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AssekuranzAgenda Aktuelles aus der EU-Versicherungspolitik
Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Nr. 40 | September/Oktober 2014ep-
Die Europäische Kommission hat die lang erwarteten delegierten Rechts-
akte für Solvency II an das Europäische Parlament und den Rat der Europä-
ischen Union übermittelt. Wichtige Details der Ausgestaltung des zukünf-
tigen Aufsichtssystems werden darin geregelt. Der GDV begrüßt diesen
Schritt. Nun haben die Co-Gesetzgeber drei Monate Zeit (verlängerbar um
weitere drei Monate), den Vorschlag zu prüfen und gegebenenfalls ihr
Veto einzulegen.
Mit der Omnibus II-Richtlinie wurden die Ermächtigungen für die delegier-
ten Rechtsakte gelegt. Daher ist es wichtig, dass der Vorschlag der Kom-
mission die politische Einigung zur Richtlinie angemessen abbildet. Mit
den Vorgaben zu den Maßnahmen zur Sicherung langfristiger Garantien
ist dies gelungen. Ebenso umgesetzt wurde der politische Wille, kleine und
mittlere Unternehmen (KMU) nicht durch Solvency II zu überfordern. Vor-
gesehen sind sinnvolle Anpassungen für diese Unternehmen sowie Versi-
cherer mit einem einfachen Risikoprofil. Dies betrifft insbesondere die An-
forderungen an die Unternehmensorganisation und den zu verwendenden
Bewertungsansatz.
Verpasst wurde hingegen die Chance, eine nachhaltige und risikosensible
Kalibrierung langfristiger Investitionen in Infrastrukturen – in Form von Ei-
genkapitalinstrumenten – einzubinden. Der Vorschlag der Kommission
behandelt diese Investments genauso wie Investitionen in Hedge Fonds
und Private Equity. Die hierfür vorgesehene Unterlegung mit Eigenmitteln
von bis zu 59 % ist dem wahren Risiko einer Infrastrukturinvestition völlig
unangemessen. Es ist dringend notwendig, dass bei diesem Aspekt zeit-
nah nachgearbeitet wird. Die Kommission hat sich zwar eine Überprüfung
Fortsetzung auf Seite 2
Aus dem Inhalt
Geschäftsgeheimnisse-Richtlinie 3
Gruppenfreistellungsverordnung 3
Konsultation zur ganzheitlichen Bilanz 4
eCall-Verordnung: Trilog-Beginn 4
EuGH-Urteil: Fahrzeugbenutzung 5
Plattform intelligente Transportsysteme 5
Europäische Verkehrsrechtstage 6
Grenzüberschreitende Dienstleistungen 7
VO zur Änderung GVO-Anbau-Richtlinie 7
Datenschutzverordnung 8
Internationale GDV-Konferenz 8
GDV-Sommerempfang 9
Solvency II: Kommission legt Vorschlagfür eine delegierte Verordnung vor Neues Aufsichtsregime nimmt nächste Hürde ab 2016
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Fortsetzung von Seite 1
der Vorgaben zur Standardformel unter Solvency II bis
Ende 2018 auferlegt. Dies wird grundsätzlich befürwor-
tet, kommt aber für Infrastrukturen deutlich zu spät.
Mit den delegierten Rechtsakten ist die Arbeit am neu-
en europäischen Versicherungsaufsichtsregime noch
nicht abgeschlossen. Weitere Details des Regelwerks
werden in technischen Durchführungsstandards festge-
legt. Die zuständige Europäische Versicherungsauf-
sichtsbehörde (EIOPA) arbeitet bereits seit geraumer
Zeit an diesen Bestimmungen. Parallel entwickelt EIOPA
aufsichtsrechtliche Leitlinien zu Solvency II. Diese sollen
eine konsistente Anwendung der neuen Regeln in ganz
Europa sicherstellen.
Während die technischen Standards auf eine klare Er-
mächtigung in der Richtlinie durch Rat und Parlament
zurückzuführen sind, agiert EIOPA bei den Leitlinien
weitgehend autonom. Der Erlass der Leitlinien erfolgt
unabhängig von den europäischen Gesetzgebern im
„comply-or-explain“-Verfahren über die nationalen Auf-
sichtsbehörden. Mit mehr als tausend Seiten wird der
Umfang der ohnehin äußerst komplexen Solvency II-
Vorgaben weit übertroffen. Zum jetzigen Zeitpunkt, et-
was mehr als ein Jahr vor Anwendungsbeginn, sollte der
Fokus von Unternehmen und Aufsehern auf einer ziel-
führenden und konsistenten Einführung des Systems
liegen. Es ist daher zu prüfen, welche der von EIOPA vor-
gesehenen Leitlinien für den Start von Solvency II wirk-
lich notwendig sind. Bei dieser Frage ist es unerlässlich,
dass sich auch das Parlament, der Rat und die Kommission
in die Diskussion einschalten.
Berlin: Dr. Axel Wehling, [email protected];
Brüssel: Thomas Ilka, [email protected]
Vorwort
Nach der Klärung einiger kontroverser Besetzungsfragen gaben Europäisches Parlament und Rat der EU ihre Zustimmung und
nun ist sie im Amt: Die neue Europäische Kommission unter Präsident Jean-Claude Juncker. Vieles wird von ihr erwartet, aber
vieles hat sie sich auch selbst zur Aufgabe gestellt. In fünf Jahren wird klar sein, ob die neuen Kommissare ihre Ziele erreichen
konnten.
Besonders der Plan von Präsident Juncker, ein Investitionsprogramm über 300 Milliarden Euro aufzustellen, sollte dabei mit
Nachdruck, Nachhaltigkeit und Ausdauer verfolgt werden. Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen können
den nötigen Impuls geben, um Europa nachhaltig aus der Krise und zurück in ruhigeres wirtschaftliches Fahrwasser zu bringen.
Die deutschen Versicherer unterstützen diese Pläne und fordern in Deutschland schon lange bessere Möglichkeiten zur langfris-
tigen Investition in Infrastruktur und erneuerbare Energien. Das Programm von Herrn Juncker sollte sorgfältig aufgesetzt
werden. Für die institutionellen Investoren sind sinnvolle Rahmenbedingungen wichtig. Nur dann werden sie ihren Teil leisten
und zum Erfolg des Programms beitragen wollen.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Ilka
Geschäftsführer Europa / Internationale Beziehungen
Barbara Gallist
Leiterin Europabüro
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Konsultation der EU-Kommission zur Gruppenfreistellungsverordnung
Die Europäische Kommission hat im August eine Konsulta-
tion zu Anwendung und Zukunft der Gruppenfreistellungs-
verordnung für die Versicherungswirtschaft (Vers-GVO) ein-
geleitet. Diese ist zuletzt im Jahr 2010 reformiert worden.
Die Vers-GVO läuft am 31.03.2017 aus. Auf der Grundlage
der Ergebnisse der Konsultation wird die Kommission Ende
März 2016 einen Bericht zur Vorlage beim Europäischen Par-
lament und beim Rat der EU erarbeiten. Dem Vernehmen
nach will die Kommission voraussichtlich die Vers-GVO nicht
erneuern und stattdessen gegebenenfalls unverbindliche
Leitlinien erlassen. Dies entspräche den allgemeinen Bestre-
bungen auf EU-Ebene, die Anzahl an sektorspezifischen kar-
tellrechtlichen Sonderregelungen zu reduzieren.
Der Verband hat sich an der Konsultation beteiligt und setzt
sich für die Verlängerung der Vers-GVO ein. Denn die Vers-
GVO vermittelt in ihrem Anwendungsbereich Rechtssicher-
heit. Dies ist gerade in einem Bereich wie dem Kartellrecht
mit vielen „Graubereichen“ sehr wertvoll. Bloße Leitlinien
bieten dieses Maß an Rechtssicherheit nicht.
Im Bereich der Statistikarbeit stellt die GVO Schadenbe-
darfsstatistiken unter bestimmten Voraussetzungen
vom Kartellverbot frei. Das bedeutet, dass im Anwen-
dungsbereich der Vers-GVO die Erhebung und Veröf-
fentlichung der Statistiken zweifelsfrei kartellrechtlich
zulässig ist.
Die Kooperation der Versicherungsunternehmen durch
Mitversicherungsgemeinschaften (auch unter der Be-
zeichnung ‚Pool‘ bekannt) fällt ebenfalls unter die Vers-
GVO, sofern diese eine Mehrzahl miteinander unver-
bundener Risiken gemeinsam abdecken, die einer
bestimmten Risikoart zuzuordnen sind. Weitere Voraus-
setzung ist, dass der gemeinsame Marktanteil der betei-
ligten Versicherer 20 % nicht übersteigt.
Brüssel: Franka Böhm, [email protected];
Berlin: Dr. Jan Imgrund, [email protected]
Geschäftsgeheimnisse: Angemessener Schutz für wichtige Daten
Geschäftsgeheimnisse sind von erheblicher wirtschaftli-
cher Bedeutung. Die Europäische Kommission hat des-
halb einen Vorschlag für eine Richtlinie über den Schutz
vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsin-
formationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidri-
gem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offen-
legung vorgelegt. Darin wird der Begriff des
Geschäftsgeheimnisses definiert. Ferner wird gere-
gelt unter welchen Voraussetzungen der Erwerb, die
Nutzung und die Offenlegung rechtswidrig sind und
welche Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe den
Inhabern von Geschäftsgeheimnissen zustehen.
Entsprechend dem Ziel der Regulierung sollte aus Sicht
des Verbands darauf geachtet werden, dass der Ge-
heimnisschutz in angemessenem Umfang gewährleis-
tet wird. So wird sich der Verband weiter dafür einset-
zen, dass die Tatbestände, bei denen von einem
rechtmäßigen Handeln auszugehen ist, hinreichend klar
gefasst werden. Für den Zugang zu Informationen der
nationalen Behörden müssen weiterhin die Vorgaben
der nationalen Rechtsordnungen – unter Berücksichti-
gung spezialgesetzlicher, europarechtlicher Verschwie-
genheitspflichten – maßgeblich bleiben. Hochsensible
Daten, die der Aufsicht übermittelt werden, sollten
auch weiter umfassend geschützt werden können.
Ende Mai 2014 hat der Rat seinen Gemeinsamen Stand-
punkt verfasst. Wesentliche Eckpunkte der Einigung
spiegeln den Kommissionsvorschlag wider. Hier werden
aber auch die nationalen Transparenzvorschriften durch
einen entsprechenden Verweis berücksichtigt. Es wird
damit klarer, dass diese nicht durch andere Ausschluss-
tatbestände unterlaufen werden sollen. In den nächs-
ten Monaten wird das Europäische Parlament seine Po-
sitionierung festlegen.
Brüssel: Franka Böhm, [email protected];
Berlin: Silja Fischer, [email protected]
Betriebliche Altersvorsorge – EU-Aufsicht konsultiert zur holistischen Bilanz
Die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versiche-
rungswesen und die betriebliche Altersversorgung
(EIOPA) hat am 13. Oktober 2014 ihre Konsultation
zur ganzheitlichen Bilanz (Holistic Balance Sheet,
HBS) für Einrichtungen der betrieblichen Altersver-
sorgung (EbAV) veröffentlicht. Die Konsultationsfrist
endet am 13. Januar 2015.
Im Konsultationspapier werden überarbeitete Fassun-
gen von Definitionen und Methoden im HBS vorge-
schlagen, insbesondere zu Arbeitgeberunterstützung,
Leistungskürzungsmöglichkeiten, Vertragsgrenzen, er-
messensabhängigen Entscheidungsprozessen und auf-
sichtsrechtlichen Maßnahmen. Ferner werden verschie-
dene Verwendungsmöglichkeiten des HBS untersucht.
Die Ergebnisse der Konsultation sollen sowohl in die
technischen Spezifikationen für die im ersten Halbjahr
2015 geplante quantitative Auswirkungsstudie als auch
in den technischen Bericht an die EU-Kommission zu
HBS für EbAV eingehen. Ferner plant EIOPA für 2015 ei-
nen Stresstest für EbAV; die Vorbereitungen hierzu be-
ginnen bereits 2014.
Gleichzeitig werden die Diskussionen im Rat der EU zum
EbAV-II-Richtlinienvorschlag fortgeführt. Die Mitglied-
staaten diskutierten zuletzt über Transparenzvorschrif-
ten (vgl. hierzu Assekuranzagenda 39), Governance-Sys-
teme von EbAV und Vorgaben für grenzüberschreitende
Tätigkeiten von EbAV. Eine Positionierung des Rates wird
weiterhin zum Ende des Jahres angestrebt. Im federfüh-
renden Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Eu-
ropäischen Parlaments wurde noch kein Berichterstat-
ter bestimmt. Somit konnten die inhaltlichen Arbeiten
dort noch nicht starten. Der Verband wird den Gesetz-
gebungsprozess und die Arbeiten zum HBS verfolgen.
Brüssel: Ina Biesel, [email protected];
Berlin: Dr. Katja Krol, [email protected]
AssekuranzAgenda Nr. 40 | September/Oktober 2014 4
Trilog zu eCall-Verordnung hat begonnen
Nach Erteilung des Trilogmandats Ende September
2014 an die Berichterstatterin des Europäischen Parla-
ments (EP), Sehnalová, hat im Oktober 2014 bereits die
erste Trilogverhandlung zu der zukünftigen eCall-Typ-
genehmigungsverordnung stattgefunden. Insbesonde-
re datenschutzrechtliche Fragen sowie die Frage nach
der Verankerung einer zukünftigen standardisierten,
sicheren und offen zugänglichen in-vehicle-Plattform
mit standardisierten Schnittstellen sind Gegenstand
der Trilogverhandlungen.
Das EP hatte sich in erster Lesung für die verbindliche
Verankerung dieser Plattform in der eCall-Typgeneh-
migungsverordnung ausgesprochen. Auch die EU-
Kommission äußerte sich in ihrer Stellungnahme zu
den Änderungsvorschlägen aus dem EP positiv zu
dem entsprechenden Änderungsantrag bezüglich der
Regelung in Art. 10a Abs. 3 der entsprechenden Typge-
nehmigungsverordnung und nahm diesen grundsätz-
lich – mit Ausnahme des Umsetzungsdatums – an.
Aus Sicht des GDV ist die Verankerung dieser Platt-
form in der Verordnung unabdingbar, um eine freie
Wahl des Verbrauchers für Dienstleistungen und ei-
nen fairen Wettbewerb von Diensteanbietern sicher-
zustellen. Seine Position hatte der Verband in seiner
Stellungnahme dargestellt. Sie findet sich auch in der
gemeinsamen Pressemitteilung mit ADAC (Allgemei-
ner Deutscher Automobil-Club), ZDK (Zentralverband
Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe) und vzbv (Verbrau-
cherzentrale Bundesverband).
Berlin: Dr. Tibor Pataki, [email protected];
Brüssel: Ariane Becker, [email protected]
AssekuranzAgenda Nr. 40 | September/Oktober 2014 5
EuGH-Urteil zum Begriff der Benutzung eines Fahrzeugs
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied am
4. September 2014 zum Vorabentscheidungsersuchen
eines slowenischen Gerichts zum Begriff der Benutzung
eines Fahrzeugs. Folgender Sachverhalt lag vor: Ein Trak-
tor mit Anhänger hat beim Manöver zum Einbringen
von Heuballen in eine Scheune eine Leiter angestoßen
und damit Sturz und Personenschaden der darauf be-
findlichen Person verursacht. Die Eintrittspflicht des Ver-
sicherers der Kraftfahrzeughaftpflicht (KH) wurde mit
der Begründung bestritten, dass der Traktor nicht als
Transportmittel, sondern als Arbeitsmaschine benutzt
worden sei, als der Unfall eintrat. Daher wurde der EuGH
befragt, ob der Traktor als Fahrzeug benutzt wurde.
Im ersten Schritt stellte der EuGH fest, dass ein Traktor
mit Anhänger nach der 1. KH-Richtlinie versicherungs-
pflichtig ist, wenn er seinen gewöhnlichen Standort im
Gebiet eines Mitgliedstaates hat und dort nicht von der
Versicherungspflicht ausgenommen ist. Im zweiten
Schritt legte er den Begriff der Benutzung eines Fahr-
zeugs unter Berücksichtigung des Ziels der KH-Richtlini-
en, nämlich des Verkehrsopferschutzes, so aus, dass die
Benutzung eines Fahrzeugs jede Benutzung eines Fahr-
zeugs umfasst, die dessen gewöhnlicher Funktion ent-
spricht. Der streitige Sachverhalt könnte unter diesen
Begriff fallen; dies zu prüfen liegt nun in der Zuständig-
keit des vorlegenden Gerichts.
In Deutschland wäre das dem EuGH vorgelegte Problem
nicht aufgetreten: Die KH-Versicherung des Traktors hät-
te den Schaden reguliert – unabhängig davon, ob er auf
einem Privatgelände oder öffentliche Plätzen und We-
gen eingetreten wäre. Gleichwohl stellt sich dem deut-
schen Gesetzgeber die Frage, ob in Folge dieses Urteils
die KH-Versicherungspflicht verändert werden muss.
Der GDV wird die weitere Entwicklung kritisch begleiten.
Berlin: Dr. Tibor Pataki, [email protected];
Brüssel: Ariane Becker, [email protected]
Europäische Kommission startet „C-ITS-Deployment Platform“
Im Zuge der zunehmenden Vernetzung von Fahrzeugen ge-
winnen kooperative intelligente Transportsysteme (C-ITS)
immer mehr an Bedeutung. Dabei handelt es sich um
Technologien und Anwendungen, die über drahtlose Tech-
nologien einen Datenaustausch zwischen Elementen und
Akteuren im Verkehrsbereich, und insbesondere zwischen
Fahrzeugen (vehicle to vehicle) oder zwischen Fahrzeugen
und der Infrastruktur (vehicle to infrastructure), erlauben.
Nunmehr hat die Europäische Kommission eine „C-ITS-De-
ployment Platform“ ins Leben gerufen. Dabei geht sie noch
weiter und bezieht auch kooperative Systeme ein, die für
schwächere Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger, Fahrrad-
und Motorradfahrer Anwendung finden. Die Plattform soll
Empfehlungen für eine Roadmap sowie eine Strategie zur
Anwendung von C-ITS in der EU liefern und mögliche Lö-
sungen für einige bereichsübergreifende Fragen identifizie-
ren. Elf Arbeitsbereiche sollen durch die einzelnen Arbeits-
gruppen behandelt werden. Dabei geht es z. B. um eine
Kosten/Nutzen-Analyse, Fallgruppen, rechtliche Fragen,
Datenschutz, technische Fragen und Standards.
Mitglieder der Plattform sind Vertreter verschiedener Ge-
neraldirektionen der Kommission, der Mitgliedstaaten so-
wie einzelner Stakeholder. Der GDV sowie Insurance Euro-
pe werden vertreten sein. Der GDV wird sich in seiner
Mitarbeit vorrangig für eine standardisierte, sichere und
offen zugängliche Fahrzeugschnittstelle einsetzen, die
auch unabhängigen Dritten Zugang zu Fahrzeugdaten er-
möglicht, mit denen diese dann für ihren Kunden Service-
angebote bzw. Dienstleistungen entwickeln können.
Die „C-ITS-Deployment Platform“ trifft sich erstmals am
3. November 2014. Bis Ende 2015 sollen die politischen
Empfehlungen der Kommission vorgelegt werden.
Brüssel: Ariane Becker, [email protected];
Berlin: Dr. Jürgen Redlich, [email protected]
AssekuranzAgenda Nr. 40 | September/Oktober 2014 6
Die diesjährigen Europäischen Verkehrsrechtstage in Lu-
xemburg befassten sich schwerpunktmäßig mit Fragen
zur Entschädigung von Personenschäden mit Blick auf die
volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Qualitätskontrol-
le von Korrespondenten bei Internationalen Schadenfäl-
len und der Perspektive intelligenter Fahrzeuge.
Im Workshop zu intelligenten Fahrzeugen wurden rechtli-
che, technische und praktische Aspekte von automatisier-
tem und autonomem Fahren beleuchtet. Dabei geht es
rechtlich einerseits um die Anpassung von Verkehrsregeln
und Verkehrsinfrastruktur, Datenschutz, aber insbeson-
dere auch um Haftungsfragen: Risiken verschieben sich
von der Verschuldenshaftung in Richtung Gefährdungs-
haftung, je nach dem wie weit der Fahrer noch für das
Verhalten des Fahrzeugs verantwortlich ist. Aber auch auf
der technischen Seite gibt es noch diverse Herausforde-
rungen zu bewältigen, insbesondere im Zusammenhang
mit Konnektivität und IT-Sicherheit. Die Vernetzung des
Fahrzeugs darf nicht zu Lasten der Verkehrssicherheit gehen.
Zahlreiche Fragen sind noch ungeklärt und werden in unter-
schiedlichen Gremien diskutiert: international im World Fo-
rum for Harmonisation of Vehicle Regulations der Economic
Commission of Europe der Vereinten Nationen und auf euro-
päischer Ebene nunmehr auch in der „C-ITS-Deployment
Platform“ der Europäischen Kommission. Es müssen schnel-
le Lösungen zu den noch offenen Fragen gefunden werden,
denn die Automobilindustrie hat das ehrgeizige Ziel, bis zum
Jahr 2020 autonomes Fahren serienmäßig anbieten zu können.
Berlin: Dr. Tibor Pataki, [email protected];
Brüssel: Ariane Becker, [email protected]
Europäische Verkehrsrechtstage diskutieren intelligente Fahrzeuge
AssekuranzLexikon:
Es gibt verschiedene Definitionsansätze, um den Grad des automatisierten oder autonomen Fahrens zu
beschreiben. Oftmals werden beide Begriffe in der Diskussion auch synonym benutzt. Grob kann man jedoch
sagen, dass automatisiertes Fahren sich dadurch auszeichnet, dass verschiedene Assistenzsysteme den Fahrer
beim Fahren unterstützen, er jedoch weiterhin als Fahrer den Ton angibt. Beim autonomen Fahren ändert sich
jedoch die Rolle des Fahrers. Dieser ist nunmehr reiner Kontrolleur; das Fahren selbst – Beschleunigen, Bremsen
oder Lenken – übernimmt das Fahrzeug.
AssekuranzAgenda Nr. 40 | September/Oktober 2014 7
Versicherung grenzüberschreitender Dienstleistungen: Änderungen nicht notwendig
Die Europäische Kommission prüft aktuell die Umset-
zung der EU-Dienstleitungsrichtlinie durch die Mitglied-
staaten. Die 2006 veröffentlichte Richtlinie soll rechtli-
che und administrative Hindernisse für den Handel im
Dienstleistungssektor beseitigen. Die Kommissarin für
Binnenmarkt, Industrie und Unternehmertum, Elzbieta
Bienkowska, erklärte, etwaige Probleme in der Umset-
zung müssten genau analysiert werden, bevor man über
rechtliche Änderungen nachdenken könne. Der GDV be-
grüßt diese Vorsicht.
Die Kommission untersucht derzeit auch die Verfügbar-
keit von Haftpflichtversicherungen für grenzüberschrei-
tende Dienstleistungen (z. B. freie Berufe wie Anwälte
oder in der Bauwirtschaft). Die Ergebnisse einer öffentli-
chen Konsultation hat die Kommission in einem Arbeits-
papier veröffentlicht. Darin werden unterschiedliche na-
tionale Versicherungsanforderungen als problematisch
für den grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr
ausgemacht. Die deutschen und europäischen Versiche-
rer sehen jedoch in der Praxis keine Probleme. Auslands-
deckungen sind im Rahmen betrieblicher und beruflicher
Haftpflichtversicherungen erhältlich. Dies deckt sich mit
dem Tenor der Konsultationsbeiträge: Nur 19 von 462
Antwortenden gaben an, eine benötigte Auslandsdeckung
einmal nicht erhalten zu haben.
Die Arbeiten der Kommission müssen im Gesamtkon-
text gesehen werden: Das Thema grenzüberschreitende
Versicherung wurde bereits in einer Reihe sektoraler
Studien, u. a. zu Rechtsanwälten und der Bauwirtschaft,
untersucht und war auch Gegenstand der Arbeiten ei-
ner Expertengruppe zur Frage der Notwendigkeit eines
europäischen Versicherungsvertragsrechts (EICL). Die
Versicherer stehen der Kommission – nicht zuletzt mit
Blick auf den für 2015 angekündigten Umsetzungsbe-
richt zur Dienstleistungsrichtlinie – weiterhin mit ihrer
Erfahrung und Expertise zur Verfügung.
Brüssel: Christoph Hartl, [email protected];
Berlin: Dr. Karl Ortmann, [email protected]
GVO-Anbau: Verpflichtende finanzielle Garantien sind unpraktikabel
Der 2010 vorgelegte Verordnungsvorschlag zur Ände-
rung einer Richtlinie zur Möglichkeit der Mitgliedstaa-
ten, den Anbau von genetisch veränderten Organismen
(GVO) auf ihren Hoheitsgebieten zu beschränken oder
zu untersagen befindet sich weiterhin im Gesetzge-
bungsprozess. Der Umwelt- und Gesundheitsausschuss
(ENVI) des Europäischen Parlaments (EP) berät derzeit
über den Entwurf einer Empfehlung für die zweite Le-
sung. Er greift eine Forderung der 2011 angenomme-
nen EP-Entschließung wieder auf. Mit mehreren Ände-
rungsanträgen unterstützt er ein System der Haftung
und finanziellen Garantien wonach alle Wirtschaftsteil-
nehmer für Schäden haften, die sich aus der absichtli-
chen Freisetzung oder dem Inverkehrbringen von GVO
ergeben könnten.
Der GDV befürchtet erhebliche wirtschaftliche Auswir-
kungen einer solchen Regelung: Die Änderung würde
eine große und inhomogene Gruppe betreffen. Nicht
nur Labore, sondern auch Landwirte sowie Futter- und
Lebensmittelhersteller bzw. -händler können GVO frei-
setzen oder in den Verkehr bringen. Es wird für sie kaum
oder gar nicht möglich sein, finanzielle Garantien beizu-
bringen. In der Praxis würde dies in Form einer Pflicht-
Haftpflichtversicherung geschehen. Die deutschen Haft-
pflicht-Versicherungsbedingungen schließen jedoch
Gentechnik-Risiken in aller Regel vom Versicherungs-
schutz aus. Es gibt in Deutschland daher keine ent-
sprechende Versicherung, v. a. nicht für den gesamten
Lebensmittel- und Futtermittelsektor. Mangels finanzi-
eller Garantien müssten die betroffenen Marktteilneh-
mer Produktion und Handel einstellen.
Die Mitgliedstaaten haben ihren Standpunkt im Juli
2014 angenommen. Dieser sieht keine Regelung zu
finanziellen Garantien vor. Im ENVI-Ausschuss soll am
5. November 2014 über die Empfehlung abgestimmt
werden.
Brüssel: Christoph Hartl, [email protected];
Berlin: Alice Tenschert, [email protected]
AssekuranzAgenda Nr. 40 | September/Oktober 2014 8
Nachdem sich im Juni 2014 die Mitgliedstaaten auf eine
teilweise allgemeine Ausrichtung zum Themenkomplex
„Internationaler Datentransfer“ einigen konnten, ist nun
der italienischen Ratspräsidentschaft ein weiterer Fort-
schritt bei den Verhandlungen der EU-Datenschutz-Ver-
ordnung gelungen. Auf der Sitzung der Justiz- und In-
nenminister Anfang Oktober 2014 wurde eine weitere
teilweise allgemeine Ausrichtung erreicht, die das Kapi-
tel 4 des Verordnungsvorschlags betrifft. Die Vorschläge
der Minister sehen eine Stärkung des risikobasierten Ansat-
zes vor, wonach sich die Pflichten der datenverarbeitenden
Stellen stärker nach den Risiken der Datenverarbeitung rich-
ten sollen. Darüber hinaus sind die Vorschriften zur Datensi-
cherheit, Auftragsdatenverarbeitung und zu Codes of Con-
duct Gegenstand der Einigung gewesen.
Der Rat der EU geht somit themenspezifisch in seinen
Beratungen voran. In der Ratsarbeitsgruppe DAPIX wird
derzeit intensiv das Kapitel 9 diskutiert, das auch die Ver-
arbeitung von Gesundheitsdaten in bestimmten Berei-
chen umfasst. Erstmals wurde eine versicherungsspezi-
fische Erlaubnisnorm von den Mitgliedstaaten diskutiert,
die von der Bundesregierung vorgeschlagen wurde. Die-
se Erlaubnisnorm würde die Rechtssicherheit bei der
Verarbeitung von Gesundheitsdaten in der Branche stär-
ken. Es ist allerdings unklar, ob der Vorschlag im Rat
mehrheitsfähig ist, da sich einige Mitgliedstaaten dies-
bezüglich kritisch geäußert hatten.
Die italienische Ratspräsidentschaft hofft, bei der nächs-
ten Tagung der Justiz- und Innenminister Anfang Dezem-
ber 2014 eine dritte teilweise allgemeine Ausrichtung zu
Kapitel 9 zu erreichen. Wann der Trilog zur gesamten Ver-
ordnung beginnen wird, bleibt aber weiterhin ungewiss.
Die bisherigen allgemeinen Ausrichtungen waren nicht
mit einem Trilog-Mandat verbunden.
Brüssel: Andrea Lode, [email protected];
Berlin: Hanna Mathes, [email protected]
Weitere Fortschritte bei Verhandlungen zur Datenschutz-Verordnung im Rat der EU
Internationale GDV-Konferenz zur Versicherungsaufsicht in Berlin
Am 13. Oktober 2014 veranstaltete der GDV seine 11. In-
ternationale Konferenz zur Versicherungsaufsicht. Teilneh-
mer und Diskutanten zeigten einmal mehr, dass die globa-
le Regulierungsdebatte eine immer größere Rolle spielt.
Europa ist auf diese Diskussion bestens vorbereitet. Mit
dem neuen Versicherungsaufsichtsregime Solvency II wer-
den ab 1. Januar 2016 hochentwickelte Aufsichtsregeln
angewendet (siehe Leitartikel). Die Finalisierung von Sol-
vency II war auch der Ausgangspunkt der Konferenz.
Die Entwicklung weltweiter Kapitalregeln sollte nach eu-
ropäischen Vorstellungen darauf aufsetzen. Daher soll-
ten die europäischen Vertreter auf internationaler Ebene
dafür Sorge tragen, dass die Inhalte von Solvency II ange-
messen in die internationalen Standards einfließen.
Berlin: Götz Treber, [email protected];
Brüssel: Florian Wimber, [email protected]
v.l.n.r. Dr. Jörg Schneider, Monika Köstlin, Dr. Immo Querner, Dagmar Völker, Dr. Werner Kerkloh
AssekuranzAgenda Nr. 40 | September/Oktober 2014 9
Im September fand der traditionelle Sommerempfang
des GDV in Brüssel statt. Verbandspräsident Dr. Alexander
Erdland betonte in seiner Begrüßung die Unterstützung
der deutschen Versicherungswirtschaft für die Reform
der Finanzmarktregulierung, die von dem europäischen
Gesetzgebern in den vergangenen Jahren auf den Weg
gebracht wurde. Gleichzeitig mahnte er jedoch zu Be-
sonnenheit und Augenmaß. Im Fokus der Versicherer
stehen insbesondere die Überarbeitung der Richtlinie zum
Versicherungsvertrieb (IMD2) und die Implementierung des
Versicherungsaufsichtssystems Solvency II. Gastredner Oli-
vier Guersent, zuständiger Stellvertretender Generaldirek-
tor der Europäischen Kommission, betonte die Bedeutung
der zielführenden und konsistenten Umsetzung der Ent-
scheidungen der letzten Jahre. Man sei zwar bereits einen
weiten Weg gegangen, aber noch nicht am Ziel angekom-
men. So müsse die too-big-to-fail-Problematik, nicht nur
im Bankensektor, noch genau untersucht werden.
GDV-Sommerempfang: Versicherer unterstützen Reform der Finanzmarktregulierung
Dr. Alexander Erdland (links), Olivier Guersent (rechts)
Europabüro
51, rue Montoyer 1000 BruxellesTel.: +32-2-28247-30 Fax: +32-2-28247-39 [email protected]
AssekuranzAgenda Nr. 40 | September/Oktober 2014
Impressum:
Herausgeber:Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV)
Verantwortlich:Barbara Gallist
Redaktion:Andrea Lode
GDVWilhelmstraße 43/43 G10117 Berlin Tel.: +49-30-2020-5000Fax: [email protected]