Hans-Peter Korn · 2013. 9. 17. · gemß dem Duden-Fremdwrterbuch – „behnde, flink, ge-wandt,...

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Hans-Peter Korn Agile Konzepte - Leseprobe -

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  • Hans-Peter Korn

    Agile Konzepte

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  • ISBN 978-3-8249-1760-0

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  • Agile Konzepte

    Ausgehend von der Frage: Warum �ber-haupt agil? wird gezeigt, dass es darumgeht, mit Unplanbarkeit und Komplexit�tumzugehen, statt sie beherrschen zu wol-len. Nach einer Darstellung der Vieldeu-tigkeit des Begriffs „agil“ wird eine Reiheheute verbreiteter agil genannter Konzep-te und Praktiken anhand exemplarischerBeispiele vorgestellt. Im einzelnen sinddies: Konzepte und Praktiken des agilenEntwickelns von Software (eXtreme Pro-gramming (XP)), Konzepte und Praktiken

    des agilen Managements von Projekten(PRINCE2, Dynamic Systems Develop-ment Method (DSDM/DSDM Atern)),Konzepte und Praktiken der agilen Neu-und Weiterentwicklung und Wartung vonProdukten (Scrum, KANBAN/Kanban,Scaled Agile Framework for Enterprise(SAFe)) und „agile“ Organisation.

    Autor: Hans-Peter KornE-Mail: [email protected]

    1 Warum �berhaupt agil? –Die Herausforderungen

    Agil zu sein ist unbestritten attraktiv: Wer will denn nicht –gem�ß dem Duden-Fremdw�rterbuch – „beh�nde, flink, ge-wandt, regsam, gesch�ftig“ sein? Wer will als das Gegenteilvon agil im Sinn seines lateinischen Ursprungs (agilis, abge-leitet von agere) gesehen werden, als nicht handelnd oderunbeweglich? Langsamkeit und M�ßiggang (als sprichw�rt-licher Anfang aller Laster) sind sp�testens seit Martin Lutherverp�nt. Er schrieb: „Von Arbeit stirbt kein Mensch, aber vonLedig- und M�ßiggehen kommen die Leute um Leib und Le-ben; denn der Mensch ist zum Arbeiten geboren wie der Vogelzum Fliegen.“

    Wieso aber, obwohl „beh�nde, flink, gewandt, regsam, ge-sch�ftig“ immer schon erstrebenswert war, ist Agilit�t in denletzten rund zehn Jahren zu einem Modebegriff geworden?

    Beh�nde, flink,gewandt, reg-sam, gesch�ftig

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    mailto:[email protected]

  • Was macht „Agilit�t“ heute noch viel mehr als fr�her so at-traktiv – oder sogar unabdingbar?

    Einige Hinweise sind im seit 2009 vom amerikanischen De-loitte’s Center for The Edge j�hrlich herausgegebenen ShiftIndex nachzulesen [1]. Im Shift Index wird seit 1965 bis heutedie Performance von 20.000 US-Unternehmen analysiert.

    Der Return on Assets (ROA) (vgl. [2]) sinkt seit Jahrzehntenkontinuierlich und ist heute nur noch knapp �ber null. DieVolatilit�t (vgl. [3]) der Aktienkurse nimmt zu. Die topple rateals Maß f�r den Verlust der Marktf�hrerschaft großer Firmenhat sich mehr als verdoppelt. Die Treue der Kunden ist einerhohen Wahlbereitschaft gewichen. Produktinnovationen sindnicht mehr das Privileg hoch entwickelter �konomien, son-dern werden mit immer rasanterem Tempo im asiatischen undpazifischen Raum entwickelt. Zwischen 1995 und 2006 ha-ben die Wechsel der Chief Executive Officers (CEO) um 59 %zugenommen, die durch mangelnde Performance begr�nde-ten sogar um 318 %.

    Und ein Drittel der 1970 in Fortune gelisteten 500 umsatz-st�rksten Unternehmen der Welt existierte 1983 nicht mehr.Von den 1917 von Forbes genannten 100 gr�ßten Firmenexistierte 2001 nur noch eine, n�mlich General Electric.

    Deloitte’s Shift Index 2011 zieht daraus die Schlussfolgerung,dass Normalit�t ein Ding der Vergangenheit sei und wir ineine Welt eingetreten seien, die sich nicht mehr so leicht wiefr�her stabilisiere.

    Normalit�t istVergangenheit

    Stabilit�t –eine kaumerf�llbareHoffnung

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  • 2 Agil als L�sung?

    Agil vorzugehen wird heute als Antwort auf diese Heraus-forderungen gesehen. Was aber bedeutet das ganz konkret?Was ist dabei anders als bei einem herk�mmlichen Vorgehen?

    2.1 Mit Unberechenbarkeit und Komplexit�t umgehen,statt sie beherrschen zu wollen

    Die unbegrenzt erscheinende Menge der sich rasch ver�n-dernden und st�ndig wachsenden Informationen und die unsheute spontan m�gliche weltumspannende Vernetzung neh-men wir als extrem komplex wahr. In immer mehr bislangeinigermaßen voraussehbaren Lebensbereichen werden Pla-nungen zunehmend zu unsicheren Prognosen oder gar nur zuHoffnungen.

    Es ist dann wie beim �berqueren eines frisch zugefrorenenund unbekannten Flusses, um die schemenhaft im Nebel amgegen�berliegenden Ufer erkennbare einfache, aber – ver-mutlich – gut beheizte H�tte zu erreichen.

    Die eine Vorgehensweise ist:

    Vorsichtig, Schritt f�r Schritt, bei jedem Knistern die Rich-tung �ndernd, versuchen wir die �berquerung. Und etwa inder Mitte lichtet sich der Nebel etwas und einige hundertMeter neben der H�tte erscheint ein sicher viel angenehmeresHotel. Und, vorsichtig, Schritt f�r Schritt, �ndern wir unsereRichtung in Richtung Hotel.

    Eine andere Vorgehensweise w�re:

    Zun�chst mit speziellen W�rmebild-Technologien die Be-heizung der H�tte �berpr�fen. Wenn sie geeignet erscheint,

    Vorantastenauf unsicheremEis

    . . . oder tiefge-hend analysie-ren und plan-basiert voran-schreiten?

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  • wird sie als verbindliches Ziel definiert. Dann wird anhandder Klimawerte der letzten Wochen und der dokumentiertenErfahrungen der letzten Jahre die Eisdicke berechnet und mitW�rfen von Steinen bekannten Gewichts und berechneterBallistik stichprobenartig verifiziert. Dann den besten Weg�ber das Eis zur H�tte planen. Und dann diesen Weg, ausge-r�stet mit Schwimmweste und einer langen Leiter, z�gig undnach Plan hinter sich bringen.

    Diese zweite Vorgehensweise entspricht einem von der tech-nologischen Analysierbarkeit, Machbarkeit und Planbarkeitbestimmten Denken und ist Basis aller „plangetriebenen“Vorgehensmethoden der Produktentwicklung und des Pro-jektmanagements auf der Grundlage eines m�glichst fr�henBig Design Up Front (BDUF).

    Die erste Vorgehensweise hingegen entspricht den Erkennt-nissen im Umgang mit Complex Adaptive Systems, wie sieu. a. von Edwin E. Olson und Glenda H. Eoyang beschriebenwerden [4]. Gepr�gt ist diese Vorgehensweise von der Ein-sicht, dass uns Situationen als komplex dann erscheinen, wennwir Beziehungen zwischen Ursache und Wirkung nur imNachhinein erkennen k�nnen, nicht aber im Voraus. UnserVorgehen beruht dann auf Handeln-Beobachten-Reagierenund emergenten Praktiken („emergent“ bedeutet in Bezug aufEigenschaften eines Systems: unerwartet neu auftretend,pl�tzlich aufbrechend). Im Gegensatz dazu stehen die unskompliziert erscheinenden Situationen mit – wenn auch sehraufwendig – analysierbaren und voraussagbaren Ursache-Wirkungs-Beziehungen oder den von uns als simpel betrach-teten Situationen mit f�r alle offensichtlich erscheinendenUrsache-Wirkungs-Beziehungen [5].

    Bei dieser ersten – empirischen – Vorgehensweise verzichtenwir bewusst auf ein unangemessen aufwendiges und noch

    Komplex:Ursache-Wirkung nichtim Vorauserkennbar

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  • dazu unzuverl�ssiges BDUF. Stattdessen planen wir nur je-weils das f�r die n�chsten Schritte wirklich Erforderliche aufder Basis der bisherigen Einsichten. Zu Beginn unseres Vor-habens gehen wir von einem Just Enough Design Up Front(JEDUF) aus.

    Dieser Wechsel vom BDUF mit seiner Paukenschlag(bigbang)-Einf�hrung der L�sung zum JEDUF mit seinen h�ufi-gen Einf�hrungen von aufeinander aufbauenden L�sungstei-len (L�sungsinkrementen) und den die weitere Entwicklungsteuernden raschen Feedbacks zeigt sich exemplarisch in derSoftwareentwicklung (als wesentlichem Treiber des agilenVorgehens) in den letzten 30 Jahren [6]:

    James Martin pr�gte ab dem Ende der 1980er-Jahre mit seinenB�chern [7] die von sequenziellen und jeweils etliche Monatedauernden Phasen (Analyse, Konzept, Realisierung, Einf�h-rung) bestimmten wasserfallartigen, betont arbeitsteiligenund stark werkzeugunterst�tzten Vorgehensweisen. Sp�tes-tens seit der Jahrtausendwende erleben wir jedoch einen im-mer deutlicheren Wechsel hin zu flexiblen, schlanken undstark teamorientierten Entwicklungsmethoden, die in jeweilswenigen Wochen verf�gbare und konkret nutzbare Teiler-gebnisse liefern. Dabei wird im Bereich von Architektur undDesign auf den intensiven Einsatz von Modellierungswerk-zeugen verzichtet. Stattdessen erfolgt die Software-Realisie-rung (das Programmieren und Testen) zu einem m�glichsthohen Grad toolunterst�tzt und – beim Testen – automatisiert.

    Der Wechsel weg vom ab Beginn im Detail ingenieurm�ßiganalysierten, modellierten und durchgeplanten Vorgehen hinzum nur grob im Voraus abgesteckten und danach schrittweiseangepassten inkrementell-adaptiven Vorgehen ist nat�rlichauch eine psychologische Herausforderung: In der Regel ist es

    Bei Komplexi-t�t: JEDUFstatt BDUF

    Inkrementell-adaptivvorgehen istpsychologischschwierig

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  • vielen von uns wohler, wenn wir einem detaillierten Planfolgen k�nnen [8].

    Testen Sie es selbst: Lesen Sie doch jetzt nochmals die zweiVorgehensweisen zum �berqueren des zugefrorenen Flusses.Hand aufs Herz: Bei welcher w�re Ihnen wohler? Welchew�rden Sie insbesondere im professionellen Kontext, etwa alsverantwortlicher Leiter von Winterexpeditionen mit Gruppenvon jeweils 12 Personen, bevorzugen?

    Und Sie werden sich m�glicherweise jetzt auch fragen, wiedenn physische Dinge wie ein Eisenbahntunnel inkrementell-adaptiv realisiert werden k�nnen, sodass die einzelnen Teil-ergebnisse – beim Tunnel die ersten paar hundert MeterRohbau – praktisch nutzbar sind. Eine etappenweise Nutzungist hier nicht m�glich. M�glich ist jedoch, nach den erstenpaar hundert Metern bereits zu erkennen, inwieweit die ge-w�hlte Bohrtechnik modifiziert werden muss. Daraus kannsich eine wesentliche Erh�hung der geplanten Kosten undTermine ergeben. Das als Fehlplanung negativ zu werten istZeichen einer zu großen Planungsgl�ubigkeit.

    In vielen F�llen ist das inkrementell-adaptive Vorgehen nurbeim Design und der Konstruktion m�glich (und wird im�brigen auch seit Langem praktiziert), bei der physischenRealisierung jedoch sind Adaptionen nur sehr begrenztm�glich. So etwa ist es kaum m�glich, bei einem Eisen-bahntunnel mittendrin in eine ganz andere Richtung weiter zubohren, weil sich dort das Gestein besser zum Bohren eignet.

    Die Entwicklung von Software kann verglichen werden mitdem inkrementell-adaptiven Komponieren eines Musikst�cksunter Nutzung eines bereits vorhandenen Klaviers. Teile derKomposition k�nnen auf dem Klavier zur �berpr�fung vor-gespielt und dann angepasst werden. Das Komponieren ent-

    Inkrementell-adaptiverfordertZergliederungin nutzbareL�sungsteile

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  • spricht dem Programmieren, das Klavier ist die bereits ver-f�gbare IT-Hardware. Ein Klavier jedoch kann ich nur sehrbeschr�nkt (wenn �berhaupt) inkrementell-adaptiv so bauen,dass ich bereits mit seinen ersten Teilprodukten klavierm�ßigmusizieren kann.

    2.2 Die Vieldeutigkeit des Begriffes agil

    AGIL erscheint in den 1950er-Jahren beim amerikanischenSoziologen Talcott Parsons als Akronym f�r vier �berle-benswichtige Funktionen lebender und somit auch sozialerSysteme [9]:

    A: Anpassung (Adaptation) an die Umwelt

    G: Zielerreichung (Goal-Attainment)

    I: Integration als Mechanismus zur Leistungserbringungder Teilsysteme untereinander

    L: Strukturerhaltung oder Latenz als Mechanismus zur Er-haltung der Identit�t des Systems, obwohl alles stetig imWandel ist

    Im 1997 erschienenen Buch „Komplexit�t und Agilit�t:Steckt die Produktion in der Sackgasse?“ beleuchtet eineReihe von Beitr�gen „. . . die Widerspr�che zwischen Kom-plexit�t im Produktionsumfeld und Agilit�t im Markt . . . und[gibt] Perspektiven f�r deren Aufl�sung. Insbesondere wirdden Fragen nachgegangen, was Management heute und inZukunft bedeutet, wohin sich die M�rkte bewegen werden undwie man ihnen folgt, wie die technischen Innovationen aus-sehen und was sie bewirken werden und wie sich die indus-trielle Produktion durch neue Technologien und Organisa-tionsprinzipien �ndern wird.“ [10]

    1950

    1997

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  • Im Februar 2001 trafen sich 17 Vertreter der damals leicht-gewichtig genannten Methoden der Softwareentwicklung undformulierten das sie Verbindende als die vier Werte und zw�lfPrinzipien des Agilen Manifests der Softwareentwicklung[11], auf das sich auch heute noch alle agilen Vorgehenswei-sen der Softwareentwicklung implizit oder explizit berufen.

    Das war auch der Ausgangspunkt f�r die rasche Verbreitungdes Begriffs „agil“ und seine Ausdehnung auf andere Berei-che – und auch der Differenzierung seiner Bedeutung.

    Heute k�nnen im Kontext der Produktentwicklung und desProjektmanagements, des Managements und der Organisa-tionsgestaltung folgende vier Gruppen der Bedeutung vonagil unterschieden werden:

    Agil = Flexibilit�t und Adaptivit�t:

    Diese Bedeutungsgruppe beruht auf der empirischen Pro-zesssteuerung. Das bedeutet ein Vorgehen in kleinen, stetsgleich langen Schritten, ausgehend von einem m�glichstleichtgewichtigen Just Enough Design Up Front. Jeder Schrittliefert dabei ein – wenn immer m�glich bereits praktischnutzbares – Teilergebnis, das Grundlage f�r Feedbacks zurGestaltung des n�chsten Schritts ist. Das Vorgehen in jedemSchritt wird im Team reflektiert, um kontinuierliche Verbes-serung, also Lernen, zu erreichen.

    F�r Tom Gilb, der bereits in den 1970er-Jahren f�r ein evo-lution�res IT-Projektmanagement eintrat, besteht die zentraleBedeutung von „agil“ in diesem inkrementell-adaptiven Vor-gehen und kontinuierlichem Lernen. Und er meint, dass alleanderen agilen Taktiken optionale Details seien [6].

    Diese Sicht entspricht auch der von Volker Nissen.

    2001

    Heute

    BasisEmpiricalProcessControl

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  • Er unterscheidet dabei zwischen einer „kapazitiven Agilit�t“als F�higkeit der IT, auf schwankende mengenm�ßige An-forderungen schnell antworten zu k�nnen (Skalierbarkeit,Performanz), und einer „funktionalen Agilit�t“, die sich aufdie funktionalen Anforderungen bezieht. Bei vorhersehbarenAnforderungs�nderungen spricht er von „reaktiver Agilit�t“.Wenn die IT jedoch eine aktive Rolle f�r das fachliche Ge-sch�ft �bernimmt und unvorhergesehene �nderungen und IT-Innovationen aufsp�rt, spricht er von „proaktiver Agilit�t“[12].

    Agil = Flexibilit�t und Adaptivit�t plus „Lean Manage-ment Principles“:

    Zus�tzlich zur obigen Bedeutung werden hier die Prinzipiendes Lean Management als eigentliche Basis von „agil“ gese-hen, oft dargestellt als House of Lean, ausgehend von Larmanund Vodde (2009) und The Toyota Way (2004) [13].

    Das Ziel „Wert schaffen“ als Dach des House of Lean ist ge-kennzeichnet durch:

    • Kurze Durchlaufzeiten• Beste Qualit�t und h�chsten Wert• H�chste Kundenzufriedenheit• Niedrigste Kosten• Hohe Moral• Sicherheit

    und wird getragen von den zwei S�ulen:

    • Respekt f�r alle Personen• Kontinuierliche Verbesserung

    Wert schaffen

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  • Erreicht wird das Ziel durch spezifische Entwicklungsme-thoden, basierend auf 14 Lean Principles.

    Dieser Begriff von agil wird vertreten auch in der Definitionvon Agilit�t gem�ß Lexikon IT-Management [14].

    Agil = Flexibilit�t und Adaptivit�t plus „Lean Manage-ment Principles“ plus diverse post-tayloristische,hierarchie- und autorit�tsfreie und selbststeuernd-kollaborative Prizipien und �berzeugungen:

    Dieser Begriff von agil erscheint auch im IT-unabh�ngigenKontext des Managements und der Organisationsgestaltung.Das im Agile Enterprise Adaptation Program der Agile Alli-ance entwickelte Modell ist ein Beispiel f�r diesen Begriffvon agil [15].

    Auch das Agile Manifest der Softwareentwicklung [11] kanndieser Gruppe zugerechnet werden. Seine vier Werte lauten:

    „Wirerschließen bessere Wege, Software zu entwickeln, indemwir es selbst tun und anderen dabei helfen. Durch diese T�-tigkeit haben wir diese Werte zu sch�tzen gelernt:

    Individuen und Interaktionen mehr als Prozesse und Werk-zeuge

    Funktionierende Software mehr als umfassende Dokumen-tation

    Zusammenarbeit mit dem Kunden mehr als Vertragsver-handlung

    Reagieren auf Ver�nderung mehr als das Befolgen einesPlans

    Agiles Manifestder Software-entwicklung

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  • Das heißt, obwohl wir die Werte auf der rechten Seite wichtigfinden, sch�tzen wir die Werte auf der linken Seite h�her ein.“

    Diese vier Werte und die weiteren zw�lf Prinzipien sind, demCharakter eines Manifests entsprechend, jedoch als Appell zuverstehen und nicht als „verifizierte Arbeitsregeln“. Sie dog-matisch als wortw�rtlich zu erf�llende Handlungsanweisun-gen f�r die Software- oder Produktentwicklung in unter-schiedlichsten Situationen zu betrachten w�re eine Fehlnut-zung [16].

    Agil = Aspekte zur Sicherung der �berlebens- undEntwicklungsf�higkeit:

    Eine ganz andere, nicht auf die Software- und Produktent-wicklung, sondern die F�hrung sozialer Systeme in risiko-reichen und komplexen Missionen ausgerichtete Sicht vonagil findet sich in „Power to the Edge“, einer Publikation desCommand and Control Research Program des US Departe-ment of Defense [17]:

    • Robustheit: die F�higkeit, aufgaben-, situations- und be-dingungs�bergreifend effektiv zu bleiben;

    • Belastbarkeit: die F�higkeit, sich von Ungl�cksf�llen,Sch�den oder einer destabilisierenden St�rung der Um-gebung zu erholen oder sich darauf einzustellen;

    • Reaktionsf�higkeit: die F�higkeit, auf eine Ver�nderungder Umgebung rechtzeitig zu reagieren;

    • Flexibilit�t: die F�higkeit, mehrere L�sungsm�glichkei-ten einzusetzen und nahtlos von einer zur anderen �ber-zugehen;

    • Innovationsf�higkeit: die F�higkeit, neue Dinge zu tunund alte Dinge auf eine neue Art und Weise zu tun;

    F�hrungsozialerSysteme

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  • • Anpassungsf�higkeit: die F�higkeit, Arbeitsprozesse zu�ndern, und die F�higkeit, die Organisation zu �ndern.

    Diese Definition versteht unter Flexibilit�t im Gegensatz zuanderen Sichtweisen von agil nicht nur ein inkrementell-ad-aptives Vorgehen in kleinen Schritten, ausgehend von einemJEDUF, sondern l�sst etwa auch ein stark plangetriebenes,BDUF-basiertes Vorgehen dann zu, wenn es f�r die aktuelleSituation passender und effizienter ist. Zu dieser Bedeu-tungsgruppe geh�rt auch das eingangs erw�hnte Akronym„AGIL“ von Talcott Parsons.

    3 Heute verbreitete agile Konzepte und Praktiken

    Wenn heute von agil gesprochen wird, wird es oft mit Scrumgleichgesetzt. Blicken wir jedoch nur ein Jahrzehnt zur�ck.

    Damals, 2002, war das zu lesen: „Noch immer wird agileEntwicklung in weiten Kreisen gleichgesetzt mit eXtremeProgramming. Dadurch wird die Chance vergeben, auch vonden anderen Verfahren zu lernen“ [18].

    Heute – rund ein Jahrzehnt sp�ter – w�re in diesem Artikel„eXtreme Programming“ durch Scrum zu ersetzen.

    Und dadurch wird – auch heute – die Chance vergeben, vonden anderen derzeit verbreiteten weiteren agilen Verfahren zulernen.

    Jens Coldewey behandelte 2002 im oben zitierten Artikelsechs agile Konzepte und Praktiken:

    Drei Meta-Prozesse, wie das Team zu einem individuellenProzess kommt:

    agil =

    2002: eXtremeProgramming

    Heute: Scrum

    . . . und in zehnJahren?

    Meta-Prozesse

    Agile Konzepte

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    TitelImpressumAgile Konzepte1 Warum überhaupt agil? – Die Herausforderungen2 Agil als Lösung?2.1 Mit Unberechenbarkeit und Komplexität umgehen, statt sie beherrschen zu wollen2.2 Die Vieldeutigkeit des Begriffes agil

    3 Heute verbreitete agile Konzepte und Praktiken3.1 Konzepte und Praktiken des agilen Entwickelns von Software3.1.1 eXtreme Programming (XP)

    3.2 Konzepte und Praktiken des agilen Managements von Projekten3.2.2 Dynamic Systems Development Method (DSDM/DSDM Atern)

    3.3 Konzepte und Praktiken der agilen Neu- und Weiterentwicklung und Wartung von Produkten3.3.1 Scrum3.3.2 KANBAN/Kanban3.3.3 Scaled Agile Framework for Enterprise (SAFe)

    3.4 Die insgesamt agile Organisation

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