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GVO – Ethanol – Brot

Referat/Talk UIB – VORSTAND/BOARD Budapest September 3, 2007

Renaldo Nanzer, Generalsekretär/Secretary-general

I/SBKV/UIB/Moskau/Globalisierung

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Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kollegen Das andauernde Wachstum der Weltbevölkerung, die steigende Lust der Asiaten auf Fleisch, weltweite Ernteverluste infolge Un-wetter (Klimawandel?), Verknappung der Weizenvorräte auf dem Weltmarkt (inkl. Futtermittel), leere Weizensilos, steigende Rohölpreise, Weizen als Quelle für alternative Brennstoffe (Ethanol aus Weizen), Finanzspekulationen auf Rohstoffe und Nahrungs-mittel, Großfusionen von Müllereibetrieben, Monopolisierung und Industrialisierung des Backwarenmarkts, Vormarsch der Bio-technologie GVO-Weizen sowie die globale CO2-Problematik sind Themen, womit wir uns in naher Zukunft vertiefter auseinander-setzen müssen.

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Zwischenbemerkung zu CO2: Wird bei den Bäckern, Wein- und Bier-herstellern schon bald eine CO2-Abgabe auf Hefen erhoben? Die Diskussion um den Methangasausstoß bei den Kühen (Kuhfürze) und dessen mögliche Auswirkungen auf das Klima lassen erahnen wie kreativ die Köpfe unserer Politiker sind.

Die Zeit erlaubt es nicht, alle Punkte zu behandeln, ich denke aber, dass sich unsere Branche intensiv mit den eingangs erwähnten Themen befassen muss.

Man geht davon aus, dass Kuhfürze genau so stark wie die Autos zur

CO2-Belastung beitragen.

They would think that cow farts contribute to the contamination by

Sorry! Musste mal Luft

ablassen! Sorry, I had to blow

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Einige Gedanken zu GVO! Stellen Sie sich Folgendes vor: Sie stehen als Konsument an der Verkaufstheke einer Bäckerei und lesen auf den Warenkenn-zeichnungsschildern: «Ruchbrot aus gentechnisch verändertem Weizen». Für einige unter uns ein Alptraum! Oder doch nicht? Einige Überlegungen dazu: Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, warum wir keine Goldfische sind? warum aus Weizen kein Roggen wächst und warum aus einem Hühnerei kein Löwe ent-steht? Der Grund ist so simpel wie kompliziert und liegt ganz ein-fach in den Genen. Dank ihnen gibt es eine bunte Vielfalt von Menschen. Der Blick in den Saal bestätigen mir dies… Doch gerade dort, wo der Mensch in die Prozesse der Natur eingreift, ist für viele von uns fertig lustig.

GVO aus Sicht der Konsumenten Beim immer tieferen Eingriff der Forschung in den «Mikrokosmos» der Schöpfung beschleicht viele Konsumentinnen und Konsumenten ein ungutes Gefühl, insbesondere dann, wenn es um die Nahrung und das tägliche Brot geht. Die Vorstellung, dass dieses in Zukunft

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aus GVO-Weizen stammen könnte, ist für viele unserer Kunden sowie die Bäckerschaft undenkbar. Dies mag der Grund dafür sein, dass das Schweizer Stimmvolk die Volksinitiative «für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft» am 27. November 2005 mit deutlichem Mehr befürwortet hat. Die Initiative verlangte, dass in der Schweizer Landwirtschaft keine Pflanzen angebaut und keine Tiere gehalten werden dürfen, die gentechnisch verändert sind. Doch die Zeit läuft! Das seit 2005 für fünf Jahre geltende Morato-rium läuft in absehbarer Zeit aus, und schon formieren sich Befür-worter und Gegner zur medialen GVO-Schlacht. Was von Menschenhand in der Getreidezüchtung auf natürliche Art und Weise durch Kreuzung von verschiedenen Getreidesorten voll-bracht wird, hat in emotionaler und ethischer Hinsicht einen ganz anderen Stellenwert, als wenn unter Laborbedingungen Gene aus Zellen entnommen und in andere Zellen eingeschleust werden. Hin-zu kommt, dass die chemische Industrie gleichzeitig Pflanzen-schutzmittel entwickelt, die zwingend beim GVO-Saatgutes einzu-setzen sind, damit der Weizen richtig auskeimen kann und der Ertrag stimmt. Damit entsteht eine direkte Abhängigkeit zwischen den Getreideproduzenten und der Agrochemie. Die Börse lässt grüßen!

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GVO – Segen oder Fluch? In der medizinischen Forschung und Entwicklung konnten dank GVO neue Produkte hergestellt werden, die den Patienten zu mehr Lebensqualität verhelfen. In dieser Hinsicht ist die Gentechnik akzeptiert. Wenn es die GVO-Anwendung in Grundnahrungsmitteln geht, ent-stehen Emotionen, die ernst zu nehmen sind. Folgende Beispiele zeigen, in welche Richtung die Forschung mit GVO abzielt: ⇒ Gebrauch von weniger Pflanzenschutzmitteln = Reduktion der

Bodenbelastung mit chemischen Stoffen ⇒ verbesserte Aromabildung (eventuell sensorischer Vorteil

gegenüber herkömmlichen Lebensmitteln) ⇒ Lebensmittel mit günstigen Nährwertprofilen (Eiweiß, Fett

Kohlenhydrate), «Kampf dem Übergewicht» ⇒ Weizen mit erhöhtem Ballaststoff- und Eisengehalt ⇒ Erdnüsse ohne allergene Stoffe ⇒ Zitrusfrüchte ohne Bitterstoffe ⇒ süße, aber kalorienarme Backwaren Noch nicht alles ist Wirklichkeit, an der Realisierung wird jedoch intensiv geforscht. Beim Betrachten dieser Fakten stellt sich nicht die Frage «GVO, ja oder nein», sondern wie die Bäcker-branche damit umgehen will. Denn eines ist klar: Wenn nebst den sensorischen- und ernährungsphysiologischen Eigenschaften auch die Preise der GVO-Produkte günstiger werden als für konven-tionelle Lebensmittel, dann dürfte auch ein zunehmender Markt für Gentechlebensmittel vorhanden sein.

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Ist Brot noch GVO frei? Stellen Sie sich Folgendes vor: Sie stehen im Laden und lesen in der Auslage des Fachgeschäfts «Backwaren aus gentechnisch ver-ändertem Weizen». Für uns Bäcker ein Alptraum, oder nicht? Im Brotkorb der Schweizer Bäcker wird es heute und in naher Zukunft noch kein Brot aus GVO-Weizen geben, denn dafür fehlen die Rohstoffe, und der Markt für solche Produkte ist nicht vor-handen. Doch wie sieht es übermorgen aus? Es ist uns bewusst, dass wir die globalen Warenströme und Entwicklung nicht aufhalten können, die auch vor der Backstube nicht Halt machen werden, denn anders als in der Schweiz, werden in den Nachbarländern laufend neue GVO-Erzeugnisse für die Verwendung in Lebens-mitteln zugelassen.

Für viele dieser Produkte wird die Schweiz um keine oder erst zu einem späteren Zeitpunkt um eine Bewilligung nachsuchen. Proble-matisch wird es, wenn über verunreinigte Chargen oder Transport-mittel, GVO kontaminierte Ware in die Schweiz gelangt, für die in unserem Land keine Bewilligung vorliegt. Die Ware wäre dann so lange gesperrt, bis der Beweis der Unbedenklichkeit erbracht ist.

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Der tägliche Konsum von Brot und weiteren Nahrungsmitteln ist der intimste Kontakt zu unserer Umwelt; entsprechend sensibel reagiert die Bevölkerung, wenn es um GVO geht. Fragen bezüglich den Risiken, Gefahren, die für unsere Umwelt (Mensch, Flora und Fauna) entstehen können, können nicht abschließend beantwortet werden, weil uns dazu das Wissen und die Erfahrung fehlen. Der Getreideproduzent lebt vom Getreide, der Bäcker vom Brot. Die Landwirtschaft ist gut beraten, auch in Zukunft auf GVO freien An-bau zu setzen. Mit dieser Strategie eröffnen sich Chancen, und sie sichert den Absatz der Produkte. Der Bäcker muss kompromisslos für GVO freie Produkte einstehen. Dies verlangt aber, dass er auch seine Backmittel kritisch hinter-fragt. Es wäre für den Ruf der handwerklichen Bäcker nicht förder-lich, wenn einerseits GVO freie Rohstoffe gefordert werden, ander-seits jedoch in Verbindung mit Backmitteln GVO–Enzymcocktails für die Förderung von Volumen, Frischhaltung, Geschmack und Aroma eingesetzt würden.

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Die Versorgung der stetig wachsenden Weltbevölkerung mit Lebensmitteln ist eine große Herausforderung der Zukunft. Ob mit GVO diese Probleme gelöst werden können, ist zu bezweifeln, denn die steigenden Rohölpreise führen zur Umnutzung landwirtschaft-licher Flächen für den Anbau von nachwachsenden Rohstoffen.

Ethanol aus nachwachsenden Rohstoffen Ein bekanntes Mineralölunternehmen hat Jahrzehnte lang mit dem Slogan «Füll den Tiger in den Tank» geworben. Schon bald könnte dieser «Füll den Weizen in den Tank» lauten. Das Beimischen von Ethanol zum Treibstoff, gewonnen aus Getreide, Mais, ist in einigen Ländern bereits gängige Praxis. Der Bäcker hat nichts dagegen einzuwenden, wenn stark mit Mykotoxinen befallene Weizenposten und belastete Reinigungs-abgänge aus Sammelstellen und Mühlenwerke, die nicht mehr als Tierfutter verwendet werden dürfen, der Energiegewinnung dienen, wohl aber, wenn anstelle von Backweizen, Weizen zur Energie-gewinnung angebaut, das heißt verbrannt wird. Die Folgen sind fatal: Die steigende Nachfrage nach Weizen auf dem Weltmarkt

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lassen die Preise explodieren. Mehl und das tägliche Brot werden dadurch teurer. Erst wenn der Mensch nichts mehr auf dem Teller hat, wird er begreifen, dass er Geld nicht essen kann.

Wie Sie aus der Grafik ersehen können, sind in den vergangenen Jahren die Getreidepreise laufend gefallen. Im Gegensatz dazu sind die Heizölpreise kräftig angestiegen. Die tieferen Kosten beim Getreide einerseits und die hohen Kosten von Heizöl andererseits führen dazu, dass es für die Getreideproduzenten interessanter werden kann, Weizen zu verheizen als beim Bäcker zu verbacken.

Entwicklung der Getreide- und Ölpreise Development of the grain and oil prices

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Wie schnell sich das Bild ändert, zeigt die aktuelle Marktlage mit explodierenden Getreidepreisen!

Diese Entwicklung wird nicht ohne Folgen auf die Entwicklung der Weltmarktpreise für Getreide bleiben. Folgen für die Backbranche: Die Mehl- und Brotpreise werden im Licht dieser Entwicklung steigen. Es liegt in der Natur der Sache, dass dort, wo eine höhere Wertschöpfung generiert werden kann, der zukünftige Markt für die Richtwerte liegt. Mit anderen Worten, wenn die Getreideproduzenten für den Brotweizen für die Verbrennung mehr Geld erhalten als vom Müller/Bäcker, dann ist klar, wohin die Reise geht. Brot ist zum «Billigprodukt» geworden. Dies erweckt beim Konsumenten eine völlig falsche Wertvorstellung des täglichen Brots. Wir müssen alles daran setzen, dass dessen Preis nicht noch weiter zerfällt.

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Beispiel 1000 kg Getreide ergeben ungefähr 370 Liter Ethanol d.h. 1 kg = 370 ml 1 Liter Ethanol wird für CHF 1.20 (80 Cent) gehandelt. Die hohen Transportkosten von Ethanol und Biodiesel sind weltweit ähnlich.

Die in den verschiedenen Ländern vorhandenen Zollbelastungen beeinflussen die Benzin- oder Ethanolpreise mehr oder weniger. Es stellt sich die Frage, wo die Schmerzgrenze für Benzin : Ethanol liegt!

2700 g Getreide ergeben ca. 1 Liter Ethanol Kosten-costs CHF 1.20/80 Cent 2700 g cereals are approx. 1 Liter ethanol Für einen Liter Ethanol braucht es 4560 Liter Wasser! For 1 liter Ethanol, 4560 liters water are necessary !

Ethanolproduktion und Ethik Ethanol production and ethics

Lebensmittelenergie/Food energy - Biogas - Biodiesel - Bioethanol - Weizenverbrennung/Wheat burning

2700 g Getreide ergeben ca. 1 Liter Ethanol Kosten-costs CHF 1.20/80 Cent 2700 g cereals are approx. 1 Liter ethanol Für einen Liter Ethanol braucht es 4560 Liter Wasser! For 1 liter Ethanol, 4560 liters water are necessary !

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Fazit Erst wenn der Mensch nichts mehr auf dem Teller hat, wird er begreifen, dass er Geld nicht essen kann. Die UIB Delegierten nahmen sich diesem Thema schon anlässlich der Herbstsitzung 2005 in Berlin an. Die UIB sprach sich grundsätzlich für eine klare Deklaration der Produktezusammensetzung und eine korrekte Information der Konsument aus, beschloss jedoch keine offizielle, gemeinsame Stellungnahme. Meine Frage heute an Sie, in Anbetracht der sich ständig veränderten Situation: Wollen wir nicht eine gemeinsame Resolution veröffentlichen?

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Resolution Die handwerkliche Brotherstellung basiert auf der Verwendung von Mahlprodukten aus Getreidesorten, die aus herkömmlicher Züchtung und kontrollierbarem Anbau stammen. Dabei werden keine gentechnisch veränderten Rohstoffe und Verarbeitungshilfsstoffe eingesetzt, was auch für die Backhefe der einheimischen Zulieferfirmen gilt. Die Lieferanten des Bäcker-Konditor-Gewerbes haben sich privatwirtschaftlich zu einer vollumfänglichen Deklaration verpflichtet, was eine lückenlose Auskunft gegenüber dem Kunden erlaubt. Das Bäckereifachgeschäft hat dank fachlich gut ausgebildeter Mitarbeitenden die Möglichkeit, bei der Teigherstellung, der Triebführung und dem Backprozess Anpassungen zur Qualitätssicherung vorzunehmen. Sie sind in der Lage, rohstoffbedingte Schwankungen auszugleichen, ohne auf den Einsatz genmodifizierter Getreide angewiesen zu sein. Brot soll dank handwerklichem Können ein natürliches Grundnahrungsmittel bleiben. Als Branchenorganisation der gewerblichen Bäckereien-Konditoreien lehnen wir den Einsatz gentechnisch veränderter Getreide strikte ab und stellen uns dieser auch von den Konsumenten mehrheitlich nicht gewünschten Entwicklung mit Entschiedenheit entgegen. Renaldo Nanzer Budapest, 3. September 2007