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Prof. Dr. Heimo HofmeisterLehrstuhl Religionsphilosophie - Philosophie

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Vorlesungsthemen

Einleitung 

Wer suchet, der findet: Die Besteigung des Mont Ventoux als Suche nach dem Grund

Der Weg hinauf und hinab ist ein und derselbe

Angst: Bergerlebnis und Sinnerfahrung 

Sind Berge männlich? Zur Rolle der Frau in den Bergen 

Der Bergtod

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Francesco Petrarca , Die Besteigung des Mont Ventoux

26. April 1336

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Andrea del Castagno1450 Uffizien

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Als Petrarca am 24. April des Jahres 1335 von Malauncène aufbrach, suchte er den Gipfel des Mont Ventoux zu erreichen, nicht ahnend, was er finden würde, weil er nicht wußte, was er oben in der Höhe suchte. Von seinem Bruder begleitet, bestieg er den Berg, den er seit seiner Kindheit in Avignon und Carpentas immer vor Augen gehabt hatte.

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Mont VentouxGorges de la Nesque

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Der Mont Ventoux wird nicht mehr den Alpen zugezählt, er liegt westlich von diesen. Das obere Drittel des Berges ist vegetationslos, einer Felswüste gleich, die gnadenlos der Sonne und dem häufig wie recht stark wehenden Mistral ausgesetzt ist. Dieser Berg, den man nicht zu Unrecht „den Windigen“ nennt (1), ist 1909 m hoch, und von Malauncène, dem Ausgangsort der beiden Bergsteiger, sind es beachtliche 1.535 Höhenmeter bis zum Gipfel. Heute hat dieser weithin sichtbare Berg, der der höchste der Provence ist, einen guten Namen als Aussichts- und Radberg und gilt als Mythos der Tour de France, deren eine ihrer Etappen über diesen Gipfel führt.

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Francesco Petrarca und Gherardo, sein Bruder waren weder geübten Bergsteiger, noch verbanden sie ihr Unternehmen mit irgendeinem anderen Zweck als „allein vom Drang beseelt, diesen außergewöhnlich hohen Ort zu sehen“ (1). In Malaucène, einem am Fuße des Ventoux gelegenen Ort, hatten sie genächtigt, bevor sie zeitig in der Früh des nächsten Tages sich auf den Weg machten. Zwei Diener unterstützten ihr Vorhaben. Die beiden Gelehrten waren nicht die ersten, die den Gipfel erreichten. Petrarca berichtet von den warnenden Worten eines greisen Hirten, der einst „mit dem selben Ungestüm jugendlichen Feuers“ den Gipfel des Berges erstieg, von dort aber nichts zurück gebracht hatte, „außer Reue und Mühsal und einen von Felszacken und Dornensträuchern zerfetzten Leib ...“ (7). Der Hirte hatte auch niemals vor jener Zeit, noch während der letzten 15 Jahre gehört, daß irgendwer Ähnliches gewagt habe. Warum sollte auch jemand auf diesen oder einen anderen Berg steigen, was gab es dort zu suchen?

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Gipfelbesteigungen aus sportlichem Ehrgeiz oder um eines Naturerlebnisses willen waren zu Petrarcas Zeiten undenkbar. Wissenschaftliche Neugier war ebensowenig der Antrieb wie militärisches Interesse. Petrarca berichtet zwar, daß er noch am Vortag in der römischen Geschichte bei Livius zufällig auf jene Stelle stieß, die berichtet, daß Philipp von Makedonien auf den Gipfel des Haemos-Gebirges stieg, weil er der allgemein verbreiteten Ansicht Glauben schenkte, daß das Schwarze Meer, das Adriatische Meer und die Donau sowie die Alpen gleichzeitig von dort gesehen werden könnten. Er wollte wissen, ob es für ein Heer einen Aufstieg zum Gipfel gäbe und ob dieser auch bei wenig Gepäck zu schwierig sei.

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Wenn Petrarca nun meint, daß es „für einen jungen Mann ... entschuldbar“ sei, „was man bei einem greisen König nicht rügt“, so vergißt er, daß die Interessenslage hier eine unterschiedliche ist. Der jugendliche Bergsteiger Petrarca hatte, wie er ausdrücklich schreibt, mit der Leitung des Staates nichts zu tun und war für dessen Sicherheit nicht verantwortlich. Bei ihm ist es das reine Schauen, das ihn auf den Gipfel trieb. Dieses interesselose Schauen, von keiner Absicht getragen, worin sollte es seinen Grund haben?

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Estivalet

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Petrarca selbst hatte in seiner Niederschrift dieses Erlebnisses betont, daß er allein von der Begierde, die ungewöhnliche Höhe eines Ortes in unmittelbarer Anschauung kennenzulernen, getrieben war: sola videndi insignem loci altitudinem cupiditate ductus. Dieses interesselose Schauen, von keiner Absicht getragen, worin sollte es seinen Grund haben, wenn sich Petraca selbst eingestehen mußte, daß er keine Ahnung hatte, was er suchte, noch was er dort oben auf dem Berg finden werde? Der uralte Hirte, den die Wanderer an den Hängen des Berges trafen, hatte ihnen das Ungewöhnliche eines solchen Unternehmens nochmals vor Augen geführt, denn wo es nichts zu finden gab, dort gab es auch nichts zu suchen.

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Mit diesem Schauen gehört Petrarca, wie Jakob Burkhart sagt, zu jenen, die mit einem „besonderen Sinn die Natur betrachteten“ und als die „frühesten unter den Modernen ... die Gestalt der Landschaft als etwas mehr oder weniger Schönes wahrgenommen und genossen haben“.

Jakob Burkhart, Die Kultur der Renaissance in Italien, 4. Abschnitt, Gesamtausgabe, hg.v. W. Kaegi, Bd. 5, S. 211f.

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Estivalet

Schauen: sola videndi insignem loci altitudinem cupiditate ductus

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Der Berg und der Gottsucher

Jakob Burkharts Einschätzung besticht, betrachtet man den Naturbegriff, der mit Ende des Mittelalters mehr und mehr Raum in der Lebensgestaltung und Kunst gewinnt. Burkhart ist der Überzeugung, Petrarca habe die Natur in der Gestalt der Landschaft entdeckt, wenngleich ihm dies in der Neugierde des Schauens nicht bewußt geworden sein mag. Fragten wir Petrarca, was er meinte, gefunden zu haben, bekämen wir mit Sicherheit nicht die Antwort „die Gestalt der Landschaft als etwas mehr oder weniger Schönes“. Für ihn fand die Besteigung des Mont Ventoux ein ganz anderes, aber ebenso überraschendes Ende.

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Als Weggefährten – dies wissen wir schon – hatte Francesco sich seinen einzigen Bruder erwählt. Gherardo war etwa 1307 geboren und entsagte nach dem Tod seiner Geliebten dem weltlichen Leben. 1343 trat er in das Kartäuser Kloster Montreux bei Marseille ein. Er überlebte Francesco, doch ist über ihn nichts Weiteres bekannt. Die beiden Brüder gingen gemeinsam los, hatten dasselbe Ziel und gingen doch unterschiedliche Wege. Der Bruder strebte so schnell wie möglich über Abkürzungen geradewegs über die Kämme des Berges nach oben. Francescos Weg war ein anderer. Wir werden später sehen, daß diese unterschiedlichen Wege letztlich auch in unterschiedlicher Weise das finden lassen, was sie suchten.

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Der ältere Bruder, schneller ermüdet, sucht einen weniger steilen Weg, zieht es vor, gelegentlich bergab zu gehen und muß schließlich doch zur Kenntnis nehmen, daß jeder Schritt bergab wieder an Höhe gewonnen werden muß. Auch die Hoffnung, daß der Zugang auf der anderen Bergseite leichter sei, erweist sich als trügerisch, und während der Bruder mit den Trägern schon die höheren Zonen erreicht, irrt Francesco noch durch die Talgründe, da er nirgends einen sanften Aufstieg findet.

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Immer wieder der Versuchung der Tiefe folgend, macht sich Petrarca in einem Tale sitzend klar: „was du heute so oft bei der Besteigung dieses Berges erfahren hast, wisse, daß dies dir und vielen widerfährt, die das selige Leben zu gewinnen suchen. Aber es wird deswegen nicht leicht von den Menschen richtig gewogen, weil die Bewegungen des Körpers offensichtlich sind, die der Seele jedoch unsichtbar und verborgen. In der Tat liegt das Leben, das man das selige nennt, auf hohem Gipfel, und ein schmaler Pfad, so heißt es, führt zu ihm hin. Auch viele Hügel ragen dazwischen auf, und von Tugend zu Tugend muß man mit erhabenen Schritten wandeln; auf dem Gipfel ist das Ende aller Dinge und des Weges Ziel, auf das hin unsere Pilgerreise ausgerichtet ist.

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Dorthin gelangen wollen alle, doch, wie Ovid sagt: Wollen, das ist zu wenig, Begehren erst führt dich zum Ziele.Du allerdings – wenn du dich nicht wie in vielem, so auch darin täuschst -, du willst nicht bloß, sondern begehrst auch. Was hält dich also zurück? Natürlich nichts anderes, als daß der Weg durch die irdischen und niedrigsten Genüsse ebener und, wie es auf den ersten Blick scheint, bequemer ist. Gleichwohl mußt du, wenn du viel in die Irre gegangen bist, entweder unter der Last der unselig aufgeschobenen Strapaze zum Gipfel des seligen Lebens selber emporsteigen oder in den Talkesseln deiner Sünden schlaff niedersinken; und wenn dich dort – schon es auszusprechen, jagt mir Schauder ein –Finsternis und Schatten des Todes finden, so mußt du eine ewige Nacht unter unaufhörlichen Qualen verbringen“ (13 – 15).

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Petrarca erreicht schließlich und endlich doch den Gipfel und ist durch die freie Rundsicht, die er von oben genießt, bewegt, einem Betäubten gleich. Dann fällt sein Blick in Richtung Italien, wohin sich auch sein Herz gezogen fühlt. Sich wendend sieht er die Alpen, selbst eisstarrend und schneebedeckt, und erinnert Hannibals Feldzug, jenes wilden Feindes des römischen Volkes, der gemäß der Überlieferung mit Essig sich den Weg durch die Felsen bahnte. In dieser Höhe und Einsamkeit überfällt Petrarca ein banges Gefühl und der Wunsch, Freund wie Vaterland so schnell wie möglich wieder zu sehen.

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Nach der Betrachtung des Raumes wechselt er zu der Zeit und erinnert sich, daß der Adressat dieses Büchleins genau vor zehn Jahren Bologna verließ und ruft sich ins Gedächtnis, was in dieser Zeit alles geschehen ist. Er erinnert sich eines oft gehörten Augustin-Zitates: „Ich will mir ins Gedächtnis rufen meine durchlebten Niederträchtigkeiten und die fleischliche Verderbnis meiner Seele, nicht weil ich diese liebte, sondern um dich zu leben, mein Gott“ (Augustinus, Confessiones, 10,8,15). Mit der Rückschau, dem Blick zurück in die Vergangenheit, meldet sich angesichts der Weite des Horizontes auch die Frage nach der Offenheit und Weite der Zukunft. Der Dreißigjährige überlegt, was wäre, wenn er noch einmal zwei lustre zehn Jahre ein Leben führte, wie er es in den letzten beiden Jahren geführt hatte. Könnte er dann voll Hoffnung im vierzigsten Jahr seines Lebens dem Tod entgegen treten und „auf den Rest des ins Greisenalter schwindenden Lebens gelassen verzichten?“ (23).

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Während Petrarca so meditierte, wurden die Schatten der Berge länger. Ein bewundernder Blick war dem Wanderer noch vergönnt, und er zuerst dessen gewahr, was er nicht sah, den Grenzwall der gallischen Lande und Spaniens, den Kamm der Pyrenäen, nicht weil ein Hindernis zwischen ihnen und seinem Standort lag, sondern weil die Sehkraft des menschlichen Auges zu schwach ist, so weit zu sehen. Die Berge der Provinz Léon hingegen auf der rechten Seite und auf der linken der Golf von Marseille waren deutlich zu sehen, obwohl auch sie beide fern sind. Während Petrarca noch die unter ihm liegende Landschaft bestaunte und an dem, was er sah, Geschmack und Gefallen fand, kam er auf den Gedanken, noch schnell einen Blick in das Büchlein, das er bei sich trug, zu werfen, Augustins Confessiones.

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Augustinus ist unseren Überlegungen zum Bergsteigen kein Unbekannter. Als wir die Frage stellten, ob Bergsteigen ein Ausschreiten, gar Überschreiten der dem Menschen gesetzten Grenze sei oder eine demutsvolle Einsicht in das eigene Unvermögen, sahen wir schon, daß Augustinus dem Selbstbewußtsein sich anders nähert als die Neuzeit und Moderne. Das Selbstbewußtsein, das Voraussetzung des Bergsteigens ist, ist für Augustinus von Gott her gedacht und nicht Ergebnis eines die Bezweiflung der eigenen Existenz überwindenden Prozesses. Wenn es in dem Augustinus-Wort, das Petrarca auf dem Gipfel des Mont Ventoux las, heißt, die Menschen „verlassen“ bei der Naturbetrachtung „sich selbst“, so meint dies, „sie verlassen dabei Gott“.

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Die Stelle, die Petrarca aus dem 10. Buch der Bekenntnisse zitiert, steht im Zusammenhang von Augustins Frage, wo denn Gott zu finden sei. „Ich fragte die Erde, und sie sagte mir: ich bin es nicht; und alles, was in ihr ist, gestand mir das gleiche. Ich fragte das Meer und seine Tiefen und das Gekrieche seiner Lebewesen, und sie gaben mir die Antwort: wir sind dein Gott nicht; such droben über uns. Ich fragte die wehenden Winde, und es sprach das ganze Luftbereiche mit seinen Bewohnern: es irrt sich Anaximenes; ich bin nicht Gott. Ich fragte den Himmel und Sonne, Mond und Sterne: auch wir sind nicht der Gott, den du suchest. Und ich sagte zu allen Dingen, die um mich her sind vor den Toren meines Fleisches: so saget mir von meinem Gott, weil nicht ihr selbst es seid, saget mir von ihm doch etwas. Und sie erhoben ein Rufen mit lauter Stimme: ‚Er ist‘s, der uns geschaffen hat.‘ Meine Frage war mein Gedanke, ihre Antwort war ihre Schönheit.“

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„Und ich wandte mich auf mich und sprach zu mir: wer bist nun du? Und gab zur Antwort: Mensch. Und da erzeigen sich in meinem Sinne Leib und Seele, eines draußen und das andere drinnen. Was von beiden ist‘s, wo ich meinen Gott erfragen soll, nach dem ich auf Leibes Weise schon auf der Suche war von der Erde bis zum Himmel, soweit ich nur als Boten die Blicke meiner Augen schicken konnte?“ (S. 499)

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„Groß ist die Macht meines Gedächtnisses, gewaltig groß, o Gott, ein Inneres, so weit und grenzenlos. Wer ergründet es in seiner ganzen Tiefe? Diese Kraft gehört meinem eigenen Ich hier an, sie ist in meiner Natur gelegen, und gleichwohl fasse ich selber nicht ganz, was ich bin. So ist der Geist zu eng, sich selbst zu fassen. Wo aber ist es, was er an Eigenem nicht fassen kann? Ist es etwa außer ihn, nicht in ihm selbst? Wie also faßt er‘s nicht? Ein groß Verwundern überkommt mich da, Staunen ergreift mich über diese Dinge.“

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Der Weg Petrarcas war ein doppelter, er selbst bezeichnet ihn als einen Weg des Körpers, des Leibes wie des Geistes. Die physische Beschwerlichkeit des Anstieges ist eine bloße Metapher für den Weg des Menschen zu seinem Heil: „In der Tat liegt das Leben, das man das selige nennt, auf hohem Gipfel, und ein schmaler Pfad, so heißt es, führt zu ihm hin. Auch viele Hügel ragen dazwischen auf, und von Tugend zu Tugend muß man mit erhabenen Schritten wandeln; auf dem Gipfel ist das Ende aller Dinge und des Weges Ziel, auf das hin unsere Pilgerreise ausgerichtet ist. (13)

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