Holz-Beton-Verbundkonstruktionen mit Kerven Tragfähigkeit und … · 2014. 1. 1.  · 9....

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9. Europäischer Kongress EBH 2016 Holz-Beton-Verbundkonstruktionen mit Kerven – Tragfähigkeit und Steifigkeit | S. Mönch, K. Kudla, U. Kuhlmann 1 Holz-Beton-Verbundkonstruktionen mit Kerven – Tragfähigkeit und Steifigkeit Simon Mönch, M.Sc. Institut für Konstruktion und Entwurf Universität Stuttgart Stuttgart, Deutschland Dipl.-Ing. Katrin Kudla Institut für Konstruktion und Entwurf Universität Stuttgart Stuttgart, Deutschland Prof. Dr.-Ing. Ulrike Kuhlmann Institut für Konstruktion und Entwurf Universität Stuttgart Stuttgart, Deutschland

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    Holz-Beton-Verbundkonstruktionen mit Kerven – Tragfähigkeit und Steifigkeit | S. Mönch, K. Kudla, U. Kuhlmann

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    Holz-Beton-Verbundkonstruktionen mit Kerven – Tragfähigkeit und Steifigkeit

    Simon Mönch, M.Sc.

    Institut für Konstruktion und Entwurf

    Universität Stuttgart

    Stuttgart, Deutschland

    Dipl.-Ing. Katrin Kudla

    Institut für Konstruktion und Entwurf

    Universität Stuttgart

    Stuttgart, Deutschland

    Prof. Dr.-Ing. Ulrike Kuhlmann

    Institut für Konstruktion und Entwurf

    Universität Stuttgart Stuttgart, Deutschland

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    Holz-Beton-Verbundkonstruktionen mit Kerven – Tragfähigkeit und Steifigkeit

    Motivation

    Bei Holz-Beton-Verbundkonstruktionen (HBV) werden Holz- und Betonelemente schub-

    fest, wie hier beispielsweise durch Kerven (vgl. Abbildung 1) zu einem Verbundquerschnitt

    zusammengefügt. In üblicherweise auf Biegung beanspruchten Deckentragwerken werden

    die beiden Materialien jeweils entsprechend ihrer Eigenschaften eingesetzt: Der Holzquer-

    schnitt befindet sich im Zugbereich, der Betonquerschnitt im Druckbereich.

    Die Vorteile des Betons, wie hohe Druckfestigkeit sowie sein Beitrag zum Brand- und

    Schallschutz speziell im mehrgeschossigen Wohnungs- und Bürobau sowie die Vorteile des

    Holzes mit geringem Gewicht, hoher Zugfestigkeit in Faserrichtung und als nachwachsen-

    der Rohstoff werden beim Einsatz von HBV-Konstruktionen effizient miteinander kombi-

    niert.

    Am Institut für Konstruktion und Entwurf an der Universität Stuttgart wurden im Rahmen

    eines ZIM-Kooperationsprojektes [1] Versuche an Holz-Beton-Verbundträgern sowie

    Push-Out-Versuche durchgeführt. Das Forschungsvorhaben hatte zum Ziel, durch Push-

    Out-Versuche den Verschiebungsmodul einer Kerve sowie deren Tragfähigkeit zu ermitteln

    und den Einfluss der Position zusätzlicher Tellerkopfschrauben zu untersuchen. An zusätz-

    lich durchgeführten Schub- und Biegeträgerversuchen sollte das bei den Push-Out-Versu-

    chen beobachtete Versagen überprüft werden.

    Verbindungsmittel Kerve

    Je höher die Steifigkeit des Verbindungsmittels ist, desto höher ist die gemeinsame Ver-

    bundwirkung der HBV-Konstruktion mit entsprechend höherer Tragfähigkeit. Kerven sind

    betongefüllte Einkerbungen im Holz, die als Kontaktverbindung über eine hohe Steifigkeit

    und Tragfähigkeit verfügen (vgl. Abbildung 1). Gerade bei Verwendung von Kerven als

    mechanisches Verbindungsmittel lässt sich somit die Querschnittshöhe einer Verbundkon-

    struktion deutlich reduzieren.

    Kerven eignen sich gerade wegen ihrer hohen Werte für Steifigkeit und Tragfähigkeit neben

    dem Einsatz im mehrgeschossigen Wohnungs- und Bürobau auch gut für Brücken in Holz-

    Beton-Verbundbauweise [2], wie in letzter Zeit auch immer mehr praktisch ausgeführte

    Beispiele zeigen [3], [4].

    In Abbildung 1 sind die wichtigsten Parameter einer Kerve, die Einfluss auf deren Tragfä-

    higkeit und Steifigkeit besitzen, dargestellt. Hierbei ist tv die Kerventiefe, lK die Kerven-

    länge, lv die Vorholzlänge, hH die Höhe des Holzelements, hB die Höhe des Betonelements

    und α der Neigungswinkel der Kervenflanke.

    Abbildung 1: Wichtige Parameter einer Kerve (links), Foto einer Kervenverbindung (rechts)

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    Push-Out- und Trägerversuche

    3.1. Material und Geometrie

    Für alle Versuchskörper wurde Brettschichtholz aus Fichte mit 40 mm breiten, stehend

    angeordneten Lamellen der Güte GL 24h nach DIN EN 14080 [5] und Beton der Güte

    C 30/37 nach DIN EN 1992-1-1 [6] verwendet. Als Verbindung zwischen Holz und Beton

    wurden bei allen Versuchskörpern Kerven mit einer Tiefe tv von 20 mm und einem Winkel

    α von 90° in das Holz eingefräst. Die Vorholzlänge entsprach jeweils der 15-fachen Ker-

    ventiefe. In Tabelle 1 sind die untersuchten Versuchsreihen dargestellt.

    Tabelle 1: Überblick der Versuchsreihen

    Push-Out Schubträger Biegeträger

    Gesamtanzahl 20 9 9

    Verschiedene Serien 5 3 3

    Länge - 4,0 m 6,0 m

    Kerventiefe 20 mm 20 mm 20 mm

    Kerven pro Träger 2 2 6

    Vorholzlänge 300 mm 300 mm 300 mm

    Insgesamt wurden 20 Push-Out-Versuche (siehe Abbildung 2) durchgeführt, die sich durch

    ihre Kervenlänge sowie die Anordnung von Schrauben in der Kerve bzw. Schrauben zur

    Vorholzverstärkung vor der Kerve und Versuche ohne Schrauben voneinander unterschie-

    den (Abbildung 3). Hierzu wurden SPAX-Tellerkopfschrauben 8,0 x 160 mit Teilgewinde

    nach Zulassung [7] verwendet.

    a) b) c)

    Abbildung 2: Push-Out-Versuchskörper der Versuchsserie 1: a) Isometrie mit Bewehrung, b) Vorderansicht und Draufsicht mit Maßen in mm, c) Prüfeinrichtung mit Wegaufnehmern

    Abbildung 3: Überblick der Push-Out-Versuchsserien 1 bis 5 mit Bemaßung

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    Ziel der Variation der Kervenlängen sowie der Verstärkung des Vorholzes war es, ver-

    schiedene Versagensmodi herbeizuführen, um damit Rückschlüsse auf die jeweiligen

    Tragfähigkeiten ziehen zu können. So wurde beispielsweise bei Versuchsserie 2 mit ver-

    kürzter Kervenlänge lK ein Versagen der Betonnocke und bei Serie 3 mit längerer Kerve

    ein Versagen im Holz (Abscheren des Vorholzes) erwartet. Durch Verstärkungsschrau-

    ben im Vorholzbereich in Serie 5 sollte ein Abscheren des Vorholzes (das in früheren

    Versuchen oftmals zum Versagen führte [8]) vermieden und somit ein duktiles Tragver-

    halten herbeigeführt und gleichzeitig eine Erhöhung der Tragfähigkeit und der Steifigkeit

    der Kerve erzielt werden.

    Zusätzlich wurden 3 Test-Serien mit jeweils 3 Versuchsträgern sowohl mit 4 m langen

    Schubträgern (mit 2 Kerven) als auch mit 6 m langen Biegeträgern (mit 6 Kerven) durch-

    geführt (vgl. Abbildung 4). Die Breite dieser Träger betrug einheitlich 400 mm und die 3

    Serien unterschieden sich jeweils durch die Anordnung der Tellerkopfschrauben in Ker-

    venmitte, ganz ohne Schrauben und Schrauben hinter der Kerve (Biegeträger) bzw.

    Schrauben zur Vorholzverstärkung (Schubträger).

    Abbildung 4: Versuchsaufbau der 4-Punkt-Biegeversuche für die 4 m langen Biegeträger mit 2 Kerven (links) bzw. für die jeweils 6 m langen Biegeträger mit 6 Kerven (rechts)

    3.2. Beobachtungen und Ergebnisse aus den Versuchen

    In Abbildung 5 sind für die Push-Out-Versuchskörper die Mittelwerte der Last-Verschie-

    bungskurven dargestellt. Die Kraft pro Kerve entspricht der halben aufgebrachten Pres-

    senkraft und die Verschiebung dem Mittelwert aus den an den vertikalen Wegaufnehmern

    gemessenen Werten (vgl. Abbildung 2 c)). Alle Versuchskörper zeigten hierbei ein sehr

    ähnliches Verhalten. Bis zu einer Verschiebung von 0,2 mm, die bei einer Last von ca.

    70% der erzielten Höchstlast erreicht wurde, zeigte sich ein linear-elastisches Verhalten.

    Im weiteren Verlauf stellte sich ein ausgeprägtes nichtlineares Verhalten ein, dabei wur-

    den Verschiebungen von bis zu 10 bis 26 mm bei Versuchsende aufgezeichnet.

    Abbildung 5: Mittelwerte der Last-Verschiebungskurven der Versuchsserien 1 – 5 bis zu 1 mm Verschiebung

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    In Tabelle 2 sind die Mittelwerte der Verschiebungsmoduln Kser aus den Push-Out-Versu-

    chen (vgl. Abbildung 5) für die jeweiligen Test-Serien dargestellt. Diese wurden entspre-

    chend DIN EN 26891 [9] zwischen 10% und 40% der jeweils geschätzten Höchstlast

    berechnet. Zusätzlich wurde der Mittelwert aus den Serien 1 bis 4 berechnet, da diese

    Versuchskörper ein ähnliches Tragverhalten gezeigt haben.

    Tabelle 2: Mittelwerte der Verschiebungsmoduln der Kerve Kser

    Serie Mittelwert Kser

    [kN/mm/m]

    Standardabweichung

    [kN/mm/m]

    Variations-

    koeffizient

    1 1.372 296,1 0,2158

    2 1.571 236,8 0,1507

    3 1.971 394,8 0,2003

    4 1.629 431,7 0,2651

    5 2.816 497,9 0,1768

    1-4 1.571 337,7 0,2400

    Alle Versuchskörper zeigten ein Versagen des Holzes in der auf Druck belasteten Kerven-

    flanke. Darauf zeigten sich als Folge der entstandenen Verformungen Schubrisse in der

    Betonnocke (siehe Abbildung 6). Dies stellte den Übergang vom linear-elastischen zum

    nichtlinearen Verhalten dar. Bei allen Push-Out-Versuchskörpern der Serien 1 bis 4 zeigten

    sich ab der gleichen Laststufe Risse im Beton und auch deren weiterer Verlauf war sehr

    ähnlich. Somit hatte die veränderte Kervenlänge keinen wesentlichen Einfluss auf das

    Tragverhalten.

    Bei Push-Out-Versuchsserie 5 trat das gleiche Versagen auf. Aufgrund der Schrauben zur

    Vorholzverstärkung konnte für diese Serie jedoch eine deutlich höhere Steifigkeit sowie

    Tragfähigkeit erzielt werden (vgl. Tabelle 2 bzw. Abbildung 5). Die Versuche bestätigten

    weiter, dass zusätzliche Schrauben in den Kerven keinen Einfluss auf dem resultierenden

    Verschiebungsmodul bzw. die Tragfähigkeit besitzen.

    In Abbildung 6 ist das Versagen am Beispiel eines Schubträgers wiedergegeben. Im linken

    Bild ist die zuerst eintretende duktile Stauchung der Kervenflanke im Holz und im rechten

    Bild der Verlauf der Risse, ausgehend von der beanspruchten Kervenflanke, erkennbar.

    Abbildung 6: Stauchung der Holzfasern in der druckbeanspruchten Kervenflanke (links), Rissbildung im Beton an der Kerve an einem Schubträger der Serie mit Schrauben in Kervenmitte (rechts)

    Weder bei den durchgeführten Push-Out- noch bei den Trägerversuchen trat ein sprödes

    Versagen durch Abscheren des Vorholzes auf, wie beispielsweise bei Untersuchungen von

    Michelfelder 2006 [8]. Gründe hierfür können sein, dass anders als in [8] im ZIM-Projekt

    [1] die Lamellen hochkant angeordnet waren, auch wurde mit 15-facher Kerventiefe eine

    größere Vorholzlänge gewählt.

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    3.3. Untersuchungen mit einem Stabwerkmodell

    Für diskontinuierlich angeordnete Verbindungsmittel wie Kerven, eignet sich zur Bestim-

    mung der Schnittgrößen in dem jeweiligen Teilquerschnitt das Stabwerkmodell nach Rau-

    tenstrauch et al. [10]. Vor allem können auch die Schubkräfte, die durch die

    Verbindungsmittel abgetragen werden, genau ermittelt werden (vgl. Stabwerkmodell in

    Abbildung 7). Für den Beton- bzw. den Holzquerschnitt werden Stabelemente in der Lage

    der entsprechenden Schwerachse des Teilquerschnitts modelliert. Aufgrund der

    Druckstäbe, die die beiden Stabelemente der Querschnitte miteinander verbinden, werden

    gleiche Durchbiegungen erzielt.

    Abbildung 7: Stabwerkmodell nach Rautenstrauch et al. [10] und Zeichnung einer entsprechenden Holz-Beton-Verbunddecke mit Kerven

    An der Stelle der belasteten Kervenflanken (vgl. Abbildung 7) wird das Verbindungsmittel

    durch einen Schubstab mit entsprechender Steifigkeit modelliert. Nach Gleichung (1) kann

    die effektive Biegesteifigkeit des Schubstabes in Abhängigkeit vom Verschiebungsmodul

    Kser des Verbindungsmittels ermittelt werden. Der Schubstab ist biegesteif an die beiden

    Stabzüge der Querschnitte angeschlossen und besitzt auf Höhe der Verbundfuge ein Ge-

    lenk (vgl. Abbildung 8).

    Abbildung 8: Ersatzsystem des Verbindungsmittels als Schubstab nach Rautenstrauch et al. [10]

    𝐸𝐼∗ =𝐾𝑠𝑒𝑟3

    ∙ (𝑧𝐵3 + 𝑧𝐻

    3) (1)

    𝐸𝐼∗ Effektive Biegesteifigkeit des Verbindungsmittels (in N·mm²/m) 𝐾𝑠𝑒𝑟 Verschiebungsmodul des Verbindungsmittels (in kN/mm/m) 𝑧𝐵 Abstand Schwerachse Betonquerschnitt zu Schwerpunkt Verbundfuge (in mm) 𝑧𝐻 Abstand Schwerachse Holzquerschnitt zu Schwerpunkt Verbundfuge (in mm)

    Die resultierenden Querkräfte der Schubstäbe an den Kerven entsprechen den Kerven-

    kräften, die über die Kervenverbindungen übertragen werden müssen. Die Normalkräfte

    und Momente im Holz- bzw. Betonquerschnitt lassen sich direkt an den Stabelementen

    entnehmen. Weiter lässt sich die Durchbiegung des Gesamtsystems bestimmen.

    In Abbildung 10 ist die Durchbiegung in Feldmitte für die Schubträgerserie 10 und eine

    Simulation mit einem Stabwerkmodell nach Rautenstrauch et al. [10] in Abhängigkeit der

    vertikal aufgebrachten Lasten P/2 (vgl. Abbildung 9 a)) dargestellt. Ab einer Belastung P

    von ca. 80 kN setzt ein Abfall der Steifigkeit des Schubträgers ein, was auf die großen

    nichtlinearen Verformungen an den Kerven zurückzuführen ist (durchgezogene Linie). Der

    mit dem Stabwerkmodell nach Rautenstrauch modellierte Trägerversuch (gestrichelte

    zB

    zH

    Schubstab (Verbindungsmittel)

    (EI*)

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    Linie) wurde unter Berücksichtigung eines Verschiebungsmoduls Kser von 1.571 kN/mm/m

    durchgeführt, der dem Mittelwert aus den Push-Out-Versuchen der Serie 1 bis 4 ent-

    spricht.

    a) b)

    Abbildung 9: Stabwerkmodell: a) mit Ansatz von zwei Einzellasten P/2, b) mit Ansatz einer Streckenlast q

    In dem in Abbildung 10 dargestellten Vergleich kann die Durchbiegungen in Feldmitte des

    Schubträgers Serie 10 mit der berechneten Durchbiegung aus dem Stabwerkmodell unter

    Berücksichtigung des aus Push-Out-Versuchen ermittelten Verschiebungsmoduls vergli-

    chen werden. Hierbei zeigt sich, dass die Berechnungen mit dem Stabwerkmodell (bis zu

    einer Belastung P von ca. 80 kN, ab der der Bereich mit nichtlinearem Kervenverhalten

    beginnt) die Durchbiegung leicht unterschätzen.

    Abbildung 10: Vergleich der Durchbiegung in Feldmitte der Schubträgerserie 10 nach gemessenen Werten im Versuch und der Simulation im Stabwerkmodell

    Einfluss der Größe des Verschiebungsmoduls der Kerve Kser auf die resultierenden Schnittgrößen und Durchbiegungen einer HBV-Konstruktion

    Um die Auswirkungen einer Variation des Verschiebungsmoduls Kser zu erfassen, wurde

    eine Parameterstudie am Beispiel einer über 6 m spannenden HBV-Decke für ein Büroge-

    bäude durchgeführt. Ziel war es, den Einfluss eines variierten Verschiebungsmoduls der

    Kerve auf die jeweils resultierenden Schnittgrößen in den Teilquerschnitten Holz und Beton

    und die entsprechenden Durchbiegungen zu untersuchen. Die Ergebnisse sind in Abbil-

    dung 11 und Abbildung 12 zusammengefasst.

    Beispielhaft wurde hierzu eine übliche Belastung auf die oberste Decke eines Bürogebäu-

    des angesetzt. Diese wurde zu 5,25 kN/m für den 0,4 m breiten Träger gewählt. Als Ge-

    ometrie der modellierten Träger wurden die 6 m langen Biegeträger mit 6 Kerven und

    einer Höhe des Holz- wie auch des Betonquerschnittes von 12 cm berücksichtigt. Die

    Breite betrug wie bei den Biegeversuchen 40 cm. Die Steifigkeiten wurden entsprechend

    den auch in den Versuchen verwendeten Materialgüten für das Holz GL 24h nach DIN EN

    14080 [5] und für den Beton C 30/37 nach DIN EN 1992-1-1 [6] gewählt.

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    In den durchgeführten 4-Punkt-Biegeversuchen wurde die Pressen-Last als zwei Einzel-

    lasten jeweils in den Viertelspunkten des Trägers aufgebracht. In der Praxis liegt jedoch

    eine eher gleichmäßig verteilte Streckenlast vor (vgl. Abbildung 9). Daher wurde für die

    hier durchgeführte Parameterstudie eine gleichmäßig verteilte Lastanordnung gewählt.

    Bei einer Vergleichsuntersuchung zeigte sich, dass sich diese unterschiedliche Lastanord-

    nung besonders bei der Verteilung der Kervenkräfte bemerkbar macht. Weiter sind die

    Normalkräfte und die Durchbiegungen infolge der Streckenlast etwas geringer als bei den

    Einzellasten, die Biegemomente sind jedoch höher.

    Für die Berechnungen am Stabwerkmodell wurde der Verschiebungsmodul der Kerve Kser

    in einem Bereich von 50 bis 2.000 kN/mm/m variiert. Dies deckt alle aus der Literatur

    bekannten und aus selbst durchgeführten Versuchen erhaltenen Werte mit ab. Der im

    Rahmen des ZIM-Kooperationsprojekts [1] gewonnene Mittelwert für das Verschiebungs-

    modul der Kerve Kser von 1.571 kN/mm/m ist ebenfalls in Abbildung 11 und Abbildung 12

    eingezeichnet und liegt im gleichen Wertebereiche wie für vergleichbare Geometrie und

    Materialeigenschaften gewonnene Ergebnisse in Versuchen von beispielsweise Schönborn

    2006 [11] bzw. Grosse 2005 [12].

    In Abbildung 11 sind die resultierenden Kräfte und Durchbiegungen bei variiertem Verschie-

    bungsmodul der Kerve dargestellt. Es zeigt sich, dass bis zu einem Verschiebungsmodul von

    ca. 400 kN/mm/m die Normalkräfte in den Teilquerschnitten deutlich ansteigen und auch

    die Kervenkräfte stark zunehmen. Ab einem Kser von ca. 1.000 kN/mm/m treten keine gro-

    ßen Veränderungen mehr auf. Dabei ist deutlich zu erkennen, dass je weiter außen die

    Kerven liegen, höhere Kervenkräfte auftreten. Die Durchbiegung in Feldmitte (FM) verhält

    sich genau entgegengerichtet und wird bis zum Erreichen eines Kser von 400 kN/mm/m

    schnell und ab ca. Kser = 1.000 kN/mm/m nur noch langsam immer geringer.

    Abbildung 11: Kräfte und Verschiebungen bei variiertem Verschiebungsmodul Kser

    Die resultierenden Momente in den Teilquerschnitten Beton und Holz sind in Abbildung 12

    dargestellt. Auch hier zeigt sich bis zu einem Verschiebungsmodul Kser von

    1.000 kN/mm/m ein starker Abfall der Momente, die danach oberhalb von

    Kser = 1.000 kN/mm/m deutlich langsamer abnehmen. Weiter ist im Betonquerschnitt ein

    deutlich höheres Moment vorhanden im Vergleich zum Moment im Holzquerschnitt.

    Im Bereich von Kser = 1.571 kN/mm/m (in Abbildung 11 und Abbildung 12 gepunktet

    dargestellt) hat die Variation des Verschiebungsmoduls keine großen Auswirkungen mehr

    auf die resultierenden Schnittgrößen und Durchbiegungen.

    10

    15

    20

    25

    0

    25

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    75

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    125

    0 250 500 750 1.000 1.250 1.500 1.750 2.000

    Du

    rch

    bie

    gu

    ng F

    M [

    mm

    ]

    Krä

    fte

    [kN

    ]

    Verschiebungsmodul Kser [kN/mm/m]

    N-Kraft

    Kervenkraft 1

    Kervenkraft 2

    Kervenkraft 3

    Durchbiegung FM

    1.5

    71

    kN

    /mm

    /m

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    Abbildung 12: Momente in Feldmitte und an der äußersten Kerve bei variiertem Verschiebungsmodul Kser

    Zusammenfassung der Ergebnisse

    Die Schnittgrößen und Durchbiegungen von HBV-Konstruktionen mit Kerven hängen maß-

    geblich von den Steifigkeiten des Verbindungsmittels ab. Die Ergebnisse des Forschungs-

    vorhabens aus dem ZIM-Kooperationsprojekt zeigten aber, dass für den Bereich der Werte

    des an der Kerve in den Versuchen ermittelten Verschiebungsmoduls keine großen Aus-

    wirkungen auf die resultierenden Schnittgrößen und Durchbiegungen bei der Bemessung

    mehr zu erwarten sind. Schrauben in den Kerven führten zu keiner Steigerung der Stei-

    figkeit bzw. Tragfähigkeit. Durch Schrauben zur Vorholzverstärkung lassen sich Steifigkeit

    und Tragfähigkeit der HBV-Decke mit Kerven jedoch deutlich erhöhen. Das Versagen trat

    immer duktil als Stauchung der auf Druck belasteten Kervenflanke auf, als Folge bildeten

    sich danach Risse im Beton, ausgehend von der Kervenflanke.

    Die Ergebnisse tragen dazu bei, dass in Zukunft Holzbaufirmen und Ingenieurbüros Holz-

    Beton-Verbundkonstruktionen sicherer bemessen können. Sie stellen auch einen Beitrag

    zum neuen Teil mit Holz-Beton-Verbundkonstruktionen in der zukünftigen Holzbaunorm

    EN 1995 dar. Kerven sind aufgrund ihrer hohen Steifigkeit und Tragfähigkeit für HBV-

    Konstruktionen als Verbindungsmittel sehr gut geeignet, um auch hohe Lasten abgetragen

    zu können und dadurch gleichzeitig die Querschnittshöhe einer Verbundkonstruktion deut-

    lich zu reduzieren.

    Danksagung

    Das ZIM-Kooperationsprojekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

    aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Die Autoren bedanken

    sich vielmals für die finanzielle Unterstützung. Weiterhin gilt Dank der SPAX International

    GmbH & Co. KG für die Bereitstellung der Schrauben für die Versuchskörper. Unser Dank

    gilt außerdem unserem Projektpartner Pirmin Jung Deutschland GmbH.

    0

    2

    4

    6

    8

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    14

    0 250 500 750 1.000 1.250 1.500 1.750 2.000

    Mo

    me

    nte

    [kN

    m]

    Verschiebungsmodul Kser [kN/mm/m]

    Moment FM Holz

    Moment FM Beton

    Moment K3 Holz

    Moment K3 Beton

    1.5

    71

    kN

    /mm

    /m

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    Literaturverzeichnis

    [1] Kuhlmann, U.; Mönch, S.; Kudla, K.; Götz T.; Volk, D.: Entwicklung einer

    Schwerlast-Holz-Beton-Verbunddecke mit Bemessungsgrundlage. – ZIM Koopera-

    tionsprojekt KF3166401AT3 (Universität Stuttgart, Institut für Konstruktion und

    Entwurf) und KF3154501AT3 (PIRMIN JUNG Deutschland GmbH), Laufzeit seit

    01.01.2014

    [2] Kudla, K.: Kerven als Verbindungsmittel für Holz-Beton-Verbundstraßenbrücken,

    Universität Stuttgart, Institut für Konstruktion und Entwurf, Dissertation, (in

    Bearbeitung)

    [3] Miebach, F.; Niewerth, D.: Latest developments in timber bridge constructions,

    World Conference on Timber Engineering WCTE 2016, Vienna, Austria, Partici-

    pant’s Handbook, 2016

    [4] Pirmin Jung Ingenieure: Projekte, Aktuell (2016), URL: www.pirminjung.de

    (Stand: 01.09.2016)

    [5] DIN EN 14080: Holzbauwerke – Brettschichtholz und Balkenschichtholz –

    Anforderungen. DIN – Deutsches Institut für Normung e.V., September 2013

    [6] DIN EN 1992-1-1: Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton und

    Spannbetontragwerken – Teil 1-1 mit NA (2013): Allgemeine Bemessungsregeln

    und Regeln für den Hochbau. DIN-Deutsches Institut für Normung e.V., 2011

    [7] DIBt: SPAX Schrauben als Holzverbindungsmittel, SPAX International GmbH &

    Co. KG. Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung Z-9.1-449: Deutsches Institut für

    Bautechnik, 2012

    [8] Michelfelder, B.: Trag- und Verformungsverhalten von Kerven bei Brettstapel-

    Beton-Verbunddecken, Universität Stuttgart, Institut für Konstruktion und Ent-

    wurf, ISSN 1439-3751, Mitteilung Nr. 2006-1, Dissertation., 2006

    [9] DIN EN 26891: Holzbauwerke – Verbindungen mit mechanischen Verbindungs-

    mitteln, Allgemeine Grundsätze für die Ermittlung der Tragfähigkeit und des

    Verformungsverhaltens. DIN-Deutsches Institut für Normung e.V., 1991

    [10] Grosse, M.; Hartnack, R.; Lehmann, S.; Rautenstrauch, K.: Modellierung von dis-

    kontinuierlich verbundenen Holz-Beton-Verbundkonstruktionen – Teil 1: Kurzzeit-

    tragverhalten. Bautechnik 80 (8), p. 534 – 541, 2003

    [11] Schönborn, F.: Holz-Beton-Fertigteilelemente, Leopold-Franzens-Universität Inns-

    bruck, Dissertation, 2006

    [12] Grosse, M.: Zur numerischen Simulation des physikalisch nichtlinearen Kurzzeit-

    tragverhaltens von Nadelholz am Beispiel von Holz-Beton-Verbund-konstruktio-

    nen, Bauhaus-Universität Weimar, Institut für Konstruktiven Ingenieurbau,

    Dissertation, 2005

    http://www.pirminjung.de/