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Peressigsäure-Desinfektion (I) Grundlagen und Anwendungen der modernen Gerd Schreiner FACHAKADEMIE FÜR ANGEWANDTE HYGIENE Bitterfeld-Wolfen www.angew-hygiene.de

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Peressigsäure-Desinfektion (I)

Grundlagen und Anwendungender modernen

Gerd Schreiner

FACHAKADEMIE FÜR ANGEWANDTE HYGIENEBitterfeld-Wolfen

www.angew-hygiene.de

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6.6.16.26.37.

7.17.27.3

7.4

7.4.1

7.4.2

7.4.37.4.47.4.5

7.4.5.17.4.5.2

8.9.

DesinfektionAllgemeinesWirkungsspektrum der PES“Blitzwirkung” der PESDas Wofasteril-Kombiverfahren vonder Idee zum ErfolgVorleistungenDie Aufhebung der KorrosivitätAuswirkungen der Alkalisierung auf das Stoffsystem PESVom Laborexperiment zum praxistauglichenDesinfektionsverfahren

Wichtige Einsatzgebiete desWofasteril-KombiverfahrensLiteratur

Anhang: Merkblätter für Einsatzkräfte

......................................................16

......................................................16.............................16

......................................17

...........................................17....................................................17

.........................18

................................................19

......................................20

..............................29.............................................................30

...............31

Listungen bestätigen die enormeDesinfektionsleistungFehlerquellen beim Wofasteril (E400)-KombiverfahrenDosiertechnik und FixverhältnisApplikationsverfahrenKontrolle des AHP-Gehaltes von PES-Lösungen normal und alkalisiertTitrationsverfahrenPES-Teststäbchen von Merck

........................................20

.................................................24........................25

........................................26

........................28..........................................28

...........................29

1982 Nationalpreis der DDR für Wissenschaft und Technik.

1991 mit Ehefrau Birgit - ebenfalls Dipl.-Chem. - Gründer und Ge-schäftsführer der Kesla Chemie GmbH (später Kesla Pharma Wolfen GmbH). Diese wird 1993 Rechtsnachfolgerin der Pharmasparte der Farbenfabrik Wolfen im Chemiekombinat Bitterfeld und übernimmt hier die seit 1970 bestehende Produk-tionsstätte für Peressigsäure-Spezialitäten (Wofasteril).

Seither auch mit der Weiterentwicklung von PES-Spezialitätenund deren Anwendungsverfahren beschäftigt.

2003 Errichtung der Schreiner-Stiftung für Forschung und Bildung, die jetzt Mehrheitseignerin der Kesla-Unternehmens-gruppe ist. Seit Gründung der Fachakademie für angewandte Hygiene als Fortbildungswerk der Stiftung ist der Autor auchVorsitzender des wissenschaftlichen Beirates und steht in der Fachakademie für die Lehrgebiete „Chemie der Mikrobizide“ sowie „Chemisch-physikalische Grundlagen der Reinigung & Desinfektion“.

Inhalt

Der lautlose Krieg

1.

1.11.21.31.41.51.62.2.12.2

2.33.3.13.24.4.14.24.35.

5.15.25.35.4

Historische Meilensteine derPeressigsäure-DesinfektionFreer und Novy 1902D’Ans und Frey 1912Greenspan und McKellar 1951Kline und Hull 1960Sprößig und Mücke (ab 1961)Wofasteril 1969Was ist Peressigsäure wirklich?Acetylierungsstufen des WPOVom “ballistischen Geschoss” WPO zurTrägerwaffe AHPAHP oder PES?Das PES-GleichgewichtMassenwirkungsgesetzModell der kommunizierenden RöhrenStabilität von AHP in wässriger LösungHydrolysePeroxidzerfallGefahrstoffklasse 5.2Korrosion von Eisenmetallen durchPES-LösungenUrsacheSäurekorrosionSauerstoffkorrosionAufhebung der Eisenkorrosion

..................................2............................................2............................................3

..............................3...............................................3

...............................4.....................................................4

............................5...............................5

....................................................6.....................................................7

........................................8.........................................8

...................9...............10

............................................................10.......................................................11

...........................................12

....................................................14...............................................................14

....................................................14.............................................15

............................15

Zum Autor

Dipl.-Ing. (FH) in Textilveredlung (Reichenbach/V.1966). Dipl.-Chemiker (Universität Halle 1972), Fachchemiker für Textil-chemie (TU Dresden 1976), Dr.-Ing. (MTI Moskau 1977).

Zuerst Anwendungsingenieur, dann als leitender Chemiker ist Dr. Schreiner in der industriellen Forschung der Farbenfabrik Wolfen tätig. Bis 1990 über 25 Publikationen, mehr als 30 Patente,

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Lautloser Krieg

Fast überall herrscht Kriegszustand - unsichtbar,

lautlos und ohne Ende. Auf einer Seite die Urformen

des Lebens: Bakterien, Pilze, Viren. Darunter etliche

Krankheitserreger - ausgestattet mit kaum

Vermehrungsfähigkeit und raffiniertenvorstellbarer

Überlebensstrategien. Geraten Bazillen in Gefahr,

bilden sie im Inneren Sporen von unglaublicher

Robustheit - biologische Zeitzünderbomben, die

Trockenheit, Siedehitze und extreme Kälte

unbeschadet überstehen. Praktisch gewichtslos,

werden sie unaufhörlich durch Luft und Wasser

verbreitet. Bis die gepanzerten Keime genügend

Wasser und Nährstoffe vorfinden, um aus ihrem

Scheintod zu erwachen. Explosionsartiges

Wachstum bricht sich dann Bahn: Pro Tag Milliarden

Nachkommen aus einem einzigen Keim.

Auch Viren, Formen an der äußersten Grenze des

Lebens, sind gefährliche Gegner. Außerhalb von

lebenden Zellen nur passive Materie, aber mit dia-

bolischer Struktur. Ausgestattet mit der Fähigkeit zur

Durchdringung der Zellwand, sabotiert der Virus dort

die normale Funktion der Zelle. Sie muss von nun an

bis zum Tod „Vampire“ nach fremdem Vorbild fabri-

zieren. Geschützt durch die Wände der mißbrauch-

ten Zellen wächst fremde Brut zur Invasion neuer

Zellen heran. Eine Kettenreaktion mit oft unheil-

vollen Folgen.

Aber auch die Gegenseite - der Mensch - hat wir-

kungsvolle Waffen in diesem lautlosen Krieg: Es sind

Desinfektionsmittel - insbesondere die modernen

Peressigsäure-Spezialitäten. 1986 eröffnet R. A.

Simms, Repräsentant der britischen Solvay Interox

Ltd. einen Vortrag in Wolfen mit dem Credo:

„Peracetic acid is the best Desinfecting/ Sterilising Active Ingredient in the World.“

Kürzer und besser kann man es nicht ausdrücken

Peressigsäure (kurz PES) tritt in der Praxis nie als chemi-sches Individuum auf, sondern stets als Stoffsystem von (mindestens) vier Komponenten. Diese stehen normalerweise untereinander in einem chemischen Gleichgewicht. In diesem Gleichgewicht kann man keine Komponente verändern, ohne dass sich die anderen ebenfalls ändern.

PES ist nicht nur eines der faszinierendesten

Stoffsysteme, das man sich vorstellen kann, PES ist

auch einer der verlässlichsten Helfer, eine der

machtvollsten Waffen des Menschen im lautlosen

Krieg. Aber der gezielte Einsatz dieses Des-

infektionsmittels der Superlative erfordert ein

Minimum an Kenntnis über seine chemischenEigenheiten. Diese unterscheiden sich von der

Mehrzahl aller bekannten mikrobiziden Wirkstoffe.

Das hier erarbeitete Lehrmaterial soll die wichtigsten

Grundlagen zum Verständnis der PES-Chemie so

darlegen, dass der Leser zur bewussten Anwendung

befähigt wird und das große Potential dieses

Stoffsystems gefahrlos und stoffgerecht nutzen

kann.

1. Historische Meilensteine der Peressigsäure-Desinfektion

1.1 Freer und Novy 1902

In der historischen Rückschau der Peressigsäure-

Desinfektion offenbart sich der Nutzen fachüber-

greifender Zusammenarbeit zwischen Chemie, Bio-

logie und Medizin schon von Anbeginn und in selten

klarer Ausprägung. Die erste maßgebende Veröf-

fentlichung über die immense keimtötende Wirkung

der Peressigsäure stammt von Paul C. Freer und

Frederick G. Novy aus den Laboratorien für Allge-

meine Chemie und Hygiene der Universität von

Michigan, Ann Arbor. /1/ Der Beitrag wird 1902 im

American Chemical Journal unter dem Titel „On the

formation, decomposition and germicidal action of

benzoyl acetyl and diacetylperoxides“ veröffentlicht.

Er umfasst 31 Seiten. 27 Seiten sind der Chemie

gewidmet, die letzen vier beschäftigen sich mit den

germiziden Effekten. Bemerkenswert ist aber schon

die Herkunft der Arbeit. Es ist bis heute im universi-

tären Bereich eher die Ausnahme, dass Chemie und

Hygiene unter einem gemeinsamen Dach friedlich

und fruchtbar koexistieren können.

3

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1.2 d'Ans und Frey 1912

Die verdiente große Resonanz der Fachwelt auf

diese Pionierarbeit läßt auf sich warten. 10 Jahre

später stellen d'Ans und Frey zunächst einmal fest,

dass das reine organische Peroxid äußerst explosiv

ist /2/. Interessierte aller mit Hygieneproblemen

befassten Wissensbereiche ermuntert ein solcher

Befund kaum dazu, mit dieser zwar bemerkens-

werten, aber möglicherweise auch mit exorbitanten

Risiken behafteten Substanz weiter zu experimen-

tieren. Negatives breitet sich schneller aus und

haftet länger.

1.3 Greenspan und McKellar

Erst nach den beiden folgenden Weltkriegen taucht

die PES wieder auf. In den Jahren von 1950 bis 1960

erscheinen - gleichsam wie „Weckrufe“ - vier Arbei-

ten im englischsprachigen Raum: 1951 die Arbeit

von Greenspan und Mc Kellar in den USA über

frappierende Ergebnisse bei der Bekämpfung von

Schimmelpilzen und Hefezellen auf Tomaten. PES

belegt Platz 1 unter allen geprüften Mikrobiziden und

das mit weitem Abstand /3/.

1956 berichtet Lowings über die Wirkung von Mikrobiziden beim Schutz von Erdbeeren vor Verpilzung in der englischen Grafschaft Kent im offenbar sehr nassen Jahr 1955. Nur ein einziges der geprüften und potenziell lebensmitteltauglichen Mikrobizide ist geeignet: PES! /4/

1957 teilen Trexler und Reynolds Resultate zum erfolg-reichen Einsatz von PES bei der keimfreien Aufzucht von Versuchstieren mit /5/.

1.4 Kline und Hull

1960 schließlich erscheint ein Artikel von Kline und

Hull mit aufsehenerregenden Ergebnissen über die

Viruzidie der PES /6/. Mit 0,04 % PES erreichen die

Autoren beim Poliovirus Typ I, einem der resisten-

testen Viren überhaupt, eine Titerreduktion um 7,5

log-Stufen. Für den äquivalenten Effekt benötigt man

beim WPO die 75fache Konzentration und die

15fache Einwirkzeit (EWZ), bei Formaldehyd die

125-fache Konzentration und die 6fache EWZ und

bei Phenol gar die 500fache Konzentration und mehr

als das 250fache der EWZ. Bei den meisten der ge-

prüften Wirkstoffe und Handelsprodukte wurde eine

solche Titerreduktion überhaupt nicht erreicht.

Bild 1 fasst die für uns wichtigsten Ergebnisse dieser

bahnbrechenden Arbeit tabellarisch zusammen. Die

Aussagen sind sensationell. Die linke Seite der

Tabelle stellt eine durchgehende Erfolgsbilanz dar:

Die „Hydrolysed Acetyl Peroxide“ genannte Sub-

stanz liquidiert alle geprüften Keime (grünes Feld mit

Minuszeichen) - die meisten schon nach einer

Minute Einwirkzeit (EWZ), die resistentesten nach

drei Minuten.

Die Konzentration des „hydrolysierten Acetylper-

oxides“, das wir heute irreführend als Per-essigsäure (PES) bezeichnen, wurde auf Aktiv-

sauerstoff (AO) umgerechnet.

Die Molmasse von atomarem Sauerstoff AO beträgt 16, die von PES 76. Der Umrechnungsfaktor von PES zu AOist 16/76 = 0,21. Will man umgekehrt wissen, wie viel PES 0,026 % AO sind, muss man durch 0,21 teilen. Man kommt so auf eine PES-Konzentration von 0,12 %, mit der damals diese sensationellen Resultate erzielt wurden.

Auch ist bemerkenswert, dass sich unter den Prüf-

keimen bereits Milzbrandsporen (Spores anthrax

B.) befanden. Diese spielen für die Perversionen

einer biologischen Kriegführung bzw. beim Bioterro-

rismus eine besondere Rolle.

Die rechte Seite der Tabelle in Bild 1 ist das Gegen-

teil der linken. Mit Ausnahme der empfindlichen

Choleravibrionen und der Sporen des Heubazillus

bleibt Wasserstoffperoxid (WPO) erfolglos gegen

die Mehrzahl der Keimarten (rotes Feld und Pluszei-

chen: beim Versuch überleben vermehrungsfähige

Keime). Beim WPO ist der Umrechnungsfaktor

16/34 = 0,47. Die angegebene WPO-Lösung mit

0,05%AO enthielt also 0,1% H O .2 2

Wirkungsvergleich PES und H O2 2(aus: P.C. Freer u. F.G. Novy: Am Chem J. Vol. Vol. XXVII,March, 1902, No. 3, p161 - 192Laborities of General Chemistry and of Hygiene, University of Michigan

Bild 1

4

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duktenforschung („Z-Labor“) der Farbenfabrik gearbeitet. Wissenschaftlicher Leiter des Z-Labors und Doktorvater von Mücke war Prof. Dr. Alfred Rieche, der in Personal-union den Lehrstuhl für Technische Chemie der Universität Jena innehatte und als ausgewiesener Spezialist für orga-nische Peroxide gilt. Eine damals vorbildliche Verquickungvon Industrieforschung und Hochschullehre.

Ende 1961 findet Mücke im „Chemischen Zentralblatt“ die Kurzfassung des Artikels von Kline und Hull /6/. Man kann sich vorstellen, wie die Aussagen über die Wirksamkeit von PES gegen Polioviren damals einen medizinischen Mikrobiologen elektrisiert haben müssten. Aber: Hätte ein Chemiker ohne Verbindung zur Virologie davon Notiz genommen? Was hätte andererseits ein Mediziner getan,der nicht weiß, woher er diese interessante aber auch ziemlich exotische PES bekommt? Zu Anfang der 1960er Jahre gibt es noch keine Bezugsquelle für PES.

Der eben zum Professor berufene Martin Sprößig erkennt sehr wohl seine wissenschaftliche Profilierungschance mit einer solchen Substanz der Superlative. Auch verfügt er als Institutsdirektor über das Potenzial des modernsten unter den virologischen Labors der damaligen DDR. Dazu hat er einen Chemiker im eigenen Haus, der von seinem Doktorvater Rieche her die Chemie der organischen Peroxide kennt und es für machbar hält, die für Test-versuche erforderliche PES selbst herzustellen.

Mit dieser bemerkenswerten Konstellation beginnt

eine wissenschaftlich aufregende Zeit. Bisweilen

sind die Ergebnisse so spektakulär, dass man sich

vor der Veröffentlichung scheut und an Fehler beim

Experimentieren glaubt. Nein, es sind keine Fehler,

es ist die unglaubliche Wirksamkeit der PES. Im

Oktober 1963 tragen Sprößig und Mücke erstmals

ihre Ergebnisse über die viruzide Wirksamkeit von

PES/Alkohol-Gemischen auf der Jahrestagung der

Gesellschaft für Seuchenschutz in Leipzig vor.

1.6 Wofasteril

1965 kommt es dann zu einer immer engeren kon-

struktiven Zusammenarbeit zwischen dem Erfurter

Arbeitskreis und der Pharmasparte der Farbenfabrik

Wolfen, die vom Pharmazierat Dr. Manfred Möhring

geleitet wird. 1969 wird die Farbenfabrik Wolfen ins

neue Chemiekombinat Bitterfeld eingegliedert. Die

Kooperation gipfelt in der Schaffung des überaus

effektiven Desinfektionsmittels Wofasteril auf Basis

einer 40 % (G/V) Gleichgewichts-PES.

Dem geht eine etwa 20 % (G/V)-PES voraus, die aber in Wirkung und Materialökonomie bezogen auf das damals nur in begrenzten Mengen verfügbare 70 % H O - bei 2 2

praktisch gleicher Sicherheit durch die höher konzentrierte Version deutlich übertroffen wird. Auch in der CSSR entscheidet man sich für ein vergleichbar hoch konzen-triertes PES-Produkt mit der Bezeichnung Persteril .

Die Resultate von Kline und Hull auf einen Blick:0,04 % PES führten beim Poliovirus Typ 1 zu einerTiterreduktion von 7,5 log-Stufen.

Für den äquivalenten Effekt waren erforderlich:

15fach

6fach

250fach

Wasserstoff-peroxid

Formaldehyd

Phenol

Wirkstoff

75fach

125fach

500fach

Konzentration Einwirkzeit

Mit diesem letzten Signal endet der „Dornröschen-

schlaf“ der PES. Es sind nun zwei osteuropäische

Institutionen, an denen die PES als Mikrobizid richtig

und dauerhaft zum Leben erwacht. Die zwei Arbeits-

kreise bilden sich etwa zeitgleich und profilieren sich

für viele Jahre als wissenschaftliche Gravitations-

zentren der PES-Anwendung: In der damaligen

CSSR ist es der um den Generalmajor Prof. Dr.

Bohumil Tichacek am Militärmedizinischen Institut

für Hygiene und Epidemiologie in Prag /7/ und - für

mehr als ein Vierteljahrhundert - der Arbeitskreis um

Prof. Dr. Martin Sprößig und Dr. Horst Mücke am

Institut für Medizinische Mikrobiologie und Epi-

demiologie der Medizinischen Akademie Erfurt /8/.

Die in beiden Arbeitskreisen durchgeführten Studien

kann man mit Recht als Auftakt zu einer echten

„Sternstunde der Desinfektion“ bezeichnen. Die be-

teiligten Wissenschaftler erfahren allerdings erst

1966 voneinander. Danach besteht zwischen beiden

Arbeitskreisen für viele Jahre ein reger kollegialer

Erfahrungsaustausch.

1.5 Sprößig und Mücke (ab 1961)

Wenn wir nun etwas eingehender über die Situation in Erfurt sprechen, bedeutet das keine Wertung, sondern ist dem besseren persönlichen Kenntnisstand geschuldet. Am Institut für Medizinische Mikrobiologie der Medizi-nischen Akademie treffen 1961 zwei Wissenschaftler zu-sammen, die gemeinsam die Voraussetzungen für frucht-bare, erfolgreiche und nachhaltige Forschung haben. Es sind dies der Chemiker Horst Mücke und der Mediziner Martin Sprößig.

Mücke war von der Farbenfabrik Wolfen nach Erfurt gegangen und trat 1960 eine Stelle am Institut für Medi-zinische Mikrobiologie der Medizinischen Akademie an. Vorher hatte er als Doktorand im Labor für Zwischenpro-

Bild 2

5

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2. Was ist Peressigsäure wirklich?

2.1Acetylierungsstufen des WPO

Verkehrsübliche PES ist 1. keine Monoverbindung

und 2. ist der eigentliche mikrobizide Wirkstoff auch

keine Säure im traditionellen chemischen Sinne.

Dazu werfen wir einen Blick auf Bild 5.

Hier sind die beiden Acetylierungsstufen von

Wasserstoffperoxid und die mit der Molekülver-

änderung einhergehenden Eigenschaftsänderun-

gen tabellarisch dargestellt.

H O ist ein naher Verwandter des Wassers und da-2 2

her mischen sich beide miteinander in jedem Ver-

hältnis. Die hydrophilen („wasserliebenden)

Strukturelemente sind im Bild blau markiert. Mit Ölen

und anderen unpolaren Kohlenwasserstoff-

verbindungen sind weder Wasser noch sein Peroxid

mischbar. Ersetzt man aber ein Wasserstoffatom

durch einen lipophilen („fettliebenden“) Acetylrest,

entsteht ein Molekül Acetylhydroperoxid, künftig

mit AHP abgekürzt. AHP hat ein lipophiles („fettlie-

benden“) Ende, das hier gelb gekennzeichnet ist und

ein hydrophiles Ende (blau markiert). Diese lipophil-

hydrophile Polarität verleiht dem AHP die außer-

ordentlich wertvolle Fähigkeit, sich sowohl unbe-

grenzt mit Wasser als auch mit fettähnlichen Sub-

stanzen zu mischen.

+mäßig

+++maximal

(+)gering

Acetylierungsstufen von H 02 2Löslichkeit in Wasserund Öl

AntimikrobielleWirksamkeit

wasserlöslichöllöslich

nicht wasserlöslichöllöslich

wasserlöslichnicht öllöslich

+ CH COOH3

- H O2

+ CH COOH3

- H O2

- CH COOH3

+ H O2

Acetylhydroperoxid(”Peressigsäure”)

Diacetylperoxid

Wasserstoffperoxid

O

OOHCCH3

O

CCH3

O

OOC CH3

HOOH

- CH COOH3

+ H O2

Acetylierung(Veresterung) Hydrolyse

Bild 5

Nicht zu verwechseln sind diese speziell als Des-infektionsmittel entwickelten PES-Konzentrate mit der bei der Degussa und von 1958 bis 1997 auch bei der britischen Solvay Interox hergestellten 40 %igen Epoxidierungs-PES.

1969 startet die Pilotproduktion des Desinfek-

tionsmittels Wofasteril, 1972 geht eine prozess-

gesteuerte Anlage in Betrieb. Im gleichen Jahr erhält

Wofasteril in der damaligen DDR die Zulassung.als

Arzneimittel für die Haut- und Händedesinfektion.

Mit Aufnahme der Wofasteril-Produktion regt sich in

nahezu allen Hygienebereichen das Interesse an

der Erprobung des neuen Desinfektionsmittels der

Superlative.

Treffen der “Wofasteril-Pioniere” im Oktober 2003 zum Symposium ”Peressigsäure - gestern, heute, morgen”.Von links: Prof. Kurt Wendt, Prof. Eberhard Werner, Dr.Manfred Möhring, Prof. Martin Sprößig, Dr. Peter Trenner,Reinhard Steffler, Dr. Horst Mücke, Dr. Gerd Schreiner

Über die Eigenschaftsunterschiede als Folge des unterschiedlichen Aufbaues dieser beiden 40 %igen PES-Produkte wird später noch eingegangen.

Bild 3

Bild 4

6

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Die in biologischen Systemen vorhandenen Mem-

branen mit fettartigen Phospholipid-Zwischen-

schichten grenzen Wasser und WPO aus, sind aber

kein Hindernis für eine polar aufgebaute Substanz

wie AHP (Acetylhydroperoxid). So verwundert es

auch nicht, dass dieser Abkömmling des H O das 2 2

Maximum an mikrobizider Wirksamkeit erreicht.

Wird nun noch das zweite H-Atom durch eine Acetyl-

gruppe ersetzt, entsteht das bei Raumtemperatur

wachsähnliche Diacetylperoxid. Hier überwiegen

jetzt die lipophilen Strukturelemente. Diese Sub-

stanz ist leicht öllöslich. Die Wasserlöslichkeit ist

sehr begrenzt und eine antimikrobielle Wirksamkeit

kaum noch vorhanden.

Wir erinnern uns an dieser Stelle, dass Freer und

Novy durch Hydrolyse von mikrobiell inaktivem

Diacetylperoxid einen machtvollen Wirkstoff gegen

Bakterien und Sporen fanden, der wasserlöslich

war und den sie als „Hydrolized Acetyl Peroxide“

bezeichneten. Das ist im Schema der Weg von

unten nach oben. Heute wird der Wirkstoff AHP in

umgekehrter Richtung durch einer der Veresterung

analoge Reaktion von WPO mit Essigsäure

hergestellt. Die Bezeichnung Acetylhydroperoxid

trifft den chemischen Sachverhalt weitaus besser,

wenn man von dem mikrobiziden Wirkstoff spricht.

Später haben sich weltweit die Bezeichnungen

Peressigsäure, Peroxyessigsäure, Peracetic acid

oder Peroxyacetic acid etabliert, deutsch als PES

und englisch als PAA abgekürzt. Es ist sehr sinnvoll,

die handelsüblichen Gleichgewichts-Peressig-

säuren als PES oder PAA zu bezeichnen. Es sind

Stoffgemische aus mindestens vier Komponenten,

von denen allein das AHP für die mikrobizide

Wirkung verantwortlich ist.

2.2 Vom „ballistischen Geschoss“ WPO zur„Trägerwaffe AHP“

Warum wirkt WPO als Muttersubstanz aller orga-

nischen Peroxide so schwach mikrobizid im Ver-

gleich zu ihrem Abkömmling AHP? WPO hat gegen-

über AHP zwei wesentliche Handicaps: 1. Es durch-

dringt infolge seiner fehlenden Öl- oder Fettlöslich-

keit nur schwer biologische Membranen, die

Sperrschichten aus Phospholipiden besitzen. 2. Seit

die Evolution die Sauerstoffatmung „erfand“,

entstehen innerhalb (aerober) Zellen ununter-

brochen radikalische Sauerstoffverbindungen als

Stoffwechselprodukte. Die wirken stark zelltoxisch.

Für das Überleben in Sauerstoffatmosphäre müssen

also sehr effektive Entgiftungsenzyme vorhanden

sein. Von diesen sind vor allem zwei wichtig, die

Hand in Hand arbeiten:

1. Die Peroxidase-Dismutase. Sie verwandelt

radikalische Sauerstoffverbindungen in WPO:

+2 O + 2 H + O2 2

. Die eisenhaltige Katalase. Diese entsorgt das

gebildete WPO sehr rasch durch Spaltung in Wasser

und molekularen Sauerstoff:

2 2 H O + O2 2

Wir können uns deshalb die meisten aeroben Mikro-

ben wie durch eine Art „Katalase-Schutzschild“ /10/

umhüllt denken, an denen die von außen auftreffen-

den WPO-Moleküle wie ballistische Projektile ohne

ausreichende Durchschlagskraft zerplatzen.

(Bild 6A)

Ihr Aktivsauerstoff wird durch die hocheffiziente

Katalase zu harmlosem Luftsauerstoff deaktiviert.

Nicht so bei AHP. Aus Sicht der Mikroben würde die

AHP-Bildung aus Essigsäure und H O wie die Mon-2 2

tage einer höchst bedrohlichen Trägerwaffe erschei-

nen, gegen die es keine Verteidigung gibt: Weder

sind die Lipidschichten der Zellmembranen in der

Lage Schutz zu geben, noch ist das WPO-zer-

setzende Enzym Katalase gegen AHP wirksam./10/

H O2 2

H O2 2

2

7

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Bild 6

Die hervorragend lipidlöslichen PES-Moleküle

durchdringen alle schützenden Zellmembranen und

transportieren ihre für die Mikroorganismen lebens-

gefährliche Aktivsauerstoff-Fracht bis zu den unge-

schützten und oxidationsempfindlichen Stoffwech-

selenzymen im Mikrobeninneren (Bild 6 B). Bevor-

zugt werden Strukturelemente mit SH- oder S-S-

Gruppen aufoxidiert. Sie verlieren dadurch irrever-

sibel ihre Funktionstüchtigkeit, der Zellstoffwechsel

bricht zusammen.

2.3 VomAHP zur Peressigsäure?

Erst rund ein Jahrzehnt nach Entdeckung der fabel-

haften germiziden Eigenschaften des AHP durch

Freer und Novy erscheint in der chemischen Fach-

literatur wieder ein größerer Artikel zum Thema. Es

ist der Beitrag „Direkte Darstellung organischer

Persäuren“ von d'Ans und Frey aus dem Chemi-

schen Institut der TH Darmstadt. Die Autoren stellen

fest, dass die Umsetzung von organischen

Carbonsäuren mit Wasserstoffperoxid als Gleichge-wichtsreaktion abläuft und durch Mineralsäuren

katalysiert werden muss.

Reine PES

lässt sich so nicht darstellen. Das ist auch nicht

empfehlenswert, denn das von Frey als

„Peressigsäure“ dargestellte AHP ist in reiner Form

„... eine wasserklare, glänzende Flüssigkeit vom

Schmelzpunkt + 0,1 °C. Sie ist äußerst explosiv.“/2/

Solche Reaktionen bleiben

bei einem bestimmten Umsatzgrad stehen, wo sich

Bildung und Zerfall die Waage halten.

Katalase-Schutzschild

O

AO

AOAO

AO

O

Peressigsäure-molekül

Wasserstoff-peroxidmolekül

Aktivsauerstoff inAktion

AO

AO

A) WPO - Angriff B) AHP - Angriff

Aktivsauerstoffmolekular gebunden

AO

Deaktivierung des AO amKatalase-Schutzschild

Durchdringung desKatalase-

Schutzschildes

AO

Schemabild der mikrobiziden Wirkungvon A) Wasserstoffperoxid (WPO) und B) Acetylhydroperoxid (AHP)

Zwei Sachverhalte aus dieser Arbeit prägen das Bild

der PES bis in die heutige Zeit, obwohl sie so nicht

uneingeschränkt zutreffen:

Die Namensgebung „-säure“ und das Image einer

explosionsgefährlichen Substanz.

Die Bezeichnung „Peressigsäure“ oder „Peroxyessig-säure“ für das Reaktionsprodukt einer Monocarbonsäure wie der Essigsäure mit WPO ist nicht zutreffend. Die Säurefunktion der Essigsäure entsteht nämlich durch die Fähigkeit der Carboxygruppe zur Dissoziation in ein

+Wasserstoffion H (das ist die eigentliche „Säure“!) und ein -Carboxylatanion -COO

--COOH -COO +

Für die Existenzfähigkeit des Anions und damit für das Dissoziationsvermögen ist die Möglichkeit zur sog. Meso-meriestabilisierung wichtig. Dadurch wird die negative Überschussladung delokalisiert und ein günstigerer Ener-giezustand erreicht als wenn die Ladung punktförmig an einem Sauerstoffatom konzentriert wäre. Je besser die Mesomeriestabilisierung des Anions gelingt, umso stärker tendiert eine Carbonsäure zur Dissoziation und umso stär-ker ist auch die Säurewirkung. Die Hydroperoxidgruppe ist nicht dissoziationsfähig, weil keine Mesomeriestabili-sierung von Peroxidanionen stattfinden kann. Deshalb existieren auch keine Peracetatsalze in wässrigen Lösun-gen, wie man bis Ende der 1980er Jahre noch vermutet hat.

Wie ist das zu beweisen? Die vermutlich beste Methode besteht in der Kopplung Flüssigchromatographie-Massenspektroskopie (LC-MS). Dieses Verfahren liefert die Molmassen der Ionen direkt und man kann aus einer Probe nacheinander positiv und negativ geladene Teilchen bestimmen. Wäre PES eine Säure, müssten in wäßrigen Lösungen negative Ionen der Massenzahl 75 für

-dasAnion CH COOO auftreten. Das ist nicht der Fall, auch 3

nicht in alkalischen Lösungen. Statt dessen findet man aber im positiven Modus zwei interessante Clusterionen mit den Massenzahlen 83 und 99. Das erste Cluster wird aus einem Molekül undissoziierter Essigsäure (Molmasse 60) und einem positiven Natriumion (Masse 23) gebildet.Das zweite aus einem Molekül AHP, an dem ein Na-Kation haftet und dem Cluster seine positive Ladung vermittelt /11/.

+H

Bild 7

8.19e6 cps+Q1: 0.49 min (30 scans) from PES 7mg/l H2O/Naac +99

63.9

72.9

83.0

91.1

98.9

103.0

108.0

113.0

121.0

129.0

133.1

143.1

60 70 80 90 100 110 120 130 140m/z, amu

5.0e5

1.0e6

1.5e6

2.0e6

2.5e6

3.0e6

3.5e6

4.0e6

4.5e6

5.0e6

5.5e6

6.0e6

6.5e6

7.0e6

7.5e6

8.0e6Intensity,cps

+(60 + 23)

+(76 + 23)

8

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CO

OHCH3 C

O

OOHCH3HOOH+ +

Essigsäure (WPO) PES Wasser

H O2

Wie kam es zum Namen „Peressigsäure“? Vermutlichdeshalb, weil sich d'Ans vor 1912 mit mehrbasigen anorganischen Persäuren wie der Monoperschwefelsäure (Caro'sche Säure) beschäftigt hatte, die aus Schwefel-säure und WPO entsteht. Da ist die Bezeichnung „Per-säure“ zutreffend, weil nur eine der beiden dissoziations-fähigen Gruppen der Schwefelsäure durch Peroxidierung blockiert wird. Die andere bleibt funktionsfähig zur Ab-

+spaltung von H (Säureionen).

Bei der Übertragung der Bezeichnung Per...säure auf einbasische organische Säuren wie Ameisensäure,Essigsäure, Propionsäure und höhere Fettsäuren als vermeintliches Analogon zur Caro'schen Säure entstehengedankliche Irritationen. Zwar reagieren auch hier die Lösungen sauer, was aber ausschließlich durch die Gleichgewichtsanteile an freier Essigsäure und nicht durch den Wirkstoff AHP verursacht wird.

3. Das PES-Gleichgewicht

3.1 Massenwirkungsgesetz

Bei der Bildungsreaktion setzt sich Essigsäure (Hac)

mit WPO zu AHP und Reaktionswasser um. Sie

erreicht ihr Gleichgewicht, wenn sich Bildung und

Zerfall von AHP die Waage halten:

1867 leiteten Guldberg und Waage am Beispiel der

ähnlichen Gleichgewichtsreaktion von Essigsäure mit

Ethanol zu Essigsäureethylester (Ethylacetat) ein Gesetz

ab, das man als Massenwirkungsgesetz bezeichnet. Es

lautet: „Die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion

ist in jedem Augenblick der aktiven Masse der reagie-

renden Stoffe proportional.“

Als „aktive Masse“ verstanden sie die Menge des rea-

gierenden Stoffes je Volumeneinheit, also die Konzen-tration.

Nach dem Massenwirkungsgesetz (MWG) ist die Ge-schwindigkeit v der AHP-Bildung folglich:1

v = k · c · c 1 1 Hac WPO

und die Geschwindigkeit v der gegenläufigen Zerfalls-2reaktion (Hydrolyse):

v = k · c · c 2 2 AHP H2O

Mit k werden Proportionalitätsfaktoren bezeichnet und c sind die momentanen Stoffkonzentrationen zu einer be-stimmten Zeit t. Im Verlauf der Reaktion ändern sich die Konzentrationen ständig: c und c werden kleiner,Hac WPO

während c und c im gleichen Maße wachsen. PES H2O

AHP-Konzentrationen in Gleichgewichts-PESin Abhängigkeit vom Molverhältnis HAc/WPO und der WPO-Konzentration

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Molverhältnis Essigsäure/WPO

%A

HP

30 %50 %70 %85 %

Das geht solange bis der Gleichgewichtszustand erreicht ist und die Geschwindigkeiten von Hin- und Rückreaktion gleich sind. Wenn v = v geworden ist, gilt auch:1 2

k · c · c = k · c · c1 Hac WPO 2 PES H2O

Die Beziehung zwischen allen Reaktionsteilnehmern im Gleichgewicht lässt sich durch eine Konstante erfassen, die man meist mit K symbolisiert:C

K = k /k = c · c / c · c c 1 2 PES H2O Hac WPO

Es ist die Gleichgewichtskonstante der Reaktion.Sie hängt bei der PES-Bildung von der Konzentration der katalysierenden Schwefelsäure ab und liegt im Bereich 2,0 < K < 4,3 (Havel, S. in /7/), ähnlich der von Guldberg und C

Waage für die Bildung von Ethylacetat aus Essigsäure und Ethanol ermittelten K . Theoretisch könnte man bei C

Kenntnis von K in unserem Fall berechnen, wie sich die C

Ausbeute am Zielprodukt AHP durch Variation der Ausgangskonzentrationen verändert.

In der Praxis komplizieren sich die Verhältnisse dadurch, dass die Kenntnis der analytisch erfaßbaren Konzen-trationen nicht ausreicht, sondern dass es um die sog. Aktivitäten geht.

Die Aktivitäten berücksichtigen, dass durch verdeckte Vorgänge (Zusammenlagerung zu Clustern, Parallel-reaktionen u.a.) nicht 100 % der als Konzentration c er-fassten Moleküle für die Reaktion verfügbar sind, sondern nur der Teil:

= · c

ist der Aktivitätskoeffizient im Bereich zwischen 0 und 1. Leider sind diese Aktivitätskoeffizienten nur selten be-kannt. Sie werden meist empirisch aus der Abweichungvon Theorie und Praxis ermittelt. Im Falle der AHP-Bildungkommt erschwerend hinzu, dass Wasser nicht nur als Reaktionswasser auftritt. Es wird auch als Verdünnungs-wasser für WPO eingetragen, weil reines H O in der 2 2

industriellen Praxis nicht als Rohstoff einsetzbar ist. Bei der Herstellung niederprozentiger AHP-Produkte werden auch Essigsäure-Wasser-Mischungen als Ausgangsstoffeverwendet.

Bild 8 gibt ein Beispiel, wie die Gleichgewichtslage der AHP-Bildung vom Molverhältnis CH COOH/H O und von 3 2 2

der Konzentration des eingesetzten H O abhängt. Die 2 2

höchsten AHP-Konzentrationen werden nahe dem Mol-verhältnis 1 : 1 erreicht, weil überschüssige Essigsäure die Gleichgewichts-PES verdünnt.

Bild 8

9

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Ausgangsprodukte Reaktionsprodukte

Gleichgewichts-zustand

Anfangszustand

Wasserstoff-peroxid ( 14%)

Essigsäure(30%)

Reaktor

Wasserstoff-peroxid (WPO)

Essigsäure

% %

%

Wasser( 22%)

AHP(34%)

%

Gleichgewichts-PES im Modellkommunizierender Röhren

Umwandlungsgeschwindigkeitist abhängig von:

+• Katalysatorkonzentration H• Temperatur

Betrachten wir als Beispiel die Synthese von

Wofasteril bei 60 °C im Bild 11. Bei dieser Tem-

peratur läuft die Reaktion so schnell ab, dass sie

schon nach kurzer Zeit einen gleichgewichtsnahen

(GW-)Zustand erreicht, der dem unteren Teil des

Röhrenmodells in Bild 10 entspricht.

Bild 11

Im Diagramm ist die Konzentration an Aktivsauer-

stoff (AO) abgebildet. Die Summe des AO beider

Komponenten ist der Gesamt-Sauerstoff GAO:

GAO (%) = AO (%) + AO (%)WPO AHP

Man sieht, dass der GAO während der Reaktion

konstant bleibt und nur seinen molekularen Träger

Bild 10

3.2 Modell der kommunizierenden Röhren

Statt mathematischer Rechenformeln benutzen wir

deshalb das in Bild 10 dargestellte Modell der kommunizierenden Röhren (Schreiner 2002). Es

ist anschaulicher und liefert Aussagen in vergleich-

barer Qualität. Wir denken uns dabei zwei ver-

bundene Röhren, von denen die linke die Aus-

gangsstoffe Essigsäure (gelb) und WPO (blau) ent-

hält. Die rechte Röhre zeigt die entstandenen

Mengen an den Reaktionsprodukten AHP (grün)

und Wasser (farblos) an. Die Konzentrationen

werden jeweils an einer Skala proportional

aufgetragen. Die beiden Röhren oder Subsysteme

stehen über einen symbolisierten Reaktor in

Verbindung, wo sich die Stoffumwandlung abspielt.

Beim Gleichgewicht (GW-Zustand) ist der Pegel-

stand in beiden Röhren gleich. Die Höhendifferenzder Füllstände beider Subsysteme ist ein Maß für die

momentan vorhandene Triebkraft der Ausgleichs-

reaktionen.

Durch Variation der Ausgangsstoffe und Reak-

tionsbedingungen ist die Zahl denkbarer GW- PES

mit unterschiedlicher Zusammensetzung schier un-

begrenzt. Beispiele für den Aufbau häufig ge-

handelter PES-Produkte sind in der folgenden Grafik

dargestellt.

Zusammensetzung verschiedener Peressigsäureprodukte

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Handelsprodukt mitca. 5 % AHP

Handelsprodukt mitca. 15 % AHP

Wofasteril mit ca. 40% AHP

40%igeEpoxidierungs-AHP

Desinfektionstyp Epoxidierungstyp

Wasser (%)

H2O2 (%)

Essigsäure (%)

AHP (%)

Bild 9

Bildungskinetik von Wofasteril bei 60 °C

0,00

2,00

4,00

6,00

8,00

10,00

12,00

14,00

16,00

18,00

0 10 20 30 40 50 60 70 80

Zeit in Minuten

%Ak

tivsa

uers

toff

% AO(WPO)% AO(AHP)% GAO

10

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wechselt. Nach etwa 15 - 20 Minuten hat sich schon

eine gleichgewichtsnahe Verteilung des AO zwi-

schen WPO und AHP eingespielt. In unserem Modell

der kommunizierenden Röhren ist zu diesem Zeit-

punkt der Niveauausgleich erreicht. Das Reaktions-

system befindet sich in einem dynamischen Gleich-

gewichtszustand.

Vor Beginn der Reaktion befinden sich 100 % des

AO im WPO. Nach Erreichen des Gleichgewichtes

sind etwa 54 % des AO zum AHP übergegangen, die

restlichen 46 % liegen noch als WPO vor. In der

Praxis wird in der Regel bei Umgebungstemperatur

produziert, wo die Gleichgewichtseinstellung

(„Reifeprozess“) je nach Temperatur Wochen be-

nötigen kann.

Die Darstellung zeigt die Reaktionskinetik, also die

Geschwindigkeit, mit der das reagierende Stoffsys-

tem auf seinem Gleichgewichtszustand entgegen

strebt. Der Ausgleich wird durch den Niveauunter-

schied in beiden Röhren angetrieben. Wie schnell

die Ausgleichsreaktion abläuft, wird von den Verhält-

nissen im „Reaktor“ gesteuert. Hier spielen vor allem

folgende zwei Faktoren eine Rolle:

1. Stärke und Konzentration der katalysierendenSäure und

2. die Temperatur.

4. Stabilität von AHP in wässriger Lösung

4.1 Hydrolyse

Was geschieht, wenn wir ein handelsübliches PES-

Konzentrat wie Wofasteril mit Wasser verdünnen? In

unserem Röhrenmodell hieße das, wir füllen das

rechte Subsystem mit Wasser auf. So erhöht sich

der Pegelstand gegenüber der linken Röhre. Nun

muss der Ausgleich in umgekehrter Richtung laufen:

aus AHP wird wieder Essigsäure (Hac) und WPO bis

zur Einstellung eines neuen GW-Zustandes.

Sofort nach der Wasserzugabe haben wir tatsächlich eine PES mit 20 % AHP vorliegen. Die erwartete Hydrolyse, d.h. die Rückverwandlung von AHP in Hac und WPO ver-läuft bei Raumtemperatur in der Regel nicht besonders schnell. Nach Ablauf einer Woche beträgt die AHP-Kon-zentration aber nur noch die Hälfte, dafür ist die Konzen-tration an WPO deutlich angestiegen.

Noch übersichtlicher wird das Ganze, wenn wir nur

den Aktivsauerstoff (AO) darstellen.

Bild 12

Die wichtigste Erkenntnis: Der Gesamt-AO bleibt bei diesen Vorgängen konstant. Es findet nur eine Umverteilung des AO hin zum Ausgangszu-stand statt.

Bild 13

Wir wollen als Beispiel Wofasteril (E 400), das ca. 40 % AHP enthält, zunächst einmal durch Zugabe von Wasserauf eine Konzentration von 20 % AHP verdünnen. Bild 12 zeigt, wie das GW-System auf den Wasserzusatz reagiert:

Änderung der AHP-Konzentration nach Verdünnung von Wofasteril(E 400) 1:1 mit Wasser

0,00

5,00

10,00

15,00

20,00

25,00

0 1 2 3 4 5 6 7

Standzeit in d

%A

HP

Änderung der AO-Verteilung beim Verdünnen von Wofasteril 1:1 mitWasser

0,00

1,00

2,00

3,00

4,00

5,00

6,00

7,00

8,00

9,00

0 1 2 3 4 5 6 7

Standzeit in d

AO

in% AO(AHP)

AO(WPO)

GAO

11

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Kann man die Hydrolyse wieder umkehren? Ja, das ge-schieht bei Wasserentzug z.B. bei einer Flächendesin-fektion im Laufe der Wasserverdunstung in den ausge-brachten Gebrauchslösungen. Solange der GAO im Sys-tem konstant bleibt, solange ist die mikrobizide Aktivität bei solchen Verfahren noch nutzbar. In geschlossenen Sys-temen erfolgt dagegen keine Regeneration des hydro-lysierten AHP.

Im oben genannten Fall wurde das Konzentrat

Wofasteril von 40 % AHP auf 20 % verdünnt. Bei den

Desinfektionslösungen, wie sie in den Listen des

VAH (Krankenhausprophylaxe) oder der DVG für die

Bereiche „Tierhaltung“ und „Lebensmittel“ heraus-

gegeben werden, liegen die Verdünnungen von

Wofasteril im Bereich von 1:200 (entsprechend 0,5

%) bis 1:800 (0,125 %).

Im Röhrenmodell entspräche das einer derartigen

Erhöhung des Pegelstandes im rechten Subsystem,

das praktisch alle PES hydrolysiert werden müsste.

Tendenziell ist das auch der Fall. Hierauf beruht ja

auch ein wichtiger ökologischer Vorteil des Stoff-

systems PES: Der Wirkstoff AHP hinterlässt, nach-

dem er den von ihm erwarteten Desinfektionsjob

geleistet hat, nur geringe Mengen umweltverträg-

licher Essigsäure.

Andererseits soll der Zerfall auch nicht so rasch

voranschreiten, dass die angesetzten Gebrauchs-

lösungen nach kurzer Zeit wirkungslos werden. Das

ist in der Regel nicht der Fall, wie sich schon aus den

Grafiken 12 und 13 vermuten lässt. Im nachfolgen-

den Bild 14 ist der Hydrolyseverlauf in praxisüblich

verdünnten Wofasteril-Gebrauchslösungen von

0,125 % bis 1 % dargestellt.

Man kann davon ausgehen, dass die Haltbarkeit der

Gebrauchslösungen für die praktische Anwendung

ausreichend ist. Es ist stets sinnvoll, nach Möglich-

keit frisch angesetzte PES-Verdünnungen zu ver-

wenden und diese innerhalb von 2 Stunden

aufzubrauchen.

4.2 Peroxidzerfall

Wir wissen, dass WPO und seine Abkömmlinge wie

AHP endotherme Verbindungen sind. So bezeich-

net man Stoffe, bei deren Zerfall Wärme freigesetzt

wird. Es sind de facto „Energiekonserven“. Endo-

therme Verbindungen sind metastabil, d.h. sie sind

bei normaler Umgebungstemperatur nicht wirklich

stabil im thermodynamischen Sinne. Sie würden

„gern“ zerfallen und ihre Überschussenergie wieder

abgeben, wenn es keine im Molekülbau angelegte

Barriere gäbe.

Mit WPO und PES kann man nur deshalb praktisch um-gehen, weil der zur Energiefreisetzung führende Zerfallsprozess über die Entkoppelung der O-O - Bindung führt. Der Energieaufwand zur Trennung der homöo-polaren Bindung zwischen den beiden O-Atomen liegt mit50 kcal/Mol oder 210 kJ/Mol ziemlich hoch.

Im Bild 15 ist das typische Energieprofil eines

Peroxidzerfalles dargestellt. Das AHP befindet sich

links in einer Energiemulde und verhält sich wie eine

rollende Kugel in der Mechanik. Bevor sie ihre Über-

schussenergie von -23 kcal/Mol (ca. -97 kJ/Mol)

abgeben und zu Essigsäure (Hac) und molekularen

Sauerstoff (O ) zerfallen kann, muss der hohe Ener-2

gieberg überwunden werden, für den +50 kcal/Mol

aufzubringen sind. Diese Aktivierungsenergie aus

der Umgebung wird aber nach vollzogener Spaltung

wieder zurückgegeben. Dazu kommen noch die 23

kcal/mol Überschussenergie, die in der Peroxid-

gruppe konserviert waren.

Bild 14

12

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O

OOH

O

O OH

cm

o0

a/

lk

+5

l

2a

/l

mo

3k

-c

l

k/

-1al

ol4

mc

Energie

Mikrobiologischund chemischaktive Zwischen-zustände

O

OH

21

Vergleich+ -

H + OH

Neutrali-sations-wärme

A

CH -C3

CH -C3

H O

CH -C +3

2

2O (Gas)

Das typische Energieprofil organischer Peroxide

Bild 15

Man kann sich nun ohne große Imaginationskraft

vorstellen, was in 100 % reinem AHP passieren

würde. Der erste Zerfallsakt setzt in seiner mole-

kularen Umgebung mehr Wärme frei, als zur Akti-

vierung der O-O-Spaltung erforderlich ist. Damit ist

das Muster einer sich selbst aufschaukelnden

Kettenreaktion gegeben, die zur Explosion führt.

Die Temperatur, bei der eine sich selbst beschleu-

nigende Zerfallsreaktion startet, nennt man SADT(Self Accelerating Decomposition Temperature).

Die SADT ist für organische Peroxide eine wichtige

Kenngröße für die Bewertung der Gefahrstoffei-

genschaften und die Gefahrgut-Klassifizierung. Wir

erinnern uns an die Veröffentlichung von d' Ans und

Frey aus dem Jahre 1912 und ihre Feststellung: Die

reine Peressigsäure - die wir jetzt AHP nennen -

hatte sich als äußerst explosiv erwiesen. Aus

heutiger Sicht würde man die Herstellung eines

formelreinen AHP als eine Art „schwerwiegenden

chemischen Kunstfehler“ bezeichnen.

Muss man deshalb auf die praktische Nutzung

dieses hocheffizienten Helfers beim Kampf gegen

schädliche Mikroorganismen verzichten? Nein: Der

sich selbst beschleunigende Spontanzerfall tritt nur

dann ein, wenn die bei einem Zerfallsakt freigesetzte

Wärme andere endotherme Moleküle zur O-O-

Spaltung anregt.

Die Lösung des Problems besteht darin, PES so

durch chemisch inerte Moleküle zu verdünnen,

dass sich in unmittelbarer Umgebung eines zer-

fallenden „heißen“ Moleküls stets träge Moleküle

befinden, welche die wärmeliefernde Reaktion nicht

fortpflanzen können.

Oberhalb einer AHP-Konzentration von 70 %

können PES-Produkte kritisch werden. Solche unter

50 % haben in der Regel keine explosiven Eigen-

schaften mehr. Hier sorgen die GW-Bestandteile

Essigsäure und Wasser für die thermische Desen-

sibilisierung des Stoffsystems PES.

Ob die Desensibilisierung (Phlegmatisierung) eines PES-Produktes ausreichend ist, wird durch die SADT unter den Bedingungen einer Wärmestau-Lagerung (= Lagerung in wärmeisolierenden DEWAR-Gefäßen) angezeigt. Bei der Gefahrgut-Klassifizierung geht man davon aus, dass eine SADT über 50 °C erforderlich ist, damit die Tempera-turdifferenz zur Umgebung für den Abfluss der frei-gesetzten Wärme des Peroxidzerfalles ausreicht und ein sicherer Transport über Schiene, Straße und auf See ohne aufwendige Kühleinrichtungen möglich wird.

Die Transporteignung organischer Peroxide wird in

der BRD durch Prüfung und Zulassung der Bundes-anstalt für Materialforschung und -prüfung(BAM) nachgewiesen.

4.3 Die Gefahrstoffklasse 5.2

Damit ein Produkt mit Gefahrstoffeigenschaften vom

Hersteller zum Anwender kommen kann, muss es

transportiert, zwischen- und endgelagert werden

können. Dazu existieren umfangreiche, in interna-

tionalen Übereinkommen anerkannte und verbind-

liche Regelwerke für die einzelnen Transportarten,

die üblicherweise abgekürzt werden: ADR (Straßen-

transport), RID (Bahn), ADNR (Binnenschifffahrt),

IMDG/IMO (Seeschiffahrt) und IATA (Luftfracht).

13

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Die meisten als Peressigsäure im Verkehr befind-

lichen Produkte gehören zur Gefahrgutklasse 5.2„Organische Peroxide“. Eine wichtige Rolle für die

Bewertung der Gefahrgut- und Gefahrstoffeigen-

schaften von organischen Peroxiden spielt die

Temperatur der selbstbeschleunigenden Zer-setzung oder englisch: SADT (Self Acceleration

Decomposition Temperature).

Die ADR/RID schreibt vor: „Um eine sichere Beförderung organischer Peroxide zu gewährleisten, werden sie in vielen Fällen durch organische flüssige oder feste Stoffe,anorganische feste Stoffe oder Wasser desensibilisiert.“ Weiter werden die zur Desensibilisierung möglichen orga-nischen Verdünnungsmittel definiert.

Die in den Gleichgewichts-PES enthaltenen Kompo-nenten Essigsäure, Wasser und in gewisser Weise auch WPO entsprechen den Forderungen an Lösungsmittel zur Phlegmatisierung organischer Peroxide. Deshalb weisen Gleichgewichts-PES die nach Gefahrgutrecht geforderten Eigenschaften desensibilisierter (phlegmatisierter) orga-nischer Peroxide auf.

Problemtisch sind SADT unter 50 °C. Dann muss

der Transport unter ständiger Temperaturkontrolle

erfolgen. Ein Temperaturanstieg über die Umge-

bungstemperatur hinaus ist ein Signal für das Ein-

setzen exothermer Zerfallsprozesse. Die vorge-

schriebene Kontrolltemperatur liegt in Abhängig-

keit von der Größe der Transportverpackungen 10

bis 20 °C unter der SADT, die Notfalltemperatur 5

bis 10 °C unter der SADT.

Die folgende Tabelle im Bild 16 zeigt einen Vergleich

gefahrstoffrelevanter Eigenschaften des PES-

Produktes Wofasteril mit ca. 400 g/l AHP im

Vergleich zu einer verkehrsüblichen PES mit etwa

160 g/l AHP. In beiden Fällen liegt die SADT weit

über 60 °C.

Eigenschaften

1. Thermische Stabilität (SADT)2. Entzündbarkeit

3. Abbrandtrate4. Thermische Empfindlichkeit

5. Mechanische Eigenschaften6. Explosive Eigenschaften7. Fortpflanzung

> 60 °C

keine Entzündung

niedrigkeine

keinekeinekeine

> 60 °C

keine Entzündung

28,2 kg/min mkeine

keinekeinekeine

a) Cer-Eisen-Funkenb) Schwarzpulverc) Gasflammed) Rotglüher Stahl

(verschiedene Methoden)

16 %ige PESgem. UN-Nr: 3045 Wofasteril

Bild 16

Der Peroxidzerfall ist ein ständiger Begleiter von

GW-PES. Je nach Güte der Stabilisierung und Um-

gebungstemperatur läuft er langsamer oder schnel-

ler ab, niemals kann er ganz ausgeschaltet wer-den!

Da jeder Zerfallsakt mit der Freisetzung von gasför-

migen Sauerstoff gekoppelt ist, dürfen PES-Pro-dukte niemals hermetisch eingeschlossen werden! Selbst bei sehr moderatem Ablauf des Per-

oxidzerfalles können sich im transportierten oder

gelagerten Produkt in fest verschlossenen Behält-

nissen mit der Zeit Druckpolster aufbauen und

irgendwann die Behälter zum Bersten bringen.

Deshalb werden PES-Gebinde bereits vom

Hersteller mit gasdurchlässigen Verschlüssen aus-

gestattet. Das Umfüllen in andere als die Originalbe-

hälter ist deshalb aus Sicherheitsgründen unzu-

lässig.

Wofasteril enthält 400 g/l AHP (= 5,3 mol) sowie ca. 160 g/l WPO (= 4,7 mol). Sowohl AHP als auch WPO setzen beim Peroxidzerfall ein ½ Mol Sauerstoffgas (O ) frei, zu-2

sammen also 5 mol. Ein Mol O nimmt unter Normalbedin-2

gungen das Volumen von 22,4 l ein. Ein Liter Wofasterilkann also bei vollständigem Peroxidzerfall etwa 100 l Sauerstoffgas entwickeln. Diese Menge kann einen Kanister zum Bersten bringen, der nicht mit einem gasdurchlässigen Verschluss ausgestattet ist.

Die Tabelle im Bild 17 fasst noch einmal die Wege

und Merkmale von Hydrolyse und Peroxidzerfall des

Wirkstoffes AHP zusammen.

VORGANG MERKMALE AUSW IRKUNG

PEROXID-ZERFALL

Radikalische Spaltung derPerxidgruppe zwischen beiden-O-O-Atomen.Abgespaltener AO reagiertzu Sauerstoffgas (Luft-O2)

Vorgang ist irreversibel.Mikrobizides Potentialgeht verloren.O2-Gas bildet bei Ein-schluß Druck!

HYDROLYSEAbspaltung der komplettenPeroxidgruppe (Umkehr derAHP-Bildungsreaktion)GAO bleibt konstant.

Vorgang ist reversibel beiW asserentzug.Mikrobizides Potentialbleibt erhalten.

Bild 17

14

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5. Korrosion von Eisenmetallen durch PES-Lösungen

5.1 Ursache

“Wo Licht ist, ist auch Schatten.” Wenn wir die

immense Stärke der PES als omnipotentes Mikro-

bizid als Licht ansehen, dann ist deren Korrosivitätgegenüber Eisen und einigen Buntmetallen der

Schatten. Auch der Geruch höher dosierter PES-

Lösungen wird bei großflächiger Ausbringung vor

allem in geschlossenen Räumen als Belästigung

empfunden und gehört somit zum Schattenbereich

der PES.

Was verursacht die starke Korrosion der PES-

Lösungen? Vor allen die Tatsache, dass unter den

Bedingungen der Sauerstoffatmosphäre unseres

Planeten die Metalle unbeständiger sind als ihre Oxide. Deshalb kommt in der Natur Eisen nicht

gediegen vor, sondern nur in Form von Erzen. Das

sind Eisenoxide und/ oder -sulfide. Um aus den Er-

zen metallisches Eisen zu erhalten, müssen die Fe-

Kationen der Erze reduziert werden.

Reduktion bedeutet Aufnahme von Elektronen. Im Falle von zweiwertigem Eisen wäre das formelmäßig dargestellt:

-2+Fe + 2 e Fe

Die Reduktion von ionischem zu metallischem Eisen verläuft nicht von selbst, sondern erfordert Energie-aufwand. Der metallische Zustand ist damit energie-reicher als der ionische. Freiwillig, d.h. von selbst läuft die

2+Umkehrreaktion von Fe nach Fe (Oxidation) sofern sie nicht behindert ist. Die als „Rosten“ bekannte Oxidation von Eisen gehört zu den Vorgängen der Korrosion, d.h. der Materialzerstörung durch unerwünschte Reaktionen mit Stoffen aus der Umgebung.

Eine wichtige Voraussetzung für die Korrosion von

metallischem Fe ist die Gegenwart von Wasser. Es

sind dann elektrochemische Prozesse möglich, die

im Wesentlichen nach zwei Mechanismen ablaufen:

a) die Säurekorrosion und

b) die Sauerstoffkorrosion

In der Praxis vermischen sich beide Korrosions-

arten.

5.2 Die Säurekorrosion

Steht eine blanke Eisenoberfläche mit Wasser in

Kontakt, lösen sich nach der Gleichung:

2+Fe Fe + 2 e

2+zunächst hydratisierte Fe -Ionen, von denen jedes

zwei Elektronen an/in der Metallphase hinterlässt.

Das führt zur Ausbildung eines negativen Potenzials

von - 0,44 V an der Metall/Wasser-Grenzfläche.

Dieses Potenzial stoppt den Fortgang des Prozes-2+ses: Es blockiert den weiteren Austritt von Fe -

Ionen.

+Sind Säureprotonen H vorhanden, können diese

mit den überschüssigen Elektronen an der Metall-

oberfläche zu gasförmigem Wasserstoff reagieren

und die vorhandene Hemmung durch elektrostati-

sche Kräfte aufheben (Bild 18):

Der Weg für den Austritt weiterer Elektronen aus der

Metalloberfläche ist frei. Das geht solange, bis die

Säureprotonen verbraucht sind.

Bild 18

15

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5.3 Die Sauerstoffkorrosion

Auch bei der Sauerstoffkorrosion ist die Auflösung2+von Fe zu Fe -Ionen der elektronenliefernde Start-

vorgang. Die Elektronen reduzieren in diesem Fall -

den Luftsauerstoff direkt zu Hydroxylionen OH , die 2+weiter mit den gelösten Fe -Ionen zu unlöslichem

Fe(II)hydroxid reagieren:

-- 2+Fe + ½ O + 2 e Fe + 2 OH2

Alle diese Reaktionen laufen nur in Gegenwart von Wasser ab, das entweder direkt als Reaktionspartnerbeteiligt ist oder eine ionenstabilisierende Hydrathülle bildet.

Gegenüber der Sauerstoffkorrosion ist die Säure-korrosion weitaus aggressiver. Maßgebende

Wirkfaktoren sind sowohl die Säurestärke (pK ) und s

-konzentration, als auch die spezifische Metall-2oberfläche (m /kg).

Besonders intensiv ist die Korrosion von unge-

schütztem Eisen durch PES-Lösungen. Hier wirken

sowohl die Angriffspotenziale der Essigsäure(Säurekorrosion) als auch des WPO zusammen, das

2+mit Fe -Ionen das hochaktive Oxidationsmittel Fen-tons Reagenz bildet:

2+ 3+ -H O + Fe Fe + OH + OH2 2

Fentons Reagenz wird in modernen Verfahren zur

effizienten Oxidation organischer Inhaltsstoffe in Ab-

wässern genutzt („FENTOX“-Verfahren). Auch liegt 2+hierin der Grund für die durch Fe -Ionen katalytisch

beschleunigte Zersetzung von PES und deren Ge-

brauchslösungen.

standsdiagramm und stellt die Beziehung

zwischen Elektrodenpotential und pH-Wert her. In

5.4 Die Aufhebung der Eisenkorrosion

Die besonders aggressive Säurekorrosion ist ein

elektrochemischer Prozess. Im Falle des Eisen ist

das Pourbaix-Diagramm sehr nützlich. (Bild 19) Es

ist ein Zu

Fe(OH)2

den braun markierten Bereichen findet Korrosion

statt. Das Normalpotential an einer Fe/Wasser-

Grenzfläche beträgt - 0,44 V. Angenommen, wir

hätten eine Wasserphase vom pH-Wert 4, dann

könnte durch Anlegen einer Gleichspannung ab +

0,5 V die Säurekorrosion unterdrückt werden

(Passivitätsbereich). Auch die Verstärkung des

negativen Potentials auf -0,7 V führt in einen

korrosionsgeschützten Zustand. Wenn wir keine

Möglichkeit zur Veränderung des Elektroden-

potentials haben, bleibt nur die Verschiebung des pH

in den alkalischen Bereich.

POURBAIX-Diagramm des Eisens1 Passivitätsbereich; 2 Immunitätsbereich;

2+3 Korrosionsbereich (Fe -Bildung);4 Korrosionsbereich (Ferratbildung)

0-1,0

-0,5

0

0,5

1,0

V

4

3

2

pH-Wert

Ele

ktro

denp

oten

tial

4

1

8 12 14

-0,44 (Normalpotential Fe)

Die pH-Einstellung von PES-Gebrauchslösun-gen auf Werte zwischen 8 und 10 hat sich bis jetzt als erfolgreichster Weg zur Eliminierung der Säurekorrosion erwiesen.

In der praktischen Umsetzung müssen dabei jedoch

einige Eigenheiten des Stoffsystems berücksichtigt

werden.

Bild 19

16

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6. Desinfektion

6.1 Allgemeines

Desinfektion bedeutet wörtlich „Beseitigung einer

Infektion“. Man beseitigt aber nicht den Infektions-

herd - das ist Ziel der Antisepsis - sondern unter-bricht die Übertragungswege der Erreger von

Mensch zu Mensch, von Tier zu Mensch (und umge-

kehrt), von Tier und Tier oder der Verderbniskeime

bei Lebensmitteln. Von den möglichen Methoden

und Verfahren steht hier die chemische Desinfek-tion im Mittelpunkt.

Die chemische D ist in der Praxis kein für sich allein

stehendes Verfahren, sondern im Regelfall Teil eines

Hygieneregimes. Im Zentrum von Hygieneregimen

steht der Komplex Reinigung und Desinfektion, oft

als R & D abgekürzt. Selten ist eine D erfolgreich

ohne eine vorausgehende gründliche Reinigung.

Auch die Chemie von R & D untereinander muss

harmonieren.

Wir sehen hier von der hygienischen Händedesin-fektion ab, wo man erst desinfiziert und dann die Hände wäscht.

Bei der D sollen Krankheitserreger und Schadkeime

möglichst rasch, lückenlos und unspezifisch ab-

getötet werden. Eingeschlossen a) Viren, b) Mikro-

ben während der Ruhephase zwischen den Zell-

teilungen und c) die extrem widerstandsfähigen

Dauerformen (Sporen), die alle drei von Antibiotika

nicht angegriffen werden.

Wie funktioniert ein wirksames Desinfektionsmittel?

Bakterien, Pilze und Hefen haben einen aktiven

Zellstoffwechsel und einen vergleichbaren Zellbau

(Zellwand, Membranen im zytoplamatischen Innen-

raum, Kernsubstanz oder Zellkern). Bei allen Unter-

schieden in den speziellen Besonderheiten der

Mikroorganismen sind drei aufeinander folgende

Schritte für die Wirksamkeit eines Desinfektions-

mittels (DIM) maßgebend:

Die hauptsächlichen Angriffspunkte für DIM-Wirk-

stoffe sind die Zytoplasmamembran und das Zyto-plasma selbst. Seltener wird die äußere Zellwand

zerstört.

Die Zytoplasmamembran ist eine selektive Barriereüber die gelöste Nährstoffe von außen nach innen

und Abfallprodukte des Stoffwechsels heraus ge-

schleust werden. Wie solche Barrieren durch AHP

durchbrochen werden, wurde bereits dargestellt. Sie

sind kein Hindernis für diesen Wirkstoff.

6.2 Wirkungsspektrum der PES

In der folgenden Tabelle, die dem Standardwerk von

Wallhäuser /13 / entnommen wurde, ist die Peres-

sigsäure - wir sagen AHP dazu - der einzigeWirkstoff ohne Wirkungslücken.

In der Wallhäuser-Tabelle ist in Spalte 2 zur Ge-

schwindigkeit der Desinfektionswirkung nur bei PES

das Symbol SS eingetragen, was sehr schnell be-

deutet. Wie schnell ist „sehr schnell“?

1. Die Anhaftung der DIM-Moleküle an die äußere Zellwand (Adsorption)

2. Die Einwanderung der adsorbierten DIM-Mole-

küle ins Zellinnere (Penetration) und

3. Die irreversible Schädigung lebenswichtiger

Funktionen der Zelle (Noxe).

Bild 20

17

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6.3 Die Blitzwirkung der PES

Hier haben uns intelligente Experimente von

Schlenker im Rahmen seiner Dissertation wichtige

Erkenntnisse verschafft. /9/ Er arbeitete mit einer

von Tichacek konzipierten Versuchsanordnung. Es

ist ein geneigtes Glasrohr, das durch Zulauf- und

Abflussstutzen in 3 Zonen aufgeteilt wird. Durch das

Rohr rollen mit Keimen kontaminierte Glaskugeln

(Bild 21).

In Zone 1 findet der Kontakt zwischen Keimträger

und der PES-Lösung statt. Beim Übergang in die von

Na-thiosulfat durchflossene Zone 2, erfolgt die

rasche Inaktivierung der anhaftenden PES. In Zone3 wird mit Wasser gespült. Die EWZ kann man bei

dieser Apparatur durch die Weglänge von Zone 1und dem Neigungswinkel des Rohres variieren.

In Versuchen mit Sporen des Bacillus cereus kam es

bei einer mittleren Ausgangskeimzahl von 68.920

Sporen/Kugel und 0,5 % Wofasteril schon nach

0,23 s Kontaktzeit zu einer Abtötungsrate von über

95 %! Die Erhöhung der Wofasteril-Konzentration

bis 5 % sowie die Verdoppelung und Verdreifachung

der Kontaktzeiten brachten nur vergleichsweise

geringe Effekte.

Glasdorn (verhindert das Steckenbleiben der Kugel)Röhrenwand

Ausschnitt aus Abbildung 1

Abfluss 1

Zufluss 1

Zufluss 2

Na S O2 2 3

Zufluss 3

steriles dest.Wasser

WofasterilGlaskugelals Keimträger

Abfluss 2

Abfluss 3

1

2

3

7. Das Wofasteril-Kombiverfahren von der Idee zum Erfolg

7.1 Vorleistungen

1989 erschien die Publikation der Autoren Geiler, W., Otto, J. und Mücke, H. in der Zeitschrift für Klinische Medizin 44 (1989) 4, S. 349 bis 352, mit dem Titel „Einhaltung arbeits-hygienischer Grenzwerte in der Raumluft bei Flächen-desinfektion mit Peressigsäure durch Alkalisierung der Lösung“.

Man hatte das erstaunliche Phänomen beobachtet

und genutzt, dass PES im Gegensatz zu fast allen

anderen bioziden organischen Säuren wie Amei-

sensäure, Weinsäure oder Glutarsäure auch im

alkalischen Bereich noch eine mehr oder weniger

lange Zeit ihre Desinfektionskraft aufrecht erhalten

kann.

Vorläufer waren die Studien von Beckert, H., Wölfel, H.:„Vergleichende Untersuchungen über den Korrosions-schutz verschiedener Desinfektionsverfahren mit Per-essigsäure im alkalischen Milieu für medizinische Instrumente“ (Medizinische Akademie Erfurt: DissertationA, 1984) und Werner, I.: „Untersuchungen zur material-schonenden kombinierten Reinigung und Desinfektion von Instrumenten im alkalischen Milieu“ (Medizinische Akademie Erfurt: DissertationA, 1985). /12//15//16/

Auf dieser Basis wurde ein Verfahren zur spe-ziellen Virusdesinfektion bei medizinischen Instru-

menten entwickelt und nach dessen Validierung

durch staatliche Prüfeinrichtungen 1989 in die

jährlich vom Ministerium für Gesundheitswesen der

ehemaligen DDR herausgegebene Liste der Desin-fektionsmittel 1989 aufgenommen. Die zu desinfi-

zierenden Instrumente legte man zunächst für eine

Stunde in die Lösung eines stark alkalischen, pulver-

förmigen Industriereinigers ein. Danach erfolgte die

Schlussdesinfektion durch Zusatz des PES-Präpa-

rates Wofasteril.

Obwohl die 1989 erschiene Arbeit von Geiler et al. die Anwendung alkalisierter PES-Lösungen auch für die Flächendesinfektion nahe zu legen schien, fand dieses Verfahren trotz der wesentlichen Vorteile gegenüber der normalen Desinfektion mit PES noch keinen Eingang in die Praxis. Der Hauptgrund bestand darin, dass sich die Desinfektionswirkung der alkalisierten Lösungen sich mit der Zeit veränderte, abhängig vom Lösungs-pH und dem verwendeten Alkalisierungsmittel. Das führte zu einemMangel an Reproduzierbarkeit. Daran scheiterte auch die Aufnahme als Verfahren zur Flächendesinfektion in die amtliche Liste der Desinfektionsmittel der DDR. Das scheint die Wallhäuser Tabelle zu bestätigen, die im Be-reich zwischen pH 3 und pH 8 eine lineare Abnahme der Desinfektionskraft von PES darstellt.

Bild 21

18

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Start. Im linken Becherglas befindet sich eine Lösung mit 1 % Wofasteril E 400, die von Haus aus einen pH 3 hat. Rechts ebenfalls 1 % WST E 400, aber mit alcapur auf pH 9 gestellt ist.Als Testobjekte dienen einfache Stahlnägel. Zwischen bei- den Gläsern sieht man den auf 60 min eingestellten Timer.

Nach 5 min. Die Wofasterillösung links hat bereits die Oberfläche des Stahlnagels angegriffen, die Lösung be-ginnt sich braun zu färben. Rechts keine Reaktion.

Bild 23 B

Bild 23 A

Bild 23 C

60 min: Der Stahlnagel links ist von einer dicken Rost-schicht überzogen, auch die Lösung hat sich ziemlich stark gefärbt. Auf der Seite der Wofasteril-Kombilösung sind Lösung und Nageloberfläche so blank wie am Anfang.

Die Verringerung der Korrosion durch pH-Ver-

schiebung in den alkalischen Bereich war allerdings

so evident, dass an diesem Verfahren Mitte der

1990er Jahre in der Kesla Pharma Wolfen lange und

intensiv gearbeitet wurde.

Eine wichtige Erkenntnis war, dass der Wirkstoff von

PES eben keine Säure ist, wie der Name sagt, son-

dern eine esterartige Neutralverbindung, die man

richtiger als Acetylhydroperoxid (AHP) bezeichnet.

Dieser, heute trivial anmutenden Tatsache war man

sich vor einem Jahrzehnt noch kaum bewusst. Wir

können also ohne Einbuße an Desinfektionskraft die

im System enthaltene Essigsäure selektiv neutrali-

sieren.

Wie das nachstehende Titrationsdiagramm zeigt, ist

das um pH 8 der Fall. Hier haben wir auch im Pour-

baix-Diagramm jenen Punkt, an dem der Passivi-

tätsbereich des Eisens beginnt.

7.2 Aufhebung der Korrosivität

Welche frappierende Wirkung die pH-Verschiebung

bei Wofasteril E 400 von pH 3 (dem Eigen-pH der

PES) auf pH 9 durch das Alkalisierungsadditiv

alcapur auf die Stahlkorrosion hat, zeigt der

folgende Demonstrationsversuch (Laienauf-

nahmen, keine Atelierfotos!). Hier ersehen wir die

innerhalb einer Stunde erfolgende Korrosion an

Stahlnägeln:

Bild 22

19

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Die 1 %ige Wofasterillösung hat nach einer Stunde

einen großen Teil der Korrosionskraft verloren, weil

sich Essigsäure verbraucht hat und die peroxi-

dischen Anteile AHP und WPO zerstört sind. Um die

Korrosivität durch ständigfrische Desinfektions-

lösungen zu untersuchen, wird mit der im Bild 24

dargestellen Testapparatur gearbeitet.

Hier ermittelt man den in Abhängigkeit der Einwir-

kungsdauer stattfindenden Masseverlust der

Prüfkörper durch kontinuierlich frisch erzeugte

Desinfektionslösung.

7.3 Auswirkungen der Alkalisierung auf das Stoffsystem PES

Der Effekt einer pH-Verschiebung der PES-Desin-

fektion in den alkalischen Bereich auf die Korrosion

von Eisen ist - wie Grafik und Fotos zeigen - frappie-

rend. In der Praxis stellen sich dieser simpel erschei-

nenden Maßnahme allerdings einige Hürden in den

Weg, die aus der Spezifik des Stoffsystems PES

stammen.

Wie verändert sich das Gleichgewichtssystem PES

durch die selektive Neutralisation der Gleichge-

wichts-Essigsäure? Das folgende Bild hilft uns, die

zu erwartenden Reaktionen samt der daraus entste-

henden Konflikte an Hand des Modells der kommunizierenden Röhren abschätzen:

Vorgänge beim Wofasteril-Kombiverfahrenselektive Neutralisation der Essigsäure mit Pufferadditiv alcapurPrinzip:

verursacht Gleichgewichtsstörung:• PES reagiert zu (Essigsäure) - Na-Acetat• Neutralisationswärme beschleunigtHydrolyse und Peroxidzerfall

Reaktor

CH COOH + NaOH CH COONa + H O3 3 2

Essigsäure + Alkali Na-Acetat + Wasser + Wärme

Bild 24

Durch Alkalisierung reduziert sich die Korrosivität

einer 1 %igen Wofasteril E 400-Lösung etwa auf das

Niveau der normalen Wasserkorrosion. Ähnlich gute

Ergebnisse erhält man auch bei Messig und Bronze.

Bild 25

B ld 26i

Wir entziehen dem System die vorhandene Essig-

säure durch die Neutralisation zu Natriumacetat. Da-

durch sinkt der Pegelstand in der linken Röhre. Der

Niveauunterschied induziert die Ausgleichsreaktion,

durch die bereits gebildetes AHP (rot markiert)

wieder zu WPO und Essigsäure hydrolysiert wird.

Die Hydrolyse beschleunigt sich mit steigendem pH

immer mehr („alkalische Esterverseifung“). Zum

anderen entsteht dabei Neutralisationswärme.

20

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Diese heizt das System auf und zwar umso stärker,

je höher die Lösungen konzentriert sind. Wärme

fördert den Peroxidzerfall.

Wie stark die Hydrolyse des Wirkstoffes AHP durch

pH-Anstieg beschleunigt wird, ist aus der nach-

folgenden Grafik zu sehen.

Bei pH 9 und mehr noch bei pH 11 baut sich der Wirk-

stoff AHP schon so rasch ab, dass es kaum ratsam

ist, alkalisierte PES-Gebrauchslösungen auf Vor-rat herzustellen.

In der nächsten Grafik ist die Anfangsphase der

Hydrolyse zeitlich etwas stärker gedehnt. Wir er-

kennen daraus, dass frisch hergestellte Wofasteril-

Kombilösungen bis zu zwei Stunden ohne gra-

vierende Wirkungsverluste (< 10 %) zur Desinfektion

einsetzbar sind.

Hydrolyse 1 %iger Wofasteril E 400-Lösungen in Abhängigkeit des pH-Wertes

0,00

0,05

0,10

0,15

0,20

0,25

0,30

0,35

0,40

0,45

0 5 10 15 20 25 30

Standzeit der Lösungen in h bei Raumtemperatur

%A

HP pH 3

pH 9 pH 11

Haltbarkeit ungepufferter und alcapur-gepufferter Gebrauchslösungenmit 0,5 % Wofasteril (E 400)

0,00

0,01

0,02

0,03

0,04

0,05

0,06

0,07

0,08

0,09

0,10

0 50 100 150 200 250 300

Standzeit der Lösungen (min) bei 20 °C

%A

HP

0,2 % Wofasteril (E 400)

0,2 % Wofasteril (E 400) + 0,6 % alcapur

Bild 27

Bild 28

7.4 Vom Laborexperiment zum praxistaug-lichen Desinfektionsverfahren

7.4.1 Listungen bestätigen die enorme Desin-fektionsleistung des Kombiverfahrens

Bevor ein neues Desinfektionsmittel in den Verkehr

gebracht wird, ist in der BRD die Aufnahme in eine

der Desinfektionsmittellisten sinnvoll. Die wich-

tigsten werden vom Verein für Angewandte Hygiene

(VAH, bis 2004 DGHM) für Hospitalismuspro-phylaxe in Klinik und Arztpaxis sowie von der

Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft

(DVG) für Tierhaltung und Lebensmittelbereichherausgegeben. Für die Aufnahme in die Liste sind

jeweils zwei voneinander unabhängige Gutachten

erforderlich, die nach verbindlichen Richtlinien er-

stellt werden müssen. Eine Expertenkommission

legt auf Basis dieser Gutachten dann die Eintra-

gungswerte (Einsatzmenge in Vol-% und Einwirk-

zeit EWZ) fest.

Obwohl diese Listungen auf freiwilliger Basis beruhen,haben sie im Laufe der Zeit einen hohen Grad an Akzep-tanz im Markt erlangt, weil sie dem Anwender Sicherheit und Vertrauen in die Wirksamkeit der gelisteten Produkte und ebenfalls die direkte Vergleichbarkeit der Desinfek-tionsleistung unter standardisierten Prüfbedingungen bieten.

Eine zusammenfassende Listungsübersicht für

Wofasteril und das Wofasteril-Kombiverfahren ist in

der Übersicht 29 gegeben. Hier wird auch die Art der

Wirksamkeitsprüfungen für die Listungswerte er-

klärt. Nun sind solche Listen zwar ein sehr wertvolles

Hilfsmittel für Anwender, aber bisweilen auch inter-

pretationsbedürftig.

Die erste Listung des neuen Wofasteril-Kombi-

verfahrens erfolgte in der Rubrik Flächendes-infektion der DGHM mit den Listungswerten

(siehe Seite 21 rot umrandet):

0,25 % Wofasteril + 0,75 % alcapur

bei 5 min EWZ.

21

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Übersicht 29

Desinfektionsmittelliste der DVG für die TierhaltungNr. Basis für Listungswerte:

Ergebnisse ausWofasteril E 400 Wofasteril E 400

+ alcapur (1+3)*Bakterizidie spez. Des. 4a Keimträgerversuche mit S. aureus, E.

faecium, P. mirabilis und P. aeruginosa0,2% 2h oder

0,5% 1h0,2% 2h oder

0,5% 1hvorb. Des. 4b qualitativen Suspensionsversuchen mit

Belastung mit S. aureus, E. faecium, P. mirabilis und P. aeruginosa

0,2% 1h 0,2% 1h

Tuberkulozidie 5 Keimträgerversuche mit M. avium - -Fungizidie 6 Keimträgerversuche mit C. albicans 0,2% 2h oder

0,5% 1h0,2% 2h oder

0,5% 1hViruzidie viruzid 7a Keimträgerversuche mit ECBO- und REO -

Virus0,5% 0,5h 0,5% 2h oder

1,0% 0,5hbegr. viruzid 7b Keimträgerversuche mit ND - und

Vacciniavirus0,25% 0,5h 0,25% 0,5h

AntiparasitäreWirkung

Wurmeier 8a quantitativen Suspensions- und Keimträgerversuchen mit A. suum -Eiern

- -

Kokzidien 8b in vivo Infektionstest an Hühnerküken mitE. tenella

- -

Desinfektionsmittelliste der DVG für den LebensmittelbereichNr. Basis für Listungswerte:

Ergebnisse ausWofasteril E 400 Wofasteril E 400

+ alcapur (1+3)*Bakterizidie wenig

belasteterBereich

6a6b

qualitativen und quantitativenSuspensionsversuchen mit geringer Belastung mit S. aureus, E. faecium, P. mirabilis und P. aeruginosa

0,125% 30' oder0,125% 60'

0,125% 30' oder0,125% 60'

belasteterBereich

8a8b

qualitativen und quantitativenSuspensionsversuchen mit hoher Belastung mit S. aureus, E. faecium, P. mirabilis und P. aeruginosa

0,2% 30' oder0,15% 60'

0,2% 30' oder0,15% 60'

Fungizidie wenigbelasteterBereich

7a7b

qualitativen und quantitativenSuspensionsversuchen mit geringer Belastung mit C. albicans

0,125% 30' oder0,125% 60'

0,125% 30' oder0,125% 60'

belasteterBereich

9a9b

qualitativen und quantitativenSuspensionsversuchen mit hoher Belastung mit C. albicans

0,2% 30' oder0,15% 60'

0,2% 30' oder0,15% 60'

Desinfektionsmittelliste des VAH (ehem. DGHM)Basis für Listungswerte:Ergebnisse aus

Wofasteril Wofasteril + alcapur (1+3)*

qualitativen Keimträgerversuchen mit S.aureus, E. coli, P. aeruginosa, P. mirabilisund C. albicans sowie quantitativenKeimträgerversuchen unter praxisnahenBedingungen mit S. aureus, E. coli und P. aeruginosa

0,5% 5' oder0,25% 15' 0,25% 5'

*Listungswerte sindKonz. von Wofasteril!

Desinfektionsmittelliste des RKI ListungswerteWofasteril0,9 % 1h

2% 4h

0,5% 1'

verlängerte EWZ gegenüber Soloeinsatz Wofasteril E 400

Listungswerte

Flächendesinfektion in Krankenhaus und Praxis

Anwendung

Hygienische Händedesinfektion

Wirksamkeitsbereichzur Abtötung von vegetativen bakteriellen Keimen enschl. Mykobakterien sowie Pilzen einschl. pilzlicher Sporen + zurInaktivierung von Viren geeignet

zur Abtötung von vegetativen bakteriellen Keimen einschl. Mykobakterien sowie Pilzen einschl. pilzlicher Sporengeeignet

Anwendung

Flächendesinfektion,Scheuerdesinfektion

Instrumentendesinfektion

ListungswerteWirkung

Wirkung (in jedem Falle A+B, 10 °C + 20 °C)

Listungswerte

22

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Zum Vergleich:

Mit Stand 01. März 2000 enthielt

die DGHM-Liste insgesamt 448 Flächendesinfektionsmittel.

Von diesen waren nur 98schnellwirkend mit einer EWZ

von 5 min.

Es verbleiben 14 nichtalkoholische

DIM. Davon werden

3 Mittel 5 % ig, 2 Mittel 3 % ig und 7 Mittel 2 % ig eingesetzt.

Nur Wofasteril (0,5 % 5 min) und

das Wofasteril-Kombiverfahren(0,25 % Wofasteril + 0,75 % Pufferadditiv 5 min) liegen deutlich

darunter.

Hier dokumentiert sich also höchste Sicherheit in kürzester Zeit bei bester Ökonomie von allen 448 gelisteten

Desinfektionsmitteln!

Auch die anderen Listungswerte in den beiden DVG-Listen Tierhaltung (Auszug in Übersicht 33) und

Lebensmittelbereich sprechen die gleiche Sprache. Da die Art der Eintragung bei der DVG auf den ersten Blick

verwirren kann (Summe von Wirkstoff + Additiv), sind diese in der grünen Spalte rechts außen noch einmal

interpretiert:

0

0,5

1

1,5

2

2,5

3

3,5

4

4,5

5

% Aufwandmenge

Wofasteril Wofasteril-Kombiverfahren

7 Mittel 2 Mittel 3 Mittel

Aufwandmenge für die 5 Minuten-Wirksamkeit von Mitteln zur Flächen-desinfektion der DGHM-Liste 2000 (außer Alkoholpräparate)

AdditivWirkstoff

Aufteilung schnellwirkender Flächendesinfektionsmittel aus der DGHM-Liste 2000

insgesamt 98 Mittel, davon 84 auf Alkoholbasis

andere FDM

Alkoholpräparate für kleinflächigeAnwendung

DGHM-gelistete Flächendesinfektionsmittel- Stand 1. März 2000 -

Gesamt 448 Handelspräparate, davon 98 schnellwirkend

FDMittel mit EWZ > 5 min

schnellwirkende FDMittel mit 5 min EWZ

Unter den schnellwirkenden wie-

derum waren 84 alkoholische Präparate, die auf Grund der

Feuergefährlichkeit nur klein-

flächig einsetzbar sind.

Bild 30

Bild 31

Bild 32

23

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Spalte 1 Name Wofasteril E 400

Wofasteril E 400 + alcapur Kombiverfahren Bemerkungen

Spalte 2Hersteller/Vertreiber

KESLA PHARMAWOLFEN GMBH

KESLA PHARMAWOLFEN GMBH

Spalte 3 Wirkstoffe PeressigsäurePeressigsäure,gepuffert

4a spezielleDesinfektion

0,2 % 2 hoder

0,5 % 1 h

0,8 % 2hoder

2 % 1 h

0,8 % = 0,2 %WST E400 +0,6 % alcapur

4 b:vorbeugendeDesinfektion

0,2 % 1 h 0,8 % 1 h0,8 % = 0,2 %WST E400 +0,6 % alcapur

Spalte 5Tuberkulozidie

Spalte 6:Fungizidie

0,2 % 2 hoder

0,5 % 1 h

0,8 % 2 hoder

2,0 % 1 h

2% = 0,5 %WST E 400 +1,5 % alcapur

7a: viruzid 0,5 % 0,5 h 4

7b: begrenztviruzid

0,25 % 0,5 h 1,0 % 0,5 h1% = 0,25 %WST E 400 +0,75 % alcapur

8a: Wurmeier8b: Kokzidien

Anmerkungen zur Liste:

4a spezielleDesinfektion4 b:vorbeugendeDesinfektion

Auszug aus der 12. Desinfektionsmittelliste der Deutschen VeterinärmedizinischenGesellschaft (DVG) für die Tierhaltung (Gießen, Mai 2003)

Spalte 4Bakterizidie

Gezielte Maßnahmen gegen bestimmte Erreger bakterieller Infek-tionskrankheiten mit Ausnahme von Bakteriensporen (i.d.R. in nichtbelegten Stallungen oder Stallabteilungen bzw. auf Flächen oder Geräten ohne gleichzeitigen Tierkontakt).

Hygienische Maßnahme zur allgemeinen Verminderung des Bak-teriengehaltes in belegten und unbelegten Stallungen (z.B. Hygiene-Prophylaxe ber Dermatomykosen (Trichophytie).

Spalte 4Bakterizidie

Spalte 7:Viruzidie

Spalte 8:Antiparasitäre Wirk.

Übersicht 33

24

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Im rechts dargestellten Fall wurde vorschriftsgemäßgearbeitet: 30 ml alcapur vorlegen, mit kaltem Wasser auf 1000 ml auffüllen, erst dann 10 ml Wofasteril E 400 zu-geben. Ergebnis: kein Schaum und kein Temperaturan-stieg.

Nach dem Zusammenfallen des Schaumes im linken Zylinder wurde dieser ebenfalls auf 1000 ml aufgefüllt und in beiden Fällen der Wirkstoffgehalt durch Titration be-stimmt. Ergebnis:

Linker Zylinder: 0,17 % AHP + 0,15 % WPORechter Zylinder: 0,34 % AHP + 0,12 % WPO

Durch das konzentrierte Zusammengießen beider Kom-ponenten sind 50 % des WirkstoffesAHP zerstört worden.

Zum etwa gleichen Ergebnis kommt man aus der Be-trachtung des Schaumvolumens. In den 10 ml Wofasteril E 400 sind 4 g AHP enthalten, (400 g/l AHP). Das sind 0,05 Mol. Gleichfalls enthält das Konzentrat noch 160 g/l WPO, also 1,6 g in den 10 ml. Das sind auch 0,05 Mol. Aus beiden Trägern von Aktivsauerstoff entsteht bei Peroxidzerfall die äquimolare Menge O, der sich zu ½ Mol O vereinigt und 2

hier Schaum bildet. Das wären max. 0,05 mol O -Gas bei 2

Totalzerfall. 1 mol O nimmt unter Normalbedingungen das 2

Volumen von 22,4 l ein. 0,05 Mol bilden also 1,1 l Luftsauerstoff. Hier sind etwa 500 ml Schaum aus 40 ml Flüssigkeit entstanden. Also ist zu vermuten, dass der Peroxidzerfall die Hälfte der in der vorhandenen AO-Träger erfaßt hat.

Die nächst häufigste Fehlerquelle ist das zu lange Stehen der angesetzten Kombilösungen vor dem

Ausbringen.

7.4.2 Fehlerquellen beim Wofasteril (E 400)-Kombiverfahren

Murphys Gesetz sagt „Alles was schief gehen kann,

wird auch schiefgehen.“ Die Einführung des Wofa-

steril-Kombiverfahrens war eine Bestätigung dafür.

Sehr häufig wurden trotz aller Warnhinweise Wofa-

steril und alcapur unverdünnt vorgemischt. Dazu

mag auch die leicht irreführende Darstellung in den

beiden DVG-Listen beigetragen haben, wo man statt

des Wirkstoffes Wofasteril E 400 die Summe von

Wofasteril und Additiv eingetragen hat.

Was dabei passiert, ist in den folgenden Fotos dar-

gestellt:

Hier stehen zwei Meßzylinder für das Ansetzen von Kombilösungen mit 1 % Wofasteril nebeneinander. Linkswurden 30 ml alcapur vorgelegt und ohne Verdünnung10 ml Wofasteril E 400 zugegeben. Sofort schäumt die Mischung auf und entwickelt Wärme.

Man sieht hier, dass sich aus den insgesamt 40 ml konzentriert vereinigten Komponenten etwa 500 ml Schaum entwickelt haben. Die Temperatur ist deutlich angestiegen.(36,9”C)

Bild 35

Bild 34

Bild 36

25

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7.4.3 Dosiertechnik und Fixverhältnis

Nach einer längeren Testphase mit dem Wofasteril-

Kombiverfahren festigte sich die Überzeugung, dass

für den Erfolg des Verfahrens einfache und verläss-

liche Dosiertechnik für die Bereitung der Kombi-

lösung verfügbar sein muss. Im Idealfall wäre das

eine pH-gesteuerte Dosierung. Die erwies sich als

zu teuer und zu aufwendig, zumal pH-Elektroden

relativ oft kalibriert werden müssen.

Einfachere Dosierverfahren setzen dagegen

voraus, dass zwischen Wirkstoff und Alkalisie-

rungsadditiv ein feststehendes Verhältnis existiert.

Ein solches Fixverhältnis stellt aber sehr hohe Anfor-

derungen an die Konstanz des AHP-Wirkstoff-

spiegels (Titerkonstanz). Warum?

Wir sehen hier noch einmal die beiden Zerfallswege

des AHP. In beiden Fällen entsteht aus dem Neu-

tralmolekül AHP die äquivalente Menge Essigsäure.

Mit anderen Worten: Der Wirkstoffzerfall produziert

Säure, die immer mehr Alkali zur optimalen pH-

Einsstellung erfordert.

Bei technischen PES-Produkten, in denen sich der

AHP-Gehalt ständig ändert, ist kein Fixverhältnis zu erreichen. Im Falle von Wofasteril kam der

Umstand zugute, dass dieses Produkt von Anfang

an als Arzneimittel in den Verkehr gebracht wurde

und sehr viel strengeren Anforderungen an die

Wirkstoffkonstanz über lange Zeit unterlag als das

bei einem marktüblichen technischen PES-Produkt

der Fall ist. Beim Wofasteril E 400 handelt es sich

herstellungsseitig und chemisch um ein Identpro-dukt des medizinischen Wofasterils mit seiner Zu-

lassung für die Händedesinfektion.

Acetylhydroperoxid(”Peressigsäure”)

CH3

CH COOH3 H O2 2

1/ O2 2CH COOH3

OOH

OC

Neutral

Neutral

Neutral

Säure

Säure

Hydrolyse

Peroxidzerfall

+

+

Bild 37

Die de facto-Arzneimittelqualität von Wofasteril

machte die Entwicklung eines Systems von analog

funktionierenden Kombiverfahren mit relativ ein-

facher Dosiertechnik möglich:

Die im linken Teil der Pyramide dargestellten PES-

Komponenten sind spezielle Zubereitungen des

(medizinischen) Wofasteril. Sie unterscheiden sich

im AHP-Gehalt, der in den jeweiligen Produktbe-

zeichnungen in g/l angegeben ist: Wofasteril E 250bezieht sich auf den Baustein mit 250 g/l AHP, der zur

Alkalisierung auf den optimalen pH-Wert im

Volumenverhältnis 1 : 2 mit alcapur kombiniert wird.

Für die Herstellung der Kombilösungen haben sich

im Wesentlichen zwei Dosiertechniken bewährt, die

beide keine anderen Hilfsenergien als den normalen

Wasserdruck benötigen.

Systembausteinedes Wofasteril-Kombiverfahrens

(Desinfektion mit gepufferter Peressigsäure)

WSTE 250

WSTE 400

alc(E,F)

alc(E,F)

alc(E,F)

alc(E,F)

alc(E,F)0,125 %

0,25 %

0,5 %

1 %

0,5

1

0,25

0,125

0,5

0 1

0,5

0,375

1

0,75

0,5

WSTL spez.

WSTE 125

alc(E,F)+

+ +

+ + +

Aufwandsmenge zur Erzielungäquivalenter Desinfektionsleistungen

k

w

fp

Auan

dsm

enge

anW

ksto

fom

onen

te

f

ir

Wirkstoff Puffer Gesamt

1. Doppeldosierinjektor DI 2

Bild 38

Bild 39

26

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Es ist eine Art verlängerter Wasserhahn mit Druck-

regulierer im Kopfteil, der Schwankungen des Was-

serdrucks ausgleicht und so eine einfache Injektor-

dosierung ermöglicht. Die beiden Komponenten

werden kontinuierlich dem Wasserstrom zugemischt

und verlassen den Ablauf als einsatzbereite

Kombilösung. Die unterschiedlichen Mengenver-

hältnisse werden durch entsprechende Düsen-

durchmesser im seitlichen Ansaugteil fest einge-

stellt.

Größere Bedarfsmengen Kombilösung können mit

hydromechnischen Pumpen erzeugt werden, wie sie

im Bild mobil montiert sind.

Bei beiden Systemen beschränkt sich das Handling

auf das Einstecken der Sauglanzen durch einen ent-

sprechend durchbohrten Kanisterverschluss und

Öffnen des Wasserzuflusses. Bei ordnungsgemäß

eingestellter Dosiertechnik wird der mit dem Faktor

Mensch verbundene Unsicherheitsfaktor eliminiert

und die Basis für reproduzierbare Desinfektionser-

gebnisse bei optimalem Betriebsmittelverbrauch

geschaffen.

2. Hydromechanische Pumpen

Bild 40

7.4.4 Applikationsverfahren

Für das Wofasteril-Kombiverfahren steht im Prinzip

das übliche technische Arsenal zur Ausbringung von

Desinfektionslösungen zur Verfügung, also :

Eine interessante Technik ist das Ausbringen von

Desinfektionsschaum mit Schaumgeneratoren.

Diese gibt es sowohl für den Niederdruckbereich, als

auch in Form von Zusatzaggregaten für Hochdruck-

reiniger.

Das nachfolgende Foto zeigt die Schaumdesin-

fektion mit einem Niederdruck-Generator der Fa.

Kesla Hygiene AG, der mit normalem Wasserdruck

von 3 - 5 bar arbeitet:

Dieser Typ Schaumgenerator speist die beiden

Komponenten Wofasteril (E 400) und alcapur

separat in den Wasserstrom ein, bevor die nun

entstandene, verdünnte Kombilösung durch Druck-

luft aufgeschäumt wird. Das Additiv alcapur

übernimmt hier zugleich die Aufgabe der Schäumer-

komponente. Man kann die Schaumgüte variieren

von sahnig bis rasch zerfallend. Ersteres ist vor-

teilhaft bei senkrechten Flächen, letzteres dann,

wenn der Schaum nur zur Markierung der behan-

delten Flächen dienen soll.

1.

2.

3.

4.

5.

Desinfektionsbäder

Versprühen

Kaltnebeln

Verschäumen

Ausbringung mittels Hochdrucktechnik

Bild 41

27

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Eine interessante neue Variante ist die Ausbringung

von Desinfektionsschaum mittels Hochdrucktech-nik. HD-Geräte galten durch ihre Messingbauteile

bislang als nicht PES-verträglich. Inzwischen wur-

den durch Entwicklungskooperation mit der AlfredKärcher GmbH & Co. KG für den zivilen Einsatz

und der Kärcher Futuretech GmbH für die ABC-

Abwehr bei den Streitkräften Zusatzgeräte

geschaffen, deren bisherige Erprobung bereits zu

vielversprechenden Erwartungen Anlass gibt.

Das nachfolgende Bild zeigt eine erste Idee der

Kopplung des Wofasteril E 400-Kombiverfahrens mit

HD-Technik. Beide Komponenten werden vor der

Einspeisung in die PES-empfindlichen Messing-

bauteile des HD-Gerätes in einer Mischkammer

vereinigt. Das minimale Kammervolumen sorgt

dafür, dass die hier entstehende Komponenten-

mischung in der Regel nach Sekundenbruchteilen

bereits im Wasserstrom verdünnt wird. So können

die negativen Effekte bei einer Vermischung der

Konzentrate - ansonsten ein schwerwiegender

„Kunstfehler“ - (s. 7.4.2) auf ein Minimum reduziert

werden.

Dieses Prinzip wurde inzwischen weiter optimiert

und steht unmittelbar vor der Praxisreife. Das be-

zieht sich nicht nur auf die konstruktiv-technische

Weiterentwicklung, sondern auch auf Innovationen

des chemischen Stoffsystems.

Bild 42

Das folgende Bild zeigt die praktische Anwendung.

Auf dem Rollwagen neben dem HD-Gerät ist die

Mischkammer montiert. Auf dem Wagen stehen die

Vorratsbehälter beider Komponenten. Die Nutzung

der HD-Technik ist gegenüber den Normaldruck-

generatoren oft produktiver. Letztere haben aber

auch ihre Daseinsberechtigung.

Hier kommt eine neue PES-Generation zum Einsatz,

die als Solvent Cage-PES („Lösungsmittelkäfig“-

PES) bezeichnet wird und unter der Marke Wofa-

steril SC in den Handel kommt. Der SC-Typ ist

langlebiger, thermisch sehr viel robuster und auch

seine Kombilösungen halten höhere Temperaturen

aus. Während die normalen Wofasteril E-Kombi-

lösungen sehr temperaturempfindlich und nicht über

30 °C einsetzbar sind, können SC-Kombi-Lösungen

bis 70 °C zumindest kurzzeitig erhitzt werden. Damit

sind kombinierte R & D-Prozesse möglich, wo auch

die Wärme als Intensivierungsfaktor nutzbar wird.

Chemie und Anwendungen des SC-Types sind ein

sehr interessantes Feld, das im Teil II des Materials

zur modernen PES-Desinfektion eingehender

behandelt wird.

Bild 43

28

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7.4.5 Kontrolle des AHP-Gehaltes von PES-Produkten und deren Lösungen normal und alkalisiert

Zu den vielen Vorteilen des Wirkstoffes AHP gehört

auch die Unkompliziertheit seines Nachweises in

Handelsprodukten und der daraus hergestellten

Gebrauchslösungen. Wir wollen hier nur die für

Anwender ohne analytisches Labor und den

Feldversuch wichtigen Verfahrensweisen skizzie-

ren. Eine ausführliche Beschreibung aller geläufigen

Methoden für Praxis und Forschung bis hinunter in

den Mikrogrammbereich werden wir am Ende des

Teil III geben.

7.4.5.1 Titrationsverfahren

Zweistufen-Titration

Im analytischen Kontrollabor arbeitet man am häu-

figsten mit einer Zweistufentitration. Dabei wird in

der ersten Stufe das in jeder PES enthaltene WPO

bestimmt und in der gleichen Probe unmittelbar

danach das AHP. Das Prinzip dieser Bestimmungen

wird hier nur kurz skizziert:

1. Stufe: Titration der mit Eiswasser gekühlten und mit Schwefelsäure angesäuerten Probe mit 0,1 N Cer-IV-sulfat-Lösung gegen den Indikator Ferroin. Der TropfenFerroin färbt die zu titrierende Lösung orange, wie imfolgenden Foto links gezeigt.

Bild 44

Dann titriert man mit der Cer-IV-Maßlösung bis zum

Farbumschlag nach hellblau. An diesem Punkt ist

der gesamte WPO in der Probe in einer Redox-

Reaktion zerstört:

Jetzt wird der Verbrauch an Cer-IV-Lösung an der

Bürette abgelesen.

1 ml 0,1 N Cer-IV zeigt 1,7 mg H O an.2 2

Es werden 10 ml Kaliumiodid-Lösung R zugesetzt.

Die Lösung färbt sich tiefbraun, wenn AHP vorhan-

den ist. AHP oxidiert farbloses Iodid zu elementaren

Iod. Das wird nun mit 0,1 N Natriumthiosulfat-Lösung

titriert. Kurz vor den Umschlagspunkt werden 2 ml

Stärkelösung zugegeben. Iod bildet mit Stärke einen

tiefblauen Komplex, der den Umschlagspunkt ver-

schärft. Dieser liegt nicht wie sonst bei iodome-

trischen Titrationen üblich bei farblos, sondern bei

orange:

1 ml 0,1 N Na-thiosulfatllösung zeigt 3,8 mg AHP an.

Bild 45 Bild 46

Bild 47 Bild 48

29

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Wer das einmal richtig gemacht und das Prinzip ver-standen hat, kann die Verdünnungen beliebig variieren und damit die meisten Fragestellungen in der Praxis beantworten.

8. Beispiele für Einsatzgebiete für dasWofasteril-Kombiverfahren

Da die Anwendungen und Praxiserfahrungen der

Wofasteril-Kombiverfahren ausführlicher im Teil IIder auf drei Teile angelegten Reihe „Grundlagen und

Anwendungen der modernen Peressigsäure-

Desinfektion“ abgehandelt werden, soll die

nachfolgende Aufzählung nur einen groben

Überblick geben.

8.1 Fahrzeugdesinfektion zur Tierseuchenprophylaxe und im Seuchenfall, weil

Anhang: S-Merkblatt für Einsatzkräfte bei hoch-infektiösen Erkrankungen aus: Handbuch für den Bevölkerungsschutz - Biologische Gefahren I , herausgegeben vom Bundesamt für Bevölkerungs-schutz und Katastrophenhilfe und dem Robert-Koch-Institut /17/

Anhang: T-Merkblatt für Einsatzkräfte: Vogelgrippeim Geflügelbetrieb /17/

8.2 Sporozide Desinfektion in Truppenküchender Bundeswehr

8.3 In den Decon-Behältern der US-Army-Feuer-wehren an allen europäischen Standorten.

8.4 In den von Kärcher Futuretech bis 2011 an die ABC-Truppe der Bundeswehr auszuliefernden Sys-temen TEP 90 zur biologischen Dekontamination(hier als BDS 2000 bezeichnet).

8.5 Melkzeugzwischendesinfektion in großenMilchviehanlagen.

8.6 Als Schaum zur hygienischen Klauenwäschebei Milchkühen

7.4.5.2 Merck-Teststäbchen

Eine elegante und für viele Praxisfragen aus-

reichend genaue Bestimmung des Wirkstoffes AHP

in PES-Produkten und Gebrauchslösungen ist mit

einfachen Teststäbchen durchführbar. Das Nach-

weisprinzip beruht auf der Bildung eines Farbstoffes

aus phenolischen Verbindungen, die ziemlich selek-

tiv durch AHP oxidiert werden.

Hier als Beispiel PES (AHP) -Stäbchen von Merck,

deren Anzeigeskala in Stufen von 50 oder 100 ppm

(mg/l)AHP bis 500 ppm reicht.

Am einfachsten ist die Gehaltsbestimmung beiungepufferten Lösungen.

Wenn wir z.B. den AHP-Gehalt von Wofasteril E 400 prüfen wollen, gibt man 1 ml Konzentrat auf 1000 ml. Wofasteril E 400 enthält 400 g/l AHP. Im Verhältnis 1: 1000 verdünnt, sollten in der Lösungen 400 mg/l gefunden werden. Das ist am oberen Ende der Anzeigeskala.

Die meisten Anwendungen liegen im Bereich von 0,2 bis 0,5 % Wofasteril E 400. Eine solche Lösung verdünnt man 1:1 bis 1:5 und prüft mit dem Teststäbchen.

Alkalisierte Lösungen

Da die Farbstoffbildung nur im schwachsauren pH-Be-reich zwischen 3 bis 5 erfolgt, lassen sich alkalisierte Ge-brauchslösungen nicht direkt bestimmen. Sie müssen vorher angesäuert werden.

Angenommen, eine alkalisierte Desinfektionslösung mit0,2 % Wofasteril E 400-Sollkonzentration soll überprüft werden. Wie geht man vor?

1. pH-Wert prüfen2. 50 ml Prüflösung abnehmen, mit 10%iger Citronen-

säure oder Essigsäure versetzen, pH prüfen, liegter zwischen 3 und 5, Prüflösung auf 100 ml auffüllen

3. AHP-Gehalt mit Teststäbchen ermitteln4. angezeigten Wert mit 2 multiplizieren, um die Ver-

dünnung auszugleichen

Bild 49

30

Desinfektionserfolg schon nach wenigen MinutenEWZ (AHP hat höchste Wirkungsgeschwindigkeitaller bekannten Mikrobizidie)

Desinfektionserfolg und -geschwindigkeit kaumtemperaturabhängig. Mit Glykolen gefrierge-schützte Wofasteril E 400-Kombilösungen sind bis - 25°C wirksam.

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Literatur (ausführliches Literaturverzeichnis am Ende von Teil III):

1/ Freer, P.C., Novy, F.G.: Am Chem J. Vol. XXVII, March, No. 3 p 161 – 192 (1902)

/2/ d’Ans, J., Frey, W.: Ber. Dt. Chem. Ges. Bd. II, S. 1845 – 1858 (1912)

/3/ Greenspan, F.P., MacKellar, D.G.: Food Technol. 5, 95 – 97 (1951)

/4/ Lowings, P.H.: Appl. Microbiol. Vol. 4 84 – 88 (1956)

/5/ Trexler, P.C., Reynolds, L.I.: Appl. Microbiol. Vol. 5, 406 – 412 (1957)

/6/ Kline, L.B., Hull, R.N.: Am J Clin Path 33 pp 30 – 33 (1960)

/7/ Tichacek, B. et al. : Kyselina peroctova a moznosti jejjiho vyuziti v dezinfekci. Praha 1966

/8/ Sprößig, M., Mücke, H.: Publikationsübersicht: in Wiss. Z Humboldt-Univ. Math.-Nat. R. XXXI (1982), und in „Wofasteril - Literaturzusammenstellung 1964 – 1979 und Symposiumsbericht „Anwendung der Peressigsäure in der Humanmedizin“ Eisenach 1978 mit 272 Zitaten

/9/ Schlenker, E.: Zur Desinfektion mittels Wofasteril in der stomatologischen Praxis – Dissertation Uni Leipzig 1981

/10/ Schreiner, G., Bube, I.: Flüss. Obst 66, 4, S. 183 – 188 (1999); Schreiner, G., Schwabe, H., Bube I.: fleisch-magazin 6, S. 13 – 17 (1999)

/11/ Groba, D: Untersuchungsbericht. Kesla Pharma Wolfen 2004 (unveröffentlicht)

/12/ Sauerbrei, A.: Untersuchungen zur sporoziden Wirkung der Peressigsäure in Abhängigkeit vom pH. Dipl.-Arbeit, Medizinische Akademie Erfurt 1975

/13/ Wallhäuser, K.H.: Praxis der Sterilisation, Desinfektion, Konservierung. 5. Aufl. 1995, G. Thieme Verlag Stuttgart New York

/14/ Geiler, W., Otto, J., Mücke, H.: Z. Klin. Med. 44, S. 349 – 352 (1989)

/15/ Beckert, H., Wölfel, H.: Vergleichende Untersuchungen über den Korrosionsschutz verschiedener Desinfektionsverfahren mit Peressigsäure im alkalischen Milieu für medizinische Instrumente. – Dissertation A Medizinische Akademie Erfurt 1984;Werner, I.: Untersuchungen zur materialschonenden kombinierten Reinigung und Desinfektion von Instrumenten im alkalischen Milieu. Dissertation A Medizinische Akademie Erfurt 1985;

/16/ Wutzler, P. et al.: Z. med. Labortechn. 16, 253 – 259 (1975)

/17/ Steffler, R. et al.: Desinfektion und Dekontamination bei B-Lagen durch operative Kräfte der Gefahrenabwehr,Kapitel 6.8 in: Handbuch zum Bevölkerungsschutz – Biologische Gefahren I 3. Auflage Bonn, Herausgeber: Bundesamt fürBevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in Gemeinschaft mit dem Robert Koch-Institut

Danksagung

Der Autor bedankt sich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die bei Erstellung des druckfertigen Manuskriptes, bei der Bereitstellung von Daten, Zuarbeiten oder beim Korrekturlesen Hilfestellung geleistet haben.

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2008: Fachakademie für angewandte Hygiene D-06803 Bitterfeld-WolfenOT Greppin, Salegaster Chaussee 4

Als Manuskript gedruckt.