Haydn OrlandoPaladino

26
  Joseph Haydn (1732-1809)  S O N DER D R U C K 

Transcript of Haydn OrlandoPaladino

Page 1: Haydn OrlandoPaladino

5/9/2018 Haydn OrlandoPaladino - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/haydn-orlandopaladino 1/26

 

 

Joseph Haydn (1732-1809)

  SONDERDRUCK 

Page 2: Haydn OrlandoPaladino

5/9/2018 Haydn OrlandoPaladino - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/haydn-orlandopaladino 2/26

 

 

MEMORIA

Herausgegeben von

Hans-Gert Roloff 

Band 11

Page 3: Haydn OrlandoPaladino

5/9/2018 Haydn OrlandoPaladino - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/haydn-orlandopaladino 3/26

 

 

Joseph Haydn

(1732-1809)

Herausgegeben von

Sebastian Urmoneit

unter Mithilfe vonFelix Diergarten und Hartmut Fladt 

WEIDLER Buchverlag Berlin

Page 4: Haydn OrlandoPaladino

5/9/2018 Haydn OrlandoPaladino - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/haydn-orlandopaladino 4/26

 

 

Erste Auflage 2009

© WEIDLER Buchverlag Berlin 2009

Alle Rechte vorbehalten

Printed in Germany

ISBN 978-3-89693-269-3

www.weidler-verlag.de

Page 5: Haydn OrlandoPaladino

5/9/2018 Haydn OrlandoPaladino - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/haydn-orlandopaladino 5/26

 

 

Inhalt

Vorwort......................................................................................................7

Instrumentalmusik HARTMUT FLADT Haydns Formdenken und die Kategorie des �Witzes�...............................9

MARKUS NEUWIRTH �Verschleierte� Reprisen bei Joseph Haydn.Über einige Fragwürdigkeiten eines anachronistischenSonatenform-Paradigmas.........................................................................33

Sinfonie 

FELIX DIERGARTEN Haydn, Reicha und zwei Pausen:Formprinzipien im 18. Jahrhundert .........................................................67

POUNDIE BURSTEIN Echt oder Falsch?Zur tonalen Rolle der �falschen Reprise�

in Haydns Sinfonie Nr. 41 .......................................................................95SERGEJ NEWSKI Die Symphonie als Labor.Experimentelle Ansätze in den Symphonien der Siebziger Jahre bei Joseph Haydn...................................................................................129

Streichquartett 

SEBASTIAN URMONEIT Die Tendenz aller reinen Instrumentalmusik zur PhilosophieZur kompositorischen Denkform des Allegretto-Kopfsatzes desQuartetts Es-Dur, op. 64/6Hob III: 64 ...................................................195

CHRISTHARD ZIMPEL Die Entdeckung der thematischen Arbeit inHaydns Streichquartetten.......................................................................225

Klaviersonate MARKUS FAHLBUSCH Materiale Form in Joseph Haydns Klaviersonaten ................................245

Page 6: Haydn OrlandoPaladino

5/9/2018 Haydn OrlandoPaladino - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/haydn-orlandopaladino 6/26

 

   Inhalt 6

MICHAEL POLTH Singularität und strukturelle Beziehungen.Analytische Bemerkungen zu Haydns Klaviersonaten..........................267

KlaviertrioWolfgang FuhrmannHaydns Essayismus. Bemerkungen zu seinen Klaviertrios ...................305

Solokonzert 

GESINE SCHRÖDER  Gradus ad sonum exiguum.Zu Haydns langsamen Konzertsätzen....................................................329

Oper 

CHRISTINE SIEGERT Haydn und das Musiktheater .................................................................347

MERLE FAHRHOLZ L�isola disabitata � Musik für das Theater ............................................383

 NIKOLAUS MÜLLER  

Joseph Haydn � Orlando paladino:Taktgruppenmetrische Beobachtungen..................................................409

Oratorium und Messe

MICHAEL HEINEMANN Haydns Fleiß. Die Jahreszeiten und die Geschichte..............................429

PETER ICKSTADT 

Friedensvisionen in Joseph Haydns Messen..........................................437

Briefe

WALTER R EICHER  Joseph Haydn und sein Bruder Michael: Neue Dokumente � Neue Fragen...........................................................457

Autorinnen und Autoren ........................................................................477

Page 7: Haydn OrlandoPaladino

5/9/2018 Haydn OrlandoPaladino - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/haydn-orlandopaladino 7/26

 

 Nikolaus Müller 

Joseph Haydn � Orlando paladino:

Taktgruppenmetrische Beobachtungen

Wird über die Musik Joseph Haydns gesprochen, sind Begriffe wie Witzund Esprit aus dem Vokabular kaum wegzudenken. Ausübende Musiker und Musikwissenschaftler werden nicht müde, zu betonen, wie unter-schätzt der geistvolle Komponist noch immer ist, besonders in Bezug auf sein musikdramatisches Schaffen. So wird jede Premiere einer Haydn-Oper zu einem Fanal, das den erfahrenen Opernkapellmeister zu seinemRecht kommen lassen soll. Wie notwendig das selbst in einem Haydn-Jahr ist, zeigt eine Besprechung der jüngsten Aufführung von Haydns Orlando paladino an der Berliner Staatsoper unter der Leitung von René Jacobs inder Neuen Züricher Zeitung.1 Der Rezensent Peter Hagmann moniert die�harmonische Einfachheit� der Komposition und sieht darin die Hauptur-sache für einen als zu lang und wenig erfüllend empfundenen Theater-abend. Innerhalb der geschlossenen Verläufe bewege sich die Musik dochüberwiegend in den Grundstufen der harmonischen Tonalität, �mithin imDreieck von Tonika, Dominante und Subdominante � und das ist für denHörer, der die Spätromantik und ihre Chromatik bis hin zur Auflösung der 

Tonalität in sich hat, nicht einfach zu verkraften�, so Hagmann. Bei aller Vereinfachung trifft die Aussage einen sehr gewichtigen Punkt, dass näm-lich Haydns Musik in der Oper nicht den Hörerwartungen entspricht, vondenen ein großer Teil der heutigen Theaterbesucher geprägt ist.

Clemens Kühn benennt in seiner  Formenlehre die Wiederholung als�einfachste und zugleich nachdrücklichste formbildende Kraft. Sie gibtdem Hörer Halt. Er kann etwas wieder erkennen und umstandslos aufein-ander beziehen.�2 Solche Wiederholungen können z.B. Motive oder gan-

ze Phrasen, rhythmische Modelle oder Harmoniefolgen umfassen. Dass jede Form von Gruppierung musikalischer Elemente zu Sinneinheiten beieiner Wiederholung zu Vorigem in Bezug gesetzt wird, ist trivial und braucht in diesem Zusammenhang nicht weiter ausgeführt werden. Diesemeist vordergründigen Ereignisse bilden nun in dem musikalischen Kon-text, in den sie gestellt sind, periodisch wiederkehrende Momente, die ih-rerseits eine Struktur konstituieren. Ein Modell, das musikalische Sensa-tionen der verschiedenen Ebenen in eine homogene, gleichförmige Struk-tur integriert, ist die Theorie der Metrik. Ein wesentliches Kriterium für 

1 Peter Hagmann,   Joseph Haydns �Zauberflöte�?, in: NZZ vom 13.05.09 (am 26.07.09,http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/joseph_haydns_zauberfloete_1.2545570.html).

2 Clemens Kühn, Formenlehre der Musik , Kassel 1987, S. 14.

Page 8: Haydn OrlandoPaladino

5/9/2018 Haydn OrlandoPaladino - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/haydn-orlandopaladino 8/26

 

   Nikolaus Müller 410

die Verifizierung eines Metrums sind Akzente, deren Verschiedenartig-keit und Wirkungsweise umfangreich diskutiert werden.3 In vorliegen-dem Beitrag soll der Begriff der Metrik im Sinne eines homogen struktu-rierten musikalischen �Raumes� verwendet werden, der von äquidistan-ten gleichartigen Impulsen bzw. Akzenten gekennzeichnet ist, welchedurch musikalische Ereignisse hervorgerufen werden. Dass Metrum indiesem Kontext im Sinne eines Hypermetrums und nicht in dem eines no-tierten Taktmetrums zu verstehen ist, liegt auf der Hand. Inwieweit, wannund in welchem Maße eine etablierte Metrik widerstrebende Elemente zuintegrieren vermag, ohne bis zur Unkenntlichkeit deformiert zu werden,muss im Einzelfall untersucht werden.

Die harmonische Vielfalt der romantischen Musik und der frühen Mo-derne, an welche die Ohren des heutigen Hörers gewöhnt sind, ist weitge-

hend durch eine relativ simple Struktur des metrischen �Untergrundes�gekennzeichnet. William Rothstein bezeichnet diesen Widerspruch alsdas große Problem des 19. Jahrhunderts.4 Trotz partiell verwirrender Klangfortschreitungen ist der zeitgenössische Rezipient in der Lage, Ge-hörtes in einem musikalisch-metrischen Raum zu verorten. Die Musik Jo-seph Haydns erweist sich aus diesem Blickwinkel als kleinteiliger, der metrische Untergrund liegt näher an der Oberfläche.5 Haydn experimen-tiert mit Versatzstücken, spielt mit Wiederholungen. Die harmonischen

Wendungen Haydns sind, für sich betrachtet, weit weniger avanciert alsdie Mozarts, erscheinen aber durch ihren metrischen Kontext oftmals ge-wagt und exotisch. Insofern bieten die Kompositionen Joseph Haydns einweites Forschungsfeld für die Untersuchung diskreter musikalischer Komplexe und ihrer Interaktion im metrischen Kontext. ReichhaltigesMaterial zu diesem Thema findet sich in einem Artikel von Klaus-K.Hübler 6 und in William Rothsteins bereits erwähnter Publikation  Phraserhythm in tonal music. Rothstein betont die Komplexität der Musik Haydns hinsichtlich einer metrischen Analyse. Dabei zeigt sich, wieschwierig es oftmals ist, aufgrund der verschiedenen Einflüsse sich für ei-ne bestimmte metrische Deutung zu entscheiden. Zudem stellt sich die

3 Eine umfangreich bibliographische Sammlung zu diesem Thema findet sich unter: http://www.music.indiana.edu/som/courses/rhythm/biblio.html (letzter Zugriff: 08.11.2009).

4 �[...] the danger, endemic in the 19th-century music, of too unrelievedly duple a hypermet-rical pattern, of too consistant and unvarying phrase structure [...]�, vgl. William Roth-

stein, Phrase rhythm in tonal music, New York 1989, S. 184f.5 Im 18. Jahrhundert wurde ein 4/4-Takt häufig als ein aus zwei 2/4-Takten zusammenge-setzter Takt verstanden, vgl. Rothstein, Phrase rhythm in tonal music, S. 126.

6 Klaus-K. Hübler, �zersetzen, wegschneiden, wagen�, in:  Joseph Haydn, (Musik-Konzepte 41), hg. v. Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn, München 1985, S. 24-46.

Page 9: Haydn OrlandoPaladino

5/9/2018 Haydn OrlandoPaladino - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/haydn-orlandopaladino 9/26

 

   Joseph Haydn � Orlando paladino: 411

Frage nach der Aussagefähigkeit eines solchen sämtliche Faktoren integ-rierenden und infolgedessen recht groben �metrischen Modells�.

Die Aufgabe des Ausführenden und in besonderem Maße eines Diri-genten ist es, diesen musikalischen Raum zu gestalten. Sehr nützlich wärein diesem Zusammenhang ein Modell, das quasi als Scharnier zwischenmetrischer Gestalt und musikalischer Oberfläche, besonders bezüglichder Bewegungsdynamik, aussagekräftig ist. Ein Hilfsmittel, das die met-rische Analyse als Ausgangspunkt begreift, ist die Taktgruppenanalyse.Die vor allem mit dem legendären Wiener Dirigentenausbilder HansSwarowsky verknüpfte Methode ist für den heute aktiven Dirigenten einhilfreiches und weithin probates Werkzeug zur Erarbeitung und Memo-rierung von musikalischen Abläufen und Kompositionen.7 Die Einsetz- barkeit der Methode in der täglichen musikalischen Arbeit verlangt aller-

dings einen relativ pragmatischen Umgang mit den die Einteilung inTaktgruppen bestimmenden Faktoren. Bereits 1982 forderte Rudolf Ste-  phan in seinem Artikel zur Taktgruppenanalyse eine �Erörterung der Probleme der Taktgruppenanalyse� und die �systematische Auswertung�von Dirigierpartituren mit entsprechenden Eintragungen.8 Wie eng dieMethode an aufführungspraktisches Verständnis und Interpretation ge-knüpft ist, wird im erwähnten Artikel Stephans und einer Veröffentli-chung von Felix Diergarten9 deutlich. Anhand voneinander abweichen-

den Analysen Hermann Scherchens und Hans Swarowskys von GustavMahlers 7. Sinfonie zeigen die Beiträge Ambiguitäten und Unschärfender Taktgruppenanalyse in der Behandlung inhomogener Strukturen auf.

Die metrische Analyse ist in besonderer Weise das Rückgrat taktgrup- penanalytischer Untersuchungen.10 Durch ihren Anspruch als eine für dieAufführung der Komposition benutzbare persönliche Interpretations-Skizze verliert sie in gewissem Maße an Objektivität und Allgemeingül-tigkeit, erreicht aber vielleicht gerade damit einen Praxisbezug, der denmeisten abgeschlossenen Theoriegebäuden so nicht zugänglich ist. Für den Dirigenten muss sie ein integratives Modell bieten, das für ihn indem Moment der Aufführung nutzbar ist. Es müssen also die verschiede-nen Momente des vorherigen Partiturstudiums Berücksichtigung finden,

7 Eine Einführung dazu in: Hans Swarowsky, Wahrung der Gestalt , hg. v. Manfred Huss,Wien 1979, S. 29-37.

8 Rudolf Stephan, Überlegungen zur Taktgruppenanalyse, in: Rüdiger Görner (Hg.),  LogosMusicae, Festschrift für Albert Palm, Wiesbaden 1982, S. 209.

9 Felix Diergarten, Zur Taktgruppenanalyse , in: Musiktheorie 4 (2005), S. 317-327.10 �Die Taktgruppenanalyse ist nun nicht identisch mit der metrischen Analyse, sondern setztsie einerseits voraus, ergänzt sie andererseits in gewisser Weise; sie macht die Ergebnissefür den Dirigenten im Augenblick des Dirigierens nutzbar.�, vgl. Stephan, Überlegungen

 zur Taktgruppenanalyse , S. 204.

Page 10: Haydn OrlandoPaladino

5/9/2018 Haydn OrlandoPaladino - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/haydn-orlandopaladino 10/26

 

   Nikolaus Müller 412

sonst ist sie in dieser Weise weniger brauchbar. Insofern bedeutet sie für den Interpreten ein Hilfsmittel, die strukturellen und kompositorischenBesonderheiten des Werkes, eigene stilistische Kenntnis und eigenes mu-sikalisches Verständnis in einer einfachen und intuitiven Weise darzustel-len. Die dafür notwendigen Simplifikationen, die während des Partitur-studiums vorgenommen werden müssen, sind in gleichem Maße Problemund Chance der Taktgruppenanalyse � ein Umstand, der essentiell mit der Tätigkeit des Dirigenten verknüpft ist.

In diesem Beitrag sollen Perspektiven der Taktgruppenanalyse aufge-zeigt werden und die daraus erwachsenden Schlussfolgerungen für eineInterpretation geprüft werden. Die Musik Joseph Haydns nimmt in denBeispielen der systematischen Darstellungen zur Taktgruppenanalyse und�phrase rhythm� von Hans Swarowsky und William Rothstein einen gro-

ßen Raum ein. Haydns Kompositionen eignen sich wegen einer gewissenEinfachheit des Materials einerseits und einer metrischen Vielschichtig-keit und Komplexität in besonderem Maße für eine Analyse. Die OpernHaydns scheinen mir für eine entsprechende Betrachtung außerdem inte-ressant, da sie bisher besonders aus analytischer Perspektive wenig Be-achtung gefunden haben. Das Bühnenschaffen Haydns, weithin noch im-mer als minderwertiger im Schaffen des Komponisten angesehen, bietetin vielfältiger Weise neu zu Entdeckendes. Der Umstand, dass in einer 

Oper vielfach außermusikalische Faktoren eine Rolle spielen, schärft da-  bei den Blick für die kompositorische Eleganz und Einzigartigkeit, mitder Haydn mit seinem teils trivialen Material umgeht.

Orlando Paladino � eine Haydnsche Ritterparodie

Haydns Orlando paladino ist in den vergangenen Jahren vor allem durchdie Einspielung unter Nikolaus Harnoncourt 2006 und die Aufführungenunter seiner Leitung im Theater an der Wien, aber auch mit der jüngsten

Aufführung an der Berliner Staatsoper wieder mehr in das allgemeine Be-wusstsein gerückt. Im CD-Booklet schreibt Harnoncourt über die seiner-zeit erfolgreichste Haydn-Oper in Eszterházy: �Diese Oper Haydns gehörtzu dem Besten, ja, wenn man es richtig versteht, zeitlos Gültigsten, was esdamals im Musiktheater gab.�11 Das Werk verwendet in geistreicher Wei-se musikalische Elemente und setzt sie in ungewohnte Kontexte12 � der 

11 Nikolaus Harnoncourt über Orlando paladino, in: Booklet zu der CD Orlando paladino,Harnoncourt, et al, Deutsche Harmonia Mundi DHM 73370 [2006], Köln 2005.12 �This fixation with, and occasional illogical use of, poetic and musical conventions serves

a dramatic function, making for a panoply of parodic devices, procedural disruptions, andother manifestations of musical madness that echo character and plot developments.�, vgl.

Page 11: Haydn OrlandoPaladino

5/9/2018 Haydn OrlandoPaladino - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/haydn-orlandopaladino 11/26

 

   Joseph Haydn � Orlando paladino: 413

subtilen Art der Haydnschen Charakterisierungs- und Beschreibungskunstsoll an dieser Stelle nachgegangen werden.

Betrachtet man die Auftrittsarie Rodomontes im II. Akt (No. 26,�Mille lampi d'accese faville�),13 gewinnt man zunächst den Eindruck ei-nes sauber gearbeiteten, aber wenig spektakulären Ariensatzes. Weder das motivische noch das harmonische Material erscheint sonderlich ein-fallsreich, was durch die Vielzahl an Wiederholungen noch verstärktwird. Hört man diese Arie in der Einspielung Antal Doratis, so wird die-ser Eindruck bestätigt. Es ist ein schnell vorbei fliegendes perpetuum mo- bile, das eher virtuos präsentiert als dass es charakterisiert.14 Die Einspie-lung Nikolaus Harnoncourts allerdings lässt ahnen, dass der RodomenteHaydns vielleicht doch eine etwas weniger glatte Physiognomie besitzt.

Der Beginn des Orchestervorspiels lässt sich unproblematisch als ge-

schlossener Viertakter beschreiben. Motivisch homogen pendelt er zur Dominante und wieder zurück. Als Fortsetzung erwartet man entweder eine viertaktige Bestätigung der Tonika oder eine viertaktige Entwick-lung zum Halbschluss, der eine Wiederaufnahme des Themas einleitet.Im Takt 6 kommt diese Entwicklung allerdings aus dem Fluss, wird ge- bremst � der sich wiederholende Wechsel zwischen �d� und �e� lässt dasmetrische Gefühl aus dem Tritt geraten. Erst die Fortschreitung des Bas-ses zum �cis� im Takt 8 löst die Pendelsituation und lässt eine Weiterfüh-

rung zu. Die Deutung dieser 7 Takte als gedehnter Viertakter wäre mög-lich, indem man die Takte 5, 8-9 und 11 als �Urviertakter� betrachteteund die Takte 6-7 und 10 als Erweiterungen auffasste.15 Metrisch er-scheint allerdings dieser Viertakter noch weniger im Gleichgewicht alsdie notierten 7 Takte. Sucht man im weiteren Verlauf der Arie nach ge-schlossenem thematischem Material und einer Antwort auf die Frage ei-ner Verortung im Kontext, wird man sehr spät fündig. Erst in den letzten beiden Strophen, kurioserweise textlich in genau umgekehrter Reihenfol-ge, trifft man auf einen Abschnitt, der (mit Auslassung der zwei Zwi-schenspieltakte 71-72) ein klassisches 16-taktiges thematisches Erschei-nungsbild hat (vgl. Takte 63-70 und 73-80).

Caryl Clark, Haydn in the theater: the operas, in: Caryl Clark (Hg.), The Cambridge Com- panion to Haydn, Cambridge 2005, S. 191.

13 Haydns Partitur lag mir vor in der Edition von Karl Geiringer, in: Joseph Haydn, Werke,Reihe XXV/11, München 1972.

14 Für den Artikel wurden die zwei Referenz-Einspielungen des Werkes zu Rate gezogen:

Orando paladino, Antal Dorati u.a., Philips 1977, und Orlando paladino, Harnoncourtu.a., Deutsche Harmonia Mundi 2006.15 Sowohl Swarowsky als auch Rothstein verstehen abweichende Phrasenlängen vielfach als

manipulierte 4-Takter, vgl. Swarowsky, Wahrung der Gestalt , S. 35f. bzw. Rothstein, Phrase rhythm in tonal music, S. 74ff.

Page 12: Haydn OrlandoPaladino

5/9/2018 Haydn OrlandoPaladino - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/haydn-orlandopaladino 12/26

 

   Nikolaus Müller 414

Versucht man rückwirkend, die Arie daraufhin in eine homogene 4-taktige metrische Struktur einzugliedern, gerät man etwas in Bedrängnis.Um die geschlossener wirkenden 4-taktigen Abschnitte (jeweils die Stro-  phen, Takt 28ff. und 48ff.) zu integrieren, müsste man immer wieder Zwei- bzw. Dreitakter einschieben. Dabei hat man beim Hören aber ei-gentlich den Eindruck, dass sich die metrische Situation ab dem Einsatzder Gesangsstimme mehr oder weniger stabilisiert.

Interessant in diesem Zusammenhang ist die Beobachtung des vonHaydn in den Takten 6 und 7 verwendeten Störmomentes. Das Modellwird nach Einsatz des Sängers in den Takten 17ff. sogar fünffach wieder-holt, taucht in 26f. gedehnt und in 44f. als Umkehrung auf und wird im Or-chesternachspiel in den Takten 90f. noch einmal erinnert. Gerade wenn siein einer ungeraden Anzahl von Wiederholungen vorkommen, verunsichern

diese Takte das metrische Grundgefühl. Erst nach Lösung der �Schleife�ist eine Aussage darüber möglich, ob eine metrische Verschiebung da-durch hervorgerufen wurde. Haydn verwendet häufig solche Wiederholun-gen, um den Hörer zu verwirren und unterschwellig metrische Verände-rungen vorzubereiten. Darüber hinaus charakterisieren diese den Protago-nisten der Szene � was den Sinn der stetigen Wiederkehr dieses Modellserklärt, auch wenn die metrische Situation dadurch nicht ins Wanken ge-rät: Rodomonte ist ein Haudegen, der diese tumbe Lust am Gemetzel ver-

strömt. �[...] vibrerà questo bellico acciaro, e a quel perfido senza riparo a passar vado il barbaro cor.� � Er erscheint weniger als Rächer der Entrech-teten, man gewinnt vielmehr den Eindruck eines notorischer Schlägers, der den repetitiven Moment des Tötens genussvoll ausdehnt.

Auf der Suche nach metrischen Kontinuitäten im Ariensatz ist die Be-trachtung des Textes sehr hilfreich.16 Das gesamte Libretto der Arie ist ineiner einheitlichen Versmetrik gehalten, die Haydn auf zwei Takte ver-teilt. Ignoriert man zunächst das Orchestervorspiel und beginnt direkt mitdem Einsatz der Singstimme ein zweitaktiges metrisches Netz zu unterle-gen, entsteht ein durchaus schlüssiges metrisches Bild, das spätestens abTakt 22 bis zum Ende der Arie stabil bleibt.

Die Überraschung folgt, wenn man in diesem hörbar sehr klaren Wech-sel von schweren und leichten Takten die Lage des Themenkopfes ver-gleicht. Ist der erste Takt in diesem metrischen Kontext schwer, so ist dieParallelstelle im Takt 63 metrisch leicht. Um diesen Widerspruch zu ver-stehen, ist es notwendig, diese Takte etwas genauer zu beleuchten. Der sig-nalhafte Quartsprung in Verbindung mit der deutlichen schwer-leicht-

 16 Reinhard Strohm, Zur Metrik in Haydns und Anfossis �La vera costanza�, in: Bericht über 

den Internationalen Joseph Haydn Kongreß, Wien, Hofburg, 5.-12. September 1982, hg.v. Eva Badura-Skoda, München 1986, S. 279-295.

Page 13: Haydn OrlandoPaladino

5/9/2018 Haydn OrlandoPaladino - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/haydn-orlandopaladino 13/26

 

   Joseph Haydn � Orlando paladino: 415

Phrasierung der Bläser lässt am allerersten Beginn eigentlich keine Fragen bezüglich der metrischen Grundsituation offen � der erste Takt kann klar als metrisch schwerer Anfang im Sinne Hauptmanns und Wiehmayers gese-hen werden. Konterkariert wird dieses Verständnis durch die unisono spie-lenden Streicher, deren Auftakt zu Takt 2 durch die Imitation des Anfangs-motivs, den großen Sprung über zwei Oktaven in den Ersten Violinen unddie massive Besetzung mehr als nachhängender, um einen Takt verschobe-ner Anfang gehört wird denn als Fortführung des ersten Taktes. Damit be-kommt der eigentlich metrisch leichtere zweite Takt ein größeres Gewicht,was im weiteren Verlauf aber so nicht fortgeführt wird. Etwas komplexer ist die Situation in den Takten 12ff. bzw. 63ff., die bis auf eine textbegrün-dete Veränderung im dritten Takt der Singstimme identisch sind. Die Blä-ser fehlen dort, stattdessen tritt die Linie des einsetzenden Sängers hinzu.

Während der versmetrische Akzent klar auf dem zweiten Takt liegt, ist diemelodische Stimmführung metrisch durchaus ambivalent zu verstehen � man könnte ebenso gut den Anfangsimpuls des Quartsprungs betonen wieman auch die Linie bis zum �cis� führen könnte. Diese Takte sind metrischalso durchaus ambig und werden maßgeblich durch den Kontext, in demsie stehen, beeinflusst. So gesehen führen die Takte 8 bis 11 zu einem met-rischen Niederschlag im Takt 12, der in Erinnerung an den allerersten Be-ginn selbstverständlich so gehört wird � die forte spielenden Streicher im

Takt 13 stören dieses Empfinden gewaltig, aber sie bringen es nicht zumKippen. Im Kontrast dazu bleibt im als schwer empfundenen Takt 62, trotzder metrischen Diminution in den vorhergehenden Takten, das zweitaktigeGefühl erhalten � man hört also den Takt 63 als metrisch leicht. Unter-stützt wird diese Phrasierung durch die durchgehenden Achtel in den Ers-ten Violinen, die im Gegensatz zu den Parallelstellen den Auftakt hier ver-schleiern. Somit ist Rodomonte bei seinem ersten Einsatz versmetrisch phasenverschoben, dieser Konflikt wird in beiden Einspielungen deutlichhörbar durch die Inkongruenz des Solisten mit den unisono-Streichern imTakt 13 � ein Problem, das so im Takt 64 nicht auftritt. Es scheint, als sucheRodomonte den ganzen Beginn nach einem festen Tritt. Der heroische Auf-tritt will nicht so recht gelingen, ständig gibt es Querschüsse � gleich ob vonaußen oder ob er sich selbst auf die Füße tritt. Versmetrik und musikalischeMetrik kommen erst ab dem Takt 21 zur Deckung, wenn nämlich die Sing-stimme bereits nach einem Takt Pause wieder einsetzt und damit genau die-se Phasenverschiebung aufhebt � übrigens exakt an der Stelle, wo Haydnmit seinem �Störmoment� für metrische Verunsicherung sorgt.

Die Pointe der Arie ist also die Infragestellung Rodomontes von Be-ginn an. Haydn baut die Arie von hinten. Erst bei der letzten Wiederho-lung der beiden Strophen, diese dann in der Abfolge vertauscht, scheint

Page 14: Haydn OrlandoPaladino

5/9/2018 Haydn OrlandoPaladino - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/haydn-orlandopaladino 14/26

 

   Nikolaus Müller 416

alles vollkommen im Lot und Rodomonte Herr seiner Körperteile undKampfwerkzeuge � erst dann ist eine formell geschlossene Präsentationmöglich. Und diese ist längst nicht mehr so heroisch, wie sie am Anfangscheint � sie hat fast etwas liedhaft Belangloses. Haydn charakterisiertund karikiert seine Protagonisten so geschickt und subtil, dass der Zuhö-rer nur mit einem vagen Gefühl zurückgelassen wird, dass da irgendetwasnicht ganz stimmt.

Zwei weitere Beispiele seien an dieser Stelle nur kurz erwähnt. Pasqua-le � eigentlich nur der Schildknappe Orlandos � spielt sich, wo er nur kannund so lange er kann, als Ritter auf. Neben einer aberwitzigen Arie, in der er seine Ruhmestaten aufzählt, aber doch nur dringlich etwas zum Essensucht,17 singt er im zweiten Akt die Arie �Ecco spiano� (No. 40). In dieser versucht er das Hirtenmädchen Eurilla mit seiner vorgeblichen ritterlichen

Erziehung zu beeindrucken. Die harmonische Disposition der Arie machtder Kritik Hagmanns alle Ehre � setzt sie sich doch tatsächlich nur aus dendrei Hauptakkorden zusammen und bietet eine kurze Episode in der Domi-nanttonart. Und doch zündet sie ein Feuerwerk voller rhythmisch-metri-scher Ideen und ist eines der witzigsten und komödiantischsten Stücke die-ser Oper. Haydn spielt mit dem metrischen Grundtempo, welches sichständig verändert. Er verschiebt damit die metrischen Akzente auf denHalbtakt, überrascht so den Zuhörer an unerwarteten Stellen. Die ganze

Arie ist ein Spiel mit musikalischen Floskeln und Spielweisen.Eine vollkommen andere Farbe bringt die letzte Arie Orlandos, desanderen Ritters und Protagonisten. Jenseits jedes vormaligen musikali-schen Slapsticks schlägt Haydn in �Miei pensieri, dove siete?� (No. 46)einen Ton an, der inniger nicht sein könnte. Es ist der Moment, in demOrlando der �Gehirnwäsche� unterzogen und von seinem Liebeswahn�geheilt� wird. In diesem wundervollen und empfindsamen Stück Musik arbeitet Haydn auf unerhörte Weise mit der metrischen Verschiebung.  Nach einer fast rezitativischen Einleitung, in der Haydn das Metrumdurch Vorhaltwirkungen verschleppt, kommt die gesamte Arie �phasen-verschoben� zur Aufführung. Es fallen fast alle Kadenzen auf die dritteTaktzeit, selbst am Schluss kommt es erst auf der Taktzeit 3 zur Auflö-sung. Meisterhaft arbeitet Haydn die Anfangstakte in den Takten 25ff. inden musikalischen Ablauf ein. Einen kurzen Moment entsteht der Ein-druck, als ob im Takt 17 endlich ein klarer metrischer Niederschlag mitder Kadenz nach E-Dur erreicht wird. Doch die Sequenz wird fortgeführtund erreicht die Dominante H-Dur. Umso überraschender ist dann der 

Einsatz im Takt 18 in E-Dur. Haydn erreicht damit eine schwebende At- 17 Die Ähnlichkeit dieser Arie mit der Register-Arie Leporellos aus Mozarts Don Giovanni 

ist offensichtlich.

Page 15: Haydn OrlandoPaladino

5/9/2018 Haydn OrlandoPaladino - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/haydn-orlandopaladino 15/26

 

   Joseph Haydn � Orlando paladino: 417

mosphäre, in der die Zeit stehen zu bleiben scheint. Alles scheint in Auf-lösung begriffen � die widerstrebenden Kräfte (Taktschwerpunkte, fallen-de Linien, Versmetrik etc.) heben sich gegenseitig auf.

Konsequenzen

Vor dem Hintergrund der obigen Betrachtungen der Arien Orlandos undRodomontes erscheint ein Bezug zur metrischen Diskussion zwischenHugo Riemann und Moritz Hauptmann bzw. Theodor Wiehmayer inte-ressant.18 Wie zu sehen war, ergeben sich aus dem Kontext heraus zweivollkommen unterschiedliche metrische Interpretationen derselben har-monischen Situation. Diese kann weder mit Wiehmayers �a-priori-Theo-rie� noch mit Riemanns inhaltlicher Deutung erklärt werden. Zum einen

wird das Anfangsmetrum in den Takten 5-7 außer Kraft gesetzt, zum an-deren ist eine rein harmonische Begründung der metrischen Schwerpunk-te, wie wir gesehen haben, in diesem Kontext nicht haltbar. Carl Dahl-haus weist darauf hin, dass die Diskussion auf aneinander vorbeigehen-den Ebenen geführt wird19 und von einander widersprechenden Begriff-lichkeiten ausgegangen wird.20 Während man in den Takten 63-66 der Arie Rodomontes durchaus im Sinne Riemanns argumentieren und denTakt 66 als metrisch schwer interpretierten kann � erst dort stellt sichwirklich das Gefühl ein, in der Tonika d-Moll angekommen zu sein � istdiese Sichtweise für die ersten Takte nur schwer zu rechtfertigen.

In der Arie Orlandos könnte man den 4/4-Takt als zusammengesetzte2/4-Takte betrachten. Somit würde die metrische 4, als Riemanns metri-scher Schwerpunkt, auf die zweite Takthälfte fallen. Allerdings würde der Arie mit dieser Sicht jeglicher Charme genommen, den sie zweifellos be-sitzt.

Ähnlich der unterschiedlichen Behandlung von Dissonanzen im je-weiligen taktmetrischen Kontext erfordert auch ein als Dissonanz emp-

fundener Klang eine sensible Ausführung, die seine taktgruppenmetrischeLage berücksichtigt. Eine Dissonanz auf metrisch leichter Zeit verlangteine andere Interpretation als jene, die mit einem metrischen Schwer- punkt zusammenfällt. Wird in dem einen Fall die Spannung zur nächstenZeit geführt, die Intensität also bis zum unmittelbaren Übergang zur Auf-lösung gesteigert,21 verliert in dem anderen Fall der Vorhalt nach demAnspielen an Kraft und findet seine unbetonte Auflösung auf metrisch

18 Carl Dahlhaus,   Zur Kritik des Riemannschen Systems, in: ders.: Gesammelte Schriften,Bd. 2, hg. v. Hermann Danuser, Laaber 2001, S. 246-269.19 Ebd. S. 268.20 Ebd. S. 269.21 Ebd. S. 248.

Page 16: Haydn OrlandoPaladino

5/9/2018 Haydn OrlandoPaladino - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/haydn-orlandopaladino 16/26

 

   Nikolaus Müller 418

leichterer Zeit (Seufzermotiv). Konsequenterweise müsste man also, aus-gehend von einer das Metrum primär bestimmenden Kraft der Harmonik,Taktstriche in einigen Kompositionen versetzen, wie es Riemann be-kanntlich nicht selten vorgeschlagen hat. Wie tief greifend diese Verän-derung betreffs der musikalischen Aussage wäre, wird am Beispiel der Arie Orlandos deutlich.22 Inwieweit ein metrisches Grundgefühl trotz sol-cher �Verwerfungen� stabil bleibt, muss, wie bereits erwähnt wurde, imEinzelfall überprüft werden.23 Wie im Extremfall das metrische Gefügeund somit das Grundempfinden soweit gestört wird, dass sich ein metri-sches Gefühl einstellt, das nicht mit der notierten Struktur konform geht,ist in vielen Werken Igor Strawinskijs zu beobachten.24 

Der Taktstrich ist insofern nicht nur Konvention sondern auch musi-kalisches Gestaltungsmittel. Wird dieses Verständnis auf die metrische

Anlage größerer musikalischer Abschnitte übertragen, wird deutlich, wiegroß der Freiraum für einen Interpreten ist, da eine klare Vorgabe durchden Komponisten fehlt. Der Ausführende ist also in der Situation, dass er in dem Moment der Aufführung einen musikalisch-metrischen Raum ent-stehen lässt und gleichzeitig innerhalb dieses Raumes gestaltend führenmuss. Er erschafft sich die Norm, die er in seiner eigenen Interpretation  bestätigt oder negiert, quasi selbst. Die Taktgruppenanalyse bietet dieMöglichkeit, diese musikalischen �Verwerfungen� in den unterschiedli-

chen Gestaltungen deutlich zu machen. Mit ihr ist es möglich, Informati-onen über den Notentext hinaus fassbar zu machen und Aufführungen zukonzipieren und zu analysieren.

Eine Weiterentwicklung und Systematisierung der Taktgruppenanaly-se steht noch immer aus. Zu konkretisieren wären in diesem Zusammen-hang die interpretatorischen Notwendigkeiten, die eine Anwendung der Taktgruppenanalyse sinnvoll machen.

22 Die Sinfonien von Johannes Brahms bieten eine Vielzahl von Beispielen, die solche metri-schen Irregularitäten aufweisen. Besonders erwähnenswert erscheint mir ein Beispiel ausdem 3. Satz der 3. Sinfonie. Dort trifft man im Trio auf die für Brahms typischen schwerenAuftakte. Man hört aus harmonischen Gründen die Drei als vorgezogene Eins. Wenn mandieser durch die Harmonik implizierten metrischen Kraftwirkung nachgibt und die Drei alsfalsch notierte Eins spielt, ergibt sich ein belangloser, etwas eingetrübter Walzer, der weitvon der melancholisch-innigen Atmosphäre entfernt ist, die entsteht, wenn man die Span-nung der metrischen Ambivalenzen ausmusiziert.

23 Vgl. Dahlhaus� Ausführung zur Abhängigkeit von �metrischen� Schwerpunkten und �logi-schen� bzw. deklamatorischen Akzenten. Dahlhaus, Zur Kritik des Riemannschen Systems,S. 264f.

24 Von Karajan ist überliefert, dass er die komplexen Partituren Strawinskijs für den eigenenGebrauch in ihrer metrischen Notation bearbeitete.

Page 17: Haydn OrlandoPaladino

5/9/2018 Haydn OrlandoPaladino - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/haydn-orlandopaladino 17/26

 

   Joseph Haydn � Orlando paladino: 419

Die Einzeichnungen in den folgenden Partiturseiten sind ein Versuch,strukturelle Sinneinheiten zu markieren und diese Taktgruppen in einemmetrischen Kontext zu verorten.

Page 18: Haydn OrlandoPaladino

5/9/2018 Haydn OrlandoPaladino - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/haydn-orlandopaladino 18/26

 

   Nikolaus Müller 420

Page 19: Haydn OrlandoPaladino

5/9/2018 Haydn OrlandoPaladino - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/haydn-orlandopaladino 19/26

 

   Joseph Haydn � Orlando paladino: 421

 

Page 20: Haydn OrlandoPaladino

5/9/2018 Haydn OrlandoPaladino - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/haydn-orlandopaladino 20/26

 

   Nikolaus Müller 422

Page 21: Haydn OrlandoPaladino

5/9/2018 Haydn OrlandoPaladino - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/haydn-orlandopaladino 21/26

 

   Joseph Haydn � Orlando paladino: 423

 

Page 22: Haydn OrlandoPaladino

5/9/2018 Haydn OrlandoPaladino - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/haydn-orlandopaladino 22/26

 

   Nikolaus Müller 424

Page 23: Haydn OrlandoPaladino

5/9/2018 Haydn OrlandoPaladino - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/haydn-orlandopaladino 23/26

 

   Joseph Haydn � Orlando paladino: 425

 

Page 24: Haydn OrlandoPaladino

5/9/2018 Haydn OrlandoPaladino - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/haydn-orlandopaladino 24/26

 

   Nikolaus Müller 426

Page 25: Haydn OrlandoPaladino

5/9/2018 Haydn OrlandoPaladino - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/haydn-orlandopaladino 25/26

 

   Joseph Haydn � Orlando paladino: 427

 

Page 26: Haydn OrlandoPaladino

5/9/2018 Haydn OrlandoPaladino - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/haydn-orlandopaladino 26/26

 

   Nikolaus Müller 428

Arie des Rodomonte �Mille lampi d�accese favile�, in: Haydn, Orlando paladi-no, 2. Akt, in: ders., JHW/11, München 1972, S. 204-213.

© 1972 G. Henle Verlag, München. Abdruck mit freundlicher Genehmigung.