Folterkammer Eritrea - Ein Feature über die Finanzierung einer … · Folterkammer Eritrea - Ein...

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Seite 1 © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 // Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. Folterkammer Eritrea - Ein Feature über die Finanzierung einer Diktatur Von Bettina Rühl Besetzung: Es sprachen:Alexandra Henkel, Jonas Baeck, Robert Dölle, Ralf Drexler, Peter Fricke, Rainer Homann, Tom Jacobs, Robert Levin, Markus Meyer Technische Realisation: Werner Jäger und Jens-Peter Hamacher Regie: Martin Zylka Redaktion: Dorothea Runge Eine Produktion des Westdeutschen Rundfunks für das ARD radiofeature 2016 Alle Sendetermine im Überblick: SWR 22.06 / 22.03 / SWR 2 BR 25.06./13:05/BR 2 25.06./13:05/Bayern 2 Plus W: 26.06./21:05/BR 2 W: 26.06./21:05/ Bayern 2 Plus SR 25.06/17:04/ SR 2 KulturRadio 25.06./17:04/ Antenne Saar W: 27.06./19:00/ Antenne Saar NDR 26.06./11:05/NDR Info 26.06./11:05/NDR Info spezial WDR 26.06./11:05/WDR 5 W: 27.06./20:05/WDR 5 RB 26.06./16:05/Nordwestradio W: 30.06./21:05/Nordwestradio HR 26.06./18:05/HR2-Kultur

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    © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 // Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden.

    Folterkammer Eritrea - Ein Feature über die Finanzierung einer Diktatur Von Bettina Rühl

    Besetzung: Es sprachen:Alexandra Henkel, Jonas Baeck, Robert Dölle, Ralf Drexler, Peter Fricke, Rainer Homann, Tom Jacobs, Robert Levin, Markus Meyer Technische Realisation: Werner Jäger und Jens-Peter Hamacher Regie: Martin Zylka Redaktion: Dorothea Runge

    Eine Produktion des Westdeutschen Rundfunks für das ARD radiofeature 2016

    Alle Sendetermine im Überblick: SWR 22.06 / 22.03 / SWR 2 BR 25.06./13:05/BR 2

    25.06./13:05/Bayern 2 Plus W: 26.06./21:05/BR 2 W: 26.06./21:05/ Bayern 2 Plus

    SR 25.06/17:04/ SR 2 KulturRadio 25.06./17:04/ Antenne Saar

    W: 27.06./19:00/ Antenne Saar NDR 26.06./11:05/NDR Info

    26.06./11:05/NDR Info spezial WDR 26.06./11:05/WDR 5

    W: 27.06./20:05/WDR 5 RB 26.06./16:05/Nordwestradio

    W: 30.06./21:05/Nordwestradio HR 26.06./18:05/HR2-Kultur

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    Atmo eritreisches Restaurant in Kampala

    Erzählerin:

    Ein eritreisches Restaurant in Kampala, der Hauptstadt von Uganda. Wer hierher kommt, ist

    von Sehnsucht getrieben nach der Heimat, nach der Familie, nach Eritrea.

    O Ton Elias

    Actually, I am very thankful that I am standing here and trying to have a really normal talk

    with you.

    Übersetzer:

    Ich bin sehr dankbar, dass ich hier stehe und versuchen kann, mit Ihnen ein ganz normales

    Gespräch zu führen.

    Erzählerin:

    Wer her kommt, will das Fladenbrot Injera essen und die vertrauten würzigen Soßen, will mit

    anderen Gestrandeten in der Muttersprache reden. Will davon träumen, dass die Heimat

    genauso wäre, wie sie in den Liedern besungen wird: bergig, karg, wunderschön, voller

    mutiger Menschen, Helden eines Befreiungskrieges gegen die äthiopische Diktatur. Wer hier

    her kommt, will sich an die schönen Stunden erinnern. Die grauenvollen wollen sie

    vergessen.

    O Ton Elias

    (…) because I didn’t think I would come out, you know. As in, yeah, psychologically I never thought I would become like this at all.

    Übersetzer:

    Ich hätte nicht gedacht, dass ich das alles psychisch überstehen würde.

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    Ansage:

    Folterkammer Eritrea.

    Ein Feature über die Finanzierung einer Diktatur.

    Von Bettina Rühl

    Atmo eritreisches Restaurant in Kampala

    Erzählerin:

    Elias’ Angst ist spürbar. Ich versuche ihm zu vermitteln, dass er mir vertrauen kann.

    Ich kenne seinen richtigen Namen, versprach aber vorab über einen Mittelsmann, ihn nicht

    zu nennen. Er hätte dem Interview sonst nicht zugestimmt. So wie Goitom in Nairobi, Kidane

    und Salomon in Addis Abeba und viele andere, die mir ihre Geschichte erzählten. Nur Tsegai

    Jerusalem Jeter in Tel Aviv erlaubt mir, dass ich seinen richtigen Namen nenne. Sie alle

    haben Eritrea verlassen. Dort hätte vermutlich niemand den Mut aufgebracht, mit mir so

    offen über Unterdrückung, Schmugglernetze und Hintermänner zu sprechen.

    O Ton Elias

    I had to plan for it really because I didn’t want to risk it.

    Übersetzer:

    Ich musste das wirklich gut planen, um nicht zu scheitern.

    Erzählerin:

    Elias ist Anfang 30 und Ende November 2015 aus Eritrea geflohen. Er sieht mich heute zum

    ersten Mal, muss also einer völlig Fremden vertrauen. Fürchtet, dass sich das Regime an

    seiner Familie in Eritrea rächt, wenn er identifiziert wird. Seine Angst begründet er auf

    Erfahrungen vieler Freunde.

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    O Ton Elias

    It’s a one life chance or else in case you get caught, you know, there are a lot of consequences which you face later on.

    Übersetzer:

    Du hast bloß eine Chance. Du weißt, dass du die Konsequenzen spüren wirst, wenn sie dich

    schnappen.

    Erzählerin:

    Nur zwei Tage brauchte Elias von Asmara nach Khartum, die Hauptstadt des Sudan. Über

    den Südsudan erreichte er wenig später Kampala. Verglichen mit anderen Flüchtlingen

    verlief seine Flucht reibungslos und ausgesprochen schnell. Warum, will Elias mir erzählen.

    Was er mir anvertrauen wird, bringt ihn in Gefahr. Das Fluchtauto spielt dabei eine wichtige

    Rolle.

    Erzählerin:

    1800 Kilometer liegen zwischen seiner Heimatstadt Asmara in Eritrea und seinem

    Zufluchtsort Kampala in Uganda. Trotzdem fühlt er sich nicht sicher. Die Botschaften Eritreas

    seien weltweit von Spitzeln durchsetzt, sagt Elias, auch in Kampala und Berlin.

    Atmocollage Tagesschau / Berichterstattung über verunglückte Flüchtlingsboote

    O Ton Günter Nooke

    Es gibt ja auch viele Eritreer, die sich in Lagern im Sudan befinden oder auch schlecht

    behandelt werden, wenn sie über den Sinai versuchen nach Europa zu kommen.

    Sprecher:

    Günter Nooke, persönlicher Afrikabeauftragter der Kanzlerin im Bundeministerium für

    wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

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    O Ton Yemane Gebreab

    It is not true that big numbers of Eritreans are going to Europe.

    Sprecher:

    Yemane Gebreab, Berater des eritreischen Präsidenten Isaias Afewerki.

    Erzählerin:

    Laut den Vereinten Nationen fliehen 5.000 Menschen im Monat, bis zu einem Viertel der

    eritreischen Bevölkerung soll das Land schon verlassen haben. Dreieinhalb Millionen

    Menschen sind noch in dem kleinen Staat am Roten Meer geblieben. Rund 70.000 Eritreer

    haben 2014 und 2015 den Weg nach Europa geschafft.

    O Ton Günter Nooke

    Eritrea ist ja ein Land, das zumindest offiziell sagt: Wir wollen, dass unsere Staatsbürger

    zurückkommen und nicht alle in Europa oder Amerika oder sonstwo ihr Glück suchen.

    Atmocollage Tagesschau / Berichterstattung über verunglückte Flüchtlingsboote /

    Erwähnung eritreischer Flüchtlinge

    Erzählerin:

    Bei den Bootsunglücken auf dem Mittelmeer hat kein anderes afrikanisches Land mehr

    Todesopfer zu beklagen als Eritrea.

    Die Anerkennungsquote der Asylberber aus Eritrea liegt in Europa bei 90 Prozent, denn das

    Land gilt als repressive Diktatur. Im September 2015 wurden mehr als 4.000 eritreische

    Flüchtlinge in Deutschland registriert, danach waren es noch ein paar hundert im Monat. Um

    den Massenexodus zu beenden, wollen Deutschland und die Europäische Union mit Eritrea

    zusammen arbeiten. Sie wollen, so heißt das, die „Fluchtursachen bekämpfen“.

    Atmo Garten in Kampala

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    Erzählerin:

    Wie können jeden Monat tausende aus einem Staat fliehen, dessen Grenzen extrem scharf

    bewacht sind?

    O Ton Elias

    First I had to talk to a friend of mine and he had to also get a person who is doing this business.

    Übersetzer:

    Als erstes habe ich mit einem Freund gesprochen, der jemanden aus diesem Business

    kennt.

    Atmo Garten in Kampala

    Erzählerin:

    In Kampala haben wir lange gesucht, um einen ruhigen Ort zu finden, an dem sich Elias vor

    Spitzeln sicher fühlt. Wir sitzen jetzt im Garten eines kaum besuchten Restaurants am

    Rande der Stadt, der Blick geht über die hügelige Weite Kampalas.

    O Ton Elias

    There are some human traffickers who are collaborating with the government officials and…

    Übersetzer:

    Es gibt einige Menschenschmuggler, die mit Vertretern der Regierung zusammen arbeiten

    und...

    O Ton Autorin How do you know this?

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    O Ton Elias

    Basically it’s the person who is doing this business who told me in person because I asked him about my safety and then he told me that I shouldn’t worry about this because I am in good hand and the money even he asked for is a lot and I told him, “Why am I paying this much?” and he said, “It’s because I have to pay to the government officials also”.

    Übersetzer:

    Das weiß ich von meinem Mittelsmann. Der hat mir das gesagt, weil ich ihm wegen meiner

    Sicherheit viele Fragen stellte. Er sagte, ich soll mir keine Sorgen machen, weil ich in guten

    Händen sei. Außerdem verlangte er sehr viel Geld, und ich fragte, warum ist das so teuer. Er

    sagte: „Weil Du ja auch die Leute aus der Regierung bezahlten musst.“

    O Ton Autorin But that is not a proof that he has links to government officials. Erzählerin:

    Aber das ist noch kein Beweis dafür, dass er mit Regierungsvertretern zusammen arbeitet.

    O Ton Elias

    Yes, I understand. Well, the proof comes when I had to escape the route. First of all the cars which he used were government cars and there are some checkpoints along the way from Asmara to reaching the borders. So all these checkpoints he had to show them some papers and they were lowering the checkpoints because normally no any car can pass that checkpoint without being checked. But because he had links with them, he had to show them the paper and it was not only one car, it was three cars and they were moving with a very high speed. And there is, I don’t know, there is a particular time I think where they do these kind of things also. So immediately that checkpoint is, you know, normally there is some sort of barrack or something. So those things were removed by the time we passed.

    Übersetzer:

    Das stimmt. Den Beweis dafür sah ich, als wir unterwegs waren. Erstens fuhren wir mit

    Fahrzeugen der Regierung. Zweitens gibt es zwischen Asmara und der Grenze viele

    Kontrollposten. Unser Fahrer zeigte jedes Mal einige Dokumente, und wir konnten passieren

    – normalerweise kommt da kein Auto durch, ohne durchsucht zu werden. Wir waren mit

    insgesamt drei Autos unterwegs. Wir fuhren sehr schnell. An einigen Kontrollposten wurde

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    die Straßensperre schon geöffnet, wenn sie uns heranrasen sahen. Wir konnten einfach

    durchfahren.

    Erzählerin:

    So kamen sie bis nach Tesseney, die letzte Stadt auf eritreischem Boden, 45 Kilometer von

    der sudanesischen Grenze entfernt.

    O Ton Elias

    We just expected that what was the somehow the Eritrean part of the bordering control section and there was no activity that side. So we crossed and after an hour’s drive or so, yeah, the driver told us we reached Sudan.

    Übersetzer:

    Dann kamen wir zum eritreischen Grenzkontrollpunkt, der war verwaist. Wir fuhren weiter,

    und nach einer Stunde verkündete unser Fahrer, wir hätten den Sudan erreicht.

    O Ton Autorin

    You said it was government cars. How do you know? Are there special number plates or…? O Ton Elias

    The surprising thing is the number plates were removed but we can identify them with the colour. They were colour green, like navy green type, and those vehicles were used by the Eritrean Defence Force from what I know that is. And those cars, they were tinted. They were tinted. They were pickup, Hilux pickup cars.

    Übersetzer:

    Erstaunlicher Weise waren die Nummernschilder entfernt, aber wir können die

    Regierungsautos an der Farbe erkennen. Unsere waren armee-grün lackiert, gehörten also

    zur eritreischen Armee. Die Scheiben waren getönt. Es waren Hilux Pickups.

    Erzählerin:

    In Nairobi, der Hauptstadt von Kenia, werde ich später noch mehr über die Fahrzeuge ohne

    Nummernschild erfahren. Wieviel hat Elias für den Transport bezahlt?

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    O Ton Gespräch Elias / Autorin

    Elias: I paid 6,000 US Dollars. Bettina: For Asmara to Khartoum or Asmara to the border? Elias: Asmara to Khartoum.

    Erzählerin:

    Im Wagen, sagt er, seien sie zu siebt gewesen, ohne den Fahrer. Er habe mit einer Frau auf

    dem Beifahrersitz gesessen, fünf weitere auf der Rückbank. Jeder habe 6.000 Dollar bezahlt,

    macht für alle sieben zusammen 42.000 Dollar. Wie viel die Flüchtlinge in den beiden

    anderen Pickups gezahlt haben, wisse er nicht.

    O Ton Elias

    Actually I would never forget, like the last moment I had to see my father because, you know, this journey, it’s not an easy journey where you just decide to just go and you never know what’s going to happen to you, you know. You just have to rely on the hands of God and, yeah.

    Übersetzer:

    Ich werde nie den letzten Moment mit meinem Vater vergessen. Auf so eine Reise brichst Du

    ja nicht leichtfertig auf. Du weißt nie, was Dir unterwegs passiert, musst ganz auf Gott

    vertrauen.

    Erzählerin:

    Zur Flucht hat sich Elias während seiner Haftzeit entschlossen, 14 lange Monate, davon viele

    in einem Loch unter der Erde. Der Platz reichte kaum zum Liegen, das wenige Essen

    machte ihn nicht satt. Dazu die Schläge, die Strafen, die Schreie der anderen, die in der

    Nähe gefoltert wurden. Noch bedrückender empfand er die plötzliche Stille. Danach

    manchmal ein Geräusch, als schleife man einen Körper über den Boden.

    O Ton Elias

    I used to be a teacher, that is part of national service and basically you’re supervised in any of your movements.

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    Erzählerin:

    Er sei inhaftiert worden, weil er als Lehrer nebenbei Nachhilfe gab. Durch die Treffen mit

    seinen Schülern hatte er sich verdächtig gemacht und wurde zum Staatsfeind erklärt. Dabei

    brauchte er das zusätzliche Geld zum Überleben, weil er als Lehrer nur umgerechnet zehn

    Dollar im Monat verdiente. Schon seine Miete war doppelt so hoch.

    Elias war mit Anfang 30 immer noch wehrpflichtig, er bekam kein Gehalt, sondern Sold, wie

    alle Männer und Frauen:

    O Ton Elias

    Normally there was a policy saying that every Eritrean has to do a military service of a year and 6 months. So those 6 months includes the military trainings and all and the 1 year has to be a national service in which you have to serve the country with less salary for that period of time. And after exceeding those time, you are entitled to every right, to work anywhere and to even travel abroad. But after the war between Eritrea and Ethiopia, that’s not the case that happened.

    Übersetzer:

    Jeder Eritreer ist offiziell für anderthalb Jahre zum Militärdienst verpflichtet. Sechs Monate

    sind militärische Ausbildung, dann folgt ein einjähriger Nationaldienst. In dieser Zeit dient

    man dem Land für einen reduzierten Sold. Erst danach hat man die vollen Rechte. Dann darf

    jeder jede Arbeit annehmen die ihm gefällt und sogar ins Ausland reisen. Aber seit dem

    Ende des Krieges zwischen Eritrea und Äthiopien im Jahr 2000 stehen diese Rechte nur

    noch auf dem Papier.

    O Ton Yemane Gebreab

    For us, national service is part of our political culture, we are a very small country, we had to fight for 30 years for liberation.

    Übersetzer:

    Für uns ist der Nationaldienst Teil unserer politischen Kultur. Wir sind ein sehr kleines Land

    und mussten 30 Jahre lang für unsere Unabhängigkeit kämpfen.

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    Sprecher:

    Yemane Gebreab, der Berater des eritreischen Präsidenten.

    Erzählerin:

    Dieser Krieg und der Stolz auf den Sieg von 1991 über die viel größere äthiopische Armee

    prägen die Identität Eritreas.

    O Ton Yemane Gebreab

    We did it by mobilizing our people, both inside the country and outside. We did not have international help when we were fighting for our freedom.

    Übersetzer:

    Wir mussten unser gesamtes Volk mobilisieren. Keine ausländische Macht hat uns in

    unserem Freiheitskampf unterstützt.

    Erzählerin:

    Die alten Seilschaften der Guerillakämpfer und ihr militärisches Denken bestimmen weiterhin

    das politische Geschehen. Diejenigen, die heute etwas zu sagen haben, kennen sich aus

    dem dreißigjährigen Krieg im Busch. Die regierende Einheitspartei PFDJ ging aus der

    bewaffneten Befreiungsbewegung hervor. Die Guerillatruppe war marxistisch-leninistisch und

    von Kadern straff geführt. Vermeintliche „Abweichler“ und „Konterrevolutionäre“ wurden

    gnadenlos eliminiert.

    O Ton Yemane Gebreab

    Since the war did not end, we are still talking about a way forward with Ethiopia.

    Übersetzer:

    Weil der Krieg noch nicht zu Ende ist, müssen wir sehen, wie wir mit Äthiopien in dieser

    Sache weiter kommen.

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    Erzählerin:

    Präsident Isaias Afewerki stand jahrelang an der Spitze der Busch-Kämpfer, ehe er das

    höchste Staatsamt übernahm. Sein militärisches Training erhielt er in China, bis heute teilt er

    die Welt in Freund und Feind. Und sieht dabei vor allem Feinde. An erster Stelle: Äthiopien.

    Wenige Jahre nach dem Ende des Unabhängigkeitskrieges kam es von 1998 bis 2000 noch

    einmal zum Krieg. Seitdem hält Äthiopien trotz eines Waffenstillstandsabkommens einen

    kleinen Teil Eritreas besetzt.

    O Ton Yemane Gebreab

    We cannot just tell them to go away and go back home. Because there is no one else to defend the country.

    Übersetzer:

    Wir können unsere Rekruten nicht einfach nach Hause schicken. Wir hätten sonst

    niemanden, um unser Land zu verteidigen.

    O Ton Elias

    There is a prolonged, I would say unlimited period of national service and you see every human being has to start his life, get married, get children, all these things. But because of this unlimited national service, people were not able to do those things. So people have no future I would say in Eritrea. Übersetzer: Der Nationaldienst ist unbegrenzt. Dabei möchte sich doch jeder Mensch irgendwann ein

    eigenes Leben aufbauen, möchte heiraten, Kinder kriegen – all diese Dinge. Wegen des

    unbegrenzten Nationaldienstes können wir das nicht. Die Menschen in Eritrea haben keine

    Zukunft.

    O Ton Günter Nooke

    Jetzt nach zwei Besuchen traue ich mich, das zu sagen: dass so viele kommen, hat natürlich

    auch damit zu tun, dass Deutschland 100 Prozent fast der Asylbewerber aus Eritrea

    anerkennt, weil eben diese Zwangsarbeit, dieser nationale Dienst dazu führt, dass man

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    schon sagen kann, dass diese Regierung autoritär und zum Teil diktatorisch die Menschen in

    Zwangsbeschäftigung hält.

    O Ton Yemane Gebreab

    It has been an encouragement for Eritrean people to try to go to Europe, but it has also meant that there is also a lot of, what migration departments call nationality switching.

    Übersetzer:

    Die hohe Anerkennungsquote hat die Eritreer dazu ermutigt, die Flucht nach Europa zu

    wagen. Sie führt auch dazu, dass sich viele Asylbewerber fälschlich als Eritreer ausgeben.

    Erzählerin:

    Zum innersten Zirkel der Macht gehört eine Handvoll Generäle, die weit reichende

    Vollmachten haben. Und direkten Zugang zum Präsidenten. Sie führen das Land wie eine

    Armee, verlangen Kadavergehorsam. Der Einzelne ist nichts, Eritrea alles, Härte die oberste

    Tugend. Die Strafen sind unerbittlich und oft grausam, Folter und außergerichtliche

    Hinrichtungen gehören laut den Vereinten Nationen dazu. Politische Oppositionelle werden

    behandelt wie Deserteure in Zeiten des Krieges.

    Aber die junge Generation war nicht im Busch, sie verlangt ein Leben.

    O Ton Yemane Gebraeb

    We have a small standing army, but then, the whole population will have military training. And it will be mainly do National Service in the productive sectors. It will be more for development.

    Übersetzer:

    Wir haben nur ein kleines stehendes Heer, aber das ganze Volk bekommt eine militärische

    Ausbildung. Die Rekruten leisten vor allem Nationaldienst im produktiven Sektor, für die

    Entwicklung des Landes.

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    O Ton Günter Nooke

    Also das Argument ist ein bisschen: Wir halten die ja nicht 18 Monate in der Armee, obwohl

    wir ja aufgrund des Kriegszustandes mit Äthiopien eine Armee brauchen, und wir haben

    nicht so viel Geld, deshalb müssen wir die dort einziehen, aber danach sollen die auch

    arbeiten, auch in Gegenden, wo die vielleicht nicht hinwollen oder wo es schwierig ist

    Arbeitskräfte zu finden, und sie an verschiedenen Baumaßnahmen oder was auch immer

    sich beteiligen müssen.

    Atmo Innenstadt Nairobi

    Erzählerin:

    Nairobi, die Hauptstadt von Kenia mit geschätzten dreieinhalb Millionen Einwohnern. Hier

    treffe ich Goitom, er wird mir mehr über den Nationaldienst erzählen. Und über die

    Fahrzeuge ohne Nummernschilder, die schon Elias erwähnte.

    O Ton Goitom, Stimme verändert

    It is really sad, really bad. Because for me, it is the golden time of my life. I am so sad.

    Übersetzer:

    Es ist traurig. Ich habe die besten Jahre meines Lebens verloren, ich bin so traurig.

    Erzählerin:

    Um ihn zu schützen, sind sein Name und seine Stimme verändert. Goitom hat

    gesundheitliche Probleme, seit er im Gefängnis war. Nach Nairobi kam er, um sich

    medizinisch behandeln zu lassen. Dann blieb er hier hängen – in Eritrea sieht er keine

    Heimat mehr.

    O Ton Goitom, Stimme verändert

    Because I loose my time. I waste without anything my time. Even without any payment. I didn’t have any payment. My salary is like 450 Nakfa, something like that. It is like ten dollar. Something like that.

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    Seite 15

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    Übersetzer:

    Ich habe meine Jahre verschwendet. Für meine jahrelange Arbeit habe ich noch nicht einmal

    Geld bekommen. Abgesehen von ungefähr zehn Dollar im Monat.

    Atmo aus den Straßen Nairobis, Eastleigh

    Erzählerin:

    Quirlige Straßen in Vororten wie Eastleigh, etliche übervölkerte Slums und eine Innenstadt,

    die mit ihrer Skyline, ihren Designerläden und ihren schicken Restaurants an Europa

    erinnert. Niemand weiß, wie viele Verfolgte hier untertauchen.

    Goitom erzählt, dass er wie viele Rekruten, die eigentlich an der Waffe dienen, auf privaten

    Feldern oder Baustellen von Generälen schuften musste.

    O Ton Goitom, Stimme verändert

    Übersetzer:

    Das ist Sklaverei. Es ist, als wärst du das Eigentum der Farmbesitzer oder Generäle. Als

    wenn Du nur für sie erschaffen wärst. Viele Wehrpflichtige empfinden das so. Die

    Plantagenbesitzer verdienen durch dich genug, um gut für ihre Familie sorgen zu können.

    Und Du selbst lebst nur, um deren Leben zu verbessern.

    Erzählerin:

    Goitom ist Ende 30. Diente achtzehn Jahre lang in der Armee, war im Grenzkrieg gegen

    Äthiopien an der Front und musste dutzende seiner Kameraden begraben. Verlässliche

    Gefährten fürs Leben, sagt er, und dann lässt Du sie tot in der Wildnis zurück. Alles für das

    Vaterland Eritrea, an das er selbst einmal geglaubt hatte. Auf das Gemetzel an der Front

    folgte die Zwangsarbeit.

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    Seite 16

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    O Ton Goitom, Stimme verändert

    Übersetzer:

    Nehmen wir zum Beispiel Wedi Legess, der hatte eine riesige Plantage in der Nähe von

    Tesseney an der sudanesischen Grenze. Wir waren nicht weit davon stationiert. Jeden

    Morgen um vier wurden wir geweckt, durften unsere Notdurft verrichten, mussten uns dann

    in Reih und Glied aufstellen und zu seiner Farm marschieren, dafür brauchten wir etwa 40

    Minuten. Den ganzen Vormittag über mussten wir auf den Feldern arbeiten. Für die

    Mittagspause marschierten wir in unser Lager zurück, am Nachmittag mussten wir

    wiederkommen und noch einmal bis 17 Uhr arbeiten. Wenn wir anschließend in unser Lager

    zurückkamen, mussten wir unsere übrigen Pflichten erfüllen, zum Beispiel nachts auf

    Patrouille gehen.

    Erzählerin:

    Goitom erzählt, dass immer zwei Brigaden zu der Plantage geschickt wurden, ungefähr

    7.000 Soldaten. Sie hätten Baumwolle gepflückt und gewaschen. Außerdem Mashela

    angebaut und geerntet, eine Getreideart.

    O Ton Goitom, Stimme verändert

    Erzählerin indirekte Übersetzung:

    Eines Tages sei Wedi Legess gekommen, der Besitzer der Farm, und habe die Soldaten

    wegen ihrer angeblich schlechten Arbeit beschimpft. Sie hätten gekontert, er sei Zivilist und

    habe ihnen nichts zu sagen. Darauf habe Wedi Legess erwidert, da er für die Soldaten

    bezahle, verlange er vernünftige Arbeit. Sie hätten bei der nächsten Parteiversammlung

    nachgefragt und erfahren, dass der Farmbesitzer der Regierung für jeden Soldaten

    tatsächlich Geld bezahlte. Das habe bis dahin keiner von ihnen gewusst.

    Erzählerin:

    Dieser Betrieb war nur einer von vielen, auf denen Goitom arbeiten musste. Aus dritter Hand

    hatte ich schon öfter von solcher Zwangsarbeit in Eritrea gehört, und dass viele der Farmen

    den Generälen gehörten.

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    Seite 17

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    O Ton Goitom, Stimme verändert

    Übersetzer:

    Daran gibt es keinen Zweifel. Was wir geerntet haben, also beispielsweise Tomaten oder

    Zwiebeln, wurde verkauft. Niemand fragt nach: „Wer hat was wo verkauft, wie viel Geld ist

    reingekommen? Und wer verwaltet das?“ Nein, solche Einnahmen kommen immer den

    Generälen zugute.

    Erzählerin:

    Demnach bereichert sich die militärische Elite, indem sie Rekruten wie Sklaven für sich

    arbeiten lässt. Ein Leben in ständiger Demütigung, das Goitom schließlich nicht mehr ertrug.

    O Ton Goitom, Stimme verändert

    Übersetzer:

    Früher dachten wir immer, dass alle Menschen gleich sind. Mit der Zeit haben wir aber

    gemerkt, wie unterschiedlich die Menschen behandelt werden. Die einen können alles

    bekommen, die anderen nichts. Eine solche Situation ist unerträglich.

    Erzählerin:

    Deshalb kehrte er eines Tages aus seinem Urlaub einfach nicht mehr zu seiner Einheit

    zurück. Wohl wissend, dass sie ihn deswegen holen würden. Er musste sich damals schon

    aufgegeben haben.

    O Ton Goitom, Stimme verändert

    Übersetzer:

    Das Gefängnis ist furchtbar, aber das ist der Militärdienst auch. Du erlebst dort fast dasselbe

    wie im Gefängnis. Der einzige Unterschied ist vielleicht, dass man beim Militär frische Luft

    bekommt, während man im Gefängnis unschuldig in dunkle Zellen eingesperrt wird.

    Ansonsten – man hat an beiden Orten Angst, wird schlecht behandelt und ständig bestraft.

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    Seite 18

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    Erzählerin:

    Acht Monate lang war Goitom in Haft. 2012 wurde er aus der Armee entlassen, körperlich

    und seelisch ein gebrochener Mann. Weil er demobilisiert war, konnte er Eritrea legal

    verlassen. Eine Ausnahme, sagt er. Er kenne viele, die illegal geflohen seien, etliche davon

    in einem Pickup oder Landcruiser über die Grenze bei Tesseney – so wie Elias.

    Sein Wissen über die Netzwerke hinter den Fahrten habe er bei der Armee gesammelt.

    Goitom war in Tesseney stationiert und lange Fahrer. Die Strecke zwischen Asmara und der

    Grenze kennt er gut, während seiner Zeit bei der Armee habe er Vieles beobachten können.

    O Ton Goitom, Stimme verändert

    Übersetzer:

    Natürlich stecken Generäle oder Leute vom Geheimdienst hinter dem Schmuggel. Zwischen

    Asmara und Tesseney gab es zwischenzeitlich 18 oder 19 militärische Kontrollposten,

    zurzeit sind es ein paar weniger. An den Kontrollposten ist die Straße gesperrt. Die Militärs

    fragen dort nach einer Bescheinigung dafür, dass du dich im Land bewegen darfst. Jeder,

    der den Posten passieren will, muss aus dem Auto aussteigen und diese Bescheinigung

    vorweisen. Wenn du keine schriftliche Genehmigung hast, kommst du nicht durch. Aber die

    Landcruiser und andere bekannte Fahrzeuge hoher Militärs werden einfach durchgewunken.

    Wenn so ein Auto doch mal angehalten wird, sagt der Fahrer einfach: Ich komme von

    General soundso, oder: Der und der vom Geheimdienst hat die Erlaubnis erteilt, dass wir

    diesen Kontrollpunkt passieren dürfen.

    Erzählerin:

    Wehrpflichtige brauchen in Eritrea zwingend eine schriftliche Bescheinigung, dass sie befugt

    sind, sich im Land zu bewegen. Und das nicht nur für Fahrten in die sensible Grenzregion,

    sondern auch für Besuche bei der Familie. Selbst wer in Asmara nur durch die Straßen

    bummelt, muss dafür eine Erlaubnis haben oder beweisen, dass er demobilisiert ist. Sonst

    wird er oder sie verhaftet.

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    Seite 19

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    Trotz dieser strengen Überwachung gelingt nach Schätzung der Vereinten Nationen jeden

    Monat 5.000 Menschen die Flucht.

    O Ton Goitom, Stimme verändert

    Erzählerin indirekte Übersetzung:

    Goitom erzählt, dass diese Schreiben illegal vertrieben werden. Man könne sie in Asmara

    von Militärs der oberen Dienstgrade für 80 Dollar kaufen. Das sei der achtfache Monatssold.

    Es gibt offenbar die Flucht für jeden Geldbeutel: von 80 Dollar für eine illegale

    Bescheinigung, dass man sich im Land bewegen kann, bis zum „Komplettpaket“: einer

    Flucht mit Landcruisern wie Elias sie beschrieb. Außerdem noch viele andere Möglichkeiten

    zu unterschiedlichen Preisen, angeboten von konkurrierenden Netzwerken.

    Eines haben alle Möglichkeiten gemeinsam: An irgendeiner Stelle sind hohe Militärs oder

    hohe Beamte involviert, und die verlangen für ihre illegalen Dienste immer Geld.

    O Ton Goitom, Stimme verändert

    Übersetzer:

    An der Grenze sind die Einheit 37 und die Grenzkontrolleinheit stationiert, die viele Mitglieder

    hat und die ausschließlich die Aufgabe hat, die Grenze zu sichern. Die Mitglieder der

    Grenzkontrolleinheit werden nicht ausgewechselt. Auch der Kommandeur ist derselbe, seit

    diese Sondereinheit gegründet wurde. Die Grenzkontrolleinheit untersteht Brigadegeneral

    Tekle Manjus.

    Erzählerin:

    Den Namen habe ich schon gehört, oder besser gesagt: gelesen. Der 1956 geborene

    General heißt eigentlich Teklai Kifle. Sein Spitzname „Manjus“ bedeutet in etwa „Kerlchen“.

    Womöglich ein Überbleibsel aus dem Befreiungskampf, vielleicht war Teklai Kifle ein

    besonders kleiner oder junger Soldat. Jeder in Eritrea kennt Tekle Manjus, aber fast nichts

    ist offiziell über ihn bekannt. Einem Informanten zufolge hat er mindestens einen Sohn. Dem

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    Seite 20

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    soll er zur Hochzeit ein Haus für umgerechnet 300.000 Euro geschenkt haben – ein

    unfassbares Vermögen, wenn man es mit dem Monatssold der meisten Eritreer vergleicht.

    Die UN-Überwachungsgruppe für Somalia und Eritrea hat General Tekle Manjus mehrfach

    erwähnt. In ihrem Bericht von 2012 zitiert sie den ehemaligen Übersetzer eines Schmugglers

    namens Abu Ahmed, der seine Basis auf der Sinai-Halbinsel hat und mit dem General

    Geschäfte macht.

    Zitator:

    Abu Ahmed ist der Boss einer Schmugglerfamilie. Er verschleppt Flüchtlinge aus Libyen und

    dem Sudan. Für ihre Freilassung verlangt er pro Kopf 15.000 Dollar, nicht mehr und nicht

    weniger. Er schmuggelt auch Waffen. Er bringt sie durch den Sudan auf den Sinai, aber ihre

    Reise beginnt in einem Ort namens Allai im eritreischen Hochland. Zwei hochrangige

    eritreische Militärs sind darin verwickelt, ich kenne sie gut. Sie heißen Borhame und Yesef

    Hagedu. Der Hauptverantwortliche für das alles ist Manjus, die beiden anderen machen nur

    die Arbeit. Sie bringen die Waffen in ihren Autos nach Wadi Sharifay im Sudan. Dann ruft

    Manjus die Rashaida an, die daraufhin kommen und die Waffen übernehmen. Es handelt

    sich um dieselben Netzwerke, die auch Menschen schmuggeln, sie arbeiten sehr eng mit

    den Militärs zusammen.

    Erzählerin:

    Das sind ungeheuerliche Vorwürfe. Kann der Übersetzer eines Schmugglers über solche

    Informationen verfügen?

    O Ton Yemane Gebreab Erzählerin:

    Yemane Gebreab weist den Vorwurf im Namen des eritreischen Präsidenten entschieden

    zurück.

    O Ton Yemane Gebreab There could be individuals, here and there, citizens in this country, there is human trafficking, okay, so when there is human trafficking, there are individuals, whether they are civilians or

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    Seite 21

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    they are military who are engaged in this crime. This are people whom we go after, many of them have been detained, and gone through the judicial system in this country. But this are very few, and among civilians or even military, they are very low ranking people. Mainly rank and file people.

    Übersetzer.

    Es könnte hier und da ein paar Individuen geben, Bürger unseres Landes, die sich am

    Menschenschmuggel beteiligten. Einzelpersonen, ob Zivilisten oder Militärs, die in dieses

    Verbrechen verwickelt sind. Gegen solche Menschen gehen wir vor, etliche wurden verhaftet

    und von unserer Justiz verurteilt. Aber es handelt sich um sehr wenige Täter, die als

    Zivilisten und Militärs sehr niedrige Positionen bekleiden. Vor allem Mannschaftsdienstgrade.

    Erzählerin:

    Die UN-Experten hielten den Bericht von Abu Ahmeds Übersetzer immerhin für so glaubhaft,

    dass sie ihn veröffentlichten.

    Zitator:

    Das ganze Geld geht an Manjus. Seine Untergebenen führen nur die Befehle aus. Das Geld

    bleibt aber auch nicht in den Händen von Manjus, es geht nach ganz oben – bis zum

    Präsidenten. Vom Sudan aus werden die Waffen auf den Sinai geliefert, ich habe sie selbst

    gesehen. Abu Ahmed zahlt für jedes Gewehr 250 Dollar und verkauft es dann teurer an die

    Palästinenser weiter. Die meisten sind schon alt, aus russischer Produktion, Kalaschnikows

    und Raketenwerfer. Die Waffen werden in großen LKW aus Eritrea in den Sudan gebracht.

    Bei der Fahrt vom Sudan auf den Sinai werden sie unter Flüchtlingen versteckt, so dass sie

    noch nicht einmal auf Satellitenbildern auffallen.

    Erzählerin:

    Dem UN-Bericht zufolge setzte das Netzwerk von Tekle Manjus im Berichtszeitraum

    mindestens 3,6 Millionen Dollar im Jahr um, allein an Waffen.

    Die erwähnten Nomaden aus dem Volk der Rashaida sind dafür berüchtigt, dass sie Eritreer

    aus Flüchtlingslagern im Sudanentführen. Sie verkaufen ihre Opfer weiter an Beduinen auf

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    Seite 22

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    der Sinai-Halbinsel. In regelrechten Foltercamps werden die Entführten schwer misshandelt,

    um ihren Verwandten Lösegeld abzupressen.

    Atmo Tel Aviv, Büro in dem das Interview geführt wurde

    Erzählerin:

    Beim Stichwort „Sinai“ denke ich an meine Gespräche mit freigekommenen Opfern in Israel.

    Zum Beispiel an Tsegai und seinen Neffen. Der 29-jährige Tsegai war schon 2008 aus

    Eritrea geflohen und schildert mir, was rund vier Jahre später geschah.

    O Ton Tsegai Jerusalem Jeter

    Übersetzer:

    In der Zeit konnte ich nicht mehr schlafen. Immer hatte ich die Schmerzensschreie meiner

    Schwester im Ohr. Selbst wenn ich sie gerade mal nicht am Telefon hatte, hörte ich ihre

    Stimme.

    Erzählerin:

    Seine Schwester Salam Garmaye war einige Jahre nach ihm mit ihrem damals einjährigen

    Sohn auch aus Eritrea geflohen. Auf dem Sinai wurde sie von Menschenschmugglern

    festgehalten.

    O Ton Tsegai Jerusalem Jeter

    Übersetzer:

    Als meine Schwester mich das erste Mal anrief, sagte sie mir, ihre Entführer forderten 3.500

    Dollar Lösegeld. Nachdem ich das Geld gezahlt hatte, hörte ich einen Monat lang nichts

    mehr von ihr. Als sie sich das nächste Mal meldete, wurde sie gefoltert und schrie am

    Telefon vor Schmerzen. Sie sagte, nun fordern die Kidnapper 33.000 Dollar.

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    Seite 23

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    Erzählerin:

    Eine unmögliche Summe für einen wie Tsegai, der in Israel als Hilfsarbeiter auf Baustellen

    jobbt, weil der Staat ihm eine Arbeitserlaubnis verweigert.

    O Ton Tsegai Jerusalem Jeter

    Übersetzer:

    Natürlich hatte ich nicht so viel Geld, und ich habe ein Jahr lang versucht, es zusammen zu

    kriegen. Ich habe alle Eritreer hier um Hilfe gebeten. Sobald ich wieder 2.000 oder 3.000

    Dollar beieinander hatte, habe ich sie an die Entführer geschickt.

    Erzählerin:

    Bis zu drei Mal täglich, sagt Tsegai, habe seine Schwester unter Folter bei ihm angerufen

    und vor Qualen schreiend um Geld gebeten.

    Während er sich erinnert laufen Tränen über seine Wangen.

    O Ton Tsegai Jerusalem Jeter

    Übersetzer:

    Nach einiger Zeit konnte ich nicht mehr arbeiten, weil ich diese ständigen Schreie im Kopf

    nicht mehr aushielt. Einerseits wollte ich unbedingt Geld verdienen, aber ich konnte einfach

    nicht, ich war völlig durcheinander. Am Ende war ich kaum noch in der Lage, mich zu

    bewegen. Meine Knie gehorchten mir nicht mehr.

    Erzählerin:

    Als seine Schwester so am Ende war, dass sich ihr Körper kaum noch peinigen ließ, griffen

    sich die Menschenschmuggler ihren einjährigen Sohn. Wenn der Junge am lautesten schrie,

    riefen sie Tsegai an.

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    O Ton Tsegai Jerusalem Jeter

    Übersetzer:

    Als ich 18.000 Dollar zusammen hatte, sagten mir die Entführer am Telefon, sie würden

    meine Schwester freilassen und an die israelische Grenze bringen. Aber als ich sie anrief,

    sagte sie: „Ich schaffe es nicht mehr.“ Sie sagte, sie verliere viel Blut.

    Erzählerin:

    Eine Woche später war sie tot. Ihren kleinen Sohn Lamech gaben die Entführer wenig später

    anderen Eritreern mit, die sie an der Grenze zwischen Ägypten und Israel freiließen. Jetzt

    kümmert sich Tsegai um Lamech. Er sagt, dass der Junge schwierig im Umgang sei und oft

    aggressiv. Anfangs wollte er sich nicht ausziehen und nicht duschen.

    Erzählerin:

    Vielen Berichten zufolge wurden Entführten auch Organe fachgerecht entnommen, in

    Nährlösungen abtransportiert und verkauft. Seit Israel seine Grenze zu Ägypten 2012 mit

    einem massiven Zaun sicherte, ließ das blutige Geschäft auf dem Sinai deutlich nach.

    Beendet ist es aber noch nicht.

    Atmo Nairobi

    O Ton Goitom, Stimme verändert

    Übersetzer:

    Es ist in Eritrea kein Geheimnis, dass Manjus regelmäßig mit den Rashaida verkehrt und sie

    sich gegenseitig zu Festen einladen. Sie laden ihn beispielsweise zum islamischen Opferfest

    Eid ein, und er sie im Gegenzug zu großen militärischen Anlässen. Bekannt ist auch, dass

    die Rashaida manchmal Leute betrunken machen und sie dann an Tekle Manjus ausliefern.

    Oder sie erwischen Menschen bei der Flucht. Denen nehmen sie erst alles Geld ab und

    übergeben sie dann an Tekle Manjus.

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    Seite 25

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    Erzählerin:

    Zwei ehemalige Militärangehörige werden mir das später in Addis Abeba bestätigen.

    Und was ist mit den Autos ohne Nummernschildern, hat Tekle Manjus auch damit zu tun?

    O Ton Goitom, Stimme verändert

    Übersetzer:

    Sie sind in einer bestimmten Straße in Asmara geparkt. Sie gehören zu der

    Grenzkontrolleinheit, die Tekle Manjus untersteht. Einige sind in militärischen Tarnfarben

    lackiert, andere in zivilen Farben, beispielsweise weiß, rot oder blau. Es gibt Landcruiser VX,

    V 8 oder Hilux Pick-Ups. In jedem Auto gibt es mehrere Kennzeichen: von der Polizei,

    Kennzeichen der Regierung, Kennzeichen von kirchlichen Gruppen, private Kennzeichen

    oder solche von Staatsunternehmen. Die Nummernschilder werden jeweils passend zu der

    Mission und der Region ausgesucht, in der ein Fahrzeug unterwegs ist.

    Erzählerin:

    Er wisse das, sagt Goitom, weil er selbst einmal in einem solchen Auto gefahren sei, als in

    seiner Einheit kein Fahrzeug verfügbar war. Darüber hinaus habe er noch eine Quelle:

    O Ton Goitom, Stimme verändert

    Übersetzer:

    Ich kannte einen Fahrer, der hatte einen niedrigen militärischen Rang. Erst machte er nur,

    was seine Vorgesetzten ihm auftrugen. Er fuhr immer zwischen Asmara und der Grenze hin

    und her. Seine Vorgesetzten trugen ihm auf, wohin er die Menschen bringen sollte. Lange

    Zeit hat er gar nicht kapiert, was da los ist. Irgendwann wurde ihm klar, dass er nicht Militärs

    in Zivil an die Grenze transportierte, sondern immer Zivilisten. Das begriff er, als er das erste

    Mal beobachtete, dass seine Passagiere ein Stück zu Fuß gingen, nachdem er sie abgesetzt

    hatte, und sie dann einer anderen Person übergeben wurden. Als dieser Fahrer danach mal

    nur ein paar Dokumente von Asmara nach Tesseny bringen sollte und Platz im Auto hatte,

    wagte er es, seinerseits ein paar Leute mitzunehmen. Das machte er mehrere Male. Aber in

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    Seite 26

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    seiner Einheit gab es jemanden, der ihn nicht mochte. Der bekam das mit und hat ihn

    verraten, deshalb wurde er erwischt.

    Erzählerin:

    Diesen ehemaligen Fahrer hat Goitom kennen gelernt, als er 2009 selbst in Haft war. Seinen

    Namen kannte er nicht, alle nannten ihn „Cherre“, den Schielenden, weil er Probleme mit

    den Augen hatte. „Cherre“ war zu diesem Zeitpunkt schon seit zwei Jahren im Gefängnis,

    erzählt Goitom weiter. Cherre sei aber anders behandelt worden als die anderen. Trotz Haft

    konnte er weiter für das Netzwerk arbeiten.

    O Ton Goitom, Stimme verändert

    Übersetzer:

    Der Menschenschmuggel ist im Moment das größte Geschäft. Alle, die schon im Ausland

    sind, wollen ihre Leute um jeden Preis rausholen, weil die Lage in Eritrea verzweifelt ist. Das

    wissen die Schmuggler und verlangen deshalb so viel Geld pro Person, umgerechnet 2.000

    oder sogar 4.000 Dollar, als wäre das nichts. Und sie selbst haben nicht mal fünf Cent an

    Ausgaben: das Auto ist von der Regierung, der Fahrer ist von der Regierung, der Kraftstoff

    ist von der Regierung – was sie von den Flüchtenden verlangen, ist für sie reiner Gewinn.

    Atmo Addis Abeba, Busbahnhof Megenagna

    Erzählerin:

    Addis Abeba, Hauptstadt von Äthiopien. Mehr als 100.000 eritreische Flüchtlinge leben hier,

    jedes Jahr kommen gut 20.000 hinzu, heißt es in einem vertraulichen Bericht der

    Europäischen Union. In Addis werde ich einige ehemalige Angehörige der eritreischen

    Armee treffen. Sie wollen mir weitere Details über die Verwicklung hochrangiger Militärs in

    den Menschenschmuggel erzählen.

    Atmo Addis Abeba, Parkplatz, Diskussion über ruhigen Ort

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    Seite 27

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    Erzählerin:

    Immer wieder diskutieren wir über Treffpunkte, die halbwegs sicher sind – alle haben Angst,

    im Interview von zufällig vorbeikommenden Eritreern gesehen und an die eritreische

    Regierung verraten zu werden, sie fürchten um ihre Familien. Kidane spricht nur unter der

    Bedingung, dass Name und Stimme verändert werden – sein richtiger Name ist mir bekannt.

    Er war wie Goitom in der Gegend von Tesseney stationiert. Ab 2002 fiel ihm auf, dass immer

    mehr Menschen aus Eritrea fliehen. Und ab 2007, dass hohe Militärs in den

    Menschenschmuggel verwickelt sind.

    O Ton Kidane, Stimme verändert Übersetzer:

    Es gibt viele Leute die schleusen, aber konkrete Informationen habe ich über drei Personen.

    Einer von ihnen ist zuständig für die Grenzkontrolle und Kommandeur der Region Gash

    Barka, Brigadegeneral Teklai Kifle. Genannt wird er Tekle Manjus.

    Erzählerin:

    Wieder fällt der Name.

    O Ton Kidane, Stimme verändert Übersetzer:

    Natürlich hat er Offiziere unter sich, die für ihn die praktische Arbeit in diesem Geschäft

    erledigen. Einige von denen sind mittlerweile in Haft. Zum Beispiel Idris und Wedi

    Meshgenna. Die beiden haben immer unter Tekle Manjus gearbeitet und haben den

    Schmuggel von Asmara aus koordiniert.

    O Ton Autorin

    How did you know or how is it obvious that Tekle Manjus is behind it?

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    Seite 28

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    O Ton Kidane, Stimme verändert Übersetzer:

    Als weiteren Beleg kann ich noch das folgende sagen: Es gibt da einen Isuzu-LKW, der 30

    Leute fassen kann, mit einem festen Aufbau, wie ein Container. Er pendelt wöchentlich

    zwischen Tesseney und Asmara. Offiziell versorgt er die Division in Gash Barka mit Fisch.

    Der LKW ist an allen vier Seiten mit Bildern von Fisch bemalt. Offiziell macht er den

    Transport von Fisch, tatsächlich wird er aber vor allem genutzt, um Menschen zu

    schmuggeln, bis zu 30 Personen pro Fahrt.

    Erzählerin:

    Kidane erzählt weiter, dass jeder Passagier 5.000 Dollar pro Platz bezahlt. Die Bevölkerung

    sei davon überzeugt der LKW gehöre der Armee, tatsächlich gehöre er aber Tekle Manjus

    und einem weiteren General namens Abraham Afan. Diese Informationen habe er selbst von

    Idris und Wedi Meshgenna. Namen, die auch Goitom schon nannte.

    O Ton Autorin

    So I mean they were also involved, isn’t it, in the smuggling, and why then did they reveal to you that the car was privately owned? Erzählerin:

    Die beiden haben beim Menschenschmuggel doch auch mitgemacht – warum sollten sie

    Ihnen erzählt haben, dass der LKW den Generälen privat gehört?

    O Ton Kidane, Stimme verändert Übersetzer:

    Das waren jahrelang meine Kollegen. Sie haben mir vertraut, dass ich es nicht weitererzähle,

    wenn sie es mir sagen. Hätten die Anlass zu Misstrauen gehabt, hätten sie sich in ihren

    Geschäften vielleicht etwas zurückgehalten, aber da wir befreundet waren, haben sie mir

    vertraut. Ich wollte natürlich selbst meine Hände nicht mit drin haben, weil das ein

    Verbrechen ist.

  • hören, was dahinter steckt! das ARD radiofeature Folterkammer Eritrea – Ein Feature über die Finanzierung einer Diktatur

    Seite 29

    © Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 // Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden.

    Erzählerin:

    Trotzdem griff Kidanes Familie später auf genau dieses Netzwerk zurück und ließ Kidanes

    jüngeren Bruder aus Eritrea herausschmuggeln. Sein Platz in dem LKW kostete 5.000

    Dollar. 23 weitere Flüchtlinge zahlten die die gleiche Summe, zusammen 120.000 Dollar für

    diesen einen Transport, und laut Kidane fuhr der LKW jede Woche. Das Geld für die Flucht

    seines jüngeren Bruders schickten Verwandte, die schon im Ausland waren, an einen

    Empfänger in Asmara. Die Details dieser Zahlung, sagt Kidane, kenne er nicht.

    LKW als Fluchtfahrzeuge sind in einem weiteren Gespräch in Addis Abeba Thema. Auch

    dieser Informant diente in der Region Gash Barka im Grenzgebiet zum Sudan. Weil er

    Repressionen fürchtet, darf nur die Stimme meines Dolmetschers über den Sender gehen.

    O Ton Übersetzer Salomon

    There are vans which are supposedly transporting army material but they are transporting people. So what he’s saying is the high officers have their own way of human trafficking, smuggling. They are taking people from Asmara and other places to the border of Sudan. They are always doing that he says. They are not inspected when they pass through because they are under the command of the generals so nobody checks what they are carrying inside them. But they are, and he mentioned [inaudible] who is one these key, he knows him, he was an operator in field, he is one of the key people who administer this thing from Asmara.

    Übersetzer:

    Es gibt LKW, die dem äußeren Anschein nach Nachschub für die Armee an die Grenze

    transportieren. Tatsächlich sind sie voller Flüchtlinge. Er sagt, dass die hochrangigen

    Offiziere verschiedene Wege haben, wie sie Menschen aus dem Land schmuggeln. Sie

    bringen ihre Kunden von Asmara und aus anderen Städten zur eritreisch-sudanesischen

    Grenze, dieses Geschäft läuft ständig. Die LKW werden nicht kontrolliert, weil sie dem

    Kommando der Generäle unterstehen. Niemand kontrolliert sie. Wedi Meshgenna, den er

    nach seiner Aussage persönlich kennt, ist demnach einer der Hauptverantwortlichen.

    Atmo traditionelles Caféhaus

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    Seite 30

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    Erzählerin:

    Schließlich treffe ich Yohannes, einen weiteren ehemaligen Militär. Er ist Mitte 40 und war 26

    Jahre lang bei der Armee. Noch als Minderjähriger hatte er sich dem Befreiungskrieg gegen

    Äthiopien angeschlossen und war nach dem Sieg bei der Truppe geblieben.

    Wir treffen uns in einem der vielen traditionellen Caféhäuser, in denen die Kaffeebohnen

    über dem Feuer geröstet und dann frisch gemahlen werden.

    Als ehemaliger Befreiungskämpfer habe er die Ziele der eritreischen Regierung noch lange

    bedingungslos vertreten, sagt der Mann, dessen Identität aus Sicherheitsgrüngen ebenfalls

    geschützt werden muss. Er habe erst für den Nachrichtendienst der Armee gearbeitet, dann

    für die Informationsabteilung im Verteidigungsministerium, und im Parteibüro der

    Einheitspartei PFDJ, Volksfront für Demokratie und Gerechtigkeit.

    O Ton Yohannes

    Übersetzer:

    Von der Führungselite im Verteidigungsministerium bis hinunter zu den Fahrern bekommen

    alle vom Präsidentenbüro spezielle Ausweise, mit denen sie sich überall frei bewegen

    können. Dasselbe gilt für die Armee: Von den Oberbefehlshabern bis hinunter zu den

    Fahrern bekommen alle diese speziellen Ausweise, die ihnen landesweite Bewegungsfreiheit

    bescheinigen. Außerdem haben die Generalmajore, die im Präsidentenbüro ein- und

    ausgehen, Einfluss auf die Einwanderungsbehörde. Sie können bestimmen, wer einen Pass

    und ein Ausreisevisum bekommt. Sie haben außerdem eigene Stempel und können Pässe

    sowie Ausreisevisa selbst ausstellen.

    Erzählerin:

    Mit der Sondererlaubnis dieser Generäle dürften selbst diejenigen ausreisen, die im

    wehrpflichtigen Alter sind. In Eritrea betrifft das alle Männer und Frauen bis ins mittlere Alter:

    die Männer zumeist bis 55, die Frauen bis Mitte 30.

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    Seite 31

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    O Ton Yohannes

    Übersetzer:

    Es gibt unglaublich viele Menschen, die auf diese Weise ausgereist sind. Dafür haben sie

    Unmengen von Geld bezahlt und die Grenze dann anscheinend legal überquert.

    Erzählerin:

    Die Preise auf dem illegalen Markt für solche Sondergenehmigungen schwanken. Wie der

    Informant erklärt, sind sie unter anderem deshalb so hoch, weil die Hauptverantwortlichen

    Mittelsmänner und Vermittler hätten, die ebenfalls bezahlt werden müssten. Auch der

    Angestellte der Einwanderungsbehörde verlange seinen Anteil. Yohannes betont, dass der

    illegale Handel mit den gefälschten Dokumenten nur mit Hilfe eines Netzwerkes

    funktionieren kann. Anfangs hätten sie für Pässe inklusive Ausreisevisum 5.000 Dollar

    verlangt, später 10.000 Dollar pro Kopf.

    O Ton Yemane Gebreab We want to keep our people. We spend so much effort and so much money to train our people – education is free in Eritrea, Health is almost free in Eritrea, so for every young person in this country, including post graduate education, this country pays.

    Übersetzer:

    Wir wollen, dass unsere Leute bleiben. Wir stecken viel Mühe und Geld in die Ausbildung

    unserer Bevölkerung – Schulbildung und medizinische Versorgung sind in Eritrea so gut wie

    kostenlos. Die Regierung zahlt also für jeden jungen Menschen im Land.

    Sprecher:

    Yemane Gebreab, der Berater des eritreischen Präsidenten.

    O Ton Yemane Gebreab Do you think we spend all this money to want them to leave the country? Definitely not.

    Übersetzer:

    Glauben Sie etwa, wir würden so viel Geld für sie ausgeben, wenn wir wollten, dass sie das

    Land verlassen? Bestimmt nicht.

  • hören, was dahinter steckt! das ARD radiofeature Folterkammer Eritrea – Ein Feature über die Finanzierung einer Diktatur

    Seite 32

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    O Ton Günter Nooke

    Wir berufen uns mit unserer Zusammenarbeit auf die vier Punkte, die Eritrea auch mit der

    Europäischen Union für die Zusammenarbeit vereinbart hat.

    Sprecher:

    Günter Nooke, persönlicher Afrikabeauftragter der Kanzlerin

    O Ton Günter Nooke

    Wir haben besonderen Wert darauf gelegt zu sagen: Wir können die

    Entwicklungszusammenarbeit nur beginnen, wenn auch Veränderungen in Eritrea

    stattfinden. Wenn sich nichts ändert, ist das schwierig.

    Atmo Warten traditionelles Caféhaus

    O Ton Yohannes

    Übersetzer:

    Manchmal werden Schmuggler festgenommen, weil in den Netzwerken Fehler passieren. Es

    gibt viele Leute, die sich gegenseitig fressen. Es kann zum Beispiel sein, dass das

    Verteidigungsministerium dich über die Grenze schmuggeln will, und jemand aus einer

    anderen Abteilung oder Einheit nimmt Dich fest.

    Atmo traditionelles Caféhaus

    O Ton Yohannes

    Übersetzer:

    Weil ich für die Nachrichtenabteilung des Verteidigungsministeriums gearbeitet habe, bekam

    ich häufig den Auftrag, diese Häftlinge zu verhören. Sie erzählten mir dann, wie sie zu fliehen

    versuchten und wen sie dafür kontaktiert hatten.

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    Seite 33

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    Erzählerin:

    Yohannes erzählt noch von einer weiteren Methode: in LKW, mit denen Zucker aus der

    Hafenstadt Massawa in den Sudan geschmuggelt werde, würden auch Flüchtlinge

    mitgenommen. Die Hälfte des Laderaums sei voll Zucker, die andere Hälfte voll Menschen.

    O Ton Yohannes

    Übersetzer:

    Diese LKW unterstehen der Abteilung 09 innerhalb der regierenden Einheitspartei. Diese

    Abteilung hat viele LKW, 200 bis 300 sind das.

    Erzählerin:

    Die Partei-Abteilung 09 ist - laut Yohannes – für Handel und Wirtschaft zuständig. Privater

    Handel und Privatwirtschaft sind in Eritrea streng reguliert, in einigen Bereichen sogar

    verboten. Auch geschmuggelt wird Yohannes zufolge mit den Fahrzeugen der Abteilung 09.

    Ein Platz im LKW koste 2.000 Dollar pro Kopf.

    O Ton Yohannes

    Übersetzer:

    Aber nur bestimmte LKW und bestimmte Fahrer fahren die Strecke von Asmara nach

    Tesseney, an die Grenze. Sie sind mit den Befehlshabern vor Ort in Kontakt - das ist wie

    gesagt ein Netzwerk. Die Fahrer vermitteln auch Ausreisewillige an das Netzwerk. Wer einen

    Kunden besorgt, bekommt dafür eine bestimmte Summe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass

    das Präsidentenbüro nichts von dieser Praxis weiß, denn diese LKW laden normalerweise

    Tonnen an Ware. Tatsächlich transportieren sie aber die Hälfte. In der anderen Hälfte der

    LKW transportieren sie Menschen, und zwar 40 bis 50 Flüchtlinge.

    O Ton Günter Nooke

    Aber wenn es eine positive Tendenz gibt, von der natürlich nicht die Regierung sondern die

    einfachen Menschen profitieren und dadurch neue Perspektiven für diese Menschen eröffnet

    werden in Eritrea zu bleiben, dann wollen wir auch Geld in die Hand nehmen, nicht so viel

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    Seite 34

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    am Anfang, aber durchaus im Bereich der Berufsausbildung, ungefähr vier Millionen, die wir

    in solche Projekte investieren, die dann natürlich für alle Perspektiven und Chancen bieten

    müssen.

    Erzählerin: Deutschland und die Europäische Union wollen mit der eritreischen Regierung zusammen

    arbeiten, um den Massenexodus aus Eritrea zu stoppen. Durch Entwicklungshilfe und eine

    bessere Kontrolle der Grenzen. In Eritrea, im Sudan und in anderen Staaten der Region.

    Für das so genannte „Bessere Migrations-Management“ in Ostafrika ist die Europäische

    Union bereit, 40 Millionen Euro zu zahlen. Die deutsche staatliche Entwicklungsgesellschaft

    GIZ soll an der Umsetzung beteiligt werden. Zu den konkreten Zielen gehört:

    Zitator:

    Das Leistungsvermögen aller Institutionen und Agenturen zu verbessern, die für

    Wanderungsbewegungen und Grenzkontrolle verantwortlich sind. Dazu gehören

    Grenzbeamte, Strafverfolgungsbehörden und Vertreter der Justiz.

    Erzählerin: Weiter heißt es in dem Maßnahmenplan der Europäischen Union von Ende 2015 über die

    Risiken:

    Zitator:

    Material und Training, die heiklen Behörden (wie Sicherheitskräften oder Grenzbeamten) zur

    Verfügung gestellt werden, könnten zweckentfremdet und für repressive Zwecke eingesetzt

    werden.

    O Ton Günter Nooke

    Wir wissen als Bundesregierung, dass hohe Militärs und auch aus anderen Bereichen

    Menschen involviert sind. Die Frage ist in der Tat: ist das jetzt die Regierung des Staates

    Eritrea, oder sind das einzelne Personen?

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    Seite 35

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    Atmo traditionelles Caféhaus

    O Ton Yohannes

    Übersetzer:

    Bei dem Geschäft mit den Flüchtlingen machen unheimlich viele mit. Angefangen von

    einfachen Bauern über bekannte Musiker, Fahrer, die Führungselite – viele Leute. Man kann

    gar nicht damit aufhören, wenn man an einem Tag 40 bis 50 Menschen in einem LKW

    transportiert und nach Tesseney bringt. Du brauchst für die Strecke nur einen halben Tag, du

    kannst schon um 15 Uhr da sein, und an einem Tag 100.000 Dollar verdienen.

    O Ton Yemane Gebreab

    So slowly, I think, opinion about Eritrea and perception about Eritrea is changing. I think it is wonderful that Germany is a trade blazer on this.

    Übersetzer:

    Ich denke, dass sich die Meinung über Eritrea langsam ändert. Es ist wunderbar, dass sich

    Deutschland dafür einsetzt.

    Sprecher:

    Auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion „Die Linke“ vom 21. April 2016 antwortet die

    Bunderegierung unter anderem:

    Zitator:

    Im Bericht der Mitglieder der Somalia Monitoring Group des Sicherheitsrats der Vereinten

    Nationen an den Präsidenten des Sicherheitsrates vom 11. Juli 2012 wird die eritreische

    Regierung mit illegalem Waffenhandel und Menschenschmuggel in Verbindung gebracht. In

    diesem Zusammenhang wird auch der Name des Generals Teklai Kifle…

    Erzählerin

    Alias Tekle Manjus

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    Seite 36

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    Zitator:

    …als Hauptverantwortlicher genannt. Die Bundesregierung hat über diesen Bericht hinaus

    über eine mögliche Verstrickung der eritreischen Armee oder Regierungsangehöriger in

    Menschenschmuggel und Menschenhandel und besonders über die Rolle von General

    Teklai Kifle wie auch seiner möglichen Kooperation mit dem Rashaida Volk keine eigenen

    Erkenntnisse.

    O Ton Günter Nooke

    Wenn da in den Medien oder anderswo Belegbares da ist, dann müssen wir uns das

    natürlich schon noch mal vornehmen und miteinander besprechen, weil ich glaube dass das,

    wenn es wirklich staatlich organisiert ist, ein Grund wäre zu sagen: dann können wir nicht auf

    der anderen Seite auch Geld ins Land bringen.

    Absage: Folterkammer Eritrea Ein Feature über die Finanzierung einer Diktatur. Von Bettina Rühl Es sprachen: Alexandra Henkel Jonas Baeck Robert Dölle Ralf Drexler Peter Fricke Rainer Homann Tom Jacobs Robert Levin Und Markus Meyer Technische Realisation: Werner Jäger und Jens-Peter Hamacher Regie: Martin Zylka Redaktion: Dorothea Runge Eine Produktion des Westdeutschen Rundfunks für das ARD radiofeature 2016