in der Großen Kreuzkirche Hermannsburg Predigt am Sonntag Septuagesimae, dem 24. Januar 2016 in der...

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1 Predigt am Sonntag Septuagesimae, dem 24. Januar 2016 in der Großen Kreuzkirche Hermannsburg Wisst ihr nicht, dass die, die in der Kampfbahn laufen, die laufen alle, aber einer empfängt den Siegespreis? Lauft so, dass ihr ihn erlangt. Jeder aber, der kämpft, enthält sich aller Dinge; jene nun, damit sie einen vergänglichen Kranz empfangen, wir aber einen unvergänglichen. Ich aber laufe nicht wie aufs Ungewisse; ich kämpfe mit der Faust, nicht wie einer, der in die Luft schlägt, sondern ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn, damit ich nicht andern predige und selbst verwerflich werde. 1. Kor 9,23-27 Liebe Gemeinde! »Plob!« Die Länge eines kleinen »Plob« ist oft schon zu lang und kann bei einer Olympiade über Sieg oder Nicht-Sieg entscheiden. Im Abfahrts-Slalom der Skiläufer geht es zum Beispiel um 10tel, ja 100tel Sekunden. Da wird trainiert bis zur Erschöpfung, da werden die Stärkungsmittel eingesetzt bis zur Grenze des Zulässigen und manchmal darüber hinaus, in der Hoffnung, dass man sich durch die Dopingkontrolle hindurchmogeln kann. Und dann kann eine 100tel Sekunde über Ruhm oder Niederlage auf der Laufbahn entscheiden. Aber es gibt ja auch noch andere Laufbahnen als nur die des Sports. Und dort wird auch gerannt und gejagt nach Erfolg und Anerkennung. Das sind z.B. die beruflichen Laufbahnen. Da will man vorankommen, ein Ziel erreichen: Assistent, Inspektor, Direktor; Angestellter, leitender Angestellter, Abteilungs- leiter... Was sind das alles für Laufbahnen, die so wichtig erscheinen. Und was steht eigentlich am Ende solcher Laufbahnen? Wenn das Leben köstlich gewesen ist, so ist es nur vergebliche Mühe gewesen - so nüchtern sieht es der Psalmbeter (Ps 90,10). Liebe Gemeinde, da kommt ein junger Mann zu seinem Onkel und sagt: „Onkel, gratuliere mir mal! Ich habe meine Abitur geschafft!“ „Schön“, meint der Onkel: „meinen herzlichen Glückwunsch und 100 Euro zur Belohnung. - Und was wird nun?“ „Jetzt“, antwortet der Junge stolz, „werde ich erst einmal Bauwirtschaft studieren.“ „Schön“, sagt der Onkel „und dann?“ „Ja, dann suche ich mir Arbeit und schau, wie ich vorankomme.“ „Schön“, sagt der Onkel „und dann?“ „Ja dann“, sagte der Junge, „gründe ich erst einmal Familie, zwei Kinder, zur Not auch drei.“ „Schön“, sagt der Onkel „und dann?“ „Ja, was ‘und dann’? Dann mache ich mich vielleicht selbständig, baue ein Haus und spare Geld!“ „Schön“, sagt der Onkel „und dann?“ Jetzt wurde der Junge langsam nervös: „Ja, dann gehe ich in Pension, kauf mir ein Wohnmobil und schau mir als rüstiger Rentner die Welt an!“ „Schön“, sagt der Onkel „und dann?“ Jetzt wird der Junge ärgerlich. „Ja, was willst du denn? Dann stirbt man eben irgendwann. Das ist der Lauf der Dinge!“ „Schön“, sagt der Onkel „und dann?“ „Was denn ‘dann’“, gibt der Junge schroff zurück, „dann kommt doch nichts mehr - oder zumindest weiß keiner, was kommt!“ „Das stimmt nicht“, sagte der Onkel, „und Gott hat dir deinen Verstand gegeben, dass du ein bisschen weiter und tiefer denkst!

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Predigt am Sonntag Septuagesimae, dem 24. Januar 2016 in der Großen Kreuzkirche Hermannsburg

Wisst ihr nicht, dass die, die in der Kampfbahn laufen, die laufen alle, aber einer empfängt den Siegespreis? Lauft so, dass ihr ihn erlangt. Jeder aber, der kämpft, enthält sich aller Dinge; jene nun, damit sie einen vergänglichen Kranz empfangen, wir aber einen unvergänglichen. Ich aber laufe nicht wie aufs Ungewisse; ich kämpfe mit der Faust, nicht wie einer, der in die Luft schlägt, sondern ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn, damit ich nicht andern predige und selbst verwerflich werde. 1. Kor 9,23-27 Liebe Gemeinde! »Plob!« Die Länge eines kleinen »Plob« ist oft schon zu lang und kann bei einer Olympiade über Sieg oder Nicht-Sieg entscheiden. Im Abfahrts-Slalom der Skiläufer geht es zum Beispiel um 10tel, ja 100tel Sekunden. Da wird trainiert bis zur Erschöpfung, da werden die Stärkungsmittel eingesetzt bis zur Grenze des Zulässigen und manchmal darüber hinaus, in der Hoffnung, dass man sich durch die Dopingkontrolle hindurchmogeln kann. Und dann kann eine 100tel Sekunde über Ruhm oder Niederlage auf der Laufbahn entscheiden. Aber es gibt ja auch noch andere Laufbahnen als nur die des Sports. Und dort wird auch gerannt und gejagt nach Erfolg und Anerkennung. Das sind z.B. die beruflichen Laufbahnen. Da will man vorankommen, ein Ziel erreichen: Assistent, Inspektor, Direktor; Angestellter, leitender Angestellter, Abteilungs-leiter... Was sind das alles für Laufbahnen, die so wichtig erscheinen. Und was steht eigentlich am Ende solcher Laufbahnen? Wenn das Leben köstlich gewesen ist, so ist es nur vergebliche Mühe gewesen - so nüchtern sieht es der Psalmbeter (Ps 90,10). Liebe Gemeinde, da kommt ein junger Mann zu seinem Onkel und sagt: „Onkel, gratuliere mir mal! Ich habe meine Abitur geschafft!“ „Schön“, meint der Onkel: „meinen herzlichen Glückwunsch und 100 Euro zur Belohnung. - Und was wird nun?“ „Jetzt“, antwortet der Junge stolz, „werde ich erst einmal Bauwirtschaft studieren.“ „Schön“, sagt der Onkel „und dann?“ „Ja, dann suche ich mir Arbeit und schau, wie ich vorankomme.“ „Schön“, sagt der Onkel „und dann?“ „Ja dann“, sagte der Junge, „gründe ich erst einmal Familie, zwei Kinder, zur Not auch drei.“ „Schön“, sagt der Onkel „und dann?“ „Ja, was ‘und dann’? Dann mache ich mich vielleicht selbständig, baue ein Haus und spare Geld!“ „Schön“, sagt der Onkel „und dann?“ Jetzt wurde der Junge langsam nervös: „Ja, dann gehe ich in Pension, kauf mir ein Wohnmobil und schau mir als rüstiger Rentner die Welt an!“ „Schön“, sagt der Onkel „und dann?“ Jetzt wird der Junge ärgerlich. „Ja, was willst du denn? Dann stirbt man eben irgendwann. Das ist der Lauf der Dinge!“ „Schön“, sagt der Onkel „und dann?“ „Was denn ‘dann’“, gibt der Junge schroff zurück, „dann kommt doch nichts mehr - oder zumindest weiß keiner, was kommt!“ „Das stimmt nicht“, sagte der Onkel, „und Gott hat dir deinen Verstand gegeben, dass du ein bisschen weiter und tiefer denkst!

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Das Ziel unseres Lebens ist nicht Geld, Karriere, Familie und Gesundheit bis zum Abwinken! Das Ziel unseres Lebens ist Gott selbst! Es geht nicht um das Erreichen des Ruhestandes, sondern um das Erreichen der Ewigkeit! Das ist es, was der Apostel Paulus meint, wenn er schreibt: Lauft so auf der Kampfbahn eures Lebens, dass ihr den Siegespreis erhaltet. Paulus geht es dabei aber nicht um Rekordhetzerei. „Los, lieber Christ, leg noch eine Schippe Frömmigkeit drauf! Leg noch etwas mehr christlichen Gehorsam nach, noch ein Plob dazu, sonst wird das nix mit dem Himmel!“ Wir hätten Paulus gründlich falsch verstanden. Wenn so das Christsein ist, dann bleibt nicht nur die Liebe und die christliche Gelassenheit auf der Strecke, dann bleiben wir alle auf der Strecke. So darf es nicht gemeint sein: Christlicher Hochleitungssport, um oben auf dem Treppchen als Hochleistungschrist im goldenen Glanz der himmlischen Siegerehrung zu stehen. Nein, der Apostel meint es ganz anders. Als Kind hatte ich zu Hause ein Spiel. Es heißt Schneckenrennen. Dieses Brettspiel würde heute sicherlich nicht zum Spiel des Jahres gewählt werden. Da werden sechs Holzschnecken an den Start gestellt. Jede hat eine andere Farbe und eine geradlinige Bahn zum Ziel. Dazu gibt es zwei Farbwürfel. Die Spieler würfeln und setzen die Schnecken der gewürfelten Farben um ein Feld weiter, dann kommt der nächste dann. Kein Spieler wird Sieger. Man freut sich gemeinsam und ist gespannt, welche zuerst ankommen wird. Man erlebt das Vorwärtsstürmen der blauen Schnecke und den langsamen Trott der rosa Schnecke. Man sieht, wie die blaue Schnecke kurz vor dem Ziel lange stehen muss und die rosa Schnecke plötzlich schon das Ziel erreicht hat. Zugegeben, das klingt jetzt nicht wirklich spannend. Aber genau das ist die Schnecken-Kampfbahn, die mir der Apostel Paulus hier beschreibt: Da hat Christus mich lahme Schnecke erst einmal an den Start gestellt, so wie ich bin, rot, grün oder schwarz, vorlaut oder ein wenig schüchtern, denkstark oder handwerklich geschickt oder keins von beiden. Aber ich freue mich, dass ich an den Start gestellt wurde. Ich bin getauft auf den Namen des Dreieinigen Gottes, ein neuer Mensch auf einer neuen, anderen Laufbahn. So hat mein Leben als Christ begonnen. So nur kann jedes Leben mit Gott beginnen, nicht mit unserer Entscheidung und Hochleistung, sondern mit dem Tun Gottes, der mein Leben in die Hand nimmt. Behutsam hat er mich an den Start gesetzt: Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein! So beginnt die Laufbahn eines Christen. So hat es der Apostel Paulus ja auch selbst erlebt: Sein eigener Hochleistungs-Weg für Gott führte ihn nach Damaskus und ließ ihn blind werden vor dem Licht Christi. Erst Christus setzte ihn auf eine, auf seine Bahn. Liebe Gemeinde, so nur konnte es gehen und bleiben: Christus stellt uns auf eine neue Laufbahn. Und die geht nicht im Kreis herum, wie die Aschenbahnen auf dem Sportplatz. Nein, die geht geradeaus wie die Schneckenbahn im Spiel.

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Sicher, es ist eine Geländestrecke mit verschiedenen Schwierigkeitsab-schnitten. Aber mein Tempo wird nicht von meinen eigenen Kräften und meinem Spurtvermögen bestimmt. Nein, Gott, der die Würfel des Lebens in der Hand hält, der bestimmt auch mein Tempo. Der führt auch meinen Weg. Und das ganz gewiss nicht nach den Prinzipien des Zufalls, sondern nach seinem weisen Rat. Mit Staunen dürfen wir sehen, wie anders das Tempo der Läufer auf Gottes Heilsweg manchmal aussieht und wie unerwartet. Und das ganz Besondere: Jeder, der auf der Bahn bleibt, kommt als Sieger zum Ziel. Es geht nicht um Stärke oder Schwäche, um Geschwindigkeit oder Schneckengang. Jeder, der ankommt, und sei es noch so langsam und kraftlos - besonders auf den letzten Metern - wird mit dem Jubel der Engel begrüßt. Denn der himmlische Vater schaut nicht auf meine mickrige Kraftanstrengung, sondern auf die Hochleistung seines Sohnes Jesus Christus und erklärt jeden zum Empfänger der Goldmedaille, der auf Christi Weg gekrochen kommt. Schwestern und Brüder, das ist gegen alles Wettbewerbsdenken. Aber es sind die Spielregeln der Liebe Gottes. Mein Schneckenspiel ist das Spiel des Christenlebens. So kann Paulus sagen: Ich laufe nicht wie aufs Ungewisse, ich mache auch kein Schattenboxen und schlage Löcher in die Luft. Am Ende meiner neuen Laufbahn steht ganz sicher jener nie verwelkende Siegeskranz, jene Krone des Lebens. Ich werde Sieger sein dürfen in einem wirklichen Frieden, für immer! Und das bedeutet ganz einfach: Am Startpunkt einer Christenlaufbahn steht nicht mehr einer mit unerbittlicher Startpistole, der mich loshetzt. Am Anfang und hinter mir steht der, bei dem die Würfel für mein Leben schon zum Besten gefallen sind durch seine Liebe bis zum Tod am Kreuz. Und auf der Laufbahn läuft neben mir nicht mehr einer, der mich anbrüllt und mich zu Tode hetzt. Nein, da ist der, der mich mit der Hand führt, mich in meinem Lauf korrigiert, mir weiterhilft, mich aufrichtet, mich stärkt und mich immer wieder neu anfangen lässt. Und am Ende steht nicht der, der sagt: „Du bist und bleibst ein Verlierer.“ Nein, dort steht der, der sagt: „Bitte, die Tür ist offen, nur noch über die letzte Schwelle, und du bist Sieger.“ Das ist einmalig. So etwas gibt es nicht in den menschlichen Kreisläufen. Das ist gegen alle Wettbewerbsbedingungen. Aber das sind Gottes Bedingungen. Liebe Gemeinde, wir sind Menschen, die der dreieinige Gott auf eine gute und sichere Bahn gesetzt hat. Er leitet und führt. Aber er lässt uns die Freiheit, auch aufgeben und aus seiner Bahn torkeln zu können. Damit das nicht passiert, sind hier zum Schluss noch ein paar praktische Hinweise. Damit du dich auf deiner Laufbahn mitten in den so schwierigen Lebensstrecken, zwischen so vielen anderen scheinbar notwendigen Kreis-läufen richtig bewegst und auf der Ziel-Geraden deines Herrn bleibst, helfen dir die folgenden drei Selbstkontrollen:

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Rückkontrolle: Schaue immer und immer wieder auf den Startpunkt zurück. Es war allein die Liebe Christi, mit der er dich so geliebt hat, dass er am Kreuz für dich starb. Diese Liebe allein hat dich in der Taufe auf diese Laufbahn gebracht. Deshalb kannst du deinen Weg auch nur gehen mit Demut und in liebevollen Schritten. Wo du zurückfällst in eigene Selbstsicherheit und Kraftmeierei, da schmeißst du dich nur zu leicht selbst zurück auf alte Kreisbahnen. Zielkontrolle: Schaue immer und immer wieder auf das Ziel. Wo soll dein Weg denn hingehen? Doch dorthin, wo dein Herr und Heiland schon ist! Dann kannst du doch auch nur in seiner Nachfolge zum Ziel gelangen. Wer ausweicht auf selbstbestimmte Wege gegen Gottes gute Ordnungen, oder wer selbstgefällig oder dösend dahin trabt, wird leicht aus der Bahn gerissen, läuft Irrlichtern nach und landet in einem Sumpf, aus dem er sich nur schwer befreien kann. Rück- und Zielkontrolle, beides ist nicht leicht. Es fordert tatsächlich unseren ganzen Einsatz, zu versuchen, in der Liebe Christi zu bleiben. Helfen will uns dabei eine dritte Kontrolle, die: Ernährungs-Kontrolle: Schwestern und Brüder, wir haben doch einen Betreuer, der neben uns läuft und hält uns die richtige Nahrung hin: Die Beichte, sein Wort, sein Heiliges Abendmahl, Andachten und Gebet. Das alles zur Stärkung und Bewahrung. Der schlimmste Fehler ist nicht der Fehltritt oder dass du stolperst. Der schlimmste Fehler ist seine Stärkungsmittel zu vernach-lässigen. Ohne sie kommt keiner an! Das ist göttliches Doping bis zum Äußersten - aber in der gesündesten Weise der Welt, ein durch Gottes Barmherzigkeit erlaubtes Mittel. Liebe Gemeinde, wenn wir immer neu auf den Anfang schauen und als getaufte Kinder Gottes das Ziel im Blick behalten und uns von Gott selbst dopen lassen, wird es uns gehen wie bei der Olympiade in München 1972. Da gewann eine Deutsche die erste Goldmedaille. Als sie auf dem Siegerpodest stand und die Nationalhymne erklang, zog sie ihre Rivalinnen auf dem Bronze- und Silbertreppchen zu sich hinauf auf die oberste Stufe. So ist es am Ende im Reich Gottes auch! Da gibt’s nicht nur einen Sieger, sondern viele. Denn Christus selbst steht auf dem Siegertreppchen und zieht uns alle zu sich hinauf. Amen.