Hollfelder, Thomas Analyse des European Social Survey (ESS ... · Konfliktpotenziale zwischen Alt...

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www.ssoar.info Konfliktpotenziale zwischen Alt und Jung im deutschen Wohlfahrtsstaat: eine quantitative Analyse des European Social Survey (ESS) Hollfelder, Thomas Veröffentlichungsversion / Published Version Zeitschriftenartikel / journal article Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Hollfelder, T. (2012). Konfliktpotenziale zwischen Alt und Jung im deutschen Wohlfahrtsstaat: eine quantitative Analyse des European Social Survey (ESS). Journal für Generationengerechtigkeit, 12(1), 17-30. https://nbn-resolving.org/ urn:nbn:de:0168-ssoar-317813 Nutzungsbedingungen: Dieser Text wird unter einer CC BY-NC-ND Lizenz (Namensnennung-Nicht-kommerziell-Keine Bearbeitung) zur Verfügung gestellt. Nähere Auskünfte zu den CC-Lizenzen finden Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/deed.de Terms of use: This document is made available under a CC BY-NC-ND Licence (Attribution-Non Comercial-NoDerivatives). For more Information see: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0

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Konfliktpotenziale zwischen Alt und Jung imdeutschen Wohlfahrtsstaat: eine quantitativeAnalyse des European Social Survey (ESS)Hollfelder, Thomas

Veröffentlichungsversion / Published VersionZeitschriftenartikel / journal article

Empfohlene Zitierung / Suggested Citation:Hollfelder, T. (2012). Konfliktpotenziale zwischen Alt und Jung im deutschen Wohlfahrtsstaat: eine quantitative Analysedes European Social Survey (ESS). Journal für Generationengerechtigkeit, 12(1), 17-30. https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-317813

Nutzungsbedingungen:Dieser Text wird unter einer CC BY-NC-ND Lizenz(Namensnennung-Nicht-kommerziell-Keine Bearbeitung) zurVerfügung gestellt. Nähere Auskünfte zu den CC-Lizenzen findenSie hier:https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/deed.de

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PresseartikelBohsem, Guido (09.04.2008): WertlosesGeschenk. In: Süddeutsche Zeitung, 4.

Hoischen, Oliver (19.07.2009): Die Rent-nerfunktionäre. In: Frankfurter AllgemeineSonntagszeitung, 29/2009, 6.

Neumann, Philipp (05.04.2008): Wenn dieAlten zornig werden. In: Die Welt, 3.

Schirrmacher, Frank (17.05.2010): RolandKochs Wette. In: Frankfurter Allgemeine, 19.

Interview von Roland Koch (2010): Endeder Behutsamkeit. In: Der Spiegel, 20/2010,24-27.

o. V. (12.04.2008): Nagelprobe für dieRentner-Demokratie. In: Frankfurter Allge-meine, 4.

o. V. (12.04.2008): Altpräsident Herzog warntvor Rentnerdemokratie. In: Die Welt., 5.

o. V. (19.05.2011): Ein Netz für junge Alte.In: Frankfurter Rundschau, 5.

Angaben zur AutorinDie Politikwissenschaft-lerin Dr. Bettina Mu-nimus (geb. 1980) warwissenschaftliche Mit-arbeiterin im Pro jekt„Alternde Gesellschaf-ten und Organisatio-

nen für Ältere. Sozialverbände und Gewerk-schaften in nationaler und internationalerPerspektive“ an der Universität Kassel. ImRahmen ihrer Promotion untersuchte sieden Alterungsprozess der VolksparteienCDU und SPD. Ihre Forschungsschwer-punkte sind: Parteien- und Verbändefor-schung, Wandel von Politik und Ökonomiein Deutschland und Europa insbesondereunter der Perspektive des demografischenWandels, Sozialstaatsforschung.

Kontaktdaten: EAF | Europäische Akademiefür Frauen in Politik und Wirtschaft BerlinSchumannstraße 5 / 10117 BerlinE-Mail: [email protected]

Journal für Generationengerechtigkeit12. Jahrgang · Ausgabe 1/2012

Konfliktpotenziale zwischen Alt und Jung im deutschen Wohlfahrtsstaat –

Eine quantitative Analyse des European Social Survey (ESS)von omas Hollfelder

usammenfassung: Bedingt durcheine niedrige Geburtenziffer undeine steigende Lebenserwartung,

führt der demografische Wandel in Deutsch-land zu Finanzierungslücken in den sozialenSicherungssystemen und zu einer politischenMachtverschiebung zu Gunsten der älterenJahrgänge. Daraus wird oft vorschnell ein Kon-flikt der Generationen abgeleitet, ohne dasseine empirische Prüfung der dafür notwendi-gen sozialen Grundlagen stattgefunden hätte.In dieser Arbeit wird deshalb ein Modell ent-wickelt, das die Entstehung eines Konflikteszwischen Alt und Jung skizziert, um anschlie-ßend einzelne Aspekte der Genese des Konflik-tes empirisch zu überprüfen. Dazu werden dreiEinstellungsvariablen analysiert: die Verant-wortlichkeit des Staates für die Alterssicherung,die Einschätzung des Lebensstandards im Ru-hestand und die erwartete Entwicklung desRentenniveaus. Als Datengrundlage dient diedeutsche Teilstudie der 4. Welle des EuropeanSocial Survey. Die Analysen zeigen, dass be-züglich der untersuchten wohlfahrtsstaatlichenEinstellungen kein nennenswertes Konfliktpo-tenzial zwischen Alt und Jung festgestellt wer-den kann. Mögliche Konfliktlinien lassen sich

vielmehr entlang des Bildungsstatus oder dersubjektiven Lebenszufriedenheit ausmachen.Zudem sind, in schwächerem Maße, altersun-abhängige subjektive Wertorientierungen undpolitische Einstellungen konstitutiv für dieEinstellungsbildung. Aus den Ergebnissen lässtsich schließen, dass in der Bevölkerung gegen-wärtig keine Grundlage für einen Konfliktzwischen Alt und Jung auf Gesellschaftsebeneexistiert.

EinleitungDeutschland: ein „Land der Generationen“.1

Eine fast schon romantisch angehauchte Be-schreibung, die im Laufe der letzten Deka-den jedoch zunehmend einen brisanten,weniger harmonischen Beigeschmack be-kommen hat. Die langfristigen demografi-schen Trends einer niedrigen Geburtenzifferund steigenden Lebenserwartung führtenund führen zu einschneidenden Verände-rungen in der Altersstruktur der Gesamtbe-völkerung. So wird der Altenquotient2 nachBerechnungen des Statistischen Bundesam-tes von einem derzeitigen Wert von etwa 50in naher Zukunft weiter auf über 75 anstei-gen, wobei der größte Sprung zwischen

2015 und 2025 mit dem Übergang der Ge-neration der Babyboomer in die Gruppe dermindestens 60-Jährigen zu erwarten ist.3

Durch die damit verbundenen, gravierendenFolgen für die finanzielle Situation der staat-lichen Systeme der sozialen Sicherung hatdie ese eines ,Generationenkonflikts‘ Ein-gang in die öffentliche Diskussion gefunden.Schlagwörter wie die Gefahr einer ,Geron-tokratie‘ und der aufkommende ,Kampf derGenerationen‘ halten sich seither hartnäk-kig. Einzig ein handfester, empirischer Be-weis scheint bisher noch auszubleiben. Allesnur eine Frage der Zeit? Gerade einmal 37Prozent der Bevölkerung sehen ein demo-kratisches Grundrecht der Generationenge-rechtigkeit verwirklicht.4 Ist der Konfliktalso lediglich im Stadium der Latenz, und esfehlt nur ein polarisierendes Ereignis odereine erneute, breite öffentliche Debatte, biser sich manifestiert?

Dieser Frage soll in dieser Arbeit nachge-gangen werden, indem das Konfliktpoten-zial zwischen der Gruppe der Alten und derGruppe der Jungen analysiert wird. Nacheiner knappen Darstellung der Folgen des

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demografischen Wandels für die umlagefi-nanzierten, sozialen Sicherungssysteme unddie Machtverteilung zwischen den Alters-gruppen im demokratischen System, wirdein Modell skizziert, das die Genese einesKonfliktes zwischen Alt und Jung im Wohl-fahrtsstaat aufzeigt und hervorhebt, inwie-fern Einstellungen zum Wohlfahrtsstaatdabei eine essenzielle Rolle spielen. Schließ-lich gibt der Verfasser einen Überblick überden aktuellen Stand der Einstellungsfor-schung und erläutert bewährte theoretischeKonzepte.

Der empirische Abschnitt bildet den Kerndieser Arbeit. Auf der Datengrundlage dervierten Welle des European Social Survey(ESS) wird die Bevölkerung in zwei Alters-gruppen (Jung und Alt) unterteilt. Schließ-lich wird ein Verfahren vorgestellt, das mitHilfe von Regressionsanalysen den Einflussder Altersgruppenzugehörigkeit auf die Ein-stellungsbildung, insbesondere in Relationzu anderen bedeutenden Prädiktoren, misstund veranschaulicht. Dieses Vorgehen wirdanschließend auf drei Einstellungsvariablenangewendet, die sich allesamt auf die Ge-setzliche Rentenversicherung (GRV) oderden Lebensstandard im Alter beziehen. DieErgebnisse sollen Aufschluss über die Exi-stenz und das Ausmaß eines Konfliktpoten-zials geben und werden im Anschlussdiskutiert und kommentiert.

Folgen des demografischen WandelsAuswirkungen auf die sozialen AlterssicherungssystemeDas Konzept eines gesellschaftlichen Gene-rationenvertrages in den sozialen Siche-rungssystemen ist kein Vertrag imformal-juristischen Sinne, sondern dient alsMetapher, die durch ihren moralischenBezug auf die familiären Austauschbezie-hungen dem staatlichen System mehr Legitimität geben soll.5 Durch einkom-mensabhängige Beitragszahlungen der Er-werbstätigen werden die Bezüge deraktuellen Generation der Alten finanziertund von den Beitragszahlern gleichzeitig ge-setzliche Ansprüche auf eine eigene Versor-gung im Alter erworben. Fundamental fürdie annähernde Äquivalenz zwischen denBeiträgen und Leistungen ist dabei ein sta-biles Verhältnis von zahlreichen Beitrags-zahlern und wenigen Leistungsempfängern.Die demografischen Verschiebungen inDeutschland und den meisten anderen west-lichen Industrieländern haben dieses Ver-hältnis jedoch aus dem Gleichgewicht

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gebracht und stellen die nachhaltige Lei-stungsfähigkeit und die Tragfähigkeit derumlagefinanzierten Investitionslogik aus „in-vestiver Vorleistung und solidarischer An-rechtssicherung“ in Frage.6 Da sprunghafteAnstiege der Nominallohneinkommen ineinem Maße, das den entstehenden Grabenkompensieren könnte, unrealistisch sind,bleiben für die Wiederherstellung desGleichgewichts innerhalb des Umlagesy-stems vor allem drei Wege: eine Senkung derdurchschnittlichen nominalen Renten, eineErhöhung der Beitragssätze oder eine Erhö-hung der Altersgrenze. Im ersten Fall wür-den die Empfänger, im zweiten dieBeitragszahler einseitig belastet; im drittenFall verteilen sich die Be- und Entlastungengleichermaßen auf beide Gruppen.7

Auswirkungen auf die politische MachtverteilungUnabhängig davon, wie an diesen Stell-schrauben gedreht wird: Die aktuell leben-den Generationen würden dadurch belastetwerden. Die langfristigen Profiteure einerKonsolidierung wären allen voran die her-anwachsenden und ungeborenen Jahrgänge.Diese können ihr Gewicht jedoch nochnicht als Wählerstimme geltend machen.Gleichzeitig sorgt die Alterung der Gesell-schaft für einen höheren Anteil an direktenoder zeitnahen Rentenempfängern unterden Stimmberechtigten. Es stellt sich daherdie Frage, ob eine ausgewogene Änderungder altersspezifischen Sozialsysteme unterdiesen Umständen in Zukunft überhauptnoch mehrheitsfähig wäre.

Diese Frage lässt sich anschaulich an demaus der Ökonomie stammenden Median-wähler-Modell diskutieren.8 Dabei kannüber die Alternativen, in diesem Falle eineBelastung der Beitragszahler oder der Emp-fänger, direkt abgestimmt werden. Es ist an-zunehmen, dass die Änderungen in denaltersspezifischen Sicherungssystemen, allenvoran der GRV, in zukünftigen Wahlkämp-fen eine gewichtige Rolle spielen werden. Indiesem Fall kommt die vereinfachte Model-lierung als direkte Abstimmung der Realitätin einer repräsentativen Demokratie relativnahe. Da sich die Individuen rational ver-halten, werden sie abwägen, ob ihnen eineBeitragserhöhung oder eine Leistungssen-

kung weniger erwartete Nutzeneinbußenbeschert und entsprechend votieren. ÄltereErwerbstätige und Rentner sprechen sichfolglich für eine Beitragserhöhung, jüngereErwerbstätige für eine Leistungskürzungaus.9 In absehbarer Zukunft wird das Alterdes Medianwählers in die Gruppe der Be-fürworter einer Beitragserhöhung fallen.Bleibt man im ökonomischen Modell undunterstellt auch der Politik Eigennutzenma-ximierung in Form einer Maximierung derWählerstimmen, so haben die älteren Wäh-ler die Macht, jede zu ihren Lasten ange-strebte Reform zu blockieren, und würdendavon auch Gebrauch machen.10 Die erheb-lichen finanziellen Folgen des demografi-schen Wandels würden ausschließlich denjüngeren Generationen auferlegt. In dieser,Gerontokratie‘ scheint ein Konflikt zwi-schen den Generationen, in der sogar eineAufkündigung des so genannten Generatio-nenvertrages möglich ist, unausweichlich.

Die Realität gestaltet sich natürlich komplexer,als sie im Ansatz des „homo oeconomicus“abgebildet wird. Kollektive Wahlentschei-dungen werden selten ausschließlich auf-grund ein und desselben emas getroffen.Wie die Erfahrung gezeigt hat, folgen Re-gierungen möglicherweise nicht ihren Wahl-versprechen oder setzen Reformen durch,die weder populär noch unter den Wählernbei direkter Abstimmung mehrheitsfähigwären (wie bei der Agenda 2010 geschehen).Intergeneratives Denken, zum Beispieldurch Kontakte zu eigenen Kindern oderEnkeln, kann unter älteren Menschen einstarkes Motiv für altruistisches Handeln bilden. Im Umlageverfahren stehen dieEmpfänger zudem in einer gewissen Abhän-gigkeit von den Einzahlern und würden eskaum riskieren, dass der ohnehin nur meta-phorische Generationenvertrag von den Jün-geren ,aufgekündigt‘ wird.

Grundsätzlich bleibt jedoch festzuhalten,dass es mit zunehmender Alterung der Ge-sellschaft zu einer politischen Machtun-gleichheit zu Gunsten der älteren Jahrgängekommt. Dies bietet Möglichkeiten zur Be-einflussung der Art und Weise, wie die altersspezifischen Sicherungssysteme zu-künftig angepasst werden. Ob und wie dieÄlteren ihre Macht tatsächlich einsetzenwerden, ist freilich eine andere Frage.

eoretisches Konzept zur Analyse einesKonfliktes zwischen Alt und Jung imWohlfahrtsstaat

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Wer weiß, wie dem demografischenWandel erfolgreich zu begegnen ist,den beglückwünsche ich. / Angela Merkel /

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Begrifflichkeiten: Kohorte, Generation und Al-tersgruppeDie theoretischen Konzepte „Kohorte“,„Generation“ und „Altersgruppe“ vereint,dass sie gesellschaftliche Gruppen beschrei-ben, deren Mitglieder zu unterschiedlichenZeitpunkten jeweils gleich alt sind.11 Als Ko-horte oder Geburtskohorte werden dabeiMenschen beschrieben, die im selben oderinnerhalb weniger aufeinander folgenderJahre geboren sind. Generation baut daraufauf, wobei eine allgemein gebräuchliche De-finition nicht existiert. Lüscher und Liegleschlagen eine Basisdefinition vor, die diewichtigsten Merkmale von Generationenumfasst. Das Konzept der Generationendient demnach dazu, „kollektive oder individuelle Akteure hinsichtlich ihrer so-zial-zeitlichen Positionierung in einer Ge-sellschaft, einem Staat, einer sozialenOrganisation oder einer Familie zu charak-terisieren und ihnen eine spezifische Identi-tät (,Generationenidentität‘) zuzuschreiben.Diese zeigt sich darin, dass sich Akteure inihrem Denken, Fühlen, Wollen und Tun ansozialen Perspektiven orientieren, für die derGeburtsjahrgang, das Alter oder die bishe-rige Dauer der Mitgliedschaft in der jeweili-gen Sozietät oder die Interpretationhistorischer Ereignisse von Belang sind“.12

Generation wird also primär als Identitäts-begriff beschrieben.13 Gleichgelagerte Sozia-lisationserfahrungen führen zu spezifischenMustern des Denkens, Fühlens, Wissensund Handelns sowohl auf Individual- wieauch darüber hinausgehend auf Kollektiv-ebene. Während die Kohorten- und Gene-rationszugehörigkeit qua Geburt festgelegtwird und man sie ein Leben lang beibehält,wechselt die Zugehörigkeit zu einer Alters-gruppe im Laufe des Lebens. Jeder gehörteinmal zu den ,Jungen‘, aber niemand wirdauf Dauer dort verbleiben. So wandeln sich mit der Zeit Gruppenzuge-hörigkeit wie Gruppenzusammensetzung.

Modellierung und esenbildungDas im Folgenden abgebildete Modell sollals grober Rahmen für die punktuellen Ana-lysen dieser Arbeit dienen, die sich auf zweiim Folgenden herausgearbeitete Leitthesenkonzentrieren. Das Modell skizziert, wie dieEntstehung eines Altersgruppenkonfliktes

häufig begründet wird und theoretisch auchplausibel denkbar ist. Wie beschrieben wirdder Konflikt zwischen Alt und Jung imWohlfahrtsstaat überwiegend aus differen-ten Interessen und einer asymmetrischenVerteilung der Durchsetzungsmacht abge-leitet. Diese Argumentation ist grundlegendfür das in Abbildung 1 skizzierte theoreti-sche Modell und soll in dieser Arbeit empi-risch untersucht werden. Ziel derUntersuchung ist es, eine empirische Über-prüfung der modellierten Argumentations-linie durchzuführen, um die Gültigkeit einesdaraus abgeleiteten unterschwelligen Kon-fliktes zwischen Alt und Jung beurteilen zu

können. Im Schaubild sind bereits die Ein-stellungen zum Wohlfahrtsstaat integriert,auf deren Basis die Überprüfung primärstattfinden wird. Die wissenschaftstheoreti-sche Grundlage des Modells bildet der inden erklärenden Sozialwissenschaften eta-blierte Makro-Mikro-Makro-Ansatz, auchbekannt als „Colemansche Badewanne“.14

Makrosoziologische Zusammenhänge zwi-schen sozialen Strukturen und einem kol-lektiven Explanandum werden dabeihandlungstheoretisch über die Mikroebenezu erklären versucht.

Die modellierte Argumentation be-ginnt mit den sozialen Strukturen

eines umverteilenden Wohlfahrtsstaates, des-sen Systeme der Alterssicherung durch dendemografischen Wandel in eine finanzielleSchieflage geraten sind und des Umbaus be-dürfen. Jeder Bürger befindet sich als po-tenzieller oder faktischer Beitragszahler oder

Leistungsempfänger in einer spezifischen In-teressenlage. Diese ist meinungsbildend fürdie Frage, ob die Konsolidierung der Siche-rungssysteme eher zu Lasten der Finanziersoder der Empfänger stattfinden soll. Da dasErgebnis in politischen Aushandlungspro-zessen zustande kommt und nicht vorherbekannt ist, befindet sich jeder Bürger in derSituation eines drohenden Verlustes von zu-künftigem ökonomischen Kapital. DurchVeränderungen der relativen Einkommens-verhältnisse sind zudem Auswirkungen aufdas soziale Kapital denkbar.15 Um die Ver-bindung zu den Einstellungen zum Wohl-fahrtsstaat herzustellen, bedarf es einer

ese, die im Folgenden zu prüfen ist:

ese I: Alt und Jung unterscheiden sich hin-sichtlich ihrer Einstellungen zur wohlfahrts-staatlichen Alterssicherung, und zwar gemäßihrer spezifischen Interessenlage, die sich ausder dominierenden Position im Umvertei-lungssystem ergibt.

So wird der Einzelne je nach Interes-senlage bestimmte Handlungsalterna-

tiven16 eher ablehnen, andere hingegenpräferieren. Die Logik, nach der die verfüg-baren Handlungsalternativen selektiert wer-den, basiert auf dem RREEMM-Modell.Dieses Modell ist eine Weiterentwicklungund Zusammenführung des „homo sociolo-gicus“ und „homo oeconomicus“.17 Der ty-pische Akteur wird darin als „resourceful,restricted, expecting, evaluating and maxi-mizing man“ aufgefasst.18 Er unterliegt Re-

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Die jungen Menschen von heute sollten gelegentlich daran denken,dass sie die alten Herrschaften vonmorgen sein werden. / Evelyn Waugh /

Abbildung 1: Modell zur Konfliktentstehung zwischen Alt und Jung in der wohl-fahrtsstaatlichen Alterssicherung. Eigene Darstellung.

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striktionen, die seine Handlungsalternativeneinschränken; verfügt über das kognitiveVermögen, mehrere Handlungsalternativenzu identifizieren; und trifft, gesteuert vonseinen subjektiven Erwartungen und Be-wertungen und einer Maximierungsregelfolgend, die Entscheidung für eine be-stimmte Handlung. Die Maximierungsregelbeschreibt dabei kein rein eigennutzenmaxi-mierendes Verhalten, wie es im klassischenModell des „homo oeconomicus“ der Fallist. Altruistische Motive werden ebenso be-rücksichtigt, allerdings führen kognitive Be-schränkungen zu einer eher kurzsichtigenOrientierung an der Nahumwelt. Übertra-gen auf die hier beschriebene individuelleHandlungssituation bedeutet dies, dass sichdie Handlungswahl nicht allein auf den er-warteten finanziellen Eigennutzen be-schränken kann, wie es die ausschließlicheFokussierung auf die Interessenlage impli-ziert. Das Individuum ist in komplexerWeise sozial eingebettet. Es verfügt über spe-zifische Wertorientierungen und internali-sierte Normen, an denen das Individuumsein Handeln orientiert, um innere und äu-ßere Sanktionen zu vermeiden. Nicht zuletztübt auch die herrschende öffentliche Mei-nung, transportiert in den dominierendenöffentlich-medialen Diskursen, einen Ein-fluss auf die spezifischen Einstellungen derindividuellen Akteure aus.

Für den dritten Schritt, der Transfor-mation der individuellen Einstellun-

gen auf die Aggregatsebene, ist es schließlichnotwendig, dass die Altersgruppen in ihrenEinstellungen ein Mindestmaß an Kohäsionaufweisen.19 Die Bedeutung kohärenter Ein-stellungen für den Aggregationsschritt unddamit auch für die Genese eines konflikt-trächtigen Verhältnisses zwischen Alt undJung wird offensichtlich, wenn man die vonAmitai Etzioni beschriebenen Voraussetzun-gen betrachtet, die zur Bildung kollektiverAkteure notwendig sind. Auf einer erstenStufe bilden eine Vielzahl an Individueneine Großgruppe, vorausgesetzt es existierteine gemeinsame Basis an übereinstimmen-den Einstellungen, Werten und/oder Inter-essen. Mit Großgruppe (collectivity) istgemeint: „Eine makroskopische Einheit, diedie potentielle Fähigkeit besitzt, gemeinsamzu handeln, indem sie sich auf die normati-ven Bindungen stützt, die die Mitgliedereiner Schichtungskategorie zusammen-schließen.“20 Die Existenz solcher Groß-gruppen entlang des dichotomenUnterscheidungskriteriums Alt/Jung und

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die weitgehende Abwesenheit von weiteren,den Einfluss der Altersgruppenzugehörigkeitauf die Einstellungsausprägungen überla-gernden Einflussfaktoren, bilden die zweiteAnnahme, die hier empirisch auf ihre Plau-sibilität hin überprüft werden soll:

ese II: Die individuellen Akteure unter-scheiden sich einerseits in ihren Einstellungenzur Alterssicherung entlang des KriteriumsAlt/Jung, verfügen andererseits bei gleicher Kri-teriumsausprägung über überwiegend homo-gene Einstellungen.

Eine Großgruppe bleibt jedoch passiv undnur potenziell handlungsfähig, solange sienicht auch über ein Mindestmaß an Orga-nisiertheit verfügt. So entsteht ein Kollektivmit realer Handlungsfähigkeit, das als kol-lektiver Akteur bezeichnet werden kann.Handlungen von zwei oder mehr kollekti-ven Akteuren können in Konflikt geraten,falls zwischen den Akteuren Interessendi-vergenzen bestehen.

Die Steuerbarkeit, Konsens- und Kompro-missfähigkeit oder gar der Verlauf dieserüberwiegend theoretisch hergeleiteten Aus-einandersetzung zwischen Alt und Jung sindzu komplex – jede Antwort käme einer Spe-kulation gleich. Unabhängig davon sindRückwirkungen auf die Ausgestaltung desTransfersystems zu erwarten, die wiederumeinen Effekt auf die zukünftigen individuel-len Einstellungen zum Wohlfahrtsstaat aus-üben. Das Modell verfügt folglich übereinen zirkulären Moment, der Ausdruck derDynamik wohlfahrtsstaatlicher Gebilde ist,die ständig in diskursiven Aushandlungs-prozessen transformiert und modifiziert wer-den. Je nach Verlauf der Auseinandersetzungsind dabei eindämmende, selbstregulativeWirkungen ebenso denkbar wie verstär-kende Effekte.21

eoretische Grundlagen der Messung wohl-fahrtsstaatlicher EinstellungenGrundsätzlich gibt es zwei Ansätze, ausdenen Einstellungen erklärt werden können.Soziostrukturelle Erklärungen basieren über-wiegend auf dem spezifischen Interesse undder Nutzenorientierung der Menschen. AlsGrundlage dient der Rational-Choice-An-satz: Es wird also angenommen, dass „die

Menschen interessengeleitet denken undhandeln, sich bewusst und zielorientiert aufdie Bedingungen und Restriktionen ihrerLebenswelt beziehen“.22 Maßgebend für dieEinstellungsprägung sind hier wirtschaftli-che Bedingungen, aus denen sich spezifischeInteressenorientierungen ergeben: Es wirdvom Individuum immer die Position einge-nommen, von der es sich angesichts der ak-tuellen Lebenssituation den größtensozioökonomischen Vorteil verspricht.23

Demgegenüber basieren soziokulturelle An-sätze vorrangig auf dem Sozialisationstheo-rem. Individuen bilden durch spezifischeErfahrungen im Sozialisationsprozess diffe-rente Werte und Normen aus.24 So könnensich beispielsweise geschlechtsspezifischeRollenmodelle oder die wirtschaftlichen undpolitischen Rahmenbedingungen währenddes Sozialisationsprozesses in gruppenspezi-fischen Werte- und Einstellungsausprägun-gen niederschlagen.

Als einen weiteren Erklärungsansatz schla-gen Krömmelbein et al. subjektive Zufrie-denheitsmaße vor, da die subjektiveEinschätzung nicht immer mit den objekti-ven Gegebenheiten der Lage überein-stimmt.25 Differenzen zwischen Wunschund Wirklichkeit, von denen ein relevanterEffekt auf die Einstellungen anzunehmenist, können dadurch berücksichtigt werden.Zufriedene Menschen sind oft Gewinner derGesellschaft, wodurch sie weniger Defizitesehen und weniger Notwendigkeiten fürstaatliches Handeln.26

Welche konkreten Erklärungsfaktoren letzt-endlich in die Analyse der jeweiligen Ein-stellungen einbezogen werden sollten, hängtvom jeweiligen Untersuchungsobjekt ab.Dabei ergeben sich in den folgenden Analy-sen Restriktionen durch den ausschließli-chen Rückgriff auf Sekundärdaten. FürForscher, die mit Sekundärdaten arbeiten,bedeutet dies: Weder auf die genaue Frage-stellung noch auf die Auswahl der erhobe-nen Items kann Einfluss genommenwerden.27 Umso wichtiger ist es, die Itemshinsichtlich ihrer Aussagekraft kritisch zuhinterfragen und die Ergebnisse entspre-chend differenziert zu betrachten.28

Empirische AnalyseDatengrundlageDie Datengrundlage für die statistische Ana-lyse bildet die vierte Welle des European So-cial Survey (ESS). In der vorliegenden Arbeit

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Im Grunde aber sind wir alle kollektiveWesen, wir mögen uns stellen, wie wirwollen. / Johann Wolfgang von Goethe /

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wird mit den Daten der deutschen Teilstudiegearbeitet, die zwischen dem 27.08.2008und dem 31.01.2009 vom Bonner Markt-und Sozialforschungsinstitut infas erhobenwurden.29 Die Stichprobenziehung erfolgtedurch eine zweistufige, disproportional ge-schichtete Zufallsauswahl für in privatenHaushalten in Deutschland lebende Perso-nen ab 15 Jahren, ungeachtet ihrer Staats-bürgerschaft und Rechtsstellung.

Bei der Analyse ist zu beachten, dass dasAlter als Determinante ein Indikator für ver-schiedene Aspekte sein kann. Erstens kön-nen sie, eher strukturellen und situationalenErklärungsmustern folgend, auf Lebenszy-kluseffekte (auch: Alterseffekte) zurück zuführen sein. Dem liegt die Annahme zuGrunde, dass „Personen im Laufe ihres Lebens verschiedene Phasen (Schule, Aus-bildung/Studium, Berufstätigkeit, Familien-gründung, Rente/Pension) durchlaufen, jenach Lebensabschnitt unterschiedliche so-ziale Positionen einnehmen und damit un-terschiedliche Präferenzen entwickeln“.30

Davon zu unterscheiden sind Generationen-bzw. Kohorteneffekte. Die Generationen-these nimmt an, dass „verschiedene Geburtsjahrgänge spezifische Verhaltens-strukturen und Einstellungsmuster aufwei-sen, weil sie zu unterschiedlichenZeitpunkten sozialisiert wurden“.31 Der Ein-fluss des Alters wird durch die Zugehörig-keit zu einer spezifischen historischen oderpolitischen Generation vermittelt, wie sie inDeutschland beispielsweise die Nachkriegs-generation oder die Generation der 68er bil-den können. Hinzu kommen drittens nochPeriodeneffekte, womit die temporären Aus-wirkungen der aktuellen historischen Situa-tion in Form von Ereignissen oderlängerfristigen Trends gemeint sind, die allezu einem bestimmten Zeitpunkt lebendenMenschen gleichermaßen beeinflussen, dasheißt unabhängig von der Kohorten- undAltersgruppenzugehörigkeit.32

Eine systematische Trennung der Effektewäre für eine über das Deskriptive hinaus-gehende Erklärung wünschenswert, ist sta-

tistisch jedoch extrem schwierig. Die dreiEinflussfaktoren dürften auf komplexeWeise zusammenspielen und bedingen sichgegenseitig, da sie auf erhobene Variablenzurückgehen (Erhebungszeitpunkt, Alter,Geburtsjahrgang), die nicht unabhängigvoneinander sind. Dieses als Identifikations-problem bekannte Dilemma lässt sich nurdurch sehr langfristige Verlaufsdaten lösen,die eine Analyse von Kohorten im Zeitver-

lauf (idealerweise kompletteLebenszyklen) zulassen.33

Eine solche Studie existiertfür die hier relevantenItems nicht.

Zusammengefasst bedeutetdiese Restriktion, dassmögliche gefundene Diffe-renzen zwischen den Alters-

gruppen weitestgehend deskriptiver Naturbleiben müssen und deren Ursachen stati-stisch nicht zwischen dem aktuellen Le-bensalter, der Kohortenzugehörigkeit undder aktuellen historischen Situation als er-klärende Faktoren aufgeschlüsselt werdenkönnen. Prognosen sind deshalb zwarschwer zu treffen, für die Untersuchung desgegenwärtigen Konfliktpotenzials im Wohl-fahrtsstaat ist die Datenlage jedoch ausrei-chend.34

Konstruktion der Gruppen ‚Alt‘ und ‚Jung‘Wann gilt eine Person als ,alt‘, wann ist sienoch ,jung‘? Das chronologische oder bio-logische Alter ist zwar exakt, kann jedochkeine ausreichende Antwort auf diese Fragegeben. Alter im hier thematisierten Sinn istals gesellschaftliches Konstrukt zu verstehen,die Antwort entsprechend abhängig von derjeweiligen Gesellschaft. Im ESS finden sichdazu zwei offene Fragen:

• Was denken Sie, ab welchem Alter werdenMenschen im Allgemeinen nicht mehr als jungbezeichnet?

• Was denken Sie, ab welchem Alter werdenMenschen im Allgemeinen als alt bezeichnet?

Der Median beträgt im deutschen Sample40 Jahre bzw. 60 Jahre. Für die in dieser Ar-beit notwendige Altersgruppeneinteilungwerden diese Werte die Grenzen zwischenden Gruppen bilden. Die Gruppe der 15 bis39-Jährigen bilden die Jungen, die Gruppeder 60-Jährigen und Älteren bilden dieAlten. Dazwischen liegt die Gruppe der Per-sonen, die in der Gesellschaft weder als altnoch als jung bezeichnet wurde. Sie wirdhier schlicht ,mittlere‘ Gruppe genannt. JedePerson im Datensatz wird nun gemäß ihresAlters der jeweiligen Gruppe zugeordnet.35

Der zweite, weit gewichtigere Vorteil derEinteilung entlang gesellschaftlich wahrge-nommener Altersgrenzen ist die Berück-sichtigung der Bevölkerungsstruktur, vonder ein bedeutender Einfluss auf die Wahr-nehmung von Jung-Sein und Alt-Sein ange-nommen werden kann. ,Alt‘ und ,Jung‘ sindDifferenzmerkmale, die ihren Sinn nurdurch die Existenz einer anderen Gruppe,der ,Nicht-Alten‘ oder ,Nicht-Jungen‘ ge-winnen. Dabei müssen sie jedoch kein Ent-weder-Oder bilden, sondern lassen auch ein,weder alt noch jung‘ zu. Da es aber keinfixes biologisches Merkmal gibt, ab dem einMensch gewissen Alters als ,alt‘ bezeichnetwird, sind auch demografische Merkmalewie die Lebenserwartung oder die Bevölke-rungsstruktur gruppengrenzenbildend.Damit ließe sich auch die hohe Grenze derGruppe der Jungen erklären, die durch diePosition im Transfersystem oder im institu-tionellen Lebenslauf nicht mehr interpre-tierbar ist. Mit steigender Lebenserwartungund höherem Altenquotient in der Bevölke-rung verschieben sich die Maßstäbe. Men-schen in den 30ern werden noch als „jung“

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Gültige Fälle

Alte Bundesländer 1785

Neue Bundesländer (inkl. Ost-Berlin) 971

Gesamtdeutschland 2756

Tabelle 1: Fallzahl des European Social Survey Deutschland

Tabelle 2: Zusammensetzung der Altersgruppen.

Im Grunde haben die Menschen nurzwei Wünsche: Alt zu werden unddabei jung zu bleiben. / Peter Bamm /

Gruppe Gruppenmitglieder Gruppenzusammensetzung(Alter in Jahren)

n Prozent Mean Min Max StddevJunge 824 30,3 27,9 15 39 7,3Mittlere 1129 41,4 49,2 40 59 5,6Alte 771 28,3 70,1 60 91 6,8Gesamt 2725 100 48,7 15 91 17,4

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angesehen, weil sie einen Großteil der zu er-warteten Lebenszeit noch vor sich habenund weil sie relativ zur restlichen Bevölke-rung als jung angesehen werden können.

Methodisches VorgehenIn den folgenden Untersuchungen bildet diejeweilige Einstellungsvariable das Kriterium.Dabei handelt es sich um insgesamt dreiEinstellungsfragen, die sich auf die Verant-wortlichkeit des Staates auf die Sicherungdes Lebensstandards im Alter (I), auf dieEinschätzung des aktuellen Lebensstandardsvon Menschen im Ruhestand (II) und aufdie erwartete Entwicklung des Rentenni-veaus (III) beziehen.

Bezüglich der Hierarchisierung der Prädik-toren soll ein Vorgehen angewendet werden,

das Cohen et al. für OLS-Schätzungen36

ausführlich darstellt und analog auch fürhierarchische logistische Regressionen an-wendbar ist.37 Als Maßzahl der Effektstärkeeiner Variable kann im OLS-Modell der An-teil des semipartiellen R2 an der aufgeklär-

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ten Varianz des Kriteriums betrachtet wer-den, der nicht durch die anderen Prädikto-ren geschätzt werden kann. Dies gilt imML-Modell entsprechend für die semipar-tielle Devianzreduktion.38 Illustrieren lässtsich dies an einem Mengendiagramm, vonden Autoren „ballentine“ genannt (Abbil-dung 2). Im Schaubild würde der PrädiktorA nur den als Fläche dargestellten Anteil ader gesamten erklärten Varianz des ModellsY alleine leisten, während die Bereiche c+bauch von den anderen einbezogenen Prä-diktoren, hier zusammengefasst als B, er-reicht werden können.

Dieses Vorgehen lässt sich analog auf dieML-Schätzung übertragen: „HierarchicalLR tests of the contribution of a set of mpredictors over and above another set of kpredictors follow the same structure of dif-ferences between deviances.“39 Anstatt deraufgeklärten Varianz dient die Verbesserungdes Modellfits (Devianzreduktion) als Maß-zahl der spezifischen Effektstärke eines Prä-diktors. Um nun die partielle Erklärkrafteinzelner Prädiktoren zu ermitteln, wird dasvollständige Modell um den jeweils interes-sierenden Faktor reduziert. Anhand der De-vianzreduktion kann die Bedeutung desPrädiktors für die Güte des Gesamtmodellsquantifiziert werden.

Beitrag des Prädiktors = Dk-1 – Dk; Freiheitsgrade: Df =1Dk-1 = Devianz des reduzierten Modells Dk = Devianz des vollständigen Modells

Um die unanschauliche Größe der Devianzbesser interpretierbar zu machen, stehen zurQuantifizierung der geleisteten relativen

Devianzreduktion im Vergleich zum Null-modell sogenannte Pseudo-R2-Bestimmt-heitsmaße zur Verfügung.40 Ihre Zahlenwertesind so zu interpretieren, dass diese den Pro-zentanteil angeben, um den der ,lack of fit‘des Nullmodells durch das spezifizierte Mo-dell verringert werden konnte. Die zur Hier-archisierung der Prädiktorenbedeutung indieser Arbeit ermittelten semipartiellenPseudo-R2-Werte sind folglich als zusätzli-che Verbesserung der Schätzung des Modellsdurch Hinzunahme eines spezifischen Prädiktors zu interpretieren, und zwar inProzentwerten jeweils bezogen auf das Null-modell.41

Semipartieller Pseudo-R2-Koeffizient:sR2 = R2 – R2

R2 = Pseudo-R2 des vollständigen Modells R2 = Pseudo-R2 des reduzierten Modells

Nagelkerke's Pseudo-R2 kann Werte zwi-schen null und eins annehmen, wobei derMaximalwert von eins eine perfekte Schät-zung bedeutet, die in den beobachtendenSozialwissenschaften praktisch nicht erreichbar ist.42 Die Pseudo-R2-Bestimmt-heitsmaße sollen hier primär der anschauli-chen Vergleichbarkeit der semipartiellenErklärkraft einzelner Prädiktoren des Mo-dells dienen. Der Gesamtfit des Modells istvon untergeordneter Bedeutung.

Relevante unabhängige VariablenDie zuvor beschriebenen soziostrukturellenund -kulturellen Ansätze zur Erklärung vonEinstellungen sollen durch einen breitenPool an sinnvoll erscheinenden Erklärungs-faktoren wiedergegeben werden, deren Auswahl auch vom untersuchten Einstel-

Journal für Generationengerechtigkeit12. Jahrgang · Ausgabe 1/2012

Abbildung 2: Ballentine für die Prädiktoren A und B (nach Cohen et al. 2003).

Lineare Regression Binär logistische Regression

Skalenniveau des Kriteriums metrisch dichotom

Schätzverfahren OLS-Schätzung ML-Schätzung

Gütekriterium für die Schätzung Determinationskoeffizient R2 Pseudo-R2-Koeffizienten

Maßzahl für Effektstärke Semipartielles R2 Semipartielles Pseudo-R2

einzelner Prädiktoren

• Interpretation Anteil einzig durch Prädiktor Einzig durch Prädiktor geleistete

erklärte Varianz an gesamter Devianzreduktion in Bezug auf

Varianz des Modells die gesamte Devianz des Nullmodells

• Darstellung • In Prozent • In Prozent

• Signifikanztest • Likelihood-Ratio-Test • F-Test

Anwendung Einstellungsvariablen I + II Einstellungsvariable III

V

V

R

R

Tabelle 3: Gegenüberstellung lineare und binär logistische Regression.

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lungsobjekt abhängt. Tabelle 4 zeigt eineAuflistung aller verwendeten Variablen. Bei den Bildungsjahren, der Lebenszufrie-denheit, dem sozialen43 und politischen44

Vertrauen, der L/R-Skala und der C/O-Di-mension handelt es sich um metrische Ska-len. Die restlichen Variablen gehen alsdichotome Merkmale ein. Das Merkmal derAltersgruppe wurde dabei auf zwei Gruppenreduziert: die ,Alten‘ und die ,Jungen‘. DieEinkommensvariable wurde wegen ihreshohen Anteils an fehlender Werte von etwa17 Prozent nicht in die Standardregressio-nen mit einbezogen.

Einstellungsobjekt I: Staatliche Verantwortung bei der AlterssicherungUntersuchungsgegenstandAls erstes Einstellungsobjekt soll die Verant-wortlichkeit des Staates für die Altersvor-sorge untersucht werden. Je mehr derSozialstaat hierbei in die Pflicht genommenwird, desto mehr ist auch mit einer Akzep-tanz eines höheren Rentenniveaus zu rech-nen. Bisherige Untersuchungen habenergeben, dass die Akzeptanz zum Wohl-fahrtsstaat in der Bundesrepublik Deutsch-land klassen- und berufsübergreifend sehrausgeprägt ist.45 Ein gewisser Grad an Ak-zeptanz institutionalisierter Sicherungssy-steme lässt sich vermutlich auch alleindarauf zurückführen, dass sie institutionali-siert sind. Dabei kann dies nicht nur als An-zeichen des Erfolgs, sondern ebenso alsbloße Gewöhnung interpretiert werden.46

Zur Zuständigkeit des Staates für die Alters-sicherung existiert im ESS eine spezifischeFrage: „Sollte der Staat dafür verantwortlichsein, einen angemessenen Lebensstandard imAlter sicherzustellen?“ Eine zehnstufige Skala

mit den Polen „Der Staat sollte dafür über-haupt nicht verantwortlich sein“ und „DerStaat sollte dafür voll und ganz verantwortlichsein“ ist dabei für die Befragten vorgegeben.Die Frage bezieht sich also darauf, wie sehrder Staat grundsätzlich für die Alterssiche-rung zuständig sein sollte, und nicht ob eineVeränderung der Zuständigkeit zum Statusquo erwünscht ist.47 Problematisch hierbeiist, dass die Kostenkomponente in der Fra-gestellung vollständig ausgeblen-det wird.48 Denn ein typischesGrundmuster bei der Beurteilungdes Sozialstaates ist seine Beurtei-lung nicht anhand von Kostenund Effizienzaspekten, sondernanhand seiner erbrachten Leistun-gen in Form ihres individuellenwie gesellschaftlichen Nutzens.Daraus resultiert nicht nur einegenerell hohe Zustimmung zumSozialstaat, in den Einstellungenfindet sich auch oft eine Diskre-panz aus einerseits hohen Ansprü-chen an die sozialstaatlichen Leistungen beigleichzeitig als zu hoch angesehener Bela-stung durch Beiträge und Steuern.49

ErgebnisseEs lässt sich wie erwartet eine allgemein sehrhohe Akzeptanz der staatlichen Alterssiche-rung konstatieren: Dem Staat wird über alleAltersgruppen hinweg eine ausgeprägte Ver-antwortung zugesprochen. 83 Prozent sehenden Staat in einer überwiegenden bis voll-ständigen Verantwortung. Dies zeigt sichüber alle Altersgruppen hinweg, wobei siemit zunehmendem Alter etwas geringer aus-fällt.50 Die Alten plädieren also für etwasmehr Eigenverantwortung als die Jungen(siehe Tabelle 5).

Ein ebenfalls negativer, allerdings schwachsignifikanter Alterseffekt zeigt sich, nachdemin der Regressionsanalyse die weiteren Prä-

diktoren kontrolliert wurden. Der Anstiegdes Alterseffektes ist durch Wechselwirkun-gen mit den Prädiktoren Bildung und derC/O-Dimension zu erklären. Altersgruppeund Bildung korrelieren schwach negativmit einem bivariaten Korrelationskoeffi-zienten von r=-0,21. Hier ist ein Interakti-onseffekt zu vermuten, da sich für dieAltersgruppen vor allem bei Kreuztabellen-analyse deutliche Unterschiede bezüglich der

Stärke des Bildungseffekts zeigen. Bei derC/O-Dimension ist mit einer deutlicherenbivariaten Korrelation von r=-0,44 nebeneinem Interaktionseffekt auch zusätzlich einleichter Multikollinearitätseffekt denkbar.Personen sind statistisch gesehen mit zu-nehmendem Alter immer stärker an Sicher-heit und Erhaltung orientiert und wenigeroffen für Veränderungen. Insgesamt gesehenwiderspricht der festgestellte, negative Al-terseffekt den interessenorientierten Erklä-rungsansätzen. Der Befund stimmt mit demErgebnis von Nüchter et al. überein.51

Eine regionale Differenz zeigt sich in beidenAltersgruppen, bei den Alten ist jedoch inden ehemaligen Ostgebieten eine noch stär-kere Zustimmung zu beobachten als bei denJungen. Regionale Unterschiede zwischenden ehemaligen Ost- und Westgebietenkönnten demnach auf differente Sozialisati-

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Soziodemografische Faktoren Sozioökonomische Lage Zufriedenheitsmaße / Vertrauen Wertorientierungen

Altersgruppe (Alt/Jung) Erwerbstätigkeit Subjektive Lebenszufriedenheit Politische Links/Rechts-Skala

Region (Ost/West) Familiäres Netz zur Index Soziales Vertrauen Conservation/Openness to Alterssicherung Change-Dimension

Geschlecht (Einkommensschicht) Politisches Vertrauen

Absolvierte Bildungsjahre

Kontakte zur Age-Outgroup

Tabelle 4: Übersicht unabhängige Variablen.

Dieses Land jammert sich kaputt, verjuxt aber die Rente bei Neun Live./ Urban Priol /

Altersgruppe Verantwortlichkeit des Staates bei der Sicherung eines angemessenen Lebensstandards im Alter (10 = voll und ganz)

Mean nJunge 7,47 806Mittlere 7,46 1112Alte 7,39 748Insgesamt 7,44 2666

Tabelle 5: Altersgruppen und Extensität des Wohl-fahrtsstaates bei der Alterssicherung.

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onserfahrungen zurückgehen. Ist die Zu-stimmung bei den Alten mit einer Mean-differenz von +1,23 Punkten im ehemaligenOsten noch um einiges höher als in den ein-stigen Westgebieten, ist sie bei den mehr-heitlich im vereinigten Deutschlandaufgewachsenen Jungen mit +0,57 Punktenschon deutlich schwächer. Die unterschied-lich starken Ost/West-Effekte in den spezi-fischen Regressionsmodellen für Jung undAlt, d.h. auch unter Kontrolle sozioökono-mischen Faktoren, bekräftigen dies. Für diepolitisch weiter links angesiedelten Personender ehemaligen Ostgebiete (r=-0,21) besitztdie politische Links/Rechts-Orientierungweniger Erklärkraft für die Einstellungsdif-ferenzen als für den Westen. Im Gegensatzdazu ist die Trennkraft der C/O-Dimensionim Osten etwas stärker, wo die Personen sta-tistisch gesehen ein wenig mehr RichtungSicherheit und Erhaltung tendieren (r=-0,09). Die Kontakte zur Age-Outgroupsind in beiden Gebieten annähernd gleichausgeprägt (r=0,04), allerdings sind hier wie-derum starke Unterschiede bezüglich der Er-klärkraft auszumachen: Besteht im Westen(genauer gesagt, nur für die Gruppe derAlten im Westen52) ein signifikanter positi-ver Effekt, ist im Osten fast überhaupt keinEffekt auszumachen.

Das vollständige Regressionsmodell verfügtmit einem R2-Wert von etwa 0,09 über eherwenig erklärte Varianz.53 Innerhalb derGruppe der Jungen und im Westen ist siesogar noch geringer. Dies deckt sich mit denErgebnissen der Kreuztabellenanalyse, wo-nach sich bei den Jungen bezüglich der Ein-stellungsvariable weniger systematischeUnterschiede erkennen lassen, was als Indizfür einen insgesamt gesehen breiteren Kon-sens gewertet werden kann. Vermutlich liegtdies an der Distanz zum ema Alterssiche-rung: Wenig Auseinandersetzung mit demema und keine direkte Betroffenheit alsEmpfänger verhindern eine stärkere Ausdifferenzierung der Positionen. Der Un-terschied in der gruppeninternen Heteroge-nität zwischen Alt und Jung wäre demnachlebenszyklusbedingt. Denkbar sind auch ko-hortenspezifische Effekte, wonach in denjüngeren Jahrgängen gegenüber der wohl-fahrtsstaatlichen Verantwortung eine sozia-

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lisationsbedingt konsensuellere Einstellungvorherrscht.Abgesehen von den Kontakten zur Age-Outgroup bilden sowohl innerhalb derGruppe der Jungen als auch bei den Altendie selben Variablen die wichtigsten Prädik-toren. Dies sind: Ost/West, Bildung, dieL/R-Skala und die C/O-Dimension. Dabeiführen differente Merkmalsausprägungenbei den Alten jeweils zu stärkeren Einstel-lungsunterschieden. Ist bei den Jungen dieBildung der wichtigste Faktor, so ist es beiden Alten mit Abstand dieOst/West-Zugehörigkeit.Der bei der Kreuztabellen-analyse deutlich schwä-chere Ruf nach dem Staatbei alten Personen mithoher subjektiver Lebens-zufriedenheit wird im Re-gressionsmodell unterKontrolle der anderen Va-riablen fast vollständig ver-neint. Auch der negativeEffekt eines existierendenfamiliären Netzwerkes fürdie Alterssicherung, inter-pretierbar als geringere Be-dürftigkeit staatlicherUnterstützung durch die Möglichkeit derNutzung subsidiärer Strukturen, ist bei denAlten zwar erkennbar, aber nicht signifikant.

Zusammengefasst ist festzuhalten, dass dieJungen die staatliche Verantwortung bei derAlterssicherung nicht stärker in Frage stellenals die Alten. Ganz im Gegenteil: Sie spre-chen sich sogar etwas stärker dafür aus, unddies weitgehend unabhängig von soziode-mografischen und -ökonomischen Merkma-len. Deshalb und nicht zuletzt auch, da sichdie Akzeptanz staatlich organisierter Alters-vorsorge über die Altersgruppen hinweg aufäußerst hohem Niveau bewegt, ist hier keinKonfliktpotenzial zwischen Alt und Jung er-kennbar. Die in semipartiellen R2-Werten(siehe Abbildung 3) ausgedrückte, erklärteVarianz durch die Altersgruppenvariable vonlediglich 0,5 Prozent bestätigt dies. Amstärksten ist der Effekt von Ost/West mit 2,0Prozent. Die C/O-Dimension und L/R-Skala weisen mit 1,5 Prozent und 1,3 Pro-zent ebenso wie die Bildung mit 1,4 Prozentausgeprägte signifikante Werte auf, und diesüber beide Altersgruppen und beide regio-nalen Gebiete hinweg. Dies spricht dafür,dass die Frage der staatlichen Zuständigkeitbei der Alterssicherung weniger eine Frageder individuellen Interessenlage, als vielmehr

grundsätzlicher normativer Orientierungenund spezifischer Sozialisationserfahrungenist. Wenn es Konfliktpotenzial gibt, dann istes hier, in Form eines Wertekonfliktes be-züglich der politischen Einstellung oder derSicherheitsorientierung bzw. des Verände-rungswillens, zu vermuten. Oder aber alsKonflikt zwischen gut und gering gebildetenPersonen, die durch ihre jeweiligen Mög-lichkeiten der Einkommensgenerierung undalternativen Altersvorsorge in unterschiedli-chem Maße auf den Staat angewiesen sind.

Einstellungsobjekt II: Einschätzung des Lebensstandards aktueller RuheständlerUntersuchungsgegenstandInteressant zur Beurteilung des Konfliktpo-tenzials ist auch die Frage, wie der gegen-wärtige Lebensstandard der Rentner undPensionäre beurteilt wird. Wird der Lebens-standard als schlecht beurteilt, ist eine For-derung nach einer Rentenerhöhungwahrscheinlich, da der Staat als Hauptakteurbei der Alterssicherung gesehen wird.54 Wirdder Lebensstandard generell als gut einge-schätzt, könnte dies hingegen ein Hinweisauf eine größere Akzeptanz von Einschnittenbei den Leistungen sein. Konfliktreich wärees insbesondere, wenn die Jungen den Stan-dard äußerst gut beurteilen und die Altendeutlich schlechter, das heißt unterschiedli-che Verzichtsspielräume gesehen werden.Die im ESS diesbezüglich gestellte Frage lau-tet: „Bitte … sagen Sie mir, wie Sie den Le-bensstandard von Rentnern und Pensionärenim Großen und Ganzen einschätzen.“ DieAntwortskala reicht dabei von null bis zehn,wobei null „äußerst schlecht“ und zehn „äu-ßerst gut“ bedeutet. Die Leistungen der staat-lichen Systeme der Alterssicherung werdendemnach nicht direkt erfragt, sondern nurdie Einschätzung des Lebensstandards derMenschen im Ruhestand insgesamt.

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Der Rentenschwund wird die meistenBürger härter treffen, als sie es sich vorstellen – am härtesten die Generation der 40- bis 45-Jährigen. / Meinhard Miegel /

Abbildung 3: Effektstärken der Prädiktoren.Hierarchisiert nach dem semipartiellen R-Quadrat, prozentual an gesamter Varianz. Gerundete Werte. Signifikanzniveau: *: p<0,05; **: p<0,01; ***: p<0,001.

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ErgebnisseInsgesamt überwiegen die positiven Bewer-tungen des Lebensstandards im Ruhestandein wenig (Mean = 5,57; siehe Tabelle 6).Dies entspricht der Tendenz bei Nüchter etal., die 60 Prozent eher positive Urteile fest-stellen55. Am positivsten ist die Bewertungbei der mittleren Altersgruppe mit einemMittelwert von 5,74, was auf eine erhöhteSensibilität für die zu leistenden Aufwen-dungen zurückgehen könnte. Die (Selbst-)Einschätzung der Alten fällt mit einem Mit-telwert von 5,35 leicht ab, während dieGruppe der Jungen eine mittlere Positioneinnimmt (5,51). Dabei unterscheiden sichAlt und Jung allerdings nicht signifikantvoneinander.56

Die Unterschiede bleiben auch unter Kon-trolle auf die anderen Prädiktoren im voll-ständigen Regressionsmodell gering undnicht signifikant. Kohorteneffekte, die fürdie Existenz wohlfahrtsstaatlicher Genera-tionen sprechen würden, sind nicht erkenn-bar.Bei der Betrachtung des Einflusses vonOst/West ist bei der Kreuztabellenanalyseein schwacher regionaler Effekt zu erkennen.Im Osten wird der Lebensstandard im Ru-hestand geringfügig besser beurteilt - ein Er-gebnis, das von der Regressionsanalysegestützt wird. Maßgebend hierfür könntendie hohen Rentenansprüche, die in derDDR durch die offiziell nicht existierendeArbeitslosigkeit gesammelt wurden, sein.

Das vollständige Regressionsmodell weistmit einem R2-Wert von etwa 0,11 erneuteine eher geringe Erklärkraft auf. Dabei fälltauf, dass innerhalb der Gruppe der Alten dieunterschiedlichen Ausprägungen der Prä-diktorvariable die Unterschiede in der Beur-teilung deutlich besser erklären können, alsdies innerhalb der Gruppe der Jungen derFall ist. Dies kann wiederum als eine höhereHeterogenität bei den Alten interpretiertwerden. Vor allem die herausragende Er-klärkraft der subjektiven Lebenszufrieden-

heit sticht dabei ins Auge. Das ist plausibel,schließlich kann die Einschätzung bei denAlten unmittelbar aus den Beobachtungender eigenen Situation erfolgen. Sie ist damiteng verknüpft mit der Zufriedenheit mitdem eigenen Lebensstandard, die in engemZusammenhang mit der gesamten subjekti-ven Lebenszufriedenheit und dem Vertrauenin die Politik steht. Die subjektive Lebens-zufriedenheit ist, wenn auch deutlich schwä-cher ausgeprägt, auch bei den Jungen derbedeutendste Prädiktor. Nur der für beideGruppen signifikante Bildungseffekt ist beiden Jungen stärker. Für das Urteil der Jun-gen ist mangels unmittelbarer Erfahrbarkeitwohl das durch Bildung angeeignete Wissenantwortleitend. Ebenfalls für beide Alters-

gruppen signifikant ist der Effektdes politischen Vertrauens sowieder regionale Ost/West-Effekt. Eslässt sich festhalten, dass bei denAlten die Möglichkeit der Beur-teilung anhand der eigenen erfah-renen Lebensrealität scheinbar zueiner stärkeren Bedeutung dersubjektiven Orientierungsmaßeim Vergleich zum wissensabhän-gigen, faktenbasierten Maßstabdes durchschnittlichen Lebens-

standards führt.Bei den spezifizierten Regressionsanalysenfür Ost/West zeigt sich, dass auch hier je-weils die Lebenszufriedenheit die höchsteErklärkraft besitzt. Ansonsten zeigen sichdeutliche regionale Differenzen: Im Westensind die Bildung und das politische Ver-trauen noch von signifikanter Bedeutung,im Osten hingegen die Selbstverortung aufder politischen Links/Rechts-Skala.

Zusammengefasst lässt sich für die Ein-schätzung des aktuellen Lebensstandards imRuhestand festhalten, dass über alle unter-suchten Gruppen hin-weg die subjektiveLebenszufriedenheit, diemit dem Alter ansteigt,die höchste Erklärkraftbesitzt. Dies äußert sichauch in einem semipar-tiellen R2-Wert von 3,3Prozent (siehe Abbil-dung 4). Es folgen er-neut die Bildung (1,5Prozent), das politischeVertrauen (1,3 Prozent),die Regionszugehörig-keit der ehemaligenOst/West-Gebiete (0,8

Prozent) und die politische Links/Rechts-Skala (0,6 Prozent). Die restlichen Prädiktoren,darunter auch die Altersgruppenzugehörig-keit, sind nicht signifikant.

Es lässt sich folglich kein Konfliktpotenzialzwischen Alt und Jung erkennen. Die hohegruppeninterne Heterogenität bei den Altensollte eine zusätzlich konflikthemmendeWirkung haben. Gibt es eine stringenteKonfliktlinie der untersuchten Einstellung,so ist diese zwischen den Zufriedenen undUnzufriedenen zu verorten. Oder, da diesubjektive Lebenszufriedenheit mit dem po-litischen Vertrauen und dem Einkommenzusammenhängt57, kann auch von einer Dif-ferenz zwischen den gefühlten wie tatsächli-chen Gewinnern und Verlierern innerhalbder Gesellschaft gesprochen werden. DieseKluft verläuft jedoch nicht entlang einer Al-tersgrenze, weshalb auch hier gegenwärtigkein Potenzial für einen scheinbaren Alters-konflikt auszumachen ist.

Einstellungsobjekt III: Erwartete langfristige Leistungsfähigkeit der RentenversicherungUntersuchungsgegenstandNeben der Frage, was der Staat bei der Al-terssicherung leisten soll, bedarf es auch derAnalyse, was er zukünftig überhaupt zu lei-sten fähig ist. Krömmelbein sieht den Dis-kurs über eine Krise der sozialen Sicherungvorrangig auf die zukünftige Überlastungder Sicherungssysteme bezogen, weniger aufdie aktuelle Situation.58 UnterschiedlicheZukunftserwartungen können eine ent-scheidende Rolle in potenziellen Alters-

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Altersgruppe Einschätzung des Lebensstandards (10=äußerst gut)

Mean nJunge 5,51 797Mittlere 5,74 1108Alte 5,35 744Insgesamt 5,57 2649

Tabelle 6: Altersgruppen und Einschätzung des aktuellen Lebensstandards im Ruhestand.

Zufriedenheit ist der Stein der Weisen, der alles in Gold verwandeltdas er berührt. / Benjamin Franklin /

Abbildung 4: Effektstärken der Prädiktoren.Hierarchisiert nach dem semipartiellen R-Quadrat, prozentual an gesamter Varianz. Gerundete Werte. Signifikanzniveau: *: p<0,05; **: p<0,01; ***: p<0,001.

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gruppenkonflikten spielen, vor allem wenndifferierende Sichtweisen über die finanzielleund politische Machbarkeit existieren. Bri-sant ist dann, dass spezifische Reformen alsunrechtmäßige oder unangemessene Bevor-teilung einer Gruppe wahrgenommen wer-den können.Deshalb soll hier die Bewertung der finan-ziell möglichen sozialpolitischen Entwick-lung in der Alterssicherung erfasst werden.Erfragt wird folglich primär der erwartete,zukünftig mögliche Ist-Zustand, der nichtauf Wunsch und Wollen basiert. Die GRVist das System der sozialen Sicherung, demgrundsätzlich das höchste Misstrauen entge-gengebracht wird.59

Als Indikator für die Erwartungen enthältder ESS folgendes Item:

Gegenwärtig wird über die Kosten der Rentenund Pensionen in Deutschland diskutiert. Stel-len Sie sich die Situation in zehn Jahren vor:Welche der Aussagen (...) kommt ihrer Sicht-weise am nächsten?Drei Antwortkategorien wurden vorgege-ben:1: Deutschland wird sich das heutige Niveauder Renten und Pensionen nicht mehr leistenkönnen.2: Deutschland wird sich das heutige Niveauder Renten und Pensionen noch leisten können,wird es aber nicht anheben können.3: Deutschland wird es sich leisten können, dasNiveau der Renten und Pensionen anzuheben.

ErgebnisseWie erwartet ist die Beurteilung des zu-künftig möglichen Rentenniveaus insgesamtgesehen recht pessimistisch. Demnach sind64 Prozent der Befragten der Meinung, dassdas zum Befragungszeitpunkt aktuelle Ren-tenniveau bis zum Jahre 2018 nicht zu hal-ten ist. 31 Prozent erwarten, dass diesmöglich ist, und eine Minderheit von 4 Pro-zent geht sogar von einer Erhöhung aus. Beider für die logistischen Regressionsanalysennotwendigen Dichotomisierung wurde der

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Ansicht, Deutschland könne sich das heu-tige Niveau in zehn Jahren (mindestens) lei-sten, der Wert eins zugewiesen.60 Dabei zeigtsich zwischen der Gruppe der Jungen undder Mittleren ein weitgehender Konsens,wohingegen das Urteil der Gruppe der Altendeutlich positiver ausfällt (Tabelle 7). DerUnterschied zwischen Alt und Jung ist dabeihochsignifikant.61

Das Gesamtmodell hat mit einem Pseudo-R2-Wert nach Nagelkerke von 0,062 wie-derum eine äußerst geringe Erklärkraft. Diegewählten Prädiktoren taugen damit nur be-dingt zur Verbesserung der Schätzergebnisseund können die Devianz kaum reduzieren.Die signifikantesten Effekte gehen dabeinoch von der Altersgruppe und den absol-vierten Bildungsjahren aus. So sinkt miteiner höheren Bildung die Erwartungshal-tung. Schwach signifikant sind noch die po-sitiven Effekte des sozialen und politischenVertrauens sowie der negative Effekt der po-litischen Links/Rechts-Skala.

Die Devianzreduktion in den spezifischenRegressionsanalysen für Alt und Jung, inter-pretiert als der Grad der gruppeninternenHeterogenität, ist jeweils sehr ähnlich. Al-lerdings unterscheiden sich die Haupteffektein den Altersgruppen erheblich. Bei denJungen dominiert der Bildungseffekt, wasfür die (zeitliche) Distanz zum ema Ren-tenentwicklung spricht, wodurch direkte Erfahrungen an Relevanz bei der Urteilsbil-dung verlieren. Ferner ist bei den Jungen nurnoch die politische Links/Rechts-Skala si-gnifikant. Da auch das Urteil der Alten, dieüber eine kürzere Perspektive verfügen undüber unmittelbare Erfahrungen, eine Pro-jektion in die Zukunft darstellt, ist der zwarebenfalls signifikante, aber deutlich gerin-gere Effekt der Bildung plausibel. Am deut-

lichsten trägt bei den Alten dasMerkmal der Erwerbstätigkeitzur Devianzreduktion bei. Sosorgen sich Noch-Erwerbstätigein deutlich höherem Maße umihre Rente. Allerdings bilden dieNoch-Erwerbstätigen in derGruppe der Alten eine Minder-heit, wenn auch offensichtlicheine mit deutlich abweichenderErwartung. Bezieht man alle dreiAltersgruppen mit ein, nehmen

jedoch die Ruheständler mit ihrer optimi-stischeren Erwartung eine Sonderstellungein, während die Erwerbstätigen mit unge-fähr einem Drittel an positiven Erwartun-gen auf einem ähnlichen Niveau liegen wiedie zusammengefassten restlichen Gruppen.Ursache für die positivere Einschätzung derRentenbezieher könnte die kurzfristigerePerspektive und das höhere Sicherheitsemp-finden durch die direkte Erfahrbarkeit einesfunktionierenden Rentensystems sein, wäh-rend bei den Noch-Nicht-Rentnern ein dif-fuses Gefühl der Unsicherheit dominiert.

In Hinblick auf das Konfliktpotenzial lässtsich konstatieren, dass die Erwartungen be-züglich der mittelfristig möglichen Renten-höhe bei den Alten höher sind als bei denJungen. Dies gibt Interpretationen Raum,die möglicherweise notwendige Einschnitteauf Seiten der Rentenbezieher als unge-rechtfertigte Benachteiligung der Altensehen. Es lässt sich hier also ein Konfliktpo-tenzial erkennen – allerdings in geringemMaße, da der Alterseffekt selbst nicht über-mäßig ausgeprägt ist. Mit einem prozentua-len semipartiellen Pseudo-R2-Wert von 1,6Prozent ist die Bedeutung der Bildung nochetwas höher als die des Alters (siehe Abbil-dung 5). Aufgrund der geringeren Bildungälterer Kohorten und dem negativen Effekthöherer Bildung ist eine konfliktverstär-kende Wirkung durch Bildungsunterschiedemöglich. Mit geringen Werten von 0,5 Pro-zent bzw. 0,4 Prozent ist die Bedeutung derpolitischen Links/Rechts-Skala und des po-litischen wie sozialen Vertrauens auch fürdas Konfliktpotenzial von untergeordneterBedeutung.

Insgesamt ist demnach ein geringes Kon-fliktpotenzial erkennbar, das auf unter-schiedlichen Erwartungshaltungen undAnspruchsforderungen basiert. Sollten diehöheren Erwartungen der Alten auf einereher kurzfristigeren Perspektive bezüglich desUrteils der zukünftigen Rentenentwicklungberuhen, würde es sich hierbei um einen ty-pischen Lebenszykluseffekt handeln. Dem-nach wäre auch nicht zu erwarten, dass dasKonfliktpotenzial mit der Zeit durch Ko-hortenverschiebungen abnimmt. Lediglichder höhere Bildungsgrad der nachrückendenJahrgänge könnte das Konfliktpotenzial zukünftig abmildern, wenn der Lebens zy -kluseffekt durch den gegenläufigen Bildungs-effekt eingedämmt wird. In diesem Fallewürde die nach aktuellem Wissensstand vor-herrschende Erkenntnis, dass das derzeitige

Journal für Generationengerechtigkeit12. Jahrgang · Ausgabe 1/2012

Tabelle 7: Altersgruppen und erwartetes Rentenniveau in zehn Jahren.

Altersgruppe Deutschland kann sich das aktuelle Rentenniveau in zehn Jahren (mindestens) leisten

Prozent nJunge 32,0 779Mittlere 33,3 1098Alte 43,4 728Insgesamt 35,7 2605

Ein Pessimist ist ein Optimist, dernachgedacht hat./ Anonym /

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Rentenniveau in Anbetracht der demografi-schen Entwicklung und der rapide zuneh-menden Staatsverschuldung in Zukunfteben nicht ohne Weiteres zu leisten ist, anGewicht gewinnen. Ob und wie sehr dieseVerschiebung des Konfliktpotenzials von Al-ters- hin zu Bildungsunterschieden stattfin-den wird, bleibt abzuwarten.

FazitFür die drei untersuchten Einstellungsob-jekte, die sich allesamt auf den Bereich derstaatlichen Alterssicherung und den Lebens-standard im Alter beziehen, lassen sich nurbedingt Unterschiede zwischen Alt und Jungnachweisen. So sprechen sich auch die Jun-gen, sogar stärker als die Alten, für einestaatliche Verantwortlichkeit für einen an-gemessenen Lebensstandard im Alter aus,obwohl sie diesen mit ihren Beiträgen fi-nanzieren müssen. Der aktuelle Lebensstan-dard im Ruhestand, das zweite analysierteEinstellungsobjekt, wird von den betroffe-nen Alten geringfügig höher eingeschätzt alsvon den Jungen. Damit widersprechen dieBefunde einer Einstellungsbildung entlangeiner eigennützigen Interessenlogik, die deraktuellen Position der Individuen im Wohl-fahrtsstaat entspricht. Anzeichen für ein po-tenzielles Konfliktpotenzial gibt es lediglichbezüglich des erwarteten Rentenniveaus imJahre 2018, wo die Alten eher die Erwar-tungshaltung einnehmen, dass das heutigeNiveau zu halten oder zu erhöhen ist. Aller-dings kann methodisch nicht eindeutig zwischen Kohorten- und Lebenszykluseffektdifferenziert werden. Doch nur letztererkann die im Modell aufgestellte Argumenta-tionslinie stützen. Vor diesem Hintergrundsind die geringen Einstellungsdifferenzenzwischen Alt und Jung als marginal zu be-urteilen, weshalb die eingangs formulierte

ese I nicht bestätigt werden kann.Einen bei allen drei untersuchten Einstel-lungsobjekten zentralen Prädiktor bilden dieabsolvierten Bildungsjahre. Besonders aus-geprägt ist der Bildungseffekt innerhalb derGruppe der Jungen, was auf einen verstärk-ten Rückgriff auf durch Bildung angeeigne-tes Wissen bei der Urteilsbildung hindeutet.

Dafür spricht auch dieansonsten insgesamt hö-here Homogenität inner-halb der Gruppe derJungen. So fehlt es an un-mittelbarer Erfahrungmit dem in dieser Le-bensphase noch in weiterDistanz liegenden e-mengebiet der Alterssi-cherung, was einestärkere Ausdifferenzie-rung verhindert. DieGruppe der Alten hinge-gen, die überwiegendüber direkte Alltagserfah-rungen bezüglich derRentenversicherung und

dem Lebensstandard im Alter verfügt, ergibtdenn auch ein deutlich heterogeneres Bild.Allerdings ist es auch hier kaum möglich zubeurteilen, inwiefern dies auf die Lebenszy-klusphase und/oder auf die Geburtskohortezurückzuführen ist. Unabhängig davon lässtsich aus der starken internen Ausdifferenzie-rung bei den Alten vor allem entlang subjektiver Zufriedenheits- und Wertorien-tierungsmaße auf eine gruppeninterne He-terogenität in den Einstellungen schließen,die eine für die Bildung eines kollektivenAkteurs nötige Basis an kohäsiven Einstel-lungen fraglich erscheinen lässt. Da dies abergerade bei den Alten wegen ihres politischenMachtpotenzials als Notwendigkeit füreinen Konflikt zwischen Alt und Jung ange-sehen wird und ese II damit ebenfallsnicht hinreichend belegt werden konnte,bleibt zusammenfassend festzuhalten:Die Analyse ergibt keine ausreichendenHinweise darauf, dass zwischen Alt undJung erhebliche Differenzen bezüglich derEinstellungen zur Alterssicherung und zumaktuellen Lebensstandard im Alter bestehen.Somit gibt es keine Indizien für einen Alters-oder Generationenkonflikt im Wohlfahrtsstaat.

KommentarDie Resultate dieser Arbeit reihen sich naht-los ein in die Befunde bisheriger wissen-schaftlicher Studien, die kaum Indiziendafür finden, dass ein gesellschaftlicher Kon-

flikt zwischen Alt und Jung und eine Ent-wicklung zu einer ,Herrschaft der Alten‘,einer ,Gerontokratie‘, absehbar sind. Statt-dessen zeigt sich ein überwiegender Konsensin den subjektiven Einstellungen zum al-terssichernden Sozialstaat und eine zu hoheHeterogenität der Lebenslagen der Alten,um als kollektiver Akteur politisch aktiv zuwerden.62 Zudem ist die Altersarmut inDeutschland im internationalen Vergleichäußerst gering.63 Die Ergebnisse der Shell-Jugendstudie 2010 zeigen außerdem, dassder propagierte ,Aufstand der Jungen‘ aktu-ell nur eine leere, rhetorische Hülse darstellt.Nicht nur die familialen Generationenbe-ziehungen sind weitgehend intakt und fürdie Befragten eine bedeutende Quelle vonSicherheit in einer als unsicher empfunde-nen Umwelt, auch auf gesellschaftlicherEbene fordern lediglich ein Viertel der Jun-gen, dass die Älteren ihre Ansprüche redu-zieren sollten.64 Blome et al. konstatierenfolgerichtig, dass „der Diskurs über die sichanbahnende Gerontokratie oder den begin-nenden ,Altersklassenkampf‘ eher auf popu-lärwissenschaftlicher Ebene angesiedelt zu

sein [scheint]“.65 Als weiteren Beleg dafür,dass die ese eines aufkommenden ,Krie-ges der Generationen‘ einer fundierten Ana-lyse nicht standhalten kann, werten Blomeet al. die Tatsache, dass es im Gegensatz zurUSA in den europäischen Wohlfahrtsstaatenbisher keine politisch einflussreichen Inter-essenvertretungen der Alten gibt. Nach Et-zioni fehlt damit das für Konflikte zwischenkollektiven Akteuren notwendige Maß anOrganisiertheit. Hier ist jedoch fraglich, obdies auch zukünftig so bleiben wird. Mitdem im April 2011 gegründeten „Genera-tionen Netzwerk für Deutschland“ (GND)66

existiert in Deutschland eine Lobbyorgani-sation, die auf die (finanzielle) Infrastruktureines der größten Vereine Deutschlands,dem ADAC67, zurückgreifen kann und nachäquivalenten Strukturen organisiert ist. Sowirbt der GND mit einem „All-Inclusive-Programm“68, bestehend aus Anreizen wieRabatten, kostenloser Beratung und Ver-mittlung bei gleichzeitig vergleichsweise ge-ringen Jahresbeiträgen, um Mitglieder. Diehohe Attraktivität dieses Angebots soll zueiner hohen Mitgliederzahl führen, die aus-drücklich auch zur politischen Einfluss-nahme eingesetzt werden soll.69 Bei einer

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Abbildung 5: Effektstärken der Prädiktoren.Hierarchisiert nach dem semipartiellen Pseudo R-Quadratvon Nagelkerke, prozentual an gesamter Devianz des Nullmodells. Gerundete Werte. Signifikanzniveau: *: p<0,05; **: p<0,01; ***: p<0,001.

Eine Generation ist der Humus für die nächste./ Manfred Hinrich /

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offensiven, einseitigen Interessenvertretungmit dem Gewicht der Masse (unabhängigdavon, aus welchen Motiven die Mitgliederdem Verein beigetreten sind) scheinen je-doch Konflikte mit Organisationen, die sichwie die Stiftung für die Rechte zukünftigerGenerationen (SRZG) als Vertreter der jun-gen und zukünftigen Kohorten auffassen70,vorprogrammiert. Auf diesem Wege ist esmöglich, dass ein Konflikt zwischen Alt undJung Eingang in die öffentliche Diskussionfindet, für den in der Gesamtbevölkerung ei-gentlich empirisch kein Potenzial nachzu-weisen ist. Die Tatsache, dass durch diedemografische Entwicklung Systemanpas-sungen unumgänglich scheinen, kann dabeials Nährboden für geschürte Ängste die-nen – bei den Alten vor sozialem Abstiegund materieller Armut, bei den Jungen voreiner kommenden Gerontokratie. Im Sinneeiner sich selbst erfüllenden Prophezeiungkönnen diese Ängste, erst einmal instru-mentalisiert, denn auch eine reale Grund-lage erhalten.Diese fiktive Beschreibung erhebt freilichkeinen Anspruch darauf, tatsächlich Reali-tät zu werden. Sie dient lediglich dazu, eineEntwicklung aufzuzeigen, die an sich mög-lich ist. Die beispielhaft herangezogenen Organisationen dienen dabei der Veran-schaulichung der Tatsache, dass die notwen-digen Strukturen in Deutschland dafürbereits gegeben oder im Entstehen begriffensind. Damit ist trotz der wissenschaftlichsehr einheitlichen Befunde von höchstensmarginalem Konfliktpotenzial zwischen Altund Jung im Wohlfahrtsstaat die Manifesta-tion eines Macht- und Verteilungskonfliktesnicht auszuschließen. So sind die gegenwär-tig weitestgehend einheitlichen Einstellun-gen beispielsweise nur als Hinweis für einevorhandene Basis gemeinschaftlicher Lö-sungsfindung zwischen Alt und Jung zu in-terpretieren, die nicht notwendig aufkohärente Handlungen (insbesondere imFalle sich verändernder Rahmenbedingun-gen und öffentlicher Diskurse) schließen las-sen. Ob es zu der skizzierten Entwicklungkommt, ist demnach hier nicht zu beurtei-len. Eine bedeutende Rolle kommt hierbeinicht zuletzt auch den politischen Akteurenzu. Sie können mögliche Auseinanderset-zungen sowohl fördern, indem sie die ,neueKonfliktlinie‘ aufgreifen und zur Vermeh-rung der eigenen politischen Macht einzu-setzen versuchen. Oder sie können aber aufden offensichtlich im Großteil der Bevölke-rung vorhandenen Konsensstrukturen auf-zubauen versuchen und eine zwischen den

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Altersgruppen vermittelnde, deeskalierendeAnpassung des Sozialstaates an die langfri-stigen demografischen Verschiebungen an-streben. Dies könnte verhindern, dass sicheine „Stellvertreterdebatte“ entwickelt, dietatsächliche Konfliktlinien überdeckt.71

Diese sind auch bei der Frage der Alterssi-cherung in Zukunft plausibler entlang desklassischen Cleavage Arm/Verlierer vs.Reich/Gewinner72 oder zwischen Kinderlo-sen und Familien73 zu vermuten.

Anmerkungen1. Bude 2005: 31.2. Der Altenquotient berechnet sich, indemman die Anzahl der Personen, die 60 Jahreund älter sind, in Bezug setzt zu der Anzahlder Personen, die mindestens 20 Jahre undweniger als 60 Jahre alt sind.3. Vgl. Statistisches Bundesamt 2006: 23.4. Vgl. Nüchter 2010: 38. 5. Zu Ansätzen der Legitimation der Alters-sicherung als öffentliche Aufgabe siehe Null-meier (2007).6. Bude 2005: 40.7. Vgl. Kohl 2007.8. Vgl. Schulz 2008: 397.9. Vgl. Schulz 2008: 400. 10. Vgl. Kirchgässner 2008: 111. 11. Vgl. May 2010: 20.12. Lüscher/Liegle 2003: 59.13. Vgl. Jureit/Wildt 2005: 9. 14. Für eine ausführliche Beschreibung desModells siehe Esser (1993).15. Die Unterscheidung spezifischer Kapi-talsorten beruht auf Pierre Bourdieu (1982).Siehe hierzu Schwingel (2009).16. Unter Handlung wird hier nach MaxWeber auch „inneres Tun“ (2006: 12), alsoauch die Einnahme bestimmter Einstel-lungspositionen verstanden.17. Vgl. Esser 1993: 237. 18. Diese Annahmen basieren auf einemMenschenbild, das sich auf Erkenntnisse deranthropologischen Forschung stützt.19. May (2010: 43) spricht auch davon, dassein verbreitetes „individuelles Ungerechtig-keitsempfinden“ vorherrschen muss. Dabeiist es erst einmal unerheblich, ob dieserKonsens auf der gemeinsamen Interessen-lage gründet oder andere Ursachen hat. 20. Etzioni 2009: 676. 21. Auch hier kommt dem Einfluss des me-dial-öffentlichen Diskurs auf die Konflikt-wahrnehmung durch seine spezifischeSelektionslogik eine bedeutende Rolle zu,auf die hier aus Komplexitätsgründen nichtweiter eingegangen werden kann (siehehierzu Schetsche 2008: 138ff.).

22. Krömmelbein et al. 2007: 35.23. Vgl. Andreß et al. 2001: 32. 24. Andreß et al. 2001: 32.25. Krömmelbein et al. 2007: 36. 26. Vgl. Nüchter et al. 2010: 124. 27. Vgl. May 2010: 181. 28. Vgl. Ullrich 2000: 15. 29. Eine Ausnahme bildet der europäischeVergleich in Kapitel 3.5 des ESS, der mitdem länderübergreifenden Datensatz durch-geführt wurde.30. Kaspar/Falter 2007: 118. 31. Kaspar/Falter 2007: 117.32. Vgl. Esser 1993: 270. 33. Vgl. Schnell et al. 2005: 245.34. Vgl. Esser 1993: 263.35. Berechnet aus dem Geburtsjahr subtra-hiert vom Kalenderjahr der Erhebung. 36. OLS steht für „ordinary least squares“und findet beispielsweise bei linearen Re-gressionen Anwendung.37. Vgl. Cohen et al. 2003: 166f. sowie 508. 38. Die Devianz beschreibt die Anpassungdes Models an die beobachteten Werte. EineDevianz von 0 würde einem perfekten Mo-dellfit entsprechen.39. Vgl. Cohen et al. 2003: 508.40. Cohen et al. 2003: 502.41. Cohen et al. 2003: 167f.42. Vgl. Andreß et al. 1997: 288.43. Der Index für das soziale Vertrauenwurde nach Franzen (2007: 221) aus dreiItems zum Vertrauen in die Mitmenschen,zur Fairness und zur Hilfsbereitschaft in derGesellschaft gebildet.44. Als Indikator für das politische Ver-trauen diente das Item zum Vertrauen in dasParlament.45. Vgl. Roller 2002: 167ff.46. Vgl. Ullrich 2000: 20.47. Vgl. Roller 2002: 139.48. Vgl. Blome et al. 2008: 322.49. Vgl. Nüchter et al. 2010: 121. 50. Ein zweiseitiger t-Test zwischen Alt undJung ergibt, dass der Unterschied jedochnicht signifikant ist.51. Vgl. Nüchter et al. 2007: 32. 52. Dies ist interessant, da unerwartet: Beiden Jungen geht von direkt erfahrenen, in-timen Kontakten mit Vertretern der Gruppeder Alten keine solidarisierende Wirkungaus, die Zustimmung ist einheitlich hoch.Bei den Alten hingegen werden die Jungendadurch nicht etwa entlastet, sondern sogarstärker in die Verantwortung genommen.Scheinbar ist hier die Wirkung anders ge-richtet als intuitiv angenommen und alteMenschen, deren Kontakt zu jüngeren Ge-nerationen nicht abgerissen ist, haben dies

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möglicherweise aus einer intergenerativenOrientierung heraus erreicht, die ebenso zueiner höheren Präferenz der Idee eines staat-lichen Generationenvertrags führt.53. Dies ist nicht untypisch für wohlfahrts-staatliche Einstellungsanalysen (vgl. Ullrich2000: 21).54. Vgl. Nüchter et al. 2010: 55. 55. Nüchter et al. 2010: 86. 56. Ein zweiseitiger t-Test ergab, dass dieNullhypothese, dass sich die Gruppe derAlten und der Jungen hinsichtlich ihrer Ein-schätzung des Lebensstandards im Alternicht unterscheiden, beibehalten werdenmuss. 57. Die Lebenszufriedenheit korreliert biva-riat mit der Einkommensschicht mit r=0,21,mit dem politischen Vertrauen mit 0,22.Einkommensschicht und politisches Ver-trauen korrelieren wiederum mit r=0,21.58. Vgl. Krömmelbein 2007: 149. 59. Insgesamt 63 Prozent der Befragten, diewenig oder überhaupt kein Vertrauen in dieGRV haben, stehen gerade mal zehn Prozentgegenüber, die großes Vertrauen haben (vgl.Nüchter et al. 2010: 72).60. Die Daumenregel, wonach bei binärenlogistischen Regressionsanalysen jeder derbeiden Kategorien mindestens zehn Prozentder Fälle zugewiesen werden sollten, istsomit erfüllt (vgl. Urban und Mayerl 2011:349).61. Signifikant auf dem 0,001-Niveau. Er-gebnis eines zweiseitigen t-Tests.62. Vgl. Blome et al. 2008: 319. 63. So sind in Deutschland lediglich 0,6Prozent der Menschen im Rentenalter aufdie Grundsicherung im Alter als Hauptein-kommensquelle angewiesen (vgl. Statisti-sches Bundesamt 2011: 55). Imeuropäischen Vergleich der Kaufkraft vonRentnern gehört Deutschland zur Spitzen-gruppe (ebd.: 57). 64. Vgl. Hennis 2010. 65. Blome et al. 2008: 319. 66. Vgl. Schröter 2011. 67. Die Abkürzung ADAC steht für „Allge-meiner deutscher Automobilclub e.V.“. 68. Online-Quelle: www.gndev.de/gnd/mit-gliedschaft (Abruf am 29.09.2011). 69. „Er [der GND] nimmt Stellung zu dengesellschaftlichen, politischen und wirt-schaftlichen Aspekten, die unter demSchlagwort ,Generation 50plus‘ aufgrunddes demografischen Wandels immer stärkerdiskutiert werden.“ (Online-Quelle:www.gndev.de/gnd/gnd-s te l l t - s ich-vor/ueber-uns (Abruf am 29.09.2011). 70. „Sie [die SRZG] setzt sich dafür ein, dass

nachrückende Generationen mindestens diegleichen Chancen auf Bedürfnisbefriedi-gung in ökologischer, ökonomischer und so-zialer Hinsicht bekommen wie ihreVorgänger-Generationen.“ (Online-Quelle:www.generationengerechtigkeit.de (Abrufam 29.09.2011). 71. Lüscher/Liegle 2003: 258. 72. Dafür sprechen zum Beispiel die hohenmonetären Transfers innerhalb der Familie(Vererbbarkeit von Armut) und die Mittel-standsorientierung der Sozialpolitik (Pflege-versicherung, Eheförderung, geringeErbschaftssteuer, Förderung privater Alters-vorsorge etc.) sowie die statusförderndeStruktur der Alterssicherung. 73. Gemäß der Idee eines Drei-Generatio-nen-Vertrages in Form der Anpassung derRentenansprüche an die Kinderzahl, d.h.dem individuell geleisteten ,demografischenBeitrag‘ für die nachhaltige Funktionsfähig-keit des Umlageverfahrens (vgl. Rürup2007).

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Autorenangabenomas Hollfelder,geb 1987, studiert Soziologie, Finanzwis-senschaft und Betriebs-wirtschaftslehre an derUniversität Freiburg.Zudem hat er eine

Teilzeitstelle am Zentrum für zivilgesell-schaftliche Entwicklung (zze) in Freiburg.

Kontaktdaten:omas Hollfelder, Emmendinger Straße 1,D-79106 FreiburgE-Mail: [email protected]

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Demografie und sozialpolitische Einstellungen:Was sagt die Empirie zu einer möglichen Konfliktlinie Alter?von Dr. Harald Wilkoszewski

usammenfassung: Der wachsendeAnteil älterer Menschen an der deut-schen Gesamtbevölkerung sowie der

Reformbedarf bei der nachhaltigen Finanzie-rung der sozialen Sicherungssysteme hat in denvergangenen Jahren die Diskussion um einen

möglicherweise neuen Konflikt zwischen denGenerationen in Politik, Gesellschaft und Wis-senschaft befördert. Die vorliegende Studiemöchte einen Beitrag zur Beantwortung derFrage leisten, ob es Anzeichen gibt, dass ein sol-cher Konflikt in Zukunft wahrscheinlicher

wird. Denn es bleibt klar festzuhalten, dass imJahr 2012 in Deutschland kein ,Kampf derGenerationen‘ herrscht – es gibt viele Orte, andenen Junge und Alte gut zusammenleben undsich gegenseitig unterstützen. Gleichwohl ver-stärken sich gewisse Phänomene, die auf grö-

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