FRAUEN IN DER ALTÄGYPTISCHEN KULTUR · Liebe und Erotik wurden im Idealfall in menschenleeren...

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FRAUEN IN DER ALTÄGYPTISCHEN KULTUR Wir bleiben im Alten Ägypten und gehen der Frage nach, welche Spuren die Frauen in dieser Kultur hinterlassen haben. Die gleichberechtigte Stellung und die emanzipierte Lebensart der altägyptischen Frauen erregte bereits im Altertum das Staunen von Ägyptenreisenden. Frauen durften über ihren Besitz frei verfügen und auch ohne männlichen Schutz alleine leben. Sie hatten ihren Platz in der Öffentlichkeit und konnten sogar Regentinnen des Reiches werden. Ich werde in den folgenden Beiträgen über die Lebenswelten von Frauen berichten, von Liebeszauber und erotischen Geheimnissen, über Familie und Ehe im Alten Ägypten. In diesem Kontext werde ich auch einige Pharaoninnen vorstellen und Infos über Frauenheilkunde und Geburtshäuser, die sog. Mammisi, vermitteln. Die Frau im Alten Ägypten, ein Überblick Eine Frauensache I - Liebe, Erotik, Ehe Eine Frauensache II - Schwangerschaft und Geburt, ergänzt durch eine Pressemitteilung und Bildmaterial der Universität von Pennsylvania Die Geburtshäuser der Götter - altägyptische Mammisi Frauen und Politik - Herrscherinnen und graue Eminenzen Die die Götter gebar - Frauen als Priesterinnen Die Frau im Alten Ägypten, ein Überblick In den nächsten vier Monaten möchte ich Sie zu einem Themenkomplex hinführen, der für jede/n von uns eine große Bedeutung hat: Frauen und ihre Lebenswelten und ... das ewige Verhältnis der Geschlechter. Die Gleichbehandlung von Frauen und die Gleichrangigkeit beider Geschlechter war im Alten Ägypten ganz selbstverständlich. Ein partnerschaftliches Miteinander, das die Verschiedenheit der Geschlechter anerkannte und beide als gleichwertig betrachtete, machte den Lebensalltag aus. Als der griechische Geschichtsschreiber Herodot im fünften vorchristlichen Jahrhundert durch Ägypten reiste, schrieb er folgende Notiz auf: "Bei ihnen (den Ägyptern) sitzen die Weiber zu Markte und handeln, die Männer aber bleiben zu Hause und weben." Einige Jahrhunderte später bestätigte der Reisende Diodorus, ein Geograph aus Sizilien, diesen Eindruck eines vermeintlichen Rollentausches: die ägyptische Frau habe wohl die ganze Herrschaft über ihren Mann. Für beide Männer war diese öffentliche Präsenz von Frauen und ihre beobachtete Selbständigkeit ganz ungewöhnlich und bemerkenswert. Sie kannten die Verhältnisse in den meisten Staaten der antiken Welt und der griechisch-römischen Kultur. Dort war der Einfluss von Frauen auf das gesellschaftliche und politische Leben eher unüblich. Frauen unterstanden in der Regel der schrankenlosen Verfügungsgewalt eines Vaters, Bruders oder Ehemannes. Das, was sie in Ägypten mit eigenen Augen sahen, muss den Eindruck einer absoluten Dominanz der Frauen über die Männer vermittelt haben. Diese "verkehrte Welt" des Geschlechterverhältnisses führte bereits im 19. Jahrhundert dazu, ein "Matriarchat" im Alten Ägypten zu vermuten. Der Altertumsforscher und Rechtshistoriker Johann Jakob Bachofen (1815-

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FRAUEN IN DER ALTÄGYPTISCHEN KULTUR

Wir bleiben im Alten Ägypten und gehen der Frage nach, welche Spuren die Frauen in dieser Kultur hinterlassen haben. Die gleichberechtigte Stellung und die emanzipierte Lebensart der altägyptischen Frauen erregte bereits im Altertum das Staunen von Ägyptenreisenden. Frauen durften über ihren Besitz frei verfügen und auch ohne männlichen Schutz alleine leben. Sie hatten ihren Platz in der Öffentlichkeit und konnten sogar Regentinnen des Reiches werden. Ich werde in den folgenden Beiträgen über die Lebenswelten von Frauen berichten, von Liebeszauber und erotischen Geheimnissen, über Familie und Ehe im Alten Ägypten. In diesem Kontext werde ich auch einige Pharaoninnen vorstellen und Infos über Frauenheilkunde und Geburtshäuser, die sog. Mammisi, vermitteln. Die Frau im Alten Ägypten, ein Überblick Eine Frauensache I - Liebe, Erotik, Ehe Eine Frauensache II - Schwangerschaft und Geburt, ergänzt durch eine Pressemitteilung und Bildmaterial der Universität von Pennsylvania Die Geburtshäuser der Götter - altägyptische Mammisi Frauen und Politik - Herrscherinnen und graue Eminenzen Die die Götter gebar - Frauen als Priesterinnen

Die Frau im Alten Ägypten, ein Überblick In den nächsten vier Monaten möchte ich Sie zu einem Themenkomplex hinführen, der für jede/n von uns eine große Bedeutung hat: Frauen und ihre Lebenswelten und ... das ewige Verhältnis der Geschlechter. Die Gleichbehandlung von Frauen und die Gleichrangigkeit beider Geschlechter war im Alten Ägypten ganz selbstverständlich. Ein partnerschaftliches Miteinander, das die Verschiedenheit der Geschlechter anerkannte und beide als gleichwertig betrachtete, machte den Lebensalltag aus. Als der griechische Geschichtsschreiber Herodot im fünften vorchristlichen Jahrhundert durch Ägypten reiste, schrieb er folgende Notiz auf: "Bei ihnen (den Ägyptern) sitzen die Weiber zu Markte und handeln, die Männer aber bleiben zu Hause und weben." Einige Jahrhunderte später bestätigte der Reisende Diodorus, ein Geograph aus Sizilien, diesen Eindruck eines vermeintlichen Rollentausches: die ägyptische Frau habe wohl die ganze Herrschaft über ihren Mann. Für beide Männer war diese öffentliche Präsenz von Frauen und ihre beobachtete Selbständigkeit ganz ungewöhnlich und bemerkenswert. Sie kannten die Verhältnisse in den meisten Staaten der antiken Welt und der griechisch-römischen Kultur. Dort war der Einfluss von Frauen auf das gesellschaftliche und politische Leben eher unüblich. Frauen unterstanden in der Regel der schrankenlosen Verfügungsgewalt eines Vaters, Bruders oder Ehemannes. Das, was sie in Ägypten mit eigenen Augen sahen, muss den Eindruck einer absoluten Dominanz der Frauen über die Männer vermittelt haben. Diese "verkehrte Welt" des Geschlechterverhältnisses führte bereits im 19. Jahrhundert dazu, ein "Matriarchat" im Alten Ägypten zu vermuten. Der Altertumsforscher und Rechtshistoriker Johann Jakob Bachofen (1815-

1887) tat das in seinem Werk "Das Mutterrecht". Dort sprach er 1861 von dem "vorzugsweise dem Mutterrecht huldigen Nillande". Und viele folgten ihm. Heute gehen die Meinungen über die Stellung der Frauen im Alten Ägypten ziemlich auseinander: für manche Forscher und Forscherinnen war Ägypten ein Land der Frauenpower. Frauen waren gleichberechtigt in erbrechtlichen und vermögensrechtlichen Dingen und hatten eine unabhängige Rechtsposition in der ägyptischen Gesellschaft. Sie durften jeden Beruf ergreifen, den sie wollten. Es gab Schreiberinnen und Richterinnen. Vermutlich hatten diese Frauen auch eine Schulbildung genossen. Und es gibt die Gegenposition dazu. Einige Ägyptologen und auch Ägyptologinnen sind eher zurückhaltend, wenn es darum geht, von Gleichberechtigung oder gar Emanzipation der Frau im Alten Ägypten zu sprechen. Ihnen ist wichtig im Auge zu behalten, dass das Alte Ägypten eine politische Struktur hatte, an deren Spitze in der Regel ein männlicher Pharao stand, der mit Hilfe seiner männlichen Beamtenschaft regierte. Politik, Religion und Militär lagen also, wie gewohnt, in den Händen von Männern. Auch bei den schriftlichen Zeugnissen ist Vorsicht geboten, ihnen eine verbindliche Aussage über die tatsächliche Rolle von Frauen in der Gesellschaft entnehmen zu wollen. Viele der Schriften beschreiben stereotypische Idealzustände, aus denen man die Lebenswirklichkeit nicht ablesen kann. Tagebücher oder persönliche Reflexionen, wie wir sie kennen, gab es nicht. Private, juristische und ökonomische Dokumente sind oft unvollständig erhalten. Wir haben nur Kenntnis von dem, was gefunden wurde. Das sind lediglich Quellenfragmente, die zudem auch nicht gleichmäßig über die Zeit des altägyptischen Reiches von über 3000 Jahren verteilt sind. Daraus etwas über "die Frauen" abzuleiten, ist unmöglich. Doch was sagen die altägyptischen Quellen selbst aus? Welche Frauenbilder entwerfen sie und in welchem Kontext sind sie zu lesen? Wir haben augenfällige Eindrücke von Frauen im Alten Ägypten, etwa von Statuengruppen und Reliefs, von Schmuckstücken und Schminkutensilien. Und es sind literarische, juristische und religiöse Texte erhalten, die über das Verhältnis von Männern und Frauen berichten.

Familiengruppe des Schepsi, 5. Dynastie, um 2400 v. Chr., bemalter

Kalkstein, Ägyptisches Museum Kairo Der Tätigkeitsbereich altägyptischer Frauen war vielfältig und spielte sich im Haus oder in der Öffentlichkeit ab. Viele Familien hatten ein Stück Land, von dem sie lebten. Wenn nicht, arbeiteten Frauen in den Haushalten oder auf den Feldern von vermögenden Leuten, im Tempel oder im Königshaus.

Frauen mahlten Korn, kneteten Brotteig, brauten Bier, arbeiteten in Arbeitshäusern als Spinnerinnen und Weberinnen. Frauen aus den unteren Schichten hatten auch schwere körperliche Arbeit zu verrichten: sie mussten bei der Ernte und Aussaat mithelfen. Sie waren für die Zubereitung der Nahrung und das leibliche Wohl zuständig. Sie walteten im Haus und managten die Familienangelegenheiten. Kinder zu bekommen und den Haushalt gut zu versorgen, war eine sehr angesehene Aufgabe. Die meisten Ägypterinnen bekleideten aber kein öffentliches Amt und ihre Stellung war abhängig von der ihres Mannes.

Statue einer Bierbrauerin, späte 5. Dynastie, um 2350 v. Chr., bemalter Kalkstein, Ägyptisches Museum Kairo Beispiele für Ämter, die von einer Frau bekleidet wurden, stammen bereits aus dem Alten Reich. Hier ist eine "Leiterin der Speisehalle" belegt, eine "Vorsteherin der Perückenwerkstatt", eine "Vorsteherin des Hauses der Weberinnen" sowie Hausvorsteherinnen, die die Aufsicht über die Arbeiter im Palast hatten. Selbst die seltene Fähigkeit des Schreibens, über die nur ein verschwindend kleiner Teil der Bevölkerung verfügte, ist mit einer Frau verbunden: Aus dem 7. Jahrhundert ist der Titel "weiblicher Schreiber" für die Dame Irtu-iru überliefert. Frauen waren Tänzerinnen, Musikerinnen (Lautespielerinnen, Sängerinnen), Akrobatinnen und Klagefrauen. Sie konnten in den Tempeln arbeiten, als Priesterinnen von Göttern und Göttinnen. Die Ägypterinnen konnten Dokumente unterzeichnen, ihr eigenes Testament aufsetzen, Eigentum erwerben und verwalten, Sklaven befreien, Kinder adoptieren und Klage führen. Und Frauen waren auch maßgebliche Beraterinnen von Herrschern und ... Thronfolgerinnen. In der nächsten Folge wird es um den Lebensraum Familie im weitesten Sinne gehen. Welchen Liebeszauber wendeten die Ägypterinnen an, welche Fruchtbarkeitsrituale und Schutzriten für Schwangere kannten sie? Welche gesetzlichen Rechte hatte eine Ehefrau und welche Stellung hatte die ägyptische Frau in der Familie?

Eine Frauensache I - Liebe, Erotik, Ehe

Wir können uns an ungefähr 50 Liebesgedichten aus dem Alten Ägypten erfreuen. Diese teilweise sehr individuellen Lieder wurden zur Harfe gesungen, zur Flöte oder Laute, einige aber auch der Geliebten direkt ins Ohr geflüstert. Dabei ist die Erotik oft nur zart angedeutet, eher verhalten und nicht offen zur Schau gestellt. Sich küssen hatte die gleiche Wortbedeutung wie "sich verbrüdern" oder "einen Duft einatmen". "Du bist die Einzigartige, die Geliebte, die Unvergleichliche, die Schönste auf der Welt, du gleichst dem strahlenden Stern des neuen Jahres, an der Schwelle eines schönen Jahres, die, deren Anmut glänzt, deren Haut strahlt, mit dem klaren Blick, mit sanften Lippen, mit dem langen Hals, mit dem Haar aus Lapislazuli, mit Fingern, die Lotoskelchen gleichen, mit den schmalen Hüften, mit dem edlen Gang". Liebe und Erotik wurden im Idealfall in menschenleeren Gärten gelebt, oder im Dickicht der Deltasümpfe. Dazu gibt es viele Abbildungen und auch Texte. Offene und direkte Darstellung von erotischen Szenen, die die sinnlichen Freuden der Liebe erahnen lassen, sind im Alten Ägypten eher die Ausnahme.

Merit-Aton überreicht Semenchkaré Granatäpfel als Liebeszeichen. Kalksteinrelief, um 1350 v. Chr., Ägyptisches Museum, Berlin Ist die Geliebte unerreichbar oder weit weg, kann "süßer Kuchen wie Salz und blumiger Süßwein wie Vogelgalle" schmecken. Das Alte Ägypten kannte auch Liebestränke, die "Greise zu Jünglingen" machen sollten. Hat die eigene erotische Anziehungskraft auf das andere Geschlecht nicht zum gewünschten Ziel geführt, griff man zu makaber anmutenden Zaubertränken. Hier ein Beispiel: "Tu ein paar abrasierte Haare vom Kopf eines Mannes, der eines gewaltsamen Todes gestorben ist, zusammen mit 7 Gerstenkörnern, die im Grab eines toten Mannes begraben waren, verreibe sie mit 10 Lot Apfelkernen. Menge Blut vom Bandwurm eines schwarzen Hundes darunter, außerdem ein wenig Blut vom Zeigefinger deiner linken Hand und dein Sperma. Misch es zusammen und tue alles in einen Becher Wein. Füge die Beeren von den Erstlingen des Weinberges hinzu, bevor du von ihm gekostet hast und bevor man gekeltert hat. Dann sprich folgenden Spruch 7mal darüber und lass es die Frau trinken. Danach binde dir die Haut des oben genannten Schmarotzers mit einem Band von Byssosleinen an den linken Arm". Frohes Gelingen! Die Ägypter kannten kein Gesetz und auch keine moralische Vorstellung, die eine Frau dazu verpflichtete, mit einem Mann zusammenzuleben. Auch die Singlefrau war rechtlich autonom. Junge Mädchen galten spätestens im Alter von 15 Jahren als heiratsfähig, Männern wurde empfohlen, sich erst eine gute finanzielle Basis und ein gewisses Ansehen in der Gesellschaft zu verschaffen, bevor sie heirateten. Der Vater hatte kein Bestimmungsrecht über die Ehegattenwahl seiner Tochter. Und auch die Jungfräulichkeit wurde nicht als Tugend angesehen, voreheliche Erfahrungen von Frauen wurden nicht verpönt. Die Quellen belegen auch Eheverträge auf Zeit, eine Art Probezeit für Gefühle. Die Ehe war bei den Ägyptern kein rechtlicher, sondern ein sozialer Akt, eine Lebensgemeinschaft. Eheschließung bedeutete, dass man einen gemeinsamen Haushalt gründen und zusammen leben wollte. Die Ehe war das Zusammenleben in einem Haus. Lebte ein Paar vor aller Augen zusammen, galten sie als verheiratet, es gab kein Hochzeitsritual, keine "Trauung" in unserem Sinn. Die Ehe war ein privater Akt, ohne staatliche oder religiöse Absegnung. In den überlieferten Ehe-Urkunden finden wir Angaben über erbrechtliche und vermögensrechtliche Dinge. Wir erfahren hier aber nichts über den

Ablauf einer Eheschließung und die Zeremonien dazu. Hatte die Frau eine höhere soziale Stellung als der Mann oder war sie vermögender als er, zog man gemeinsam in das Haus der Ehefrau. Bei Wohlhabenden konnten auch Eheverträge geschlossen werden, die den Frauen hohe Rechte einräumten und sie finanziell 'nicht im Regen stehen' ließen. Die Scheidung war gesellschaftlich akzeptiert. Die Ehefrau durfte ihre Mitgift behalten und auch Schenkungen des Ehemannes, die er während der gemeinsamen Jahre gemacht hatte. Ihr wurde wohl auch eine Abfindung vom Ehepartner gezahlt. Nach dem Tod des Mannes stand der Witwe ein Drittel seines Vermögens zu, der Rest ging an die Kinder und die Geschwister des Verstorbenen. Diese Regelung konnte frau sogar umgehen, indem sie sich zu Lebzeiten ihres Mannes von ihm adoptieren ließ. Durch diese Adoption wurde das Erbrecht der leiblichen Kinder des Mannes beschränkt. Das war sinnvoll, wenn der Ehemann bereits aus vorausgehenden Ehen Kinder mitbrachte und die eigene Ehe der Frau kinderlos geblieben war.

Eine Frauensache II - Schwangerschaft und Geburt Für viele Verliebte war die Zeit der Romanzen oder auch die Ehe mit einer Schwangerschaft gekrönt. Die Ägypterinnen kannten nützliche Rezepte, um eine Schwangerschaft festzustellen: "Eine Bededuka-Pflanze werde zerrieben, eingemengt in die Milch einer, die einen Knaben geboren hat, zu einem Schluckmittel verrührt und von der Frau geschluckt. Wenn sie erbricht, so gebiert sie. Wenn sie dagegen Blähungen bekommt, so gebiert sie nicht". Die altägyptischen Quellen erzählen wenig über die Schwangerschaft und die Geburt von einfachen Frauen, wohl aber von denen aus gehobeneren Schichten. Die Schwangerschaft war eine gefährliche Zeit für die werdende Mutter und das in ihr reifende Kind. Diese Phase bedurfte des besonderen Schutzes wohl gesonnener Göttinnen und "guter Geister". Die nilpferdgestaltige Göttin Thoëris, die ewiges Leben versprechende froschköpfige Göttin Heket und nicht zuletzt der zwergenhafte Bes, der mit seiner grotesken Gestalt alle bösen Dämonen zu verscheuchen vermochte, wachten über das Wohl von Mutter und Kind. Amulette, die magische Energie in sich bündelten, und kleine Figuren im Schlafraum der Frau sollten dafür sorgen, dass Mutter und Kind nichts passierte. Alle Schutzgottheiten für Schwangerschaft und Wochenbett sind symbolisch ins Haus gebeten worden, um ihren Beistand für das neue Leben zu geben. Kleine Papyrusrollen aus Holz oder Leder wurden der Schwangeren um den Hals gelegt. Sie beinhalteten magische Sprüche, die vor Fehlgeburten und Missbildungen des Kindes schützen sollten. Um eine Fehlgeburt zu verhindern, wurde die Frau zusätzlich "verknotet", d.h. ihre Haare wurden ganz straff am Kopf festgezogen zu einem Zopf. Das hatte den Zweck, die schädlichen Dämonen zu binden. Auch Knotenamulette, am Körper getragen, sollten helfen. Tamponaden aus Stoff sollten Blutungen (das so genannte "Isisblut") während der Schwangerschaft vermeiden. Das mit einem Zauber besprochene Gewebe wurde zu einem Knoten gedreht und in die Vagina eingeführt. Gegen Blutfluss wurde auch eine Paste aus Zwiebeln und Wein zu je einem Teil verrührt und vaginal eingeführt. War die Zeit der Schwangerschaft glücklich überstanden, bereitete sich die Frau auf die Geburt vor. Männer waren bei der Geburt nicht anwesend, sie war eine reine Frauensache. Frauen aus der eigenen Familie oder Freundinnen und oft auch wandernde Hebammen waren zugegen. Es wurde ein separater Gebärraum eingerichtet, die Wochenlaube:

Wöchnerin mit Säugling in der Laubhütte. sie trägt ihr Haar gelöst. Bemaltes Ostrakon (Tonscherbe) aus Deir-el-Medina, 19./20. Dynastie

Diese Laube war ein leicht aufzubauender Pavillon, der im Hausgarten oder im Hof oder auf dem Dach des Hauses errichtet wurde. Sie bestand aus Papyrus-Stengeln, trug ein Dach aus Matten und wurde mit Girlanden und Blumen geschmückt. In die Mitte der Laube kamen die Geburtsziegel, auf denen die Frau ihr Kind gebar. Sie stand in hockender Haltung auf den Ziegeln und "gab das Kind zur Erde". Mit der Existenz von Geburtsziegeln ist die Fachwelt schon seit längerem aus altägyptischen Texten vertraut, doch erst 2002 wurde der erste Fund eines solchen Geburtsziegels durch Archäologen der Universität von Pennsylvania bekannt. Nachfolgend sehen Sie Abbildungen dieses Ziegels und einer Geburtshieroglyphe, weitere Informationen zu dem höchst interessanten Ausgrabungsfund aus Abydos finden Sie in einer Pressemitteilung der Universität von Pennsylvania:

Spektakulärer Fund: 3700 Jahre alter Geburtsziegel aus Abydos. Photo: University of Pennsylvania

Museum of Archaeology and Anthropology

Pressemitteilung der University of Pennsylvania

UPM ARCHÄOLOGEN ENTDECKEN BEI AUSGRABUNGEN VOR DEN TOREN VON ABYDOS EINEN 3700 JAHRE ALTEN "MAGISCHEN" GEBURTSZIEGEL

Fundort des Geburtsziegels in Abydos. Photo: University of Pennsylvania Museum of Archaeology and Anthropology. Das erste Exemplar eines jener Ziegel für den besonderen Gebrauch, über deren Einsatz bei Geburten altägyptische Texte berichten PHILADELPHIA, PA - Sommer 2002. Archäologen der Universität von Pennsylvania haben bei Ausgrabungen einen 3700 Jahre alten "magischen" Geburtsziegel im Palast eines Bürgermeisters aus dem Mittleren Reich gefunden, direkt vor den Toren von Abydos im Süden Ägyptens. Der farbenprächtig dekorierte Geburtsziegel aus Ton - der erste je gefundene - ist Teil eines Paares von Geburtsziegeln, auf das die Gebärende im Alten Ägypten ihre Füße stellte, während sie in hockender Stellung das Kind zur Welt brachte. Der Geburtsziegel (Maße ca. 35,6 x 17,8 cm) wurde im Sommer 2001 bei Ausgrabungen unter der Leitung von Dr. Josef Wegner entdeckt. Die von dem Kurator der Ägyptischen Abteilung des Museums für Archäologie und Anthropologie und Inhaber einer Assistenzprofessur im Bereich der Asien- und Nahost-Forschung der Universität von Pennsylvania, geleiteten Grabungen sind Teil eines langfristig angelegten, umfangreichen gemeinsamen Expeditionsprojektes der Universität von Pennsylvania - Yale Universität - Institut of Fine Arts/NYU in Abydos. Auf dem alten Ziegel sind die farbenprächtigen gemalten Szenen und Figuren erhalten: Deutlich sichtbar die Mutter, die ihr Neugeborenes hält, und die magischen Bilder von Göttern, deren Beistand für Mutter und Kind während der Geburt beschworen werden soll. Dr. Wegner zufolge war Ägyptologen aus altägyptischen Schriften schon seit langem bekannt, dass es im Alten Ägypten für Gebärende üblich war, auf zwei Tonziegeln hockend ihr Kind zur Welt zu bringen. Die obere Fläche des in Abydos gefundenen Geburtsziegels ist, ebenso wie Boden und Seitenflächen, beschädigt. "Es ist gut möglich", stellt dazu Dr. Wegner fest, "dass der Schaden an der Oberfläche dieses Ziegels - und eines weiteren, der nicht erhalten blieb - auf einen mehrfachen Gebrauch während einer längeren Periode und wiederholter Geburten zurückzuführen ist." Wer mag diesen Geburtsziegel verwendet haben? Dr. Wegner und das Penn Ausgrabungsteam haben eine recht genaue Vorstellung von der Benutzerin des Geburtsziegels: Eine Edelfrau und Prinzessin namens Renseneb. Bereits im Sommer 1999 erkannte das Team (anhand von Siegelabdrücken mit Hieroglyphentexten und anderen Objekten), dass das weitläufige Gebäude, das sie ausgruben, tatsächlich der Palast des Bürgermeisters war. Damit bestätigte sich zum ersten Mal der Fund einer Residenz eines altägyptischen Bürgermeisters. Der jüngst freigelegte Geburtsziegel fand sich in einem Teil des Hauses, der eindeutig als weiblicher Bereich der Residenz ausgemacht werden konnte. Zahlreiche Tonsiegelabdrücke aus diesem Bereich tragen den Namen der "Edelfrau und Königstochter Renseneb". Dr. Wegner mutmasst, dass es sich bei dieser Frau, die während der 13. Dynastie lebte, um eine Prinzessin handeln könnte, die mit einem Bürgermeister der Stadt verheiratet war. Im Alten Ägypten war die Kindessterblichkeit hoch, und die Ägypter riefen ihre Götter mit Hilfe magischer Objekte um Beistand an. Dazu gehörten Geburtsziegel ebenso wie die Anwendung spezieller ritueller Praktiken während der Geburt. Der ägyptische Geburtsziegel wurde mit der Göttin Meskhenet assoziiert, von der sich hin und wieder Darstellungen in der Form eines Ziegels mit menschlichem Kopf finden lassen. Die Hauptszene auf dem jetzt freigelegten Geburtsziegel zeigt eine Mutter mit ihrem neugeborenen Sohn; rechts und links von ihnen sind Frauen abgebildet und die kuhgestaltige Göttin Hathor, die Geburt und Mutterschaft symbolisiert.

Skizzierung der gemalten Szene auf dem Geburtsziegel aus Abydos. Photo: University of

Pennsylvania Museum of Archaeology and Anthropology.

Die Ägypter verglichen die Geburt eines Kindes mit dem Sonnenaufgang. Die magischen Geburtspraktiken sollten das neugeborene Kind in vergleichbarer Weise schützen, wie es die ägyptischen Mythen vom jungen Sonnengott berichten, der Schutz vor ihm feindlich gesonnenen Mächten erbittet. Auf dem in Abydos entdeckten Geburtsziegel erscheint der Sonnengott in symbolischer Form in der Gestalt einer Wüstenkatze. Darstellungen der Wächter des Sonnengottes schmücken die Seitenflächen des Ziegels, um - so Dr. Wegners Interpretation - Mutter und Kind in vergleichbarer Weise mit magischen Kräften zu schützen. Einige Objekte, die inhaltlich eine nahe Beziehung zu dem kürzlich entdeckten Geburtsziegel aufweisen, sind Stäbe mit Szenen von Göttinnen und Dämonen darauf - auch Fragmente dieser Objekte fand das Ausgrabungsteam der Penn Universität in der Residenz. In der Ägyptologie ist bekannt, dass mit solchen Stäben - ebenso wie es die ägyptischen Mythen vom Schutze der Verbündeten des Sonnengottes berichten - auf dem Wege einer "wohlwollenden Magie" göttlicher Schutz für das Neugeborene beschworen werden sollte. Seit 1994 arbeiten Dr. Wegner und das Penn Team in der Stadt aus dem Mittleren Reich mit dem Namen "Von Dauer sind die Orte von Khakaure (...) in Abydos". Der gesicherte Fund der Residenz eines Bürgermeister in dieser Stadt, die im Zusammenhang mit dem Leichentempel des Pharaos Senwosret III entstand, wurde von Dr. Wegner als "großartige Möglichkeit, den Lebensstil eines altägyptischen Bürgermeisters zu studieren" begrüßt. Die Entdeckung des Geburtsziegels enthüllt ein neues Stück des Lebens in jener Zeit und wirft ein weiteres Schlaglicht auf Mutterschaft und Geburt im Alten Ägypten. Die gemeinsame Ausgrabung in Abydos der Universität von Pennsylvania - Yale Universität - Institut of Fine Arts/NYU unter der gemeinsamen Leitung von Dr. David O'Connor und Dr. W.K. Simpson begann ursprünglich als ein Co-Sponsoring von Penn und Yale. Seit 1967 wurde die Region in und um Abydos, das ein Zentrum der antiken Osiris-Verehrung bildet, im Rahmen dieser Expedition erforscht. ------------------ Veröffentlichung der Pressemitteilung mit freundlicher Genehmigung der University of Pennsylvania; Übersetzung: I. Sandforth-Blanken.

Hieroglyphe für "Geburt" oder "gebären". Entsprechend der Hieroglyphendarstellung bezeichneten die Ägypter das Gebären auch als "zur Erde gehen". Eine Helferin stellte sich vor die Gebärende, eine andere hinter sie. Die Hebamme konnte die Geburt beschleunigen, während der Mann draußen wartete. Es kam zu einer regelrechten Entbindung, bei der auch der Haarknoten der Frau gelöst wurde. Die Tamponade wurde aus der Vagina entfernt, der Weg ins Leben war nun frei für das Kind, das auf Stoffziegel gelegt wurde. Die sieben Hathoren kamen an die Geburtsstätte und legten die Lebensjahre und das Schicksal des Kindes fest. Erst jetzt, nachdem die Geburt gut überstanden war, wurde der Name des Neugeborenen zum ersten Mal ausgesprochen. Der Name war sehr wichtig für die Ägypter, weil nach altägyptischer Vorstellung die Kenntnis des Namens eines Menschen Macht über ihn verlieh. Das wussten auch die feindlichen Dämonen, also musste der Kindesname während der Schwangerschaft unbedingt geheim gehalten werden. Jedes Körperteil des Säuglings wurde nun den Göttern zugeordnet: "Dein Scheitel ist Re, du gesundes Kind, dein Hinterkopf Osiris, deine Stirn ist Satis, die Herrin von Elephantine, deine Schläfe ist Neith ... ". Die anschließende Zeit der Reinigung der Frau betrug 14 Tage. Während dieser Dauer nahmen ihr Diener, aber auch Freundinnen, sämtliche Arbeit ab und kümmerten sich um das Kind. Ganz wichtig war, dass der Säugling die Muttermilch annahm, der Milchfluss der Mutter nicht versiegte und sich die Brust nicht entzündete. Wenn das Kind nicht ausreichend ernährt werden konnte, dann hatten wohlhabendere Frauen die Möglichkeit, eine Amme herbeizuholen, die eine angesehene Stellung hatte. In der Regel wurden die ägyptischen Kinder drei Jahre lang gestillt. Wie bei den Menschen, so war auch der Geburtsbereich der Göttinnen und Götter von ihrem "Wohnbereich" abgetrennt. Da viele von ihnen auch "geboren" wurden, gab es außerhalb ihrer Tempel die Geburtshäuser der Götter, die Mammisi.

Die Geburtshäuser der Götter - die altägyptischen Mammisi Wie bei den Menschen fand auch die Geburt der Götter an einem separaten Ort statt, in den Mammisi. Diese Bezeichnung stammt von dem Entzifferer der Hieroglyphen, J.-F. Champollion. Seit der ägyptischen Spätzeit und vor allem während der Herrschaft der Ptolemäer und in der römischen Zeit besaßen viele wichtige Tempel Ägyptens angegliederte Mammisi. Diese Geburtshäuser der Götter (ägyptisch: per meset) waren Heiligtümer, die in der Regel aus einem Gebäude mit drei Räumen bestanden. Dieses war von allen Seiten von einem Säulenumgang umgeben und hatte in den Zwischenräumen zwischen den einzelnen Säulen dekorierte Sichtblenden.

Das römische Mammisi in Dendera, Tempel der großen Göttin Hathor Das Dach der Mammisi wurde meist durch Säulen mit Pflanzenmotiven getragen. Oft standen sie an der Prozessionsstraße, die zum Haupttempel hinführte. Die Mammisi von Dendera und das der Nilinsel Philae sind die ältesten von ihnen und sehr gut erhalten. Die heiligen Gebäude waren, wie auch der Haupttempel, der gesamten Göttertriade des Ortes geweiht. Diese göttliche Kleinfamilie bestand aus drei Personen, aus Vater, Mutter und Kind (meistens ein Sohn). In ihnen wurden aber speziell die Mutter und ihr Kind verehrt. Der Ägyptologe Jan Assmann hat dafür eine schöne Bezeichnung gefunden. Er spricht von der "Wendung zu göttlichen Müttern" und erklärt damit auch, warum die Mammisi zeitlich so spät in der altägyptischen Architektur auftauchen: Durch die zunehmende Bedeutung der Göttinnen und die Betonung ihrer Mutterrolle drängen sie ihre männlichen Partner allmählich in den Hintergrund und werden selbst Hauptträgerinnen des Kultes. In den Mammisi wurde speziell die Geburt des göttlichen Kindes gefeiert, das aus der heiligen Hochzeit des im Tempel verehrten Götterpaares hervorgegangen ist. Wandszenen zeigen die Geburt und das Säugen des Götterkindes und lassen uns an dem Heranwachsen des jungen Gottes teilhaben. In Dendera wurde die Göttin Hathor verehrt. Sie wurde als kuhköpfige Frau oder in Gestalt einer Kuh verehrt. Hathor war die Göttin des Tanzes, der Musik und der Liebe, war eine der Beschützerinnen der Schwangeren. Sie wurde bei Entbindungen angerufen, um die Geburt zu erleichtern und galt als Amme der zukünftigen Pharaonen. Gemeinsam mit ihrem Gatten Horus hatte sie einen Sohn, den Gott Ihi ("Kälbchen"). Ihm ist das Mammisi des Hathortempels von Dendera geweiht.

Darstellung der Göttin Hathor (Deckel des Sarges von Amenhotep, 3. Zwischenzeit, 21. Dynastie (ca. 1000 v. Chr.), Theben. Aus: Leben und Tod im Alten Ägypten, Katalog zur Ausstellung im Gustav-Lübcke-Museum,

Hamm, 1999, S. 85

Eine Wandinschrift aus griechisch-römischer Zeit berichtet von der Freude über die Geburt des jungen Gottes: "Möget ihr freundlich zu ihr [Hathor] sein, möget ihr ihr Freude geben, ihr Götter und Göttinnen, die in dem Haus der Geburt ihres Sohnes sind, des Ihi, des Großen, des Sohnes der Hathor, des starken Herrschers. [...] Die Götter und Göttinnen jubeln bei seinem Anblick, ebenso der König der Götter und Menschen [...]. Der Himmel ist im Singen, die Erde ist im Jauchzen, die Götter und Göttinnen, die in Dendera wohnen, sind in Festfreude." Die Götter kamen also in das Mammisi, um dort die Geburt des Götterkindes überschwänglich zu feiern und seine Mutter zu erfreuen. Es ist wahrscheinlich, dass bei dieser Gelegenheit Mysterienspiele aufgeführt wurden mit Ritualen um das Geburtsfest, bei denen Musiker und Sänger die göttliche Geburt nachgespielt und nachempfunden haben. Nächtliche Tänze und Ausgelassenheit mündeten in die Verkündigung der Geburt des Sohnes bei Sonnenaufgang.

Frauen und Politik - Herrscherinnen und graue Eminenzen Es gibt zwar wenige Frauen, die den Pharaonenthron bestiegen haben, aber es gibt sie: Frauen, die zu Macht und Ruhm aufgestiegen sind und deren Hinterlassenschaften bis heute ihren politischen Einfluss sichtbar machen. Der griechische Geschichtsschreiber Diodorus Siculus benennt im ersten vorchristlichen Jahrhundert fünf altägyptische Pharaoninnen, aber vermutlich waren es noch viel mehr. Eine der bedeutendsten war die Königin Hatschepsut, die über 20 Jahre am Nil regierte, von 1490 bis 1468 v. Chr. Bei Theben ist der großartige Totentempel Hatschepsuts in Deir-el-Bahari erhalten, in dessen Umgebung Reliefblöcke und Statuen der Pharaonin gefunden worden sind. Unweit davon bezeugen der Amuntempel in Medinet Habu und das Grab der Herrscherin im Tal der Könige, aus dem die Mumie verschollen ist, die Existenz der Hatschepsut, und am gegenüber liegenden Nilufer ebenso die Rote Kapelle in Karnak. Hatschepsut war die Gattin von Pharao Thutmosis II. Nach dessen Tod übernahm sie die Regentschaft für den noch unmündigen Sohn ihres Mannes, für Thutmosis III. Zwischen dem zweiten und siebten Jahr ihrer stellvertretenden Regentschaft machte sich Hatschepsut selbst zum Pharao: sie setzte sich die Doppelkrone Ägyptens auf und wurde als fünfter Pharao der 18. Dynastie zum "Herrscher der beiden Länder", d.h. Unter- und Oberägyptens. Ihr Thronname lautete nach ihrer Machtergreifung Maat-Ka-Re ("Gerechtigkeit und Lebenskraft, ein Re").

Kartusche der Hatschepsut

Legitimiert hat Hatschepsut ihren Herrschaftsanspruch durch einen Mythos: Auf den Wänden ihres Tempels ist ihre Zeugung durch den Gott Amun eingemeißelt, sie propagierte die Abstammung von dem damals mächtigsten aller ägyptischen Götter. Hatschepsut bekleidete das Priesterinnenamt der "Gottesgemahlin des Amun" (darüber werde ich im November ausführlich berichten). Dieses Amt sicherte ihr die Unterstützung der thebanischen Priester, die die Pharaonin zum politischen Überleben brauchte. Ägyptologen haben auf eine - zumindest nach außen dargestellte - Vermännlichung der Hatschepsut hingewiesen.

Darstellungen der Hatschepsut

Sie ließ sich zunehmend als Mann abbilden, mit männlicher Physiognomie und auch mit Bart. Vermutlich war das ein Zugeständnis an Volk und Priester. Bekannt ist ihre Expedition in das Weihrauchland Punt in Ostafrika, im heutigen Somalia oder Etritrea. Unter ihrer Regierung blühten der Außenhandel und die Bautätigkeit. Im 22. Jahr ihrer Herrschaft verschwand Hatschepsut von der politischen Bildfläche, vermutlich starb sie eines natürlichen Todes. Ihre Nachfolge trat Thutmosis III. an, nun als Alleinherrscher. Im Historischen Museum der Pfalz in Speyer lief die Sonderausstellung "Hatschepsut. Königin Ägyptens" (www.museum.speyer.de), bis 27. Oktober 2002. Eine der Stärken dieser Ausstellung war es, dass hier die Lebensbereiche der Frauen zur Zeit der Hatschepsut anschaulich dokumentiert werden. Schmuck und Schminkutensilien werden gezeigt, das alltägliche Leben der Frauen zum Anfassen dargestellt. Neben Regentinnen wie Hatschepsut gab es auch Frauen, die zwar nicht offiziell auf dem Pharaonenthron saßen, aber ebenfalls große Macht besaßen. Eine davon war Teje, die ein knappes Jahrhundert nach Hatschepsut lebte.

Der aus Eibenholz gefertigte, 9,5 cm hohe Kopf der Teje, der Mutter des Echnaton, 18. Dynastie, um 1365 v. Chr., befindet sich heute im Ägyptischen Museum in Berlin Teje stammte aus Mittelägypten und war bürgerlicher Herkunft. Trotzdem wurde sie zur Ehefrau von Pharao Amenophis III. Sie war seine "Große Königliche Gemahlin" und herrschte zu Lebzeiten ihres Mannes gemeinsam mit ihm, war in Staatsgeschäfte eingeweiht. Sie war seine Beraterin und nahm auf die Politik ihres Gatten einen nicht unwesentlichen Einfluss. Nach dem Tod von Amenophis III. heißt es in dem Beileidsschreiben eines ausländischen Herrschers an die Königsfamilie: "Die Worte allesamt, die ich mit Deinem Vater geredet habe, die kennt Teje, Deine Mutter. Irgendein anderer kennt sie nicht ... "

Die die Götter gebar - Frauen als Priesterinnen In dieser letzten Folge über Frauen im Alten Ägypten geht es um Priesterinnen und ihre Aufgaben im Tempelritual. Den Begriff "Priester" verbinden wir heute mit einer theologischen Ausbildung oder einer religiösen Berufung. In Ägypten waren die Tempel auf der einen Seite die Wohnung der Kultbilder der Götter. Das Kultbild im Tempel stellte man sich als "Gefäß" vor, in dem die Gottheit verweilte. Da es als belebt galt, musste es täglich mit materiellen Dingen versorgt werden: es wurde jeden Tag neu angekleidet und geschmückt, mit Nahrung und Getränken versehen. Das war eine der Aufgaben der Priester. Vor allem waren die Tempel, die Symbole der göttlichen Weltordnung, aber wichtige Wirtschaftszentren mit großem Besitz und großem Verwaltungsaufwand. Viele Priester waren Beamte, die für die Verwaltung des Tempels und seiner Besitztümer zuständig waren oder sie waren Arbeiter, die für den Tempel tätig waren, Tempelpersonal. Priesterämter konnten vererbt oder auch verkauft werden. Daneben gab es auch Personal mit Fachwissen, um die rituellen Handlungen vollziehen zu können. Auch Frauen spielten eine Rolle im Tempelritual, besonders im Alten Reich trugen zahlreiche Frauen der Oberschicht den Titel "Priesterin der Hathor". Im Neuen Reich gab es Frauen, die als Musikerinnen und Tänzerinnen im Kult der Gottheit spielten und die Riten mit Musik und Tanz begleiteten. Der höchste Priesterinnentitel, mit dem sich eine Frau schmücken durfte, lautete "Gottesgemahlin des Amun in Karnak". Die erste Frau, die ihn trug, war Königin Ahmes-Nefertari, das wissen wir aus einem Vertrag, der auf einem Gedenkstein in Karnak eingemeißelt ist. Mit ihr wurde dieses Priesterinnenamt in der königlichen Familie verankert.

Wandgemälde aus einem Grab bei Theben,18. Dyn., Bristish Museum, London.

Ahmes-Nefertari ist mit schwarzer Hautfarbe dargestellt,was vermutlich den Bereich Tod und Unterwelt und somit auch Wiedergeburt symbolisiert.

Ahmes-Nefertari (um 1575 - 1505 v. Chr.) war die Gattin von Pharao Ahmose I., des ersten Herrschers des Neuen Reiches, und Mutter des Amenophis I. Sie überlebte ihren Ehemann und regierte auch während der Herrschaft ihres Sohnes. Nach ihrem Tod wurde ihr göttliche Verehrung zuteil, sie galt als eine der Beschützerinnen der Totenstadt von Theben und vor allem der Handwerkersiedlung Deir el-Medina, in der die Arbeiter lebten, die die Königsgräber im Tal der Könige errichteten. Die Königin war Stifterin eines Priesterinnenkollegs, das unter dem Namen "Bezirk der Gottesgemahlin des Amun" fast vier Jahrhunderte bestand. Die dort ausgebildeten Frauen hatten die Aufgabe, die Gottesgemahlin bei der Erfüllung ihrer kultischen Pflichten zu unterstützten. Es wird vermutet, dass die Gottesgemahlin Zeremonien im Amuntempel von Karnak vollzog, die sonst nur dem Pharao oder dem Hohepriester vorbehalten waren, Rituale zur Aufrechterhaltung der göttlichen Weltordnung, der maat, und der Vernichtung ihrer Feinde. Amun, der widdergestaltige Gott von Theben, wurde in einem langen Prozess zu einem der Hauptgötter Ägyptens. Durch seine Verschmelzung mit dem Sonnengott Re wurde er in Theben unter dem Namen Amun-Re verehrt, der Hauptkultort des Universal- und Schöpfergottes wurde Karnak in Oberägypten, der größte Tempelbezirks Ägyptens, unweit von Theben gelegen. Durch seine Eigenschaft als oberster Reichsgott stand Amun in engster Beziehung zum Königtum. Seit dem Neuen Reich galt der regierende Pharao als fleischgewordener Sohn des Amun, göttlich durch seinen Vater und somit ein Brückenbauer zwischen der Welt der Götter und der Menschen. Der Mythos von der göttlichen Zeugung und Geburt des Pharao ist in Texten und Bildern aus Tempeln des Neuen Reiches aufgezeichnet. Dieser Mythos machte die Gottesgemahlin zur menschlichen Partnerin der Götter und zu der "die die Götter gebar". Sie hatte neben ihrer kultischen Funktion einen erheblichen Machteinfluss, besaß einen eigenen Palast mit Ländereien und verfügte über eigene Verwaltungsbeamte. In der 21. Dynastie erfuhr das Amt eine Veränderung: die Gottesgemahlin regierte gemeinsam mit dem Hohepriester des Amun in der kultischen Hauptstadt des Gottes, in Karnak. Dort war sie zur Jungfräulichkeit verpflichtet und gab ihr Amt durch Adoption weiter, indem sie eine Tochter des Königshauses an Kindes Statt annahm. Während der Dritten Zwischenzeit war das Priesterinnenamt von hoher politischer Bedeutung, da durch das Adoptionsverfahren auch die Fremdherrscher in Ägypten die königliche Kontrolle über Theben und seine Umgebung gewinnen

konnten. Die Perser schafften in der 27. Dynastie nach ihrer Machtübernahme in Ägypten des Amt der Gottesgemahlin des Amun ab. Die letzte namentlich bekannte saitische Gottesgemahlin war Anch-nesneferib-re.

Auf ihrem Sarkophag (um 550 v. Chr., 26. Dynastie) trägt sie die typische Geierhaube mit der Uräus-Schlange sowie die gehörnte Sonnenscheibe und ein Federpaar, den traditionellen Kopfschmuck der Königinnen. Ihr Sarkophag wurde in der Römerzeit wieder verwendet.