfahrt zu Orten der Erzeugung erneuerbarer Energien.

Die Arge hat einen herausragenden Mitstreiter verloren.

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gung mit intelligenten Netzen schonweit fortgeschritten ist, ist Dänemark.Während man dort noch 1980 denEnergiebedarf mit 16 zentralen Kraft-werken sicherte, kommt man dort

heute durch gutes Netzmanagementproblemlos mit 20% Windstromzurecht. An Tagen mit besondersstarker Windleistung exportiertDänemark den Windstrom zu nor-

wegischen Speicherkraftwerken. Österreich ist in der glücklichen Lage,über reichlich Speicherkraftwerke imeigenen Land zu verfügen, und daherfür die Zukunft gut gerüstet.

Die ersten Morgensonnenstrahlenfallen in das Zimmer. Herr Meier stehtauf, und räumt den Geschirrspüleraus, der sich meistens nachts ein-schaltet, wenn das „Zentralhirn“, wiedie Leute die regionale Elektrizitäts-regulierungsstelle nennen, Strom-überschüsse zu einem sehr günstigenPreis anbietet. Auch die Tiefkühltruhehat davon profitiert und auf -22 Gradauf Vorrat gekühlt, sie wird nun tags-über, wenn der Strom teurer ist, kei-nen mehr verbrauchen und so dasNetz entlasten. Nur die nicht ganz flü-sterleise Waschmaschine wurde nachmonatelangen Diskussionen mit sei-ner Frau, die einen empfindlichenSchlaf hat, doch von der Nachtarbeitausgeschlossen und wartet tagsüberauf günstige Tarifimpulse. Die kom-men fast immer, und mit Sicherheit,wenn die Windräder am Horizont sichdrehen.

Durchs dreifachverglaste Fenstersieht Herr Meier seinen Nachbarn,einen Künstler, schon bei der Arbeit -er schweißt aus ausrangierten rosti-gen Heizkörpern gerade wieder eineseiner Riesenskulpturen zusammen.Seitdem Neubauten nur mehr inPassivhausbauweise realisiert werden,wo keine konventionelle Heizungmehr benötigt wird, hat der NachbarRohstoff genug. Mit einem Lächelndenkt Herr Meier an das Geburtstags-geschenk, das er für seine Tochtergefunden hat: Ein alter elektrischerLeuchter aus dem Antiquariat, mitzwölf nostalgischen 40-Watt-Glüh-kerzen, wie sie heute nur mehr inKleinstauflagen für Nostalgieproduktegefertigt werden. Alle Beleuchtungfunktioniert ja mittlerweile mit den

hocheffizienten und langlebigenLEDs, welche die wegen ihresQuecksilbergehalts problematischenEnergiesparlampen abgelöst haben.Den Großteil der Zeit wird der schöneLeuchter zwar nur ausgeschaltet alscooles Dekor dienen, bei den Jungenist sowas gerade der volle Hype, aberan besonders kalten Wintertagen,wenn die Kapazität der Wärmepumpean ihre Grenze kommt, können die 12mal 40 Watt in der neuen Passivhaus-Wohnung der Tochter zur leistungs-starken Zusatzheizung werden.

Das Haus der Meiers ist ein Altbau,der schon vor vielen Jahren energe-tisch saniert wurde. Für Wärme imHaus sorgt ein automatisiertesHolzpellets-Blockheizkraftwerk, dasnicht nur Wärme über ein Zentral-heizungssystem abgibt, sondern auchmittels eines Sterlingmotors Stromproduziert. Das garantiert besondersin den Wintermonaten, wo es immerwieder zu kritischen stromarmenPerioden kommt, eine unabhängigeStromversorgung. Wenn der Stromim Haus nicht gebraucht wird, speistdie Anlage diesen ins öffentliche Netzein, vor allem, wenn vom örtlichen„Zentralhirn“ entsprechender Bedarfgemeldet wird.

Herr Meier fährt mit seinemElektroauto ins Büro. Er kommt ander alten Tankstelle vorbei, wo dierostigen Zapfsäulen gerade demon-tiert werden. Endlich, denkt er, dashat lang genug gedauert. Er winkt sei-nem Freund Harald zu, der mit seinerFrau auf dem Bankerl vor ihrem HausKaffee trinkt. Früher wäre das nie-mandem eingefallen, bei all dem

Lärm und Gestank auf den Strassen.

Der Bildschirm am Armaturenbrettmeldet, daß die Batterie zu 90% gela-den ist und für 380 Kilometer reicht.Herr Meier überlegt kurz seine heutegeplanten Fahrten. Büro und zurück,abends noch ein Besuch bei denKindern, plus eine Reserve für unvor-hergesehene Fahrten, das heißt, erwird nur maximal 10% seinerBatteriekapazität selbst benötigen undkann den Rest für das öffentliche Netzfreigeben. Er steckt das Zweiweg-Ladekabel in den Stecker amBüroparkplatz. Nun ist sein Auto keinVerbraucher mehr, sondern durch dieFreigabe seiner Batterie einer unterMillionen kleiner dezentraler Energie-speicher im Stromnetz geworden, diebei Bedarf angezapft werden – etwabeim Maximum des Stromverbrauchsin den Mittagsstunden. In Zeiten über-schüssiger Energie, etwa wenn derWind stark weht, dient die Auto-batterie als Pufferspeicher und wirdaufgeladen.

Die Fassade des Bürogebäudes istelegant. Was so dekorativ wirkt, sindin die Wände integrierte Solarzellen,die auch bei Bewölkung noch Stromproduzieren. Herr Meier tritt in seinBüro, und sein Kollege ruft „Servas!Du des mußt da anschaun, was igestern am Flohmarkt gfundenhab....“ . Er zeigt an die Wand, wonun schön gerahmt ein zerfetztesaltes Plakat hängt, das mit etwas ver-gilbter Schrift zwar, aber noch deut-lich leserlich wirbt: „Billige Wärme fürewig - kaufen Sie eine moderneÖlheizung!“

C.S.

Reise in die ZukunftWie der Alltag in dem Zeitalter erneuerbarer Energieversorgung

aussehen könnte

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Neue Argumente ll www.arge-ja.at Folge 118 ll September 2011

Guerilla Gardening läßtWiener Bezirk erblühen -Sonnenblumen alsAntiatomsymbolSeit Ende Juli 2011 sproßt und grüntes im Wiener Bezirk Neubau. In dembesonders grünflächenarmen Bezirkerblühen an allen Ecken und Endenverschiedene Arten von Sonnenblumen.Im Rahmen des “InternationalenGuerilla Gardenings” am 15. April2011 setzten 32 Personen über 16Stunden mehrere tausend Sonnen-blumensprösslinge im öffentlichenRaum in Baumscheiben, in Beetenund Trögen quer durch den 7. Bezirk.Diese Aktion fand Unterstützungdurch den Bezirksvorsteher von WienNeubau, Thomas Blimlinger, er wiesdie Magistrate, MA 42 (Gartenbau-amt) und MA 48 (Straßenreinigung)an, die Pflanzen nicht auszujätenoder durch Reinigung der Baum-scheiben zu entfernen.

Der Künstler Thomas Rucker, derdas Projekt leitete, meint über dieSonnenblume: „Die Sonnenblumewendet sich immer dem Licht zu undist das Antiatomsymbol schlechthin.“Dadurch wird die Pflanzung dieserBlume auch zu einer politischenBotschaft. Die kleinen Setzlinge wur-den mit Schildern: Bitte, gieß mich!“markiert, AnrainerInnen übernahmenGießpatenschaften. Die vom Aus-sterben bedrohten Bienen nehmendiese Blüten als zusätzliche Futter-quelle gerne an. Wie viele Personensich an diesem Gemeinschaftsprojektbeteiligten, ist schwer abzuschätzen,

da die meisten Guerilla-GärtnerInnenin der Nacht unterwegs waren undunentdeckt pflanzen und gießen gingen. Quelle: Thomas Rucker

Ökostromgesetz: SchwereGeburt, aber schönes KindDie am 7.Juli im Parlament beschlos-sene Novelle zum Ökostromgesetz isteine enorme Verbesserung gegenü-ber dem im Frühjahr vorgelegtenErstentwurf. Die jährliche Förderungwurde auf Drängen der Oppositionvon 21 auf 50 Mio. Euro angehoben.Zusätzlich gibt es einmalig 80 Mio.Euro für Windkraft und 28 Mio. Eurofür Fotovoltaik, um lange Warte-schlangen bereits bewilligter Projekteendlich umsetzen zu können. Mit derNovelle ist die Grundlage für eineüberlebenswichtige Energiewendegeschaffen, durch die auch tausendeneue inländische Arbeitsplätze entstehen werden.

Deutschland: Atomaustiegs-Gesetz tritt in KraftDer deutsche Bundespräsident Wulffhat am 1.August das Gesetz für dendeutschen Ausstieg aus der Atomenergiebis zum Jahr 2022 unterschrieben.

Gentechnik-Klage gegenDeutschland beim UN-MenschenrechtsausschusseingereichtDas internationale Netzwerk „AktionGEN-Klage“ wirft Deutschland in sei-ner im Mai eingereichten Klage vordem UN-MenschenrechtsausschußVerletzungen der Menschenrechte inder Landwirtschaft durch den Einsatzvon Agro-Gentechnik vor. Deutsch-land hat mit rund 150 anderen Ländernden Internationalen Pakt über wirt-schaftliche, soziale und kulturelleRechte ratifiziert. Speziell geht es umdie Rechte auf Nahrung, auf Selbst-bestimmung der Völker, auf Gesund-heit und auf Freiheit der Wissenschaftund Forschung. Das beinhaltet auchdie Pflicht der Staaten, eine nachhalti-ge Bewirtschaftung der Ressourcenzu fördern und die Verbraucher vorFalschinformation und gesundheitlichbedenklichen Nahrungsmitteln zuschützen. Die Initiative hat auch schongegen andere Staaten geklagt und inIndien einen ersten großen Erfolgerreicht: Die UNO hat anerkannt, daßdie Einführung von Gensaatgut dieArmut verschlimmert hat. Die Regie-rung wurde aufgefordert, die Bauernzu unterstützen, damit sie vermeh-rungsfähiges Saatgut kaufen und ihreAbhängigkeit von den Konzernenbeseitigen können.

Die Gründerin der Aktion ChristineLüst ruft die Verbraucher auf, keinemit Genfutter hergestellten tierischenProdukte mehr zu kaufen. Dann würdedie Politik von selbst nachziehen.

IMPRESSUM Medieninhaber und Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft JA zur Umwelt, NEIN zur Atomenergie, Pasettistr. 89/12,1200 WienTel.+Fax 01-332 6106 Internet: www.arge-ja.at, [email protected] Redaktion: Christiane Schmutterer, [email protected]: Univ.-Prof. Dr. DI August RaggamBankverbindung: Raikabank Wien, BLZ 32000 Kto. Nr.02.820,678Grafische Gestaltung: Christiane SchmuttererDruck: Stanzell Druck, 1210 WienNamentlich gekennzeichnete Beiträge oder solche, die deutlich als aus anderen Publikationen abgedruckt erkennbar sind, müssen nicht die Meinungder Redaktion darstellen und liegen nicht in ihrer Verantwortung.

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