Hochzeit zu Kana Gemälde aus Vene - SPIEGEL

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Hochzeit zu Kana Gemälde aus Vene- dig, 17. Jahrhundert 50 SPIEGEL GESCHICHTE 6 | 2014 Anständig satt essen sollten sich die Menschen im Paradies. Allerdings zog nicht der Geruch von saftigen Rinder- steaks, kross gebratenen Lammkoteletts oder zart gegrilltem Lachs durch den Garten Eden, auf dem Speiseplan stand frische, leichte Vollwertkost. Das kulina- rische Angebot der noch heilen Bibel- welt war durch und durch vegetarisch. Auch Adam und Eva naschten Früch- te, verbotenerweise auch vom Baum der Erkenntnis. Wobei es sich, im Gegensatz zur landläufigen Meinung, nicht um ei- nen Apfel gehandelt haben kann. Erstens waren Apfelbäume damals zwischen Pa- lästina und Mesopotamien äußerst selten, zweitens ist im Urtext immer nur von Früchten die Rede. Die Idee, dass ein Ap- fel am Sündenfall schuld ist, hat sich erst vom 5. Jahrhundert n. Chr. an verbreitet. Fleisch zu essen erlaubte Gott den Menschen erstmals nach der Sintflut. „Alles Lebendige, das sich regt, soll euch zur Nahrung dienen“, verkündete er Noah und seiner Familie (Gen 9,3). Viel- leicht wollte der Allmächtige sich gütig zeigen gegenüber der durch Sündenfall und Sintflut bereits zwei Mal hart be- straften Menschheit. Gekocht, gebacken, gegessen, ge- schlemmt, getrunken, auch gesoffen A. KOCH / PICTURE ALLIANCE / DPA / / ARTCOLOR „Unser tägliches Brot gib uns heute.“ Mt 6,11 D irekt nach dem Sex kommt das Essen. Am sechsten Tag der Schöp- fungsgeschichte fordert Gott nicht nur die Men- schen auf „Seid fruchtbar und vermehrt euch“, sondern er sorgt sich auch um ihr leibliches Wohl. „Hiermit überge- be ich euch alle Pflanzen auf der gan- zen Erde, die Samen tragen, und alle Bäume mit samenhaltigen Früchten. Euch sollen sie zur Nahrung dienen“ (Gen 1,29). Im Paradies aß man vegetarisch, am Baum der Erkenntnis hing aber kein Apfel. Fleisch und Milch dürfen sich nicht mischen, Schalentiere sind tabu – die komplexen Speisegesetze des Alten Testaments. Essen und Trinken mit Gott Von JOACHIM MOHR

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Hochzeit zu KanaGemälde aus Vene-dig, 17. Jahrhundert

50 SPIEGEL GESCHICHTE 6 | 2014

Anständig satt essen sollten sich dieMenschen im Paradies. Allerdings zognicht der Geruch von saftigen Rinder-steaks, kross gebratenen Lamm kotelettsoder zart gegrilltem Lachs durch denGarten Eden, auf dem Speiseplan standfrische, leichte Vollwertkost. Das kulina-rische Angebot der noch heilen Bibel-welt war durch und durch vegetarisch.

Auch Adam und Eva naschten Früch-te, verbotenerweise auch vom Baum derErkenntnis. Wobei es sich, im Gegensatzzur landläufigen Meinung, nicht um ei-nen Apfel gehandelt haben kann. Erstenswaren Apfelbäume damals zwischen Pa-

lästina und Mesopotamien äußerst selten,zweitens ist im Urtext immer nur vonFrüchten die Rede. Die Idee, dass ein Ap-fel am Sündenfall schuld ist, hat sich erstvom 5. Jahrhundert n. Chr. an verbreitet.

Fleisch zu essen erlaubte Gott denMenschen erstmals nach der Sintflut.„Alles Lebendige, das sich regt, soll euchzur Nahrung dienen“, verkündete erNoah und seiner Familie (Gen 9,3). Viel-leicht wollte der Allmächtige sich gütigzeigen gegenüber der durch Sündenfallund Sintflut bereits zwei Mal hart be-straften Menschheit.

Gekocht, gebacken, gegessen, ge-schlemmt, getrunken, auch gesoffen A

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„Unser tägliches Brot gib uns heute.“Mt 6,11

Direkt nach dem Sexkommt das Essen. Amsechsten Tag der Schöp-fungsgeschichte fordertGott nicht nur die Men-

schen auf „Seid fruchtbar und vermehrteuch“, sondern er sorgt sich auch umihr leibliches Wohl. „Hiermit überge -be ich euch alle Pflanzen auf der gan -zen Erde, die Samen tragen, und alleBäume mit samenhaltigen Früchten.Euch sollen sie zur Nahrung dienen“(Gen 1,29).

Im Paradies aß man vegetarisch, am Baum der Erkenntnis hing aber kein Apfel. Fleisch und Milch dürfen sich nicht mischen,

Schalentiere sind tabu – die komplexen Speisegesetze des Alten Testaments.

Essen und Trinken mit GottVon JOACHIM MOHR

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DIE HEILIGE SCHRIFT DER JUDEN

‣ „Alle Tiere mit Flossen und Schup-pen, die im Wasser, in Meeren undFlüssen leben, dürft ihr essen“ (Lev11,9). Die meisten Fische sind somiterlaubt, Aale und Rochen sowie Krus-ten- und Schalentiere, etwa Langus-ten, hingegen verpönt.

‣ Gefiederte Wesen, Vögel aller Art kön-nen ebenfalls verspeist werden – mitAusnahme: Insbesondere Aasfresserwie Geier, aber auch Adler, Reiheroder Pelikane sind tabu.

‣ Bestimmte Heuschrecken dürfen ge-gessen werden.Jedes Stück Fleisch muss vollständig

durchgegart werden; blutig, wie heutzu-tage im Trend, darf Fleisch nie bleiben.Denn nach den hebräischen Speisere-geln befindet sich im Blut der Sitz desvon Gott gegebenen Le bens – und dar -über darf allein Gott verfügen.

Bei Mose steht eine wundersame Speisedirektive: „Das Junge einer Ziegesollst du nicht in der Milch seiner Mut -ter kochen“ (Ex 23,19). Auf die Idee, einJungtier in Milch zu garen, käme heu -tewohl kaum jemand. Bei den alten Ägyp-tern galt dies hingegen als Deli katesse.

Das Verbot gilt bis heute: Fromme Ju-den müssen für ihr koscheres EssenMilch- und Fleischprodukte stets saubertrennen. Geschirr und Besteck müssen,je nachdem, ob für Milchiges oder Flei-schiges verwandt, getrennt gespült undaufbewahrt werden. Hat ein strenggläu-biger Jude Fleisch gegessen, muss ersechs Stunden warten, bevor er Milchtrinken, Joghurt oderQuark zu sich neh-men darf. Mil-chiges undFlei-

schiges darf nicht einmal im selbenKühlschrank aufbewahrt werden.

Doch was war der Sinn für diesemannigfaltigen, den Alltag oft erschwe-renden Regeln in der biblischen Zeit?Warum wurden reine und unreine Tiereüberhaupt unterschieden?

Die Meinungen der Gelehrten gehenauseinander: Einige sehen gesundheitli-che Gründe, denen zufolge unreine Spei-sen schaden könnten. Andere glauben,dass die Israeliten sich durch die Spei-segesetze von den sie umgebenden Kul-turen absetzen und so ihren Zusammen-halt stärken wollten. Manche Theologenwiederum sind überzeugt, dass es kei-nerlei logischen Sinn in der Unterschei-dung der Tiere gebe, sondern alles nurder Prüfung diene, wie gehorsam dieGläubigen Gott gegenüber sind.

Inwieweit die Speisegesetze im Alltagvor 2000 bis 3000 Jahren befolgt wur-den, lässt sich kaum überprüfen. Archäo-logische Funde sprechen eher für einelaxe Handhabung: Ausgrabungen vonSchweineknochen mit typischen Hack-und Schnittspuren aus der Küche bele-gen etwa, dass im alten Israel das domes-tizierte Borstenvieh durchaus als Nah-rung diente. Entweder waren die Spei-setabus nicht allzu tief in der Bevölke-rung verwurzelt oder die Kontrollendurch die Priester lückenhaft.

Was aber aßen die Menschen in bib-lischen Zeiten tatsächlich Tag für Tag?Im Buch Jesus Sirach, verfasst im 2.Jh. v. Chr., werden sieben Nahrungsmit-tel aufgezählt, die der Mensch zum Le-ben dringend braucht: Wasser, Salz, Wei-

zen, Milch, Honig, Trauben und Öl.Diese kleine Liste legte nahe,

dass die Bevölkerung Paläs-tinas sich wohl über-wiegend vegetarischernährte. Grundlageder meisten Speisenwaren Getreide, vor al-lem Weizen, Gersteund Hirse, sowie Hül-senfrüchte, insbeson-dere Linsen und Boh-nen.

Das Getreide wurdemeist gemahlen und zuBrot, mit oder ohneSauerteig, verarbeitet.Den Fladen buk die

Hausfrau in heißer Ascheoder einem steinernen Backofen.

Früchte wie Feigen, Datteln, Granat-äpfel, Melonen, aber auch Nüsse waren

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TrunkenerNoah Relief inFlorenz, 14. Jh.

wird in der Bibel allüberall, von derSchöpfungsgeschichte am Anfang desAlten Testaments bis zur Hochzeit zuKana im Johannesevangelium gegenEnde des Neuen Testaments. Allein rundtausend Bibelstellen handeln vom Weinund seiner anregenden Wirkung.

Die Heilige Schrift bietet die wohl älteste und ausführlichste, rund zwei-einhalbtausend Jahre umfassende Kul-turgeschichte des Kochens, Essens undTrinkens.

Dabei unterscheiden sich Küche undTischsitten im Alten und Neuen Testa-ment deutlich. Den Verfassern des jüdi-schen Kanons scheinen kulinarischeFreuden verdächtig gewesen zu sein.Die Israeliten mussten zahlreiche, teilssehr detaillierte Vorschriften beachten,was überhaupt gegessen und getrunkenwerden durfte oder was nicht zusam-men verzehrt werden sollte. Wer sichnicht an die Regeln hielt, beging eineSünde und konnte schnell vom Weg zurewigen Seligkeit abkommen. Richtigund Falsch, Gut und Böse, das gilt im Al-ten Testament auch beim Essen.

Der Jesus des Neuen Testaments sahdas alles wesentlich lockerer. Obwohler selbst als Jude aufgewachsen war,hatte er für die Speisevorschriften derorthodoxen Juden nicht viel übrig. Soverkündete er laut Matthäusevangeli-um: „Nicht das, was durch den Mund inden Menschen hin ein kommt, macht ihnunrein, sondern was aus dem Mund desMenschen herauskommt, das macht ihnunrein“ (Mt 15,11). Soll heißen: Jederkann essen und trinken, was er will,aber was er sagt und tut, darauf kommtes an.

Warum Jesus die altehrwürdigenSpeisegesetze ignorierte, darüber kön-nen Theologen nur mutmaßen. Viel-leicht war es ohne die komplizierten Re-geln für ihn als Wanderprediger leichter,neue Anhänger zu gewinnen.

Orthodoxe Juden dagegen haben esbis heute mit 365 verschiedenen Verbo-ten und 248 Geboten zu tun, davon vielerund um Essen und Trinken. Die Spei-segesetze unterscheiden insbesonderereine, also zum Verzehr geeignete, undunreine, verbotene Lebensmittel. ‣ „Alle Tiere, die gespaltene Klauen ha-

ben, Paarzeher sind und wiederkäuen,dürft ihr essen“ (Lev 11,3). Rinder,Schafe, Ziegen, Rehe, Gazellen oderauch Steinböcke sind also akzeptiert,Schweine, Hasen oder Kamele hinge-gen verboten.

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Männer und Frauen – nach einer Bibel-stelle wohl sogar Kinder – tranken. Allerdings war im alten Israel aus-schließlich Rotwein bekannt. Häufigwurde er mit Wasser gemischt; weit ver-breitet war ein Verhältnis von zwei Tei-len Wein auf fünf Teile Wasser. Gernwurde der Trank mit Gewürzen, Honig,Rosinen oder anderen Zutaten verfei-nert. Der alkoholische Genuss erfreuteKönige und Priester wie arme Bauernund Sklaven.

Der erste Winzer und Weintrinkerder Heiligen Schrift ist Noah, der sichnach dem Schrecken der Sintflut ersteinmal einen über den Durst geneh -

migte. Von da anwird Wein allerdingsnicht nur als profa-nes Getränk be-schrieben, sondernerscheint als spiritu-elles Sinnbild derGöttlichkeit. Im Neu-en Testament wirddie Symbolik ausWein, Weinstockund Weinberg auf Je-sus selbst übertragen.

So sagt der Messi-as im Johannesevan-gelium: „Ich bin derwahre Weinstock,und mein Vater istder Winzer. JedeRebe an mir, die kei-ne Frucht bringt,schneidet er ab, undjede Rebe, die Fruchtbringt, reinigt er, da-mit sie mehr Fruchtbringt ... Ich bin derWeinstock, ihr seiddie Reben“ (Joh15,1–5).

Ihren Höhepunktfindet die religiöseAufladung von Essenund Trinken beimletzten Abendmahl,als Jesus am Tag vorseiner Kreuzigungnoch einmal mit sei-nen zwölf Apostelngemeinsam zu Tischsitzt. Brot und Weinstehen sinnbildlichfür den Leib und dasBlut Jesu und fürGott. „Und er nahmBrot, sprach dasDankgebet, brach

das Brot und reichte es ihnen mit denWorten: Das ist mein Leib, der für euchhingegeben wird ... Ebenso nahm ernach dem Mahl den Kelch und sagte:Dieser Kelch ist der Neue Bund in mei-nem Blut, das für euch vergossen wird“(Lk 22,19–20).

Im Hohenlied Salomos, einer Samm-lung von Liebesliedern im Alten Testa-ment, haben Weinmetaphern hingegendie eher profane Aufgabe, die allzumenschliche Lust auf das andere Ge-schlecht zu umschreiben. „Deine Brüstesind wie Trauben“, heißt es dort, „deinMund köstlicher Wein.“ n JÖ

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beliebt. Hingegenwar Gemüse, abgese-hen von Knoblauch,Zwiebeln und Gur-ken, nicht weit ver-breitet. Zum Würzenverwendete man un-ter anderem Küm-mel, Koriander, Sa-fran und Zimt. Daswichtigste Mittelzum Süßen war Ho-nig von wilden Bie-nenvölkern.

Fleisch gab es fürdie meisten Israelitenselten, wenn, dann zuFesten; nur eine klei-ne Oberschicht konn-te sich regelmäßigenFleischkonsum leis-ten.

Üblich waren zweiMahlzeiten am Tag:morgens und abends.Gegessen wurde mitden Fingern aus einergemeinsamen Schüs-sel, oft diente einStück Brot als eine ArtLöffel. Messer, Kellenund Gabeln gab es nurin der Küche.

Manche Speisenaus der Zeit des Al -ten Testaments undschon der jüdischenSchriften werden bisheute im Nahen Os-ten gegessen und ha-ben es im Rahmender kulinarischenGlobalisierung auchin westliche Küchengeschafft: etwa Pita(Fladenbrot), Falafel (frittierte Bällchenaus Kichererbsenmus), Hummus (pü-rierte Kichererbsen mit Sesampaste)oder die Süßspeise Halva aus Ölsamenund Zucker oder Honig mit Vanille, Ka-kao, Nüssen.

Das wichtigste Getränk in den oft hei-ßen Landstrichen Palästinas war Wasser,das in den Häusern in Krügen aufbe-wahrt wurde. Gern tranken die Men-schen auch Kuh-, Schafs- und Ziegen-milch, die man in Schläuchen lagerte. DaMilch nicht lange haltbar war, wurde sierasch zu Butter und Käse verarbeitet.

Ein völlig selbstverständlicher Teilder täglichen Ernährung war Wein, den

Das letzte AbendmahlAltarbild, um 1480