Franz Schob. 1877–1942

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Franz Schob. 1877--1942. Am 20. August 1942 verschied naeh l~ngerem Leiden im Alter yon 65 Jahren der Direktor der Klinik fiir ehronisch kSrperlieh und Nerven- kranke am Stadtkrankenhaus und ao. Professor an der technischen Hochsehule in Dresden Dr. Franz Schob. Mit ihm ist der ~rztesehaft I)resdens ein hervorragender Kliniker dahingegangen, seine Kranken betrauern einen warmherzigen, aufopfernden Arzt. Die deutsehen Neuro- logen und Psychiater haben einen Gelehrten von grfindlichem Wissen und einen ernsten Forscher verloren, dem hier einige Worte des Gedenkens gewidmet sein sollen. Als schon in jungen Jahren vaterloser Pfarrerssohn in wirtschaftlieh bescheidene Verh~ltnisse hineingeboren, war Schob vom Beginn seines Studiums an darauf angewiesen, sich aus eigener Kraft durehzusetzen; daffir war ihm die auf der Ffirstenschule in Grimma genossene Erziehung eine gute Lehre gewesen. Nachdem er mit Hilfe eines Stipendiums sein Studium beendet hatte, water kurze Zeit Milit~rarzt und genofl w~hrend eines dreij~hrigen Kommandos an die Flechsigsche Klinik in Leipzig seine psychiatriseh-neurologische Ausbildung. Bereits 1908 siedelte er nach zweij~hriger Ts als Anstaltsarzt auf dem Sonnenstein in Pirna an seine endgiiltige Wirkungssti~tte in Dresden fiber, wo der damalige Leiter der st~dtischen Heil- und Pflegeanstalt Ganser seine wissensehaftliehe Bef~higung und unermiidliche Arbeitskraft bald er- kannte und ihm Unterstiitzung und FSrderung zuteil werden lieB. Er land dort nicht sein Genfige an der Sichtung und Betreuung des auBer- ordentlich reichen und mannigfaltigen neurologisehen Krankengutes; ihn besch/iftigte in zunehmendem MaBe die Frage nach Wesen und Ursachen insbesondere der schweren organisehen Krankheitszust~nde, und hierbei entwickelte sich aus Anregungen, die er in den anatomischen Vorlesungen Helds in Leipzig erhalten hatte, eine immer tiefere ~Ieigung zur Be- sch/~ftigung mit der pathologischen Anatomie der Nerven- und Geistes- krankheiten. Obwohl er zun/~chst ganz auf sich selbst gestellt war, erschienen bereits vor dem Weltkriege eine Reihe guter neuropatho- logischer Arbeiten vorwiegend aus dem Idiotiegebiet, welche die Auf- merksamkeit der Fachkreise auf ihn lenkten und Kraepelin und Spiel- Z. f. d. g. Neur. u. Psych. 175. 1

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Franz Schob. 1877--1942.

Am 20. August 1942 verschied naeh l~ngerem Leiden im Alter yon

65 Jahren der Direktor der Klinik fiir ehronisch kSrperlieh und Nerven-

k ranke am Stad tkrankenhaus und ao. Professor an der technischen

Hochsehule in Dresden Dr. Franz Schob. Mit ihm ist der ~rz tesehaf t

I)resdens ein hervorragender Kliniker dahingegangen, seine Kranken

betrauern einen warmherzigen, aufopfernden Arzt. Die deutsehen Neuro-

logen und Psychiater haben einen Gelehrten von grfindlichem Wissen

und einen ernsten Forscher verloren, dem hier einige Worte des Gedenkens

gewidmet sein sollen.

Als schon in jungen Jah ren vaterloser Pfarrerssohn in wirtschaftlieh

bescheidene Verh~ltnisse hineingeboren, war Schob vom Beginn seines

Studiums an darauf angewiesen, sich aus eigener Kra f t durehzusetzen;

daffir war ihm die auf der Ffirstenschule in Grimma genossene Erziehung

eine gute Lehre gewesen. Nachdem er mit Hilfe eines Stipendiums sein

Studium beendet hat te , w a t e r kurze Zeit Milit~rarzt und genofl w~hrend

eines dreij~hrigen K o m m a n d o s an die Flechsigsche Klinik in Leipzig

seine psychiatriseh-neurologische Ausbildung. Bereits 1908 siedelte er

nach zweij~hriger Ts als Anstaltsarzt auf dem Sonnenstein in

Pirna an seine endgiiltige Wirkungssti~tte in Dresden fiber, wo der

damalige Leiter der st~dtischen Heil- und Pflegeanstalt Ganser seine

wissensehaftliehe Bef~higung und unermiidliche Arbei tskraf t bald er-

kannte und ihm Unters t i i tzung und FSrderung zuteil werden lieB. E r

land dort nicht sein Genfige an der Sichtung und Betreuung des auBer-

ordentlich reichen und mannigfal t igen neurologisehen Krankengutes ; ihn

besch/iftigte in zunehmendem MaBe die Frage nach Wesen und Ursachen

insbesondere der schweren organisehen Krankheitszust~nde, und hierbei

entwickelte sich aus Anregungen, die er in den anatomischen Vorlesungen

Helds in Leipzig erhalten hat te , eine immer tiefere ~Ieigung zur Be-

sch/~ftigung mit der pathologischen Anatomie der Nerven- und Geistes-

krankheiten. Obwohl er zun/~chst ganz auf sich selbst gestellt war,

erschienen bereits vor dem Weltkriege eine Reihe guter neuropatho-

logischer Arbeiten vorwiegend aus dem Idiotiegebiet, welche die Auf-

merksamkei t der Fachkreise auf ihn lenkten und Kraepelin und Spiel- Z. f . d. g . N e u r . u . P s y c h . 175 . 1

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2 W. Scholz:

meyer veranlaflten, ihn naeh dem Krieg zu einer einj~hrigeri wissenschaft-

lichen Mitarbei$ an der neugegrfindeten Forschungsanstalt ffir Psychiatrie

in Mfinchen aufzufordern. Die folgenden 10 Jahre waren die frucht-

barsten seines wissenschaftlichen Schaffens. In zahlreichen Arbeiten

und Vortr~gen fiber amaurotische Idiotie, cerebellare Ataxie, Huntington- sche Chorea, Wilsonsche Krankheit , miliare Spiroch~tennekrosen bei

Paralyse, multiple Sklerose, fiber eine yon ihm gefundene diffuse Er-

krankung des GroBhirnmarklagers beim Allen ist Schob nie an. den

Eigentfimlichkeiten benfitzter Einzelf~lle und an der Morphologie des

Organbefundes h~ngengeblieben; es war ihm stets Bedfirfnis, yon einer

pathologiseh-anatomischen Basis aus die grol3en Linien des biologischen

Gesamtgeschehens im Krankheitsvorgang aufzudecken. Er hat uns

dadurch manche Anregungen und neuen Erkenntnisse vermittelt . Sein

eifriges Bemfihen galt u. a. der Erkennung des Wesens und der Ursachen

der exogenen und erblichen Idiotieformen. Eine erste zusammenfassende

VerSffentliehung fiber kongenitale, friiherworbene und heredofamili~re

organische Nervenkrankheiten erschien in der ,,speziellen Pathologie und

Therapie nmerer Krankhei ten" yon Kraus und Brugsch, die gleichzeitig

eine reiche klinische Erfahrung zeigte, wovon bereits frfihere Arbeiten

fiber die schweren Migr~neformen, psychische StSrungen nach Durch-

schul3 beider Stirnlappen und die klinischen Erscheinungen nach Carotis-

ligatur und -verletzung Zeugnis abgelegt hat ten. Sein umfassendes Wissen

~uf dem Idiotiegebiet hat er aber in der Darstellung der Anatomie der

Idiotie in dem von Spielmeyer redigierten anatomischen Band des Hand-

buehes der Geisteskrankheiten yon Bumke niedergelegt. Diese Meister-

leistung war Grundlage und Ausgangspunkt ffir neue Forschungen und

wird es in mancher Hinsicht noch lange bleiben. Leider haben zunehmende

Berufsgesch~fte, die inanspruchnahme als beratender Psychiater im 5rt-

lichen Hilfsschulwesen, T~tigkeit am Erbgesundheitsgericht, Vorlesungen

fiber Psychopathologie des Kindesalters an der technischen Hochschule

u. a. m. ibm sparer nur mehr wenig Zeit ffir wissenschaftliche Labora-

toriumsarbeit gelassen. Eine Abhandlung fiber progressive Paralyse fiir

das Handbuch der speziellen Anatomie yon Henke-Lubarsch muBte

unvollendet bleiben, da in den letzten Jahren sein Gesundheitszustand

mehr und mehr zu wiinschen fibrigliel3.

Die aufgeschlossene, warmherzige, yon einem gfitigen Humor getragene

Pers6nlichkeit Schobs hat ihn vielen zum Freund gemacht. Vielseitige

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Interessen, eine edle Begeisterungsf~higkeit fiir bildende Kuns t und

Musik und eine tiefe IAebe zur Na tur gestalteten den Umgang mi t ihm

stets anregend und zu einer Erholung. Schwer ha t te seinerzeit der

Niederbruch Deutschlands sein Gemiit beschattet ; doch ha t te er selbst

in den tri ibsten Zeiten nie zu den Hoffnungslosen gehSrt. Mitfiihlend

und tatfreudig s tand er den sozialen Problemen gegeniiber, besonders

ans Herz gewachsen war ihm das deutsche Volkstum aul3erhalb der

Reichsgrenzen. So ha t t e er uns Jtingere, die wir 1920 mi t ihm an der

Deutschen Forschungsanstal t fiir Psychiatrie zusammentrafen, schon

damals mit der Notwendigkei t der LSsung der sudetendeutschen Frage,

die er aus eigener Anschauung genauestens kannte, ve r t r au t gemacht .

Ihre 18 Jahre sparer erfolgte LSsung war ihm die ErfiiUung eines Lebens-

wunsches.

Ein reiches Leben ist viel zu friih zum Abschlul3 gekommen. Wer

Franz Schob gekannt hat , wird ihm nicht nur als Gelehrten und Forseher,

sondern auch als Menschen ein ehrendes und lebendiges Andenken

bewahren.

W. Scholz-Mfinehen.

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