Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

112
Grundlagen des Rechts Seite 1 von 112 Abschnitt 1 – GRUNDBEGRIFFE Kapitel 1: Begriff und Wesen des „Rechts“ 1. Was ist das positive Recht? = geltendes Recht oder die Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit, das gesatzte Recht. Das positive Recht gibt somit an, was in einer konkreten Konfliktsituation rechtens ist. (besteht aus Rechtsvorschriften und Sollensanordnungen – Normen, Verhaltens- gebote) 2. Was versteht man unter Recht im rechtstheoretischen Sinn? Das Recht im rechtstheoretischen bzw. im rechtsphilosophischen Sinn legt fest, welche Voraussetzung zutreffen müssen, damit man überhaupt vom Vorhandensein von Recht ausgehen kann. (Erst wenn klar ist, dass einer Vorschrift Rechtscharakter im rechtstheoretischen Sinn zukommt, kann diese Vorschrift als Recht im positiven Sinn eingeordnet werden und wird somit Gegenstand der Rechtswissenschaft.) 3. Welche Funktionen hat die Definition von Recht im rechtstheoretischen Sinn? Die Definition legt fest, welche Vorschriften als positives Recht in Frage kommen, grenzt somit Recht von anderen sozialen Verhaltensregeln ab und klärt das Verhältnis von Recht und Gerechtigkeit. 4. Unter welchen Voraussetzungen liegt Recht im rechtstheoretischen Sinn vor? Um von Recht sprechen zu können, müssen o Verhaltensvorschriften vorliegen, o die durch staatlich organisierten Zwang durchgesetzt werden, o von der Gemeinschaft als Recht akzeptiert wird und o daher relativ wirksam sind. 5. Ist die Regel „Man soll grüßen!“ als Rechtsnorm anzusehen? Verneindenfalls, welche Art von Vorschrift liegt vor? Begründung! Es wird nicht als Rechtsnorm angesehen, weil es sich hier lediglich um Moral und Sitte handelt. Es legt zwar ein gesolltes Verhalten fest, dennoch bedarf es anderer Qualifikationsmerkmale um als Rechtsnorm anerkannt zu werden. Diese Regel wird auch nicht durch staatlich organisierten Zwang durchgesetzt, obwohl es auch hier zu Sanktionen führen kann. 6. Ist die Regel „Man soll nicht in der Nase bohren!“ als Rechtsnorm anzusehen? Verneindenfalls, welche Art von Vorschrift liegt vor? Begründung! Es wird nicht als Rechtsnorm angesehen, weil es sich hier lediglich um Moral und Sitte handelt. Es legt zwar ein gesolltes Verhalten fest, dennoch bedarf es anderer Qualifikationsmerkmale um als Rechtsnorm anerkannt zu werden. Diese Regel wird auch nicht durch staatlich organisierten Zwang durchgesetzt, obwohl es auch hier zu Sanktionen führen kann. 7. Ist die Regel: „Man soll nicht lügen!“ als Rechtsnorm anzusehen? Verneindenfalls, welche Art von Vorschrift liegt vor? Begründung! Wenn sie im Bezug „Moral und Sitte“ gebraucht wird, ist sie nur als gesolltes Verhalten und nicht als Recht anzusehen, darum wird auch kein staatlich organisierter Zwang

Transcript of Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Page 1: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 1 von 112

Abschnitt 1 – GRUNDBEGRIFFE

Kapitel 1: Begriff und Wesen des „Rechts“ 1. Was ist das positive Recht?

= geltendes Recht oder die Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit, das gesatzte Recht. Das positive Recht gibt somit an, was in einer konkreten Konfliktsituation rechtens ist. (besteht aus Rechtsvorschriften und Sollensanordnungen – Normen, Verhaltens-gebote)

2. Was versteht man unter Recht im rechtstheoretischen Sinn? Das Recht im rechtstheoretischen bzw. im rechtsphilosophischen Sinn legt fest, welche Voraussetzung zutreffen müssen, damit man überhaupt vom Vorhandensein von Recht ausgehen kann. (Erst wenn klar ist, dass einer Vorschrift Rechtscharakter im rechtstheoretischen Sinn zukommt, kann diese Vorschrift als Recht im positiven Sinn eingeordnet werden und wird somit Gegenstand der Rechtswissenschaft.)

3. Welche Funktionen hat die Definition von Recht im rechtstheoretischen Sinn? Die Definition legt fest, welche Vorschriften als positives Recht in Frage kommen, grenzt somit Recht von anderen sozialen Verhaltensregeln ab und klärt das Verhältnis von Recht und Gerechtigkeit.

4. Unter welchen Voraussetzungen liegt Recht im rechtstheoretischen Sinn vor? Um von Recht sprechen zu können, müssen o Verhaltensvorschriften vorliegen, o die durch staatlich organisierten Zwang durchgesetzt werden, o von der Gemeinschaft als Recht akzeptiert wird und o daher relativ wirksam sind.

5. Ist die Regel „Man soll grüßen!“ als Rechtsnorm anzusehen? Verneindenfalls, welche Art von Vorschrift liegt vor? Begründung! Es wird nicht als Rechtsnorm angesehen, weil es sich hier lediglich um Moral und Sitte handelt. Es legt zwar ein gesolltes Verhalten fest, dennoch bedarf es anderer Qualifikationsmerkmale um als Rechtsnorm anerkannt zu werden. Diese Regel wird auch nicht durch staatlich organisierten Zwang durchgesetzt, obwohl es auch hier zu Sanktionen führen kann.

6. Ist die Regel „Man soll nicht in der Nase bohren!“ als Rechtsnorm anzusehen? Verneindenfalls, welche Art von Vorschrift liegt vor? Begründung! Es wird nicht als Rechtsnorm angesehen, weil es sich hier lediglich um Moral und Sitte handelt. Es legt zwar ein gesolltes Verhalten fest, dennoch bedarf es anderer Qualifikationsmerkmale um als Rechtsnorm anerkannt zu werden. Diese Regel wird auch nicht durch staatlich organisierten Zwang durchgesetzt, obwohl es auch hier zu Sanktionen führen kann.

7. Ist die Regel: „Man soll nicht lügen!“ als Rechtsnorm anzusehen?

Verneindenfalls, welche Art von Vorschrift liegt vor? Begründung! Wenn sie im Bezug „Moral und Sitte“ gebraucht wird, ist sie nur als gesolltes Verhalten und nicht als Recht anzusehen, darum wird auch kein staatlich organisierter Zwang

Page 2: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 2 von 112

durchgesetzt. Wird es jedoch in anderen Bereichen missbraucht (z.B. nach einem Eidschwur im Gericht), gilt es als Recht! (Nur Tatbestand keine Rechtsfolge lex imperfecta)

8. Was bedeutet die Aussage, dass eine Rechtsnorm eine Verhaltensvorschrift ist?

Die Beschreibung von Recht als Verhaltensvorschrift, die ein gesolltes Verhalten vorschreiben und daher Sollensnormen sind (versuchen das menschliche Verhalten in der Gesellschaft zu ordnen), ist alleine zuwenig, denn es sind weitere Qualifikationsmerkmale notwendig um von Recht sprechen zu können. (Durchsetzung mittels staatlich organisierten Zwangs, Akzeptanz durch die Rechtsunterworfenen, Effektivität)

9. Welche Rolle spielt die Selbsthilfe für das Vorliegen von Rechtsvorschriften?

Durch den staatlich organisierten Zwang wird die Selbsthilfe weitgehend zurückgedrängt. Denn Verhaltensvorschriften welchen sich durch Selbsthilfe oder ähnliche Institute (z.B. Rache) durchsetzen, können grundsätzlich nicht als Recht angesehen werden.

10. Warum ist die Einordnung von Völkerrecht als Recht im rechtstheoretischen

Sinn problematisch? Weil es in diesem Bereich keinen zentral organisierten Zwang zur Durchsetzung völkerrechtlicher Vorschriften gibt – darum kann es nicht als Recht, sondern eher noch als Selbsthilfe angesehen werden.

11. Auf welche Arten wirkt der staatlich organisierte Zwang? • repressiv (folgt als Reaktion auf die Verletzung des Rechts) • präventiv (versucht den Verletzer und andere Rechtsunterworfene von derartigen

Rechtsverletzungen abzuhalten) Der staatlich organisierte Zwang ist nur ein Mittel zum Zweck der Durchsetzung von Rechtsnormen. Zwang allein begründet noch nicht Recht. 12. In welcher Beziehung stehen die Durchsetzung von Rechtsvorschriften mittels

staatlich organisierten Zwangs, ihre Akzeptanz durch die Rechtsunterworfenen und ihre Effektivität? Die Notwendigkeit der Durchsetzung von Recht mittels staatlich organisierten Zwangs als auch die Akzeptanz des Rechts als solches durch die Rechtsunterworfenen dienen dazu, die Effektivität des Rechts sicherzustellen. (Sie stehen in einer ständigen Wechselbeziehung um eine dauerhaften Bestand eines Rechtes zu ermöglichen.

13. Was bedeutet die Aussage, dass Rechtsnormen relativ wirksam oder effektiv

sein müssen? Es ist auch notwendig, dass Rechtsnormen unabhängig von der Einwilligung der betroffenen Normadressanten befolgt werden.

14. Wodurch wird die Effektivität einer Rechtsordnung erreicht?

Entscheidend für die Annahme der Effektivität von Rechtsvorschriften ist, dass die Norm überwiegend tatsächlich befolgt wird; die Nichtbefolgung einer Vorschrift wird regelmäßig geahndet.

Eine Vorschrift ist dementsprechend nur dann nicht als Rechtsnorm anzusehen, wenn sie auf Dauer ihre Wirksamkeit verliert oder von Anfang an nie wirksam war.

Page 3: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 3 von 112

15. Schadet die immer wieder vorkommende Nichteinhaltung von Geschwindig-

keitsbegrenzungen im Straßenverkehr der Rechtscharakter der einschlägigen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung? Diese Vorschrift wird von vielen zwar übertreten, dennoch als Recht anerkannt, weshalb auch – bei Nichtbeachtung – Sanktionen bekannt sind welche durch staatlichen Zwang durchgesetzt werden. Der Rechtscharakter ist als Norm vorhanden. (Tatbestand + Rechtsfolge)

16. Macht der Umstand, dass in einem Dorf alle Bewohner am Sonntag in die Kirche

gehen, diese Verhaltensweise zu lokal gültigem Recht? Nein, es ist nur „Moral und Sitte“ und die Durchsetzung erfolgt auch nicht durch staatlich organisierten Zwang.

17. Was ist der gemeinsame Kern aller Machttheorien? Die Machttheorien sehen die Grundlage für die Einordnung von Verhaltensregeln als Recht • in der Macht einer gesellschaftlichen Autorität, durch die sie in die Lage versetzt

wird, • ihre Anordnungen unter Androhung und Anwendung physischer Gewalt

durchzusetzen. 18. Beschreiben Sie kurz die Rechtstheorie des John Austin! Welcher Gruppe von

Rechtstheorien ist sie zuzuordnen? John Austin war Vertreter der Machttheorie. Rechtsnormen sind Befehle eines politischen Souveräns (ist keine anderen Befehlen unterworfen), werden diese Befehle nicht befolgt, kann es zu einem großen Übel für den Nichtbefolger werden, weshalb dies eine Pflicht zur Befolgung auslöst.

19. Determinieren die Machttheorie, die Anerkenntnistheorie oder die Grund-

normtheorie die inhaltliche Ausgestaltung von Rechtsvorschriften? Ja, sie schließen sie aus bzw. grenzen sie ab.

20. Was ist der gemeinsame Kern aller Anerkenntnistheorien?

Nach der Anerkenntnistheorie sind Verhaltensanordnungen dann als Rechts-vorschriften anzusehen und haben eine verbindliche Wirkung, wenn sie von der Rechtsgemeinschaft als Recht akzeptiert werden Anerkennung der Norm als Recht.

21. Was ist die Grundnorm? Welchen Inhalt hat sie? Die Grundnormtheorie laut Kelsen besagt, dass die Geltung einer Norm als Recht nur unter Berufung auf eine geltende höherrangige Norm erklärt werden kann, welche die Geltung der erstgenannten Norm vorschreibt. Die aus diesem Gedankengang folgende niemals endende Reihe von Bezugnahmen auf eine jeweils höherrangige Norm wird durch die so genannte Grundnorm durchbrochen (deren Geltung von einer höherrangigen Norm nicht abgeleitet werden kann). Inhalt: „Gehorche der historisch ersten Verfassung“

22. Wann spricht man von Revolution im juristischen Sinn?

Wird die Grundnorm nicht mehr eingehalten, weil die Rechtsunterworfenen der historisch ersten Verfassung nicht mehr gehorchen, so liegt eine Revolution im juristischen Sinn vor.

Page 4: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 4 von 112

23. Was versteht man unter Rechtspositivismus? Weil für die Vertreter des Rechtspositivismus Recht nur, aber auch immer das positive Recht ist, sofern es auf entsprechende Weise erzeugt wurde und gewissen Mindestanforderungen sozialer Wirksamkeit genügt, also hinreichend effektiv ist. Irrelevant ist der Inhalt der Vorschriften.

24. Welchen Ansatz verfolgt die ökonomische Analyse des Rechts?

Die ökonomische Analyse des Rechts versucht, das Recht und seine konkrete Ausgestaltung auf das Wechselspiel ökonomischer Kräfte zurückzuführen.

25. Worin liegt die Bedeutung der ökonomischen Analyse des Rechts für das

Rechtsverständnis? Die ökonomische Analyse des Rechts stellt aber nur dort ein taugliches Hilfsmittel dar, wo es um das in das Wirtschaftsleben eingebettete Wirtschaftsrecht geht dort kann sie wertvolle Hinweise auf die Gründe für die konkrete Ausgestaltung von Vorschriften des positiven Rechts liefern.

26. Wie werden die beiden Grundpositionen zum Problem des Verhältnisses von

Recht und Gerechtigkeit bezeichnet? • Naturrecht • Rechtspositivismus

27. Was ist Inhalt der Naturrechtslehre?

Die Vertreter der Naturrechtslehre gehen im Kern davon aus, dass jeder Mensch so genannte natürliche oder angeborene Rechte schon deshalb hat, weil er Mensch ist. Gedanke an die fundamentalen Menschenrechte! Für sie ist das Recht an gewisse oberste sittliche Grundsätze der Gerechtigkeit gebunden.

28. Welche Rolle spielt der Werterelativismus in der Diskussion um Recht und

Gerechtigkeit? Vertreter des Werterelativismus sind der Auffassung, dass alle Wertesysteme letztlich den gleichen Rang beanspruchen können und absolute Werte nicht erkannt werden können. Daraus wird ersichtlich, dass sie eine Bindung des Rechts an irgendwelche Gerechtigkeitsprinzipien ablehnen, da die Geltung derartiger Grundsätze nicht nachgewiesen, sondern nur vorausgesetzt werden können.

Page 5: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 5 von 112

Kapitel 2: Recht als Gegenstand der Wissenschaft 1. Nennen sie zumindest drei wissenschaftliche Disziplinen, deren Gegenstand das

Recht ist: • Rechtstheorie und Rechtsphilosophie • Rechtspolitik und Gesetzgebungslehre • Rechtstatsachenforschung • Rechtssoziologie • Rechtsdogmatik

2. Welche wissenschaftliche Disziplin mit dem Gegenstand Recht ist die praktisch

bedeutsamste? Rechtsdogmatik (Ziel: das positive Recht erkennen und seinen Inhalt möglichst genau zu erfassen)

3. Welchen Gegenstand hat die allgemeine Rechtslehre?

Rechtstheorie und Rechtsphilosophie (Ziel: Darstellung der allgemeine Strukturen normativer Ordnung; Klärung der Fragen nach dem Rechtsbegriff, Aufbau der Rechtsordnungen; Fragen im Hinblick auf die Methodik rechtswissenschaftlicher Forschung.

4. Was versteht man unter der Rechtsdogmatik?

Die Rechtsdogmatik ist die Wissenschaft vom Recht mit dem Ziel, das positive Recht zu erkennen und seinen Inhalt möglichst genau zu erfassen. Sie wird in eine Vielzahl von Teilgebiet unterteilt, u.a. das Zivil-, das Handels-, das Arbeits-, das Straf-, das Steuer- und das öffentliche Recht (Verfassungs- und Verwaltungsrecht)

5. Was ist Rechtswissenschaft?

Damit sind alle jene Wissenschaftszweige gemeint, in denen das Recht Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen ist (= Oberbegriff für verschiedene Lehren von Recht) va. Rechtsdogmatik, Rechtstheorie und Rechtsphilosophie, d.h. sie beschränkt sich auf wissenschaftliche Fächer, die eine Erforschung der allgemeinen Grundlagen des Rechts sowie das Verständnis des positiven Rechts zum Ziel haben.

6. Was versteht man unter Rechtsquellen?

Als Rechtsquellen bezeichnet man die unterschiedlichen Ursprünge des Rechts. 7. Was sind Rechtserkenntnisquellen?

Im Gegensatz zu den Rechtsquellen wird durch sie kein Recht gesetzt, sondern nur Recht dokumentiert.

8. Ist das Bundesgesetzblatt eine Rechtsquelle?

Nein, es ist nur eine Niederschrift der Gesetze (Verlautbarungsinstrument) (Rechtsquelle gesatztes Recht)

9. Ist eine Sammlung gerichtlicher Entscheidungen eine Rechtsquelle?

Nein, für Österreich gilt es nicht (Rechtsquelle nur für Einzelentscheidungen rechtens) keinen bindenden Charakter (fungiert nur als Hinweis)

Page 6: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 6 von 112

10. Wie können die Rechtsquellen eingeteilt werden? Es wird unterschieden zwischen: • Nationalen Rechtsquellen (Gesetze, Verordnungen, Verträge, Gewohnheits-recht) • Internationalen Rechtsquellen (Völkervertragsrecht, Völkergewohnheitsrecht,

Unions- und Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union,…) Zum andern ist zu differenzieren zwischen • Verkehrssitte und Handelsbrauch • Gewohnheitsrecht • gesatztes Recht • Richterrecht (in Österreich nicht relevant)

11. Was ist die Verkehrssitte?

Notwendig ist eine tatsächliche Übung (consuetudo) und eine Überzeugung, dass diese Verhaltensweise in den beteiligen Verkehrskreisen gebräuchlich sind (opinio usus). hat Relevanz bei Privaten

12. Was ist ein Handelsbrauch?

Notwendig ist eine tatsächliche Übung (consuetudo) und eine Überzeugung, dass diese Verhaltensweise in den beteiligen Verkehrskreisen gebräuchlich sind (opinio usus). hat Relevanz bei Kaufleuten

13. Wie unterscheiden sich Verkehrssitte und Handelsbrauch?

Handelst es sich bei den Verkehrskreisen, in denen ein Verhalten geübt wird, um Kaufleute, so spricht man von einem Handelsbrauch, sonst von einer Verkehrssitte.

14. Was versteht man unter Gewohnheitsrecht?

Die Bildung von Gewohnheitsrecht setzt voraus, dass ein Verhalten durch längere Zeit geübt wird (consuetudo) mit der Überzeugung, dass es sich dabei um Recht handelt (opinio iuris).

15. Was ist gesatztes Recht?

Es umfasst alle Rechtsquellen, bei denen Rechtsnormen schriftlich fixiert werden, und welche von staatlichen Organen in eigenen Rechtserzeugnisverfahren erlassen werden.

16. Was ist Richterrecht?

Hierbei stellen die Entscheidungen der Gerichte selbst Rechtsquellen dar und lösen eine Bindung des entscheidenden Gerichts selbst sowie allfälliger Unter-gerichte aus.

17. Was unterscheidet Gewohnheitsrecht von Verkehrssitte und Handels-brauch?

Bei der Verkehrssitte und Handelsbrauch wird die Übung mit der Überzeugung getätigt, dass sie in den beteiligen Verkehrskreisen gebräuchlich ist. (opinio usus). Beim Gewohnheitsrecht tritt die Überzeugung auf, dass es sich dabei um Recht handelt (opinio iuris). Verkehrssitte: sind keine Rechtsvorschriften Gewohnheitsrecht: wird im Zivil- und Handelsrecht als Rechtsquelle angesehen

18. Welche Unterschiede bestehen zwischen dem Gewohnheitsrecht und dem

gesatzten Recht? Das gesatzte Recht unterscheidet sich zum Gewohnheitsrecht durch seine schriftliche Fixierung, welche von staatlichen Organen in eigenen Rechtserzeugungsverfahren erlassen wird.

Page 7: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 7 von 112

19. Warum ist ein Vertrag nicht als gesatztes Recht anzusehen? Verträge sind zwar privatautonome, d.h. von den Parteien des Vertrags vereinbarte Rechtsnormen, doch werden sie nicht von staatlichen Organen erlassen.

20. Welche Bedeutung haben Gerichtsentscheidungen im österreichischen Recht?

Entscheidungen insb. der Höchstgerichte wirken zwar faktisch wie eine Rechtsquelle, weil weder die Untergericht noch die Höchstgerichte kaum jemals von vorangegangen Entscheidungen abgehen. Jedoch sind sie rechtlich gesehen nur für den entschiedenen Einzelfall verbindlich und lösen keine weitergehenden Rechtswirkungen für andere Verfahren aus. (primär = gesatztes Recht sekundär = Gerichtsentscheidung)

21. Welche Ziele sollen mit der Entwicklung eines allgemein anerkannten Kanons

von Auslegungsmethoden erreicht werden? Er dient der Rationalisierung des Erkenntnisvorgangs und soll möglichste Objektivität im Rahmen der Interpretation von Rechtsvorschriften gewährleisten.

22. Welche Arten der Auslegung gibt es?

• Gesetzesauslegung • Vertragsauslegung sowie ist zu unterscheiden • einschränkende (restriktive) Auslegung • ausdehnende (extensive) Auslegung

23. In einer gesetzlichen Bestimmung wird der Begriff „Fahrzeug“ verwendet. Ein

Gericht versteht darunter nur Autos, nicht aber andere Fahrzeuge. Ein anderes Gericht sieht als Fahrzeuge iSd Bestimmung alles an, was der Fortbewegung dient, also etwa auch Rollerskates. Welche Art der Auslegung verfolgt das erste, welche das zweite Gericht? Gericht 1: restriktive (einschränkende) Auslegung Gericht 2: extensive (ausdehnende) Auslegung

24. Worin besteht der Unterschied zwischen der Gesetzesauslegung und der

Lückenfüllung durch Analogie? Gesetzesauslegung: Erforschung des Sinns von Rechtsvorschriften. Man versucht diese mittels verschiedenster Interpretationsmethoden herauszufiltern. Wird die Beschränkung auf den äußersten Wortsinn als Grenz der Auslegung überschritten, so liegt keine Auslegung, sondern ein nur ausnahmsweise dem Rechtsanwender erlaubter Akt der Rechtsschöpfung durch Lückenfüllung.

25. Welche Grenze ist bei der Gesetzesinterpretation zu beachten?

Beschränkung auf den äußersten Wortsinn

26. Welche Arten von Auslegungsmethoden kennen Sie? • Wortinterpretation • grammatikalische Interpretation • systematisch-logische Interpretation • historische Interpretation • teleologische Interpretation

Page 8: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 8 von 112

27. Was versteht man unter Wortinterpretation? Erforschung des Wortsinns – sie stellt den Beginn jedes Auslegungsvorgangs dar und zielt auf die Ermittlung des Bedeutungsinhalts der vom Gesetzgeber verwendeten Wörter ab.

28. Sachverhalt wie Frage 23. Welches Gericht ist beim Begriffskern stehenge-

blieben, welches hat den Begriffshof mitberücksichtigt? Gericht 1: Begriffskern Gericht 2: Begriffshof (weitgefasste Auslegung)

29. Was ist die grammatikalische Interpretation? Sie ermittelt den Sinn einer Vorschrift auf der Grundlage der Regeln der Grammatik (z.B. Sprachregeln, Zeichensetzung, Sprachform)

30. In welchem Verhältnis stehen Wortinterpretation und grammatikalische

Auslegung? Gibt es Gemeinsamkeiten beider Interpretationsmethoden? Sie versuchen beide anhand der einzelnen Wörter auf den Sinn einer Vorschrift zu kommen. Jedoch stellt die grammatikalische Interpretation auf die auszulegende Rechtsvorschrift selbst ab und so werden keine außerhalb der jeweils relevanten Norm liegende Aspekte berücksichtigt.

31. Was ist die systematisch-logische Interpretation?

Sie ermittelt die Sprachbedeutung und den Sinnzusammenhang einer Vorschrift unter Heranziehung anderer Rechtsvorschriften sowie uU des Systems der Rechtsordnung.

32. Nennen sie Interpretationsgrundsätze, die im Rahmen der systematisch-

logischen Interpretation entwickelt worden sind! • Sonderform: vertragskonforme oder die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung

bei mehreren Interpretationsmöglichkeiten ist jener der Vorzug zu geben, die keine Widerspruch zum höherrangigen Verfassung- oder Gemeinschaftsrecht auslöst

• eine Vorschrift darf nicht so interpretiert werden, dass eine andere überflüssig erscheint.

33. Was ist die historische Interpretation?

Die Willens-, Sinnes- oder subjektive Interpretation ermittelt den Sinn einer Rechtsvorschrift auf der Grundlage der Absicht des Gesetzgebers, der die auszulegende Vorschrift geschaffen hat. der „historische“ Wille des Gesetzgebers, welcher aus objektiven Gegebenheiten (Gesetzesmaterialien) abgeleitet wird.

34. Was versteht man unter den Gesetzesmaterialien?

z.B. Erläuterung zu Regierungsvorlagen oder Berichte parlamentarischer Ausschüsse

35. Unter welchen Umständen scheidet die historische Interpretation eine Vorschrift aus? Wenn die Gesetzesmaterialien • im Widerspruch zum Gesetz stehen, • unklar, in sich widersprüchlich sind oder das angesprochene Problem überhaupt

nicht behandeln, • sich auf eine inzwischen geänderte Rechtslage beziehen.

Grammatikalische Interpretation

Page 9: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 9 von 112

36. Was ist die teleologische Interpretation? = objektive Interpretation. Hierbei wird der Zweck einer Vorschrift ermittelt (ratio legis). („Wie würde der Gesetzgeber heute reagieren?“)

37. Nach welchen Grundsätzen ist der im Rahmen der teleologischen Interpretation

relevante Zweck einer Rechtsnorm zu ermitteln? • Weiter- und Zuendedenken der gesetzlichen Regelung (unter Beachtung der

heutigen Vorstellungen von Gerechtigkeit, sozialem Ausgleich und Rechts-sicherheit)

• Beachtung des Wertewandels

38. Was versteht man unter der verfassungskonformen und der gemeinschafts-konformen Interpretation? Zu welcher der verschiedenen Interpretations-methoden sind sie zu rechnen? Sonderform der systematisch-logischen Interpretation bei mehreren Interpretations-möglichkeiten ist jener der Vorzug zu geben, die keinen Widerspruch zum höherrangigen Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht auslöst.

39. Gibt es eine Rangordnung der Interpretationsmethoden?

IdR sind alle Methoden gemeinsam anzuwenden. Jedoch durch die schriftliche Fixierung der Rechtsvorschriften kommt der Wortinterpretation und der grammatikalischen Interpretation eine besondere Bedeutung bzw. Vorrang zu.

40. Was ist die authentische Interpretation? = doktrinelle oder Legalinterpretation. Hierbei handelt es sich um einen Normsetzungs-akt, durch den der Gesetzgeber nachträglich erklärt, in welchem Sinn eine früher erlassene Rechtsvorschrift zu verstehen ist.

41. Worin liegt der Unterschied zwischen der authentischen Interpretation und den

anderen Methoden der Gesetzesinterpretation? In der Gesetzesinterpretation versucht man allgemein den Sinn einer Rechtsvorschrift herauszufiltern bzw. zu klären. Die authentische Interpretation fungiert jedoch als Normsetzungsakt, in dem nachträglich erklärt wird, wie eine früher erlassene Rechts-vorschrift zu verstehen ist. (der Gesetzgeber bestimmt selbst die Erklärung)

42. Nennen sie die zwischen Legaldefinition und Legalinterpretation bestehenden

Differenzen? Bei einer Legaldefinition wird der vom Gesetzgeber verwendete Begriff noch im Rahmen des gleichen Rechtsaktes erklärt. Die Legalinterpretation erfolgt erst zu einem späteren Zeitpunkt, wenn der Gesetzgeber die Notwendigkeit einer nachträglichen Präzisierung eines früher erlassenen Rechts-setzungsaktes sieht.

43. In einem Gesetz steht: „Unter Fahrzeug ist zu verstehen: … .“ Liegt eine

Legaldefinition oder eine Legalinterpretation vor? Legaldefinition, da der Begriff noch im gleichen Rechtsakt erklärt wird.

44. In einem Gesetz aus diesem Jahr wird angeordnet: „Unter Fahrzeug im Sinn des

BGBI xy/1980 ist zu verstehen: … .“ Wurde eine Legaldefinition oder eine Legalinterpretation vorgenommen? Legalinterpretation, bezieht sich auf einen früher erlassenen Rechtsetzungsakt

Page 10: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 10 von 112

45. Welche methodischen Probleme entstehen im Rahmen der analogen Anwendung von Rechtsvorschriften? Es ist schwierig festzustellen, ob eine Lücke überhaupt vorhanden ist echte oder planwidrige Lücke.

46. Was geschieht bei der Lückenfüllung durch Analogie?

Hierbei wird eine gesetzliche Regelung auf einen von ihr an sich eindeutig nicht erfassten Sachverhalt „analog“ angewendet. Man verlässt dadurch die äußerste Grenze des Wortsinns einer gesetzlichen Vorschrift, weshalb dann ein für den Rechtsandwender erlaubten Akt der Rechtsschöpfung vorliegt (aber nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen)

47. Welche Voraussetzungen bestehen für die Zulässigkeit eines Analogie-

schlusses? Entscheidend ist, dass die gesetzliche Regelung eines Sachverhalts lückenhaft ist. Es muss sich auch um eine echte/planwidrige Lücke handeln (hier ist eine Regelung zwar vorhanden, aber derartig unvollständig), welche ohne Analogie nicht anwendbar wäre.

48. Welche Arten von Lücken kennen Sie? Welche sind rechtlich relevant?

• unechte oder planmäßige Lücke • echte oder planwidrige Lücke rechtlich relevant • verdeckte Lücke

49. Was ist ein Umkehrschluss?

= argumentum e contrario; Wenn die Existenz einer Lücke nicht nachweisbar ist, so wird ein Umkehrschluss gezogen. Bei diesem wird aus dem Fehlen einer einschlägigen Sonderregelung für einen bestimmten Sachverhalt abgeleitet, dass vom Gesetzgeber gerade keine Sonderbehandlung derartiger Fälle gewollt ist.

50. Was ist der Unterschied zwischen einer echten und einer unechten Lücke?

Eine unechte Lücke liegt dann vor, wenn eine gesetzliche Vorschrift fehlt und sich der aus dem Fehlen dieser Rechtsnorm ergebende Rechtszustand als schlecht, weil ungerecht empfunden wird. Eine echte Lücke liegt vor, wenn eine Regelung zwar vorhanden ist, aber diese derart unvollständig ist, dass sie ohne Analogie nicht anwendbar wäre.

51. Was versteht man unter einer verdeckten Lücke?

Von einer verdeckten Lücke spricht man beim Fehlen einer an sich gebotenen Ausnahmeregelung im Gesetz. (Hierbei geht also der Wortlaut des Gesetzes über den mit der gesetzlichen Regelung verfolgten Zweck – ratio legis – hinaus).

52. Welche Folgen hat das Vorliegen einer planwidrigen Lücke? Was geschieht,

wenn das Bestehen einer planwidrigen Lücke verneint wird? Kann das Vorliegen dieser Lücke nachgewiesen werden (eine vom Gesetzgeber ungewollte Lücke) werden, so erfolgt der Lückenschluss durch Analogie. Wird jedoch das Bestehen einer solchen echten Lücke verneint, so nimmt man an, dass der Gesetzgeber diese plangemäß gewollt geschafften hat, erfolgt der Umkehrschluss.

53. Welche Arten von Analogieschlüssen gibt es?

• Einzel- oder Gesetzesanalogie • Rechts- oder Gesamtanalogie • teleologische Reduktion

Page 11: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 11 von 112

54. Worin besteht der Unterschied zwischen einer Einzel- und einer Gesamt-analogie? Die Einzel – und Gesamtanalogie unterscheiden sich durch die im Wege der Analogie zur Anwendung kommende Rechtsvorschrift, die sog. Analogiebasis.

• Bei der Einzelanalogie kommt es zur Übertragung der mit einer bestimmten Einzel-

vorschrift verknüpften Rechtsfolge auf einen nicht geregelten Fall. • Demgegenüber wird bei der Gesamtanalogie die Analogiebasis auf einer Mehrzahl von

Regelungen gewonnen, denen die gleichen Grundgedanken und damit die gleichen rechtlichen Wirkungen zugrunde liegen.

55. Was ist eine teleologische Reduktion?

Die teleologische Reduktion wird bei einer verdeckten Lücke vorgenommen. Bei dieser wird der überschießende Teil der Regelung für nicht anwendbar erklärt.

56. Welchen Inhalt haben die beiden Größenschlüsse? (Sonderfall d. Einzelanalogie)

argumentum a maiori ad minus = Hier wird aus dem Umstand, dass ein bestimmtes Verhalten – das „MEHR“ – erlaubt ist, abgeleitet, dass auch einweniger weitgehendes Verhalten – das „WENIGER“ – gestattet ist. argumentum a minori ad maius = Hier wird aus dem Umstand, dass ein bestimmtes Verhalten – das „WENIGER“ – verboten ist, geschlossen, dass auch ein weitergehendes Verhalten – das „MEHR“ – verboten ist.

57. Was versteht man unter den natürlichen Rechtsgrundsätzen?

Die Berufung auf die natürlichen Rechtsgrundsätze stellt das letzte Mittel dar, wenn alle bisher dargestellten Auslegungsmethoden versagen. Dabei wird das im konkreten Fall vorliegende Auslegungsproblem durch Entwicklung einer Regelung unter Berufung auf die allgemeinsten Wertprinzipien der Rechtsordnung gelöst.

58. Was ist die Konkurrenz von Rechtsvorschriften?

Die Konkurrenz von Rechtsvorschriften betrifft das Problem, dass auf einen Sach-verhalt zumindest zwei voneinander verschiedene Regelungen anwendbar sind. Auch hier muss der Wille des Gesetzgebers ermittelt werden.

59. Welche Erscheinung bezeichnet man mit dem Wort Gesetzeskonkurrenz?

Eine Gesetzeskonkurrenz liegt immer dann vor, wenn die verschiedenen anwendbaren Regelungen einander widersprechende Rechtsfolgen haben.

60. Nach welchen Grundsätzen werden Fälle der Gesetzeskonkurrenz gelöst?

lex posterior derogat legi priori = Dieser Grundsatz besagt, dass bei einem Wider-spruch zwischen Rechtsvorschriften die später erlassene Norm grundsätzlich der früheren Norm vorgeht. lex specialis derogat legi generali = Dieser Grundsatz legt fest, dass die speziellere Bestimmung idR der allgemeineren Bestimmung vorgeht.

Voraussetzung für die Anwendbarkeit = beide Normen müssen im Hinblick auf ihre Rechtsfolgen inhaltlich unvereinbar sein.

61. Welche Auslegungsmethoden sind im Rahmen der Vertragsauslegung (ABGB)

anerkannt? • Einfache Vertragsauslegung • Ergänzende Vertragsauslegung • Unklarheitsregeln

Page 12: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 12 von 112

62. Welche Grundsätze beherrschen die einfache Vertragsauslegung? Die einfache Vertragsauslegung wird überall dort vorgenommen, wo es um die Ermittlung des Sinns einer an sich vorhandenen vertraglichen Regelung (Interpretation) geht. Im Rahmen der einfachen Vertragsauslegung werden herangezogen: • Wortsinn • Absicht der Parteien • (erklärende) Verkehrssitte

63. Welche Bedeutung hat der Wortsinn eines Vertrags?

= Erforschung des Wortsinns (jedoch geht die Absicht der Partei dem Wortlaut vor) 64. Wann greift die einfache, wann die ergänzende Vertragsauslegung ein?

Die einfache Vertragsauslegung wird dort vorgenommen, wo es um die Ermittlung des Sinns einer an sich schon vorhandenen vertraglichen Regelung geht. Von einer ergänzenden Vertragsauslegung spricht man dann, wenn ein auftretendes Problem keine Regelung im Vertrag erfahren hat und diese Vertragslücke nunmehr durch Auslegung zu schließen ist.

65. Nach welchen Prinzipien wird im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung

vorgegangen? Im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung sind heranzuziehen: • dispositive Gesetzesrecht • echte (lückenfüllende) Verkehrssitte • hypothetische Parteiwille

66. Was ist eine echte Verkehrssitte?

Hierbei werden (im Vertrag) die in den beteiligen Verkehrskreisen üblichen Gepflogen-heiten als Lösung für ein im Vertrag nicht geregeltes konkretes Problem anerkannt (trotz Schweigens im Vertrag zu einer bestimmten Frage)

67. Was versteht man unter der Auslegung nach dem hypothetischen Parteiwillen?

Dabei wird danach gefragt, wie redliche und vernünftige Personen unter Berücksichtigung von Geschäftszweck und Parteiwillen ein Sachproblem geregelt hätten, - dass sich nunmehr als regelungsbedürftig herausstellt – wenn sie die Regelungsbedürftigkeit bereits bei Vertragsabschluß erkannt hätten.

68. Welche Rolle spielt die Verkehrssitte bei der Vertragsauslegung?

Entweder fungiert sie als Ermittlungselement, um die Bedeutung – ob der Verkehr mit einem bestimmten Verhalten überhaupt einen bestimmten Sinn ergibt – zu erkennen oder sie wird zur Problemüberbrückung, indem die in den beteiligten Verkehrskreisen üblichen Gepflogenheiten als Lösung einfach anerkannt werden.

69. Beschreiben sie die beiden Unklarheitsregeln?

• Bei einem einseitig verpflichtenden Rechtsgeschäft (z.B. Schenkung) ist anzunehmen, dass sich der Verpflichtete im Zweifel die geringere als die größere Last auferlegen will.

• Bei einem zweiseitig verpflichtenden Rechtsgeschäft (z.B. Miete) wird eine undeutliche Änderung demjenigen zum Nachteil, der sich der Äußerung bedient hat. (der erst der die Formulierung in das Vertragsgeschehen eingeführt hat)

Page 13: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 13 von 112

70. Die österreichische Supermarktkette A kauft von der B-GmbH 100 t „Wiener“. Bei A denkt man bei der Bestellung an die Dauerwurst, der deutsche Geschäftsführer C der B-GmbH dagegen an jene Wurstart, die man in Österreich als „Frankfurter“ bezeichnet und die in Deutland gemeinhin „Wiener Würstchen“ genannt werden. Kommt ein Vertrag zustande und wenn ja, mit welchem Inhalt, wenn es sich bei der B-GmbH um ein österreichisches Unternehmen handelt? • Einfache Vertragsauslegung (zu Lasten von B)

C muss sich an den österreichischen Handelsbrauch halten, deshalb wird es ihm zum Nachteil.

• z.B. A bestellt Wiener „Dauerwurst“ B liefert Wiener „tiefgekühlt“ wird A zum Nachteil (nicht korrekt ausgedrückt) • Handelsbrauch = B liefert A immer Dauerwurst (wird B zum Nachteil)

Ist weder der Wortlaut, noch die Absicht der Parteien ermittelbar, so ist die Verkehrssitte heranzuziehen. (Beispiel: „Wiener“/“Frankfurter“) Es geht dabei um die Übung des redlichen Verkehrs, wobei im Rahmen der einfachen Vertragsauslegung die Umstände der Erklärung und die im Verkehr geltenden Gewohnheiten zu berücksichtigen sind.

Page 14: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 14 von 112

Kapitel 3: Recht als Gegenstand der Wissenschaft 1. Aus welchen Bestandteilen besteht eine Rechtsnorm?

• Tatbestand (welche Voraussetzung müssen zutreffen damit eine in einer Rechts-norm vorgeschriebene Rechtsfolge eintreten kann)

• Rechtsfolge (welche Auswirkungen hat ein tatbestandsmäßiges Verhalten)

2. Was ist die Subsumtion? Hierbei wird geklärt, ob alle Tatbestandsmerkmale durch den Sachverhalt verwirklicht werden. (Norm wird auf einen Sachverhalt angewendet)

3. Was versteht man unter einer lex imperfecta?

Nur in Ausnahmefällen gibt es Rechtsvorschriften, die zwar einen Tatbestand, aber keine Rechtsfolgen aufweisen.

4. Am Bahnsteig steht:“ Betreten der Gleise verboten!“ Handelt es sich um eine lex

imperfecta? Ja, der Tatbestand ist vorhanden, aber es gibt keine staatliche Rechtsfolge. (eventuell Sanktionen von Bahnhofspersonal) Falls es überhaupt eine Rechtsfolge gibt?

5. Was versteht man unter einer generell-abstrakten Norm?

Diese Norm wendet sich nur nach Gattungsmerkmalen bestimmten Adressatenkreis und regelt eine unbestimmte Anzahl von Fällen.

6. Was ist eine individuell-konkrete Norm?

Diese Norm wendet sich an einen nach individuellen Merkmalen bestimmten Adressatenkreis und regelt bzw. erfasst gerade mal einen Fall oder eine abgegrenzte Anzahl von Fällen.

7. Was unterscheidet zwingendes, relativ zwingendes und dispositives Recht?

• Zwingende Rechtsvorschriften = von denen kann durch Vereinbarung nicht abgewichen werden

• Dispositive Rechtsvorschriften = sie haben hinter einer anders lautenden Vereinbarung zurückzustehen

• Relativ zwingendes Recht = Hier darf zugunsten einer – der schwächeren – Vertragspartei von den Vorschriften abgegangen und eine abweichende Regelung vereinbart werden.

8. Was ist Recht im materiellen und im formellen Sinn?

• Recht im materiellen Sinn umfasst jene Rechtsvorschriften, die inhaltliche Regeln aufstellen regelt Sachverhalte in inhaltlicher Sicht.

• Recht im formellen Sinn sind Rechtsvorschriften, welche zum einen in einem Verfahren erzeugt wurden, dessen Ergebnis Rechtsvorschriften darstellen regelt auch die Erzeugung und Durchsetzung anderer Rechtsnormen. (Wie kommt man zur inhaltlichen Lösungen? – Verhandlungsrecht – wie kommt Recht zu Stande? – Gesetzgebungsrecht)

9. Was ist Recht im objektiven und subjektiven Sinn?

Das Recht im objektiven Sinn ist die geltende Rechtsordnung. Demgegenüber ist das subjektive Recht (begründen Rechtsansprüche) eine Regelung, die es einem Rechts-

Page 15: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 15 von 112

subjekt ermöglicht, die Einhaltung einer Vorschrift des objektiven Rechts durch Anrufung staatlicher Organe Recht auf das Recht oder das durchsetzbare Recht.

10. In welchen Verhältnisstehen das Recht im objektiven Sinn und das Recht im

subjektiven Sinn zueinander? Das subjektive Recht setzt das objektive Recht (gesatze Recht = positive Recht) voraus. Es gilt = Nicht jede Regelung des objektiven Rechts räumt ein subjektives Recht ein, aber jedes subjektive Recht beruht auf einer Vorschrift des objektiven Rechts.

11. Welche Einteilung subjektiver Privatrechte kennen Sie?

• absolute Rechte • relative (obligatorische) Rechte • Gestaltungsrechte

12. Worin liegt der Unterschied zwischen absoluten und relativen Rechten?

Die absoluten Rechte sind gegenüber jedermann durchsetzbare subjektive Privat-rechte. Während die relativen Rechte nur gegenüber bestimmten Personen durch-setzbare subjektive Privatrechte sind.

13. Welchen Inhalt haben Gestaltungsrechte?

Gestaltungsrechte sind subjektive Privatrechte, die in der Befugnis bestehen, durch eine einseitige Erklärung und somit ohne Mitwirkung eines anderen eine Änderung bestehender Rechtsverhältnisse herbeizuführen. (z.B. Kündigungsrechte)

14. Was ist entscheidend für die Einräumung subjektiver öffentlicher Rechte?

Sie sind die Voraussetzung für die Parteistellung (insb. beim Verwaltungsverfahren). Nur bei Parteistellung besteht die Möglichkeit zur Einflussnahme auf die behördlichen Entscheidungen und zur Kontrolle der behördlichen Tätigkeiten. Rechtsschutz-einrichtungen des öffentlichen Rechts dienen grundsätzlich nur dem Schutz subjektiver öffentlicher Rechte.

15. Welches Grundprinzip der Bundesverfassung ist durch die Einräumung von

subjektiv öffentlichen Rechten berührt? Rechtsstaatliche Prinzip

16. Welche Arten von subjektiven öffentlichen Rechten kennen Sie?

• Mitwirkungsrechte • Forderungsrechte • Freiheitsrechte

17. Worin besteht der Unterschied zwischen Mitwirkungs- und Forderungsrechten?

Das Mitwirkungsrecht ermöglicht einem Rechtssubjekt die Mitwirkung an der Erzeugung und Vollziehung der Rechtsordnung. (= Beteiligter; dürfen an einem Verfahren mitwirken) Forderungsrechte liegen dann vor, wenn durch die Verwaltungsvorschriften Ansprüche des Rechtssubjekt gegenüber der Verwaltung begründet werden. (= Partei; darf Rechtsansprüche fördern)

18. Welchen Inhalt haben Freiheitsrechte?

Hierbei handelt es sich um subjektive öffentliche Rechte, die auf Unterlassung gesetz-widriger Eingriffe in die grundrechtliche Freiheitsphäre gerichtet sind.

Page 16: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 16 von 112

19. Wozu dienen subjektiv öffentliche Rechte? Sie dienen zur Durchsetzung von den einzelnen begünstigenden Verpflichtungen der Verwaltung durch das Rechtssubjekt.

20. Worin unterscheidet sich Kollisions- vom Einheitsrecht?

Das Kollisionsrecht beschränkt sich auf die Regelung der Frage, welches von mehreren in Frage kommenden nationalen Rechten auf einen Sachverhalt anzuwenden ist. Im Gegenzug dazu trifft das Einheitsrecht eine in mehreren Ländern übereinstimmend geltende materielle, also inhaltliche Regelung bestimmter Gruppen von Tatbeständen.

21. Was macht den Unterschied zwischen Einheits- und nationalem Recht aus?

Im Unterschied zu rein nationalem Recht werden durch das Einheitsrecht idente Rechtsvorschriften für mehrere Staaten aufgestellt.

Einheitsrecht beruht idR auf völkerrechtlichen Rechtsakten und wirkt in seinem Anwendungsbereich wie nationalem Recht. 22. Besteht ein rechtstheoretischer Unterschied zwischen öffentlichem Recht und

Privatrecht? Nein, denn Recht bleibt insoweit Recht, unabhängig davon, ob es sich um Privatrecht oder öffentliches Recht handelt.

23. In welchen Bereichen ist die Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und

Privatrecht von Bedeutung? Bereiche, in denen Rechtsordnungen selbst auf sich zurückgreifen: • Behördenzuständigkeit • Kompetenzverteilung • Amtshaftungsrecht

24. Ist der Landtag von Salzburg befugt, ein neues Gesetz zu beschließen, mit dem

die Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) über den Schadenersatz abgeändert werden? Begründung! Nein, denn Privatrecht darf nur der Bund abändern (Gesetzgebung/Vollziehung)

25. Welche Theorien zur Abgrenzung des öffentlichen Rechts vom Privatrecht

kennen Sie? Welche ist die heute herrschende? • Interessentheorie • Subordinationstheorie • Subjekttheorie (die heute herrschende)

26. Welchen Inhalt hat die Interessentheorie?

Laut Interessentheorie nach dem römischen Juristen Ulpian gehört alles zum öffentlichen Recht, was dem Schutz öffentlicher Interessen, also von Interessen der Allgemeinheit, dient. Dem Privatrecht zuzurechnen, sind dagegen jene Rechtsnormen, die dem Schutz privater Interessen, somit von Interessen des einzelnen, bewirken soll.

27. Was besagt die Subordinationstheorie?

Diese Theorie zur Abgrenzung des öffentlichen Rechts vom Privatrecht knüpft daran an, dass im öffentlichen Recht durch Über- und Unterordnung gekennzeichnete juristische Herrschaftsverhältnisse auftreten.

Page 17: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 17 von 112

28. Was ist die Subjekttheorie? Nach dieser gehört ein Rechtsverhältnis dem öffentlichen Recht an, wenn an ihm ein Rechtsträger mit Hoheitsgewalt – „imperium“ – beteiligt ist, dessen Organe in Aus-übung dieser Hoheitsgewalt tätig werden.

29. Ist das Rechnungslegungsrecht Teil des öffentlichen Rechts oder des

Privatrechts? Privatrecht, da es sich um das Handelsrecht handelt (kann aber auch öffentliches Recht sein Finanzamt)

30. Was versteht man unter einem Rechtssubjekt?

Die Rechtswissenschaft definiert als Rechtssubjekt alle diejenigen, für welche die Rechtsordnung Rechte und Pflichten festlegt.

31. Worin liegt der Unterschied zwischen einem Rechtssubjekt und einem

Rechtsobjekt? Wer nicht Rechtssubjekt ist, der ist grundsätzlich als Rechtsobjekt mit der Konsequenz anzusehen, dass er als Träger von Rechten und Pflichten nicht in Frage kommt.

32. Wer kann nach der österreichischen Rechtsordnung Rechtssubjekt sein?

• natürliche oder physische Personen (Mensch) • juristische Personen (Gebilde, die Träger von Rechten und Pflichten sind)

33. Was ist ein Sklave?

Der Sklave der Antike war trotz seines Menschenseins nicht als Rechtssubjekt, sondern als Objekt der Rechtsordnung wie etwa heute ein Auto.

34. Was versteht man unter einer juristischen Person?

Das sind von Menschen oder Organen geschaffenen verschiedene Gebilde, die Träger von Rechten und Pflichten sein können.

35. Inwiefern ergeben sich für juristische Personen Einschränkung im Vergleich zu

natürlichen Personen? Gewisse Einschränkungen ergeben sich aus der Natur der juristischen Person. (z.B. Grundrechte) Schließlich kann eine juristische Person nicht selbst handeln und benötigt daher Menschen, die für sie ein Verhalten setzen.

36. Nach welchen Gesichtspunkten werden juristische Personen eingeteilt?

Nach dem Entstehungsgrund wird unterschieden zwischen • juristische Personen des öffentlichen Rechts • juristische Personen des Privatrechts (Gesellschaften, AG, GesmbH) Auf Grund der Ausgestaltung wird differenziert zwischen • Körperschaften • Anstalten • Fonds und Stiftungen

37. Wie entstehen juristische Personen des öffentlichen Rechts? Wodurch

entstehen juristische Personen des Privatrechts? Juristische Personen des öffentlichen Rechts entstehen unmittelbar auf Grund eines eigenen Gesetzes oder eines speziellen Hoheitsaktes.

Page 18: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 18 von 112

Entstehungsgrund der juristischen Personen des Privatrechts ist ein Privatrechtsakt, idR der Abschluss eines Gesellschaftsvertrags.

38. Welche Arten von juristischen Personen können auf Grund ihrer Ausgestaltung

unterschieden werden? Wodurch sind sie gekennzeichnet? • Körperschaften (ihr Bestand ist vom Mitgliederwechsel unabhängig, die interne

Willensbildung erfolgt nach dem Mehrheitsprinzip und es ist eine Drittorganschaft vorgesehen)

• Anstalten (= Einrichtungen zur Zweckverfolgung mit nach außen in Erscheinung tretenden sachlichen und persönlichen Mitteln)

• Fonds und Stiftungen (= Zweckvermögen, also Vermögensmassen, die zur Verfolgung bestimmter statutarisch festgelegter Zwecke eingesetzt werden. Stiftung erfolgt die Zweckverfolgung nur aus den Erträgen des Zweckvermögens Fonds hierbei ist auch der Zugriff auf das Zweckvermögen selbst zulässig)

39. Was bedeutet der Begriff der Völkerrechtspersönlichkeit?

Auch auf internationaler Ebene kommt manchen Einrichtungen Rechtspersönlichkeit zu. Diese Völkerrechtspersönlichkeit beschreibt die Fähigkeit dieser Einheiten Träger völkerrechtlicher Recht und Pflichten sein zu können können völkerrechtlich Verträge abschließen

40. Wem steht Völkerrechtspersönlichkeit zu?

Völkerrechtssubjektivität kommt u.a. den souveränen Staaten und manchen internationalen Organisationen zu.

41. Was versteht man unter einem souveränen Staat?

Ein souveräner Staat liegt dann vor, wenn ein derartiges Gebilde (Völkerrechts-persönlichkeit) über • ein Staatsgebiet • ein Staatsvolk und • umfassende Staatsgewalt verfügt. (Insignien Fahne, Hymne)

Umfassende Staatsgewalt bedeutet, dass der Staat nach außen zumindest formell den anderen Staaten gegenüber gleichberechtigt ist, dass ihm also keine Anweisungen erteilt werden können. Nach innen ist für die Annahme einer umfassenden Staatsgewalt erforderlich, dass der Staat den übrigen Rechtssubjekten auf seinem Staatsgebiet übergeordnet ist. 42. Unter welchen Voraussetzungen spricht man von einer internationalen

Organisation? Internationale Organisationen sind Zusammenschlüsse idR von Staaten oder anderen internationalen Organisationen auf internationaler Ebene, die über ein Mindestmaß an Organisation verfügen, bestimmte Zwecke verfolgen und in aller Regel durch einen Völkerrechtsakt begründet werden. Sie können, müssen aber nicht Völkerrechts-persönlichkeit haben.

43. Was versteht man im öffentlichen Recht unter dem Begriff „Rechtsträger“?

Welche Rechtsträger des öffentlichen Rechts kennen Sie? Darunter werden juristischen Personen öffentlichen Rechts verstanden, welche die Befugnis haben, Verwaltungsorgane einzurichten, zu erhalten und mit Kompetenzen auszustatten. (Organ, Behörde)

Page 19: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 19 von 112

44. Erklären Sie die Begriffe „Organ“ und „Organwalter“? Unter einem Organ versteht man eine Einrichtung, die bestimmte Kompetenzen hat. („Ein Organ ist ein Zuständigkeitsbündel“) Ein Organwalter ist eine natürliche Person, welche die Kompetenzen des Organs tatsächlich ausübt.

Organwalter wechseln; das Organ aber bleibt grundsätzlich das gleiche. 45. Am Schluss eines Bescheides findet sich die Klausel: „Für den Landes-

hauptmann: Dr. Müller“, Erklären Sie anhand dieses Beispieles die Begriffe „Organ“ und „Organwalter“! Kann es sich um einen im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung ergangenen Bescheid handeln? Begründung! Organ ist die Einrichtung „LANDESHAUPTMANN“ Oranwalter = Dr. Müller, welcher die Kompetenzen des Organs ausübt Hierbei handelt es sich um einen Bescheid der mittelbaren Bundesverwaltung. (BVB LH)

46. Erklären sie die Begriffe „Behörde“, „Dienststelle“, „Amt“!

Behörden sind jene Organe der Vollziehung, die mit Hoheitsgewalt („imperium“) ausgestattet sind. (sie können Verwaltungsakte setzen z.B. Bescheide, Verordnungen oder Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt) Eine Dienststelle ist dagegen eine organisatorische Einheit der Verwaltung, die einem Organ zur Besorgung bestimmter öffentlicher Aufgaben beigegeben ist Hilfsapparat Sehr oft werden derartige Dienststellen auch als Amt bezeichnet.

Page 20: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 20 von 112

Abschnitt 2 – INTERNATIONALE ORGANISATIONEN, DIE EU

UND DER STAAT ALS GESTALTER WIRTSCHAFTSRECHTLICHER RAHMENBEDINGUNGEN

Kapitel 1 I.: Organisation, Aufbau und Struktur internationaler

Einrichtungen 1. Wodurch können sich internationale Organisationen, Vertragssystem und

sonstige Einrichtungen unterscheiden? • In der Art ihrer Gründung • In der Möglichkeit zum Erwerb der Mitgliedschaft • Im Ausmaß ihrer Rechtsfähigkeit • In ihren Aufgaben und Kompetenzen • In ihrem inneren Aufbau

2. Wer ist Mitglied der G 8? (= Group of eight)

Staats- und Regierungschef der sieben stärksten Industrienationen (BRD, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada sowie den USA) einschließlich Russlands. (Kommissionspräsiden EU = kein vollwertiges Mitglied)

3. Was kennzeichnet die G 8?

Sie ist ein informelles, also ohne Rechtsgrundlage im eigentlichen Sinn stattfindendes jährliches Treffen der Staats- und Regierungschefs. Die G 8 hat auch keine Organe. Da die G 8 keine internationale Organisation ist, besteht keine Verpflichtung der Teilnehmer zu Einhaltung der auf den Treffen gefassten Beschlüsse oder zur Umsetzung von dort vereinbarten Aktionsplänen.

4. Welche Aufgaben hat die G 8?

Aufgabe der G 8 ist es, ein Forum für den Gedankenaustausch zwischen den weltweit wichtigsten Staats- und Regierungschefs zu bilden. Diskutiert werden international bedeutende wirtschaftliche, politische und soziale Fragen. (in concreto = makro- und mikroökonomische Probleme, der internationale Handel, die Beziehungen zu den Entwicklungsländern sowie zwischen West und Ost, um Fragen der Energieversorgung sowie um die Bekämpfung des Terrorismus)

5. Worin liegt die Bedeutung der G 8?

Sie bildet auf Grund der Bedeutung ihrer Mitglieder bis zu einem gewissen Grad einen Ansatz für „global governance“ („Weltregierung“), deren Wirkungen auf der Koordinierung und Harmonisierung von Initiativen und Maßnahmen der politisch wichtigsten Staaten beruhen.

6. Was ist der IWF?

Der Internationale Währungsfond ist eine internationale Organisation mit Sitz in Washington. (184 Mitgliedstaaten) Stimmrecht der Mitgliedstaaten bestimmt sich nach der Beteiligung des jeweiligen Landes am Kapital des IWF.

7. Welche Aufgaben hat der IWF? Welche Maßnahmen kann der IWF setzen?

Hauptaufgabe des IWF ist die Wahrung der Stabilität des internationalen Währungs- und Finanzsystems. Er soll Krisen im Gefüge der Weltwirtschaft verhindern helfen

Page 21: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 21 von 112

sowie bei der Lösung von Krisen Hilfe leisen. Seine Aufgaben erfüllt er durch Über-wachung insb. der Wechselkurspolitik der Mitgliedstaaten, die Bereitstellung technischer Hilfe sowie durch Kreditvergabe.

8. Aus welchen Organisationen besteht die Weltbank?

• der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD) • der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA), einem Fonds Ferner sind Teil der Weltbank-Organisation • die Internationale Finanz-Corporation (IFC) • die Multilaterale Investitions-Garantie-Agentur (MIGA) sowie das • Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID)

9. Welche Aufgaben hat die Weltbank? Welche Maßnahmen kann sie setzen?

Die Weltbank ist der weltweit größte Anbieter von Entwicklungshilfe insb. in den Bereichen Bildungswesen, HIV/AIDS-Bekämpfung und Gesundheitsprogramme. Sie wird tätig durch Kreditgewährung, Gewährung von Zuschüssen und technischer Hilfe.

10. Welche internationale Organisation hat als Aufgabe ua den weltweiten Schutz

von Immaterialgüterrechten? WIPO (World Intellectual Property Organization)

11. Was sind die Ergebnisse der Tätigkeit der WIPO?

Die Tätigkeit der WIPO führt zu • Internationalen Abkommen auf dem Gebiet des Immaterialgüterrechts (die

ungeachtet ihrer völkerrechtlichen Verbindlichkeiten noch in innerstaatliches Recht umgesetzt werden müssen, um Wirksamkeit entfalten zu können)

• Empfehlungen, die eine schnellere Reaktion auf neue, insb. technische Entwicklungen erlauben (aber im Gegensatz zu Abkommen auch völkerrechtlich unverbindlich sind)

12. Welche Arten von Abkommen gehen auf die Initiative der WIPO zurück?

• Abkommen zum Schutz von Immaterialgüterrechts • Abkommen zur Einführung globaler Schutzsysteme (z.B. Registrierungs-

voraussetzungen) • Klassifikationsabkommen (z.B. Markenrechte)

13. Welche Aufgaben hat die WTO?

• Aufstellung globaler Regeln für den Welthandel • die Öffnung der nationalen Märkte für den Welthandel • die Entscheidung in Handelskonflikten (wegen Verletzung von im Rahmen der WTO

getroffenen Vereinbarungen) • Entwicklungsmaßnahmen

14. Nennen Sie die drei wichtigsten WTO-Regeln!

• GATT (General Agreement on Tariffs and Trade) • GATS (General Agreement on Trade in Services) • TRIPS (Agreement on Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights)

Page 22: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 22 von 112

15. Worin liegt der Unterschied zwischen dem GATT, dem GATS und dem TRIPS? GATT = Regeln für den weltweiten Warenhandel GATS = Welthandel mit Dienstleistungen (wie Finanzdienstleistungen, Tourismus,

Telekommunikation) TRIPS = Regeln für den Bereich des Immaterialgüterrechts (Marken, Urheberrecht)

16. Welche Bedeutung hat der im WTO-Abkommen vorgesehene Streitbeilegungs-

mechanismus? Zum eine bewirken diese eine Durchsetzbarkeit der verschiedenen WTO-Abkommen auf internationaler Ebene. Zum anderen verhindern derartige Mechanismen das Eingreifen von Selbsthilfemaßnahmen, die in weiterer Folge zu Handelskonflikten führen könnten.

17. Welche Ziele verfolgt die OECD?

• Erreichung einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung und Beschäftigung in den Mitgliedsländern unter Wahrung einer finanziellen Stabilität

• Förderung eines gesunden Wirtschaftswachstums • Ausweitung des Welthandels auf multilateraler und nicht-diskriminierender

Grundlage 18. Nennen Sie Beispiele für juristisch bedeutsame Akten der OECD?

• OECD Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung • OECD Konvention zur Bekämpfung der Korruption • OECD Grundsätze zur Corporate Governance Aber auch die von der Unterorganisation FATF („Financial Action Task Force“) beschlossene „Vierzig Empfehlungen“ zur Bekämpfung der Geldwäschen.

19. Welche Rechtsnatur hat die ICC?

Die International Chamber of Commerce (ICC) ist eine international tätige Interessens-vereinigung. (Sie ist nichtstaatlich, sodass sie nicht als internationale Organisation im völkerrechtlichen Sinn eingestuft werden kann) privatrechtlicher Verein ohne völkerrechtliche Rechtspersönlichkeit

20. Welche Ziele hat die ICC?

• Förderung des Welthandels (Lobbying-Maßnahmen, Maßnahmen zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität, Entwicklung von Regelwerken zur Selbstregulierung von Geschäftszweigen)

21. Erreicht die ICC ihre Bedeutung durch bindende Rechtsakte?

Nein, Bedeutung gewinnen die Regelwerke der ICC durch die Akzeptanz dieser Regelwerke in den einschlägigen internationalen Geschäftskreisen (die sich insb. in ihrer Aufnahmen in die im internationalen Handelsverkehr abgeschlossenen Verträge zeigen).

22. Welche Aktivitäten setzt die ICC?

Die juristisch praktisch wichtigsten Tätigkeiten sind: • die Schiedsgerichtsbarkeit und die alternative Streitbeilegung • die Entwicklung von Selbstregulierungswerken (z.B. Codes für den Bereich e-

commerce, Werbung, Marketing, Umweltschutz) • die Aufstellung von Mustervertragsbedingungen

Page 23: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 23 von 112

23. Was sind Incoterms? Was versteht man unter den ERA 500 sowie den ERI? Incoterms = Standardvertragsklauseln mit vorgegebenen Inhalt ERA 500 = Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive ERI = Einheitliche Richtlinien für Inkassi

24. Welche Rechtsnatur hat UNIDROIT?

Die International Institute for the Unification of Private Law ist eine unabhängige internationale Organisation, die auf dem UNIDROIT Statut beruht, eine multilaterale Vereinbarung. Vereinbarungen sind unverbindlich.

25. Welche Aufgaben hat UNIDROIT?

• Erforschung der Notwendigkeit und Methoden zur Modernisierung, Harmonisierung und Vereinheitlichung des Privat- und insb. Wirtschaftsrechts zwischen Staaten und Gruppen von Staaten (= Schaffung von materiellem Einheits(privat)recht)

26. Welche Typen von Regelwerken werden von UNIDROIT erlassen?

• Internationale Abkommen (International Conventions) = werden auf diplomatischen Konferenzen beschlossen, sollen unverändert in das innerstaatliche Recht der Mitgliedstaaten übernommen werden

• Modellgesetze (model law) = sollen dem nationalen Gesetzgeber als Vorbild für die innerstaatliche Gesetzgebung dienen

• Allgemeine Grundsätze (general principles) = sollen Rechtsanwender (Gerichte, Rechtsanwälte) dazu bringen, Streitfälle nach dem Vorbild dieser Grundsätze zu lösen, ohne dass eine rechtliche Bindung der Rechtsanwender eintritt

• Rechtliche Leitlinien (legal guides) = diene der ersten Orientierung, sollen bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt einer Harmonisierung der nationalen Vorschriften dienen

Im Bankbereich sehr wichtig

Page 24: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 24 von 112

Kapitel 1 II.A.: Der institutionelle Aufbau der EU 1. Was versteht man unter der Drei-Säulen-Struktur der EU?

Der Aufbau der EU wird somit beschrieben. Nach dieser Struktur bilden die gemeinsamen Bestimmungen des EUV das Dach der EU, das auf 3 Säulen ruht.

1. Säule = Europäische Gemeinschaften 2. Säule = GASP 3. Säule = PJZS

Der Sockel dieses Gebildes wird durch die Schlussbestimmungen des EUV gebildet.

2. Ist der EWR Teil der EU?

Nein, der Europäische Wirtschaftsraum ist eine internationale Organisation, die in weiten Bereichen auf Unions- und Gemeinschaftsrecht beruht. (aber es stehen den Mitgliedstaaten der EWR keine vergleichbaren Mitspracherechte wie in der EU zu)

3. Wie viele Mitglieder hat die EU? Zählen Sie diese auf!

25 Mitglieder = Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn, Zypern

4. Was versteht man unter dem gemeinsamen institutionellen Rahmen?

Das bedeutet, dass die EU als solche (Ausnahme = Europäische Rat) keine eigenen Organe hat, sondern dass die Organe der ersten Säule auch in den anderen Säulen sowie im Rahmen der EU als solche handeln. = ORGANLEIHE

5. Welcher Rechtsstatus kommt der EU zu?

Rechtlich stellt sich die EU als völkerrechtliche (vertraglich im EUV verankert) zwischenstaatliche Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten der EU dar.

6. Nach dem Ausmaß der Integration werden drei Arten von Staaten unterschieden.

Welche sind das, und wie ist die EU in dieses System einzuordnen? • Einheitsstaaten • Bundesstaaten • Staatenbünden Die EU wird als Staatenverbindung auf völkerrechtlicher Grundlage eingestuft.

7. Aus welchen Bestandteilen besteht das Kontinuitätsgebot?

Das Kontinuitätsgesetz bedeutet, dass bei der Weiterentwicklung der Union • der gemeinschaftliche Rechtsbesitzstand (acquis communautaire), jedenfalls zu

wahren ist, • eine immer engere Zusammenarbeit anzustreben ist.

Schlussbestimmungen

EGen

GASP

PJZS

Gemeinsame Bestimmungen

Page 25: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 25 von 112

8. Was versteht man unter dem Kohärenzgebot? Eis gebietet eine bewusste institutionelle und organisatorische Verklammerung der EU und der Europäischen Gemeinschaft.

Es verlange eine Zusammenarbeit in der Union iS von • Äußerer Kohärenz = gemeinsames Auftreten der Union gegenüber Dritten • Innere Kohärenz = dient der Wahrung des wirtschaftlichen und sozialen

Zusammenhalts in der Union • Inhaltliche Kohärenz = Abstimmung der Maßnahmen von Politiken von Gemein-

schaft und Union im Innen- und Außenverhältnis 9. Wer ist Adressat des Kohärenzgebots?

Das Kohärenzgebot ist gerichtet an den Rat, die Kommission sowie den Mitglieds-staaten.

10. Aus welchen Einheiten wird die erste Säule der EU gebildet?

• Europäische Gemeinschaft (EG) • Europäische Atomgemeinschaft (EAG)

11. Welche Rechtsnatur und Aufgaben haben die Bestandteile der Säule 1?

Beide Gemeinschaften sind internationale Organisationen, weisen völkerrechtliche Rechtspersönlichkeit auf und kommen innerstaatliche Rechts- und Geschäftsfähigkeit zu. Primäres Ziel der EG = Etablierung eines Gemeinsamen Marktes; Primäres Ziel der EAG = Vergemeinschaftung der europäischen Atomindustrie

12. Was bedeutet Supranationalität?

Das bedeutet, dass von diesen Organisationen Rechtsakte mit unmittelbarer Wirkung für die Rechtsunterworfenen der Mitgliedstaaten erlassen werden können.

13. Welche Bedeutung hat das Schlagwort von der Mediatisierung der Rechts-

unterworfenen? Mediatisierung = durch eigene Rechtsakte der Mitgliedstaaten werden Regelungen für Rechtsunterworfene verbindlich. Nur der supranationale Charakter der EG und der EAG heben die Mediatisierung der Rechtunterworfenen zumindest zum Teil auf und begründen unmittelbare Rechte und Pflichten der Rechtsunterworfenen der Mitgliedstaaten auf Grund des Gemeinschaftsrechts.

14. Welchen Einheiten der EU kommt supranationaler Charakter zu?

1 Säule = EG, EAG 15. Welche Ziele werden mit der GASP verfolgt?

Es wird im Rahmen der Gemeinsamen Außenpolitik angestrebt: • die Wahrung der gemeinsamen Werte • die Wahrung der grundlegenden Interessen Die Gemeinsame Sicherheitspolitik bezweckt außerdem: • die Sicherung der Unabhängigkeit und Unversehrtheit der Union • die Wahrung der Sicherheit der Union Zudem dient die GASP: • der Wahrung des Friedens • der Stärkung der internationalen Sicherheit • der Förderung der internationalen Zusammenarbeit

Page 26: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 26 von 112

• der Entwicklung und Stärkung der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechte und Grundfreiheiten.

16. Was versteht man unter den Petersberg-Aufgaben? Im Rahmen welches Politik-

bereichs spielen diese eine Rolle? Ein Bestandteil der GASP bildet die „Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungs-politik“ (GESVP), welche freiwillige militärische Zusammenarbeit bei EU- geführten Aktionen vorsieht. Die bereitgestellten operativen Kapazitäten sollen im Rahmen der sog. Petersburg-Aufgaben eingesetzt werden. Diese umfassen u.a. • humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, • friedenserhaltende Aufgaben, • friedensschaffende Aufgaben einschließlich von Kampfeinsätzen zur Krisen-

bewältigung 17. Was sind die Ziele der PJZS?

Ziel der „Polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen“ (PJZS) ist die Schaffung eines Raums der Freiheit, Sicherheit und des Rechts. (notwendige Folge durch die Grundfreiheiten – freier Personenverkehr)

18. Welche Kriminalitätsformen werden im Rahmen der PJZS bekämpft?

Die PJZS dient der Bekämpfung von: • Rassismus und Fremdenfeindlichkeit • schwerer Formen Kriminalität wie Terrorismus, Menschen-, Drogen- und Waffen-

handel, Bestechung und Betrug • Formen organisierte Kriminalität einschließlich der Geldwäsche

19. In welchem Verhältnis stehen die PJZS und der Schengen-Vertrag?

Dabei handelt es sich um ein Vertragssystem, dass eigentlich außerhalb der EU und der EG angesiedelt ist. Ziel ist die Schaffung des „Schengenraums“, in dem auch aus sicherheitspolizeilichen Gründen keine Grenzkontrollen durchgeführt werden dürfen. Dies bedingt, dass an den „Schengengrenzen“ verstärkte Kontrollen durchgeführt werden. Notwendige Informationen werden durch das Schengen-Informationssystem (SIS) bereitgestellt. (außerhalb des Schengenraums z.B. Großbritannien, Irland und die neuen Mitgliedstaaten)

20. Worin besteht der Unterschied zwischen Gemeinschaftsrecht und Unionsrecht?

Gemeinschaftsrecht = Recht der EG und der EAG (mit Einschränkungen) Unionsrecht = Recht des Dachs, des Sockels, 2. und 3. Säule

21. Was unterscheidet primäres vom sekundären Unionsrecht?

Primäres Unionsrecht sind alle Rechtsakte, die selbst nicht auf der Grundlage von Unionsrecht geschaffen wurden und den rechtlichen Rahmen für die EU bilden. (Verträge bilden den rechtlichen Rahmen der Union) Zum sekundären oder abgeleiteten Unionsrecht gehören alle Rechtsakte, die auf der Grundlage des primären Unionsrechts nach den dort vorgesehenen Verfahren und mit den dort vorgesehenen Mitteln geschaffen werden.

Page 27: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 27 von 112

22. Welche Rechtsquellen werden zum primären Unionsrecht gezählt? • Geschriebene Unionsrecht (Gründungsverträge, Beitrittsverträge, Vertrag von

Nizza, Amsterdam und Maastricht) • Ungeschriebene Unionsrecht (Völkergewohnheitsrecht, Grundrechte, völker-

rechtliche allgemeine Rechtsgrundsätze) 23. Was sind die Besonderheiten des sekundären Unionsrechts im Hinblick auf

seine Rechtsqualität? Das sekundäre Unionsrecht hat völkerrechtlichen Charakter und kann nur die Mitgliedstaaten binden. Außerdem genießt das primäre im Gegensatz zum sekundären Unionsrecht Vorrang.

24. Welche Arten sekundären Unionsrechts gibt es? Kurze Beschreibung!

• Zielvorstellungen und Leitlinien (vom Europäischen Rat vorgenommene Fest-legungen allgemeiner politischer Zielvorstellungen über die Entwicklung der Union

politische Bedeutung) • Gemeinsame Strategien (sind auf die Festlegung konkreter Ziele gerichtet) • Gemeinsame Standpunkte und Gemeinsame Aktionen (mit diesen wird das

Vorgehen der Union in einer abgegrenzten Frage festgelegt politische Bedeutung, aber sie können auch rechtlich bindend sein)

• Rahmenbeschlüsse und andere Beschlüsse (dienen der Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten)

• Völkerrechtliche Übereinkommen (werden von der EU ausgearbeitet, den Mitglieds-staaten wird eine Annahme empfohlen)

• Durchführungsbeschlüsse (dienen der Setzung konkreter Maßnahmen zur Umsetzung Gemeinsamer Standpunkte und Gemeinsamer Aktionen)

25. Wie heißt das politisch bedeutenste Organ der GASP?

der Europäische Rat 26. Besteht die rechtliche Möglichkeit zur Beteiligung an den „Petersberg-Aufgaben“

auch für Österreich als neutraler Staat? Ja, in der EU sind wir solidarisch. Allfällige neutralitätsrechtliche Probleme in Bezug auf die Teilnahme an der GASP sind gegenwärtig durch Art 23f B-VG zwar weitgehend entschärft, zumal der politische Wille einer „flexiblen“ Interpretation der einschlägigen neutralitätsrechtlichen Bestimmungen vorhanden ist.

Page 28: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 28 von 112

Kapitel 1 II.B.1.: Der institutionelle Aufbau der EU 1. Aus welchem Grund wird von einem Mangel an Gewaltenteilung im Rahmen

insb. der EG gesprochen? Es gibt keine Gewaltenteilung im klassischen Sinn in die Staatsfunktionen der Legislative, Exekutive und Judikatur bei den Organen der EG. Die meisten Organe übernehmen sowohl gesetzgebende als auch vollziehende sowie rechtssprechende Funktionen.

2. Wie ist der Mangel an Gewaltentrennung zu bewerten?

Es ist sicherlich ein demokratiepolitisches Defizit, aber man sollte nicht vergessen, dass es sich bei der EU um eine besondere Struktur der EG handelt. Es ist nämlich ein freiwilliger Zusammenschluss souveräner Staaten. Außerdem wird die fehlende Gewaltenteilung zum Teil durch andere, spezifische europarechtliche Kontroll-mechanismen ausgeglichen.

3. Unterscheiden Sie die Begriffe authentische Sprache, Arbeitssprache und Amts-

sprache! Welche ist die für den Rechtsunterworfenen praktisch wichtigste? • Authentische Sprache = jene Sprachen, in denen der Text der Gründungsverträge

rechtsverbindlich ist. • Arbeitssprache = jene Sprachen, in denen der interne Betrieb der Organe abläuft

(Kommission = Englisch, EuGH = Französisch) • Amtssprache = jene Sprachen, in denen die Organe nach außen hin tätig werden

und in denen sich die Rechtsunterworfenen an die Organe wenden können, daher ist sich auch für diese die praktisch wichtigste

4. Nach welchen Grundsätzen bestimmen sich die Kompetenzen der EU?

• Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung • Implied powers Theorie • Generalermächtigung zur Rechtsetzung nach Art. 308 EG

5. Was besagt das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung?

Die Kompetenzen der Organe und der EG sollen nur dort bestehen, wo diese ausdrücklich in den Gründungsverträgen vorgesehen werden. (z.B. zur Verwirklichung der Grundfreiheiten und von EG durchzuführenden Politiken z.B. Verkehrspolitik, Wettbewerbspolitik, Verbraucherschutzpolitik)

6. Was sind die implied powers iSd Rechtssprechung des EuGH?

Danach haben die EG und ihre Organe nicht nur die in den Verträgen ausdrücklich zugewiesenen Kompetenzen, sondern darüber hinaus auch solche, die für die effektive Ausübung der ausdrücklich zugewiesenen Kompetenzen erforderlich sind.

7. Was bedeutet die Generalermächtigung zur Rechtssetzung?

Unter bestimmten Voraussetzungen kann trotz Fehlens einer ausdrücklichen Kompetenzvorschrift und der Unanwendbarkeit der implied-powers-Lehre dennoch eine Kompetenz zur Rechtsetzung begründet werden, falls ein Tätigwerden der Gemeinschaft zur Verwirklichung eines ihrer Ziele erforderlich scheint.

Page 29: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 29 von 112

8. Was besagt das Schlagwort von den Mitgliedstaaten als den Herren der Verträge? Die Mitgliedstaaten werden als die „Herren der Verträge“ bezeichnet, weil nur ihnen die Befugnis zur Abänderung der unions- und gemeinschaftsrechtlichen Regelungen mit primärrechtlichen Charakter und insb. der Kompetenzverteilung zukommt.

9. In welchem Verhältnis stehen die Kompetenztatbestände zueinander?

Das Hauptprinzip der Kompetenzverteilung ist das Prinzip der begrenzten Eigen-ermächtigung, das von den anderen beiden Grundsätzen ergänzt wird. Rechtliche Begründungen für die Einräumung der Kompetenzen gibt es nicht. EG kommt keine Kompetenz zu mit der sie die Aufgabenverteilung zwischen den Mitglieds-staaten und der Gemeinschaft von sich aus ändern könnte.

10. Welche Organe der EG kennen Sie?

• Rat • Kommission • Parlament • EuGH • ERH • Nebenorgane mit bloß eingeschränkter Rechtsstellung • Weitere Organe z.B. die Europäische Zentralbank (EZB), das Europäische System

der Zentralbanken (ESZB) 11. Kann die Kommission vor dem EuGH verklagt werden? Gilt das auch für den

Ausschuss der Regionen? EuGH: Ja, Kommissionsmitglieder können enthoben werden Ausschuss der Regionen: Ja, er hat aber keine volle Organstellung

12. Welche beiden Organe bezeichnet der Begriff Rat? Worin liegt der Unterschied

zwischen diesen beiden Organen? • Europäische Rat (das politische Leitungsorgan – Dach – der EU) • Rat der EU („Ministerrat“ – ein Vertreter jedes Mitgliedsstaates auf Ministerebene,

der befugt ist, für die Regierung des Mitgliedsstaates verbindlich zu handeln; z.B. Landeshauptmann, da dieser Mitglied einer Gliedstaatregierung ist

13. Welche Rolle kommt dem Europäischen Rat zu?

Es fungiert als politisches Leitungsorgan der EU 14. Welche Sonderformen des Rats der EU kennen Sie?

• bei besonders bedeutsamen Angelegenheiten tagt der Rat mit den Staats- und Regierungschefs

• der allgemeine Rat (die Außenminister der Staaten) • Fachräte (z.B. ECOFIN-Rat; wird von den Finanz- bzw. Wirtschaftsministern

gebildet) • weiters: Verkehrsministerrat, Landwirtschaftsministerrat, Gesundheitsministerrat,…

15. Wer ist der Präsident des Rates?

Im Rat wechselt der Vorsitz, die sog. Präsidentschaft, alle 6 Monate unter den Mitgliedstaaten, wobei der Vertreter des jeweils vorsitzführenden Landes als Präsident des Rates bezeichnet wird.

Page 30: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 30 von 112

16. Welche Abstimmungserfordernisse gibt es für die Beschlussfassung im Rat? Die Beschlussfassung im Rat erfolgt grundsätzlich durch einfache Mehrheit. In manchen Fällen ist Einstimmigkeit oder eine sog. qualifizierte Mehrheit vorgesehen.

17. Was bedeutet das Erfordernis der qualifizierten Mehrheit im Rat?

Den Mitgliedstaaten kommen unterschiedliche Stimmgewichte zu, welche sich insb. nach der Bevölkerungszahl bestimmt. Doppelte Mehrheit = es muss eine bestimmte Mindestanzahl von Stimmen vorhanden sein, aber auch eine hinreichende Anzahl von Mitgliedstaaten muss zustimmen.

18. Welche Aufgaben hat der Rat? Was ist dabei seine Hauptaufgabe?

Neben Rechtsetzungsbefugnissen hat der Rat ua auch politische Befugnisse insb. im Bereich der Wirtschaftspolitik.

19. Der Rat wird als das Hauptrechtsetzungsorgan der EG bezeichnet. Kann der Rat

im allgemeine von sich Rechtsvorschriften erlassen? Nein, er kann dabei grundsätzlich nur auf Vorschlag der Kommission und idR unter Beteiligung des EP tätig werden.

20. In welchen Einheiten der EU wird der Rat tätig?

Er wird in allen drei Säulen und in beiden Gemeinschaften der ersten Säule tätig. 21. Worin bestehen die Aufgaben von COREPER I und COREPER II?

= Ausschuss der ständige Vertreter (Comité des Représentants Permanents) Aufgaben von COREPER ist die Vorbereitung der Tagesordnungen der Ratssitzungen sowie die inhaltliche Vorbereitung der zu treffenden Entscheidungen. COREPER I = für die Klärung technischer Fragen zuständig, wird durch Boschafter-

Stellvertreter gebildet COREPER II = behandelt politische Frage und wird mit den Botschaftern der

Mitgliedstaaten beschickt 22. Welche der folgenden Aussagen sind richtig, welche sind falsch?

• Der Vorsitz im Rat der EG wird vom „Mister GASP“, dem so genannten Außenminister der EU ausgeübt.

• Dem Rat kommt eine wesentliche Bedeutung bei der Rechtssetzung der EG zu.

• Auf Grund der entsprechend dem Grundsatz der Gleichberechtigung festgelegten Stimmengewichtung hat bei Beschlüssen des Rates, die eine qualifizierte Mehrheit verlangen, die Stimme jedes Mitgliedstaates das gleiche Gewicht.

• Der Rat wird auch als „Hüter der Verträger“ bezeichnet. • Zu den Aufgaben des Rats zählt auch der Abschluss völkerrechtlicher

Vereinbarungen. • Der Vorsitz im Rat wechselt alle sechs Monate. • Dem Rat ist zur Vorbereitung der Tagesordnung der Ratssitzungen und

der dort zu treffenden Entscheidungen ein „Ausschuss der Ständigen Vertreter“ (COREPER) beigegeben.

23. Der Jusstudent Max behauptet, dass der Rat der EG immer einstimmig

entscheidet, um den Einfluss auch der kleineren Mitgliedstaaten zu wahren. Stimmen Sie dieser Aussage zu?

Page 31: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 31 von 112

Nein, die Beschlussfassung erfolgt grundsätzlich durch einfache Mehrheit, nur in manchen Fällen ist Einstimmigkeit oder eine qualifizierte Mehrheit erforderlich.

24. Was versteht man unter der Kommission?

Die Kommission ist das politische Leitorgan der EU (bzw. den gleichnamigen Verwaltungsunterbau).

25. Welche Grundsätze bestimmen die Zusammensetzung der Kommission

allgemein? Allgemein gilt, dass aus jedem Mitgliedsstaat mindestens ein Kommissionsmitglied kommt (25 Mitglieder) und nicht mehr als zwei Mitglieder aus einem Mitgliedsstaat kommen dürfen.

26. Welche Grundsätze gelten derzeit für die Bildung der Kommission?

Im Gefolge des Vertrags von Nizza wurde auf die Ausnutzung der Regelung mit zwei Kommissionsmitgliedern verzichtet. Kommissionsmitglieder müssen Staatsangehörige der Mitgliedstaaten sein. Amtsperiode = 5 Jahre, Wiederernennung möglich.

27. Der österreichische Kommissar wird aufgefordert, bei seiner Tätigkeit nicht

immer die Interessen Österreichs außer Acht zu lassen. Wird er diese Zurufe befolgen? Begründung! Nein, die Kommissionsmitglieder haben ihr Amt in völliger Unabhängigkeit auszuüben. Sie sind keine Vertreter der Mitgliedstaaten, sondern haben allein im Interesse der EU zu handeln.

28. Nenne Sie die beiden in der Kommission vorzufindenden Arten von Mitgliedern!

Welche Aufgaben haben Sie? Gibt es eine Aufgabenteilung? • Kommissionspräsident = er hat die politische Führung inne und entscheidet über

die interne Organisation • Kommissionsmitglieder (Kommissar) = jeder Kommissar führt sein eigenes Ressort.

Die Ressortverteilung spiegelt sich in der Einteilung des Verwaltungsunterbaus Kommission in Generaldirektionen wieder.

29. Welche Grundsätze gelten für die Beschlussfassung in der Kommission?

Beschlüsse fasst die Kommission als Kollegialorgan mit absoluter Mehrheit. 30. Welche organisatorische Gliederung weist der Verwaltungsapparat Kommission

auf? Die Ressortverteilung der Kommissare (16.000) spiegelt sich, in der Einteilung des Verwaltungsunterbaus Kommission, in Generaldirektionen wieder. Diese wiederum sind in Direktionen und Abteilungen gegliedert. Diese Abteilungen werden auch als Referate bezeichnet. Kommissionspräsident

Generaldirektion Verwaltungsunterbau Referate Direktionen Abteilung

K K K K K KRessort

Page 32: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 32 von 112

31. Beschreiben Sie den Vorgang der Ernennung der Kommission! Die Bildung der Kommission beginnt mit der Ernennung des Präsidenten der Kommission. Dieser wird vom Rat in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs ernannt. (qualifizierte Mehrheit reicht aus, jedoch meist konsensual) Der Ernennung des Kommissionspräsidenten muss das Europäische Parlament zustimmen. Die übrigen Kommissionsmitglieder werden auf Vorschlag der einzelnen Mitgliedstaaten vom Rat mit qualifizierter Mehrheit im Einvernehmen mit dem designierten Präsidenten ernannt. Die so gebildete Kommission benötigt als Kollegium die Zustimmung des Parlaments. Nach erfolgter Zustimmung des Europäischen Parlaments wird die so bestätigte Kommission vom Rat mit qualifizierter Mehrheit endgültig ernannt.

32. Wann endet das Amt der Kommissionsmitglieder?

• Zeitablauf (Amtsperiode = 5 Jahre; Wiederernennung möglich) • Tod • Rücktritt • Amtsenthebung

33. Was bedeutet das Schlagwort von der rechtlichen und politischen

Verantwortlichkeit der Kommission? Rechtliche Verantwortlichkeit = bei schweren Verfehlungen kann das Kommissions-mitglied auf Antrag des Rates oder der Kommission durch den EuGH seines Amtes enthoben werden. Politische Verantwortlichkeit = das Europäische Parlament kann, mit der Mehrheit von 2/3 der abgegebenen Stimmen und der Mehrheit der Abgeordneten der Kommission, das Misstrauen aussprechen. (Kommission tritt in ihrer Gesamtheit zurück)

34. Welche Aufgaben hat die Kommission?

Die Kommission wird in allen Säulen und in allen Gemeinschaften tätig. • Initiativmonopol = d.h. der Rat wird idR nur auf Vorschlag der Kommission tätig

(„Motor der Gemeinschaft“) • „Hüterin der Verträge“ = ihr obliegt die Kontrolle der Einhaltung des primären und

sekundären Gemeinschaftsrechts (sie kann auch Aufsichts- bzw. Vertrags-verletzungsklagen erheben)

• ihr kommen abgeleitete Rechtsetzungsbefugnisse zu • ist für die Außenbeziehungen der Gemeinschaft zuständig • ihr kommt das passive und aktive Gesandtschaftsrecht zu (somit kann sie

diplomatische Vertreter entsenden und empfangen) Sie hat die Vertretung der Gemeinschaft in den Mitgliedstaaten wahrzunehmen und sie ist ua für den Budgetvollzug verantwortlich.

35. Welche Umstände bezeichnet das Schlagwort von der Kommission als Motor der

Gemeinschaft? Der Kommission kommt das Initiativmonopol zu, d.h. der Rat wird idR nur auf Vorschlag der Kommission tätig.

36. Warum wird die Kommission als Hüterin der Verträge bezeichnet?

Ihr obliegt die Kontrolle der Einhaltung des primären und sekundären Gemeinschafts-rechts (ihr steht auch die Möglichkeit offen Aufsichts- bzw. Vertragsverletzungsklagen zu erheben)

Page 33: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 33 von 112

37. Welche Interessen werden von der Kommission vertreten, welche vom Rat? Auf Grund ihrer Aufgaben und der rechtlichen Unabhängigkeit der Kommissions-mitglieder ist die Kommission funktional jenes Organ, dem die Wahrung der Gemeinschaftsinteressen zukommt, während der Rat als Organ zur Wahrung der Interessen der Mitgliedstaaten einzustufen ist.

38. Welche Funktion nimmt der Rat ein, welche die Kommission?

Von ihrem Tätigkeitsschwerpunkt her ist die Kommission ungeachtet ihrer legislativen und rechtssprechenden Aufgaben va ein Exekutivorgan, dass dem primär als Legislativorgan einzustufendem Rat gegenübersteht.

39. Welche der folgenden Aussagen sind richtig, welche sind falsch?

• Die Europäische Kommission besteht aus 626 Abgeordneten. • Die Mitglieder der Kommission werden auf fünf Jahre ernannt, eine

Wiederernennung ist möglich. • Die Kommission wird als „Hüterin der Verträge“ bezeichnet. • Der Kommissionspräsident wird von den Regierungen der Mitglieds-

staaten im gegenseitigen Einvernehmen ernannt, wobei die Ernennung der Zustimmung des Europäischen Parlaments bedarf.

• Ein Kommissionsmitglied kann auch bei grober Pflichtverletzung erst nach Ablauf der fünfjährigen Amtsperiode seines Amtes enthoben werden.

• Die Kommission fasst ihre Beschlüsse immer einstimmig. • Die Kommission ist in Generaldirektionen, Direktionen und Referate

gegliedert.

40. Wie viele Abgeordnete hat das EP? Wie werden sie bezeichnet? Wie werden sie ermittelt? Das Europäische Parlament hat nach gegenwärtigem Stand 732 Mitglieder, die als Mitglieder des EP (MEP) bezeichnet werden. Die Abgeordneten werden alle 5 Jahre direkt vom Volk gewählt.

41. Wo befindet sich der Sitz des EP?

Das Plenung des EP tagt in Straßburg, seine Ausschüsse haben ihren Sitz in Brüssel, während sich das Sekretariat in Luxemburg befindet.

42. Welche Grundsätze gelten für die Beschlussfassung im EP?

• Konsensquorum (absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen) • Präsensquorum (1/3 der Abgeordneten; nur wenn nicht ausdrücklich festgestellt)

43. Welche Aufgaben hat das EP?

Die Aufgaben des EP lassen sich in 3 Kategorien einteilen. Es geht dabei um die Wahrnehmung der • Rechtsetzungsfunktion, der • Beratungsfunktion und der • Kontrollfunktion.

Page 34: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 34 von 112

44. Teilen Sie die Arten der Rechtsetzungsverfahren nach dem Ausmaß der Mitbestimmung des EP ein! • Anhörungsverfahren = der Rechtsakt wird auf Vorschlag der Kommission

durch den Rat nach Anhörung des EP erlassen kann den Rechtsakt inhaltlich nicht unmittelbar beeinflussen

• Zusammenarbeitsverfahren = Kommissionsvorschlag wird nicht nur dem Rat, sondern auch dem EP zugeleitet. EP gibt eine Stellungnahme ab, auf dessen Grundlage ein gemeinsamer Standpunkt beschlossen wird Rechtsakt kann zwar nicht verhindert, aber verzögert werden

• Mitentscheidungsverfahren = Kommissionsvorschlag wird dem Rat und dem EP zugeleitet hier kann das EP den Erlass eines Rechtsaktes endgültig verhindern

• Zustimmungsverfahren = hier kann das EP einen geplanten Rechtsakt endgültig zum Scheitern bringen

45. Welche Rechte des EP sind Ausdruck seiner Kontrollfunktion?

• Möglichkeit eines Misstrauensvotums gegen die Kommission • (im Fragerecht gegenüber der Kommission) • Möglichkeit zur Entlastung der Kommission für den Budgetvollzug • Möglichkeit zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen

46. Warum spricht man bei einem Vergleich der Kompetenzen der EP mit nationalen

Parlamenten von einem „demokratischen Defizit“ der Union und ihrer Gemeinschaften? Welche Kompetenzen hat das EP? Auf Grund der fehlenden Gewaltenteilung, da jedes der Organe sowohl legislative, exekutive und judikative Aufgaben übernimmt spricht man vom demokratischen Defizit. Die Rechtsetzungsfunktion de EP ist diejenige Aufgabe, die das EP in die Nähe eines nationalen Parlaments bringt. Dabei kommt dem EP grundsätzlich kein Initiativrecht zu, sodass es auf die Vorlage der Entwürfe von Rechtsakten durch die anderen Organe angewiesen ist.

47. Welche der folgenden Aussagen sind richtig, welche sind falsch?

• Das EP setzt sich aus 626 Abgeordneten zusammen. • Die Abgeordneten des EP werden alle fünf Jahre von den Regierungen der

Mitgliedstaaten bestellt. • Das EP fasst seine Beschlüsse grundsätzlich – und sofern in einzelnen

Vertragsbestimmung nicht anders normiert ist – mit der absoluten Mehrheit der abgegebenen Stimmen bei Anwesenheit von mindestens einem Drittel der Abgeordneten.

• Das EP beschließt die Gesetze der EG, die als „Verordnungen“ und „Richtlinien“ bezeichnet werden.

48. In welchen Spruchkörpern wird der EuGH tätig?

• Das Gericht erster Instanz (EuG) • Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) im eigentlichen Sinn

Page 35: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 35 von 112

49. Wie setzt sich der EuGH zusammen? Er besteht aus 25 Richtern, wobei aus jedem Mitgliedsstaat ein Richter zu kommen hat. Zusätzlich weist er 8 Generalanwälte auf, wobei diese Zahl bei Bedarf erhöht werden kann.

50. Was versteht man unter dem Grundsatz der Partialerneuerung?

Richter und Generalanwälte werden für 6 Jahre vom Rat ernannt. Partialerneuerung = alle 3 Jahre werden abwechselnd 12 und 13 Richterstellen sowie die Hälfte der Generalanwälte neu besetzt.

51. Welche Qualifikationen müssen Richter und Generalanwälte des EuGH

aufweisen? Für die Ausübung der Funktion des Richters oder des Generalanwaltes ist es erforderlich, dass der Kandidat Gewähr für seine persönliche Unabhängigkeit bietet und juristisch besonders qualifiziert ist – d.h., dass er im Heimatstaat die Befähigung für höchstrichterliche Ämter haben muss oder ein Jurist von anerkannt hervorragender Befähigung ist.

52. Welche für Richter typische Eigenschaft kommt auch den Generalanwälten des

EuGH zu? Was sind die so genannten „begründeten Schlussanträge“ der Generalanwälte? Bewirken Sie eine inhaltliche Bindung des Gerichtshofes? Die Richter entscheiden die anhängigen Rechtfälle. Die Generalanwälte haben für jeden am EuGH anhängigen Fall einen begründeten Schlussantrag zu stellen, der als Entscheidungsvorschlag für die Richter dient und in den weitaus meisten Fällen auch befolgt wird.

53. Welche Funktionen üben Richter und Generalanwälte am EuGH aus?

Sie entscheiden die anhängigen Rechtsfälle 54. In welchen Säulen wird der EuGH tätig?

Der EuGH wird in allen Gemeinschaften der ersten Säule tätig. 55. Welchem Organ kommt innerhalb der EG das Auslegungsmonopol zu? Was

bedeutet dieser Begriff? Der EuGH hat das sog. Auslegungsmonopol, d.h. • ihm obliegt die Sicherung der Wahrung des Rechts bei der Auslegung und

Anwendung der Gründungsverträge und des auf seiner Grundlage ergangenen Sekundärrechts

• zum anderen sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, ihre Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts nur nach dem im Vertrag vorgesehen Verfahren zu klären.

56. In welchem Verhältnis stehen EuGH und EuG zueinander?

Der EuG wird nur in erster Instanz tätig (z.B. Dienstrechtsfragen, Klagen gegen Organe etwa in Wettbewerbssachen, Schadenersatzklagen sowie über sämtliche Direktklagen natürlicher und juristischer Personen), wobei ein auf Rechtsfragen beschränkter Rechtszug an den EuGH besteht. (zweite Instanz)

Page 36: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 36 von 112

57. Besteht gegen Entscheidungen EuG eine alle Fragen umfassende Rechtsmittel-möglichkeit (allenfalls innerhalb welcher Frist?) an den EuGH? Wer ist befugt, ein Rechtsmittel einzubringen? Wird der Vollzug der Entscheidung des EuG damit aufgeschoben? Der EuG wird in der 1. Instanz tätig, wobei ein auf Rechtsfragen beschränkter Rechts-zug an den EuGH besteht (2. Instanz). Das Rechtsmittel muss binnen 2 Monaten eingebracht werden und hat keine aufschiebende Wirkung. Rechtsmittelbefugt sind: • die Parteien des ursprünglichen Verfahrens, • Streithelfer, soweit sie von der Entscheidung unmittelbar berührt sind, • die Organe der Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten, selbst wenn sie nicht als

Streithelfer im ursprünglichen Verfahren aufgetreten sein sollten. 58. Was kann aus der Geschäftszahl Rs T-117/98 einer Entscheidung abgeleitet

werden? Was aus der Geschäftszahl Rs C-12/01P? Rs T-117/98 hierbei handelt es sich um eine Entscheidung des EuG Rs C-12/01P hierbei handelt es sich um eine Entscheidung des EuGH in 2. Instanz

59. Nennen Sie die Grundsätze des Verfahrens vor dem EuGH!

• Schriftlichkeit • Öffentlichkeit • Unmittelbarkeit des Beweisverfahrens sowie des • Vertretungszwangs

60. Welche Aufgaben hat der ERH (= Europäischer Rechnungshof)?

• Prüfung der Gebarung (Verhalten) der Gemeinschaften und ihrer Einrichtungen auf Rechtmäßigkeit, Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (= Kontrollorgan)

61. Welche Aufgaben haben die sog Nebenorgane? Warum werden sie so

bezeichnet? Nebenorgane haben Beratungsaufgaben und Anhörungsrechte. WSA und AdR werden als Nebenorgane bezeichnet, weil ihnen keine volle Organstellung insb. bei Klagen vor dem EuGH zukommt.

62. Welche Interessenvertreter sind im WSA?

Der Wirtschafts- und Sozialausschuss wird aus den Vertretern der verschiedenen wirtschaftlichen und sozialen Bereichen der organisierten Zivilgesellschaft gebildet.

63. Welche Interessen sollen im AdR gewahrt werden?

Im Ausschuss der Regionen sind Vertreter der regionalen und lokalen Gebiets-körperschaften, die entweder ein auf Wahlen beruhendes Mandat in einer regionalen oder lokalen Gebietskörperschaft innehaben oder gegenüber einer gewählten Versammlung politisch verantwortlich sind.

Page 37: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 37 von 112

Kapitel 1 II.B.2.: Die Rechtsquellen des Gemeinschaftsrechts 1. Worin besteht der Unterschied zwischen primärem und sekundärem

Gemeinschaftsrecht? Das primäre Gemeinschaftsrecht ist dadurch gekennzeichnet, dass es nicht auf Grundlage von anderen Unions- oder Gemeinschaftsrecht und auf in diesem vorgesehenen Regeln geschaffen wurde. Im Gegensatz dazu ist das sekundäre Gemeinschaftsrecht durch die Organe der EU auf Grundlage des primären Gemeinschaftsrecht, nach den dort normierten Verfahren und Regeln erzeugtes Gemeinschaftsrecht (=abgeleitetes Gemeinschaftsrecht).

2. Welche Arten des primären Gemeinschaftsrechts kennen Sie?

• geschriebenes (gesatztes) primäres Gemeinschaftsrecht (Gründungsverträge, Beitrittsverträge, Vertragsrevisionen und völkerrechtlichen Verträgen EU USA; bindend für die ganze EU)

• ungeschriebenes primäres Gemeinschaftsrecht (Gewohnheitsrecht, allgemeine Rechtsgrundsätze, Grund- und Freiheitsrechte)

3. Welche Rechtsquellen des primären Gemeinschaftsrechts kennen Sie?

Gründungsverträge mit allen Änderungen und Ergänzungen Allgemeine Rechtsgrundsätze Völkervertragsrecht (Grundrechtcharta nicht verbindlich)

4. Welche Bedeutung haben die allgemeinen Rechtsgrundsätze im Gemeinschafts-

recht? Sie zählen zum ungeschriebenen Primärrecht des Gemeinschaftsrechts. Darunter werden Rechtsprinzipien verstanden, die zwar in den gemeinschaftlichen Verträgen nicht ausdrücklich genannt werden, die aber zu den gemeinsamen Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten zählen und insoweit den Verträgen stillschweigend zugrunde liegen.

5. Inwiefern besteht eine Bindung an die Grund- und Freiheitsrechte im

Gemeinschaftsrecht? = ein Sonderfall der allgemeinen Rechtsgrundsätze ungeschriebenes Primärrecht Diese wurde vom EuGH als Bestandteil der gemeinsamen Verfassungsüberlieferung der Mitgliedstaaten angesehen und auf diese Weise als primäres Gemeinschaftsrecht anerkannt, obwohl weder die EU noch die EG-Vertragspartner der Europäischen Menschenrechtskonvention beigetreten sind. (Neuerdings wurde eine Charta der Grundrechte der EU verfasst, aber diese wird nicht als verbindliches Gemeinschafts-recht eingestuft.)

6. Welche Rechtsatzformen des sekundären Gemeinschaftsrechts kennen Sie?

Welche davon sind verbindlich? • Verordnung • Richtlinie verbindlich • Entscheidung • Empfehlungen und Stellungnahmen unverbindlich

Page 38: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 38 von 112

7. Was ist eine Verordnung? = ein generell-abstrakter verbindlicher Rechtsakt (in allen Teilen verbindlich). Sie ist diejenige Rechtsatzform, die den supranationalen Charakter der Gemeinschaft zum Ausdruck bringt, weil sie für die Rechtsunterworfenen der Mitgliedstaaten ohne weiteren Umsetzungsakt gilt Mittel der Rechtsvereinheitlichung

8. Was ist eine Richtlinie?

= ein generell-abstrakter verbindlicher Rechtsakt Sie ist für jeden Mitgliedstaaten, an den sie gerichtet ist, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich (Wahl der Mittel ist nicht vorgeschrieben); die durch die Richtlinien vorgeschriebenen Regeln müssen in das nationale Recht umgesetzt werden, um wirksam zu werden Mittel der Rechtsangleichung oder Harmonisierung

9. Was ist eine Entscheidung?

= eine individuell-konkrete verbindliche Norm, weil sie nur für die in der Entscheidung genannten Adressaten Rechtswirkungen hat.

10. Was sind Empfehlungen und Stellungsnahmen?

= sind nicht verbindlich. Jedoch ist der vorherige Erlass von Empfehlung und Stellungs-nahmenn, in manchen Verfahren, eine notwendige Voraussetzung für einen weiteren Verfahrensschritt; ein Ignorieren derartiger Rechtsakte kann in weiterer Folge zu einem verbindlichen Rechtsakt führen.

11. Welcher wesentliche Unterschied besteht grundsätzlich zwischen (nach den

Regeln des primären Gemeinschaftsrechts erzeugten) Verordnungen und Richtlinien im Hinblick auf ihre Verbindlichkeit bzw. Wirksamkeit? Verbindlichkeit: Verordnung: in allen Teilen verbindlich, gilt unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat

(=supranationaler Charakter) Richtlinie: ist für jeden Mitgliedsstaat, an den sie gerichtet ist, hinsichtlich des zu

erreichenden Ziels verbindlich Wirksamkeit: Verordnung: gilt für Rechtsunterworfene der Mitgliedstaaten ohne weiteren

Umsetzungsakt Mittel der Rechtsvereinheitlichung Richtlinie: bedürfen einer Umsetzung ins nationale Recht um für die Rechts-

unterworfenen wirksam zu werden Mittel der Rechtsangleichung 12. Warum stellen Verordnungen Mittel der Rechtsvereinheitlichung dar?

Sie bringt den supranationalen Charakter der Gemeinschaft zum Ausdruck, weil sie für die Rechtsunterworfenen der Mitgliedstaaten ohne weiteren Umsetzungsakt gilt. (gleich Form der Rechtsvorschrift in jedem Mitgliedstaat)

13. Warum werden Richtlinien als Mittel der Rechtsangleichung und Harmonisierung

angesehen? Die durch Richtlinien vorgeschriebenen Regeln müssen erst ins nationale Recht umgesetzt werden, um für die Rechtsunterworfenen wirksam zu werden. (gleiches Ziel jedoch unterschiedliche Form der Rechtsvorschriften in jedem Mitgliedstaat)

Page 39: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 39 von 112

14. Was versteht man unter einer Höchstnorm, was unter einer Mindestnorm? Manchmal lässt der Gemeinschaftsgesetzgeber den Mitgliedstaaten de facto keinen Umsetzungsspielraum mehr, weil er das Ziel derart genau umschreibt, dass den mitgliedstaatlichen Gesetzgebern überhaupt keine Handlungsfreiheit mehr bleibt. Normierung von Höchstnormen. Andere Richtlinien legen nur ein Mindestniveau fest, sodass strengere nationale Regelungen zulässig bleiben Mindestharmonisierung

15. Warum sind Empfehlungen und Stellungnahmen ungeachtet der ihnen fehlenden

rechtlichen Verbindlichkeit dennoch nicht rechtlich bedeutungslos? Weil in manchen Verfahren vorgesehen ist, dass der vorherige Erlass von Empfehlungen und Stellungnahmen die notwendige Voraussetzung für einen weiteren Verfahrensschritt ist ein Ignorieren derartiger Rechtsakte kann aber in weiterer Folge zu einem verbindlichen Rechtsakt führen.

16. In welche Teile wird das ABI (Amtsblatt) gegliedert? Was beinhalten diese Teile?

• ABI L = hier werden verbindliche Rechtsakte veröffentlicht • ABI C = Veröffentlichung von unverbindlichen Rechtsakten sowie von

vorbereitenden Akten der Gemeinschaftsorgane • ABI P = Veröffentlichung von Ausschreibungen

17. Welche der folgenden Aussagen sind richtig, welche sind falsch?

a. Die Richtlinien des sekundären Gemeinschaftsrechts gelten grundsätzlich in jedem Mitgliedsstaat unmittelbar.

b. Verordnungen und Richtlinien werden im Amtsblatt kundgemacht. c. Eine Stellungsnahme der Kommission – etwa vor Erhebung einer

Aufsichtsklage gegen einen Mitgliedstaat – ist zwar nicht verbindlich, rechtlich aber nicht bedeutungslos.

d. Im Gegensatz zur Verordnung ist die Entscheidung eine individuell-konkrete Norm, die für ihre Adressaten verbindlich ist.

e. Verordnungen sind lediglich hinsichtlich ihrer Ziele verbindlich, während die Art ihrer Umsetzung in das innerstaatliche Recht den Mitgliedstaaten vorbehalten bleibt.

f. Die verschiedenen Grundtypen der im EG-Vertrag festgelegten Recht-setzungsverfahren unterscheiden sich vor allem im Ausmaß der Mit-bestimmung des Europäischen Parlaments.

Page 40: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 40 von 112

Kapitel 1 II.C.: Die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts 1. Welche Arten des Vollzugs von Gemeinschaftsrecht kennen Sie?

• gemeinschaftsunmittelbarer Vollzug • unmittelbarer mitgliedstaatlicher Vollzug • mittelbarer mitgliedstaatlicher Vollzug

2. Welche Fallkonstellationen der Überprüfung von Rechtsvorschriften fallen in die

Kompetenz des EuGH? Es geht dabei um die Überprüfung der Übereinstimmung von • Gemeinschaftsrecht mit anderem, höherrangigem Gemeinschaftsrecht, • nationalem Recht mit Gemeinschaftsrecht. Er kann nur Aussagen über das Gemeinschaftsrecht und nicht über das nationale Recht machen. Er kann keine Kompetenz zur Auslegung des nationalen Rechts.

3. Der Jusstudent Max meint, dass der EuGH die Gewerbeordnung (öffentliches

Recht) prüfen solle. Welches Problem übersieht er dabei? Der EuGH darf nicht das nationale Recht auslegen, sondern nur das Gemeinschafts-recht und kann damit in diesem Rahmen nur prüfen, ob eine Regelung wie die des in Frage stehenden nationalen Rechts nach Gemeinschaftsrecht zulässig ist.

4. Nenne Sie die wichtigsten Klagsarten!

• Vertragsverletzungsklage • Nichtigkeitsklage • Untätigkeitsklage • Vorabentscheidungsverfahren

5. Was ist Gegenstand der Aufsichtsklage?

= überprüft die Übereinstimmung von nationalem Recht mit Gemeinschaftsrecht 6. Deutschen Banken ist die Beibehaltung anonymer Sparbücher nach dem EU-

Beitritt Österreichs ein Dorn im Auge. Konnten die Banken selbst gegen die aus damaliger Sicht wahrscheinliche Verletzung von sekundärem Gemeinschafts-recht vorgehen? Welche Möglichkeiten standen ihnen noch zur Verfügung? Nein, es gibt keine direkte Klagmöglichkeit der deutschen Banken an die österreichischen Banken. Möglichkeit wäre eine Klage gegen den österreichischen Staat durch die Kommission (Vertragsverletzungsklage), sehr unwahrscheinlich. Auch Staatshaftung wäre möglich, aber sehr unwahrscheinlich.

7. Beschreiben Sie den Ablauf eines Vertragsverletzungsverfahrens!

Das Vertragsverletzungsverfahren wird normalerweise von der Kommission eingeleitet. Ist sie der Auffassung, dass ein Mitgliedstaat gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen hat, so gibt sie diesem Gelegenheit zur Äußerung zu den von ihr relevierten Kritikpunkten die Aufforderung wird als „Mahnschreiben“ oder „blauer Brief“ bezeichnet. Wenn die darauf folgende Stellungnahme des Mitgliedstaats der Kommission nicht hinreichend (ausreichend) erscheint, so gibt sie eine mit Gründen versehene Stellungsnahme ab. (in ihr wird auch eine Frist festgelegt) damit wird der Streitgegenstand einer allfälligen nachfolgenden Aufsichtsklage festgelegt. Nach Ablauf der Frist (zur Herstellung des gemeinschaftsrechtskonformen Zustands) kann die Kommission bei Nichtbefolgung eine Vertragsverletzungsklage erheben.

Page 41: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 41 von 112

Bei einem verurteilende Erkenntnis des EuGH hat der Mitgliedstaat den vorher genannten Zustand herbeizuführen. Erfolgt dies nicht rechtzeitig, kann auf Antrag der Kommission ein Zwangsgeld verhängt werden.

8. In welcher Beziehung hat das vor Erhebung der eigentlichen Vertrags-

verletzungsklage durchzuführende Verfahren Bedeutung für das nachfolgende Verfahren vor dem EuGH? Hierbei kann der Streitgegenstand einer allfälligen nachfolgenden Aufsichtklage festgelegt werden. Allfällige Verstöße des Mitgliedstaats gegen das Gemeinschaftsrecht, die von der Kommission nicht im Vorverfahren releviert worden sind, können nicht in einer nach-folgenden Vertragsverletzungsklage geltend gemacht werden, sondern sind in einem neuen Vertragsverletzungsverfahren zu relevieren.

9. Was ist Gegenstand der Nichtigkeitsklage?

= zielt auf die Kontrolle der Übereinstimmung von Gemeinschaftsrecht mit anderem Gemeinschaftsrecht.

10. Welche Bedeutung hat die Unterscheidung zwischen privilegierten und nicht-

privilegierten Klagsberechtigten? In welchem Verfahren ist diese Unterscheidung von Relevanz? Relevanz hat diese Unterscheidung bei der Nichtigkeits- und Untätigkeitsklage. Privilegierte Klagsberechtigte: sie können gegen alle Handlungen von EP, Rat,

Kommission, sowie EZB (Nichtigkeitsklage) bzw. auch gegen die Mitgliedsstaaten (Untätigkeits-klage) eine Klage erheben, soweit es sich bei diesen Handlungen nicht um rechtlich unverbindliche Empfehlungen oder Stellungnahme handelt, und soweit diese Rechtswirkungen gegenüber Dritte erzeugen.

Nichtprivilegierte Klagsberechtige: das sind natürliche und juristisch Personen, welche nur unter eingeschränkten Voraus-setzungen Klage erheben können. Sie können nämlich nur gegen an sie ergangene Entscheidungen oder gegen andere Personen gerichtete Entscheidungen oder gegen Ver-ordnungen Klage erheben, soweit sie durch den Rechtsakt unmittelbar und individuelle betroffen sind.

11. Wo ist das Kriterium der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit von

Bedeutung? Was besagt es? Bei der Nichtigkeits- und Untätigkeitsklage. Die unmittelbare und individuelle Betroffenheit bei nichtprivilegierten Klagsbefugten macht keine Schwierigkeiten bei einer gegen den Kläger ergangene Entscheidung. Ihr Nachweis wird bei gegen andere Personen gerichtete Entscheidungen sowie Verordnungen insofern problematisch, als der Kläger nachweisen muss, dass die Entscheidung/Verordnung die Individualisierung eines bestimmten Personenkreises erlaubt und zudem der Kläger diesem Personenkreis zuzurechnen ist.

Page 42: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 42 von 112

12. Kann Nichtigkeitsklage erhoben werden, wenn • im Anhörungsverfahren und nicht im eigentlich einschlägigen

Mitentscheidungsverfahren entschieden wird, Ja, hierbei handelt es nicht um eine Zuständigkeitsprobleme (falsches Verfahren wurde gewählt)

• trotz gemeinschaftsrechtlich vorgesehener Anhörung des WSA eine solche unterbleibt, Ja, denn das Verfahren selbst wäre mangelhaft (Verfahrensvorschriften)

• eine eigentlich zur Verwirklung des Wettbewerbs dienende Kompetenz-vorschrift zum Erlass einer Richtlinie herangezogen wird, welche die Werbung für ein bestimmtes Produkt aus gesundheitlichen Gründen vollständig verbietet? Ja, denn die Rechtsgrundlage wäre nicht heranziehbar gewesen

13. Was ist Gegenstand der Untätigkeitsklage? Mit der Untätigkeitsklage wird die Säumigkeit eines Gemeinschaftsorgans beim Erlass von Rechtshandlungen releviert.

14. Was bedeutet hinreichende Determinierung iZm der Untätigkeitsklage?

D.h., dass bereits auf Grund der jeweiligen Vertragsbestimmungen klar sein muss, welche Rechtshandlungen mit welchem Inhalt und Ziel das Organ setzten hätte müssen.

15. Was ist Gegenstand eines Vorabentscheidungsverfahrens?

Das Vorabentscheidungsverfahren ist keine Klagsart im eigentlichen Sinn. Es ist eine Verfahrensart zur Vereinheitlichung der Auslegung des primären und sekundären Gemeinschaftsrechts. Es dient dazu, den nationalen Gerichten bei Zweifeln über die Auslegung und Anwendung von Gemeinschaftsrecht dadurch Hilfe zu bieten, dass die offenen gemeinschaftsrechtlichen Fragen vom EuGH entschieden werden.

16. Unter welchen Voraussetzungen liegt ein Gericht iSd Art 234 EG vor?

Das Vorliegen eines Gerichts iSd Art 234 EG setzt voraus • seine Unabhängigkeit, also Weisungsfreiheit, • seine Bindung an rechtsstaatlichen Verfahrensregeln, • die Möglichkeit zum Erlass bindender Entscheidungen auf der Grundlage von

Rechtsnormen. 17. Wer ist allgemein in Österreich im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens

vorlageberechtigt? Unter welchen Voraussetzungen besteht eine Vorlagepflicht? Von den vom EuGH als Gerichte iSd Art. 234 EG anerkannten mitgliedstaatlichen Einrichtungen ist jede grundsätzliche vorlageberechtigt. (in Österreich z.B. die Unabhängigen Verwaltungssenate) Entscheidet ein Gericht in letzter Instanz besteht eine Vorlagepflicht dieses Gerichtes. Voraussetzung für eine Vorlagepflicht oder ein Vorlagerecht ist, dass für eine Entscheidung eines mitgliedstaatlichen Gerichts in einem bei ihm anhängigen Verfahren eine Frage des Gemeinschaftsrechts zu klären ist.

18. Inwieweit ist die Kompetenz des EuGH zur Entscheidung in Vor-

abentscheidungsverfahren eingeschränkt? Der EuGH kann nicht direkt über die Auslegung des nationalen Rechts, sondern nur über jene des Gemeinschaftsrechts entscheiden. Er entscheidet somit nicht unmittelbar das vor dem nationalen Gericht anhängige Verfahren.

Page 43: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 43 von 112

19. Den Richter A interessiert für einen von ihm verfassten Kommentar, ob eine österreichische Bestimmung mit Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Wird der EuGH diese Frage beantworten, wenn er sie trotz ihres fehlenden Bezugs zum eigentlichen Prozess im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens dem EuGH zur Entscheidung vorliegt? Die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens liegt grundsätzlich im Ermessen des nationalen Gerichts. Es ist allein Sache des mitgliedsstaatlichen Gerichts zu beurteilen, ob eine Frage des Gemeinschaftsrechts für das bei ihm anhängige Verfahren von Relevanz ist und daher im Einzelfall eine Vorlagepflicht besteht. Nein, denn damit der EuGH entscheidet muss es einen Anlassfall geben, denn bloß hypothetische Vorlagefragen werden nicht beantwortet.

20. Ein letztinstanzliches Gericht verweigert trotz Vorliegens aller Voraussetzungen

die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens. Was kann eine Partei des Verfahrens dagegen machen? Diese Verweigerung stellt einen Verstoß gegen das Grundrecht auf den gesetzlichen Richter dar. Eine Partei kann die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens aus solchen Gründen mittelbar erzwingen.

21. In welchen Fällen darf auf die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens

verzichtet werden? Eine Vorlage an den EuGH kann allerdings unterbleiben, falls • eine gefestigte Rechtsprechung des EuGH in dieser Frage besteht, • kein vernünftiger Zweifel an der Auslegung und Anwendung der betreffenden Norm

des Gemeinschaftsrechts bestehen kann, • das mitgliedstaatliche Gericht kein letztinstanzliches Gericht ist und damit zur

Vorlage bloß berechtigt und nicht verpflichtet ist, • im Verfahren keine Frage des Gemeinschaftsrechts berührt wird.

22. Darf das vorlegende Gericht bei seiner Entscheidung von der in einem Vor-

abentscheidungsverfahren getroffenen Entscheidung des EuGH abweichen? Das vorlegende Gericht ist an das Ergebnis des Vorabentscheidungsverfahrens grund-sätzlich gebunden. Das gilt allerdings nur insoweit, als es die Auslegung des Gemein-schaftsrechts betrifft. Stellt sich im weiteren Verfahren heraus, dass die im Vor-abentscheidungsverfahren vorgelegte Auslegungsfrage nicht mehr relevant ist, kann das nationale Gericht das Ergebnis insoweit unbeachtet lassen.

23. Was bedeutet der Begriff der unmittelbaren Anwendbarkeit des Gemein-

schaftsrechts? Es ist ein Instrument, um dem Gemeinschaftsrecht eine möglichst lückenlose Geltung zu verschaffen. Bei der unmittelbaren Anwendbarkeit geht es darum, einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts Wirksamkeit zu zuerkennen, ohne dass weitere konkretisierende Rechtsakte des Gemeinschaftsgesetzgebers oder des mitglied-staatlichen Gesetzgebers gesetzt werden müssen.

24. Unter welchen Voraussetzungen sind Gemeinschaftsnormen durch mitglied-

staatliche Vollzugsorgane unmittelbar anwendbar und begründen entsprechende Rechte Einzelner? Die in Frage kommende Vorschrift muss hinreichen klar und präzise sein.

Page 44: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 44 von 112

Das bedeutet, dass vorliegen müssen: • unbedingte Wirksamkeit (keine weitere Handlung eines Organs) • Fehlen von Ermessenspielräumen • Unbeachtlichkeit allfälliger Auslegungsfragen

25. Welchen Gemeinschaftsrechtsakten kann unmittelbare Anwendbarkeit grund-

sätzlich zukommen? • Grundfreiheiten • Richtlinienrecht (vertikale bzw. horizontale Direkteinwirkung)

26. Was versteht man unter vertikaler Direktwirkung? Wird sie anerkannt?

Begründung! Es erfolgt eine Berufung auf die Richtlinie durch den Rechtsunterworfenen im Verhältnis zu jenem Mitgliedstaat, der die Richtlinie nicht ordnungsgemäß ins nationale Recht transferiert hat. Man spricht von „vertikaler Direkteinwirkung“, weil sich gleichsam in vertikaler Richtung zwischen dem Rechtsunterworfenen und dem ihm übergeordneten Mitgliedstaat erfolgt. Der säumige Staat kann sich nicht zu seinem Gunsten auf eine ihm zuzurechnendes Säumnis berufen.

27. Was versteht man unter horizontaler Direktwirkung? Wird sie anerkannt?

Begründung! Sie betrifft jene Konstellation, in denen sich ein Rechtsunterworfener im Verhältnis zu einem anderen Rechtsunterworfenen zu seinem Gunsten auf eine nicht ordnungs-gemäße umgesetzte Richtlinie zu berufen versucht. Es heißt „horizontale Direktwirkung“, weil sich zwei Rechtsunterworfenen auf der gleichen Stufe gegenüber stehen. Es ist nicht eindeutig, welche der beiden Parteien schutzwürdig(er) ist, deshalb wird diese Direktwirkung nicht anerkannt und deshalb abgelehnt.

28. Was wird mit dem Schlagwort vom Anwendungsvorrang des Gemeinschafts-

rechts beschrieben? Diese Rechtsfigur regelt den Fall, dass nationales Recht und Gemeinschaftsrecht einander widersprechen sollten. Bei Widerspruch besteht ein Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts. (das nationale Recht wird unangewendet gelassen)

29. Besteht der Vorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem nationalen

österreichischen Recht nach herrschender Ansicht ausnahmslos? Nein, der sog. integrationsfeste Kern der (österreichischen) Verfassung ist ausgenommen.

30. Welche Wirkungen hat der Anwendungsvorrang auf entgegenstehendes

nationales Recht? Das entgegenstehende nationale Recht wird durch das Gemeinschaftsrecht nicht aufgehoben, sondern bloß unangewendet gelassen.

31. Der Jusstudent Max erklärt seiner Freundin, dass das Gemeinschaftsrecht

„Vorrang“ vor dem innerstaatlichen Recht hat. Was meint er damit? In welcher maßgeblichen Entscheidung des EuGH wurde der Vorrang des Gemeinschafts-recht erstmals begründet? Er meint damit, dass bei einem Widerspruch zwischen nationalem Recht und Gemeinschaftsrecht ein Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts besteht.

Page 45: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 45 von 112

32. Was besagt der Grundsatz der gemeinschaftskonformen Auslegung? Bei mehreren Auslegungsmöglichkeiten des nationalen Rechts ist jener der Vorzug zu geben, die zu einer Übereinstimmung des nationalen Rechts mit dem Gemeinschafts-recht führt. Nationales Recht darf also im Zweifel nicht so ausgelegt werden, dass es im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht steht.

33. Welche Rechtsinstrumente dienen dem Ausgleich von finanziellen Nachteilen

wegen Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht? • Pflicht zur Erstattung gemeinschaftsrechtswidrig erhobener Abgaben, • Amtshaftung der Organe der EU für Schäden, die durch ihr Fehlverhalten

verursacht wurden, • Staatshaftung der Mitgliedstaaten.

34. Was versteht man unter Staatshaftung?

Die Staatshaftung wird durch Verstöße der Mitgliedstaaten gegen das Gemeinschafts-recht ausgelöst und verpflichtet diese zum Ersatz der dem Einzelnen dadurch zugefügten Schäden.

35. Wodurch unterscheiden sich Staatshaftung und gemeinschaftsrechtliche Amts-

haftung? • Staatshaftung = Verstöße der Mitgliedstaaten • Amtshaftung = Verstöße der Organe der EU (wenn ein Organ im Rahmen

seines Amtes einen Verstoß zum Nachteil eines anderen begeht) 36. Unter welchen Voraussetzungen wird ein Staatshaftungsanspruch begründet?

• Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht • Einräumung von Rechten • Bestimmbarkeit der eingeräumten Rechten • Ein hinreichend qualifizierter Verstoß • Kausalität

37. Gibt es eine Haftung für legislatives Unrecht?

Staatshaftung (Fehler des Gesetzgebers) 38. Welche Grundsätze sind im nationalen Recht bei der Aufstellung von Regeln zur

Durchsetzung von Staatshaftungsansprüchen zu beachten? Regeln für die Durchsetzung von Staatshaftungsansprüchen ist Sache der Mitglieds-staaten, aber sie dürfen nicht ungünstiger als für vergleichbare, auf nationalem Recht beruhende Ansprüche sein. Sie dürfen das Geltendmachen von Staatshaftungsansprüchen weder praktisch unmöglich noch übermäßig erschweren. Bei der Ermittlung der Schadenshöhe darf der entgangene Gewinn nicht vollständig von der Ersatzfähigkeit ausgeschlossen werden. Den Geschädigten darf eine Schadensminderungspflicht auferlegt werden. Es darf auch von ihm verlangt werden, dass er rechtzeitig alle ihm zur Verfügung stehenden Rechtsmittel einsetzt, um ein gemeinschaftswidriges Verhalten der mitgliedstaatlichen Organe zu korrigieren.

Page 46: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 46 von 112

Kapitel 2 I.: Der Staatsaufbau Österreichs 1. Welche der folgenden Aussagen sind richtig, welche falsch?

a. Der Bundespräsident wird von der Bundesversammlung gewählt. b. Die Amtsperiode des Bundespräsidenten beträgt sechs Jahre, die längst-

mögliche Amtsperiode kann 18 Jahre betragen. c. Der Bundespräsident kann u.a. durch Volksabstimmung abgewählt

werden. d. Die Umwandlung Österreichs von einer Republik in eine Monarchie kann

alleine durch ein vom Nationalrat beschlossenes Verfassungsgesetz erfolgen. (nein, nur durch Volksabstimmung, denn hierbei würde es sich um eine Gesamtänderung der Grundprinzipien handelnt)

e. Der Bundespräsident kann den Außenminister gegen den Willen des Bundeskanzlers entlassen.

2. Nennen Sie die wichtigsten Aufgaben des Bundespräsidenten!

• Vertretung der Republik nach außen • Beurkundung der Bundesgesetze • Ernennung und Entlassung des Bundeskanzlers • Entlassung der gesamten Bundesregierung • Ernennung und Entlassung eines einzelnen Bundesministers auf Vorschlag des

Bundeskanzlers • Oberbefehl über das Bundesheer • Ehelicherklärung unehelicher Kinder • Begnadigung in Einzelfällen

3. Was versteht man unter der rechtlichen und politischen Verantwortlichkeit des

Bundespräsidenten? • Rechtliche Verantwortlichkeit = wegen schuldhafter Verletzung der Bundes-

verfassung kann seine Amtsperiode durch den Verfassungsgerichtshof beendet werden

• Politische Verantwortlichkeit = er kann von dem Bundesvolk durch Volks- abstimmung aus seinem Amt enthoben werden Beliebtheit

Page 47: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 47 von 112

Kapitel 2 II.: Die Gesetzgebung 1. Was ist ein Einkammersystem, was ein Zweikammersystem?

• Einkammersystem = hier ist für die Gesetzgebung nur eine Kammer zuständig. • Zweikammersystem = hier sind zwei Kammern an der Gesetzgebung beteiligt

2. Warum ist in Österreich auf Bundesebene ein Zweikammersystem vorgesehen? Weil an der Gesetzgebung Nationalrat und Bundesrat beteiligt sind. Jeder Gesetzesbeschluss des Nationalrates muss dem Bundesrat zur Beschlussfassung zugeleitet werden. (Föderalismus)

3. In welchem Bereich der österreichischen Gesetzgebung gibt es ein Einkammer-

system? Für die Gesetzgebung der Länder sind ausschließlich die Landtage zuständig. (Gemeinderat)

4. Was versteht man unter einem suspensiven Veto?

Der Bundesrat hat ein suspensives Veto, wenn er mit dem Gesetzesbeschluss unzufrieden ist. Allerdings kann er damit ein Gesetz nicht endgültig verhindern, denn sein Einspruch kann durch einen Beharrungsbeschluss des Nationalrats wirkungslos werden.

5. Der Jusstudent Max vertritt die Ansicht, dass jedes vom Nationalrat

beschlossenes Gesetz nur dann in Kraft treten kann, wenn der Bundesrat keinen gegenteiligen Beschluss fasst. Stimmen Sie ihm zu? Nein, der Bundesrat hat nur ein suspensives Veto (bei Unzufriedenheit im Bezug auf den Gesetzesbeschluss), d.h. er kann damit ein Gesetz nicht endgültig verhindern, denn sein Einspruch kann durch einen Beharrungsbeschluss des Nationalrates wirkungslos werden.

6. Was versteht man unter dem freien Mandat?

Der Abgeordnete (vom Landtag geschickt) kann im Parlament seine eigene Entscheidung treffen; unabhängig vom Auftrag des Wählers und von der Meinung seiner Partei. Er wählt aus freier Überzeugung und damit wird der „Clubzwang“ unterschlagen. (man ist an keine Weisungen gebunden keine rechtliche Bindung)

7. Welche der folgenden Aussagen sind richtig, welche falsch?

a. Der Nationalrat besteht aus 183 Abgeordneten. b. Die Abgeordneten des Nationalrates sind an die Weisungen des Bundes-

präsidenten gebunden. c. Herr A ist berechtigt, bei der Nationalratswahl neben seiner auch die

Stimme seines im Ausland weilenden Nachbarn, Herrn B, der ihm dazu die Vollmacht erteilt hat, abzugeben, wobei er sich genau an die Anweisungen des Herrn B zu halten hat.

d. Die Mitwirkung des Bundesrates an der Gesetzgebung des Bundes ist Ausdruck des demokratischen Prinzips. (nein, bundesstaatliches)

e. Die Mitglieder des Nationalrats und des Bundesrates bilden gemeinsam die Bundesversammlung. (lobt den Bundespräsidenten an)

f. Die Mitglieder des Bundesrates werden für die Dauer der Gesetzgebungs-periode des Nationsrats gewählt. (Partialerneuerung)

Page 48: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 48 von 112

g. Die Mitglieder des Bundesrates sind in wichtigen Fragen an die Weisungen des Landeshauptmannes ihres Bundeslandes gebunden. (freies Mandat)

8. Welche Grundsätze des Wahlrechts bestehen bei der Wahl der Abgeordneten

zum Nationalrat? Was bedeuten diese Grundsätze im Einzelnen? • Allgemeines Wahlrecht = alle Staatsbürger, die das Mindestalter erreicht haben

sind wahlberechtigt • Gleiches Wahlrecht = das potentielle Gewicht jeder Stimme ist dasselbe • Unmittelbares Wahlrecht = Wahlberechtigte müssen jene Personen, die sie wählen

wollen, selbst bezeichnen • Geheimes Wahlrecht = Vorkehrung zur Geheimhaltung des Wahlverhaltens sind zu

treffen • Freies Wahlrecht = Wähler darf nicht in rechtliche oder faktische Weise

beeinträchtigt werden • Persönliches Wahlrecht = jeder Wähler muss seine Stimme selbst abgeben • Verhältniswahlrecht = alle politischen Parteien, die eine bestimmte Anzahl von

Stimmen erreichen, sollen im Nationalrat nach Maßgabe ihrer Stärke vertreten sein. 9. Was versteht man unter dem aktiven, was unter dem passiven Wahlrecht?

• Aktives Wahlrecht = das Recht zu wählen • Passives Wahlrecht = das Recht gewählt zu werden

10. Wie werden die Mitglieder des Bundesrats bestimmt?

Die Mitglieder des Bundesrates werden durch den Landtag des betreffenden Bundes-landes für die Dauer der Landesgesetzgebungsperiode gewählt Grundsatz der Partialerneuerung.

11. Was ist die Bundesversammlung?

Die Mitglieder des Nationalrats und des Bundesrats bilden nach Art. 38 B-VG gemeinsam die Bundesversammlung.

12. Wer beschließt die Landesgesetze?

Die Landesgesetzgebung ist die zentrale Aufgabe der Landtage. Es bestehen jedoch Mitwirkungsrechte der Bundregierung.

13. Welche Mitwirkungsrechte der Bundesregierung an der Landesgesetzgebung

gibt es? • Zustimmungsrecht (dieses absolute Vetorecht ist eine Ausnahme) • Einspruchsrecht nach Art. 98 B-VG (Die Bundesregierung kann wegen Gefährdung

von Bundesinteressen binnen 8 Wochen gegen den Gesetzesbeschluss einen begründeten Einspruch erheben nur suspensives Veto; Beharrungsbeschluss der Landtage möglich)

14. Der Jusstudent Max behauptet, dass es grundsätzlich verfassungsrechtlich

möglich wäre, dass seine 17jährige Schwester bei der Landtagswahl ihres Bundeslandes wahlberechtigt ist, obwohl sie das für das aktive Wahlrecht zur Nationalratswahl erforderliche Mindestalter noch nicht erreicht hat. Hat er Recht? Begründung! Ja, es ist zulässig, dass die Landtagswahlordnungen die Bedingungen des Wahlrechts weiter als für die Wahl zum Nationalrat ziehen. Verfassungsrechtlich ist nur geboten,

Page 49: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 49 von 112

dass die Bedingungen des Wahlrechts in den Landtagsordnungen nicht enger als für die Wahl zum Nationalrat gezogen werden dürfen. (so darf etwas das Wahlalter bei Landtagswahlen niedriger, nicht aber höher als bei Nationalratswahlen sein)

15. Welches Grundprinzip der österreichischen Bundesverfassung kommt durch die

Kompetenzverteilung zum Ausdruck? Das bundesstaatliche Prinzip

16. Was besagt der Grundsatz der strikten Kompetenztrennung? Was versteht man

unter konkurrierenden Kompetenzen? Welches Modell ist in Österreich vorrangig verwirklicht? Im österreichischen Recht gilt der Grundsatz der strikten Kompetenztrennung. Daher sind nur Gesetzgebung bzw. Vollziehung in einer bestimmten Angelegenheit entweder nur der Bund oder nur das Land zuständig. Konkurrierende Kompetenzen sind Fälle, in denen Bund und Länder die Kompetenz zur Gesetzgebung oder Vollziehung zukommt. Diese sind im österreichischen Verfassungsrecht die Ausnahmen.

17. Was versteht man unter den Begriffen der Weder-Noch-Kompetenz und der

Kompetenz-Kompetenz? Weder-Noch-Kompetenz = Die Gesamtregelung fällt weder in den alleinigen Kompetenzbereich des Bundes noch der Länder. Das Regelungsgebiet ist nach einzelnen Bereichen getrennt. Derartige Rechtsgebiete werden als Querschnitts-materie bezeichnet, weil sowohl Bund als auch Länder gesetzgeberisch tätig werden müssen, um ein geplantes Gesetzesvorhaben in seiner Gesamtheit kompetenzkonform zu verwirklichen. Kompetenz-Kompetenz = Das ist die Befugnis zur Festlegung und Änderung der Kompetenzen zur Gesetzgebung bzw. Vollziehung. Die Kompetenz-Kompetenz steht in Österreich grundsätzlich dem Bund zu.

18. Welche Möglichkeiten der allgemeinen Kompetenzverteilung sieht das öster-

reichische Verfassungsrecht vor? • Gesetzgebung und Vollziehung sind Bundessache • Gesetzgebung ist Bundessache, Vollziehung ist Landesssache • Grundsatzgesetzgebung ist Bundessache, Ausführungsgesetzgebung und

Vollziehung sind Landessache • Gesetzgebung und Vollziehung sind Landessache

19. Ist die Privatwirtschaftsverwaltung von der Kompetenzverteilung umfasst?

Nein, sie ist nach Art. 17 B-VG von der Kompetenzverteilung ausgenommen. 20. Für welche Bereiche existieren besondere Kompetenzverteilungen?

• allgemeines Schulwesen • land- und forstwirtschaftliche Schulen • Bereich des Finanzwesens

21. Was bedeutet der Grundsatz der Vollständigkeit der Kompetenzverteilung im

österreichischen Recht? Die Generalklausel zugunsten der Länder (Gesetzgebung und Vollziehung sind Landessache) bewirkt, dass von der Vollständigkeit der Kompetenzverteilung ausgegangen werden kann.

Page 50: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 50 von 112

22. Was bedeutet die Generalklausel zugunsten der Länder? Alle Angelegenheiten, die nicht ausdrücklich dem Bund zugewiesen sind, kommen hinsichtlich Gesetzgebung und Vollziehung den Ländern zu. Diese Generalklausel bewirkt, dass man von der Vollständigkeit der Kompetenzverteilung ausgehen kann.

23. Nennen sie Materien, bei denen Gesetzgebung und Vollziehung in die

Kompetenz des Bundes fallen! Kompetenz-Kompetenz; nur der Bund hat die Befugnis zur Festlegung und Änderung der Kompetenzen zur Gesetzgebung bzw. Vollziehung.

24. Um die unterschiedlichen Bestimmungen in den einzelnen Bauordnungen der

Länder zu beseitigen, beschließt der Nationalrat eine für ganz Österreich geltende Bauordnung als einfaches Bundesgesetz. Bestehen rechtliche Bedenken? Wie wird der damit befasste Verfassungsgerichthof vorgehen? Gesetzgebung für Bauordnung Landessache Bund werden keine Kompetenzen durch die Bundesverfassung zugeteilt, daher hat er kein Recht zur Regelung. Möglichkeit: Änderung der Kompetenzverteilung

25. Nennen Sie die Grundprinzipien des österreichischen Verfassungsrechts und

erläutern Sie diese! • Republikanisches Prinzip = Eine Republik ist dadurch gekennzeichnet, dass das

Staatsoberhaupt für eine begrenzte Zeitdauer gewählt wird und seine Amtsführung rechtlich und politisch verantwortlich ist.

• Demokratisches Prinzip = Die Bildung des Staatswillen erfolgt zwar nicht unmittelbar unter Beteiligung des Staatsvolkes, aber durch die vom Volk gewählten Vertreter (repräsentative Demokratie) „Freiheit im Staat“

• Rechtsstaatliches Prinzip = Schutz des Einzelnen vor staatlicher Willkür • Gewaltenteilendes Prinzip = Staatsgewalt wird auf verschiedene Organe aufgeteilt.

Es soll die Machtkonzentration bei einem Organ verhindert werden. - Gesetzgebung (Legislative) - Verwaltung (Exekutive) Kontroll- und Abberufungsrecht - Gerichtsbarkeit (Judikative) („checks and balances“)

• Liberales Prinzip = dem Einzelnen soll ein Freiraum eingeräumt werden Grundrechte („Freiheit vom Staat“)

• Bundesstaatliches Prinzip = verschiedene Staatsfunktionen werden zT durch den Oberstaat und zT durch Gliedstaaten ausgeübt

26. Was versteht man unter einer Gesamtänderung, was unter einer Teiländerung

der Verfassung? Gesamtänderung = Beseitigung oder wesentliche Abänderung zumindest eines der Grundprinzipien der Bundesverfassung (bedarf einer Volksabstimmung) Teiländerung = sind andere Änderungen der Verfassung

27. Gibt es in Österreich ewige Verfassungsartikel?

Nein, jede Änderung der Verfassung ist möglich. 28. Existiert verfassungswidriges Verfassungsrecht?

Nein, das Verfassungsrecht ist hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit den Grund-prinzipien zu überprüfen, und wenn es sich als verfassungswidrig herausstellt, ist es aufzuheben.

Page 51: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 51 von 112

29. Der Jusstudent Max erklärt seiner Freundin, dass in Österreich für eine Änderung der Bundesverfassung eine Volksabstimmung erforderlich ist. Hat er Recht? Nur wenn es sich dabei um eine Gesamtänderung der Bundesverfassung handelt. Dazu gehören z.B. die Beseitigung oder wesentliche Abänderung zumindest eines der Grundprinzipien.

30. Warum ist Österreich eine repräsentativ-parlamentarische Demokratie?

Die Bildung des Staatswillens erfolgt nicht unmittelbar unter Beteiligung des Staatsvolkes (gewählte Vertreter) – diese mittelbar demokratische Willensbildung bezeichnet man als repräsentative Demokratie. Da bei der Bildung des Staatswillens das Parlament eine entscheidende Rolle spielt, ist Österreich eine repräsentative-parlamentarische Demokratie.

31. Der Nationalrat beschließt bei Anwesenheit sämtlicher Abgeordneter mit den

Stimmen von 142 Abgeordneten die Einführung der Monarchie in Österreich. Welche rechtlichen Bedenken bestehen gegen dieses Verfassungsgesetz? Hierbei handelt es sich um eine Gesamtänderung eines Gundprinzips (republikanisches Prinzip), weshalb eine Volksabstimmung notwendig ist.

32. Was zählt nach österreichischer Ansicht zum integrationsfesten Kern des

österreichischen Rechts? Grundprinzipien

33. Mit welchen Maßnahmen soll die Gewaltentrennung sichergestellt werden?

• Organisatorische Trennung durch Schaffung verschiedener Organe für die verschiedenen Staatsfunktionen

• Personelle Trennung im Wege von Unvereinbarkeitsbestimmungen (niemand darf gleichzeitig Organwalter zweier Organe sein)

• Verbindungen zwischen den Organen der verschiedenen Funktionen (Kontroll- und Abberufungsrechte)

34. Wäre für die Abschaffung der „immerwährenden Neutralität“ eine Volks-

abstimmung erforderlich? Es wird oft diskutierte, ob die „Immerwährende Neutralität“ als verfassungsrechtliches Grundprinzip anzusehen ist. Allerdings ist dieses Verfassungsgesetz nicht im Wege einer Gesamtänderung der Verfassung Bestandteil der Rechtsordnung geworden, weil die dafür notwendige Volksabstimmung nicht durchgeführt wurde. Für ihre Abschaffung reicht daher innerstaatlich ein einfaches Verfassungsgesetz.

35. Welche Rechtsquellen kennen Sie?

• Grundprinzipien der österreichischen Verfassung • Verfassungsrecht • Einfache Gesetze • Verordnung • Bescheid/Urteil • Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt • Gemeinschaftsrecht • (Stufenbau der Rechtsordnung)

Page 52: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 52 von 112

36. Wodurch unterscheidet sich das (formelle) Verfassungsrecht vom einfachen Gesetz? Verfassungsrecht = besondere Erzeugungsform mit erhöhten Abstimmungs-erfordernissen sowie das Erfordernis einer Bezeichnung als Verfassungsgesetz bzw. Verfassungsbestimmung (2/3 Mehrheit) Einfaches Gesetz = Rechtsvorschrift, die im verfassungsrechtlich vorgegebenen Gesetzgebungsverfahren entstanden ist (einfache Mehrheit)

37. Ist der Bundesminister für Justiz befugt, ein Gesetz zu beschließen und im

Bundesgesetzblatt kundzumachen, mit dem der Strafrahmen für fahrlässige Körperverletzung abgeändert wird? Nein, denn er kann keine Gesetze erschaffen, er kann nur Vorschläge abgeben.

38. Welche Arten von Verfassungsrecht und einfachen Gesetzen kennen Sie?

Verfassungsrecht = Bundesverfassungsrecht Landesverfassungsrecht Einfache Gesetze = Bundesgesetze Landesgesetze

39. Was versteht man unter einer „Verordnung“?

Die Verordnung ist eine von Verwaltungsbehörden erlassene generelle Rechtsnorm, die sich nach außen an die Rechtsunterworfenen richtet.

40. Worin bestehen Unterschiede zwischen „Verordnung“, „Bescheid“, und „Urteil“?

Die Verordnung ist eine von Verwaltungsbehörden erlassene generelle Rechtsnorm, die sich nach außen an die Rechtsunterworfenen richtet. ein Akt der Rechtssetzung durch die Verwaltung. Dabei ist der Bescheid ein hoheitlicher, individueller, im Außenverhältnis ergehender, somit an einen oder mehrer Rechtsunterworfene adressierter externer normativer Verwaltungsakt ( subjektive öffentliche Rechte). Ein Urteil ist ein individueller, hoheitlicher, an Rechtsunterworfene gerichteter externer Gerichtsakt (= Beschlüsse).

41. Was sind „verfahrensfreie Verwaltungsakte“?

Das Verwaltungsorgan erteilt im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig und „verfahrensfrei“ einen Befehl bzw. übt Zwang aus, wobei dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist.

42. Im Rahmen einer Verkehrskontrolle wird dem alkoholisierten Lenker N.N. der

Führerschein vorläufig abgenommen. Wie ist dieser Akt zu bezeichnen? Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt bzw. verfahrensfreie Verwaltungsakte bzw. faktische Amtshandlung

43. Beschreiben Sie den „Stufenbau nach der rechtlichen Bedingtheit“ und den

„Stufenbau nach der derogatorischen Kraft“! Stufenbau nach der rechtliche Bedingtheit = Die Erzeugung von Recht muss durch die Rechtsordnung geregelt sein. Jene Rechtsvorschriften, welche die Erzeugung anderer Rechtsvorschriften regeln, bezeichnet man als bedingende (erzeugende) Rechtssätze. Rechtsvorschriften, deren Entstehung in anderen Rechtsvorschriften geregelt sind, werden als bedingte (erzeugte) Rechtssätze angesehen. Die bedingende (Verfassung: historische Grundnorm; Ausgangsform der Gesetze) Norm ist der bedingten Norm übergeordnet. ( Entscheidend ist der Inhalt der Rechtsvorschrift)

Page 53: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 53 von 112

Stufenbau nach der derogatorischen Kraft = Darunter versteht man die Fähigkeit einer Rechtsvorschrift, andere Normen aufzuheben oder sie abzuändern. (Recht-erzeugungsregeln, Rechtsvernichtungsregeln) Eine Norm, die gegenüber anderen Rechtsvorschriften unter erschwerten Voraussetzungen erzeugt wird, wird als stärkere und damit im Stufenbau als die höhere Norm angesehen. ( Entscheidend ist die Form der Rechtsvorschrift)

44. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung anwesende 60 Nationalratabgeordnete

beschließen einstimmig ein (einfaches) Bundesgesetz, mit dem die Gewerbe-ordnung abgeändert wird. Sind die rechtlichen Voraussetzungen für das Zustandekommen des genannten Gesetzes gegeben? Nein, einfache Bundesgesetze werden im Nationalrat mit einfacher Mehrheit bei Anwesenheit von min. 1/3 der Abgeordneten beschlossen (~ 61 Abgeordnete) (Präsensquorum)

Page 54: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 54 von 112

Kapitel 2 III.: Die Gerichtsbarkeit 1. Grenzen Sie das Justiz- vom Verwaltungsrecht ab!

Die Abgrenzung erfolgt formal nach der Rechtsstellung der zu Vollziehung berufenen Organkomplexe. Justizrecht ist jener Teil der Rechtsordnung, der in die Vollzugsständigkeit der Gerichte fällt. Demgegenüber steht das Verwaltungsrecht, das in die Vollzugsständigkeit der Verwaltungsbehörde fällt.

2. Welche Gerichtsorgane kennen Sie?

• Richter • Mitwirkende aus dem Volk (Schöffen, Geschworene und Laienrichter) • Rechtspfleger

3. Nennen Sie die Besonderheiten der Rechtsstellung von Richtern!

Sie sind unabhängig (Weisungsfreiheit), unabsetzbar und unversetzbar. In USA -> Deal; in Ö -> Amtsmissbrauch (Staatsanwalt verhandelt mit Richter) Weisungszug wäre denkbar: Justizminister könnte weisen

4. Welche Möglichkeiten der Mitwirkung von Laien an der Rechtsprechung gibt es?

In der Handels- sowie der Arbeits- und Sozialgerichtbarkeit 5. Geben Sie den Instanzenzug im Zivilverfahren wieder!

I II III Bezirksgericht - Landesgericht - (OGH Ausnahmefall) Berufungsgericht Landesgericht - Oberlandesgericht - OGH (Oberstergerichtshof)

6. Welche verfassungsrechtlichen Grundsätze sind bei der Ausgestaltung des

Strafverfahrens zu beachten? • Mitwirkung des Volkes an der Rechtssprechung (Schöffen- und Geschworenen-

gerichtsbarkeit) • Anklageprinzip • Verbot des Zwangs zur Selbstbezichtigung • Verbot zur Todesstrafe • Verbot der Militärgerichtsbarkeit in Friedenszeiten • Gericht muss dem tribunal-Begriff des Art. 6 EMRK entsprechen • ein 2-Instanzen-Zug ist im Strafverfahren vorgeschrieben

7. Wie sieht der Instanzenzug im Strafverfahren aus?

I II Bezirksgericht - Landesgericht (leichte Strafen; Sachbeschädigung) Landesgericht* - Oberlandesgericht (OGH nur bei Schöffen- und Geschworenengericht) schwere Strafen *(Geschworenengericht, Schöffengericht, Einzelrichter)

Vergehen: Straftat mit weniger als 3 Jahren Freiheitsstrafe Verbrechen: Straftat mit mehr als 3 Jahren Freiheitsstrafe

Page 55: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 55 von 112

Kapitel 2 IV.: Verwaltung 1. Wodurch sind Verwaltungsorgane charakterisiert?

Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie • an die Weisungen ihrer vorgesetzten Organe gebunden und • diesen für ihre amtliche Tätigkeit verantwortlich sind. Notwenig weisungsfrei sind die obersten Organe der Verwaltung.

2. Welche Verwaltungsorgane sind notwendig weisungsfrei?

Die obersten Organe der Verwaltung sind weisungsfrei. Dazu zählen: • der Bundespräsident • die Bundesregierung als Kollegialorgan • die einzelnen Bundesminister als monokratische Organe

3. Ist der Bundeskanzler befugt, dem Bundesminister für Finanzen eine Weisung zu

erteilen? Nein, da sie bei als oberste Organe der Verwaltung angesehen werden, kommt insoweit auch dem Bundeskanzler keine Weisungsbefugnis gegenüber den einzelnen Bundesministern (oberster Organ) zu. Ministerium - Verwaltungsorgan

4. Erläutern Sie den Grundsatz der Gewaltenteilung!

Das verfassungsrechtliche Bauprinzip der Gewaltenteilung wirkt sich in organisatorischer Hinsicht aus. Daher sind entsprechend den drei Staatsfunktionen Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit jeweils Organe der Legislative, Exekutive und Judikatur zu unterschieden. Sowie es keine vierte Gewalt geben darf, müssen auch die einzelnen Organe jeweils einer der drei Gewalten zuzurechnen sein.

5. Welche Folgerungen sind aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung für die

Ausgestaltung der Verwaltung abzuleiten? • Unzulässigkeit von Mischorganen • Verbot von Instanzenzügen zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden • Unzulässigkeit von Weisungsbeziehungen zwischen Gerichten und Verwaltungs-

behörden • Eindeutige Übertragung aller Aufgaben entweder an die Gerichtsbarkeit oder an die

Verwaltung durch den einfachen Gesetzgeber 6. Was bedeutet der Grundsatz der Unzulässigkeit von Mischorganen?

Da jedes Organ einer der drei Gewalten (Legislative, Exekutive, Judikative) zurechenbar sein muss, ist die gleichzeitige Einrichtung als Gericht und Verwaltungsbehörde oder als Mischorgan von Gesetz-gebung und Vollziehung nicht zulässig.

7. Was versteht man unter dem Verbot von Instanzenzügen zwischen Gerichten

und Verwaltungsbehörden? Welche Durchbrechungen dieses Verbots gibt es? Gegen eine Gerichtsentscheidung darf kein Rechtsmittel an eine Verwaltungsbehörde vorgesehen werden. Ebenso darf ein Verwaltungsakt nicht einer gerichtlichen Prüfung unterzogen werden. Ausnahmen: • Verfassungsrechtlich vorgesehene und daher zulässige Ausnahmen (z.B.

Kompetenzen des Bundespräsidenten, Überprüfung von Verwaltungsakten durch VfGH und VwGH)

Page 56: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 56 von 112

• Fälle der sukzessiven Kompetenz (davon spricht man, wenn ein Gericht nach der Entscheidung einer Verwaltungsbehörde angerufen werden kann und damit die Entscheidung der Verwaltungsbehörde ex lege außer Kraft tritt. Das Gericht hat die Sache neu und nicht bloß nachprüfend zu entscheiden)

8. Der Nationalrat beschließt ein Gesetz, mit dem gegen die Entscheidung der

Gewerbebehörde über die Erteilung oder Versagung einer beantragten gewerbe-rechtlichen Genehmigung die Möglichkeit einer Berufung an den OGH normiert wird. Welche verfassungsrechtlichen Bedenken besteht gegen dieses Gesetz? Berufung der Verwaltungsbehörde (Gewerbebehörde-> BH erteilt einen Bescheid – Berufung - Minister) zur Judikatur ist unmöglich (der Instanzenzug ist unmöglich). Das würde den Grundsatz der Gewaltenteilung durchbrechen. keine gerichtliche Berufung; Außnahme: subszensive Kompetenz (Entscheidung bei der nächsthöheren Instanz); Pensionsversicherungsanstalt entscheidet über Pension.

9. In einem wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid des Landeshauptmannes von

Oberösterreich wird der Gemeinde G die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung einer Kanalisationsanlage erteile. Gleichzeitig wird zu diesem Zweck die Enteignung eines im Eigentum des Herrn E stehenden Grundstücks aus-gesprochen. Für die Enteignung wird eine Entschädigung zuerkannt. In der Rechtsmittelbelehrung wird darauf hingewiesen, dass gegen diesen Bescheid (soweit er die Bewilligung bzw. die Enteignung betrifft) die Berufung an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zulässig ist. Weiters wird darauf hingewiesen, dass gegen die Höhe der Entschädigung keine Berufungsmöglichkeit bestehe, sondern es könne dies-bezüglich ein Antrag an das zuständige Bezirksgericht gestellt werden. Sind die Rechtsmittelbelehrung und der Hinweis im Bescheid korrekt? Wie nennt man die bezeichnete Zuständigkeit des Gerichtes? Welche Konsequenzen haben eine Berufung bzw. ein beim Gericht gestellter Antrag? Die Rechtsmittelbelehrung ist zulässig. Auch der Instanzenzug ist komplett (Entschädigung an Judikatur; Staat muss für die Enteignung zahlen.). Die Zuständigkeit des Gerichtes wird als SUKZESSIVE Zuständigkeit bezeichnet. Dadurch wäre die Entscheidung der Behörde nichtig und das Gericht würde neu entscheiden. Das Enteignungsverfahren ist abgeschlossen, denn es besteht ein öffentliches Interesse für die Enteignung.

10. Erläutern Sie das Legalitätsprinzip! Welches verfassungsrechtliche Grundprinzip

wird dadurch ausgedrückt? Das Legalitätsprinzip (= Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung) ordnet die Bindung der gesamten Vollziehung an das Gesetz an. („Herrschaft des Gesetzes) Das Legalitätsprinzip ist wesentlicher Ausdruck des rechtsstaatlichen Prinzips.

11. Inwiefern besteht eine Bindung des Gesetzgebers an das Legalitätsprinzip?

Gefordert ist eine hinreichende Bestimmtheit der Gesetze. Jeder Vollzugsakt muss dabei materiell und formell auf das Gesetz rückführbar sein. Damit müssen Tatbestand und Rechtsfolge, dass zur Vollziehung zuständige Organ und das Verfahrensrecht, nach dem vorzugehen ist, geregelt werden.

12. Was bedeuten Gebundenheit und Ermessen?

Gebundenheit = herrscht, wenn der Verwaltung kein Spielraum bei der Anwendung von Rechtsvorschriften zukommt (Tatbestand vorgesehene Rechtsfolge)

Page 57: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 57 von 112

Ermessen = (Tatbestände und Rechtsfolgen müssen meist jedoch weit gefasst werden, um den Anforderung der Praxis zu entsprechen.) Bei solchen Rechtsvorschriften steht der Verwaltung die Befugnis zu, unter mehreren gleichwertigen gesetzeskonformen Lösungen auszuwählen.

13. Welche Fälle von Ermessen der Verwaltungsbehörde kennen Sie? • Handlungsermessen (Die Behörde kann, muss aber nicht handeln) • Auswahlermessen (Die Behörde muss handeln, ihr werden verschiedene

Möglichkeiten zum Handeln eingeräumt, aus denen sie wählen kann) 14. Welche Arten fehlerhafter Ermessensausübung gibt es?

• Ermessensüberschreitung (Behörde überschreitet den vom Gesetz eingeräumten Spielraum); betrunken gefahren: Strafe € 600-4.000 -> Behörde sagt Verwarnung.

• Ermessensmissbrauch (Entscheidung wird nicht in Übereinstimmung mit dem Gesetz getroffen); Ersttäter gleich Höchststrafe

15. Die Regierung überlegt die Einbringung einer Regierungsvorlage im Parlament,

nach der es allen Amtsleitern generell verboten sein soll, Auskünfte über dienstliche Angelegenheiten zu geben. Im Hinblick auf welche verfassungs-rechtliche Prinzipien iZm dem Aufbau der Verwaltung bestehen Probleme? Begründung! Bundesverfassung Auskunftspflicht (lex imperfect); es besteht jedoch kein

subjektes Recht für mich Liberales Grundprinzip (verfassungswidrig, jedoch besteht kein subjektives Auskunfts-recht)

16. Der Sachbearbeiter D, der aufgrund seiner Tätigkeit in der Bezirkshauptmann-

schaft Zugang zu den Projektsunterlagen des Unternehmers U hat, gibt dem Unternehmer K, einem Konkurrenten des U, bereitwillig Auskunft über die geheimen Verfahrensweisen im Betrieb des U. Gegen welche Pflicht hat er verstoßen? Er hat gegen die Amtsverschwiegenheit verstoßen, da es zum Nachteil einer Partei führt. Staatsrechtlich -> Amtsmissbrauch

17. Welche Rechtsformen des Verwaltungshandels kennen Sie?

• Verordnung • Bescheid • Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt • Weisung

18. Welche Arten von Verordnungen gibt es?

• Durchführungsverordnung (sollen eines Präzisierung des Gesetzes vornehmen; Behörde erlässt sie innerhalb ihres Wirkungsbereichs)

• Selbstständige Verordnungen (werden aufgrund einer besonderen bundes-verfassungsrechtlichen Ermächtigung erlassen)

- Gesetzesvertretenden Verordnungen (durch sie werden in einem bestimmten Bereich an Stelle von Rechtsvorschriften in Gesetzesform Recht gesetzt)

- Gesetzesergänzenden Verordnungen (werden ohne gesetzliche Grundlage erlassen, soweit keine eigenen gesetzliche Regelungen existieren)

- Gesetzesändernden Verordnungen (können einfache Gesetze abändern)

Page 58: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 58 von 112

19. Inwieweit wird der Erlass von Verordnungen durch das Legalitätsprinzip beeinflusst? Eine Verordnung darf lediglich eine Präzisierung des Gesetzes vornehmen. (Dies ist Ausdruck des Legalitätsprinzips). Umgekehrt verlangt dieses Prinzip in seiner Ausgestaltung als Bestimmtheitsgebot, dass das Gesetz den Inhalt der Verordnung hinreichend determiniert.

20. Was versteht man unter einer formalgesetzlichen Delegation?

Eine unzulässige formalgesetzliche Delegation liegt dann vor, wenn im Gesetz nur eine bloße gesetzliche Ermächtigung der Verwaltung zur Regelung einer Angelegenheit durch Verordnung vorsieht.

21. Welche beiden Punkte hat die Behörde beim Erlass von Durchführungs-

verordnungen zumindest zu beachten? Neben der Beschränkung auf die Präzisierung des Gesetzes ist weiters Voraussetzung, dass die Behörde die Verordnung innerhalb ihres Wirkungsbereichs erlässt. (Erlass nur im Rahmen ihrer sachlichen und örtlichen Zuständigkeit) + eine gesetzliche Ermächtigung.

22. Welche verfassungsunmittelbaren Verordnungen kennen Sie? Nennen Sie für

jede Verordnung ein Beispiel! • Gesetzesvertretende Verordnungen (z.B. Geschäftsordnungen der Landes-

regierung) • Gesetzesergänzende Verordnungen (z.B. Art. 118 Abs. 6 B-VG) • Gesetzesändernde Verordnungen (z.B. Notverordnungen quasi Lückenfüllung)

23. Unterscheiden Sie die Begriffe „Verordnung“ und „Bescheid“!

Verordnung = richtet sich an einen generellen Adressatenkreis, primär rechtssetzend Bescheid = richtet sich an einen individuellen Adressatenkreis, primär rechts-

vollziehend 24. Was ist eine Weisung?

Unter einer Weisung versteht man eine von einem Verwaltungsorgan ausgehende – generelle oder individuelle, abstrakte oder konkrete – Norm, die an untergeordnete Organe bzw. Organwalter gerichtet ist. („intern“)

25. Was ist der Unterschied zwischen einer Rechtsverordnung und einer

Verwaltungsverordnung? Rechtsverordnungen = selbständige Verordnung; verfassungsrechtlich erlaubt; dazu zählen gesetzesvertretende, gesetzesergänzende und gesetzesändernde Verordnungen Verwaltungsverordnungen = Durchführunsverordnungen; Verwaltungsbehörde darf geltende Gesetze nur präzisieren

26. Kann die Befolgung einer Weisung abgelehnt werden? Begründung!

Eine Weisung kann von einem nachgeordneten Organ abgelehnt werden, wenn • die Weisung von einem unzuständigen Organ erteilt wird • die Befolgung einer Weisung zu einem Verstoß gegen strafgesetzliche Vorschriften

führen würde.

Page 59: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 59 von 112

27. Ihm Rahmen eines gewerbebehördlichen Genehmigungsverfahren erteilt der Sachbearbeiter S dem Konsenswerber K die „Weisung“, gegen den zu ergehenden Genehmigungsbescheid wegen der darin vorgeschriebenen umfangreichen Auflagen keine Berufung zu erheben. Handelt es sich dabei um eine „Weisung“ im Sinne des B-VG? Ist K an diese „Weisung“ gebunden? Nein, denn nur „intern“ einer Behörde erfolgen Weisungen, weshalb auch K nicht daran gebunden ist.

28. Worin besteht der Unterschied der Privatwirtschaftsverwaltung zur Hoheits-

verwaltung? Im Rahmen der Hoheitsverwaltung tritt der Staat in der Verwaltung als „Imperium“ auf; er bedient sich dabei hoheitlicher Formen der Vollziehung (Verordnung, Bescheid) Bei der Privatwirtschaftsverwaltung bedient sich der Staat zur Besorgung der Verwaltungsaufgaben jener Rechtsformen, die auch dem Rechtsunterworfenen zur Verfügung stehen.

29. Welche Konsequenzen hat die Vollziehung von Angelegenheiten im Wege der

Privatwirtschaftsverwaltung? Es gibt im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung • keine Bindung an die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung • keinen öffentlich-rechtlichen Rechtsschutz • nach hL keine Geltung des Legalitätsprinzips im Bereich der Privatwirtschafts-

verwaltung • es gilt der Grundssatz der unmittelbaren Verwaltung

30. Die Gemeinde G kauft vom bisherigen Eigentümer E ein Grundstück, um darauf

ein neues Rathaus zu erricht. Da E ein Jahr nach Abschluss und Erfüllung des Kaufvertrags plötzlich der Ansicht ist, dass der vereinbarte Kaufpreis viel zu niedrig ist, erkundigt er sich beim Jusstudent Max über seine rechtlichen Möglichkeiten. Dieser teilt ihm mit, dass grundsätzlich zwar eine Rechtsmittel-möglichkeit an den Landeshauptmann bestehen würde, im konkreten Fall jedoch die Rechtsmittelfrist abgelaufen sei. Warum kann die Auskunft des Max wohl nicht stimmen? Nein, es besteht keine Rechtsmittelmöglichkeit an den Landeshauptmann, da es hierbei um einen Kaufvertrag handelt, welcher als privater Akt anzusehen ist. (Gemeinde tritt als Privatperson auf) Hierbei handelt es sich um das Zivilrecht, weshalb eine Möglichkeit zu Klage nur vor Gericht bestehen würde.

31. Wer zählt zu den obersten Organen der Bundesverwaltung? Gehören Staats-

sekretäre dazu? • Bundespräsident • Bundesregierung als Kollegialorgan • die einzelnen Bundesminister als monokratische Organe Nein, Staatssekretäre gehören nicht zu den obersten Organen, da sie an die Weisungen des Bundesministers gebunden sind.

32. Welche Folgen hat die Qualifikation als oberstes Organ?

Die Qualifikation als oberstes Organ der Bundesverwaltung bedeutet • Ausschluss des Instanzenzugs gegen Verwaltungsakte eines obersten Organs an

andere Behörden;

Page 60: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 60 von 112

• Der Instanzenzug geht bis zum obersten Organ (sofern gesetzlich nicht anders vorgesehen ist);

• Weisungsfreiheit der obersten Organe; • Unzulässigkeit der Bindung an Willenserklärungen anderer Organe durch einfaches

Gesetz; • Umfassende Leitungsgewalt gegenüber den Bediensteten der eigenen Dienststelle

und den nachgeordneten Dienststellen, die sich insb. in der Weisungs- und Aufsichtsbefugnis ausdrückt.

33. Was ist eine Entschließung?

= Rechtsakte des Bundespräsidenten, welche als Verwaltungsakte einzuordnen sind. (sind rechtlich bei einem individuellen Adressatenkreis als Bescheid und bei einem generellen Adressatenkreis als Verordnung einzustufen)

34. Differenzieren Sie zwischen der Bundesregierung, dem Bundesminister und dem

Ministerium! Bundesregierung = kollegiales Verwaltungsorgan des Bundes, tagt als „Ministerrat“

(einstimmig) Gesamtheit der Bundesminister; unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers. Aufgaben: Befugnis zur Setzung von Rechtsakten, vor allem aber liegt seine Tätigkeit in politischer Natur

Bundesminister = (auch Bundes- und Vizekanzler) monokratische Organe des Bundes. Behörde ist der Bundesminister. Aufgaben: Leitung der Bundesministerien

Ministerien = keine selbständigen Behörden, sondern administrative Hilfs- Apparate der Bundesminister

35. Was ist das Ressortsystem?

Die Verteilung der Kompetenzen erfolgt nach sachlichen Gesichtspunkten. 36. Worin besteht der Unterschied zwischen mittelbarer und unmittelbarer

Verwaltung? Unmittelbare Verwaltung bedeutet, dass die Rechtsträger zur Besorgung ihrer Verwaltungsaufgaben ihre eigenen Organe heranziehen. (Bundespolizei, Finanzamt, Umweltschutz) Mittelbare Verwaltung bedeutet, dass sich ein Rechtsträger „fremder“ Organe zur Besorgung seiner Aufgaben bedient. (Wasserrecht, Führerschein)

37. Geben Sie den Instanzenzug in der unmittelbaren Bundesverwaltung wieder!

I II Bundesorgan zuständigen Bundesminister Bundesverwaltung (Ausnahme) Aufgaben durch Bundesorgan vollzogen

38. Welches verfassungsrechtliche Grundprinzip findet seinen Ausdruck in der

mittelbaren Bundesverwaltung? Sie ist Ausdruck des föderalen Prinzips.

39. Wer ist das zentrale Organ der mittelbaren Bundesverwaltung? An wessen

Weisungen ist es gebunden? Zentrales Organ der mittelbaren Bundesverwaltung ist der Landeshauptmann. Er ist in den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung an die Weisungen des

Page 61: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 61 von 112

zuständigen Bundesministers bzw. der Bundesregierung gebunden. (Dieser hat sie dann an ein Mitglied der Landesregierung weiterzugeben Landesräte; bei sachlichem Zusammenhang mit der Landesvollziehung)

40. Welche Art der Bundesverwaltung ist der verfassungsrechtliche Regelfall?

Begründung! Die mittelbare Bundesverwaltung; sie umfasst alle Angelegenheiten, die von der taxativen Aufzählung der Aufgaben der unmittelbaren Bundesverwaltung ausgenommen sind. Im Regelfall entscheidet die Bezirksverwaltungsbehörde in erster Instanz und der Landeshauptmann in zweiter und letzter Instanz.

41. Geben Sie den Instanzenzug in der mittelbaren Bundesverwaltung wieder! Art 3 Abs 103

I II III Bezirksverwaltungsbehörde Landeshauptmann (Bezirksverwaltungsbehörde Landeshauptmann Bundesminister ) Ausnahme Landeshauptmann Bundesminister BH -> Landessachen

42. Kann im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung

• ein Instanzenzug vom Landeshauptmann zum zuständigen Bundesminister vorgesehen werden? Ja!

• ein Instanzenzug von der Bezirksverwaltungsbehörde direkt zum Bundes-minister vorgesehen werden? Nein!

43. Wer kann oberstes Organ der Landesverwaltung sein?

• Landesregierung • die einzelnen Landesräte • Landeshauptmann

44. Stellen Sie den Instanzenzug in der Landesverwaltung dar!

I II Bezirksverwaltungsbehörde Landesregierung bzw. (Ressortsystem) das entsprechende Mitglied der Landesregierung

45. Wie ist die Landesverwaltung verfassungsrechtlich aufgebaut?

Sofern verfassungsrechtlich das Ressortsystem eingerichtet ist, sind zu anderen auch die einzelnen Landesräte und der Landeshauptmann als Mitglieder der Landes-regierung als oberste Organe anzusehen. Die Aufgaben werden durch die Bezirks-verwaltungsbehörden besorgt.

46. Ist das „Amt der Landesregierung“ eine Behörde?

Das Amt der Landesregierung ist ein Hilfsapparat der Landesregierung. Nur ausnahmsweise kommt ihm Behördenqualität zu. Den Abteilungen des Amtes der Landesregierung ist insb. die Besorgung der Geschäfte der Landesverwaltung und der mittelbaren Bundesverwaltung zugewiesen.

47. Aus welchen Mitgliedern setzt sich die Landesregierung zusammen?

Die Landesregierung ist ein Kollegialorgan mit dem Landeshauptmann als Vorsitzenden sowie den Landeshauptmann-Stellvertretern und den Landesräten als weiteren Mitgliedern.

48. Was sind Bezirkshauptmannschaften?

als Mitglied der Landesregierung

Page 62: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 62 von 112

Es sind monokratisch organisierte, erstinstanzliche Landesverwaltungsbehörden, an deren Spitze der Bezirkshauptmann steht.

49. Was versteht man unter der „subsidiären Allzuständigkeit“ der Bezirkshaupt-mannschaften? Sie sind zur Besorgung aller Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung und der Landesverwaltung zuständig, soweit diese nicht anderen Dienststellen zugewiesen sind.

50. Was sind Selbstverwaltungskörper? Kennen Sie einen solchen?

Die Selbstverwaltung steht außerhalb der Verwaltung von Bund und Ländern und liegt immer dann vor, wenn es zur Wahrnehmung eigener Belange bestimmter Gruppen und Institutionen durch deren Organe in relativer Autonomie kommt. (z.B. Gemeinde-verwaltung)

51. Was ist der Unterschied zwischen dem eigenen und dem übertragenen

Wirkungsbereich? Eigener Wirkungsbereich = umfasst jene Angelegenheiten, in denen die

Gemeinde zur wesungsfreien Führung der Ver-waltung berechtigt ist.

Übertragener Wirkungsbereich = hier werden Aufgaben des Bundes oder der Länder wahrgenommen, wobei die Gemeinde- organe funktionell als Organe des jeweiligen Rechtsträgers tätig werden und an dessen Weisungen gebunden sind.

52. Welche Organe hat die Gemeinde?

• Gemeinderat • Gemeindevorstand • Bürgermeister

53. Erläutern Sie den grundsätzlichen Instanzenzug im eigenen und übertragenen

Wirkungsbereich der Gemeinde! -> bei Bau Eigener Wirkungsbereich = Bürgermeister Gemeinderat (weisungsfreie Führung der Verwaltung) Übertragener Wirkungsbereich = Bürgermeister Landes- oder Bundesorgan (Aufgaben des Bundes/

Landes werden besorgt) z.B. Staatsbürgerschaftssache (Bund) Instanzenzug: I II Bürgermeister Gemeinderat NÖ Landesregierung Verwaltungsbehörde (außerordentlicher Rechtsmittel)

Page 63: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 63 von 112

Abschnitt 3 – EUROPÄISCHE UND NATIONALE RAHMEN-BEDINGUNGEN DES WIRTSCHAFTSRECHTS

Kapitel 1: Verfassungsrechtlich gewährleistete Rechte – die

Grundrechte 1. Unterscheiden Sie die Begriffe „Grundprinzipien des österreichischen

Verfassungsrechts“ und „verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht“ (Grund-echte)! Grundprinzipien (demokratische, bundesstaatliche, gewaltentrennende, liberale, rechtsstaatliche Prinzip) des österreichischen Verfassungsrechts = die tragenden Gesetze des Staates (Baugesetze), welche auch integrationsfester Kern genannt (Volksabstimmung ist für eine Gesamt- oder Teiländerung notwendig) Höchtsrangigen Grundprinzipien Verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte (Grundrechte: Eigentum,…usw) = subjektive öffentliche Rechte, die dem einzelnen durch eine Rechtsvorschrift im Verfassungsrang eingeräumt werden. (Ausdruck des liberalen Prinzips) Bei Verletzung kann man eine Beschwerde beim VfGH geltend machen.

2. In welchen Rechtsquellen der österreichischen Rechtsordnung sind Grundrechte

normiert? Da es keinen zentralen Grundrechtskatalog gibt, sind die wichtigsten österreichischen Rechtsquellen der Grundrechte:

• Staatsgrundgesetz von 1876 (StGG) • de in Österreich im Verfassungsrang stehende Europäische Menschenrechts-

konvention (EMRK) • B-VG • Bundesverfassungsgesetz (BVG) über den Schutz der persönlichen Freiheit • BVG zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die

Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierungen • Staatsvertrag von St. Germain, Friedensvertrag 1919 • Staatsvertrag von Wien; 15. Mai 1955

3. Der Jusstudent Max vertritt die Ansicht, um die Grundrechte zu kennen, müsse

man lediglich im Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nachlesen. Teilen Sie seine Meinung? Nein, nicht ganz. Da es keinen zentralen Grundrechtekatalog in Österreich gibt, wäre das Nachlesen im B-VG nicht ganz richtig, denn für die Grundrecht gibt es verschiedene Rechtsquellen (siehe Frage 2)

4. Wer kann Träger von Grundrechten sein?

• natürliche Personen • juristische Personen

5. Unterscheiden Sie die Begriffe „Grundrechte“, „Menschenrechte“ und „Staats-

bürgerrechte“! Grundrechte = sind subjektive Rechte, die dem einzelnen durch eine

Rechtsvorschrift im Verfassungsrecht eingeräumt werden Menschenrechte = das sind Grundrechte, die allen Menschen unabhängig von

ihrer Staatsbürgerschaft zustehen

Page 64: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 64 von 112

Staatsbürgerrechte = das sind Grundrechte, die nur zugunsten von Staatsbürgern eingeräumt werden

6. Welche Auswirkungen hat die Einräumung von Grundrechten im Hinblick auf eine Bindung des Gesetzgeber, der Vollziehung sowie Dritter? Vollziehung = Grundrechte weisen Vollziehung in Schranken, indem dem einzelnen subjektive Rechte gegen die Vollziehung eingeräumt werden Gesetzgeber = er ist insoweit gebunden, als Gesetze nicht gegen die im Verfassungs-rang stehenden Grundrechte verstoßen dürfen „objektiver“ Gehalt der Grundrechte Drittwirkung = Problemstellung, ob die Grundrechte auch im Verhältnis zwischen den Bürger untereinander anzuwenden sind (Gesetzgeber/Vollziehung betreffen das Verhältnis des Einzelnen zum Staat)

7. Was bedeutet die Aussage, sowohl die Vollziehung als auch der Gesetzgeber

sind an die Grundrechte gebunden? Sowohl Vollziehung als auch Gesetzgeber müssen sich an die Grundrechte halten. Bei Verstößen kann man dagegen klagen.

8. Was versteht man unter dem objektiven Gehalt der Grundrechte?

Das bedeutet, dass der Gesetzgeber insoweit gebunden ist, als dass Gesetz nicht gegen die Grundrechte verstoßen dürfen.

9. Erläutern Sie den Begriff „Drittwirkung der Grundrechte“?

Drittwirkung = Problemstellung, ob die Grundrechte auch im Verhältnis zwischen den Bürger untereinander anzuwenden sind (Gesetzgeber/Vollziehung betreffen das Verhältnis des Einzelnen zum Staat)

10. Welche Formen der Drittwirkung der Grundrechte werden diskutiert?

• Unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte = unmittelbare Geltung der Grundrechte im Privatrechtsverkehr

• Mittelbare Drittwirkung der Grundrechte = bei der Auslegung der Generalklauseln des Privatrechts („die guten Sitten“) muss dass aus den Grundrechten ableitbare Wertesystem berücksichtig werden

• der durch Gesetz ausdrücklich angeordneten Drittwirkung von Grundrechten

11. Erläutern Sie den Begriff „Fiskalgeltung der Grundrechte“! Fragestellung, ob die Grundrechte nicht nur gegenüber dem hoheitlich handelnden Staat sondern auch im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung anzuwenden sind. Laut OGH = JA! Z.B. die Verwaltung ist zu Gleichbehandlung bei Vergabe öffentlicher Aufträge/Subventionsvergabe verpflichtet.

12. Welche rechtlichen Bedenken könnten bestehen, wenn sie die Gemeinde X als

Kanalisationsunternehmen weigert die Abwässer des Herrn Z in die gemeinde-eigene Kanalisationsanlage einleiten zu lassen, obwohl die Abwässer von Menge und Beschaffenheit im bewilligten Konsens der Gemeinde ohne Probleme Deckung finden würden? Grundrechte Gleichheitsgrundsatz: Es besteht ein Kontrahierungszwang, da die Verweigerung keine sachlichen Beweggründe aufweist. (Ausnahme zum Grundsatz der Vertragsfreiheit; falls er sich weigern würde die Gebühren zu zahlen, wäre die Verweigerung gültig)

13. Was versteht man unter absoluten Grundrechten?

Page 65: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 65 von 112

Grundrechte können grundsätzlich uneingeschränkt gewährleistet werden; es handelt sich dann um Grundrecht ohne Gesetzesvorbehalt.

14. Was sind immanente Grundrechtsschranken?

Die Grundrechte werden nur innerhalb der Schranken der allgemeinen Gesetze gewährleistet.

15. Wann verletzen der Gesetzgeber bzw. die Vollziehung ein absolutes Grundrecht?

Untersagt sind der Gesetzgebung: • Intentionale Eingriffe (Rechtsvorschriften, mit denen der Gesetzgeber direkt und

willentlich das an sich absolute Grundrecht beschränkt) • Allgemeine (nichtintentionale) Gesetze müssen absolute Grundrechte beachten.

Die durch allgemeine Gesetze bewirkten Eingriffe sind nur dann zulässig, wenn sie zum Schutz eines anderen Rechtsguts erforderlich sind dabei ist eine Abwägung zwischen Grundrecht und dem Rechtsgut notwendig räumt das Gesetz der Behörde ein.

Die Vollziehung verletzt ein absolutes Grundrecht, wenn • sie ein Gesetz zu Unrecht so anwendet, als ob dieser einen intentionalen Eingriff

vornehmen würde, • sich bei einer Entscheidung nicht die notwendige Abwägung zwischen dem Grund-

recht und dem anderen Rechtsgut vornimmt. 16. Welche Arten von Grundrechten unter Grundrechtsvorbehalt sind Ihnen

bekannt? • Ausgestaltungsvorbehalten (Diese Grundrechte müssen durch den einfachen

Gesetzgeber erst näher geregelt werden) • Eingriffsvorbehalten (bei diesen Grundrechten ist es dem einfachen Gesetzgeber

erlaubt, das Grundrecht durch das Gesetz einzuschränken) 17. Nennen Sie Beispiele für Grundrechte unter Gesetzesvorbehalt!

Ausgestaltungsvorbehalten = Art. 12 StGG gibt den Staatsbürgern das Recht Vereine zu gründen die Ausübung dieser Rechte wird durch besondere Gesetze geregelt Eingriffsvorbehalten = Art. 6 StGG, wonach jeder Staatsbürger unter den gesetzlichen Voraussetzungen jeden Erwerbszweig ausüben darf.

18. Unter welchen Voraussetzungen ist es dem einfachen Gesetzgeber gestattet, ein

Grundrecht unter Gesetzesvorbehalt einzuschränken? Wenn der Eingriff • im öffentlichen Interesse liegt; • zur Erreichung des im öffentlichen Interesse gelegenen Ziels geeignet und

erforderlich ist; • adäquat, also verhältnismäßig, ist.

19. Gebietet der Gleichheitsgrundsatz nach hA eine Gleichbehandlung aller

Menschen? Nein, da der Gleichheitsgrundsatz nach hA keine Anwendung beim Verhältnis Fremde zu Staatsbürger findet. (Wohl aber Staatsbürger inländischen juristischen Personen, Fremde untereinander)

20. Nennen Sie die wichtigsten als Gleichheitsformeln bezeichneten

Konkretisierungen des Gleichheitsgrundssatzes!

Page 66: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 66 von 112

• Verbot unsachlicher Differenzierungen („Gleiches ist gleich zu behandeln“) • Gebot einer differenzierenden Regelung („Ungleiches darf nicht unsachlicherweise

gleich behandelt werden) • Allgemeines Sachlichkeitsgebot (es wird geprüft, ob es überhaupt eine sachliche

Rechtfertigung für eine derartige Regelung gibt) • Vertrauensschutz (hat Bedeutung bei rückwirkend belasteten Gesetzen und bei

Eingriffen in „wohlerworbene“ Rechte) • Weitere Gleichheitsformeln (das vom Gesetzgeber geschaffene Ordnungssystem

stellt keine Maßstab für die Sachlichkeit einer Ausnahmeregelung dar; eine Regelung muss nur in sich dem Gleichheitssatz entsprechen)

21. Der Gesetzgeber beschließt ein Gesetz, mit dem das Pensionsantrittsalter für

Männern ab dem der Kundmachung im Bundesgesetzblatt folgenden Tag mit 70 Jahren festgesetzt wird. Der 65jährige Herr P, der mit Ende des Jahres in Pension gehen wollte, ist empört. Zu Recht? Der Gedanke des Vertrauenschutzes hat Bedeutung bei rückwirkend belastenden Gesetzen = Diese werden dann als unsachlich und insoweit dem Gleichheitssatz widersprechend angesehen, wenn sie eine nachträgliche Belastung für Personen bewirken, die auf eine bestimmte Rechtslage vertraut haben. („Anwartschaftsrechte“) Der Mann kann auf sein Recht bestehen mit 65 Jahren in Pension zu gehen.

22. Herr A, der sein Auto im Park- und Halteverbot abgestellt hat, muss 300,-

bezahlen, während die Lenker anderer Fahrzeuge, die neben dem Fahrzeug des A ebenfalls falsch geparkt sind, nicht bestraft werden. Er fühlt sich ungerecht behandelt und beruft sich auf den Gleichheitssatz. Wird sein Einwand Erfolg haben? Sein Einwand wird keinen Erfolg haben, denn es gibt kein subjektives Recht auf ein Fehlverhalten der Behörde.

23. Welchen Inhalt hat das Eigentumsrecht?

In das Eigentum einer Person darf grundsätzlich nicht eingegriffen werden. (Grundrecht, das in- und ausländischen natürlichen und juristischen Personen zusteht) Eigentum sind aller vermögenswerten Privatrechte (auch Jagd- und Mietrecht, Recht zum Abschluss privatrechtlicher Verträge), aus dem öffentlichen Recht ableitbare vermögenswerte Ansprüche. (sofern ihnen eine vorher zu erbringende Gegenleistung gegenübersteht. Gesetzliche Eigentumsbeschränkungen müssen dem Verhältnis-mäßigkeitsgrundsatz entsprechen.

24. Mit Bescheid der Wasserrechtsbehörde wird der Gemeinde K die wasser-

rechtliche Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer Kanalisations-anlage mit Einleitung der vorgereinigten Abwässer in den Fluss F erteilt. Im Rahmen dieses Bescheides wird Herr Z durch ein Zwangsrecht gegen Entschädigung verpflichtet, die Verlegung eines Teilstückes des Kanals auf seinem Grundstück zu dulden. Die Errichtung dieses Teilstückes auf gemeinde-eigenem Grund wäre zu etwa denselben Kosten und ohne größere Schwierig-keiten möglich gewesen, die Gemeinde wollte dieses Grundstück jedoch für allfällige spätere Bauvorhaben „unberührt“ lassen. Könnte eine Berufung des Herrn Z gegen den Bescheid Erfolg haben? Eine Berufung würde Erfolg haben. Die Enteignung würde nur dann gerechtfertigt sein, wenn der Bedarf ausschließlich nur durch die Enteignung gedeckt werden kann. Voraussetzungen einer Enteignung wären:

Page 67: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 67 von 112

• die im öffentlichen Interesse liegende Deckung eines konkreten Bedarfs durch die Enteignung

• die Eignung der enteigneten Sache zur unmittelbaren Deckung dieses Bedarfs; • die Verhältnismäßigkeit der Enteignung insofern, als der Bedarf nur durch die

Enteignung gedeckt werden kann. 25. Sind Enteignungen entschädigungspflichtig?

Eine Entschädigungspflicht aufgrund des Gleichheitssatzes besteht dann, wenn durch eine Enteignung zwar mehrer Personen gleiche Vorteile, nicht aber gleiche Vermögensbußen entstehen. Nur der Enteignete hat ein verfassungswidriges Sonder-opfer zu erbringen. Eine entschädigungslose Enteignung von Ausländern ist in jedem Fall unzulässig.

26. Gegen welches Grundrecht würde ein Gesetz verstoßen, nach dem Grundstücke

eines bestimmten Gebietes von anderen Personen als Landwirten nur dann erworben werden dürfen, wenn Landwirte von ihrem Recht keine Gebrauch machen, und diese Regelung nicht aus allgemeinen Rücksichten (etwa aus Grundverkehrsinteressen oder im Interesse an der Erhaltung eines leistungs-fähigen Bauernstandes) geboten ist? Freiheit des Liegenschaftserwerbs: Jedem Staatsbürger steht das Grundrecht zu, Liegenschaften zu erwerben und über diese frei zu verfügen.

27. Erläutern Sie das Grundrecht auf Freiheit der Erwerbstätigkeit!

Jeder Staatsbürger und jede inländische Person hat das Recht unter den gesetzlichen Bedingungen jeden Erwerbszweig auszuüben. Geschützt wird jede auf wirtschaftlichen Erfolg gerichtete Tätigkeit, egal ob es sich um eine selbständige oder unselbständige Tätigkeit handelt bzw. die Tätigkeit in den Anwendungsbereich der GeWO fällt. Geschützt wird auch der Erwerbsantritt und die Erwerbsausübung.

28. Was versteht man unter Verfahrensgrundrechten? Nennen Sie solche!

Sie garantieren dem einzelnen keine Freiheitsphäre, sondern sie legen genaue Regelungen für das staatliche Handeln im verfahrensrechtlichen Bereich fest. • Recht auf den gesetzlichen Richter • Recht auf ein gerichtliches Verfahren in Zivil- und Strafsachen

29. Welche Folgerungen können aus dem Recht auf den gesetzlichen Richter

abgeleitet werden? Hierbei geht es nicht nur um das gerichtliche Verfahren, sondern auch um das verwaltungsbehördliche Verfahren soll damit die gesetzlich begründete Behörden-zuständigkeit schützen. (Konkurrierende Zuständigkeitsbestimmungen sind unzulässig)

30. Erläutern Sie den Begriff des „Tribunals“ iSd EMRK!

Diese Verfahren müssen vor einer unabhängigen, unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Instanz durchgeführt werden „tribunal“ = nicht ident mit „Gericht“ iSd B-VG. Diese Instanz ist unabhängig gegenüber der Verwaltung und den Verfahrens-beteiligten und ihre Mitglieder weisen eine längere Amtszeit auf.

Page 68: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 68 von 112

31. Reicht es aus, dass über die Erteilung oder Versagung einer baurechtlichen Bewilligung die Verwaltungsbehörden mit nachprüfender Kontrolle der Gerichts-höfe des öffentlichen Rechts entscheiden, oder muss aufgrund des Grundrechts auf ein gerichtliches Verfahren in Zivil- und Strafsachen ein Gericht entscheiden? Recht auf gesetzlichen Richter ist gegeben, wenn die zuständige Behörde tätig wird. Ja, es ist ausreichend, weil es hier um die Frage auf das Recht nach dem gesetzlichen Richter geht. Das Recht ist im Verwaltungsverfahren dann gewahrt, wenn die zuständige Verwaltungsbehörde einschreitet, dann die zuständige Berufungsbehörde und letztlich die Höchstgerichte zur Nachkontrolle tätig werden. Das Grundrecht wurde wahrgenommen und nicht verletzt. Man versucht sich hier auf das Zivilrecht und nicht auf das Baurecht zu reduzieren. Das Recht auf den gesetzlichen Richter im Zivilrecht, wurde nicht verletzt.

Bezirksgericht zuständig für: Zivil- (Parteien gleichgestellt) und Strafsachen Gerichtshöfe öffentlichen Rechts: Baurecht: verschiedene Zivilrechtsbegriffe

Page 69: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 69 von 112

Kapitel 2: Die Grundfreiheiten der EU 1. Welche Ziele verfolgt die EG?

Es geht um die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und einer Wirtschafts- und Währungsunion sowie um die Durchführung der in den Art. 3 und 4 EGV genannten Politiken und Maßnahmen in der ganzen Gemeinschaft zu fördern: • eine harmonische, ausgewogene und nachhaltige Entwicklung des Wirtschafts-

lebens; • ein hohes Beschäftigungsniveau; • ein hohes Maß an sozialem Schutz; • die Gleichstellung von Männern und Frauen; • ein beständiges, nichtinflationäres Wachstum; • einen hohen Grad an Wettbewerbsfähigkeit und Konvergenz der Wirtschafts-

leistungen; • ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität; • die Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität; • den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt; • die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten.

2. Welches Ziel wird mit dem Gemeinsamen Markt verfolgt?

Der Gemeinsame Markt zielt auf die Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsraumes durch Herstellung binnenmarktähnlicher Verhältnisse.

3. Welche Definitionsmerkmale weist der Gemeinsame Markt auf?

• die Existenz eines europäischen Wettbewerbsrechts, • die Rechtsharmonisierung, soweit dies für das Funktionieren des Gemeinsamen

Marktes erforderlich ist. 4. Was ist der Binnenmarkt? In welchem Verhältnis steht er zum Gemeinsamen

Markt und zu den Grundfreiheiten? Der Binnenmarkt umfasst einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr (Beseitigung von Hindernissen) von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen des Vertrags gewährleistet ist somit beschreibt er die Verhältnisse innerhalb der EU und spricht die vier für die EU gekennzeichneten Grundfreiheiten an. (Merkmal des Binnenmarktes)

5. Welche Grundfreiheiten des Binnenmarktes kennen Sie? Beschreiben Sie kurz,

was sie beinhalten, bzw, wodurch sie verwirklicht werden! Art 4 Abs 3 EG-Vertrag Warenverkehrsfreiheit = ungehinderter Verkehr von Waren in der EU durch Schaffung einer Zollunion Verbot von Zöllen zwischen den Mitgliedstaaten, Verbot von mengenmäßigen Beschränkungen und allen sonstigen Maßnahmen gleicher Wirkung. Personenverkehrsfreiheit = Diskriminierungsverbote • Freizügigkeit der Arbeitnehmer: Recht natürlicher Personen auf Ausübung

unselbständiger Tätigkeiten in den anderen Mitgliedstaaten dauerhaft und für Entgelt.

• Niederlassungsfreiheit: Recht natürlicher und juristischer Personen auf Niederlassung in den anderen Mitgliedstaaten zur Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeit.

Dienstleistungsfreiheit = Recht natürlicher (immaterielles Gut) und juristischer Personen auf dauerhafte, grenzüberschreitende Ausübung selbständiger Erwerbstätig-keiten in den anderen Mitgliedstaaten.

Page 70: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 70 von 112

Kapitalverkehrsfreiheit = Kapitalbewegungen zwischen den Mitgliedstaaten dürfen keinen Beschränkungen unterworfen sein.

6. Beschreiben Sie kurz die Gemeinsamkeiten der Grundfreiheiten!

• die Grundfreiheiten richten sich an die Mitgliedstaaten und haben keine Dritt-wirkung

• sie sind unmittelbar anwendbar der Einzelne kann sich unmittelbar auf die Grundfreiheiten berufen

• sie haben einen grenzüberschreitenden Charakter bei Verletzung besteht ein Anspruch auf Staatshaftung

• Diskriminierungsverbote, d.h. eine Differenzierung mitgliedstaatlicher Vorschriften nach der Herkunft der Ware, der Person, der Dienstleistung oder des Kapital ist unzulässig

• Allgemeine Beschränkungsverbote, d.h. alle Einschränkungen unabhängig von der Herkunft der Ware, Person, Dienstleistungen oder des Kapitels ist grundsätzlich unzulässig.

7. In welchem Verhältnis stehen die Grundfreiheiten und das Sekundärrecht?

Wenn ein Sachgebiet (eine gemeinschaftsrechtliche Regelung) durch eine sekundär-rechtliche Regelung harmonisiert wurde, geht diese Regelung den Grundfreiheiten vor

diese ist jedoch an den materiellen Grundsätzen der betreffenden Grundfreiheit zu messen.

8. Welche Maßnahmen gibt es zur Verwirklichung der Warenverkehrsfreiheit?

• Errichtung einer Zollunion • Umformung staatlicher Handelsmonopole • Beseitigung innerstaatlicher, diskriminierender Abgaben • Beseitigung mengenmäßiger Beschränkungen sowie aller sonstigen Maßnahmen

gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten Die Warenverkehrsfreiheit ist der grundsätzlich ungehinderte Verkehr von Waren innerhalb des Gemeinschaftsgebiets. 9. Unterscheiden Sie die Begriffe „Freihandelszone“ und „Zollunion“! Welchem

Begriff ist die Europäische Gemeinschaft zuzuordnen? Freihandelszone = behalten die Kontrolle über ihre Außenhandelsbeziehungen, wobei an den Binnengrenzen innerhalb der Freihandelszone weiterhin Grenzkontrollen durchgeführt werden müssen, Abschaffung der Binnenzölle zwischen den Mitglied-staaten, nicht aber Vereinheitlichung des Außenzolls gegenüber dritten Ländern (Außenzolltarif) Zollunion = Mitgliedstaaten verzichten auf das Recht zur autonomen Gestaltung der Außenhandelsbeziehungen. Sie beseitigt die zwischen ihren Mitgliedstaaten bestehenden Zölle (Binnenzölle) und führt einen gemeinsamen Außenzoll gegenüber dritten Ländern ein Kontrolle nur bei Außengrenzen. EG ist eine Zollunion.

10. Welchen sachlichen und örtlichen Anwendungsbereich hat die durch die EU

gebildete Zollunion? Sachlich erfasst die durch die EU gebildete Zollunion nicht nur grundsätzlich den gesamten Warenaustausch, sondern auch die Durchfuhr von Waren.

Page 71: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 71 von 112

Örtlich ist von der Zollunion das Zollgebiet betroffen; dieses besteht grundsätzlich aus dem Staatsgebiet der Mitgliedstaaten.

11. Was sind der Gemeinsame Zolltarif, die Kombinierte Nomenklatur und der

Zollkodex? • Gemeinsamer Zolltarif = Errichtung eines gemeinsamen Außenzolls gegenüber

Drittstaaten und gemeinsame Regelung betreffen Abgaben zollgleicher Wirkung in bezug auf Einfuhren aus den Drittstaaten

• Kombinierte Nomenklatur = Zolltarifschema, welches eine Gliederung einzelner Warengattungen vornimmt und ihnen Zollsätze zuordnet

• Zollkodex = kodifiziert das materielle Zollrecht der Gemeinschaft (z.B. Berechnung des Warenwertes, formelles Zollrecht Zollverfahrensrecht)

12. Wem fließen die Zolleinnahmen zu?

Die Zolleinnahmen fließen der Gemeinschaft zu. (Zollbehörde der Mitgliedstaaten erhaben sie; weshalb sich diese auch einen Teil – 10% – der Zolleinnahmen behalten dürfen)

13. Was sind Gemeinschaftswaren?

Es sind Waren • mit Ursprung in den Mitgliedstaaten • mit Ursprung in Drittstaaten, die sich in den Mitgliedstaaten im freien Verkehr

befinden. (Zigaretten sind keine Gemeinschaftswaren Handelsmonopol)

14. Wann befinden sich Gemeinschaftswaren in der EU im freien Verkehr?

Wenn die Einfuhrformalitäten in materieller und formeller Hinsicht erfüllt worden sind, und für die die vorgeschriebenen Zölle und Abgaben gleicher Wirkung erhoben worden sind. (keine Rückvergütung zulässig!) Waren aus Drittländern. aus USA kommen Sportschuhe nach Hamburg, dann nach Frankreich, dann Spanien…. sind Auslandsgüter.

15. Was versteht man unter einem Zoll, was unter einer Abgabe zollgleicher

Wirkung? Zölle = Abgaben mit denen Waren bei der Ein- oder Ausfuhr belastet werden, ohne dass eine entsprechende Abgabe für gleichartige inländische Waren erhoben wird. Abgaben zollgleicher Wirkung = eine einer in- oder ausländischen Ware wegen ihres Grenzübertritts einseitig auferlegte finanzielle Belastung – de facto ein Zoll • unabhängig von ihrer Bezeichnung und Art ihrer Erhebung; • unabhängig davon, ob sie zugunsten des Staates erhoben wird; • unabhängig von einer allfälligen protektionistischen oder diskriminierenden, also die

inländischen Erzeugnisse bevorzugenden, Wirkung; • unabhängig davon, ob die belastete Ware mit inländischen Erzeugnissen im

Wettbewerb steht. 16. Unter welchen Voraussetzungen dürfen Gebühren für an der Grenze

vorgenommene Untersuchungen und Kontrollen eingehoben werden? • wenn sie gemeinschaftsrechtlich vorgesehen sind • das angemessene Entgelt für einen dem einzelnen tatsächlich und individuell

geleisteten Dienst darstellen

Page 72: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 72 von 112

17. Um die heimische Textilindustrie zu unterstützen wird in Österreich eine

„Gebühr“ bei der Einfuhr sämtlicher ausländischer Textilprodukte eingeführt. Gegen welche Grundfreiheit verstößt diese Regelung im Bezug auf die Mitglied-staaten der EU? Es verstößt gegen die Warenverkehrsfreiheit, weil es sich hierbei um eine diskriminierende zollgleiche Abgabe handelt und deshalb verboten ist.

18. Was ist ein Handelsmonopol? Welche anderen Arten von Monopolen kennen Sie

noch? Man versteht unter Handelsmonopol • den Inbegriff von Sonderrechten in Bezug auf Ankauf und Verkauf bestimmter

Warengattungen • die Einrichtung selbst, der diese Sonderrechte zustehen - Produktionsmonopole (umfassen das ausschließliche Recht zur Herstellung

bestimmter Waren) - Dienstleistung- und Finanzmonopole (Finanzmonopol dienen der Erzeilung von

Einnahmen) 19. Sind in der EG Handelsmonopole verboten?

Nein, es gibt nur ein Verbot diskriminierender Praktiken staatlicher Handelsmonopole. 20. Was wird mit Art. 90 EG bezweckt?

Beseitigung innerstaatlicher diskriminierender Abgaben = danach dürfen die Mitglied-staaten weder unmittelbar noch mittelbar höhere inländische Abgaben gleich welcher Art erheben, als gleichwerte inländische Waren zu tragen haben.

21. Österreich führt eine „Buchabgabe“ ein, die Bücher sowohl in- als auch

ausländischer Verlage gleich belastet. Die daraus resultierenden Einnahmen werden zur Unterstützung der heimischen Verlage verwendet. Bestehen nach dem EG-Recht rechtliche Bedenken gegen diese Regelung? Art 19 EG-Vertrag Hierbei handelt es sich um einer verdeckte Diskriminierung, der einen Verstoß (Behinderung) gegen die Warenverkehrfreiheit darstellt. Es ist eine verdeckte innerstaatliche diskriminierende Abgabe, wegen der Rückführung der Gelder an die Verläge.

22. Geben Sie im Überblick wieder, was die Art. 28, 29 und 30 EG regeln!

Art. 28 = Verbot mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen sowie Maßnahmen gleicher Wirkung

Art. 29 = Verbot für Ausfuhrbeschränkungen/ Durchfuhr von Waren Art. 30 = erlaubte Ausnahmen für Verbote von Einfuhr- und Ausfuhrbeschränkungen 23. Was versteht man unter einer Ware iSd Warenverkehrsfreiheit?

Der Begriff der Ware umfasst dabei alle beweglichen Sachen, die einen Geldwert haben und deshalb Gegenstand von Handelsgeschäften sein können. (erfasst sind Waren mit Ursprung in der EU, aber auch sich im freien Verkehr befindlichen Waren aus Drittländern)

Page 73: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 73 von 112

24. Kann Geld eine Ware iSd Warenverkehrsfreiheit sein? Ja, sofern es sich z.B. um eine Münzsammlung handelt (hat eine höheren Wert als die Nominale Sammlerwert) oder ist z.B. schon (z.B. Eurotaferl) oder nicht mehr im Zahlungsverkehr (z.B. Schillingssammlungen)

25. Kann Abfall eine Ware iSd Warenverkehrsfreiheit sein?

Ja, denn die Wiederverwertung dieser Abfälle bzw. Transport und Entsorgung der Abfälle ist Gegenstand einer Handelsgeschäftes.

26. Was fällt unter den Begriff der einen Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit

darstellenden staatlichen Maßnahmen? Unter einer staatlichen Maßnahme wird dabei verstanden • staatliche Maßnahmen im engeren Sinn, die durch staatliche Stellen vorgenommen

werden • Maßnahmen einer mit Hoheitsbefugnissen ausgestatteten Standesbehörde • Maßnahmen von privaten Personen, die in einer Nahebeziehung zum Staat stehen

27. Können handelsbeschränkende Maßnahmen Privater gemeinschaftsrechtlich

relevant sein? NEIN handelsbeschräkende Maßnahmen Privater werden normalerweise von der Warenverkehrsfreiheit nicht erfasst, sondern sind allenfalls Gegenstand des europäischen Kartellrechts. JA wenn sie mit Hoheitsgewalt ausgestattet sind oder auf Grund ihrer Finanzierung, der Bestellung von Aufsichtsorganen oder anderer Umstände (Nahebeziehung) dem Staat zuzurechnen sind.

28. Was bedeutet das Verbot mengenmäßiger Beschränkungen?

Das sind alle staatlichen Maßnahmen, welche die Einfuhr oder die Ausfuhr einer Ware dem Wert oder der Menge nach begrenzen. (erfasst sind Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverbote, da sie den Grenzübertritt der Ware an sich behindern)

29. Was ist eine Maßnahme gleicher Wirkung?

Dieser Begriff erfasst nach der Entscheidung des EuGH „Dassonville“ grundsätzlich alle Handelsregelungen der Mitgliedstaaten, die geeignet sind, den inner-gemeinschaftlichen Handelsverkehr unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern. Dabei handelt es sich um jede nationale Maßnahme, die objektiv auf den Warenverkehr einwirkt. Ausreichend ist die Eignung einer Maßnahme zur Behinderung des Warenverkehrs. Nicht notwendig ist eine tatsächliche Beeinflussung.

30. Welche Erkenntnis des EuGH stellt die Leitentscheidung zur Auslegung des

Begriffs der Maßnahmen gleicher Wirkung dar? Was besagt es? „Dassonville = alle Handelsregelungen der Mitgliedstaaten, die den innergemein-schaftlichen Handelsverkehr unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell behindern, sind verboten. (KONTROLLE)

31. Welche Arten von Diskriminierungen widersprechen dem Diskriminierungs-

verbot? • jede unterschiedliche Behandlung von eingeführten und inländischen Waren • jede offene und jede versteckte, also mittelbare Diskriminierung von Importwaren

aus anderen Mitgliedstaaten

Page 74: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 74 von 112

o offene, unmittelbare oder formelle Diskriminierung = Regelung darf ausländische Einfuhren nicht erschweren

o versteckte, mittelbare oder materielle Diskriminierung = Regelungen weisen Voraussetzungen an, welche von ausländischen Produkten nicht erfüllt werden kann.

32. Welche Grundsätze hat der EuGH im sog. Cassis-Urteil aufgestellt?

Mitgliedstaatliche Bestimmungen, die als Maßnahmen iSd „Dassonville“ Rechts-sprechung anzusehen sind, sind nur dann zulässig, wenn sie • nicht diskriminierend, • verhältnismäßig, • erforderlich, • geeignet sind • um zwingenden Erfordernissen gerecht zu werden (des allgemeinen Interesses)

33. Welche Art von Vorschriften unterliegen einer Prüfung nach dem Cassis-Urteil?

Produktvorschriften (Vorschriften, welche die Gestaltung der Ware regeln, etwa hinsichtlich Bezeichnung, Form, Abmessung und Zusammensetzung der Ware)

34. Was ist unter den zwingenden Erfordernissen des Allgemeininteresses zu

verstehen? Es handelt sich dabei um immanente Schranken der Warenverkehrsfreiheit die noch vor der Prüfung des Ausnahmetatbestands beachtet werden müssen, für • einer wirksamen steuerliche Kontrolle • des Schutzes der öffentlichen Gesundheit • des Verbraucherschutzes • des Umweltschutzes • der Aufrechterhaltung der Medienvielfalt • der Lauterkeit des Handelsverkehrs

35. Was versteht man unter dem Bestimmungsstaatsprinzip?

Nach dem Bestimmungsstaatsprinzip (und dem Diskriminierungsverbot) ist eine Gleichbehandlung von inländischer und ausländischer Ware erforderlich.

36. Was versteht man unter dem Herkunftsstaatsprinzip und dem Prinzip der

gegenseitigen Anerkennung? Herkunftsstaatsprinzip = dieses besagt, dass Vorschriften des Bestimmungsstaates uneingeschränkt nur für inländische Waren gelten. Eingeführte Waren müssen den Bestimmungen des Herkunftsstaates genügen. Dies gilt nicht für Vorschriften des Bestimmungsstaates , die zwingenden Erfordernissen genügen. Prinzip der gegenseitigen Anerkennung = eingeführte Ware, die im Herkunftsstaat rechtmäßig hergestellt und in Verkehr gebracht werden, müssen auch in anderen Mitgliedstaaten akzeptiert werden (somit sind nationale Rechtsvorschriften grundsätzlich unanwendbar) zwingende Erfordernisse: Süchte

37. Was besagt die sog. Keck-Rechtsprechung des EuGH?

Der EuGH hat in seinem Urteil „Keck“ mitgliedstaatliche Regelungen vom Anwendungsbereich des Art. 28 EGV (Dassonville = Maßnahmen gleicher Wirkung; Cassis) ausgenommen, sofern sie • nichtdiskriminierend sind, • es sich um Regelungen bestimmter Verkaufsmodalitäten handelt,

Page 75: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 75 von 112

• für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben (Öffnungszeiten, Bindung des Verkaufs von Medikamenten an die Apotheken, usw.)

• den Absatz der inländischen Waren und der eingeführten Waren rechtlich und tatsächlich in gleicher Weise berühren.

38. Was sind bestimmte Verkaufsmodalitäten?

= vertriebsbezogene mitgliedstaatliche Vorschriften, die die Art des Verkaufs einer Ware regeln (bestimmte Verkaufsmodalitäten dürfen den Marktzugang für eingeführte Waren nicht stärker als für inländische Ware versperren oder behindern)

39. Welche Voraussetzungen müssen für eine Anwendbarkeit des Art. 30 EG erfüllt

sein? Die zum Schutz dieser Rechtsgüter getroffenen Maßnahmen müssen im Vergleich zur Bedeutung der Freiheit des Warenverkehrs verhältnismäßig sein. Ferner müssen sie zur Erreichung ihres Ziels geeignet sein und sich auf das unbedingt Notwendige beschränken, insoweit also erforderlich sein. Ausnahmen nicht-wirtschaflticher Art = • die öffentliche Sicherheit, Ordnung und Sittlichkeit • Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen ,Tieren und Pflanzen • Schutz des nationalen Kulturgutes von künstlerischem, geschichtlichem oder

archäologischem Wert • Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums

40. Worin liegt der Unterschied zwischen den Ausnahmen nach der Cassis-Rsp,

nach der Keck-Rsp und nach Art. 30 EG? Cassis = Urteil des EuGH; dürfen nicht diskriminierend sein; dienen dem Schutz von allgemeinen Interessen; notwenig und geeignet (müssen tatsächlich Schutz bieten); verhältnismäßig (darf keinen geringeren Weg geben) Keck = Urteil von EuGH; dürfen nicht diskriminierend sein; muss sich um Verkaufsmodalitäten handeln Art. 30 EG = Ausnahmeregelungen, die vertraglich vorgesehen sind, dürfen diskriminierend sein; Ausnahmen müssen aber nicht wirtschaftliche Bereich schützen

41. Art. 28 EGV verbietet „mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie

Maßnahmen gleicher Wirkung“. • Worauf bezieht sich dieses Verbot?

Grundfreiheit des freien Warenverkehrs • An wen richtet sich das Verbot?

Mitgliedstaaten der EU • Welche Arten von Maßnahmen sind davon betroffen?

Alle nationalen Maßnahmen, die auf den Warenverkehr einwirken und diesen somit behindern

• Welches Urteil des EuGH war die Auslegung des Tatbestands des Art. 28 EGV („Maßnahmen gleicher Wirkung“) von besonderer Bedeutung? Dassonville = alle Handelsregelungen von Mitgliedstaaten, die den inner-gemeinschaftlichen Warenverkehr unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell behindern, sind verboten.

• Sind von Art. 28 EGV auch Maßnahmen umfasst, die eine neutrale Behinderung des Marktzutritts bewirken (zB Verbot des Verkaufs unter dem

Page 76: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 76 von 112

Einstandspreis)? Mit welchem Urteil hat der EuGH diese Frage eindeutig entschieden? Nein, es werden lediglich die Verkaufsmodalitäten behandelt Keck

• Unter welchen Voraussetzungen können „Maßnahmen gleicher Wirkung“ dennoch zulässig sein? Cassis, Keck, Ausnahmeregelungen nach Art. 30 EG

42. Aus Gründen des Verbraucherschutzes verbietet der Mitgliedsstaat A den

Verkauf von nicht nach dem Reinheitsgebot hergestelltem Bier. Welche Grund-freiheit ist berührt? Begründung! Warum wird diese Beschränkung jedenfalls mit Gemeinschaftsrecht unvereinbar sein? Unvereinbar mit der Warenverkehrsfreiheit • Dassonville = unmittelbar und tatsächlich • Cassis = nicht verhältnismäßig (es gibt ein gelinderes Mittel = Etikettierung),

Reinheitsgebot (das Herkunftsstaatsprinzip greift), diskriminierend 43. Dänemark verbietet zum Schutz einer nur dort vorkommenden Bienenart die

Einfuhr aller anderen Bienenvölker auf einer einzigen Ostseeinsel. Welche Grundfreiheit ist berührt? Begründung! Ist diese Beschränkung mit Gemeinschaftsrecht vereinbar? Vereinbar mit der Warenverkehrsfreiheit (Bienen sind in dem Fall Waren) • Dassonville = unmittelbar und potentiell • Art. 30 = Umweltschutz soll geschützt werden

44. Welche Freiheiten umfasst der freie Personenverkehr?

• Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Recht natürlicher Personen auf unselbstständige Tätigkeit gegen Entgelt in den anderen Mitgliedstaaten)

• Niederlassungsfreiheit (Recht natürlicher und juristischer Personen auf Niederlassung zur Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeit auf Dauer in den anderen Mitgliedstaaten)

45. Welchen Inhalt hat die Arbeitnehmerfreizügigkeit?

Unter der Freizügigkeit der Arbeitnehmer wird das Recht natürlicher Personen auf die Ausübung unselbständiger Tätigkeiten in den anderen Mitgliedstaaten verstanden. Führt zu einer Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten.

46. Ein Arbeitsgeber aus Dtld beschäftigt österreichische Fernfahrer für Transporte

im Nahen Osten. Nach dt Recht sind für den Fall einer Beschäftigung ausländischer Fahrer besondere Melde- und Aufzeichnungspflichten vorgesehen, die beim Einsatz deutscher Fahrer im gleichen Gebiet nicht vorgeschrieben sind. Ist diese Regelung des dt Rechts gemeinschaftsrechtlich bedenklich? Dies widerspricht der Arbeitnehmerfreizügigkeit, weil sie diskriminierend ist. (keine Ausnahme vorhanden) Ordre public greift nicht. Anspruch auf Gleichbehandlung

47. Was versteht man unter einem Arbeitnehmer iSd Gemeinschaftsrechts?

Der Begriff Arbeitnehmer ist dadurch gekennzeichnet, dass er • eine natürliche Person ist, • gegen Entgelt • Arbeitsleistungen

Page 77: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 77 von 112

• für eine andere Person unter deren Leitung erbringt (weisungsgebunden) • Staatsangehörige eines Mitgliedstaates ist.

48. Der österreichische Student A erhält von einem dt Arbeitgeber einen Ferialjob. Er

arbeitet für Kost und Logis (auch Entgelt) sowie € 10,-/Tag Taschengeld. Kann A sich bei Bedarf auch die Arbeitnehmerfreizügigkeit berufen? Ja, er kann sich darauf berufen. Immerhin ist er Unionsbürger leistet unselbständige Arbeit gegen Entgelt. Kein Mindestentgelt.

49. Der ÖGB und die Wirtschaftskammer Österreich vereinbaren in einem

Kollektivvertrag (gilt für alle in einer Branche; legt Mindestlohn, Arbeitszeit fest), dass österreichische Arbeitskräfte um 15 % mehr Gehalt als ausländische Reinigungskräfte erhalten sollen. Ist das gemeinschaftsrechtlich bedenklich? Hierbei handelt es sich um einen Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit, denn EU-Bürger müssen gleich behandelt werden. (diskriminierend)

50. Nennen Sie die Begleitrechte zur Arbeitnehmerfreizügigkeit!

• Das Recht, sich um tatsächlich angebotene Stellen zu bewerben • Das Recht sich deswegen im Mitgliedstaat frei zu bewegen • Das Recht, sich in einem Mitgliedstaat aufzuhalten, um dort nach den geltenden

Rechts- und Verwaltungsvorschriften eine Beschäftigung auszuüben • Das Recht auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses sich im Mitgliedstaat

aufzuhalten (Durchführungsverordnung der Kommission) • Recht auf Berufsausbildung • Gleichbehandlungsgebot im Hinblick auf alle sozialen und steuerlichen

Vergünstigungen 51. Der dt Staatsbürger X möchte in Österreich als Gabelstaplerfahrer tätig sein. Er

hat nur den dt nicht aber den vorgeschriebenen österreichischen Gabelstapler-führerschein. Darf vor einer Beschäftigung des X als Gabelstaplerfahrer der Erwerb des österreichischen Führerscheins verlangt werden? Nein, hierbei handelt es sich um die gleiche Befähigung, die in allen EU-Staaten Gültigkeit hat, weshalb keine neue Prüfung verlangt werden darf. Nationale Befähigungsnachweise dürfen verlangt werden eventuell eine Nachschulung.

52. Aus welchen Gründen ist eine Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit

möglich? • Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung • aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit

53. Was versteht man unter de Ausübung öffentlicher Gewalt iSd Arbeitnehmer-

freizügigkeit? Darunter fallen alle Tätigkeiten, welche • die Ausübung hoheitlicher Befugnisse mit sich bringen, • auf die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates oder anderer öffentlicher

Körperschaften gerichtet ist.

Page 78: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 78 von 112

54. In einem Mitgliedstaat ist gesetzlich vorgesehen (mit Staatsbürgerschaft darf er

nicht immer dort bleiben), dass alle Ausländer nach der zweiten Bestrafung wegen Falschparkens ausgewiesen werden. Ist diese Vorschrift gemeinschaftsrechtlich bedenklich? Ja, diese Vorschrift ist gemeinschaftsrechtlich bedenklich (im EG-Vertrag: sich frei zu bewegen, Verbleiberecht(Mindestalter, -dauer), weil sie diskriminieren ist. Im Sinne der Personenverkehrsfreiheit ist eine derartige Diskriminierung verboten.

55. Die italienische Staatsbürgerin A. Rossi bewirbt sich um eine Anstellung als

Lehrerin in einem österreichischen Gymnasium, um Italienisch und Mathematik zu unterrichten. Dies wird ihr unter Hinweis auf ihre Staatsangehörigkeit verweigert, weil eine Anstellung beim Staat ein besonderes Vertrauensverhältnis erfordere. Um welche Grundfreiheit geht es? Ist ihre Einschränkung gerechtfertigt? Kurze Begründung! Hierbei handelt es sich um die Personenverkehrsfreiheit (Arbeitnehmerfreizügigkeit) und sie ist insofern diskriminieren, weil es sich um keinen Ausnahmetatbestand handelt, nicht unter die Ordre public fällt und A. Rossi in ihrer Ausübung als Lehrerin keine Hoheitsgewalt (z.B.: Polizei) hätte.

56. Wer ist Unionsbürger? Welche Rechte hat er?

Unionsbürger ist, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzt. • Recht auf freie Bewegung und freien Aufenthalt (im Vertrag geregelt) • Aktives und passives Wahlrecht bei Kommunalwahlen und bei Wahlen zum

Europäischen Parlament • Diplomatischer und konsularischer Schutz • Petitionsrecht an das Europäische Parlament, Beschwerderecht an den Bürger-

beauftragten • Recht auf Benutzung einer Amtssprache im Verkehr mit den Organen der EU

57. Worin liegt der Unterschied zwischen der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der den

Unionsbürgern zustehenden Freizügigkeit? Arbeitnehmerfreizügigkeit = Ausübung unselbständiger Tätigkeiten in einem anderen Mitgliedstaat Freizügigkeit der Unionsbürger = allgemeines Recht auf Freizügigkeit und nicht an einen spezifischen Aufenthaltszweck gekoppelt

58. Auf welche Weise kann die Niederlassungsfreiheit in Anspruch genommen

werden? = Recht natürlicher und juristischer Personen auf Niederlassung in den anderen Mitgliedstaaten zur Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeit auf Dauer. Dienstleistungsfreiheitbeschränkt) Natürliche Personen: durch dauerhafte Aufnahme und Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaate, Gründung und Leitung von Unternehmen Juristische Personen: durch Verlegung (Hauptverwaltung woanders) ihres Sitzes, Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen (z.B.: Büro) oder Tochergesellschaften (überwiegender Teil gehört dem AGmbH, im Geschäftsbuch von BGmbH steht als Gesellschafter AGmbH)

59. Was ist eine primäre, was eine sekundäre Niederlassung?

Primär = Sitzverlegung juristischer Personen

Page 79: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 79 von 112

Sekundär = Gründung oder Erwerb von Agenturen und ähnlichen Einrichtungen 60. Wer kann die Niederlassungsfreiheit in Anspruch nehmen? Welche

Voraussetzungen müssen dafür erfüllt werden? Die Niederlassungsfreiheit könne selbständige erwerbstätige Personen in Anspruch nehmen. Verlangt ist also eine selbständige entgeltliche Tätigkeit auf Dauer.

61. Unter welchen Bedingungen kann der 1. Wr. Neustädter Kaninchenzüchterverein

die Niederlassungsfreiheit in Anspruch nehmen? Unter der Bedingung, dass er mit diesem Verein (juristische Person: Eigenschaften: Hauptsitz in der Gemeinschaft nach den Regeln gegründet) Gewinn erwirtschaftet.

62. Was bedeutet der Grundsatz der Inländergleichbehandlung

• im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit; Es gibt im Art. 39 Abs. 2 EGV ein Gebot, dass sie Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeits-bedingungen enthaltene Diskriminierungsverbote.

• iZm der Niederlassungsfreiheit? Die Ausübung der Niederlassungsfreiheit muss unter den gleichen Bedingungen und den gleichen Rechten wie bei Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaates möglich sein.

63. Welche Einschränkungen der Niederlassungsfreiheit sind zulässig?

Beschränkungen aufgrund der Cassis-Rsp. (auf Grund von immanenten Schranken der Niederlassungsfreiheit) können zulässig sein, wenn die zu prüfende Vorschrift • nicht diskriminierend ist, • durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist, • erforderlich zur Wahrung diese Gründe ist, • geeignet zur Wahrung diese Gründe ist. • Auch wird die Verhältnismäßigkeit der Beschränkung zu verlangen sein. Ausnahmegründe: • Ausübung öffentlicher Gewalt = hoheitliche Befugnisse, müssen besonderer

staatsbürgerlichen Loyalität bedürfen • Schutz der ordre public (öffentliche Ordnung, Sicherheit und Gesundheit)

64. Ein österreichischer Automechaniker möchte auf Dauer in Italien tätig werden.

Dort wird von ihm zur Ausübung des Mechanikerberufs die Ablegung der italienischen Konzessionsprüfung verlangt. Ist dies gemeinschaftsrechtlich bedenklich? Hierbei handelt es sich um einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit (bzw. Arbeitnehmerfreizügigkeit), denn es darf von ihm nur ein Befähigungsnachweis verlangt werden, nicht jedoch eine Konzessionsprüfung diskriminierend

65. Welche Begleitrechte gewährt die Niederlassungsfreiheit? • Aufenthaltsrecht (Recht auf Einreise und unbefristeten Aufenthalt) • Aufenthaltsrecht von Familienangehörigen des Begünstigten • Rechte betreffend der sozialen Sicherheit

Page 80: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 80 von 112

66. Worin liegt der Unterschied zwischen der von der Niederlassungsfreiheit ausgenommenen Ausübung öffentlicher Gewalt und der von der Arbeitnehmer-freizügigkeit ausgenommenen Ausübung öffentlicher Gewalt? Arbeitnehmerfreizügigkeit = darunter fallen alle Tätigkeiten, welche die Ausübung hoheitlicher Befugnisse mit sich bringen und auf die Wahrung des allgemeinen Belange des Staates oder anderer öffentlicher Körperschaften gerichtet ist Niederlassungsfreiheit = Ausübung hoheitlicher Befugnisse, bei trennbaren Betätigungsfeldern sind Einschränkungen nur bei jenem Teil zulässig, der die Ausübung einer hoheitlichen Gewalt betrifft

67. Die im Sicherheitsgewerbe tätige österreichische Sekuro-Ag möchte auch in Dtld

tätig sein. Die Gründung einer entsprechenden Tochtergesellschaft in Dtld wird ihr mit der Begründung verweigert, dass in einem so heiklen Gewerbe nur eine dt Gesellschaft tätig sein dürfte, die überdies im Mehrheitseigentum dt Eigentümer stehen müsse. Um welche Grundfreiheit geht es? Ist ihre Einschränkung gerechtfertigt? Kurze Begründung! Die Niederlassungsfreiheit ist hier betroffen. Die Einschränkung ist nicht zulässig, weil es betrifft das ordre public nicht wirklich. Eine Privatfirma ist nicht für die öffentliche Ordnung und Sicherheit zuständig darum wird es wahrscheinlich abgelehnt werden.

68. Wann liegt eine Dienstleistung iSd Dienstleistungsfreiheit vor?

= darunter versteht man das Recht natürlicher und juristischer Personen auf nicht dauerhafte, grenzüberschreitende Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten in anderen Mitgliedstaaten. Die Tätigkeit muss idR entgeltlich, grenzüberschreitend, zeitlich beschränkt, selbständig sein. Dienstleistungsfreiheit ist subsidiär darf keiner anderen Grund-freiheit zuordbar sein.

69. Der österreichische Radiosender A strahlt seine Sendung auch nach Bayern aus.

Welche Grundfreiheit wird hier in Anspruch genommen? Kommen Sie zum gleichen Ergebnis bei Verteilung von Gratiszeitschriften in München durch den österreichischen Verleger B? Art 50 • Dienstleistungsfreiheit (immateriell), denn es handelt sich um eine Grenz-

überschreitung; jeder muss Rundfunkgebühr zahlen, weshalb auch Entgelt anfällt • Warenverkehrsfreiheit (materiell), wird durch Keck (Vertriebsmodalität: Gratis-

zeitschriften = „Verkauf unter dem Einstandspreis) geprüft 70. Wie können die Dienstleistungen nach der Art der Verwirklichung des

grenzüberschreitenden Elements eingeteilt werden? • aktive und passive Dienstleistungsfreiheit = Erbringer begibt sich unter Grenz-

überschreitung zum Empfänger • passive oder negative Dienstleistungsfreiheit = Empfänger begibt sich unter Grenz-

überschreitung zum Erbringer • Korrespondenzdienstleistung = Dienstleistung überschreitet als Produkt die Grenze

Erbringer/Empfänger bleiben im Heimatstaat Produktverkehrsfreiheit: • Erbringer und Empfänger überschreiten gemeinsam die Grenze • Erbringer überschreitet die Grenze, um einem in seinem Mitgliedstaat ansässigen

Empfänger in einem anderen Mitgliedstaate eine Leistung zu erbringen.

Page 81: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 81 von 112

71. Bilden Sie je ein Bsp für jede der in Beantwortung von Frage 70 angeführten Kategorien von Dienstleistungen! Aktive Dienstleistungsfreiheit: Masseur kommt aus Deutschland zu einem

Kunden nach Österreich Passive Dienstleistungsfreiheit: Kunde fährt nach Ungarn, um dort zum Friseur zu

gehen Korrespondenzdienstleistung: Kunde lässt sich von dem Friseur aus Ungarn sein

Haarfarbengemisch schicken (?) 72. Der Vermögensberater A hat seine Niederlassung in Klagenfurt. Zusätzlich

unterhält er ein Büro in Udine, wo er Erstgespräche mit seinen italienischen Klienten führt. Für alle weitergehenden Beratungen müssen seine Kunden nach Klagenfurt kommen. Welche Grundfreiheit nimmt A in Anspruch? Er nimmt die Niederlassungsfreiheit in Anspruch (da dieses Büro ja nicht nur vorübergehend ist); Erstgespräch= aktiv; weitere Gespräche = passiv

73. Welche direkten Beschränkungen eines Dienstleistungsvorganges greifen in den

Kernbereich der Dienstleistungsfreiheit ein? Die Tätigkeit muss idR entgeltlich, grenzüberschreitend, zeitlich beschränkt, selbständig sein. Dienstleistungsfreiheit ist subsidiär darf keiner anderen Grund-freiheit zuordbar sein.

74. Welche Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit sind zulässig?

Cassis-Rsp.: stellt immanente Schranken der Dienstleistungsfreiheit dar, sofern sie • nicht diskriminierend sind, • im Allgemeininteresse sind, • zur Erreichung diese Zwecks geeignet und notwendig sind, • dem Allgemeininteresse nicht schon durch Rechtsvorschriften Rechnung getragen

wird, denen der Dienstleistungserbringer in seinem Herkunftsstaat unterliegt, • verhältnismäßig sind. Ausnahmegründe: • Ausübung öffentlicher Gewalt • Vorbehalt hinsichtlich des ordre public des Bestimmungsstaates

75. Welche Kategorien von möglichen Arten von Eignriffen in die Dienstleistungs-

freiheit kennen Sie? • Vorschriften, die das Erfordernis der Einrichtung einer ständigen Niederlassung für

die Erbringung von Dienstleistungen festlegen • Vorschriften, die den Dienstleistungen selbst den Marktzutritt verwehren • Nichtdiskriminierende Regeln, die den ausländischen Anbieter auf Grund ihrer

Unterschiedlichkeit in den Mitgliedstaaten stärker als den Inländer belasten. 76. Die A-Finanzberatungs-GmbH us Dtld wirbt Kunden dadurch an, dass sie mit

ihnen ohne vorige Einholung ihres Einverständnisses telephonisch Kontakt aufnimmt. In den Niederlanden ist eine solche Art des Vertriebs verboten. Als die A-Finanzberatungs-GmbH dennoch in diesem Land Kunden anzuwerben versucht, wird sie von der niederländischen Finanzmarktaufsicht bestraft. Um welche Grundfreiheit geht es? Ist ihre Einschränkung gerechtfertigt? Kurze Begründung! Es geht hierbei um die Dienstleistungsfreiheit. Die individuelle Betroffenheit wird durch Dassonville geprüft. (tatsächlich, unmittelbar)

Page 82: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 82 von 112

Cassis: die Vorschrift ist diskriminierend, verhältnismäßig aus Gründen des Verbraucherschutzes

77. Was versteht man unter der Zahlungsverkehrsfreiheit?

Wer grenzüberschreitenden Waren- oder Dienstleistungsverkehr durchführt, wird idR auch grenzüberschreitende Zahlungen vornehmen. Entscheidend für die Zuordnung einer Zahlung zum Zahlungsverkehr ist, dass sie eine Gegenleistung aus einer zugrunde liegenden Transaktion ist gewährleistet somit eine uneingeschränkte Zahlungsverkehrsfreiheit.

78. Was unterscheit die Kapitalverkehrsfreiheit von der Zahlungsverkehrsfreiheit? Kapitalverkehrsfreiheit = einseitige Wertübertragung von Kapital von einem Mitgliedstaat in einen anderen Zahlungsverkehrsfreiheit = für die getätigte Zahlung wird eine Gegenleistung erbracht

79. Was ist Kapital iSd Kapitalverkehrsfreiheit?

= steht natürlichen und juristischen Personen mit Wohnsitz oder Niederlassung im Gemeinschaftsgebiet zu. • Geldkapital (gesetzliche Zahlungsmittel, Wertpapiere) • Sachkapital (Immobilien, Anteile an GmbH)

80. Was versteht man unter Beschränkungen des Kapitalverkehrs?

= liegt immer dann vor, wenn eine staatliche Maßnahme für Kapitaleinfuhr- und ausfuhr eine gegenüber dem inländischen Kapitalverkehr formell oder materiell abweichende Maßnahmen vorsieht Dassonville. Solche Beschränkungen können sein: • devisenrechtliche Bestimmungen • beschränkende Vorschriften nicht devisenrechtlicher Art • an sich diskriminierungsfreie Beschränkungen, die faktisch eine stärkere Belastung

grenzüberschreitender Vorgänge bewirken. 81. Welche Maßnahmen sind von der Freiheit von Kapital- und Zahlungsverkehr

umfasst? Solche Maßnahmen können sein: • devisenrechtliche Bestimmungen • beschränkende Vorschriften nicht devisenrechtlicher Art • an sich diskriminierungsfreie Beschränkungen, die faktisch eine stärkere Belastung

grenzüberschreitender Vorgänge bewirken.

82. Welche Einschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit sind zulässig?

Cassis = hierbei sind immanente Schranken zu beachten. Es geht um die Wahrung zwingender , im allgemeinen Interesse liegender Ziele. Derartige staatliche Maßnahmen müssen folgende Kriterien aufweisen: • nicht diskriminierend • erforderlich • geeignet • um zwingenden Erfordernissen des Allgemeininteresses gerecht zu

werden • verhältnismäßig

Page 83: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 83 von 112

Ausnahmegründe: sie dürfen weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung oder der verschleierten Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs darstellen. Zudem müssen sie entweder • das Steuerrecht betreffen, oder • dem Schutz der mitgliedstaatlichen Rechtsordnung dienen.

Abschnitt 4 – GRUNDZÜGE DES VERWALTUNGVERFAHRENS

Kapitel 1: Rechtsquellen Kapitel 2: Die Behörde Kapitel 3: Parteien und Beteiligte Kapitel 4: Elemente des Verfahrens 1. Nennen Sie die einfachgesetzlichen Grundlagen des (allgemeinen) Verwaltungs-

verfahrensrechts! • Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 (EGVG) • Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) • Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) • Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 (VVG)

2. Welche Arten der Zuständigkeit kennen Sie?

• Sachliche Zuständigkeit • Örtliche Zuständigkeit • Funktionelle Zuständigkeit • Sie kann auch an persönliche oder zeitliche Kriterien anknüpfen

3. Was besagt der zwingende Charakter der Zuständigkeitsvorschriften im

Verwaltungsverfahren? • Durch Parteivereinbarung kann die Zuständigkeit der Behörden weder begründet

noch geändert werden. • Die Unzuständigkeit der Behörde ist von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens

wahrzunehmen. • Im Verwaltungsverfahren ist die sachliche Zuständigkeit grundsätzlich von Amts

wegen wahrzunehmen. 4. Welche Folgen hat die Erlassung eines Bescheids durch eine unzuständige

Behörde? Die Bescheide sind rechtswidrig, d.h. sie sind • anfechtbar, • können von Amts wegen für nicht erklärt werden und • stellen als Verletzung der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung grundsätzlich einen

beim VfGH bekämpfbaren Eingriff in das Recht auf den gesetzlichen Richter dar.

5. Was bedeutet sachliche Zuständigkeit? = Aufgabenbereich einer Behörde. Eine Rechtsvorschrift weist eine bestimmte Angelegenheit den Verwaltungsbehörden zu.

Page 84: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 84 von 112

6. Nach welchen Grundsätzen richtet sich die sachliche Zuständigkeit im Verwaltungsverfahren? Sie behandelt die Frage, welche Aufgaben eine Behörde zu besorgen hat. I II Bundesverwaltungsbehörde Landeshauptmann Innerhalb ihres Wirkungsbereiches ist die Bundespolizeibehörde zuständig!

7. Was bedeutet örtliche Zuständigkeit?

= eine normative, also durch die Rechtsordnung begründete Beziehung einer bestimmten Rechtssache zu einem bestimmten Gebiet sie verteilt die Rechtssache unter den Verwaltungsbehörden desselben Behördentyps.

8. Nach welchen Grundsätzen richtet sich die sachliche Zuständigkeit im

Verwaltungsverfahren? • In Sachen, die sich auf ein unbewegliches Gut beziehen Lage des Guts • In Sachen, die sich auf den Betrieb einer Unternehmung oder einer sonstigen

dauernden Tätigkeit beziehen Ort, an dem sie ausgeübt wird bzw. werden soll • In sonstigen Sachen, insb. nach dem Hauptwohnsitz oder dem Aufenthalt des

betroffenen Beteiligten 9. Was gilt, wenn zwar in letzter Instanz die zuständige Behörde entschieden hat,

aber in erster • eine sachlich unzuständige Behörde entschieden hat;

nach der Rechtssprechung des VfGH wurde das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt! (man kann sich auf das Grundrecht berufen)

• eine örtlich unzuständige Behörde entschieden hat? Hier wurde das Recht auf den gesetzlichen Richter nicht verletzt.

10. Was bedeutet funktionale Zuständigkeit?

Sind mehrere Behörden sachlich und örtlich zuständig, so stellt sich die Frage, welche von mehreren Behörden eines organisatorischen oder instanzenmäßigen Organkomplexes zur Setzung eines bestimmten Verfahrensaktes zuständig ist Bestimmung der Funktion der einzelnen Organe

11. Was versteht man unter Zuständigkeitskonkurrenz?

Hierbei geht es um die Frage, wie eine Entscheidung in einer Angelegenheit getroffen werden kann, bei der mehrere örtliche, sachlich und funktionell zuständige Organe vorhanden sind.

12. Was versteht man unter einem Zuständigkeitskonflikt? Welche Arten von

Zuständigkeitskonflikten gibt es? Ein solcher Konflikt liegt dann vor, wenn zwei oder mehrere Behörden die ausschließende Zuständigkeit in derselben Sache in Anspruch nehmen (positiver Kompetenzkonflikt) oder ablehnen (negativer Kompetenzkonflikt), wobei einer der beteiligten Behörden ihre Kompetenz zu Unrecht in Anspruch nimmt oder ablehnt.

13. Unterscheiden Sie die Begriffe „Zuständigkeitskonkurrenz“ und „Zuständigkeits-

konflikt“! Zuständigkeitskonkurrenz: mehrere zuständige Organe sind vorhanden (sachlich,

Page 85: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 85 von 112

örtlich, funktionell); Verteilung unterschiedlicher Funktionen im Verwaltungsverfahren auf verschiedenen Organe

Zuständigkeitskonflikt: zwei oder mehrere Behörden nehmen die aus- schließende Zuständigkeit einer Sache an (positiv) oder lehnen sie ab (negativ) eine tut es zu Unrecht 14. Da der Unternehmer U und die einzige darüber hinaus als Partei im Betriebs-

anlagengenehmigungsverfahren des U in Frage kommenden Person, Herr P, mit der Vorgangsweise des Sachbearbeiters der BH X nicht einverstanden sind, einigen sich die beiden, dass für das weitere Verfahren die BH Y zuständig sein soll. Ist eine solche Vereinbarung rechtlich wirksam? Nein, eine Parteivereinbarung kann die Zuständigkeit der Behörde nicht beeinflussen. Zuständigkeit hat einen zwingenden Rechtscharakter.

15. Herr Lästig ist mit dem sich in seiner Nachbarschaft befindlichen Betrieb des U,

dem vor vier Jahren die diesbezügliche Betriebsanlagengenehmigung erteilt worden ist, sehr unglücklich. Als er seinen Neffen, dem Jusstudent Max, den auch Herrn Lästig seinerzeit zugestellten Bescheid zeigt, macht ihn Max darauf aufmerksam, dass der Bescheid von der BH A und nicht von der eigentlich zuständigen Behörde, dem Landeshauptmann von N, erteilt worden ist. Vorausgesetzt, die Ansicht des Max ist richtig: Besteht noch eine Möglichkeit, gegen den Bescheid vorzugehen? Nein, die Berufungsfrist ist längst abgelaufen, auch wenn damals von einer unzuständigen Behörde entschieden wurde. Herr Lästig hatte damals Parteistellung und hätte innerhalb seiner Frist berufen müssen. Somit ist es nun irrelevant, welche Behörde entschieden hat, weil der Bescheid formell rechtskräftig ist.

16. Herr Müller ärgert sich über einen ihm soeben zugestellten Bescheid der

Wasserrechtsbehörde, da seine im Verfahren vorgebrachten Einwände gegen das bewilligte Projekt nicht berücksichtigt wurden. Der Jusstudent Max, dem er den Bescheid zeigt, beruhigt ihn jedoch und meint, dass der Bescheid ohnehin nicht gültig sei, da er von der unzuständigen Behörde erlassen wurde. Er könne das als „Bescheid“ bezeichnete Papier vernichten. Sollte sich Herr Müller auf die Auskunft des Max verlassen? Nein, er sollte den Bescheid nicht vernichten. Hierbei handelt es sich um eine sachlich unzuständige Behörde, damit ist der Bescheid nicht nichtig, sondern „nur“ mangelhaft. Man kann ihn durch eine Berufung bekämpfen bzw. richtig stellen. Der Bescheid wäre nur dann als nichtig zu deklarieren, wenn eines der Bescheidmerkmale fehlen würde.

17. Unter welchen Voraussetzungen wird ein Verwaltungsorgan als befangen

angesehen? Befangen gelten Organwalter, wenn • eine Rechtssache vorliegt, in der sie als Bevollmächtigter einer Partei bestellt waren

oder noch sind; • im Berufungsverfahren, sofern sie an der Erlassung des angefochtenen Bescheids

mitgewirkt haben; • bestimmte persönliche Nachbeziehungen bestehen (Verwandtschaft, Verschwäger-

schaft);

Page 86: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 86 von 112

• sonstige wichtige Gründe vorliegen (ausreichend ist, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Befangenheit besteht)

18. Wie ist bei Befangenheit eines Verwaltungsorgans vorzugehen?

Der Organwalter muss auf die Ausübung seines Amtes verzichten und muss auf eine Vertretung veranlassen.

19. Herr S, der als ehemaliger Sacharbeiter bei der BH A einen in einem Betriebs-

anlagengenehmigungsverfahren einen Bescheid (als Organwalter) erlassen hat, sieht sich nun, nachdem er beruflich in die Gewerberechtsabteilung des Amtes der Landesregierung gewechselt ist, als Sachbearbeiter mit einer Berufung des N gegen den von ihm einst bei der BH erlassenen Bescheid konfrontiert. Herr N ist empört und meint, S sei voreingenommen und daher als Sachbearbeiter in diesem Berufungsverfahren untragbar. Herr S dagegen vertritt die Ansicht, es sei ein großer Vorteil, dass er mit den örtlichen und sachlichen Verhältnissen bereits vertraut sei, wodurch das Berufungsverfahren beschleunigt werde. Was hat Herr S zu tun? Welche rechtlichen Möglichkeiten stehen Herrn N zur Verfügung, sofern N als Organwalter den Bescheid „erlässt“? Befangenheit liegt vor, Herr N muss von seinem Amt zurücktreten. (hätte dies aber selbst beurteilen sollen) Herr S hat kein subjektives Recht Verwaltungsorgane wegen Befangenheit abzulehnen (weder Beteiligte noch Parteien). Allerdings ist ein Bescheid, an dessen Erlassung ein befangener Organwalter mitgewirkt hat, grundsätzlich rechtswidrig und daher bekämpfbar. Die von der Ausübung des Amtes durch einen befangenen Organwalter betroffene Partei kann daher gegen einen derartigen Bescheid berufen.

20. Welche Arten von Verfahrensbeteiligten gibt es im Verwaltungsverfahren?

• Beteiligte ohne Parteistellung • Partei

21. Inwiefern ist im Verwaltungsverfahren die rechtliche Stellung einer Partei stärker

als die eines Beteiligten? Der Beteiligte ohne Parteistellung hat nur das Recht auf • Teilnahme an der mündlichen Verhandlung • Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung Dagegen hat eine Partei das Recht auf • Akteneinsicht • Wahrung des Parteiengehörs • Erhebung ordentlicher und außerordentlicher Rechtsmittel • Geltendmachung der Entscheidungspflicht • Verkündung oder Zustellung des Bescheids • Ablehnung eines nichtamtlichen Sachverständigen

22. Wann ist jemand – nach dem AVG – „Partei“ im Verwaltungsverfahren? Welche

beiden Arten von Parteien kennen Sie? Partei ist nach § 8 AVG ein Rechtssubjekt, das iZm der Sache (Verwaltungssache) eine Rechtsanspruch oder ein rechtliches Interesse hat. • Partei kraft Rechtsanspruch: Person hat Anspruch auf eine inhaltliche bestimmte

behördliche Tätigkeit (kann somit eine bestimmte behördliche Entscheidung begehren)

Page 87: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 87 von 112

• Partei kraft rechtlichen Interesses: Rechtsordnung sieht vor, dass bestimmte Umstände in Bezug auf seine Person von der Behörde bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen sind (Ansprüche auf ein Verfahren in eigener oder fremder Sache, gewährt kein Recht auf Setzung eines behördlichen Verwaltungsakts bestimmten Inhalts)

23. Wie wird ermittelt, ob eine konkrete Person in einem bestimmten Verwaltungs-

verfahren Parteilstellung hat? Es müssen die besonderen Verwaltungsvorschriften geprüft werden. (oder wird durch Auslegung der Rechtsvorschriften ermittelt) Bloß wirtschaftliches Interesse allei kann keine Parteistellung im Verwaltungsverfahren begründen.

24. Was ist ein Beteiligter im Verwaltungsverfahren?

Beteiligter ist nach § 8 AVG, wer die Tätigkeit einer Behörde in Anspruch nimmt. Es gilt = Jede Partei ist Beteiligter, aber nicht jeder Beteiligter ist Partei. Die Stellung eines Beteiligten wird insb. durch Anhörungsrechte vermittelt.

25. Unterscheiden Sie die Begriffe „Parteifähigkeit“, „Prozessfähigkeit“ und

„Postulationsfähigkeit“! Parteifähigkeit: Fähigkeit, in einem Verfahren Partei zu sein

( Rechtsfähigkeit; steht jedem Rechtssubjekt zu) Prozessfähigkeit: Fähigkeit, durch eigenes Verhalten oder durch das eines

gewillkürten Vertreters prozessuale Rechte und Pflichten zu begründen ( Handlungsfähigkeit)

Postulationsfähigkeit: postulationsfähig ist, wer rechtswirksame Verfahren- handlungen setzen kann (sonst benötigt man einen Vertreter) 26. Muss sich ein Beteiligter im Verwaltungsverfahren vertreten lassen? Kann er

sich vertreten lassen? Es besteht keine Anwaltspflicht im Verwaltungsverfahren, dennoch ist die Möglichkeit einen Vertreter in Anspruch zu nehmen vorhanden. (Sofern das persönliche Erscheinen nicht ausdrücklich gefordert wird oder eine Verpflichtung zur Vertretung besteht)

27. Der Jusstudent Max klärt seinen Onkel, Herrn Lästig, darüber auf, dass dieser in

einem wasserrechtlichen Berufungsverfahren keinen Rechtsanwalt benötigte. Wenn er sich jedoch vertreten lassen wolle, müsse dies durch einen Rechts-anwalt geschehen. Dasselbe gelte für eine allfällige spätere Einbringung einer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof. Teilen Sie die Meinung des Max? Nein, sofern kein persönliches Erscheinen gefordert ist, können sich Beteiligte nach § 10 AVG durch eigenberechtigte natürliche Personen, durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften vertreten lassen. Er muss eine schriftliche Vollmacht aufwesen oder vor der Behörde mündlich bevollmächtigt werden. Ein Rechtsanwalt braucht sich nur auf die ihm erteilte Vollmacht berufen. Er kann sich aber auch selbst vertreten, denn er ist partei-, prozess- und postulationsfähig. Verwaltungsgerichtshof: Die Parteien könne die Sache selbst vor dem VwGH vertreten oder sich durch einen Rechtsanwalt, aber grundsätzlich durch keine andere Person, vertreten lassen. (In Abgaben- und Abgabenstrafsachen ist eine Vertretung auch durch einen Wirtschaftsprüfer möglich. Allerdings bedürfen Beschwerden an den VwGH der Unterschrift eines Rechtsanwalts oder Wirtshaftsprüfers).

Page 88: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 88 von 112

28. Was ist der Unterschied zwischen einem Termin und einer Frist? Termin: rechtlich erheblicher Zeitpunkt (Endpunkt) Frist: rechtlich erheblicher Zeitraum Innerhalb dieser Zeiträume müssen bestimmte Handlungen gesetzt werden, um Rechtswirkungen auszulösen. Termin ist der Endpunkt der Frist.

29. Wann beginnt der Fristenlauf im Verwaltungsverfahren?

Der Beginn des Fristenlaufs ist entweder gesetzlich festgelegt, oder wird durch ein bestimmtes Ereignis ausgelöst. Dabei beginnen • nach Tagen bestimmte Fristen an dem Tag zu laufen, der dem Tag folgt, an dem

das fristenauslösende Ereignis eingetreten ist; • nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmten Fristen am Tagt des

fristauslösenden Ereignisses zu laufen. 30. Wann endet der Fristenlauf im Verwaltungsverfahren?

Der Fristenlauf endet • bei nach Tagen bestimmten Fristen mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist; • bei nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmten Fristen mit dem Ablauf

desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seinen Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat.

Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder den Karfreitag, so ist der nächste Werktag als letzter Tag der Frist anzusehen.

31. Unter welchen Voraussetzungen gilt eine Handlung als rechtzeitig innerhalb

einer Frist vorgenommen? Mündliches Anbringen: müssen innerhalb der Amtsstunden eingebracht werden Schriftliches Anbringen: zur Wahrung der Frist müssen sie der Post vor Ablauf

der Frist zur Beförderung an die richtige Stelle übergeben werden (= die Tage des Postenlaufs sind nicht in die Frist einzurechnen)

Telefax, im Wege der automationsgestützer Datenübertragung: müssen binnen offener Frist eingebracht werden, können aber auch außerhalb der Amtsstunden bei der Behörde einlangen.

Behördliche Entscheidungsfristen beginnen jedoch erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden zu laufen. 32. Frau B erhält am Dienstag, den 1. August, eine Bescheid zugestellt, gegen den

sie berufen möchte. Wann muss sie eine rechtzeitige Berufung spätestens einbringen (der 15. 8. ist der einzige Feiertag im August)? Berufungsfrist: 2 Wochen Beginn: Dienstag, 1. August Ende: Mittwoch, 16. August (weil Dienstag, 15. August Feiertag ist)

33. Was versteht man unter einem Anbringen?

Darunter versteht man alle Verfahrenshandlungen, mit der jemand an die Behörde herantritt. (z.B. Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden oder sonstige Mitteilungen)

Durch den Gegenstand des Anbringens wird die Verwaltungssache bestimmt, was entscheidend für den weiteren Gang des Verfahrens ist.

Page 89: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 89 von 112

34. Sind Anbringen an eine bestimmte Form gebunden? Bejahendenfalls, welche Form ist einzuhalten? Anbringen sind grundsätzlich formfrei. Formgebundenheit besteht nur, • wenn dies die Verwaltungsvorschriften anordnen. (Diese legen fest, welche Form

einzuhalten ist) • Schriftlichkeit ist vorgeschrieben für Rechtsmittel und Eingaben, die an eine Frist

gebunden sind oder durch die der Lauf einer Frist ausgelöst wird. (+ Unterschrift) 35. Wie hat eine Behörde vorzugehen, wenn ein Anbringen mangelhaft ist?

• Z.B.: Bei Fehlen einer eigenhändigen und urschriftlichen Unterschrift kann die Behörde bei Zweifel über den Ursprung des Anbringens der darin angeführten Person eine Bestätigung durch ein schriftliches Anbringen mit eigenhändiger und ursprünglicher Unterschrift auftragen.

• Bei sonstigen Mängeln schriftlicher Anbringen hat die Behörde einen Auftrag zur Verbesserung innerhalb angemessener Frist zu erteilen. Wird der Mangel innerhalb der gesetzten Frist behoben, gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

36. Herrn Lästig ruft beim Amt der Landesregierung an und teilt telefonisch mit,

dass er hiermit gegen einen von der BH A als Wasserrechtsbehörde erlassenen Bescheid Berufung einbringe. Der Sachbearbeiter S teilt ihm darauf mit, dass er die Berufung erstens schriftlich und zweitens bei der erstinstanzlichen Behörde einbringen müsse. Herr Lästig beruft sich auf die Formfreiheit im Verwaltungs-verfahren und besteht darauf, die Berufung telefonisch einzubringen. Welche Rechtsansicht ist richtig? Diese Berufung muss schriftlich erfolgen, da sie an eine Frist gebunden ist. (§ 13 Abs. 2 AVG) Falls er die Berufung jedoch unbedingt mündlich abgeben möchte, muss er persönlich (oder durch Entsendung eines Vertreters) zur erstinstanzlichen Behörde gehen und es zu Protokoll geben. Wenn er sie jedoch per E-Mail schickt (keine Unterschrift vorhanden), wird sie zur Unterfertigung zurückgesendet.

37. Was ist eine Niederschrift?

Darunter wird eine formgebundene Beurkundung einer Verfahrenshandlung unter Mitwirkung der Beteiligten verstanden.

38. In welchen Fällen ist eine Niederschrift aufzunehmen?

Zwingend ist die Aufnahme einer Niederschrift vorgesehen • über den Verkauf und Inhalt von mündlichen Verhandlungen sowie • über Inhalt und Verkündung eines mündlich erlassenen Bescheids.

39. Worin besteht die Mitwirkung der Beteiligten bei einem Protokoll?

• Beteiligten Personen könne bis zum Schluss die Zustellung einer Ausfertigung verlangen und binnen zwei Wochen ab Zustellung Einwendungen erheben.

• Die Niederschrift ist von den beigezogenen Personen eigenhändig zu unterschreiben, unterbleibt die Unterfertigung, so ist die unter Angabe der Gründe in der Niederschrift festzuhalten. Dies muss nicht geschehen, wenn die Niederschrift nicht an Ort und Stell auszudrucken ist oder mehr als 20 Personen beigezogen sind.

40. Der 90jährige Altbauer Y verweigert die Unterschrift unter das Protokoll über

eine Verhandlung in einem Wasserrechtsverfahren. Wie wird die Behörde reagieren?

Page 90: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 90 von 112

Grundsätzlich ist die Unterschrift laut § 14 Abs. 5 AVG vorgeschrieben. Unterbleibt jedoch die Unterfertigung, so ist dies unter Angabe der Gründe in der Niederschrift festzuhalten.

41. Was ist ein Aktenvermerk?

Er dient zur Beurkundung von Verfahrenshandlungen. Er kommt ohne Mitwirkung der Beteiligten zustande, ist nicht formstreng und weist in aller Regel eine anderen Inhalt auf muss vom Amtsorgan durch Datum und Unterschrift bestätigt werden.

42. Welche Arten der Ladung kennen Sie?

• einfache Ladung • Ladungsbescheid (Erscheinen wird durch Einsatz von Zwangsmittel erzwungen)

43. Welche Folgen kann die Nichtbefolgung einer Ladung haben?

• Verpflichtung zum Kostenersatz • Verlust der Parteistellung • Durchführung der Verhandlung in Abwesenheit des Antragstellers bzw. zur

Verlegung auf einen anderen Termin auf seine Kosten • Beim Ladungsbescheid wird es zur Verhängung der angedrohten Zwangsmittel

führen. 44. Herr Maier wurde von der BH vorgeladen. Unter welchen Voraussetzungen muss

er persönlich erscheinen? Welche Folgen können entstehen, wenn Herr Maier der Ladung nicht Folge leistet? Er muss nur dann persönlich erscheinen, wenn es für die Erfüllung der Aufgaben der Behörde notwenig ist. Die Ladung begründet eine Verpflichtung des Geladenen zum Erscheinen, diese entfällt nur bei Krankheit, Gebrechlichkeit oder einem sonstigen begründeten Hindernis. (§ 19 Abs. 5 AVG). Wenn Herr Maier ungerechtfertigt der Ladung nicht Folge leistet, kann es zur • Verpflichtung zum Kostenersatz • Verlust der Parteistellung • Durchführung der Verhandlung in Abwesenheit des Antragstellers bzw. zur

Verlegung auf einen anderen Termin auf seine Kosten • Beim Ladungsbescheid wird es zur Verhängung der angedrohten Zwangsmittel

führen. Wird in der Ladung nicht das persönliche Erscheinen des Beteiligten vorgeschrieben, ist die Entsendung eines Vertreters ausreichend. Andere geladene Personen müssen grundsätzlich persönlich erscheinen.

Page 91: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 91 von 112

Kapitel 5: Das Verfahren erster Instanz 1. In welche Teile zerfällt das Verwaltungsverfahren erster Instanz?

• Einleitungsverfahren • Ermittlungsverfahren • Erledigung

2. Was besagt die Offizialmaxime?

Soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes vorsehen, ist nach § 39 AVG das gesamte Verfahren von Amtswegen durchzuführen. Gilt für das ganze Verwaltungs-verfahren, insb. für Verfahren 1. Instanz. Die Behörde kann/soll/wird von Amts wegen tätig. (sie entscheidet ob es zu einer Verhandlung kommt oder nicht)

3. Was sind verbundene Verfahren? Welche Besonderheiten gibt es in solchen

Verfahren? Verbundene Verfahren liegen dann vor, wenn für ein Vorhaben mehrere Bewilligungen, Genehmigungen oder bescheidmäßige Feststellungen erforderlich sind und diese unter einem, also ein einem Schriftsatz beantragt werden. Die Besonderheiten der verbundenen Verfahren sind • grundsätzliche Verbindungspflicht, • gemeinsame Durchführung der notwendigen mündlichen Verhandlungen, • Entscheidung in einem Bescheid • besondere Ausgestaltung des Spruchs, • Zweifelsregeln hinsichtlich der Entscheidungsfrist bei unterschiedlichen

Entscheidungsfristen in den anzuwendenen Rechtvorschriften. 4. Wem steht das Recht auf Akteneinsicht zu?

Den Parteien des Verwaltungsverfahrens. 5. Welchen Inhalt hat das Recht auf Akteneinsicht?

Es erstreckt sich auf die Einsicht, die Abschrift bzw. Photokopieren von Akten und Aktenteilen, sofern es die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen.

6. Was gilt bei einer zu Unrecht vorgenommenen Verweigerung der Akteneinsicht?

Da allen Parteien im gleichen Umfang Akteneinsicht zu gewähren ist, darf bei einer Verweigerung der Akteneinsicht gegenüber einer Partei auch den anderen Parteien Akteneinsicht nicht gewährt werden, selbst wenn in Bezug auf sie kein Verweigerungs-grund vorliegt. Eine Verletzung führt zur Mangelhaftigkeit des Verfahrens und zur Rechtswidrigkeit des Bescheids. Rechtsmittel = Berufung gegen den Bescheid bzw. Beschwerde an den VwGH.

7. Was sind „Akten“ iSd Rechts auf Akteneinsicht? Welche Aktenteile können von

der Akteneinsicht ausgenommen werden? Akten = Schriftstücke, aber auch Filme und Gegenstände. Alle Aktenteile sind ausgenommen, bei deren Einsichtnahme es • zur Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder einer dritten Person; • zur Gefährdung der Aufgaben des Behörde; • zur Beeinträchtigung des Zwecks des Verfahrens kommen würde.

8. Herr Lästig möchte mit allen Mitteln die Errichtung des Betriebes des Herrn U in

seiner unmittelbaren Nachbarschaft verhindern. Im Laufe des Bewilligungs-

Page 92: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 92 von 112

verfahrens beantragt er bei der Behörde Akteneinsicht in die Projektsunterlagen. Unter welchen Voraussetzungen hat Herr Lästig ein Recht auf Akteneinsicht? Besteht dieses Recht auf Akteneinsicht uneingeschränkt? Was kann Herr Lästig tun, wenn ihm die Behörde die Akteneinsicht verweigert? Laut § 17 AVG hat er nur Recht auf Akteneinsicht, wenn Herr Lästig Partei des Verwaltungsverfahrens ist. Den Beteiligten kann die Behörde Akteneinsicht gewähren, ohne dazu jedoch verpflichtet zu sein. Nein, das Recht auf Akteneinsicht besteht nicht uneingeschränkt, denn alle Aktenteile sind ausgenommen, bei deren Einsichtnahme es • zur Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder einer dritten Person; • zur Gefährdung der Aufgaben des Behörde; • zur Beeinträchtigung des Zwecks des Verfahrens kommen würde. Das Recht auf Akteneinsicht ist ein subjektives prozessuales Recht und seine Verletzung bewirkt die Mangelhaftigkeit des Verfahrens und die Rechtswidrigkeit des Bescheids. Gegen die Verweigerung der Akteneinsicht besteht wie bei jeder Verfahrensanordnung jedoch kein – eigenständiges – Rechtsmittel; seine Verletzung ist vielmehr mit Berufung gegen den Bescheid bzw. mit Beschwerde an den VwGH geltend zu machen. Er darf Kopien und Abschriften machen.

9. Was versteht man unter der Manuduktionspflicht der Behörde?

Gegenüber einer Person hat die Behörde eine Anleitungs- und Belehrungspflicht. Die Behörde hat ihr • die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen zu geben und • sie über die mit ihren Handlungen bzw. Unterlassungen unmittelbar verbundenen

Rechtsfolgen zu belehren Manuduktionspflicht 10. Auf welche Arten kann ein Verwaltungsverfahren eingeleitet werden?

Das Verfahren wird durch ein Anbringen der Partei (Parteiantrag) oder von Amts wegen eingeleitet (Offizialmaxime).

11. Welche Zwecke verfolgt das Ermittlungsverfahren?

Das Ermittlungsverfahren dient • der Feststellung des für die Erledigung maßgebenden wahren Sachverhalts und • soll den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen

Interessen geben. 12. Was besagt der Grundsatz der materiellen Wahrheit?

= Verpflichtung der Behörde zur Feststellung des wahren Sachverhaltes. 13. Erläutern Sie den Begriff des rechtlichen Gehörs im Verwaltungsverfahren!

Der Umstand, dass den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben ist, wird als Grundsatz des Parteiengehörs bezeichnet.

14. Wer kann das rechtliche Gehör in Anspruch nehmen?

Das Recht auf Gehör steht nur den Parteien, nicht aber den Beteiligten zu. 15. In welcher Weise ist das rechtliche Gehör zu gewähren?

Die Behörde muss den Parteien das Parteiengehör ausdrücklich, in förmlicher Weise und von Amts wegen einräumen.

Page 93: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 93 von 112

16. Welche Rechte leiten sich aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs ab? § 37 AVG

• Recht auf Erstattung von Vorbringen durch die Partei (es darf alles vorgebracht werden, was den Rechtsstandpunkt stützt „Überraschungsverbot“)

• Recht auf Stellung von Beweisanträgen • Recht auf Äußerung (der Partei muss die Möglichkeit gegeben werden sich zu allen

relevanten Tatsachen zu äußern) • Fragerecht

17. Was versteht man unter dem Überraschungsverbot?

Die Behörde darf in ihrer rechtlichen Würdigung keine Sachverhaltselemente einbeziehen, die den Parteien nicht bekannt waren. Keine neuen Zeugen, Beweise.

18. Welche Folgen hat die Verletzung des rechtlichen Gehörs? Ist eine Heilung

derartiger Verletzungen möglich? Mängel des Ermittlungsverfahrens können mit Berufung bzw. Beschwerde an den VwGH geltend gemacht werden. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs wird im Berufungsverfahren saniert, wenn im angefochtenen Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens dargelegt sind oder wenn die Partei im Berufungsverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme hatte. (§ 37)

19. Herr Besserwisser erhebt Berufung gegen eine Bewilligungsbescheid der BH A,

mit dem Unternehmer U die Bewilligung zur Errichtung eines Betriebes erteilt wurde. Unter anderem bringt er vor, dass er von einem Sachverständigen-gutachten, das im erstinstanzlichen Bescheid „verwertet“ wurde, erst mit der Zustellung des Bescheides erfahren habe. Die Berufungsbehörde bringt ihm in weiterer Folge das gesamte Gutachten mit dem Hinweis zur Kenntnis, dass er dazu binnen einer (ausreichen bemessenen) Frist eine Stellungsnahme abgeben könne. Herr Besserwisser lässt diese Frist untätig verstreichen, weil er die Ansicht vertritt, dass ihm das Sachverständigengutachten von der erst-instanzlichen Behörde zur Kenntnis gebracht hätte werden müssen und er sich deswegen gegenüber den anderen Parteien benachteiligt fühle. Die Berufungs-behörde erlässt daraufhin den Berufungsbescheid, mit dem – so wie in erster Instanz – die Bewilligung erteilt wird. Wird eine sich auf diesen Punkt beziehende Beschwerde des Herrn Besserwisser beim VwGH Erfolg haben? Das Recht auf das rechtliche Gehör wurde zwar verletzt, aber danach durch seine Chance zur Stellungnahme im Berufungsverfahren wurde die Verletzung des Parteigehörs wieder saniert. Dadurch, dass er seine Chance nicht genutzt hat, wird er keinen Erfolg bei einer Beschwerde beim VwGH haben.

20. Inwieweit wird die Offizialmaxime durch Parteipflichten eingeschränkt?

Die Parteien sind nach der Rechtssprechung verpflichtet, an der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts mitzuwirken, insb. konkrete Beweisangebote zu stellen oder fundierte Einwendungen gegen Beweismittel zu erheben. Die konkrete Ausgestaltung des Verfahrens obliegt der Behörde es muss aber den Grundsatz der materiellen Wahrheit und das Recht auf Parteiengehör gewähren.

21. An welchen Orten kann eine mündliche Verhandlung im Verwaltungsverfahren

durchgeführt werden? Wer darf daran teilnehmen? § 40 Abs 1 AVG = nicht öffentlich; Sie ist unter Zuziehung aller bekanten Beteiligten, der erforderlichen Zeugen und Sachverständigen durchzuführen. Verhandlungsort ist der Ort des Augen-

Page 94: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 94 von 112

scheins – Verhandlung an Ort und Stell -, der Sitz der Behörde oder sonst der zweckmäßigste Ort.

22. Was bedeutet die Aussage, dass die mündliche Verhandlung Präklusions-wirkung hat? Unter welchen Voraussetzungen tritt diese ein? = Rechtsfolge infolge versäumter Geltendmachung eines Rechts • Rechtsfolgen der Versäumung der Verhandlung (wird in Abwesenheit des Antrag-

stellers durchgeführt oder auf seine Kosten auf einen anderen Termin verlegt) • Rechtsfolgen bei Nichterhebung von Einwendungen (es müssen spätestens am

Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde Einwendungen erhoben werden Verlust der Parteistellung)

Voraussetzung für das Eintreten der diese Parteien betreffenden Präklusionswirkungen ist die Kundmachung der mündlichen Verhandlungen in einer qualifizierten Form (z.B. Ediktalladung und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form)

23. Herr Lästig wird zu einer den Unternehmer U betreffenden mündlichen

Verhandlung unter Hinweis auf die Rechtsfolgen nach dem AVG geladen. Er nimmt jedoch an der Verhandlung nicht teil, weil er meint, dass seine Bedenken gegen das Projekt ohnehin keine Berücksichtigung finden werden. Ein halbes Jahr später erfährt er, dass dem U die Genehmigung inzwischen erteilt worden ist. Herr Lästig spricht daraufhin bei der Behörde vor, verlangt eine Ausfertigung des Genehmigungsbescheides und teilt mit, dass er Berufung erheben möchte. Ein Behördenvertreter teilt ihm mit, dass seine Anliegen nicht berücksichtigt werden können. Begründen Sie, warum! § 82 Abs 7 AVG Er hat seine Parteistellung verloren, weil er beim Verfahren nicht teilgenommen hat bzw. keine Einwendungen geäußert hat. Präklusionswirkung ($ 42 Abs 1) Er wurde ordnungsgemäß geladen und hätte bis spätestens einen Tag vor der Verhandlung bzw. direkt bei der Verhandlung bei der Behörde seine Einwendungen erheben sollen. Nach § 42 Abs. 3 ist eine Wiedererlangung der Parteistellung nicht möglich, da er aus eigener Schuld nicht an dem Verfahren teilgenommen hat. (kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis hat ihn daran gehindert) Keine Parteistellung, keine Berufung. Zurückweisung – keine inhaltliche Auserandersetzung

24. Was versteht man unter einer Einwendung?

Einwendungen bestehen in der Behauptung (+ Begründung) einer Verletzung eines subjektiven Rechts des Einwenders (muss bis spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der mündlichen Verhandlung mündlich vorgetragen werden)

25. Welche Arten von Tatsachen müssen nicht bewiesen werden?

• Offenkundige Tatsachen (= allgemein bekannt) • Tatsachen, für deren Vorliegen das Gesetz eine Vermutung aufstellt

26. Welche Grundsätze gelten im Beweisverfahren?

• Grundsatz der Mittelbarkeit des Verfahrens • Offizialmaxime • Recht auf Parteiengehör • Recht der materiellen Wahrheit

Page 95: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 95 von 112

• Grundsatz der freien Beweiswürdigung (es besteht keine Bindung an Beweisregeln; Ausnahme = Urkundenbeweis)

• Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel (Beweismittel ist alles, was zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts geeignet und nach Lage des Einzelfalls zweckdienlich ist)

27. Was besagt der Grundsatz der Mittelbarkeit des Beweisverfahrens? Dass zur Entscheidung berufenen Organ muss im Verwaltungsverfahren an der Beweisaufnahme selbst nicht teilnehmen. Besonderheiten gelten insb. für das Verfahren vor den UVS (mündliche Verhandlung)

28. Herr Lästig erhebt Berufung gegen einen Bescheid der Gewerbebehörde mit der

Begründung, dass der Sachbearbeiter A den Bescheid erlassen, zuvor jedoch der Sachbearbeiter B die mündliche Verhandlung durchgeführt habe. Zur Sicherheit hat er sich zuvor noch bei seinem Neffen, dem Jusstudenten Max, erkundigt, der ihm erklärt hat, dass die Unmittelbarkeit des Verfahrens ein wichtiger Grundsatz der gesamten österreichischen Rechtsordnung sei. Wie beurteilen Sie diesen Fall? (muss nicht anwesend sein) Der Grundsatz der Mittelbarkeit im Verwaltungsverfahren ist gültig. Aber Max hat nur teilweise Recht, denn es handelt es hierbei nicht um einen wichtigen Grundsatz der GESAMTEN österreichischen Rechtsordnung. (Besonderheiten: z.B. UVS) § 55 (1) AVG: Die Behörde kann Beweisaufnahmen auch durch ersuchte oder beauftragte Verwaltungsbehörden oder einzelne dazu bestimmte amtliche Organe vornehmen lassen oder durch sonstige Erhebungen ersetzten oder ergänzen. Insbesondere können Amtssachverständige außer dem Fall einer mündlichen Verhandlung mit der selbständigen Vornahme eines Augenscheines betraut werden. Zivil- /Strafrecht: gilt Unmittelbarkeitsgundsatz

29. Welche Auswirkungen hat die Offizialmaxime im Beweisverfahren?

Es besteht keine Bindung an Beweisanträgen der Parteien; der maßgebliche Sach-verhalt ist von Amts wegen festzustellen. Die Behörde hat alle zur Feststellung des Sachverhalts notwendigen Beweiserhebungen anzuordnen und durchzuführen; insb. bestimmt sie Art und Reihenfolge der aufzunehmenden Beweise.

30. Erläutern Sie den „Grundsatz der freien Beweiswürdigung“!

Die Behörde hat unter sorgfältiger Berücksichtigung aller Ergebnisse des Ermittlungs-verfahrens nach frier Überzeugung zu beurteilen (Erfahrungswerte = Begründung), ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist keine Bindung an Beweisregeln. (Ausnahme= Urkundenbeweis) Die Beweiswürdigung muss jedoch immer schlüssig (logisch) aufgebaut sein.

31. Welche Beweismittel kommen in einem Verwaltungsverfahren in Betracht?

• Urkundenbeweis • Zeugenbeweis • Beteiligtenvernehmung • Sachverständigenbeweis • Augenschein

32. Unter welchen Voraussetzungen spricht man davon, dass Urkunden

• echt sind; sie muss vom darin genannten Aussteller stammen

• richtig sind?

Page 96: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 96 von 112

Wenn die in ihr beurkundeten Vorgänge mit der Wirklichkeit übereinstimmen 33. Welche Pflichten haben Zeugen?

Sie sind verpflichtet, der behördlichen Ladung nachzukommen und eine wahrheits-gemäße und vollständige Aussage abzulegen.

34. Welchen Inhalt hat die Wahrheitserinnerung?

Der Zeuge muss sich dazu verpflichten, die Wahrheit zu sagen. Bei Verletzung strafbar, es gibt jedoch Aussageverweigerungsgründe.

35. Aus welchen Gründen hat eine Vernehmung einer Person als Zeuge zu unter-

bleiben? • Aussageunfähigkeit • Wahrnehmungsunfähigkeit bei

- Geistlichen (Siegel der geistlichen Amtsverschwiegenheit) - Organe des Bundes, der Länder, Bezirke und Gemeinden (Pflicht zur

Geheimhaltung) (Aussageverweigerungsrecht)

36. Unter welchen Voraussetzungen darf ein Zeuge die Aussage verweigern?

Ein Aussageverweigerungsrecht des Zeugen besteht bei Fragen, deren Beantwortung • dem Zeugen, seinem Ehegatten, Verwandten und Verschwägerten bzw. Personen

mit Nahebeziehung einen unmittelbaren bedeutenden Vermögensnachteil zufügt, die Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung bewirken würde oder deren Beantworten dieser Personen zur Schande gereichen würde.

• ein Kunst-, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis oder eine staatlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit (z.B. Arzt)

• Offenlegung der Ausübung des Wahl- oder Stimmrechts • eine zur berufsmäßigen Parteivertretung befugte Person über Tatsachen aussagen

soll, die ihr in ihrer Eigenschaft als Vertreter der Partei von dieser anvertraut wurde. 37. Was ist der Unterschied zwischen Aussageunfähigkeit und Wahrnehmungs-

unfähigkeit? Aussageunfähigkeit: die Person ist zur Mitteilung ihrer Wahrnehmung unfähig Wahrnehmungsunfähigkeit: Personen, die zur Zeit auf die sich ihre Aussage

beziehen soll, zur Wahrnehmung der zu beweisenden Tatsachen unfähig waren

38. Herr W wird beschuldigt, im alkoholisiertem Zustand aus Jux und Tollerei den

Inhalt mehrerer Benzinkanister in das Bachbett seiner Heimatgemeinde geleert zu haben, worauf hunderte Fische verendeten und umfangreiche Sanierungs-arbeiten notwenig wurden. Seine Ehegattin soll nun von der BH als Zeugin befragt werden. Der Jusstudent Max meint dazu, dass Frau W gar nicht aussagen dürfe, weil sie befangen sei. Sein Studienkollege Moritz meint hingegen, dass Frau W sogar aussagen müsse, da sie sich sonst strafbar machen würde. Wer hat Recht? Keiner der beiden hat Recht. Sie ist weder befangen noch würde sie sich strafbar machen, wenn sie nicht aussagen würde. Frau W kann, muss aber nicht aussagen, denn sie hat ein Aussageverweigerungsrecht: sie muss nicht aussagen, wenn dies für eine nahe stehende Person die Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung bewirken würde.

Page 97: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 97 von 112

39. Was ist die Aufgabe eines Sachverständigen? Welche Art von Aussagen stehen

ihm daher nicht zu? Der Sachverständige hat Tatsachen zu erheben und aus diesen Tatsachen auf Grund seiner besonderen Kenntnisse tatsächlichen Schlussfolgerungen zu ziehen. Er darf weder Rechtsfragen lösen, noch Fragen der Beweiswürdigung erörtern.

40. Der Sachverständige S soll im Verfahren des U über die Auswirkungen des von diesem eingebrachten Projekt auf die Umwelt ein Gutachten zu erstellen. S und U treffen einander einmal wöchentlich zum Kegeln und sind bereits jahrelang befreundet. Wie ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn S ein Amtssach-verständiger bzw. ein nicht amtlicher Sachverständiger ist? Amtssachverständiger: (er ist dauernd für die Behörde tätig) laut § 7 AVG ist er befangen („Amtshaftung“) Nicht amtlicher Sachverständiger (jeder mit gewissen Fachkenntnissen; im Zivilrecht): Ist Teil der Befangenheitsgründe, hier ist es schwieriger die Befangenheit nachzuweisen. Es besteht zwar eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass eine Befangen-heit besteht, aber diese ist im Zusammenhang des konkreten Falls zu prüfen (§ 7)

41. Nach ausführlichem Befund und detailliertem Gutachten äußert sich der Sach-

verständige S abschließend wie folgt: „ Auf Grund der dargestellten Sachlage besteht jedenfalls gemäß § 105 Wasserrechtsgesetz eine Beeinträchtigung des Grundwassers. Die beantrage Bewilligung ist deshalb zu versagen. Die Gegen-argumente des Konsenswerbers sind fachlich und rechtlich nicht haltbar. Auf das Vorbringen des P braucht nicht eingegangen zu werden, da er präkludiert und deshalb seine Parteistellung verloren hat.“ Bestehen rechtliche Bedenken gegen diese Ausführungen des Sachverständigen? Ja, es gibt rechtliche Bedenken, denn der Sachverständige darf keine Rechtsfragen lösen und Fragen der Beweiswürdigung erörtern. Er darf nur aufgrund seiner Fach-kenntnisse gewisse Umstände werten.

42. Was ist ein Augenscheinbeweis?

Der Augenschein ist eine sinnliche Wahrnehmung von Tatsachen durch behördliche Organe zu Beweiszwecken.

43. Welchen Arten der Erledigung gibt es?

Die Erledigung erfolgt entweder auf Grund eines Anliegens oder von Amts wegen. 44. In welcher Form ist eine Erledigung vorzunehmen?

Es gilt Formfreiheit = mündlich, telefonisch, schriftlich, telegraphisch, fernschriftlich oder mit Telefax

45. Welche Merkmale muss ein Verwaltungsakt grundsätzlich aufweisen, um als

Bescheid qualifiziert zu werden? • die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid • Bezeichnung der bescheiderlassenen Behörde • Anführung des Datums (Zustelldatum ist entscheidend) • Bezeichnung des Adressaten • Spruch (Entscheidung der Behörde) • Begründung des Bescheids • Rechtsmittelbelehrung (grundsätzlich gilt eine zweiwöchige Mindestfrist) • Unterschrift

Page 98: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 98 von 112

• (Hinweis: nur bei der letzten Instanz) 46. Kann ein Verwaltungsakt auch dann als Bescheid zu qualifizieren sein, wenn er

nicht ausdrücklich als „Bescheid“ gekennzeichnet ist? Ja, aber nur wenn der Inhalt des betreffenden Verwaltungsaktes an seiner Bescheid-qualität keinen Zweifel aufkommen lässt.

47. Was tritt bei einem mündlich verkündeten Bescheid an die Stelle einer ausdrücklichen schriftlichen Kennzeichnung eines Verwaltungsaktes als Bescheid? Hierbei ist auch eine gewisse Förmlichkeit zu wahren = Die Verkündung des Bescheid ist als Formalakt zu gestalten, welcher der Partei als solcher zu Bewusstsein kommen muss. (Inhalt und Verkündung ist zu protokollieren und auszuhändigen)

48. Genügt die Anführung der bescheiderlassenden Behörde bloß auf dem

Briefumschlag? Begründung! Nein, weil sonst kein rechtsgültiger Bescheid vorliegt (führt zur Nichtigkeit)

49. Aus welchen Bescheidbestandteilen kann der Adressat ermittelt werden?

Der Adressat kann etwa aus der Anschrift des Bescheids, aus dem Spruch oder aus der Zustellverfügung ermittelt werden.

50. Was ist der Spruch? Was bewirkt sein Fehlen?

Der Spruch ist der wichtigste Bestandteil des Bescheids, weil der den Inhalt der mit dem Bescheid erlassenen Norm wiedergibt = der rechtsverbindliche Teil. (Entscheidung der Behörde) Fehlt der Spruch, so bewirkt dies die absolute Nichtigkeit des Bescheids.

51. Welchen Inhalt muss der Spruch eines Bescheides haben?

Der Spruch hat die Hauptfrage grundsätzlich zu Gänze zu erledigen. (wird die Erbringung einer Leistung angeordnet, so muss eine angemessene Leistungsfrist angegeben werden) Er hat allfällige Nebenbestimmungen, wie Bedingungen und Auflagen, sowie die angewendeten Gesetzesbestimmungen anzuführen und eine allfällige Kostenentscheidung zu enthalten. Über von den Parteien erhobene Einwendungen ist grundsätzlich im Spruch abzusprechen. Eine allfällige Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung ist in den Spruch aufzunehmen. Nur dieim Spruch angeordnete Rechtsfolge ist vollstreckbar.

Der Spruch hat sich auf den im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bestehenden Sach-verhalt zu beziehen und der im Zeitpunkt der Erlassung bestehenden Rechtslage zu entsprechen. 52. In welchen Fällen ist ein Bescheid zu begründen? Wann kann daher die

Begründung eines Bescheids unterbleiben? § 58 Abs 2 AVG Bescheide sind immer dann zu begründen, • wenn dem Standpunkt einer Partei nicht vollinhaltlich entsprochen wird oder • über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. • Bescheide der Berufungsbehörden sind selbst dann zu begründen, wenn dem

Berufungsantrag stattgegeben wird. Eine Begründung kann daher allenfalls bei einem erstinstanzlichen Bescheid entfallen.

53. Was muss die Begründung eines Bescheids enthalten?

Page 99: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 99 von 112

• eine Sachverhaltsfeststellung; also eine Darstellung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens einschließlich der Stellungnahmen der Parteien

• die für die Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen unter Anführung der Beweismittel

• die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage 54. Der Rechtsmittelbelehrung des an Herrn Lästig zugestellten Bescheides ist

(irrtümlich) zu entnehmen, dass eine allfällige Berufung binnen vier Wochen einzubringen ist. Der im konkreten Verfahren maßgebliche § 63 Abs. 5 AVG normiert jedoch eine lediglich zweiwöchige Berufungsfrist. Innerhalb welcher Frist kann Herr Lästig gegen den Bescheid Berufung erheben? Hierbei handelt es sich um eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung. Dennoch gelten für die Berufungsfrist die angegebenen vier Wochen, da sie Herrn Lästig zum Vorteil sind. Bei einer kürzeren Frist als der Mindestfrist (nachteiliger Frist), wäre die Mindestfrist gültig. (§ 61 AVG)

55. Welcher Unterschied besteht zwischen einer „Abweisung“ und einer „Zurück-

weisung“ eines Antrages? Welche Konsequenzen kann dieser Unterschied für ein allfälliges Berufungsverfahren haben? Zurückweisung: Ablehnung eines Antrags, insb. eines Rechtsmittels, ohne

Entscheidung in der Sache selbst (z.B. bei Formfehlern) [Frist verläuft, braucht man sich mit dem Inhalt nicht mehr auseinanderzusetzten]

Abweisung: Ablehnung eines Antrags aufgrund einer in der Sache selbst gefällten Entscheidung (z.B. bei geringfügigen Beweggründen)

56. Wie kann ein Bescheid grundsätzlich erlassen werden?

• Mündliche Verkündung • Zustellung oder Ausfolgung

57. Herr P erfährt, dass in einem dem U betreffenden Verwaltungsverfahren bereits

vor zwei Monaten ein Bescheid erlassen, er jedoch dem Verfahren nicht beigezogen worden und ihm auch keine Ausfertigung dieses Bescheides zugestellt worden ist, obwohl er – berechtigte – Einwendungen erheben hätte können. Bei der Behörde wird ihm auf seine Anfrage mitgeteilt, dass man leider nichts mehr machen könne, da auch die Rechtsmittelfrist bereits abgelaufen und kein Rechtsmittel erhoben worden sei. Was kann Herr P unternehmen? (Die Bestimmungen des AVG sind anzuwenden!) Wenn er Partei gewesen wäre, hätte P berechtige Einwände um eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu beantragen. Voraussetzung wäre aber, dass P kein Verschulden an der Verspätung seiner Berufung hatte bzw. es sich hierbei um einen Fehler der Behörde handelt. Wenn er Partei gewesen wäre, hätte er aufgrund neuer Erkenntnisse (oder falscher Aussagen) eine Wiederaufnahme begründen können. Bund gibt Rechtssprechung Problematik: er war aber nicht Partei, Bescheid ist schon rechtskräftig (unanfechtbar) Er wurde nicht als Partei anerkannt, weil er dem Verfahren nicht beigezogen ist. Dadurch hat er seine Parteirechte verloren, da er auch einen Tag vor der Verhandlung seine Einwendungen nicht erhoben hat. (§ 41/42 AVG)

Page 100: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 100 von 112

§ 42 Abs. 3: Wiedereinsetzung nach diesem § ist auch nicht möglich, weil die Entscheidung schon rechtskräftig ist. § 68: Abänderung von Amtskräften möglich, aber nur wenn es niemanden aufgrund der Entscheidung ein Recht erwachsen ist (gilt noch 3 Jahre nach Erlassung). P kann sie zwar beantragen, aber die Behörde wird dies nur bei einem großen Verfehlen auch für gültig erklären) Nein, er hat keine Möglichkeit um jetzt seine Einwendungen noch einzubringen.

58. Welche Rechtswirkungen können mit der Erlassung eines Bescheides (und bei Vorliegen allfällig weiterer notweniger Voraussetzungen) verbunden sein? Wem gegenüber treten sie ein? • Materielle Rechtskraft des Bescheids • Formelle Rechtskraft des Bescheids • Unwiederholbarkeit des Bescheids • Bindungswirkung des Bescheids • Vollstreckbarkeit des Bescheids Die Rechtswirkungen treten nur gegenüber jenen Personen ein, denen gegenüber der Bescheid erlassen wurde.

59. Was versteht man unter der formellen sowie de materiellen Rechtskraft?

Materielle Rechtskraft: die Behörde kann den Bescheid grundsätzlich nicht mehr widerrufen ( tritt mit der Erlassung des Bescheids ein)

§ 68 AVG Formelle Rechtskraft: er ist unanfechtbar, d.h. das kein ordentliches Rechts-

mittel mehr zu seiner Bekämpfung zur Verfügung steht keine Berufung mehr möglich!

letztinstanzlicher Bescheid -> außerordentliches Rechtsmittel (VwGH & VfGH Beschwerde) 6 Wochen Frist.

60. Wann ist ein Bescheid unanfechtbar?

Das ist der Fall bei • letztinstanzlichen Bescheiden; • ungenütztem Verstreichen der Rechtsmittelbelehrung • einem rechtswirksamen Rechtsmittelverzicht.

61. Was versteht man unter der res iudicata-Wirkung?

Anträge, die auf eine neuerliche Entscheidung bei unverändertem Sachverhalt und unveränderter Rechtslage abzielen, sein wegen „entschiedener Sache“ (res iudicata) zurückzuweisen.

62. Was ist die Bindungswirkung eines Bescheids?

= der Bescheid ist verbindlich; es gilt für die Parteien und die Behörden, was der Bescheid ausspricht. ( tritt mit der Unanfechtbarkeit ein)

63. Wann tritt die Vollstreckbarkeit eines Bescheids ein?

Erst unanfechtbare Bescheide sind vollstreckbar. Wird jedoch in einem Bescheid der Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt, so ist dieser Bescheid bereits vorher vollstreckbar.

Page 101: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 101 von 112

64. Stellen Sie einen erstinstanzlichen Bescheid schematisch, aber möglichst genau

dar! Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt (Bezeichnung der Postanschrift, 2700 Wiener Neustadt Behörde) Silvia Handler (Bescheidadressat) Stadlgasse 3, 2801 Katzelsdorf Geschäftszahl: 1258-251-01 (Geschäftszahl)

(Datum) 17. Jänner 2005

BESCHEID (Bezeichnung als Bescheid)

(Spruch) Ihren Antrag von 14. Jänner 2005 über eine Betriebs-anlagengehmigung wird unter folgenden Auflagen (das wäre eine so genannte Nebenbestimmung) stattgeben. (eventuell Kostenentscheidung)

Begründung (Begründung)

Ihrem Antrag wird stattgegeben, weil ihre Betriebsanlage den gesetzlichen Bauverordnungen enstpricht…

• Darstellung des Parteivorbringens • „Festgestellt wird folgender Sachverhalt“… • „Beweis wurde erhoben:“ (Anführen der Beweismittel) • „Die Feststellungen ergeben sich aufgrund folgender Überlegungen:“ (Beweis-

würdigung) • „Rechtlich ergibt sich daraus:“ (Beurteilung der Rechtsfrage) • Begründung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und der Kosten-

entscheidung Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung (Rechtsmittelbelehrung)

Gegen diesen Bescheid kann binnen zwei Wochen nach Zustellung schriftlich/telegraphisch etc. bei der … berufen werden. Die Berufung hat die oben angeführte Geschäftszahl anzugeben, einen Antrag zu enthalten und ist zu begründen.

• Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig. (bei einem Berufungsbescheid)

Hinweis (nur bei der letzten Instanz)

Binnen … Tagen ab Zustellung dieses Bescheids kann eine Beschwerde an den VwGH/VfGH erhoben werden. Dies muss/müssen von einem Rechts-anwalt

Page 102: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 102 von 112

unterschrieben sein. Für diese(s) Rechtsmittel sind Gebühren in Höhe von ... zu entrichten.

Name/Unterschrift des Genehmigenden Max Mustermann

Zustellverfügung: (nur wenn kein Bescheidadressat angegeben ist) Ergeht an: Bezeichnung der Parteien Kapitel 6: Rechtsschutz Kapitel 7: Weitere Rechtsschutzeinrichtungen Kapitel 8: Rechtsmittel an die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts Kapitel 9: Zivilrechtliche Haftung für staatliches Fehlverhalten 1. Durch welche Instrumente wird der Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren

gewährleistet? • ordentliche Rechtsmittel (Berufung) • außerordentliche Rechtsmittel (Beschwerde an VwGH oder VfGH) • Rechtsbehelfe (Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Wiederaufnahme)

2. Welchen Zweck hat die Berufung?

Die Berufung ist das regelmäßig zur Verfügung stehende ordentliche Rechtsmittel gegen Bescheide. Die Berufung dient der Überprüfung der Entscheidung einer Behörde unterer Instanz durch die Berufungsbehörde.

3. Welche Voraussetzungen bestehen für die Zulässigkeit einer Berufung?

• das Vorliegen eines Bescheids • das Vorhandensein eines Instanzenzugs • die Berufung durch eine Partei • die Einhaltung der Berufungsfrist • eine mängelfreie Berufung

4. Wie hat die Berufungsbehörde bei Unzulässigkeit einer Berufung vorzugehen?

Die Berufung wird zurückgewiesen. 5. Was bedeutet es, wenn ein Bescheid „absolut nichtig“ ist? Unter welche

Voraussetzungen liegt ein absolut nichtiger Bescheid vor? Überhaupt kein Bescheid liegt vor • bei Fehlen der Bezeichnung der den Bescheid erlassenden Behörde, • bei Fehlen der Bezeichnung des Bescheidadressaten, • bei Fehlen eines Spruchs, • bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Unterfertigung, • bei mangelnder Behördenqualität der bescheiderlassenden Stelle, • bei mangelnder Ermächtigung der dem Akt genehmigenden Person, für die

Behörde tätig zu werden, oder bei Unmöglichkeit der Feststellung des Genehmigenden,

• nach der Rsp bei unzulässiger Verwendung einer anderen als der deutschen Sprache.

der „Bescheid“ ist absolut nichtig. Ein solcher Nichtbescheid löst keinerlei Rechts-wirkungen aus. (da er ja eigentlich nicht existiert)

6. Worin besteht der Unterschied zwischen absoluter und relativer Nichtigkeit eines

Bescheids?

Page 103: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 103 von 112

Absolute Nichtigkeit: Vorliegen (Frage 5); ein solcher Nichtbescheid löst keinerlei Rechtswirkungen aus

Relative Nichtigkeit: bewirkt nur die mit Berufung geltend zu machende Vernicht- barkeit des Bescheids. Sie liegen bei derarten Fehlern vor, zu deren Bekämpfung im Gesetz ausdrücklich ein Rechtsmittel vorgesehen ist.

7. Wie kann der Nachweis der absoluten Nichtigkeit eines Bescheids geführt werden? Die absolute Nichtigkeit eines „Bescheides“ kann etwa dadurch nachgewiesen werden, dass gegen diesen Akt berufen wird (Die Berufung ist dann aufgrund des Fehlens eines Bescheides zurückzuweisen). Ferner dadurch, dass ein Antrag auf Feststellung des Nichtvorliegens eines Bescheids eingebracht wird.

8. Herrn Lästig wird von der Wasserrechtsbehörde im erstinstanzlichen

Bewilligungsverfahren ein Gutachten eines wasserbautechnischen Amtssach-verständigen mit dem Hinweis übermittelt, dass er binnen zwei Wochen ab Erhalt dieses Schreiben eine Stellungsnahme abgeben könne. Herr Lästig erhebt dagegen „Berufung“ und beantragt, „dass die Berufungsbehörde diesen Bescheid aufhebt“. Wird er mit seinem Rechtsmittel Erfolg haben? Er wird keinen Erfolg haben, da er nur gegen einen Bescheid berufen könnte – hierbei handelt es sich jedoch „nur“ um ein Gutachten. Die Behörde wird diesen „Bescheid“ zurückweisen.

9. In welchen Fällen ist jedenfalls kein Instanzenzug für eine Berufung vorhanden?

• Gegen Bescheide eines obersten Organs • Berufung gegen letztinstanzliche Organe

10. Unter welchen Voraussetzungen fehlt einer Partei die Rechtsmittellegitimation?

(Berufung gegen den Bescheid) Diese fehlt einer Partei, • wenn dem Antrag der Partei vollinhaltlich stattgeben wurde, • wenn auf das Rechtsmittel nach Zustellung oder Verkündung des Bescheids

ausdrücklich verzichtet wurde. 11. Wann beginnt für eine Partei, wann endet die Berufungsfrist? Wo ist die

Berufung einzubringen? Die Berufungsfrist beträgt grundsätzlich zwei Wochen. Die Frist läuft für jede Partei mit der Erlassung des Bescheids ihr gegenüber. Sie muss bei der Einbringungsbehörde eingebracht werden.

12. Inwieweit ist eine Berufung formgebunden? Schadet es, wenn sie als Einspruch

bezeichnet wird? Eine Berufung ist grundsätzlich schriftlich und in einfacher Ausfertigung einzubringen. Grundsätzlich unzulässig ist eine mündliche „Berufung“. Nicht notwendig ist die ausdrückliche Bezeichnung des Schriftstücks als „Berufung“ sowie die Angabe der Berufungsbehörde. Muss aber eine Vollmacht enthalten, auf die Bezug genommen wird.

13. Welche sind die wesentlichen Teile einer Berufung? Was beinhalten sie?

• Berufungserklärung (= Bezeichnung des Bescheids, gegen den die Berufung sich richtet, erklärt werden muss auch, inwieweit der Bescheid angefochten wird, ob also der ganze Bescheid oder nur ein Teil bekämpft wird)

Page 104: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 104 von 112

• Berufungsantrag (= ist der Antrag, den Bescheid zu „beheben“, ihn also ersatzlos zu beseitigen oder in einer bestimmten Weise abzuändern)

• Berufungsbegründung (= enthält die Gründe, warum die Berufung nach Ansicht des Rechtsmittelwerbers gerechtfertigt ist, hier können auch neue Beweismittel angeboten und neue Tatsachen vorgetragen werden)

Die Berufungserklärung gibt an, wogegen sich der Berufungswerber mit seiner Berufung wendet, der Berufungsantrag, was der Berufungswerber möchte, die Berufungsbegründung, warum er es will. 14. Welche Berufungsgründe kennen Sie? Was besagen sie?

• Verfahrensverletzungen (z.B: Unzuständigkeit der Behörde, Mitwirkung befangener Organwalter an der Entscheidung, Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs, Mangel der Vollmacht des Vertreters,…)

• Mängel der Sachverhaltsfeststellung (der Sachverhalt wird von der Behörde als unrichtig festgestellt oder ergänzungsbedürftig)

• Unrichtige Beweiswürdigung • Aktenwidrigkeit (Widerspruch zwischen dem Akteninhalt und den im Bescheid fest-

gehaltenen wesentlichen Sachverhaltsfeststellungen) • Unrichtige rechtliche Beurteilung (= wenn der Bescheid materiell rechtswidrig ist,

weil etwa die falsche Rechtsvorschrift angewendet wurde dabei ist vom von der der Behörde festgestellten Sachverhalt auszugehen)

15. Was ist bei Geltendmachung des Berufungsgrundes der unrichtigen rechtlichen

Beurteilung besonders zu beachten? • Bescheid muss materiell rechtswidrig sein • Man muss von dem von der Behörde festgestellten Sachverhalt ausgehen.

16. Im Baubewilligungsverfahren des Herrn Huber wird statt dem richtigen Datum

„4.8.XXXX“ irrtümlich „8.4.XXXX“ als Datum des Bescheids vermerkt. Sein Nachbar, Herr Lästig, bemerkt dies sofort und erhebt gegen den Bescheid deswegen Berufung, weil seiner Ansicht nach alles seine Richtigkeit haben müsse. Wie hat die Berufungsbehörde zu entscheiden? Die Berufung (gegen Spruch) wird abgewiesen werden, weil die Datierung rechtlich nicht relevant ist. Nur das Datum der Zustellung und das Tatdatum sind von rechtlicher Relevanz.

17. Kann gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft,

Umwelt und Wasserwirtschaft Berufung erhoben werden? Nein, denn hierbei handelt es sich um einen Bescheid eines obersten Organs der Verwaltung ist (Spitze des Instanzenzuges). Die einzige Möglichkeit wäre ein außerordentliches Rechtsmittel (Beschwerde an den VwGH oder VfGH).

18. Welche Wirkung hat die Berufung auf die Vollstreckbarkeit von Bescheiden?

Unter welchen Bedingungen tritt diese nicht ein? Bei einem vollstreckbaren Bescheid kann das bescheidmäßig gebotene Verhalten mit Mitteln des Exekutionsrechts durchgesetzt werden. Rechtzeitig erbrachte zulässige Berufungen haben eine aufschiebende Wirkung, d.h. sie „schieben“ die Vollstreck-barkeit hinaus. Wird in einem Bescheid der Berufung die aufschiebende Wirkung nach § 64 AVG aberkannt, so ist dieser Bescheid bereits vorher vollstreckbar.

Page 105: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 105 von 112

• Zum einen kann diese aufschiebende Wirkung aber durch Verwaltungsvorschriften ausgeschlossen werden.

• Zum anderen kann die aufschiebende Wirkung durch die Behörde ausgeschlossen werden, sofern die vorzeitige Vollstreckung im Interesse einer Partei oder des öffentlichen Wohls wegen Gefahr im Verzug geboten ist.

19. Dem Unternehmer U wird mit Bescheid der BH aufgetragen, die konsenslose

(nicht erlaubte) Einleitung von Betriebsabwässern in den Fluss F unverzüglich einstellen. Gleichzeitig wird in dem Bescheid die aufschiebende Wirkung einer Berufung aberkannt. Darf U, der gegen den Bescheid Berufung erhebt, bis zur Erlassung des Berufungsbescheides weiterhin die Abwässer in den Fluss einleiten? U darf seine Betriebsabwässer nicht weiterhin in den Fluss F einleiten, da eine auf-schiebende Wirkung der Berufung ausgeschlossen wird. Immerhin liegt dies im öffentlichen Interesse. Der Bescheid ist nicht formell rechtskräftig, aber bereits voll-streckbar.

20. Auf welche Arten kann eine Berufungsvorentscheidung beendet werden?

• Berufungsvorentscheidung • Zurückweisung der Berufung • Entscheidung in der Sache durch die Berufungsbehörde • Ersatzlose Behebung des Bescheids mit oder ohne Zurückweisung der Sache

21. Was ist eine Berufungsvorentscheidung? Welches Rechtsmittel kann gegen eine

Berufungsvorentscheidung erhoben werden? Welche rechtlichen Konsequenzen hat ein zulässiges Rechtsmittel zur Folge? Innerhalb von zwei Monaten ab Einlangen der Berufung bei der Behörde erster Instanz kann die Behörde, gegen deren Bescheid sich die Berufung richtet, nach eigenem Ermesse eine Berufungsvorentscheidung erlassen. Durch diese kann der Bescheid nach einer allenfalls durchgeführten Ergänzung des Ermittlungsverfahren als unzulässig oder verspätet zurückgewiesen, aufgehoben sowie nach jeder Richtung abgeändert oder ergänzt werden. Gegen eine Berufungsvorentscheidung steht der Vorlageantrag als Rechtsmittel offen (ursprüngliche Berufung wird der Berufungs-behörde vorgelegt). Mit dem Einlangen des zulässigen Vorlageantrags bei der Behörde tritt die Berufungsvorentscheidung außer Kraft (wird kein Vorlageantrag gestellt = Rechtssache erledigt!!!)

22. Was ist der Unterschied zwischen einer meritorischen und einer kassatorischen

Entscheidung? Meritorisch: Entscheidung in der Sache selbst die Berufungsbehörde hat wie die

Behörde unterer Instanz vorzugehen (sie kann es in jede Richtung abändern)

Kassatorisch: erfolgt nur eine Aufhebung des Rechtsaktes, Entscheidung in der Sache wird durch die Vorinstanz vorgenommen (wird an die letzte Instanz zurückgeschickt) VwGH, VfGH

23. Welche Ergebnisse kann die Berufungsbehörde bei einer Entscheidung in der

Sache erzielen? • Sie kann den Bescheid als unbegründet abweisen

Page 106: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 106 von 112

• Sie kann ihn in jeder Richtung abändern (= keine Bindung an die vorgebrachten Berufungsgründe diese Änderung kann auch zum Nachteil des Berufungs-werbers werden)

24. U, dem eine Bewilligung erteilt wurde, erhebt als einziger gegen den

Bewilligungsbescheid Berufung, da er mit der als Auflage vorgeschriebenen Untersuchungshäufigkeit der in seinem Betreib anfallenden Abfälle nicht einverstanden ist. Darf die Berufungsbehörde die Zeitintervalle zwischen den einzelnen Untersuchungen weiter erhöhen und damit den Bescheid zu Ungunsten des U abändern? Ja, die Behörde darf sie in jede Richtung abändern (Ausnahme: Verwaltungs-strafverfahren)

25. Was ist eine Berufungsmitteilung? Wann wird sie erlassen?

Im Berufungsverfahren müssen die anderen Parteien nur über eine Berufung durch Berufungsmitteilungen informiert werden, wenn neue Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden ist Voraussetzung um eine Berufungsvorentscheidung erlassen zu können.

26. Unter welchen Umständen ist ein Bescheid ersatzlos zu beheben?

• Wenn die untergeordnete Behörde unzuständige war (ein allfälliger Antrag der Partei ist an die zuständige Behörde weiterzuleiten oder zurückzuweisen). Ferner

• wenn der Antrag durch die Partei zurückgezogen wird.

27. Wann kann die Berufungsbehörde mit Behebung des Bescheids und Zurück-verweisung vorgehen? Die Berufungsbehörde darf nur mit Behebung und Zurückweisung vorgehen, wenn der Sachverhaltsmangel die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unumgänglich macht. (Sie kann jedoch die mündliche Verhandlung selbst durchführen und in der Sache selbst entscheiden)

28. Inwieweit bestehen Rechte der Parteien iZm der Möglichkeit einer Zurück-

verweisung? Ein Rechtsanspruch der Parteien auf Zurückverweisung besteht nicht; sehr wohl gibt es aber einen Rechtsanspruch, dass die Zurückverweisung nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen vorgenommen wird.

29. In welchen Angelegenheiten sind die UVS zur Entscheidung zuständig?

• in Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen (Ausnahme: Verfahren in Finanzstrafsachen des Bundes)

• über Maßnahmebeschwerden (Ausnahme: Verfahren in Finanzstrafsachen des Bundes)

• „in sonstigen Angelegenheiten“ (einfachgesetzliche Verwaltungsvorschriften sehen die Zuständigkeit der UVS als Berufungsbehörde zu)

• ferner als Säumnisschutz bei Verletzungen der Entscheidungspflicht in Privat-anklagesachen, im landesgesetzlichen Abgabenstrafrecht und in den „sonstigen Angelegenheiten“

30. Wer kann Partei im Verfahren vor dem UVS sein?

Parteistellung haben • der Berufungswerber,

Page 107: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 107 von 112

• die Parteien des Verwaltungsverfahrens, • die Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.

31. Wer darf an einer Verhandlung vor dem UVS teilnehmen?

• Zur öffentlichen Verhandlung sind die Parteien und alle zu hörenden Personen, insb. Zeugen und Sachverständige, zu laden.

• Volksöffentlichkeit grundsätzlich darf jedermann der Verhandlung beiwohnen. 32. Erläutern Sie die Besonderheiten des Verfahrens vor den UVS?

• Abweichungen sind ersichtlich aufgrund der zugeteilten Parteistellung: Parteistellung haben der Berufungswerber, die Parteien des Verwaltungs-verfahrens, die Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.

• Öffentliche mündliche Verhandlung; von Amts wegen oder auf Grund einer Berufung durchzuführen; Volksöffentlichkeit mit bestimmten Einschränkungen z.B. aus Gründen der Sittlichkeit,…

• Eine Entscheidung kann nur von jenen Mitgliedern des UVS gefasst werden, die an der Verhandlung teilgenommen haben

• Der Bescheid des UVS und seine Begründung sind zu beschließen und öffentlich zu verkünden

• Die Verkündung des Bescheids ist zu beurkunden (allen Parteien ist eine schriftliche Ausfertigung zuzustellen)

• Die UVS hat nur dann in einer Sache zu entscheiden, wenn die Vorlage der Berufung der belangten Behörde nicht unter Bedachtnahme auf eine wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht.

33. Was versteht man unter einer „Maßnahmebeschwerde“? Wer ist zur

Entscheidung darüber berufen? Welche Besonderheit weist sie auf? Die Maßnahmebeschwerde ist binnen 6 Wochen ab dem Zeitpunkt einzubringen, in dem der Beschwerdeführer von der Ausübung der verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat. Sie ist schriftlich und unmittelbar beim UVS einzubringen und muss enthalten: • Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes, • die Angabe, welches Organ den Verwaltungsakt gesetzt hat und welcher Behörde

es zuzurechnen ist, soweit dies zumutbar ist, • die Gründe für die behauptete Rechtswidrigkeit, • das Begehren, den Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären, • die erforderlichen Angaben für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Beschwerde.

eine öffentlich mündliche Verhandlung findet statt. Die Beschwerde kann vom UVS mit Bescheid zurückgewiesen werden, als unbegründet abgewiesen werden oder für rechtswidrig erklärt werden muss aber immer begründet werden!

34. In welchem Zeitraum haben Behörden – sofern nicht ausdrücklich anderes

normiert ist – über Anträge zu entscheiden? Welche Möglichkeit besteht andern-falls? Welche rechtliche Möglichkeit besteht im letztinstanzlichen Verfahren? § 73 AVG Die Behörden haben über die Anträge von Parteien so schnell wie möglich, spätestens aber nach sechs Monaten nach deren Einlagen einen Bescheid zu erlassen. Wurde die Entscheidungspflicht durch die Behörde verletzt, so steht der Partei die Möglichkeit eines Devolutionsantrags offen.

Page 108: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 108 von 112

35. Was ist ein Devolutionsantrag? Unter welchen Voraussetzungen ist ein Devolutionsantrag berechtigt? Der Devolutionsantrag enthält das Verlangen an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, dass die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag auf sie übergeht. Voraussetzung dafür ist, dass die Entscheidungspflicht verletzt wurde und die Behörde überwiegendes Verschulden an der Verzögerung hat.

36. Welche Möglichkeiten hat die Behörde zur Behandlung eines Devolutions-

antrags? • Er ist zurückzuweisen, wenn er verfrüht eingebracht wurde • Er ist abzuweisen, wenn zwar die Entscheidungspflicht verletzt wurde, aber kein

überwiegendes Verschulden der Behörde an der Verzögerung gegeben ist. Wird der Devolutionsantrag weder zurück- noch abgewiesen, hat die Oberbehörde in der Sache zu entscheiden. Sie entscheidet dann in erster Instanz. Bei einer Abweisung geht die Kompetenz wieder auf die Unterbehörde über.

37. Welche Rechtswirkungen hat ein Devolutionsantrag?

Mit dem Einlangen des Devolutionsantrag bei der Oberbehörde geht die Zuständigkeit zur Entscheidung über den zugrunde liegenden Antrag auf diese über. Mit Rechtskraft der Abweisung geht die Kompetenz wieder auf die Unterbehörde über. Wird der Devolutionsantrag weder zurück- noch abgewiesen, hat die Oberbehörde in der Sache zu entscheiden. Sie entscheidet dann in erster Instanz.

38. Was ist eine „Vorstellung“? Welche Arten kennen Sie?

• Vorstellung im Gemeinderecht: Rechtsmittel gegen letztinstanzliche Bescheide der Gemeinde in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs. Die Vorstellung ist gerichtet an die jeweilige Aufsichtsbehörde der Gemeinde und muss innerhalb von zwei Wochen nach Erlassung des Bescheids eingebracht werden. BGM GR (Aufsichtsbehörde) Landesaufsichtsbehörde = Landesregierung Bundesaufsichtsbehörde = Landeshauptmann In beiden Fällen kann die BVB zuständig gemacht werden Anrufung des VwGH und VfGH ist nach Erhebung der Vorstellung möglich.

• Vorstellung nach AVG: ordentliches Rechtsmittel gegen Mandate (= ohne vorangehendes Ermittlungsverfahren erlassene Bescheide). Über Vorstellungen gegen derartige Mandate entscheidet die Behörde, die das Mandat erlassen hat ( Ermittlungsverfahren), diese Mandate dürfen nur in Ausnahmefällen erlassen werden. Anrufung des VwGH und VfGH ist nach Erhebung der Vorstellung möglich.

39. Was versteht man unter Wideraufnahme des Verfahrens?

Sie ist die Verfügung, ein bereits rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren neuerlich durchzuführen.

40. Welche Wiederaufnahmegründe gibt es?

• Wiederaufnahmegrund der strafbaren Handlung oder der Bescheiderschleichung • Wiederaufnahmegrund der Neuerungen • Wiederaufnahmegrund der abweichenden Vorfragenentscheidung

Page 109: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 109 von 112

41. Herr Lästig erhebt gegen eine Baubewilligungsbescheid rechtzeitig Berufung und beantragt, dass das Verfahren „in erster Instanz wieder aufgenommen“ werde. Kann es sich dabei um eine „Wiederaufnahme“ iSd AVG handeln? Um eine Wiederaufnahme iSd AVG aufzunehmen, müssen die Wiederaufnahme-gründe vorliegen. (strafbare Handlungen, falsche Aussagen,…) Herr Lästig möchte aber nur, dass nur in der Sache neu entschieden wird (unrichtiger Sachverhalt, Verletzung der Manuduktionspflicht, Formvorschrift), was damit keine klassische Wiederaufnahme bewirkt. Er kann bei derartigen Fehlern für die Sanierung berufen.

42. Dem Unternehmer U wird eine Bewilligung entzogen, da er mehrere Auflagen des

Bewilligungsbescheids trotz mehrmaliger Auforderung durch die Behörde nicht eingehalten hat. Der Bescheid wird rechtskräftig. Vier Monate später teilt Herr U der Behörde mit, dass er in seinem Betrieb in der Zwischenzeit Maßnahmen gesetzt hat, die es ihm ermöglichen, die angesprochenen Auflagen einzuhalten. Wird ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach dem AVG Erfolg haben? Nein, den die Frist ist schon längst abgelaufen. (Wiederaufnahme ab Wegfall der Hindernisses; 2 Wochen) Außerdem liegt kein schwerwiegender Grund oder eine Tatsache vor (welche er ohne sein Verschulden erfahren hat), um eine Wieder-aufnahme zu bewirken. Da keine neuen Tatsachen vorhanden sind wird auch kein neues Verfahren eingeleitet werden.

43. Was ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand?

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ein Rechtsbehelf einer Partei, um die Rechtsfolgen einer unverschuldeten Säumnis zu beseitigen.

44. Welche Wiedereinsetzungsgründe gibt es?

• ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, dass zur Versäumung führt • die Versäumung einer Rechtsmittelfrist, weil der Bescheid keine Rechtsmittel-

belehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig ist.

45. Der an Herrn Unglück adressierte Bescheid wird hinterlegt, da der Bescheid-

adressat nicht an seiner Wohnadresse angetroffen werden konnte. Herr Unglück hatte eine Woche vor Bescheiderlassung eine schweren Unfall und musste zwei Monate im Krankenhaus verbringen. Herr Unglück möchte gegen den Bescheid etwas unternehmen, obwohl die Berufungsfrist bereits abgelaufen ist. Was kann er tun? Ja, Herr Unglück kann gleichzeitig eine Wiedereinsetzung (innerhalb von zwei Wochen ab Wegfall des Hindernisses) in den vorigen Stand (unvorhergesehenes Ereignis ohne sein Verschulden) und die Berufung erheben.

46. In welchen Angelegenheiten entscheidet der Verwaltungsgerichtshof?

• Bescheidbeschwerden • Säumnisbeschwerden • Weisungsbeschwerden Ausgenommen sind • Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit des VfGH fallen; • Angelegenheiten des Patentwesen; • Angelegenheiten, in denen in letzter Instanz Kollegialbehörden mit richterlichem

Einschlag entscheiden

Page 110: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 110 von 112

47. Was gilt hinsichtlich der Postulationsfähigkeit der Parteien vor dem VwGH?

Die Parteien können die Sache selbst vor dem VwGH oder sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. (In Abgaben- und Abgabenstrafsachen ist eine Vertretung auch durch einen Wirtschaftprüfer möglich. Allerdings bedürfen Beschwerden an den VwGH nach §24 VwGG der Unterschrift eines Rechtsanwalts oder Wirtschaftsprüfers.)

48. Was ist eine Parteibeschwerde?

Diese kann von jemandem erhoben werden, der behauptet, durch einen Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein. Verletzung eines subjektiven Rechts. Die Parteibeschwerde steht erst nach Erschöpfung des Instanzenzugs offen; alle ordentlichen Rechtsmittel müssen erschöpft sein. Die Parteibeschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab Erlassung des Bescheids zu erheben.

49. Was versteht man unter einer Säumnisbeschwerde?

Für die Erhebung einer Säumnisbeschwerde ist die Parteistellung im Verwaltungs-verfahren und grundsätzlich die 6-monatige Säumnis jener obersten Behörde bei der Erlassung eines Bescheids notwendig, die zur Entscheidung gegenüber der Partei verpflichtet ist. Sofern die Möglichkeit eines Devolutionsantrags offen steht, muss dieser bis zu den obersten Behörden genutzt werden. Gibt es diese Möglichkeit nicht, steht die Säumnis-beschwerde gegen die Säumnis der unteren Instanz zu. (unzulässig in Verwaltungs-strafsachen)

50. Herr Lästig, der als einziger gegen einen Bescheid ein Rechtsmittel ergreifen

möchte, stellt – um das Verfahren zu beschleunigen – den Antrag, die Berufungsinstanz zu überspringen und sofort den Verwaltungsgerichtshof anzurufen? Ist das rechtlich möglich? Beschwerde an den VwGH ist erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges möglich. Eventuell ist eine Säumnisbeschwerde möglich, falls die Behörde länger als sechs Monate benötigt.

51. Nennen Sie einige Kompetenzen des Verfassungsgerichtshofes!

• Kausalgerichtsbarkeit • Kompetenzgerichtsbarkeit • Prüfung von Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern und Ländern

untereinander • Wahlgerichtsbarkeit • Staatsgerichtsbarkeit • Völkergerichtshof (derzeit nicht aktuell) • Verordnungsprüfung • Gesetzesprüfung • Wiederverlautbarungsprüfung • Prüfung von Staatsverträgen • Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit

52. Was gilt hinsichtlich der Postulationsfähigekeit der Parteien vor dem VfGH?

In der Sache können sich die Parteien selbst vor dem VfGH vertreten oder sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen.

Page 111: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 111 von 112

53. Was ist eine Verordnungsprüfung? = Prüfung von Verordnungen eines Bundes- oder Landesbehörde; werden auf ihre „Gesetzwidrigkeit“ geprüft. (z.B. verfassungswidrige Verordnungen sowie Verordnungen, die einer ihnen übergeordneten Verordnung widersprechen…)

54. Was versteht man unter einer Gesetzesprüfung?

Die Kompetenz des VfGH bei der Gesetzesprüfung erstreckt sich auf einfache Bundes- und Landesgesetze sowie auf Bundes- und Landesverfassungsgesetze; werden auf ihre „Verfassungswidrigkeit“ geprüft. (z.B. Verstoß gegen die Grundprinzipien der Verfassung oder gegen Verfassungsbestimmungen)

55. Was ist die Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit des VfGH?

Dabei entscheidet der VfGH über Bescheide von Verwaltungsbehörden, auch solche der UVS, wenn der Beschwerdeführer behauptet, • durch den Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisten Recht oder • durch die Anwendung einer gesetzeswidrigen Verordnung, einer gesetzeswidrigen

Kundmachung, eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrags in seinen Rechten verletzt zu sein.

Verletzung von Rechten bei der Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm. In diesem Zusammenhang steht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit einer Beschwerde an die Europäische Kommission für Menschenrechte und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte offen.

56. Was ist ein „Individualantrag“? Wogegen richtet er sich? Unter welchen

Voraussetzungen kann er erhoben werden? Zur Anfechtung einer Verordnung unter bestimmten Voraussetzungen ist jede Person berechtigt. Dieser Individualantrag ist zulässig, wenn • die Verordnung ohne Erlass eines Bescheids oder einer gerichtlichen Entscheidung

für diese Person wirksam geworden ist und • die betroffene Person behauptet, unmittelbar durch die Gesetzwidrigkeit der

Verordnung in ihren subjektiven, durch Gesetz eingeräumten Rechten verletzt zu sein.

57. Welche zivilrechtlichen Instrumente zum Schutz vor und zum Ausgleich von

staatlichem Fehlverhalten kennen Sie? • Amtshaftungsrecht (Amtshaftungsgesetz [Zivilrecht]:Schadenersatzrecht wird

geregelt) • Organhaftungsrecht • Polizeibefungis-EntschädigungsG (dadurch wird der zivilrechtliche Schutz

verwirklicht) [außerhalb d. Dienst -> haftet selber, im Dienst -> haftet Bund] 58. Was versteht man unter dem Organhaftpflichtrecht?

Es regelt die Schadenersatzpflicht von Organen für Schäden am Vermögen, die sie den Rechtsträger, als deren Organe sie gehandelt haben, in Vollziehung der Gesetze durch ein schuldhaftes und rechtswidriges Verhalten unmittelbar zugefügt haben.

59. Was ist Amtshaftung?

Danach haften der Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden, sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts und die Träger der Sozialversicherung nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für den Schaden am Vermögen oder an

Page 112: Grundlagen Des Rechts Kontrollfragen

Grundlagen des Rechts

Seite 112 von 112

der Person, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben.

60. Wann spricht man von einem Handeln in Vollziehung der Gesetze iSd Amts-haftungsrechts? Um ein Amtshaftungsanspruch auszulösen, muss der Schädiger nicht nur ein Organ des Rechtsträgers sein, sondern überdies in Vollzeihung der Gesetze handeln. Handeln in Vollziehung der Gesetze umfasst die Gerichtsbarkeit und die Verwaltung. In Vollziehung der Gesetze meint hoheitliches Handeln. Aus dem Anwendungsbereich des AHG fallen dementsprechend alle Akte, die im Zusammenhang mit dem privaten Bereich des Organwalter stehen, ferner grundsätzlich die Gesetzgebung und der Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung (soweit er nicht in einem engen, unmittelbaren Zusammenhang mit der Vollziehung – hoheitliche Tätigkeit – steht).

61. Welche Rolle spielt das Aufforderungsverfahren im Amtshaftungsrecht?

Vor der klagsweisen Geltendmachung ist der betreffende Rechtsträger, bei Amts-haftungsansprüchen gegen den Bund die Finanzprokuratur, durch den Geschädigten schriftlich aufzufordern, binnen einer Frist von drei Monaten zu erklären, ob der Ersatz-anspruch anerkannt oder ganz oder zum Teil abgelehnt wird. Wird das Aufforderungs-verfahren nicht durchgeführt, hat dies uU Kostenfolgen.

62. Worin liegen Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Staatshaftung,

gemeinschaftlicher und nationaler Amtshaftung und Organhaftung? Gemeinsamkeiten: alle führen zu einem Schaden durch staatliches Handeln Unterschiede: Staatshaftung Gemeinschaftsrecht wird verletzt Gemeinschaftliche Amtshaftung Europäische Recht wird verletzt (Kommission fügt der EU einen Schaden zu) Nationale Amtshaftung Nationalstaatliches Recht wird verletzt Organhaftung Nationalstaatliches Recht wird verletz

63. Welche der folgenden Aussagen sind richtig, welche falsch?

• Das AHG befasst sich mit Schäden, die Dritten durch als Organe (u.a.) des Bundes und der Länder handelnde Personen in Vollziehung der Gesetze rechtswidrig und schuldhaft zugefügt wurden.

• Unter dem Begriff „Amtshaftung“ fallen z.B. auch Schäden, die ein Organ-walter des Landes in seiner Freizeit mit seinem Privat-PKW verursacht.

• Die Senatsmitglieder des Verwaltungsgerichtshofes können für eine „falsche“ Entscheidung nach den Bestimmungen des Amtshaftungsrechtes haftbar gemacht werden. (Gerichtsentscheidungen nie was machbar [außer zu unrecht verurteilt – eigene Regelung])

• Vor der klagsweisen Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruches ist der betreffende Rechtsträger aufzufordern, sich dazu zu äußern, ob der Ersatz-anspruch anerkannt oder abgelehnt wird. Das Unterlassen des Aufforderungsverfahrens kann u.U. Kostenfolgen haben.

• Das Organhaftpflichtgesetz regelt die – unter bestimmten Voraussetzungen vorliegende – Schadenersatzpflicht von Organen für Schäden am Vermögen, die sie den Rechtsträger, als deren Organe sie gehandelt haben, zugefügt haben.