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Weiterbildungsstätte für Intensivpflege & Anästhesie und Pflege in der Onkologie Weiterbildung für Intensivpflege & Anästhesie 2008/2010 Hausarbeit Schlaf und Schlafstörungen bei Patienten auf der Intensivstation Andrea Oswald Osterstrasse 89a 48163 Münster Tel.: 0251 - 98 161 90 März 2010

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Weiterbildungsstätte für Intensivpflege & Anästhesie

und Pflege in der Onkologie

Weiterbildung für Intensivpflege & Anästhesie 2008/2010

Hausarbeit

Schlaf und Schlafstörungen bei Patienten

auf der Intensivstation

Andrea Oswald

Osterstrasse 89a

48163 Münster

Tel.: 0251 - 98 161 90

März 2010

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Inhaltsverzeichnis……………………………………………………..……….....1

Kurzfassung……………………………………..………………………………. 3

1. Einleitung…………………………………………………………………….. 4

2. Fallbeispiel - Teil 1…………………………………………….…………….. 5

3. Schlaf…………………………………………………………..…………....... 6

3.1. Definition……………………………………………………………...... 6

3.2. Geschichte des Schlafs…………………………………………………. 6

3.3. Schlafarchitektur………………………………………………………... 7

3.3.1. EEG…………………………………………………………….. 9

3.4. Schlafsteuerung/Tag-Nacht-Rhythmus…………………………………. 11

3.5. Hormone regulieren den Schlaf und den Stoffwechsel……………….... 13

3.5.1. Melatonin………………………………………………………. 13

3.5.2. Prolaktin………………………………………………………... 16

3.6. Funktionen des Schlafens……………………………………………..... 16

3.7. Schlafbedürfnis…………………………………………………………. 18

4. Schlafstörungen………………………………..……………...……………... 19

4.1. Insomnien und deren Ursachen…………………………………….…... 19

4.1.1. Akute Insomnien…………………………………………….…. 20

4.1.2. Chronische Insomnien………………………………………….. 21

4.2. Weitere Arten von Schlafstörungen………………………………...…... 21

4.3. Schweregrade………………………………………………………….... 22

5. Schlafstörungen bei Patienten auf der Intensivstation…………………….22

5.1. Mögliche Ursachen für Schlafstörungen auf der Intensivstation……..... 23

5.1.1. Physische und Psychische Einflüsse………………………….... 23

5.1.2. Äußere Einflüsse……………………………………………….. 25

5.2. Symptome……………………………………………………………..... 27

5.2.1. Physische Symptome…………………………………………... 27

5.2.2. Psychische Symptome………………………………………….. 28

  

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6. Diagnostik………………………………………………...………………...... 29

7. Therapie……………………..…...…………………………………………... 30

7.1. Nichtmedikamentöse Therapien…………………………….………….. 30

7.2. Medikamente gegen Schlaflosigkeit…………………………….…….... 35

7.3. Pflegerische Maßnahmen zur Verbesserung der Schlafqualität von Inten-

sivpatienten…………………................................................................... 38

8. Fallbeispiel - Teil 2………………………………………...………………… 41

Schlussfolgerung………..…………...…………………………………………... 45

Literaturverzeichnis………………………….…………………………………. 46

Zitatverzeichnis………………………………………………………………….. 48

Versicherung über die Ausfertigung schriftlicher Leistungsnachweise……... 49

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Abfolge der Schlafstadien während des Schlafs

(Quelle: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/SCHLAF/)………..... 8

Abbildung 2: EEG-Frequenwellen des Menschen

(Quelle: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/SCHLAF/...................9

Abbildung 3: Steuerung der Melatoninsekretion

(Quelle: http://www.egbeck.de/melatde.htm).…………………..... 13

Abbildung 4: Melatoninproduktion in Abhängigkeit des Lebensalters

(Quelle: http://www.egbeck.de/melatde.htm).................................. 14

Abbildung 5: Auf und Ab verschiedener biologischer Rhythmen

(Quelle: http://www.schlafgestoert.de/site-53.html)...............……. 17

  

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Kurzfassung

In dieser Arbeit möchte ich die Auswirkungen von Schlafmangel und mögliche thera-

peutische Interventionen vorstellen. Die Arbeit soll veranschaulichen, wodurch Schlaf-

störungen auf der Intensivstation entstehen und wie sie sich äußern können. Sie soll

medikamentöse und nichtmedikamentöse Maßnahmen aufzeigen, die ergriffen werden

können um die Symptomatik zu lindern und auslösende Faktoren bereits im Vorfeld zu

vermeiden. Das Therapiespektrum reicht vom einfachen Sockenanziehen bei kalten Fü-

ßen, über die Erstellung eines Tagesstrukturplans mit Berücksichtigung individueller

»zu-Bett-geh-Rituale« bis hin zur Therapie mit schlafinduzierenden Medikamenten.

Es wird deutlich, dass eine individuelle Betreuung des Patienten sowie eine vertrauens-

volle Beziehung zwischen Patient und Pflegeperson unerlässlich sind.

  

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1. Einleitung

Schlafstörungen bei Patienten auf der Intensivstation sind ein bedeutendes Problem, da

sie zum Teil gravierende Auswirkungen auf die Betroffenen haben können und Schlaf

unter anderem für die Erholung von Erkrankungen entscheidend ist. Meines Erachtens

wird jedoch dieser Thematik im therapeutischen Team der Intensivstation nicht genü-

gend Beachtung geschenkt, obwohl gerade die Umgebungsbedingungen der Intensivsta-

tion, die diagnostisch, pflegerisch oder therapeutisch erforderlichen Maßnahmen und

die verabreichten Sedativa, zum Teil erheblich von der Norm abweichende Schlafzyk-

len und Schlafmuster bewirken.

Mit dieser Arbeit möchte ich bei den Lesern das Bewusstsein für die Physiologie des

Schlafs und für die Problematik von Schlafstörungen, speziell bei Patienten auf der In-

tensivstation, sensibilisieren und Möglichkeiten zur Förderung der Schlafqualität in die-

sem speziellen Bereich aufzuzeigen.

Diese Facharbeit besteht aus mehreren Teilen, die alle für das Verständnis von Schlaf-

störungen auf der Intensivstation von Bedeutung sind.

Im ersten Teil werden die physiologischen Grundlagen dargestellt, die zum besseren

Verständnis des Phänomens Schlaf dienen sollen.

Der zweite Teil stellt unterschiedliche Arten von Schlafstörungen vor.

Im dritten Teil werden mögliche Ursachen für Schlafstörungen auf der Intensivstation

und deren Auswirkungen erläutert.

Der Bereich der Diagnostik wird im vierten Teil kurz dargelegt.

Im fünften und letzten Teil werden verschiedene therapeutische Möglichkeiten und

mögliche pflegerische Interventionen, zur Verbesserung der Schlafqualität von Inten-

sivpatienten übermittelt.

Um die Problematik und die möglichen Maßnahmen ein wenig zu veranschaulichen,

habe ich in diese Arbeit ein Fallbeispiel aus meiner praktischen Erfahrung angefügt.

  

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2. Fallbeispiel - Teil 1

Am Beispiel des 64 jährigen Herrn I., der nach einer Nierentransplantation mit nachfol-

gend sehr komplikationsreichem Verlauf auf der chirurgischen Intensivstation behandelt

wurde, möchte ich Möglichkeiten zur Steigerung der Schlafqualität veranschaulichen.

Ich betreute Herrn I. während des Nachtdienstes, in mehreren aufeinanderfolgenden

Nächten, als direkte Bezugsperson. Sein Problem war, dass er seit 72 Stunden kaum

geschlafen hatte und zuvor längere Zeit analgosediert war. Er war zeitweise desorien-

tiert, sehr unruhig und wirkte zunehmend verunsichert und ängstlich. Der Patient war

im Verlauf des Aufenthaltes auf der Intensivstation bisher noch nicht mobilisiert wor-

den. Aufgrund dieser Symptomatik war eine Behinderung der weiteren Rekonvaleszenz

zu befürchten.

Als Ressourcen sind zu nennen, dass der Patient trotz der Unruhe relativ gut zu führen

war. Herr I. war sinusrhythmisch, normfrequent und hämodynamisch stabil. Er konnte

sich gut auf verschiedene Beatmungsmodi einstellen und respiratorische Erholungspha-

sen nutzen. Sein Wundheilungsverlauf verlief ohne Komplikationen und er war weitest-

gehend schmerzfrei. Darüber hinaus konnte er alle Extremitäten bewegen und selbstän-

dig kleine Lagewechsel durchführen, verfügte über einen guten Hautzustand und alle

Auflageflächen waren intakt. Die Kommunikation mit ihm war meistens mittels

Schreibtafel möglich, auch konnte er sich bei Bedarf bemerkbar machen und Ja-/Nein-

Fragen mittels Kopfnicken und -schütteln beantworten. Herr I. lag allein in einem Pati-

entenzimmer.

Mein Ziel war es, Maßnahmen zur Unterstützung eines erholsamen Schlafs zu ermitteln,

damit er für den weiteren Genesungs- und Heilungsverlauf Kraft schöpfen konnte. Ihm

sollen angemessene Erholungs- und Ruhezeiten (mind. 90 Min. - so lange dauert ein

Schlafzyklus) eingeräumt werden und er soll in der Lage sein bzw. darin unterstützt

werden, diese effektiv zu nutzen.

  

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3. Schlaf

3.1. Definition des Begriffs Schlaf

Schlaf scheint eine schnell reversible, reduzierte Form der Wachheit zu sein, da wir uns

kaum bewegen, nicht ansprechbar und nicht bei Bewusstsein sind. Daneben zeigen wir

eine deutlich reduzierte Aufnahme- und Antwortbereitschaft für Umgebungsreize.

Schlaf ist kein gleich bleibender Zustand, es werden vielmehr verschiedene Phasen mit

unterschiedlichen Schlaftiefen durchlaufen. Gekennzeichnet ist er durch charakteristi-

sche und rhythmisch auftretende Schlafzyklen sowie alterstypische Schlafprofile. Rund

ein Drittel unseres Lebens verbringen wir schlafend. Die tägliche Schlafdauer eines Er-

wachsenen liegt zwischen 6 und 9,5 Stunden. Schlaf ist für den Menschen ein zentrales

und lebenswichtiges Grundbedürfnis und ein Bestandteil der sogenannten zirkadianen

Rhythmik (Tag-und-Nacht Rhythmus) unseres Körpers. Als aktiver und lebenswichtiger

Vorgang ist er entscheidend für die Erholung von Erkrankungen und wirkt sich positiv

auf die Wundheilung, zelluläre Immunfunktion und Leistungsfähigkeit aus.

3.2. Geschichte des Schlaf

In der Antike nahm man an, dass die Zustände von Schlaf und Tod miteinander ver-

wandt sind. Hypnos ist in der griechischen Mythologie der Gott des Schlafes und der

Zwillingsbruder von Thanatos, dem Gott des Todes. Sein Sohn ist Morpheus, Gott des

Traumes und seine Eltern sind die Nachtgöttin Nyx und Erebos, der Gott der Finsternis.

Im alten Rom wurde Somnus, der Gott des Schlafes sehr verehrt. Für die gehobene rö-

mische Gesellschaft war der Schlaf heilig. Man ruhte und schlief zu jener Zeit wann

immer es möglich war, so z. B. auch tagsüber auf einer kleinen Liege, auf der man e-

benso las, aß und Gäste empfing.

Über viele Jahrhunderte war Schlaf eine ganz und gar öffentliche Angelegenheit. Die

Menschen schliefen mit sämtlichen Verwandten und Bediensteten in einem Raum und

vielfach auch in einem Bett.

Durch den Einfluss der Kirche auf die Menschen wurde die Freizügigkeit aus den

Schlafzimmern verbannt. Den ganzen Körper verhüllende Nachthemden samt Schlaf-

mütze kamen in Mode. Man sollte im Bett nichts anderes tun außer, in Maßen, zu schla-

fen. Da der Mensch aus dem Paradies verbannt worden war um auf Erden durch Arbeit

seine große Schuld zu begleichen, galt derjenige der übermäßig schlief, als Faulpelz und

Sünder.

  

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Während der Industrialisierung wurden Maschinen erfunden, die weder Pausen noch

Schlaf brauchten und rund um die Uhr arbeiten konnten. In dieser Zeit sah man das Be-

dürfnis des Menschen zu schlafen als Makel und überflüssigen Störfaktor an, der den

Produktionsprozess unnötig lähmte.

Auch bis heute betrachten viele Leute den Schlaf als ein notwendiges Übel, das man auf

ein Minimum beschränken sollte. Erst langsam zeigt uns die Schlafforschung, dass der

Mensch nur mit ausreichend gesundem Schlaf kreativ und leistungsfähig ist und bleiben

kann.

3.3. Schlafarchitektur

Der physiologische Schlaf kann mittels Polysomnografie objektiv gemessen werden und

lässt sich in folgende Stadien einteilen:

Stadium I: • Übergang zwischen Wachen und Schlafen

• der Schlafende kann durch leichte Reize geweckt werden

Stadium II: • Leichtschlaf

• eigentlicher Schlafbeginn

• nimmt mehr als die Hälfte der Schlafzeit ein und ist deshalb

ein wichtiges Stadium

Stadium III: • Beginn des Tiefschlafs

• besonderes Kennzeichen ist die herabgesetzte Muskelspan-

nung

Stadium IV: • Tiefschlafphase

• der Schlafende ist nur schwer zu wecken

• Schmerzempfindung ist herabgesetzt

Stadium V: • REM-Schlaf (Rapid Eye Movement)

• es kommt zu schnellen Augenbewegungen

• die Muskelspannung ist völlig herabgesetzt (schnelles

Aufwachen in dieser Phase kann von dem kurz dauernden,

sehr unangenehmen Gefühl des »Sich-nicht-bewegen-

Könnens« begleitet sein)[1]

• es treten vermehrt emotional betonte Träume auf

• dient der Festigung von Gedächtnisinhalten

  

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Im Schlaf durchlaufen wir die verschiedenen Schlafstadien in zyklischer Abfolge. Der

Nachtschlaf besteht durchschnittlich aus 4 bis 5 Zyklen, ein Zyklus dauert ca. 90 Minu-

ten. In der ersten Nachthälfte weist er vor allem Tiefschlafphasen auf, während gegen

Morgen die REM-Schlafepisoden immer länger werden.

Abb. 1 Abfolge der Schlafstadien während des Schlafs

(Quelle: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/SCHLAF/)

Die normale Schlafarchitektur folgt diesen physiologischen Regeln und Rhythmen, was

wichtig für einen erholsamen Schlaf ist. Ein weiteres Erfordernis für erholsamen Schlaf

ist ca. zwei Stunden Delta- und REM-Schlaf, unabhängig davon wie lange der gesamte

Schlaf dauert. Kurze Wachperioden sind normal, treten oft vor oder nach der REM-

Phase auf und stehen häufig mit Lagewechseln im Zusammenhang. Meist kann man

sich nicht daran erinnern, es sei denn, sie waren sehr lang, man ist aufgestanden oder

aus einem besonders interessanten Traum oder Angsttraum erwacht. Dieses Phänomen

rührt wohl noch aus der Urzeit, wo der Mensch während des Schlafs immer wieder kurz

prüfte, ob die „Luft rein“ ist, um im positiven Fall einfach weiter zu schlafen. Heute

leiden ca. 30% der Erwachsenen in Industrie und Post-Industrie-Ländern unter Schlaf-

störungen, was auf die Störanfälligkeit dieses Systems zurückzuführen ist. Es drohen

von außen zwar keine echten „Gefahren“ mehr, aber wer aufwacht und dabei sofort an

alle Sorgen des Tages denkt, ist hellwach und kann nur schwer wieder einschlafen.

  

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3.3.1. Elektroenzephalographie - EEG

Das EEG ermöglicht eine Beurteilung des aktuellen Zustandes der Hirnfunktion. Die

Potentialgeneratoren des EEG liegen in der Hirnrinde und werden durch neuronale In-

teraktionen auf kortikaler und subkortikaler Ebene beeinflusst. Da die Amplituden des

EEG-Signals im Mikrovolt-Bereich liegen, ist die Ableitung sehr störanfällig.

Bei der Untersuchung der Frequenzbereiche eines EEGs beim Menschen findet man

fünf verschiedene Formen von Gehirnaktivitäten:

• α-Aktivität = 8-13 Hz

• β-Aktivität = größer als 13 Hz

• Spindeln = 11-15 Hz

• Theta-Aktivität = 4-7 Hz

• Delta (δ)-Aktivität = weniger als 4 Hz

Abb. 2 EEG-Frequenwellen des Menschen

(Quelle: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/SCHLAF/)

  

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Im Bezug auf Schlaf kann man fünf Stadien unterscheiden, wobei der Wachzustand sich

durch α-Wellen auszeichnet (8-13 Hz) und Schlaf im physiologischen Sinne erst vor-

handen ist, wenn keine α-Wellen mehr auftreten:

1. Übergang vom Wachen

zum Schlafen:

• keine kontinuierlichen α-Wellen (8-13 Hz) mehr, sie

erscheinen zunehmend gruppiert

2. Einschlafstadium: • niedrigamplitudige flache β-Wellen-Aktivität (über

13 Hz) und Theta-Wellen (4-7 Hz)

• gegen Ende dieser Phase zeigen sich Vertexzacken,

welche psychophysiologisch den Einschlafmoment

darstellen

3. Leichter Schlaf: • niedrigamplitudige Wellen von 12-17 Hz sowie K-

Komplexe und Spindelgruppen (11-15 Hz)

4. Mitteltiefer Schlaf: • gelegentlich Spindeln mit unregelmäßig auftauchen-

den hohen Wellen von 0,5-3 Hz und 300 µV (Delta-

Wellen)

5. Tiefschlafstadium: • langsame Delta-Aktivität von 0,5-4 Hz

• in dieser Phase sind fast ausschließlich Delta-Wellen

zu beobachten

  

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3.4. Schlafsteuerung / Tag-und-Nacht-Rhythmus

Der Tag-und-Nacht-Rhythmus (zirkadianer Rhythmus) ist ein biologischer Rhythmus

und benennt die endogenen (inneren) Rhythmen, die eine Periodenlänge von ca. 24

Stunden haben. Diesen Rhythmen unterliegen, physiologisch aufeinander abgestimmt,

praktisch alle Körperfunktionen. Sie definieren einen permanenten Wechsel zwischen

Leistungsbereitschaft am Tage und Erholungsbereitschaft in der Nacht. Generiert wird

der Tag-und-Nacht-Rhythmus mit Hilfe des Nucleus suprachiasmaticus (SCN), einem

Bestandteil des Hypothalamus, der über der Kreuzung der Sehnerven liegt. Er verfügt

über eine nervale Verbindung zur Zirbeldrüse (Epiphyse) und reguliert auf diese Art die

Melatoninausschüttung. Über Afferenzen aus der Retina, und somit dem Erkennen von

Hell und Dunkel, wird seine Funktion gesteuert.

Während des Schlafs kommt es zu einem komplexen Zusammenspiel von verschiede-

nen Hirnzentren, deren Aktivität sich abhängig vom Wachheitsgrad oder Schlafphase

periodisch ändert:

• Hirnstamm

o Pons und Mittelhirn mit dem Neurotransmitter Acetylcholin

o Locus coeruleus mit dem Neurotransmitter Noradrenalin

o Raphe-Kerne mit dem Neurotransmitter Serotonin

• Hypothalamus

o Nucleus suprachiasmaticus

• Thalamus

o “unspezifische“ Kerne.

Durch die jahreszeitlich wechselnden Tageslängen ist eine ständige Resynchronisation

der Inneren Uhr notwendig, welche täglich durchgeführt wird. Durch einen raschen

Wechsel der geographischen Lage, z.B. bei einem Transatlantikflug, kann es durch an-

fänglich fehlende Übereinstimmung (zu langsame Resynchronisation) zum bekannten

Jetlag kommen.

  

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Der Tag- und-Nacht-Rhythmus wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst.

Interne Einflussfaktoren / Zeitgeber:

• Melatonin (siehe Abschnitt 3.5.1.)

• Periodenlänge der inneren Uhr

o man geht davon aus, dass sie grundsätzlich genetisch bedingt ist

o lässt die Bevölkerung in zwei Hauptkategorien unterscheiden: zum einen die

„Eulen“, sie gehen gerne spät zu Bett und schlafen länger, während die „Ler-

chen“ früh zu Bett gehen und früh aufstehen.

o wird beeinflusst durch:

- das Alter des Organismus

(Bei Babys z. B. wechseln sich periodisch viele kurze Aktivitäts- und

Schlafphasen ab. Die Rhythmik von Kleinkindern und Erwachsenen

wird zunehmend vom zircadianen System gesteuert. Mit zunehmen-

dem Alter nimmt die Periodenlänge der inneren Uhr dann wieder ab.)

- spezielle Signale, die das Schlafbedürfnis steuern

(Z. B. die Körpertemperatur, die während des Tages deutlich höher

ist als in der Nacht. Im niedrigen Bereich ist die Schlafbereitschaft

am höchsten, gegen Morgen steigt die Körpertemperatur wieder an,

die Schlafbereitschaft nimmt ab und man wacht wieder auf.)

- Manipulation

(Z. B. mittels Drogen, Hormonen, Medikamenten, Rausch- und Ge-

nussmittel oder Veränderung der Umwelt (künstliches Licht).

Externe Einflussfaktoren / Zeitgeber:

• der natürliche Wechsel zwischen Helligkeit und Dunkelheit, von Tag- und Nacht-

phasen (Tageslicht von mindestens 2500 Lux[2])

• das Bewusstsein der Uhrzeit

• regelmäßige Mahlzeiten

• soziale Kontakte und tägliche Aktivitäten (Schlaf als tägliches Ritual)

• soziale Reize (z.B. Wecker)

  

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3.5. Hormone regulieren den Schlaf und den Stoffwechsel

3.5.1. Melatonin

Melatonin ist ein Hormon, das vermehrt nachts von der Epiphyse gebildet und bei Dun-

kelheit freigesetzt wird. Seine maximale Serumkonzentration wird gegen drei Uhr mor-

gens erreicht. Die Produktion von Melatonin zeigt einen klaren Jahresrhythmus. Je län-

ger es draußen hell ist, umso weniger Melatonin zirkuliert im Blut. Im Winter, wenn es

länger dunkel ist, produziert die Epiphyse länger Melatonin, so dass sich mehr im Blut

anreichern kann. Melatonin senkt die Aktivität, bremst und macht müde.

Abb. 3 Steuerung der Melatoninsekretion

(Quelle: http://www.egbeck.de/melatde.htm)

  

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Interaktionen:

• Körpertemperatur: o je niedriger die Körpertemperatur eines Menschen ist, um-

so mehr Melatonin wird produziert. Nimmt man künstlich

Melatonin ein, sinkt die Körpertemperatur.

• Neurotransmitter: o Serotonin, welches als "Glückshormon" allgemein unsere

Gemütsverfassung beeinflusst und dessen Produktion als

Gegenspieler des Melatonin vom Tageslicht gefördert wird

o Die Beta-Endorphin Konzentration im Blutplasma wird

durch Einnahme von Melatonin gesenkt, wodurch uns kalt

wird und sich unsere Stimmung verschlechtert.

Psychische Faktoren haben Einfluss auf die gebildete Melatoninmenge, so nimmt z. B.

unter Stress das Melatonin zu und das Immunsystem arbeitet nicht mehr mit voller

Kraft. Eine Störung des Melatoninhaushaltes und damit verbundene Schlafstörungen

zeigen sich bei Schichtarbeit und Fernreisen.

Über die Lebensspanne verändert sich die natürliche Melatonin-Konzentration im Blut.

Zu Beginn des Lebens haben wir zunächst einen niedrigen, dann einen höheren Melato-

ninspiegel. Im Kindergarten-Alter schüttet die Epiphyse nachts weniger Melatonin aus

und ab Schulbeginn wieder mehr. Die höchsten Werte der Melatonin-Konzentration

werden am Ende der Pubertät erreicht und fallen dann wieder ab. Im Alter verschiebt

sich der Zeitpunkt an dem die Epiphyse mit der Melatoninproduktion beginnt in die

spätere Nacht, beendet diese aber weiterhin mit Tagesbeginn, wodurch die Melatonin-

konzentration im Blut weiter sinkt.

Abb. 4 Melatoninproduktion in Abhängigkeit des Lebensalters

(Quelle: http://www.egbeck.de/melatde.htm)

  

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Melatonin als Medikament

Melatonin kann künstlich hergestellt werden, hat allerdings eine extrem kurze Halb-

wertzeit von 30 Min. Unter der Einnahme von Melatonin zeigen sich im EEG mehr ty-

pische Gehirnaktivitäten für entspanntes Wachsein und Einschlafen (Tetra- und Alpha-

wellen). Als normale Dosis gelten 5 mg. Man kann aber ohne ernsthafte Gefahr weit

über diese hinaus gehen, da ein Mensch ab einer Dosis von 240 mg langsamer reagiert,

aber dennoch komplexere kognitive Aufgaben ähnlich gut wie sonst bewältigt. Um jün-

geren Personen das Einschlafen zu erleichtern, sind höhere Dosen Melatonin notwendig

als bei älteren Personen. Melatonin hat eine schlafinduzierende Wirkung, ist jedoch kein

echtes Schlafmittel, das einen längeren Schlaf erzwingen würde. Es scheint zwar in ei-

nigen Fällen das Einschlafen zu erleichtern, allerdings ist dies nur zu den Zeiten mög-

lich, in denen es natürlicherweise grade nicht vorhanden wäre: am Tag und am Abend.

In der Nacht scheint es dagegen ohne Wirkung zu sein, da sich ohnehin Melatonin im

Blut befindet. Bei den meisten pharmazeutischen Melatoninpräparaten konnte die mehr-

stündige physiologische Blutspiegelerhöhung während der Nacht nicht imitiert werden,

da die einfache orale Melatoningabe wegen eines hohen First-pass-Effektes in der Leber

und einer kurzen Halbwertszeit nur zu einer kurzzeitigen Erhöhung des Melatoninspie-

gels im Blut führt.

Mögliche Begleiterscheinungen:

• Hautrötungen

• Bauchkrämpfe

• Durchfälle

• migräneartige Kopfschmerzen

• visuelle Gesichtsausfälle

  

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3.5.2. Prolaktin

Prolaktin (auch laktotropes Hormon oder Laktotropin) ist ein Hormon, welches in den

laktotropen Zellen im Hypophysenvorderlappen gebildet wird und dessen Ausschüttung

durch Botenstoffe (Releasing-Hormone) aus dem Hypothalamus geregelt wird. Es hat

eine Vielzahl von Funktionen, wovon die Steuerung der Milchbildung in der weiblichen

Brust die bekannteste ist. Der Prolaktinspiegel ist nicht nur während der Tiefschlafpha-

se, sondern während der gesamten Nachtruhe erhöht, selbst wenn man im Halbschlaf

eher döst als wirklich schläft. Bei der geringsten Ruhestörung kommt es allerdings so-

fort zu einem Prolaktinabfall und damit zu einer Verschlechterung der Erholungswir-

kung des Schlafes. Dieses Schlafdefizit wird durch zusätzliche Prolaktinanstiege am

Morgen und am Nachmittag ausgeglichen. Mit einer Störung des Prolaktinspiegels geht

eine Störung des Kortisonspiegels (kann Ursache für eine Insulinresistenz sein) einher.

Diese wird heute für den Altersdiabetes und das Übergewicht vieler Menschen verant-

wortlich gemacht. Durch die Unempfindlichkeit der Körperzellen für das Hormon Insu-

lin steigt der Glucosespiegel im Blut. Das Pankreas erhält wiederum ein Signal dafür,

noch mehr Insulin auszuscheiden. Dieses zusätzliche Insulin bewirkt, dass Zucker in der

Leber zu Fettsäuren umgebaut und diese dann im Fettgewebe eingelagert werden.[3]

3.6. Funktionen des Schlafens

Schlaf dient

• zur Erholung,

• zum Sparen von Energie,

• zum Auffüllen von Energiereserven (z.B. Glykogen im Gehirn),

• zur Stärkung des Immunsystems,

• zur dauerhaften Speicherung von Gelerntem und Löschen von unwichtigen Informa-

tionen,

• zur Speicherung von Bewältigungsstrategien, auf die der Körper in bestimmten Si-

tuationen wie Stress, Konflikten und der Abwehr von Krankheitserregern zurück-

greift.

"Der Schlaf ist für den ganzen Menschen,

was das Aufziehen für die Uhr"

(A. Schopenhauer) 

  

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Während des Schlafs

• verlangsamen sich Atmung und Puls und der Blutdruck fällt,

• werden in den ersten Stunden verstärkt Wachstumshormone produziert (mit dem

Deltaschlaf verknüpft, welcher sich auf den 1. und 2. Zyklus konzentriert (erste

Nachthälfte, vor 24 Uhr),

• gegen Morgen vor dem Aufwachen steigt der Spiegel des Stresshormons Kortisol,

• in der Nacht sinkt die Körpertemperatur ab, was wiederum die Schlafbereitschaft

erhöht,

• wird das appetitzügelnde Hormon Leptin freigesetzt, wodurch der Körper in der

Lage ist, ohne Schwierigkeiten über Nacht bis zu 12 Stunden ohne Nahrungsauf-

nahme auszukommen (im Wachzustand wird das appetitanregende Hormon Ghrelin

freigesetzt); bei zu wenig Nachtschlaf wird dieses Gleichgewicht verschoben, das

appetitzügelnde Leptin kann seine Wirkung nicht entfalten und zu einer Gewichts-

zunahme führen.

Abb. 5 Auf und Ab verschiedener biologischer Rhythmen

(Quelle: http://www.schlafgestoert.de/site-53.html)

  

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3.7. Schlafbedürfnis

Das individuelle Schlafbedürfnis eines Menschen ist sehr unterschiedlich. Ein Indiz für

zu wenig Schlaf ist nicht die Morgenmüdigkeit, sondern, wenn man während ruhiger

Tagesphasen sehr müde wird.

Durchschnittlicher Schlafbedarf:

• Neugeborenes: ca. 16 Stunden

• Kleinkind: ca. 14 Stunden

• Schulkind: ca. 11 Stunden

• Jugendlicher: ca. 9 Stunden

• Erwachsener: ca. 7 Stunden

Ältere Menschen schlafen weniger tief und selten die ganze Nacht durch. Die gesamte

Schlaflänge entspricht jedoch der junger Erwachsener.

Die Fähigkeit, während der Wachphase Daueraufmerksamkeit auch unter monotonen

Bedingungen aufrechtzuerhalten, ist deutlichen tageszeitlichen Schwankungen unter-

worfen. Am frühen Nachmittag stellt sich ein relatives Leistungstief ein, das durch er-

höhte Schlafbereitschaft gekennzeichnet ist und das die Grundlage für einen kurzen,

erholsamen Mittagsschlaf bilden kann.

  

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4. Schlafstörungen

Bei Schlafstörungen besteht eine individuelle Diskrepanz zwischen dem Schlafbedürf-

nis und dem Schlafvermögen. Eine hohe Stabilität des Schlafs ist der wichtigste Erho-

lungsaspekt, denn bereits kurze Unterbrechungen in Intervallen unter 10 Minuten rufen

schon nach einer einzigen Nacht messbare Defizite hervor. Schlafstörungen schmälern

die Erholungsfunktion des Schlafs, was Befindensstörungen, Leistungseinschränkungen

oder Krankheit zur Folge hat.

4.1. Insomnien und deren Ursachen

Insomnien bezeichnen Ein- und/oder Durchschlafstörungen und sind gekennzeichnet

durch:

• Einschlafschwierigkeiten

• häufiges Erwachen in der Nacht mit Wiedereinschlafschwierigkeiten

• zu frühes Erwachen am Morgen

• nicht erholsamer und zu wenig Schlaf

Die Gefahr der Chronifizierung einer Insomnie besteht, wenn die auslösende Situation

lange anhält bzw. sich in kurzen Intervallen oftmals wiederholt.

Die Ursachen für Insomnien sind sehr vielfältig. Sie reichen von Umwelteinflüssen,

über verhaltensbedingte Faktoren bis zu den so genannten intrinsischen Störungen, die

genetisch bedingt sein können, oder mit erworbenen organischen oder psychischen Pa-

thomechanismen im Zusammenhang stehen.

  

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4.1.1. akute (vorübergehende) Insomnien können in vier Gruppen eingeteilt werden:

1. Psychophysiologische Insomnien (primäre Insomnien)

• als Reaktion auf akute stimulierende, psychische Faktoren wie Stress,

Frustration, Erwartungsspannung

• durch belastende Lebensereignisse wie z.B. Berufswechsel, Hausbau,

Todesfall, Krankheit, finanzielle Probleme, Prüfungen

• durch psychische/psychiatrische Krankheiten wie z.B. Depressionen,

Manien, Schizophrenien, Angststörungen, Essstörungen, Demenzen.

2. Situative Insomnien

• als Reaktion auf äußere Störfaktoren wie Lärm, Wetter, Schichtarbeit.

3. Pharmakogene Insomnien

• als Akutreaktionen auf zentralnervöse anregende Substanzen wie Ge-

nussmittel, Stimulanzien (inklusive Appetitzügler und gewisse Anti-

depressiva) und durch das Absetzten von Suchtmitteln

• Alkohol, das "älteste Schlafmittel" der Welt

o erleichtert das Einschlafen, das Durchschlafen wird jedoch er-

schwert

o Verminderung/Unterdrückung des REM-Schlafes (Traumschlaf)

in der ersten Nachthälfte

o Zunahme des REM-Schlafes (REM-Rebound, unruhige Träume)

in der zweiten Nachthälfte

o Beeinträchtigung der Atmung im Schlaf (Häufigkeit und Dauer

von Atempausen verdoppelt sich).

4. Symptomatische Insomnien (sekundäre Insomnien)

• als Begleit- oder Folgeerscheinung im Rahmen somatischer und psy-

chiatrischer Erkrankungen wie z.B. Erkrankungen der Schilddrüse,

hormonelle Störungen, Herz-Kreislauf-Störungen, Nieren- und Ma-

gen-Darm-Erkrankungen, Rheuma, Schmerzen, Hirnschäden, Epilep-

sie, Atemwegserkrankungen, degenerative Erkrankungen (Parkinson,

Demenz).

  

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4.1.2. chronische Insomnien sind durch hohe Symptomkonstanz von Nacht zu Nacht

gekennzeichnet, welche durch wiederholten Schlafentzug zur Sensibilisierung

und damit zur Zermürbung führt.

• Primär chronische Insomnien

o haben keine ersichtliche Ursache (evtl. genetische Disposition).

• Sekundär chronische Insomnien

o Psychophysiologische und situative Insomnien neigen zur Chronifi-

zierung, wenn die Ursachen nicht rechtzeitig behoben werden

o Pharmakologische Insomnien entwickeln sich unmittelbar chronisch

bei länger andauerndem, regelmäßigem Gebrauch von Hypnotika

(Toleranz)

o Symptomatische Insomnien führen insbesondere bei chronischen

Grunderkrankungen wie z.B. Depressionen und rheumatischen Er-

krankungen zur Chronifizierung.

4.2. Weitere Arten von Schlafstörungen

• Hypersomnien sind Störungen mit vermehrter Tagesschläfrigkeit, z. B. bei Schla-

fapnoe, "Restless Legs" oder Narkolepsie.

o Kennzeichen sind ungewolltes Einschlafen oder Einnicken am Tage und das

Gefühl, trotz ausreichender Schlafdauer permanent schläfrig zu sein.

o Sie sind häufig verbunden mit Schnarchen in der Nacht.

• Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus

o Kennzeichen ist das Problem, zur "normalen" Zeit schlafen zu können.

o Betroffene gehen wesentlich früher oder später zu Bett, haben dann aber in

der Regel keine Schlafprobleme

o In einigen Fällen ist überhaupt kein vorhersagbarer Schlaf-Wach-Rhythmus

auszumachen.

o Ist ein häufiges Problem bei Schichtarbeit und nach Fernreisen.

• Parasomnien sind während des Schlafens auftretende Auffälligkeiten wie z.B.

Schlafwandeln, Sprechen im Schlaf oder Zähneknirschen.

  

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4.3. Schweregrade

Die Internationale Klassifikation der Schlafstörungen unterscheidet bezüglich der Dauer

folgende Schweregrade:

• Akute Schlafstörungen: Dauer von 4 Wochen oder weniger

• Subakute Schlafstörungen: Dauer von mehr als 4 Wochen, aber weniger als 6 Mona-

ten

• Chronische Schlafstörungen: Dauer von 6 Monaten oder länger

5. Schlafstörungen bei Patienten auf der Intensivstation

Patienten auf der Intensivstation leiden unter vielfältigen Störungen des Schlafs, was für

sie einen relevanten Stressfaktor darstellt und vermutlich zu einer Verschlechterung des

Patientenoutcomes führen kann. Der Schlaf bei Patienten auf der Intensivstation ist ge-

kennzeichnet durch kurze Schlafepisoden, die häufig unterbrochen werden und über

Tag und Nacht verteilt sind. Dies führt zu Störungen, die vor allem die Quantität, die

Qualität und die Kontinuität des Schlafs betreffen. Bei vielen Patienten halten die

Schlafstörungen noch Tage, Wochen oder Monate nach der Behandlung auf einer Inten-

sivstation an. Der Prozess zum Erlangen oder Wiederherstellen von Normalität und

Wohlbefinden scheint also sehr langwierig.

Über die Prävalenz von Schlafstörungen bei kritisch kranken Patienten liegen keine

genauen Angaben vor, da eine große Kohortenstudie fehlt. Es muss aber davon ausge-

gangen werden, dass sie sehr hoch ist.

In einigen Patientenpopulationen, die aufgrund ihrer Grunderkrankung oder der operati-

ven Intervention Intensivpflege benötigten, wurden Schlafstörungen dezidiert beschrie-

ben. Zum Beispiel Patienten nach kardiochirurgischen Eingriffen oder Schlaganfällen,

Patienten mit Sepsis, akutem Lungenschaden, COPD („chronic obstructive pulmonary

disease“), chronischer Herzinsuffizienz oder Epilepsie.

Erste Berichte über massive Schlafstörungen bezogen sich auf Patienten nach herzchi-

rurgischen Eingriffen. Diese wurden durch erneute Untersuchungen in den 1990er-

Jahren bestätigt und zeigten das polysomnographisch gesicherte Fehlen von REM-

Schlaf bei verminderten Slow-wave-Tiefschlafphasen.

  

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5.1. Mögliche Ursachen von Schlafstörungen auf der Intensivstation

5.1.1. Psychische und physische Einflüsse

• Innere Unruhe/Anspannung

o die Patienten können sich nicht von äußeren Einflüssen und Sorgen

lösen, sie können sich somit nicht fallen lassen, dem Schlaf anver-

trauen und die Kontrolle abgeben.

• Stress

o sensorische Überstimulation durch eine Vielzahl fremder Signale in

einer unbekannten Umgebung

o sensorische Monotonie, durch eintönige und gleichbleibende Signale.

• Ängste

o es fällt den Patienten schwer, sich vertrauensvoll dem Schlaf und der

Fürsorge anderer zu überlassen.

• gesteigerte Aufmerksamkeit/Wachsamkeit

o Sorge über den eigenen Gesundheitszustand, Unruhe und Unsicher-

heit wird verstärkt, da die Alarme der Geräte häufig im Unklaren

bleiben

o neue Ereignisse werden direkt als bedrohlich und beängstigend emp-

funden, da die Patienten sich in einer Krisensituation befinden und

ihr Leben direkt bedroht sehen.

• Grübeln

o die Patienten beschäftigen sich in Gedanken mit der eigenen Erkran-

kung, den Familienangehörigen und dem zurückliegenden Leben (sie

betrachten und bilanzieren).

• Sorgen

o mögliche existentielle Ängste, da der Tod plötzlich so nahe gerückt

scheint

o Sorgen um die zurückbleibenden Angehörigen können wachsen.

• Hilflosigkeit

o sie sehen keine Möglichkeit, ihre Situation zu verändern oder erträg-

lich zu gestalten (z.B. können sie ihre gewohnte Schlafposition nicht

einnehmen oder ihre vertrauten Schlafrituale durchführen).

  

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• Ausgeliefert sein

o Konfrontation mit ständig neuen, unvorhersehbaren, zum Teil sehr

beängstigenden Ereignissen, welche die Patienten nicht bestimmen

oder vermeiden können und sich diesen hilflos ausgesetzt sehen

o Patienten können sich in ihren Bedürfnissen nicht wahrgenommen

fühlen, da Pflegende ihre Arbeitsabläufe häufig nach eigenen Priori-

täten gestalten.

• Medikamente

o Medikamente, die häufig Schlafprobleme als Nebenwirkung haben

sind z.B. Theophyllinderivate, β-Blocker, ACE-Hemmer, Hormon-

präparate, Psychopharmaka und koffeinhaltige Schmerzmittel

o Pharmakologische Substanzen die in der Intensivmedizin verwendet

werden und den Schlaf verändern:

- Sedativa: Benzodiazepine, Clonidin, Ketamin, Halloperidol

- Kardiovaskuläre wirksame Substanzen: Katecholamine,

β-Blocker, Amiodaron, Aminophyllin,

- Analgetika: Nichtsteroidale Antiphlogistika, Opioide

- Antibiotika: Betalactam-Antibiotika, Quinolone

- Sonstige: Carbamazepine, Phenytoin, Trizyklische Antidepressi-

va, Ciclosporin, Serotoninwiederaufnahme-Hemmer[4]

o Opioide verkürzen den langwelligen und den REM-Schlaf

o Katecholamine können die Propofol-induzierte Sedierungstiefe ver-

stärken (deshalb kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch sie die

Wiederherstellung des Schlafs beeinflussen)[5].

• Entzug (z.B. von Opiaten, nach Langzeitsedierung)

o nach Absetzen der intravenösen Sedierung und Analgesie kann ein

Entzugssyndrom mit möglichen Agitiertheitsperioden auftreten.

• Schmerzen

o Schmerz kann Schlafstörungen erzeugen

o nach 40-stündigem-Schlafentzug ist die mechanische Schmerz-

schwelle um 8% reduziert[4].

• Durst

  

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• maschinelle Beatmung (CPAP Beatmung)

o mangelnde Synchronisierung mit dem Beatmungsgerat und die Art

der mechanischen Beatmung, insbesondere Beatmung mit positivem

Atemwegsdruck führen zu:

- einer erheblichen Veränderung des Wechsel der Schlafphasen und

der Organisation der Schlafarchitektur

- häufigen Wachphasen[5].

• die Erkrankung selbst

o operative Intervention

- die Schlafarchitektur kann nach operativen Eingriffen stark ge-

stört sein (massiver Verlust des REM-Schlafes sowie der Schlaf-

stadien 3 und 4 und vermehrte Wachphasen in den ersten post-

operativen Nächten)[4]

o Inflammation

- im Rahmen der Aktivierung immunologischer Prozesse einer sys-

temischen Inflammation reagiert das Schlaf-Wach-Verhalten sehr

sensibel

- durch die über periphere Monozyten freigesetzten proinflammato-

rischen Zytokine werden initial die REM-Schlafphasen unter Zu-

nahme des Stadiums 2 (Non-REM-Schlaf) unterdrückt

- es scheint, dass je grösser die Freisetzung der Zytokine, desto

massiver die Veränderungen der Schlafstadien[4].

• erzwungener Verlust der körperlichen Aktivität

5.1.2. Äußere Einflüsse

• permanente Lichtexposition

• Lärm

o permanente Geräuschexposition z.B. durch Monitore, Ventilatoren

und Pumpen (insbesondere deren Alarme), klingelnde Telefone, Un-

terhaltung des Pflegepersonals, Klimaanlagen

o lang anhaltende Alarme und häufige Fehlalarme stellen insbesondere

ein Problem dar

  

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o auf einer Intensivstation wurden Spitzenwerte von 75 dB gemessen

(entspricht dem Lärmpegel in einem geschäftigen Restaurant)[4].

• Ruhelosigkeit

o allgemeine Hektik, Unruhe und eventuell ein angespanntes Arbeits-

klima auf der Intensivstation, welche auch teilweise bei der pflegeri-

schen Versorgung zu spüren ist.

• häufige Pflege- und Behandlungsmaßnahmen und Untersuchungen

o viele Aktivitäten, die auch nachts durchgeführt werden[5].

• Kontrollrhythmus/Überwachungsmaßnahmen

o an die Stelle der gewohnten Zeiteinteilung tritt der unbekannte, starr

wirkende, stündliche Rhythmus der Behandlung und Überwachung

o er nimmt keine Rücksicht auf die Bedürfnisse des Patienten und un-

terbricht ständig Schlaf- und Ruhephasen.

• fehlende Orientierungshilfen (Uhren und Kalender)

• fehlende Tagesstruktur

o die gewohnte Tagesstruktur der Patienten geht verloren, da auf der

Intensivstation kaum alltägliche und vertraute Situationen vorkom-

men

o wichtigen Strukturelementen, wie dem Rhythmus zwischen Schlafen

und Wachen oder an bestimmte Tageszeiten gebundene Aktivitäten

wie dem Essen, wird nur unzureichend oder durch künstlichen Ersatz

begegnet.

• fehlende Ankerpunkte (Orientierungspunkte zum Einschätzen der Zeit)

o da der Arbeitsrhythmus der verschiedenen Pflegepersonen unter-

schiedlich ist, erleben die Patienten keine gleichförmigen immer wie-

derkehrenden Aktivitäten und somit ist für sie der Fortgang der Zeit

auf der Intensivstation nur vage zu erahnen.

• Fehlende Rückzugsmöglichkeit

o die ständige Anwesenheit der Pflegenden und die Nähe der Mitpati-

enten ermöglicht ihnen kaum das Aufrechterhalten einer Privatsphäre

bzw. sich auf sich selbst zu konzentrieren.

  

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• Konfrontation mit anderen Patienten

o allein die Geräusche, die andere Menschen produzieren beeinträchtigt

die Nachtruhe

o die unmittelbare Nachbarschaft eines schwerkranken Mitpatienten

führt durch nächtliche Ruhestörungen, infolge pflegerischer und ärzt-

licher Tätigkeiten in Zusammenhang mit dem erhöhten Pflegebedarf

zu erheblichen Störungen der Nachtruhe[6].

• ungewohnte/unbequeme Lagerung

5.2. Symptome

Bei Schlafstörungen kommt es zur Störung der Kontinuität der Schlafzyklen und zur

Veränderung der verschiedenen Schlafstadien. Dies hat zur Folge, dass die an Schlaf-

stadien gebundenen Änderungen von Muskeltonus, Atmung, Herzschlag, Blutdruck,

Blutfluss, Körperkerntemperatur, Hormonen und des Stoffwechsels beeinflusst werden.

5.2.1. Physische Symptome:

• unregelmäßiger Herzschlag und Atmung

• verminderter hypoxischer Atemantrieb[4] (könnte bei kritisch kranken Patien-

ten die „Weaning-Dauer“ verlängern)

• erniedrigter Blutdruck

• geschwächtes Immunsystem (z.B. Gefahr der Septikämie und Veränderung

der Leukozyten im peripheren Blut)[5]

• Störung des Kohlenhydratstoffwechsels und Anstieg der Glukose-

Konzentration im Blut

• erhöhtes Risiko für Adipositas, Typ-2-Diabetes und Herzerkrankungen

• Störung der Schilddrüsenhormonausschüttung

• erhöhte Reaktionszeit und verminderte Reaktionsgenauigkeit

• verminderte Körpertemperatur, Frieren

• erheblich erniedrigte Schmerzschwelle

• Gefühlsstörungen in Armen und Beinen mit Tremor, Muskelschmerzen

• Sehstörungen wie z.B. doppelt sehen, Schwierigkeiten Gegenstände zu fixie-

ren, die Umgebung genau wahrzunehmen und zu lesen.

  

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5.2.2. Psychische Symptome:

• Tagmüdigkeit

• Abends vorzeitiger Energieverlust

• Abnahme von Spontanaktivitäten, Antriebslosigkeit

• Beeinträchtigung der Wahrnehmung (Orientierungsstörungen, Desorientie-

rung, Halluzinationen)

• Verlust der zeitlichen Orientierung bzw. Erleben von pathologisch abge-

wandelter Zeitwahrnehmung (z.B. geschrumpfte oder gedehnte Zeitwahr-

nehmung)

• verminderter Konzentrations- und Leistungsfähigkeit

• Gedächtnisstörungen (Gedächtnislücken oder -verlust)

• leichter Rausch und enthemmende Wirkung

• Nervosität mit eventueller Agitiertheit, verminderter Stresstoleranz, erhöhter

Reizbarkeit

• verminderten Genussfähigkeit

• Depressivität mit dem Gefühl, dies „nicht mehr lange durchstehen zu kön-

nen“, Angst vor körperlichem oder psychischem Zusammenbruch, Suizidge-

danken

  

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6. Diagnostik

Für den Erfolg einer Therapie ist es wichtig, dass im Vorfeld eine gründliche Diagnos-

tik erfolgt. Durch Untersuchung und Befragung kann ermittelt werden, welche Art von

Schlafstörung vorliegt und welche Ursachen eine Rolle spielen.

Diagnostische Verfahren

• Fragebögen

• Schlafprotokolle bzw. Schlaftagebücher

• Schlaflabore

o "kardiorespiratorische Polysomnographie" (Goldstandard)

• Apparative Messungen

o Polygrafie - Screening schlafbezogener Atmungsstörungen

o Aktigraphie

o Quisi® - ambulante Schlafprofilanalyse

• Schlafambulanz bzw. Schlafsprechstunde

• Selbsthilfegruppen

Durch die Schwere der Krankheit und Mehrfachmedikation bei kritisch kranken Patien-

ten, sind die Bedingungen der Diagnostik auf der Intensivstation erheblich erschwert.

Medizinische Geräte können die apparative Diagnostik durch störende Artefakten be-

hindern und durch notwendige diagnostische oder therapeutische Maßnahmen besteht

ein erhöhtes Risiko für die Diskonnektion der Elekroden.

  

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7. Therapie

Zunächst sollte der Patient nach sorgfältig erstellter Diagnose über die Zusammenhänge

aufgeklärt werden. Anschließend muss ein Therapiekonzept erstellt werden, in dem the-

rapeutische Prioritäten erwogen und mit dem Patienten besprochen werden.

7.2.1. Nichtmedikamentöse Therapien

Die nichtmedikamentösen Therapien verfolgen das Ziel, die Schlafstörung aufrechter-

haltenden und/oder auslösenden Faktoren dauerhaft zu beseitigen. Als Alternative zur

medikamentösen Therapie stellt sie eine "Hilfe zur Selbsthilfe" dar, indem der Betroffe-

ne zum Experten in eigener Sache wird und aktiv auf seine Störung einwirken kann. Sie

können als Zusatzbehandlung, insbesondere bei Schlafstörungen, die durch organische

oder psychiatrische Erkrankungen verursacht werden und um das Ausschleichen von

Schlafmitteln zur unterstützen, von Nutzen sein. Diese Therapien sind zeitaufwändig

und verlangen vom Patienten eine aktive Mitarbeit und Durchhaltevermögen, da sich

der Therapieeffekt erst nach mehreren Wochen einstellt. In der Anfangsphase kann es

als »Nebenwirkung« zur Zunahme der Tagessymptomatik mit Müdigkeit und Stim-

mungsschwankungen kommen, was eine gewisse Zeit ertragen werden muss. Auch

müssen eventuell »liebgewonnene« Gewohnheiten verändert oder auf sie verzichtet

werden. Der Vorteil der Therapien ist, dass die erreichten Effekte weit über den eigent-

lichen Behandlungszeitraum hinaus Bestand haben.

Das Anstreben einer geduldigen und entspannten inneren Einstellung bezeichnet einen

Grundsatz der nichtmedikamentösen Therapien. Schlaf kann man nicht erzwingen,

durch zu viel Wollen wird er eher verhindert.

„Der Schlaf ist wie eine Taube:

streckt man die Hand ruhig nach ihr aus,

setzt sie sich drauf; greift man nach ihr,

fliegt sie weg.“

(Paul Dubois)

  

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Auf der Intensivstation teilweise anwendbar:

• Regeln der Schlafhygiene

Sie zählen zu den Grundbausteinen jeder nichtmedikamentösen Therapie. Durch

sie sollen Faktoren, die den Schlaf beeinträchtigen und Gewohnhei-

ten/Umstände, die für einen gesunden Schlaf förderlich sind, aufgezeigt werden.

Gerade bei leichteren Formen und noch nicht sehr lange andauernden Schlafstö-

rungen kann durch eine konsequente Befolgung dieser Regeln oft schon eine

wesentliche Verbesserung erzielt werden.

o Regelmäßige Aufsteh- und Zu-Bett-geh-Zeiten einhalten:

- Regelmäßigkeit ist notwendig, damit sich die biologischen Rhythmen

des Körpers aufeinander abstimmen können.

o Tagsüber kein Nickerchen machen:

(Ausnahme: Durch einen Wecker kontrollierter 20 minütiger Schlaf).

- Führt zu unverhältnismäßig starker Reduktion des Schlafdrucks.

o Bettliegezeit als Richtmaß auf ca. 7 Stunden einschränken. (Schlafrestrikti-

on):

- Langes Wachliegen mit Grübeln und Verärgerung über die Schlaflo-

sigkeit, führt zu verhängnisvollen »Lernprozessen«.

- Vermeidung von schlaffremden Aktivitäten wie z.B. Fernsehen und

Essen im Bett.

o Drei Stunden vor dem Zu-Bett-gehen keinen Alkohol trinken:

- Alkohol verbessert zwar das Einschlafen, beeinträchtigt jedoch gra-

vierend die Schlafqualität und führt gerade in der zweiten Nachthälfte

oft zu Durchschlafproblemen.

o 4-8 Stunden vor dem Zubettgehen keine koffeinhaltigen Getränke mehr trin-

ken:

- Die schlafschädigende Wirkung kann 8-14 Stunden anhalten.

o Nach 19 Uhr abends nicht rauchen oder das Rauchen ganz aufgeben:

- Insbesondere die Wechselwirkung aus Nikotin und Alkohol wirkt

schlafstörend

- Langfristig wird der Schlaf durch die vom Rauchen eingeschränkte

Funktion der Lunge beeinträchtigt.

  

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o Drei Stunden vor dem Zubettgehen keine größeren Mengen an Essen

und/oder Getränken zu sich nehmen:

- Ein voller Bauch bzw. eine volle Blase ist dem Schlaf nicht zuträg-

lich.

- Ein kleiner Snack vor dem Zu-Bett-gehen (z.B. Milch mit Honig oder

eine Banane als »Betthupferl«) kann aber hilfreich sein, denn sie ent-

halten L-Tryptophan, ein Stoff, der im Gehirn eine Rolle bei der

Schlafregulation spielt.

o Körperliche Überanstrengung nach 18 Uhr vermeiden:

- Anregung unseres sympathischen Nervensystems (ist für Aktivität

und Stress zuständig) benötigt mehrere Stunden um wieder abzuflau-

en.

- Umgekehrt können Menschen, die tagsüber kaum einer körperlichen

Betätigung nachgehen, durch regelmäßiges körperliches Training, ih-

ren Schlaf verbessern (gilt besonders für ältere Menschen).

o Schlafumgebung angenehm und schlaffördernd gestalten:

- Den Schlafraum adäquat in Bezug auf Hitze, Kälte, Feuchtigkeit,

Lärm, Lichteinfall und Vibrationen gestalten.

- Das Schlafzimmer sollte nur zum Schlafen dienen und nicht gleich-

zeitig z. B. als Arbeitszimmer verwendet werden.

- Das Bett sollte bequem sein.

o Zwischen Alltag und Zu-Bett-gehen eine »Pufferzone« schaffen:

- Zwei Stunden vor dem Zubettgehen sollten Aktivitäten wie z. B. die

Planung für den kommenden Tag, Arbeit und anstrengende Gesprä-

che abgeschlossen und der Rest der Zeit der Erholung gewidmet sein.

- Wenn Aufgaben des nächsten Tages, Sorgen und Grübeleien nicht

loslassen, ist es oft hilfreich diese rechtzeitig am Abend z. B. in ei-

nem Tagebuch aufzuschreiben und abzulegen.

  

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o Regelmäßiges persönliches Zu-Bett-geh-Ritual:

- Eine Reihe regelmäßiger, in gleicher Abfolge durchgeführter Hand-

lungen (z. B. Kontrolle ob Haustür verschlossen ist, Licht in anderen

Räumen löschen, Umziehen für die Nacht, Heizung abdrehen, Zähne

putzen) kann helfen, den Körper bereits im Vorfeld auf die Schla-

fenszeit einzustimmen.

- Es sollte nicht länger als 30 Minuten dauern.

o Nichts essen, wenn man nachts aufwacht:

- Regelmäßiges Essen in der Nacht führt innerhalb kurzer Zeit dazu,

dass der Körper von selber nachts wach wird, weil er erwartet "gefüt-

tert" zu werden.

o Kein helles Licht machen, wenn man nachts wach wird und aufstehen muss:

- Es wirkt als "Wachmacher" und kann die "innere Uhr" verstellen.

o Nachts nicht auf die Uhr gucken:

- Löst gedankliche und körperliche Reaktionen (Anspannung, Erre-

gung) aus und raubt den letzten Rest an Unbefangenheit gegenüber

dem Schlaf.

o Nach dem Aufstehen am Morgen ca. 30 Minuten lang dem Tageslicht aus-

setzen:

- Hilft den Schlaf-Wach-Rhythmus zu stabilisieren und hat eine stim-

mungsaufhellende Wirkung.

Angenehme Abendaktivitäten sind wichtig, weil nicht nur der Schlaf den fol-

genden Tag bestimmt, sondern auch der Tag die kommende Nacht. Nur ein aktiv

gestaltetes Wachleben mit Arbeit, Hobbys und Interessen kann zu einem erhol-

samen Schlaf beitragen.

  

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• Entspannungstechniken:

Da bei vielen Patienten ein erhöhtes (körperliches und/oder geistiges) Erre-

gungsniveau zur Aufrechterhaltung der Schlafstörung beiträgt, kann man sagen

das »ohne Entspannung kein Schlaf« möglich ist. Entspannungstechniken wie

z. B. Autogenes Training und die Progressive Muskelrelaxation nach Jakobsen

fördern den Schlaf nur indirekt indem sie dem Patienten helfen besser mit den

Symptomen der Schlafstörung in der Nacht umgehen zu können.

Eine Grundvoraussetzung ist tägliches Üben über mehrere Wochen und Monate,

um die Technik zu erlernen und in kritischen Situationen erfolgreich einsetzen

zu können. Dieser Umstand erschwert vielen Patienten den Zugang zu diesen

Therapien.

Weitere nichtmedikamentöse Therapien:

• Informationsvermittlung – Schlafedukation

• Schlafrestriktion und Schlafkompression oder „Weniger ist Mehr“

• Stimulus-Kontrolle oder: "Das Bett ist nur zum Schlafen da...."

• Kognitive Therapie - „Anders denken lernen“

• Psychotherapien:

o Verhaltenstherapie

o Psychoanalyse

o Gesprächstherapie[7].

  

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5.4.2. Medikamente gegen Schlaflosigkeit

Schlafmittel sind sinnvoll, wenn es keine andere Möglichkeit gibt den Teufelskreis rund

um schlechten Schlaf und der Angst davor zu durchbrechen. Bei Patienten, die erheblich

unter ihrer Schlafstörung leiden und dringend einer Entlastung durch Verbesserung des

Schlafes bedürfen oder bei akuten Schlafstörungen die erst kurze Zeit andauernden (z.B.

als Folge eines Stressfaktors in Beruf, Familie oder durch Krankheit) kann sie ebenfalls

angebracht sein. Da durch sie kein physiologischer Schlaf herbeigeführt werden kann

sollten sie nur zur Überbrückung, dabei so kurz wie möglich und so niedrig dosiert wie

möglich, eingesetzt werden. Wird das Medikament abgesetzt, sollte dieses nie abrupt

geschehen und immer von nichtmedikamentösen Maßnahmen begleitet werden. In die-

sem Fall ist die Gefahr, dass eine im Krankenhaus begonnene medikamentöse Behand-

lung langfristig weitergeführt wird, nicht zu unterschätzen.

Auf der Intensivstation angewandte Substanzen zur Schlafinduktion:

• Benzodiazepine

o z.B. Lormetazepam, Flurazepam (Staurodorm®), Triazolam (Halcion®)

o Schlafmittel der ersten Wahl

o es gibt kurz- und langwirksame Benzodiazepine

o günstiges Verhältnis von Nutzen und Nebenwirkung

o bewirken im Gehirn, dass Hemm-Mechanismen in ihrer Wirkung verstärkt

werden (wichtigste bremsende Substanz ist die sog. Gamma-Amino-

Buttersäure (GABA), Benzodiazepine verstärken die Wirkung von GABA)

o Wirkungen: sedierend, hypnotisch, amnestisch, muskelrelaxierend, anxioly-

tisch, antikonvulsiv, antiaggressiv.

o Nebenwirkungen:

- Verminderung des Tiefschlafes, teilweise auch des REM-Schlafes

- muskelentspannende Wirkung (erhöhte Sturzgefahr in der Nacht)

- Atemsuppression (cave: bei Schlafapnoe, Lungenerkrankungen)

- Toleranzentwicklung, Abhängigkeits- und Suchtgefahr bereits nach

drei Wochen möglich (cave: bei Suchterkrankung in der Anamnese)

- mögliche Reboundinsomnie (Absetzinsomnie) mit häufig verstärkt

auftretender Schlafstörung, bei abruptem oder zu schnellem Absetzen

- paradoxe Reaktion möglich.

  

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• Benzodiazepinrezeptoragonisten

o z. B. Zopiclon, Zolpidem (Stilnox®), Zaloplon

o ideales Mittel zur Kurzzeitbehandlung von Schlafstörungen

o kurzwirksam

o wirken im Nervensystem am gleichen Wirkungsort wie Benzodiazepine

o Wirkungen: sedierend, hypnotisch (Haupteffekt liegt auf der schlafanstoßen-

den Komponente), muskelrelaxierend, anxiolytisch, antikonvulsiv, antiag-

gressiv

o Gewöhnungseffekte und Gefahr einer Abhängigkeit sollen wesentlich gerin-

ger ausgeprägt sein als bei Benzodiazepinen.

• Propofol (Disoprivan®)

o kurz wirksam, rascher Wirkungseintritt

o Wirkung: beruhigend, entspannend, euphorisierend, sexuell enthemmend

und aphrodisierend

o Nebenwirkungen: Bradykardie, Hypotension, Apnoe, Übelkeit und Erbre-

chen, Kopfschmerzen nach dem Erwachen

o wahrscheinlich keine körperliche, aber psychische Abhängigkeit

o für die Nutzung von Propofol zur Verbesserung des Schlafes bei kritisch

kranken Patienten gibt es keine polysomnographische Untersuchung.

• Alpha2-Adrenozeptoragonisten

o z.B. Clonidin

o bewirkt eine Senkung des Sympathikotonus

o Wirkungen: analgosedativ, anxiolytisch und antihypertensiv

o Nebenwirkungen: bradykarde Herzrhythmusstörungen, Blutdruckabfall,

Hemmung der gastrointestinalen Motilität

o Indikation: Basissedierung (insbesondere bei hypertensiven Intensivpatien-

ten), Therapie sympathikoadrenerg-stimulierter und paradoxer Aufwachreak-

tionen, Prophylaxe und Behandlung von Entzugssyndromen nach Langzeita-

nalgosedierung oder bei vorbestehendem Alkoholabusus, Reduktion des

postoperativen Shiverings

o eine adjuvante Therapie kann eine Dosisreduktion von Sedativa und Analge-

tika induzieren und damit deren Nebenwirkungen reduzieren.

  

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• Antidepressiva

o z. B. Trimipramin (Stangyl®), Doxepin, Amitriptylin

o Mittel der Wahl bei Schlafstörungen, die durch Depression hervorgerufen

werden als auch bei solchen, bei denen es im Laufe der Zeit zu einer ausge-

prägten ängstlich-depressiven Begleitsymptomatik gekommen ist

o da Patienten auf der Intensivstation häufig unter Angstzuständen und De-

pressionen leiden wird der Gebrauch von Antidepressiva immer wieder auch

für kritisch kranke Patienten erwogen

o Wirkungen: depressionslösend, stimmungsaufhellend, beruhigend-

dämpfend, aktivierend, antriebssteigernd, antriebsdämpfend

o Nebenwirkungen: Mundtrockenheit, Sehstörungen, Verstopfung, Blutdruck-

senkung, Herzrhythmusstörungen, Verwirrtheitszustände, Gewichtszunahme,

Libido- und Potenzverlust, Leberfunktionsstörungen

o Vorteile: geringeres Abhängigkeitspotential, keine Muskelrelaxation, können

das Ausschleichen eines Benzodiazepins unterstützen

o Nachteile: langwirksame Mittel, geringere schlafanstoßende Wirkung, viele

Nebenwirkungen, Möglichkeit der Gewöhnung bzw. Toleranzentwicklung,

Unterdrückung bzw. Verminderung des Traumschlafs (REM-Schlaf) mit

Ausnahme von Trimipramin (Stangyl®).

Weitere Substanzen die Schlaf induzieren können:

• Neuroleptika

o z. B. Melperon, Pipamperon, Levomepromazin

• Antihistaminika

o z. B. Diphenhydramin (Vivinox®), Doxylamin (Hoggar® N)

• Alkoholderivate

o z. B. Chloralhydrat (Chloraldurat®)

• pflanzliche Präparate

o z. B. Baldrian, Hopfen, Melisse

• endogene Substanzen

o z. B. L-Tryptophan (L-Tryptophan®), Melatonin

• Barbiturate

o z. B. Lepinal®, Luminal®, Luminaletten®, Phenaemal®.

  

38

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5.4.3. Pflegerische Maßnahmen zur Verbesserung der Schlafqualität von Intensiv-

patienten

Dem interdisziplinären Behandlungsteam der Intensivpatienten müssen die möglichen

Ursachen und die Relevanz von Schlafstörungen auf der Intensivstation bewusst sein,

damit diese gezielt vermieden und abgestellt werden können. Um eine gezielte Schlaf-

verbesserung von Intensivpatienten zu erreichen ist eine Strategie erforderlich, die Fak-

toren wie minimale Umgebungsreize, optimaler Beatmungsmodus, Anwendung von

schlaffördernden Sedativa und ein Vertrauens- und Sicherheitsgefühl des Patienten um-

fasst. Die Ermöglichung schneller Interventionen und die gleichzeitige Gewährleistung

des Patientenkomforts - zu dem auch die Erhaltung des Schlafs gehört - lassen sich nur

schwer miteinander vereinbaren. Dennoch sollte alles unternommen werden, um einen

guten Kompromiss zwischen Sicherheit und Ruhe der Patienten zu finden.

Um dieses Ziel zu erreichen sind folgende Maßnahmen notwendig:

• umfassende Information über den Patienten:

o um individuelle Bedürfnisse erkennen zu können

o mittels detaillierter Pflegeanamnese inklusive üblichem Tagesrhythmus und

Einschlafritualen erheben

- z. B. Schlafposition, Schlafzeiten und -dauer, Kleidung (Socken, warme

oder leichte Kleidung), komplett abgedunkelter Raum oder Nachtlicht,

geschlossene oder angelehnte Tür, gibt es störende oder beruhigende Ge-

räusche, Einschlafrituale (Zähneputzen, Hände waschen, Lesen, Radio

hören, kleiner Imbiss, Beten)[8]

• umfassende Information des Patienten:

o z. B. über pflegerische Tätigkeiten, medizinische Maßnahmen und Behand-

lungen, Tagesabläufe, -struktur, medizinische Geräte, mögliche Alarme,

Kontrollrhythmus/Überwachungsmaßnahmen, usw.

o damit sie sich mit einbezogen und ernstgenommen fühlen

o um innere Unruhe, Stress und Ängste abzubauen und Sicherheit zu geben.

  

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Page 40: Hausarbeit Schlaf und Schlafstörungen bei Patienten auf ... · PDF file1. Einleitung. Schlafstörungen bei Patienten auf der Intensivstation sind ein bedeutendes Problem, da sie zum

• Vertrauen schaffen:

o indem man den Patienten Schutz bietet, ihre Autonomie und Privatsphäre

bewahrt und sie auffängt, ohne ihnen Kontrolle über sich selbst zu nehmen

o damit sie sich sicher fühlen und den Kompetenzen und der Wachsamkeit der

Pflegenden vertrauen

o um ihnen zu helfen ihre momentane Abhängigkeit zu akzeptieren und sich

der Hilfe anderer überlassen.

• Tagesstrukturplan anlegen:

o diesen individuell den Bedürfnissen des Patienten anpassen, damit er für ihn

sinnvoll und nachvollziehbar erscheint

o darin körperliche sowie geistige Aktivitäts- und Ruhephasen planen

o eindeutige Ankerpunkte einfügen, denn gleichförmige immer wiederkehren-

de Aktivitäten können als eindeutige Orientierungspunkte zum einschätzen

der Zeit dienen

o um eine zeitliche Synchronisation mit der Umwelt zu ermöglichen und so

Sicherheit und Orientierung zu schaffen.

• Geräuschdämpfung:

o z. B. indem die Einstellung der Alarme verändert und deren Lautstärke redu-

ziert wird, Perfusoren frühzeitig gewechselt werden und Ärzte und Pflege-

personal auf die Lautstärke ihrer Gespräche achten.

• Lichtdämpfung:

o indem die Beleuchtung in der Nacht verdunkelt wird

o trägt zum Erhalt des Melatonin-Sekretionszyklus bei.

• Beschränkung therapeutischer Maßnahmen:

o indem während der Nacht nur die absolut notwendigen therapeutischen

Maßnahmen durchgeführt werden.

• Verwendung von Uhren:

o kann Patienten dabei helfen, den zirkadianen Zyklus wieder wahrzunehmen.

• Synchronisation mit dem Beatmungsgerät:

o indem für jeden Patienten individuell die komfortabelste Beatmungsform

ermittelt wird

o um in der Nacht eine Erholungsphase zu ermöglichen.

  

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Page 41: Hausarbeit Schlaf und Schlafstörungen bei Patienten auf ... · PDF file1. Einleitung. Schlafstörungen bei Patienten auf der Intensivstation sind ein bedeutendes Problem, da sie zum

• Rückzug ermöglichen:

o z.B. durch Abschirmung mit Hilfe von Paravents.

• gezielter Einsatz von Musik:

o kann zur Entspannung in der Einschlafphase hilfreich sein

o um die Schlafqualität von kritisch kranken Patienten zu verbessern und eine

Reduktion der Schmerzen und des Sedativabedarf zu erreichen[4][5]

• verbesserte Schmerzbehandlung

Folgende Maßnahmen können ebenfalls hilfreich sein:

• Mobilisation auf die Bettkante mit beruhigendem Fußbad

• Mobilisation um das Zu-Bett-gehen neu zu beginnen

• atemstimulierende Einreibung

• beruhigende Einreibung/Massage mit Lotion an den Händen, Unterarmen oder Un-

terschenkeln

• Förderung der Geborgenheit (Nestgefühl) durch Lagerungshilfsmittel entlang der

Körpergrenzen

• Betthimmel um Privatsphäre zu schaffen und Lichteinfall z.B. durch Monitore zu

dämpfen

• Förderung eines wohligen Körpergefühls durch vorgewärmte Tücher oder Socken

• dem Patienten die Sicherheit vermitteln, dass jemand da ist wenn er Hilfe benötigt,

indem Zeichen verabredet werden (z. B. Fingerclip abnehmen, Patientenklingel).

  

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8. Fallbeispiel - Teil 2

Erste Nacht

Im Rahmen der Dienstübergabe wurde mir mitgeteilt, dass das Remergil® (Mirtazapin)

30mg, welches der Patient bereits seit einigen Tagen buccal als Nachtmedikation er-

hielt, nicht den gewünschten beruhigenden Effekt gehabt hatte. Nach Rücksprache mit

dem diensthabenden Arzt erhielt Herr I. zusätzlich eine Melatonin-Kapsel 5mg p.o.

(per os), zur Unterstützung der Einschlafphase.

Im Verlauf der Nacht war bei Herrn I. eine zunehmende motorische Unruhe zu beo-

bachten. Er nestelte an der Bettdecke und den Zugängen. Die Umgebung der Intensiv-

station schien ihn zunehmend zu irritieren, denn er griff in die Luft und schrieb auf

Nachfrage das Wort „Monteur“ auf. Durch weiteres Nachfragen erfuhr ich, dass er ver-

suchte die Infusionshalterungen, welche an der Zimmerdecke in einer ovalen Schiene

über dem Bett aufgehängt waren, zu erreichen. Er hatte Angst, dass ihm diese auf den

Kopf fallen könnten und brauchte aus diesem Grund einen Monteur.

Um ihn in unruhigen Phasen zu beruhigen und ihm Sicherheit zu vermitteln, blieb ich in

seiner Nähe (am Bett). Ich erklärte ihm seine Situation, die Umgebung und versicherte

ihm, dass die Infusionshalterungen gut befestigt seien.

Im Verlauf der Nacht sah ich die Pflegeberichte, neurologische und respiratorische Ver-

läufe der letzten drei Tage durch. Dabei stellte ich fest, dass sich die Ruhephasen in

diesem Zeitraum auf ca. drei beschränkten, welche jeweils nicht länger als 60 Min. wa-

ren. Des Weiteren schien der Wechsel zwischen den verschiedenen Beatmungsmodi

wahllos und unstrukturiert erfolgt zu sein. Herr I. hatte längere Phasen HF-CPAP

(High-Flow - Continuous Positive Airway Pressure) geatmet und danach deutliche Er-

schöpfungszeichen gezeigt. Diese äußerten sich als Tachypnoe mit Atemfrequenzen von

35-40/Min., Unruhe und deutlich sichtbar angestrengter Atmung. Die BGA zeigte dar-

unter folgende Werte: pH 7,430, pCO2 35,8mmHg, pO2 53,6mmHg, sO2 89,2%. Um

eine klare Struktur zwischen Aktivitäts- und Ruhephasen zu schaffen, entwarf ich einen

vorläufigen Tagesstrukturplan, welcher den Verlauf des respiratorischen Weaning mit

beinhaltete. Dies sollte dazu dienen, einen normalen Tag-Nacht-Rhythmus für den Pati-

enten zu schaffen und eine Provokation von respiratorischer Erschöpfung durch zu lan-

ge HF-CPAP Phasen zu vermeiden. Anhand entsprechender Rückmeldung durch Kolle-

gen des Tagdienstes und meinen Beobachtungen, konnte dieser täglich überarbeitet und

so den Bedürfnissen des Patienten angepasst werden.

  

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Um eine Strategie zum Erlangen der Ziele zurecht legen zu können, befragte ich den

Patienten zu seinen Schlafgewohnheiten und eventuellen Einschlafritualen. Folgend

holte ich mir Rat bei erfahrenen Kollegen und studierte entsprechende Literatur.

Da diese Nacht für den Patienten bis auf drei kurze Phasen von jeweils ca. 45 Min.

Länge, in denen er zu ruhen schien, fast schlaflos blieb, erhielt ich eine Bestätigung der

Dringlichkeit meines Vorhabens.

Zweite Nacht

In der Übergabe zum zweiten Nachtdienst wurde mir berichtet, dass der Patient wäh-

rend des Tages zunehmend unruhiger geworden war, zeitlich, örtlich und situativ nicht

mehr voll orientiert zu sein schien und sich den arteriellen Zugang gezogen habe. Aus

diesen Gründen sei es vorübergehend notwendig gewesen ihn, nach Rücksprache mit

dem behandelnden Arzt, zu seinem Schutz an den Händen zu fixieren. Da Herr I. wäh-

rend des Aufenthaltes auf der Intensivstation lange Zeit Medikamente zur Sedierung

erhalten hatte, war eine dadurch bedingte Entzugssymptomatik nicht auszuschließen.

Nach Abwägung von Wirkung und Nebenwirkungen, war zur Dämpfung der sympathi-

schen Hyperaktivität (emotionale Überreaktion) eine Therapie mit Paracefan® (Cloni-

dinhydrochlorid) 1,5mg/50ml als Perfusor begonnen worden. Der Perfusor lief derzeit

auf 2ml/h. Clonidin ist ein Alpha2-Adrenozeptoragonist, welches den Sympathikotonus

senkt und analgosedativ, anxiolytisch und antihypertensiv wirkt.

Weiter wurde mir berichtet, dass der Patient für eineinhalb Stunden in die Thekla® mo-

bilisiert worden war.

Das Patientenzimmer war bereits im Spätdienst abgedunkelt, die elektrischen Jalousien

geschlossen worden. Herr I. rutschte ruhelos in seinem Bett hin und her und er zog an

seinen Fixierungen.

Um meine Orientierungshilfen zu unterstützen und da ich wusste, dass der Patient übli-

cherweise nie vor 23 Uhr schlafen ging, erhellte ich das Zimmer zunächst wieder. Herr

I. sollte mich und seine Umgebung genau ansehen können. Ich stellte mich bei Herrn I.

vor, nannte Uhrzeit und Datum und erklärte ihm wo er sich befand und warum er auf

der Intensivstation war. Damit er die Uhrzeit selbst lesen konnte, hängte ich die Wand-

uhr an den Paravent, in das Blickfeld des Patienten. Im Rahmen meines Check-up stellte

ich die Lautstärke der Alarme des Monitors so leise und die Alarmgrenzen so

  

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hoch/niedrig wie eben möglich ein, damit der Patient so wenig wie möglich gestört

wurde. Um weitere störende Geräusche durch Alarme zu vermeiden, wechselte ich wäh-

rend der gesamten Nacht frühzeitig alle laufenden Infusionen und Perfusorspritzen.

Als nächstes erklärte ich dem Patienten, dass er nicht an seinen Zugängen und den Ka-

beln des Monitoring ziehen durfte. Da er kooperativ schien, löste ich die Handfixierun-

gen um seine Eigenmobilität zu unterstützen und eine Vertrauensbasis zwischen uns zu

schaffen. Um seine Sicherheit zu gewährleisten, beobachtete ich sein Verhalten wäh-

rend der gesamten Nacht genau.

Zur Förderung seines Wohlbefindens und als persönliches Ritual vor dem Einschlafen,

führte Herr I. seine Gesichts- und Mundpflege mit etwas Unterstützung, auf der Bett-

kannte sitzend durch. Dieses Vorgehen sollte auch die Gelegenheit bieten, das Zu-Bett-

gehen noch einmal neu zu beginnen.

An diesem Abend verzichtete ich auf eine konventionelle Lagerung des Patienten. Herr

I. verfügte bekanntlich über ausreichend Eigenmobilität, konnte ohne Probleme kleine

Lagewechsel selbständig durchführen und seine Auflageflächen waren intakt. Um sich

auf die rechte Seite, seine Einschlafseite, zu drehen bedurfte er keiner Hilfe. Ich bot ihm

jedoch an, ihn jederzeit auf Wunsch in seinen Bewegungen und seiner Lage durch Kis-

sen und Hilfsmittel zu unterstützen. Um ihm eine gewisse Geborgenheit, ein Nestge-

fühl, zu geben und ihn nicht verloren zwischen den Bettgittern liegen zu lassen, legte

ich rechts und links zusammengerollte Bettdecken an die Bettränder. Die Montage von

Bettgittern war auf dieser Station eine oberärztliche Anordnung und hatte bei allen Pati-

enten zu erfolgen. An einer Infusionshalterung über dem Bett befestigte ich ein Bettla-

ken, sodass er als Betthimmel diente. Zuhause schlief Herr I. immer ganz abgedunkelt

und sollte somit zusätzlich vor störendem Lichteinfall geschützt werden. Um dem Pati-

enten ein warmes und wohliges Körpergefühl zu geben, wickelte ich seine kalten Füße

in vorgewärmte Tücher. Da er normalerweise nachts im Bett Socken trug, hielt ich mei-

nen Kollegen des Frühdienstes an, die Ehefrau zu bitten ein Paar mitzubringen. Auf

Wunsch des Patienten gab ich ihm ein normales Steppbett als Bettdecke und stellte die

Raumtemperatur auf, für ihn angenehme, 19°C ein.

Herr I. atmete derzeit noch HF-CPAP mit Atemfrequenzen um 23/Min. und hatte eine

periphere Sauerstoffsättigung von 98%. Zu Beginn der Nachtruhe, gegen 23.30 Uhr,

verband ich den Patienten mit dem Respirator und ließ ihn BIBAP/ASB atmen, da er

sich auf diese unterstützenden Beatmung gut einstellen und sich fallen lassen konnte. In

  

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dem von mir entworfenen Weaningplan, war die Nacht als Ruhe- und Erholungsphase

geplant. Dies sollte den Schlafkomfort verbessern und ihn Kraft schöpfen lassen.

Um dem Patienten Sicherheit zu vermitteln, versicherte ich ihm, dass ich gut auf ihn

achten und regelmäßig nach ihm schauen würde. Um ihn nicht unnötig zu stören, würde

ich versuchen dabei so leise wie möglich zu sein und ihn so weit wie möglich in Ruhe

zu lassen. Als Zeichen, dass er etwas benötigte, verabredeten wir das Lösen des Pulso-

xymetrie-Clip vom Finger. Nachdem ich mich versichert hatte, dass der Patient keine

Wünsche mehr hatte, bequem lag, gut Luft bekam und keine Schmerzen hatte, wünschte

ich ihm eine gute Nacht. Das Licht im Zimmer und im Vorraum löschte ich und ließ die

Tür zum Zimmer auf Wunsch des Patienten einen kleinen Spalt offen.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich alle notwendigen pflegerischen Tätigkeiten durchgeführt,

um dem Patienten eine weitestgehende Einhaltung der Nachtruhe zu ermöglichen.

Die während der Nacht notwendigen Maßnahmen versuchte ich genau zu planen, meh-

rere miteinander zu kombinieren und so die Zahl der Störungen, so gering wie möglich

zu halten. In diesem Sinne versuchte ich auch die Aktivitäten der anderen Mitarbeiter

des multiprofessionellen Teams auf der Intensivstation zu koordinieren, traf z. B. ent-

sprechende Absprachen mit den behandelnden Anästhesisten und Allgemeinchirurgen.

Ergebnis

Während der Nacht waren nur kurze Unterbrechungen notwendig geworden, z. B. bei

der Blutabnahme zur BGA Kontrolle oder zur Verabreichung der Antibiotika. Er hatte

sich einige Male zur Unterstützung eines Lagewechsels gemeldet. Insgesamt konnte er

mehrere und längere Phasen schlafen und machte am nächsten Morgen einen ruhigeren

und gelasseneren Eindruck.

Nachdem diese Strategie in den folgenden Nächten weiter verfolgt wurde zeigten sich

positive Auswirkungen. Herr I. erlangte einen relativ normalen Tag-Nacht-Rhythmus

und lies sich nicht mehr so sehr durch die Aktionen auf der Intensivstation stören und

irritieren.

Das Konzept sah vor, eine ruhige, vertrauensvolle und angenehme Situation für den

Patienten zu schaffen und ihm so die Ruhe zur Erholung zu geben. Zum Erfolg verhilft,

die Beachtung der individuellen Bedürfnisse des Patienten und die Minimierung sowie

Strukturierung der Maßnahmen während der Nachtruhe.

  

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6. Schlussfolgerung

Meine Idee war es, die Bedeutung von Schlafstörungen und Schlafmangel bei Patienten

auf der Intensivstation zu verdeutlichen und Möglichkeiten zur Förderung der Schlaf-

qualität und -quantität in dieser speziellen Umgebung aufzuzeigen.

Es entstand eine komplexe Arbeit, in der neben praktischen Hinweisen zur Unterstüt-

zung des Schlafkomforts, Fakten und Zusammenhänge zwischen dem physiologischen

Schlaf, Schlafstörungen und deren mögliche Auswirkung auf die physiologischen Funk-

tionen und die Psychologie des Intensivpatienten zum Ausdruck gebracht werden.

Der mit Abstand schwierigste Teil war die Recherche für diese Arbeit, da ich die Fülle

von Informationen, die es zu diesem Thema gibt, auf wenige Seiten zusammenzufassen

musste.

Es wird verdeutlicht, dass Schlafstörungen bei Intensivpatienten ein relevanter Stress-

faktor sind und möglicherweise zu einer Verschlechterung des Patientenoutcomes füh-

ren können.

Um die exogenen Ursachen gezielt zu vermeiden und so eine Schlafverbesserung für

Intensivpatienten zu erreichen, werden verschiedene Möglichkeiten zur bewussten Ges-

taltung von Schlafmöglichkeiten bzw. umwelthygienische Maßnahmen vorgestellt.

Die Ausführung scheint bei Beachtung der Ursachen recht einfach. Dabei ist zu beach-

ten, dass sie ein klares Zeitfenster für Ruhe z. B. mit Reduktion der Alarmintensität,

Verdunkelungsmöglichkeit, gedämpfter Kommunikation des Personals und Adaptation

der mechanischen Ventilation umfassen sollten. Weiter sollten sie individuell nach den

Bedürfnissen des Patienten ausgewählt, kontinuierlich und strukturiert ausgeführt wer-

den um das Gefühl von Sicherheit und Vertrauen zu vermitteln.

Ich glaube, dass man mit relativ einfachen Maßnahmen, dem Patienten einen angeneh-

meren Schlaf ermöglichen kann und dass Schlafförderung gerade im Bereich der Inten-

sivstation ein wichtiger Bestandteil pflegerischer Arbeit sein sollte.

Es würde mich freuen, wenn diese Arbeit Pflegende anregt, ihre Pflegepraxis zu reflek-

tieren, um so Änderungen zu bewirken und einen weiteren kleinen Schritt in Richtung

ganzheitliche und individuelle Patientenversorgung zu gehen.

  

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Literaturverzeichnis

Verwendete Literatur

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Gelesene Literatur

Zeitschriften

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2. Schrader D, Schrader N. Lärm auf der Intensivstation und dessen Auswirkungen

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4. Müller T H Dr. phil.: Ein Informationsangebot für alle, die mit Schlafstörun-

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Zitatverzeichnis

Schopenhauer A: "Der Schlaf ist für den ganzen Menschen,

was das Aufziehen für die Uhr" (Quelle: http://www.schlafgestoert.de/site-53.html)

Dubois P: „Der Schlaf ist wie eine Taube: streckt man die Hand ruhig nach ihr aus,

setzt sie sich drauf; greift man nach ihr, fliegt sie weg.“ (Quelle: www.schlaf-

medizin.de (Anekdoten)

  

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