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1 Haus der Wannsee-Konferenz Raum 4 – Rassistische Politik und Judenverfolgung in Deutschland 1933 - 1939k Am 30. Januar 1933 ernannte Reichspräsident Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler. Die nationalsozialistische Politik richtete sich von Anfang an gegen alle Bevölkerungsgruppen, die nicht den Normen der „Volksgemeinschaft“ entsprachen. Neben der Ausschaltung politischer Gegner konzentrierte sich das NS-Regime auf die Ausgrenzung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung. Auf Terror und Boykott folgten Rechts- und Verwaltungsvorschriften. „Arierparagraphen“ drängten Juden aus Berufen im öffentlichen Dienst. Die Nürnberger Gesetze von 1935 verboten Eheschließungen zwischen Juden und „Deutschblütigen“. Auf ihrer Grundlage wurde definiert, welche Personen als Juden galten. Nach dem Novemberpogrom von 1938 wurde die Ausschaltung der Juden aus dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben systematisch beschleunigt. Auf diese Weise sollten sie zur Auswanderung gezwungen werden. Im September 1933 wurde mit der Reichsvertretung der deutschen Juden erstmals eine gemeinsame Organisation gegründet. Diese sah ihre Aufgabe vor allem in der Selbsthilfe. Sie richtete Schulen und Ausbildungsstätten ein, erweiterte das Wohlfahrtswesen und förderte die Auswanderung. Nur wenige Staaten waren zur Aufnahme mittelloser Flüchtlinge bereit. Auf Initiative von US-Präsident Roosevelt fand im Juli 1938 im französischen Evian eine internationale Flüchtlingskonferenz statt. Dort zeigten die möglichen Aufnahmeländer keine Bereitschaft, ihre Einwanderungsquoten zu erhöhen. Seit Kriegsbeginn gaben die nationalsozialistischen Machthaber die Hemmungen auf, ihre rassistischen Vorstellungen auf äußerst radikale Weise umzusetzen. Behinderte und Kranke wurden durch Giftgas in „Euthanasie“-Anstalten ermordet. 4.1. „Volksgemeinschaft“ durch Ausgrenzung Die nationalsozialistische „Volksgemeinschaft“ versprach gleichermaßen materiellen Wohlstand und soziale Sicherheit. Mit Gründungen von Wohlfahrtsorganisationen sollten sozialpolitische Versprechen eingelöst werden. Politische Gegner wurden aus der Gemeinschaft ausgeschlossen und verfolgt. Die Propagierung der „Volksgemeinschaft“ als „Rassegemeinschaft“ richtete sich vor allem gegen Juden. Zahlreiche Verordnungen verboten ihnen den Besuch von öffentlichen Einrichtungen. Kinderbücher, Zeitungen und Spielfilme transportierten antisemitische Vorurteile und schürten Rassenhass. Jungmädel werben für den Eintritt in die Hitlerjugend, undatiert (BA Koblenz)

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Haus der Wannsee-Konferenz

Raum 4 – Rassistische Politik und Judenverfolgung in Deutschland 1933 - 1939k Am 30. Januar 1933 ernannte Reichspräsident Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler. Die nationalsozialistische Politik richtete sich von Anfang an gegen alle Bevölkerungsgruppen, die nicht den Normen der „Volksgemeinschaft“ entsprachen. Neben der Ausschaltung politischer Gegner konzentrierte sich das NS-Regime auf die Ausgrenzung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung. Auf Terror und Boykott folgten Rechts- und Verwaltungsvorschriften. „Arierparagraphen“ drängten Juden aus Berufen im öffentlichen Dienst. Die Nürnberger Gesetze von 1935 verboten Eheschließungen zwischen Juden und „Deutschblütigen“. Auf ihrer Grundlage wurde definiert, welche Personen als Juden galten. Nach dem Novemberpogrom von 1938 wurde die Ausschaltung der Juden aus dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben systematisch beschleunigt. Auf diese Weise sollten sie zur Auswanderung gezwungen werden. Im September 1933 wurde mit der Reichsvertretung der deutschen Juden erstmals eine gemeinsame Organisation gegründet. Diese sah ihre Aufgabe vor allem in der Selbsthilfe. Sie richtete Schulen und Ausbildungsstätten ein, erweiterte das Wohlfahrtswesen und förderte die Auswanderung. Nur wenige Staaten waren zur Aufnahme mittelloser Flüchtlinge bereit. Auf Initiative von US-Präsident Roosevelt fand im Juli 1938 im französischen Evian eine internationale Flüchtlingskonferenz statt. Dort zeigten die möglichen Aufnahmeländer keine Bereitschaft, ihre Einwanderungsquoten zu erhöhen. Seit Kriegsbeginn gaben die nationalsozialistischen Machthaber die Hemmungen auf, ihre rassistischen Vorstellungen auf äußerst radikale Weise umzusetzen. Behinderte und Kranke wurden durch Giftgas in „Euthanasie“-Anstalten ermordet. 4.1. „Volksgemeinschaft“ durch Ausgrenzung Die nationalsozialistische „Volksgemeinschaft“ versprach gleichermaßen materiellen Wohlstand und soziale Sicherheit. Mit Gründungen von Wohlfahrtsorganisationen sollten sozialpolitische Versprechen eingelöst werden. Politische Gegner wurden aus der Gemeinschaft ausgeschlossen und verfolgt. Die Propagierung der „Volksgemeinschaft“ als „Rassegemeinschaft“ richtete sich vor allem gegen Juden. Zahlreiche Verordnungen verboten ihnen den Besuch von öffentlichen Einrichtungen. Kinderbücher, Zeitungen und Spielfilme transportierten antisemitische Vorurteile und schürten Rassenhass.

Jungmädel werben für den Eintritt in die Hitlerjugend, undatiert (BA Koblenz)

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Illustrierter Beobachter, 3. Dezember 1936 (GHWK Berlin)

Lagerkommandant Theodor Eicke spricht vor Häftlingen im Konzentrationslager Dachau, 1933 (BA Koblenz) Am 22. März 1933 richtete die SS nordwestlich von München das Konzentrationslager Dachau ein. Lagerkommandant Theodor Eicke entwickelte ein Organisationskonzept, das als Vorbild für das nationalsozialistische Lagersystem im Reich diente. Als Inspekteur der Konzentrationslager ließ Eicke bis 1939 fünf große Lager errichten: Sachsenhausen, Buchenwald, Flossenbürg, Mauthausen und das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück.

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Der Stürmer, Sondernummer Ritualmord, Mai 1939

Die Wochenzeitung "Der Stürmer" wurde 1923 von Julius Streicher gegründet. Bis 1944 erreichte die Zeitung eine Auflage von 400.000 Exemplaren. Öffentliche Schaukästen an belebten Plätzen steigerten zusätzlich die Verbreitung. Im Mai 1939 wiederholte "Der Stürmer" eine Ritualmordbeschuldigung aus dem 15. Jahrhundert. Juden hätten in Regensburg christliche Kinder umgebracht. Deren Blut hätten sie für ihre religiösen Riten verwendet. (GHWK Berlin)

Werbeplakat der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt, undatiert (DHM Berlin)

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Kennzeichen der unterschiedlichen Häftlingsgruppen, Stand 1940/41 (ITS Bad Arolsen)

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4.2. Verdrängung aus dem öffentlichen Leben Der Boykott vom 1. April 1933 war die erste staatlich gelenkte Maßnahme gegen die jüdische Bevölkerung. Uniformierte SA-Männer postierten sich vor jüdischen Geschäften, Arztpraxen und Anwaltskanzleien und hinderten die Kunden am Betreten. Das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 verband als erstes Gesetz politische mit rassenpolitischer Ausgrenzung. Oppositionelle Beamte wurden entlassen, Beamte „nicht arischer“ Abstammung in den Ruhestand versetzt. Die Bestimmungen des Gesetzes wurden bald auch auf weitere Berufsgruppen übertragen

Von Richard Stern verfasstes Flugblatt gegen den Boykott, 1. April 1933 (Privatbesitz) Der ehemalige Frontkämpfer Richard Stern stellte sich am Tag des Boykotts demonstrativ mit seinen Auszeichnungen aus dem Ersten Weltkrieg vor sein Bettwaren-Geschäft in Köln. Unter der Überschrift “An alle Frontkameraden und Deutsche!” hatte Stern das selbstverfasste Flugblatt drucken und verteilen lassen. Stern wurde am Nachmittag verhaftet, aber noch am selben Abend wieder entlassen.

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4.3. Die Nürnberger Gesetze

Die Nürnberger Gesetze vom 15. September 1935 verboten Eheschließungen zwischen Juden und „Deutschblütigen“. Außereheliche Geschlechtsbeziehungen zwischen ihnen wurden als „Rassenschande“ kriminalisiert. Diese Bestimmungen wurden auch auf die als Zigeuner verfolgten Sinti und Roma angewendet. Die Gesetze bildeten die Grundlage für unzählige Anordnungen und Maßnahmen, die den Juden alle Rechte nahmen und ihnen die Existenzgrundlage entzogen.

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Übersichtstafel zur Erläuterung der am 15. September 1935 verabschiedeten Nürnberger Gesetze (DHM Berlin)

Anprangerung von „Rasseschändern“, Norden Juli 1935 (StA Aurich)

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Demütigung einer „Rasseschänderin“, Norden, Juli 1935 (StA Aurich)

4.4. Jüdische Selbstbehauptung Auf Ausgrenzung und Verfolgung reagierten jüdische Organisationen mit vielfältiger Selbsthilfe. Die Reichsvertretung der deutschen Juden versuchte, die Interessen der jüdischen Bevölkerung gegenüber den neuen Machthabern zu vertreten. Die Jüdische Winterhilfe versorgte Bedürftige mit Kleidern, Lebensmitteln und Heizmaterial. Zionistische Organisationen erlebten einen enormen Mitgliederzuwachs. Sie veranstalteten Ausbildungskurse zur Vorbereitung auf die Emigration. Den Unterricht für Kinder und Jugendliche sicherten jüdische Schulen. Jüdische Sportvereine bauten einen eigenen Sportbetrieb auf. Der Jüdische Kulturbund bot entlassenen Künstlerinnen und Künstlern eine neue Beschäftigung.

Schüler und Schülerinnen der Joseph Lehmann Schule, Berlin 1936i

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Der Vorsitzende Leo Baeck (stehend) bei einer Sitzung des Präsidialausschusses der Reichsvertretung der deutschen Juden, 1933/34 (Bildarchiv Pisarek, Berlin)

Rabbinerin Regina Jonas kurz nach ihrer Ordination im Dezember 1935 Regina Jonas war die erste ordinierte Rabbinerin weltweit. Sie unterrichtete Religionslehre an Schulen der jüdischen Gemeinde in Berlin, übernahm die seelsorgerische Betreuung in sozialen Einrichtungen und hielt Vorträge zu verschiedenen theologischen Themen. Im November 1942 wurde Regina Jonas in das Ghetto Theresienstadt, im Dezember 1944 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

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4.5. Flucht und Vertreibung

Die Politik der NS-Regierung zielte zunächst darauf, die jüdische Bevölkerung durch Ausgrenzung und Entrechtung zur Auswanderung zu bewegen. Doch zunehmende Verarmung und unzählige Reglementierungen behinderten zugleich die Auswanderung. Unmittelbar nach dem „Anschluss“ Österreichs im März 1938 wurden alle antijüdischen Bestimmungen auf das Land übertragen. Durch Terror und massiven Druck sollten die dortigen Juden zur sofortigen Auswanderung gezwungen werden. Doch immer weniger Länder waren bereit, sie aufzunehmen. Die Flüchtlingskonferenz von Evian im Juli 1938 blieb erfolglos.

Mitarbeiter von SD und Gestapo vor einer Hausdurchsuchung in der jüdischen Gemeinde im Hof des Wiener Innenministeriums, 18. Mai 1938 (DHM Berlin)

Im August 1938 wurde in Wien die „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ eingerichtet. Adolf Eichmann hatte als Leiter die Aufgabe, die Auswanderung der Juden zu forcieren und zu koordinieren. Nach dem Wiener Vorbild entstand im Januar 1939 in Berlin die „Reichszentrale für jüdische Auswanderung“ unter Reinhard Heydrich.

Warteschlange vor dem Reisebüro "Palestine & Orient Lloyd" in Berlin, 1938 (Bildarchiv Pisarek, Berlin)

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Adolf Eichmann an das SD-Hauptamt über die Vertreibung der Juden aus Österreich, 21. Oktober 1938 (BA Berlin)

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Hermann Göring an den Reichsminister des Innern Wilhelm Frick, über die Gründung der „Reichszentrale für jüdische Auswanderung“, 24. Januar 1939 (BA Berlin

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Ankunft jüdischer Kinder in London, 2. Februar 1939 (IfZ Wien) Nach dem Novemberpogrom erklärte die britische Regierung ihre Bereitschaft zur Aufnahme von 10.000 jüdischen Kindern. Zwischen Dezember 1938 und August 1939 verließen Kindertransporte Berlin, München, Frankfurt, Wien und Prag nach England. Nach ihrer Ankunft wurden die Kinder in englischen Familien und Kinderheimen untergebracht.

Der Stürmer, Sondernummer „Madagaskar“, 1938 Die französische, britische und polnische Regierung spielten in der Zwischenkriegszeit mit dem Gedanken, die europäischen Juden auf der südostafrikanischen Insel Madagaskar anzusiedeln. Polen sandte 1937 ein Expertenteam aus, das die mögliche Ansiedlung der polnischen Juden auf der Insel erkundete. Diese Pläne erregten auch die Aufmerksamkeit der NS-Propaganda. (GHWK Berlin)

4.6. Der Novemberpogrom

Ende Oktober 1938 deportierte die Gestapo etwa 17.000 Juden polnischer Staatsangehörigkeit an die deutsche Ostgrenze. Am 7. November 1938 verübte Herschel Grynszpan, dessen Familie unter den Abgeschobenen war, ein Attentat auf einen deutschen Diplomaten in Paris. Dessen Tod nahmen Hitler und Propagandaminister Joseph Goebbels zum Anlass, einen reichsweiten Pogrom zu initiieren. In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 zerstörten und verwüsteten SA- und SS-Männer in Zivil Synagogen und Geschäfte. Dabei verloren etwa 100 Juden ihr Leben. Etwa 30.000 Juden wurden in Konzentrationslager eingewiesen. Für die Schäden der Pogromnacht mussten die Juden selbst aufkommen. Zusätzlich wurde der jüdischen Bevölkerung eine „Sühneleistung“ von einer Milliarde Reichsmark auferlegt. Unmittelbar nach dem Novemberpogrom wurden etwa 30.000 jüdische Männer von Polizei und Gestapo mit Hilfe vorbereiteter Listen verhaftet und in die Konzentrationslager Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen verschleppt. Nur wer seine bevorstehende Ausreise aus dem Deutschen Reich nachwies, konnte auf eine schnelle Entlassung hoffen.

Berliner Lokal-Anzeiger, 13. November 1938 "Göring verordnet: Eine Milliarde Sühneleistung der Juden in Deutschland"

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Fernschreiben des Gestapochefs Heinrich Müller an alle Stapoleitstellen und Stapostellen "Betr.: Verhalten und Aufgaben während des Pogroms", 9. November 1938 MT, XXV)

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Zerstörung der Synagoge in Euskirchen am Nachmittag des 10. November 1938 (StadtA Euskirchen)

Zeitungsannonce zur "Arisierung" des Berliner Leinenhauses Grünfeld, Oktober 1938 (LBI New York)

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Rundschreiben von Hermann Göring über die geplante Einrichtung von "Judenhäusern", 9. Februar 1939 (Seite 1) (Sammlung Haney, Berlin)

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4.8. Rassistische Politik und Krankenmord

Die nationalsozialistische Rassenpolitik richtete sich auch gegen andere Minderheiten. Die „Reinheit der Rasse“ sollte durch gezielte Auslese bewahrt werden. Humangenetiker und Anthropologen erstellten “rassebiologische Gutachten”. Pseudowissenschaftliche Vermessungen und Untersuchungen sollten angebliche Rassen-unterschiede belegen.

"Neues Volk - Kalender des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP, 1938"

"60.000 RM kostet dieser Erbkranke die Volksgemeinschaft auf Lebenszeit. Volksgenosse das ist auch Dein Geld" Plakat um 1938 (DHM Berlin)

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Propagandablatt zur nationalsozialistischen Rassentheorie, um 1935 (DHM Berlin)

Die Vorbereitung zur systematischen Erfassung aller geistig und körperlich Behinderten sowie psychisch Kranken in Heil- und Pflegeanstalten begann 1938. Nach dem Überfall auf Polen erteilte Hitler den Auftrag zu ihrer systematischen Ermordung.

Rassenhygienische Untersuchung zur Feststellung der Augenfarbe, 1937 (GHWK) Im November 1936 wurde am Reichsgesundheitsamt das “Rassen-hygiene“-Institut unter der Leitung des Tübinger Kinder- und Nervenarztes Robert Ritter eingerichtet. Das Institut sammelte Daten der rund 30.000 in Deutschland lebenden Sinti und Roma. Sie sollten in Arbeitslagern isoliert werden und durch Sterilisation aussterben.

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Reichsleiter Dr. Bouhler und Dr. med. Brandt sind unter Verantwortung beauftragt, die Befugnisse namentlich zu bestimmender Ärzte so zu erweitern, dass nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranken bei kritischster Beurteilung ihres Krankheitszustandes der Gnadentod gewährt werden kann.

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