1. 2 Das französische Schulsystem DAS FRANZÖSISCHE SCHULSYSTEM 3 Inhaltsverzeichnis :
Finnisches Schulsystem
Transcript of Finnisches Schulsystem
1. Einleitung
Das an der nördlichen Peripherie Europas gelegene Finnland hat in den letzten acht
Jahren in vielen Ländern der Welt große Aufmerksamkeit bei einer an Bildungsfragen
interessierten Öffentlichkeit erregt. Ebenso haben Bildungsexperten, Politiker und
Journalisten einen - zum Teil skeptischen, zum Teil neugierigen - Blick gen Norden
gewagt, um Antworten auf die Frage zu erhalten, was wohl das „Geheimrezept“ des
nordischen Bildungslandes ist. Das Interesse am finnischen Bildungswesen wurde vor
allem durch die guten Gesamtergebnisse finnischer Schüler bei den von der
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)
durchgeführten PISA-Studien geweckt. In allen drei bisherigen Durchgängen des
Programms für internationale Schulleistungsuntersuchung1, die zwischen 2000 und
2006 stattfanden, erhielt Finnland auf Grund seiner Gesamtpunktzahl einen ersten
Rangplatz.
Im Kontext dieser Ergebnisse war für mich eine Frage von besonderem Interesse und
hat den Anstoß) zur hier vorliegenden Arbeit über das finnische Schulsystem gegeben:
Welche Elemente und Faktoren vereinen sich in einem Schulsystem, das Schüler in so
effektiver Weise zu fördern vermag, dass sie konstant internationale Spitzenleistungen
in drei grundlegenden Kompetenzbereichen erzielen? In meiner Frage ist bereits
vorausgesetzt, dass es nicht eine alleinige benennbare Ursache für den Erfolg geben
kann, sondern dass bei komplexen Lern- und Bildungsprozessen viele Faktoren
zusammen spielen. Im Laufe meiner Lektüre zum vorliegenden Thema wurde ich in
meiner Ausgangsthese bestärkt, dass es wohl kein „Allgemeinrezept“ für ein gutes
Schulsystem gibt, das einfach identifiziert und uneingeschränkt weiter empfohlen
werden kann. Jedes Schulsystem steht in einem komplexen Verhältnis zu den sozialen
und kulturellen Gegebenheiten des Landes, in dem es sich über einen langen Zeitraum
hinweg entwickelt hat. Kein Schulsystem kann daher ohne den Einbezug dieser
komplexen Rahmenbedingungen angemessen verstanden oder mit anderen Systemen
verglichen werden. Unterschiedliche historische Erfahrungen, geographische
Bedingungen, Wertüberzeugungen, geistesgeschichtliche Entwicklungen,
Bildungskonzepte sowie wirtschaftliche, politische und soziale Strukturen machen einen
1 Deutsch für: Programme for International Student Assessment (PISA).
1
direkten Vergleich unterschiedlicher Schulsysteme zu einem methodisch
anspruchsvollen und aufwendigen Unternehmen. Ich habe aus diesem Grund in der
vorliegenden Arbeit bewusst davon abgesehen, das finnische Schulsystem einem
anderen System, wie etwa dem deutschen, gegenüber zu stellen. Nach meiner Ansicht
könnte eine vergleichende Untersuchung des vorliegenden Umfangs beiden Systemen
nicht gerecht werden.
Stattdessen habe ich eine Auswahl von aus meiner Sicht wesentlichen Elementen des
finnischen Schulsystems getroffen, die ich einer genaueren Untersuchung unterziehen
möchte. Bei dieser Auswahl waren mir vor allem zwei Gesichtspunkte wichtig. Ich
möchte zum einen durch die ausgewählten Elemente und ihr „Zusammenspiel“ einen
kohärenten Überblick über das finnische Schulwesen ermöglichen, der, wenn er auch
nicht alle Aspekte berücksichtigen kann, doch wenigstens die wichtigsten Eckpunkte
des Systems beleuchtet. Des weiteren ist es mir wichtig, diejenigen Elemente des
finnischen Schulsystems zu fokussieren, die in Finnland in einer Weise konzipiert und
umgesetzt werden, dass man davon in anderen Ländern lernen kann. Ich hoffe daher,
durch die vorliegende Arbeit Aspekte vertiefen zu können, die heute in der öffentlichen
Bildungsdiskussion keine oder nur wenig Beachtung finden. Dabei lege ich den
Schwerpunkt meiner Arbeit weniger auf die genaue Analyse und Diskussion der
Ergebnisse, die verschiedene nationale und internationale Studien zum finnischen
Bildungswesen hervorgebracht haben, sondern auf eine Untersuchung der möglichen
Ursachen für bestimmte positive Entwicklungstendenzen innerhalb des finnischen
Systems.
Wie sieht die Literaturlage zum vorliegenden Thema aus? Aktuelle Literatur zum
Schulsystem Finnlands ist, was verschiedene Sprachräume anbelangt, in äußerst
unterschiedlichem Maß verfügbar. Im deutschen Sprachraum scheint die
wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem finnischen Schulsystem erst in den
letzten drei bis vier Jahren etwas intensiver begonnen zu haben. Daher ist nur ein sehr
begrenzter Umfang an deutschsprachiger Literatur zum vorliegenden Thema verfügbar.
Der englische Sprachraum bietet dagegen eine etwas größere Fülle an
wissenschaftlichen Quellen. Es ist vor allem der starken Präsenz der finnischen
Bildungsbehörden im Internet geschuldet, dass englischsprachige Informationen und
Studien von Wissenschaftlern finnischer Universitäten zugänglich sind. Auffällig ist,
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dass es bisher kaum Gesamtdarstellungen des finnischen Schulsystems gibt. Der
Großteil der Literatur nimmt einzelne Aspekte in den Blick. Für den deutschen
Sprachraum wurden nach meiner Kenntnis bisher zwei Sammelbände finnischer
Autoren übersetzt, deren Einzelbeiträge sich zu einem Gesamtüberblick ergänzen. Das
ist zum einen das von Jukka Sarjala und Esko Häkli herausgegebene Buch „Jenseits
von PISA - Finnlands Schulsystem und seine neuesten Entwicklungen“ (2008), zum
anderen ein von Aila-Leena Matthies und Ehrenhard Skiera herausgegebener Band mit
dem Titel „Studien zum Bildungswesen und Schulsystem in Finnland“ (2008). Die
Finnen widmen ihrem eigenen Schulsystem in der Wissenschaft seit Jahrzehnten eine
beträchtliche Aufmerksamkeit, weshalb die meiste Literatur in Finnisch zu finden ist.
Diese ist jedoch für mich auf Grund der Sprachbarriere nicht nutzbar.
Ich möchte mich im 2. Kapitel dieser Arbeit der Frage nähern, wie sich Qualität im
Kontext von Bildung und Bildungssystemen überhaupt erfassen lässt. Da beispielsweise
Schulentwicklung und Qualitätsmanagement ohne genaue Qualitätskriterien nicht
möglich wären, ist die Frage, wie derartige Kriterien für eine hohe Qualität von
Bildungssystemen gewonnen werden. Eine Konzeptionalisierung des Qualitätsbegriffs
erscheint mir notwendig, da sich alle hier relevanten Untersuchungen und Diskussionen
zum finnischen Schulsystem letztendlich an der Kernfrage, orientieren, was eine „gute
Schule“ ausmacht.
Im 3. Kapitel soll der Kontext des finnischen Schulsystems untersucht werden. Dabei
möchte ich einen Überblick über die wichtigsten Eckpunkte der finnischen Geschichte
geben, die Entstehung der finnischen Identität skizzieren, geographische,
demographische und soziale Besonderheiten Finnlands aufzeigen und die Bedeutung
des finnischen Wohlfahrtsstaates für das Schulsystem untersuchen. Die Kenntnisse
dieser Rahmenbedingungen sind notwendig, um einige der grundlegenden Merkmale
des finnischen Schulsystems angemessen verstehen zu können.
Die Struktur des finnischen Schulsystems werde ich im 4. Kapitel dieser Arbeit
erläutern. Dabei beziehe ich die Vorschule mit ein, da sie spätestens seit Beginn dieses
Jahrtausends zu einem konstitutiven Bestandteil des finnischen Lern- und
Bildungsweges geworden ist. Die finnische Grundschule sowie die allgemein- und
berufsbildende Oberstufe werden vor allem in Bezug auf strukturelle und inhaltliche
Merkmale ihrer jeweiligen Ausbildungsprogramme untersucht werden.
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Zu den Besonderheiten des finnischen Bildungsmodells gehören die Struktur und die
Methode der Bildungssteuerung. In Kapitel 5 werden daher die beiden
Entscheidungsebenen des Schulsystems, die staatliche Ebene auf der einen, die Ebene
der Kommunen und Einzelschulen auf der anderen Seite, beleuchtet werden. Die
Prozesse der Dezentralisierung und Deregulierung, die das finnische Bildungswesen seit
den 80er Jahren geprägt haben, üben einen kaum zu unterschätzenden Einfluss auf alle
Elemente des Schulsystems aus. Ich möchte in diesem Kapitel der Frage nachgehen, in
wie weit die mit diesen Prozessen einhergehende Neuverteilung von
Verantwortlichkeiten eine neue Dynamik in die Entwicklung des finnischen
Schulsystems gebracht hat.
Das Prinzip der Chancengerechtigkeit bildet die Grundlage der finnischen
Bildungspolitik. In Kapitel 6 werde ich mich zunächst mit dem Prinzip der
Chancengerechtigkeit auf einer konzeptionellen Ebene auseinander setzen, um mich
anschließend den Fragen der Bedeutung und konkreten Realisierung dieses Prinzips im
Kontext des finnischen Schulsystems anzunähern.
Im 7. Kapitel werde ich an die zuvor geführten Untersuchungen anknüpfen, indem ich
frage, wie es in Finnland gelingt, hervorragende Gesamtleistungen bei gleichzeitigem
Bemühen um einen hohes Maß an Chancengerechtigkeit zu sichern. Das
Charakteristikum der finnischen Grundschule, eine „Schule für alle“ zu sein (und das
bis zum Abschluss der 9. Klasse) bringt große Herausforderungen mit sich. Wie können
Lehrer mit der großen Heterogenität finnischer Schulklassen umgehen? Wie können
Schüler mit großen Lernschwierigkeiten einerseits und Hochbegabte andererseits
gemeinsam lernen, ohne dass der eine oder der andere benachteiligt werden? Die
Antwort auf diese Herausforderung bildet in Finnland ein differenziertes Fördersystem,
das in diesem Kapitel erläutert werden wird.
Das 8. Kapitel widmet sich einem Aspekt der finnischen Schulkultur: dem Vertrauen.
Welche Rolle das Vertrauen auf allen Ebenen des Schulsystems spielt, zeigt das
besondere Verständnis, das in Finnland in Bezug auf die Funktion von
Leistungsüberprüfung herrscht. Ich werde zum einen das finnische Evaluationssystem
beleuchten, zum anderen den Umgang mit Bewertung im Unterricht thematisieren. Ein
weiterer wichtiger Aspekt der Kultur des Vertrauens, den ich untersuchen werde, ist der
Entscheidungsfreiraum, den die Akteure auf kommunaler und lokaler Ebene für die
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Entwicklung spezifischer lokaler Curricula erhalten haben.
Im Folgenden, dem 9. Kapitel wird die finnische Lehrerausbildung und ihr Beitrag zur
Qualität des Schulsystems thematisiert. Ein besonderes Augenmerk werde ich auf das
Leitbild der Lehrerausbildung in Finnland legen: den Lehrer als „forschenden
Praktiker“. Es wird unter anderem der Frage nachgegangen, in wie weit dieses Leitbild
mit den besonderen Anforderungen des Lehrerberufs in Verbindung steht. Darüber
hinaus sollen Aufbau, Ziele und Inhalt des finnischen Klassenlehrerstudiums
exemplarisch dargestellt werden.
Das abschließende Kapitel dieser Arbeit widmet sich einem Aspekt, ohne welchen sich
die zuvor beschriebenen Elemente nicht in der Weise hätten heraus bilden können: der
allgemeine gesellschaftliche und politische Konsens zur finnischen Bildungsreform der
letzten vier Jahrzehnte. Ich werde versuchen zu erklären, warum in Finnland, trotz
zahlreicher Regierungswechsel, eine Kontinuität des politischen Willens existiert hat.
Das heutige Bildungssystem des PISA-Siegers Finnland ist das Produkt einer
40jährigen Bemühung um Effektivität und Chancengerechtigkeit, das ohne einen
kontinuierlichen politischen Willen nicht möglich gewesen wäre.
2. Qualität als Leitbegriff des Bildungsdiskurses
2.1. Was heißt „Qualität“ im Bildungswesen? Einführung in ein umstrittenes Konzept
Nach Ewald Terhart ist der Begriff der Qualität zu einem der „leitenden Begriffe
innerhalb des allgemeinen Bildungsdiskurses geworden“.2 Doch was bedeutet Qualität
im Bildungswesen? „Wer über Schulqualität redet, wer gar Schulqualität messen will“,
so schreibt Klaus-Jürgen Tillmann, „bewegt sich in einem schwierigen und komplexen
Feld, in dem eins auf jeden Fall falsch ist: schlichte Antworten und angeblich klare,
selbstverständliche Setzungen.“3 Es kann, wenn man dieser Aussage Recht gibt, auf
wenigen Seiten nicht gelingen, den vielfältigen Implikationen der Frage nach der
Qualität von Bildungssystemen gerecht zu werden. Deshalb möchte ich mich darauf
beschränken, einige Wege aufzuzeigen, über die man sich dem Thema der Qualität im
Bildungssystem, und damit auch der Frage der Qualitätsprüfung und -entwicklung
nähern kann.
2 Terhart (2000), S. 809.3 Tillmann (2001), S. 5.
5
Im Alltag sprechen wir von „Qualität“, wenn wir normative Aussagen über etwas
machen möchten. Der lateinische Begriff „qualitas“ bedeutet jedoch zunächst nur
„Beschaffenheit“, „Merkmal“, „Eigenschaft“ oder „Zustand“.4 Wenn wir eine Sache als
„gut“ oder „qualitativ hochwertig“ bewerten, haben wir eine bestimmte Eigenschaft
oder Beschaffenheit im Sinn, durch die der betreffende Gegenstand eine Funktion oder
einen Zweck besonders gut erfüllen kann. Wer also beurteilen möchte, ob etwas „gut“
ist, d.h. Qualität besitzt, muss fragen: Gut für wen? Gut in Bezug auf welchen Zweck?
Der Begriff „Qualität“ drückt also zunächst nur aus, dass eine Unterscheidung zwischen
etwas Höherwertigem und etwas Minderwertigen getroffen werden kann.5 Woran man
den höheren oder geringeren Wert dieser Sache fest macht, auf welche Eigenschaften
oder Kombinationen von Eigenschaften es ankommt, ist mit dem Qualitätsbegriff per se
noch nicht gesagt, da es entscheidend vom Standpunkt und der Perspektive des
Beurteilers abhängt.6 Die Diskussion über die inhaltliche Dimension des
Qualitätsbegriffs setzt meist dort an, wo bereits bestimmte Zwecke und Ziele
vorausgesetzt sind. Die Institution Schule, deren (nicht alleiniger) Zweck es ist,
Menschen auf das gesellschaftliche Leben vorzubereiten, kann die Qualitätsfrage nicht
losgelöst von ihren Zwecken, so beispielsweise den Anforderungen, Normen und
Orientierungen der Gesellschaft beantworten, in der sie sich befindet und auf welche sie
junge Menschen vorbereitet. Außerdem erwarten Politiker, Eltern, Lehrer und Schüler
jeweils etwas anderes von einer „guten“ Schule.
In der wissenschaftlichen Literatur finden sich zahlreiche Kataloge, die Merkmale von
„guten Schulen“ oder einem „guten Schulsystem“ auflisten.7 Die Tatsache, wie kontext-
und perspektivgebunden die Beurteilung von Schulqualität ist, zeigt sich daran, dass
diese Kataloge in vielen „Qualitätsmerkmalen“ - und vor allem in der Gewichtung der
Merkmale - voneinander abweichen und noch kein allgemein anerkannter Katalog
existiert, den man als Leitfaden für die Praxis einfach aufschlagen und befolgen könnte.
Die Relativität von Qualität in Bezug auf Ziele oder Zwecke und damit auch in Bezug
auf verschiedene Beurteilungsperspektiven darf in meinen Augen jedoch auf keinen Fall
mit „Beliebigkeit“ verwechselt werden. Ein ernsthafter Diskurs über Bildungsziele ist
4 Vgl.: Bezold (1996), S. 37.5 Vgl.: Fend (2000), S. 56.6 Vgl.: Knispel (2008), S. 17.7 Vgl. z. B.: Austin (1991), S. 50; Fend (1994), S. 18f.; Winkel (1994), S. 26 ff.; Haenisch (1994), S. 32
ff.; Posch/ Altrichter (2000), S. 3 ff.
6
notwendig, bevor Aussagen über Qualität möglich werden. Damit muss man sich wohl
von dem Gedanken verabschieden, objektive, allgemein gültige Kriterien zu finden,
nach welchen man beurteilen kann, ob das finnische Schulsystem ein „qualitativ
hochwertiges“ Schulsystem ist. Es gilt vielmehr, das finnische Schulsystem auch in
seinem gesellschaftlichen Kontext zu verstehen und nationale Bildungsziele in Betracht
zu ziehen, um Qualität am Grad des Erreichens dieser Ziele zu beurteilen. Daher bin ich
der Ansicht, dass man aus PISA keine - oder zumindest keine unproblematischen -
Aussagen über die Qualität eines Schulsystems ableiten kann, da der internationale
Ländervergleich den Kontext und die Rahmenbedingungen der einzelnen Länder nicht
berücksichtigt.8 Wenn man aber davon ausgeht, dass das Hervorbringen guter mittlerer
Schülerleistungen im Bereich Lesefähigkeit, Mathematik, Naturwissenschaften oder
allgemeiner Problemlösefähigkeit wichtige Qualitätsmerkmale eines Schulsystems sind,
weil diese Kompetenzen für die gesellschaftliche Teilhabe der Schüler von
außerordentlichem Nutzen sind, kann Finnlands Schulsystem auf Grund seines
hervorragenden Abschneidens in der internationalen PISA-Vergleichsstudie von diesem
Blickpunkt her sicherlich als qualitativ hochwertig gelten.
2.2. Der mehrebenenanalytische Ansatz
In der heutigen Bildungsforschung hat sich jedoch die Sichtweise durchgesetzt, dass
Qualitätsprüfung und -sicherung auf mehreren Ebenen ansetzen muss. Der Blick auf die
erreichte Kompetenz würde hier, wie im Folgenden gezeigt werden soll, nicht genügen.
Einen solchen mehrebenenanalytischen Zugang zur Qualitätsfrage im Bildungswesen
hat Helmut Fend entwickelt.9 Fend geht davon aus, dass man das Gesamtsystem Schule
auf einer Makroebene, einer Mesoebene und eine Mikroebene untersuchen kann.10
Auf der Makroebene geht es vor allem um „bildungspolitische Entscheidungen zu
Bildungszielen und kulturellen Inhalten, die vermittelt werden sollen.“11 Die Mesoebene
entspricht der Einzelschule, in welcher die institutionellen Vorgaben mit Rücksicht auf
lokale Besonderheiten umgesetzt werden. Auf der Mikroebene, der Ebene des Unter-
8 Vgl.: Uphoff, Lisa (2004). Wir sind nicht Finnland - Kommentar. In: F.A.Z. Vom 21.12.2004.Online: http://www.finland.de/dfgnrw/dfg043a-pisa16.htm (Letzter Zugriff: 2.2.2009)
9 Vgl.: Fend (2000), S. 56ff. 10 Vgl.: Galiläer (2005), S. 67.11 Fend (2006), S. 167.
7
Qualitätskriterien nach Fend, mehrebenenanalytisch angeordnet
SYSTEMEBENE:
1. Effizienz und Leistungsfähigkeit 2. Sozialpolitische Verantwortbarkeit: Chancengleichheit3. Flexibilität der Schullaufbahngestaltung ◦ Lehrgangcharakter ◦ Kanon, Orientierungsbereiche ◦ Übersicht und Planungsvorgaben (kein Abschluss ohne Anschluss)
4. Versorgungsdichte Angebotsqualität und Ausstattung 5. Humanität: Regelung von Freiheiten, Beteiligungen und Verpflichtungen Überfachliche Wirkungen
SCHULEBENE:
- Pädagogisches Ethos des Kollegiums - Konfliktlösungsfähigkeit des Kollegiums- Arbeitsethos des Kollegiums - Qualitätsbewusstsein des Kollegiums in Bezug auf humanes Zusammenleben - Gestaltungswillen des Kollegiums - Außenpolitik der Schule: lokale Einbettung - Innenpolitik der Schule: Verwaltungseffizienz und soziale Integration
- Kinder- bzw. jugendspezifische Gestaltung des Schullebens - Leistungsniveau Erzieherisch relevante Erscheinungsformen in der Schülerschaft: ◦ Vandalismus und Aggression oder prosozialer Verhaltensstil und moralische Atmosphäre ◦ Schuldistanz oder Vertrauen der Schülerschaft ◦ Verschüchterungsgrad oder Offenheit der Schülerschaft
KLASSENEBENE:
- Leistungsniveau- Motivation und Leistungsbereitschaft- Gesprächsfähigkeit mit der Lehrerschaft - Distanz und Gleichgültigkeit in den Schüler- Lehrer-Beziehungen- Konformitätsdruck und Verschüchterung durch die Lehrerschaft- Verstrickungen mit einzelnen Lehrern - Ablehnung und Distanz
- Problembelastung: Disziplinprobleme, Rauchen, Alkoholkonsum, Delinquenzbelastung - Qualität der sozialen Beziehungen der Schüler untereinander: ◦ Konformitätszwang ◦ Rivalitätsgrad und Ostrazierungstendenzen ◦ Isolation oder Vercliquung ◦ Rohheit und Grobheit als informelle Erfolgswege
PERSONEBENE:
Lehrer:
- Kompetenzen - Mentalitäten und Weltbilder - Beziehungsmerkmale aus der Schülerperspektive: ◦ Ablehnung oder Distanz ◦ Angst und Furcht (machtorientierte Lehrer) ◦ Anomie (chaotische Lehrer) ◦ Hilflose Lehrer (Regelungsunfähigkeit)
Schüler:
- Kompetenzen - Mentalitäten - Leistungsbereitschaften und Arbeitshaltungen - Zuverlässigkeit und Pflichtbewusstsein - Ich-Stärke - Soziale Integrationsfähigkeit und - Führungsfähigkeit - Verantwortungsbereitschaft und soziale Einsatzbereitschaft
Quelle: Fend, Helmut (2001): Qualität im Bildungswesen, S. 200f.
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richts, geschehen die Umdeutung, die Auswahl und das Arrangement der kulturellen
Inhalte für den Unterricht, (im günstigen Fall) mit Blick auf die einzelnen Schüler.12 Seit
sich in den 90er Jahren systemtheoretische, mehrebenenanalytische Ansätze mehr und
mehr durchgesetzt haben, ging man in der Forschungspraxis immer mehr dazu über,
nicht nur auf einzelne Aspekte zu fokussieren, sondern in mehrdimensionalen Analysen
zahlreiche Elemente und deren Verbindung zueinander zu untersuchen. In Verbindung
mit dem wachsenden Einbezug empirischer Forschung stellte dieser Ansatz eine
Erweiterung des Qualitätsverständnisses dar. Die obige Darstellung soll einen Überblick
über die Qualitätskriterien geben, die Helmut Fend den verschiedenen Ebenen des
„Gesamtsystems Schule“ zugeordnet hat. Der grundlegende Gedanke hierbei ist, dass
die Qualitätsfrage auf den verschiedenen Ebenen des Systems auf jeweils andere Weise
gestellt werden muss. Es sei angemerkt, dass Fend in dem folgenden Schema die oben
genannten drei Ebenen um die Ebene der Einzelpersonen erweitert.
Helmut Fends Modell kann als strukturbezogenes Modell bezeichnet werden, weil
Bildungsqualität auf unterschiedlich weit gefassten Strukturebenen oder -bereichen
untersucht wird. Die Übersicht soll helfen, die nachfolgenden Elemente des finnischen
Schulsystems in eine gedankliche Ordnung zu bringen. Es sei jedoch vorweg
genommen, das ich das Folgende nicht an diesem Modell "abarbeiten" möchte. Es soll
Orientierungshilfe sein und gleichzeitig bewusst machen, dass viele Komponenten des
Gesamtsystems hier ausgelassen werden müssen. Ich möchte nun zum Kontext des
finnischen Schulsystems kommen.
12 Eine mehrebenenanalytische Betrachtungsweise ist keine Selbstverständlichkeit, sondern stellt eineErweiterung des Qualitätsverständnisses dar, die sich in den 90er Jahren vollzogen hat. Bis dahinwurden im Qualitätsdiskurs einzelne Aspekte der Bildungssystems ins Zentrum der Aufmerksamkeitgerückt. Nach Hanna Kiper haben die folgenden Leitthemen die verschiedenen Jahrzehnte desQualitätsdiskurses geprägt: die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler in den 50er Jahren; dieOptimierung der Systemebene sowie die Realisierung von Chancengleichheit in den 70er Jahren; dieEntwicklung der Einzelschule in den 80er Jahren und schließlich die Qualität des Unterrichts in den90er Jahren. Vgl. Kiper (2001), S. 3.
9
3. Der Kontext des finnischen Schulsystems
3.1. Eckpunkte der Geschichte Finnlands und finnische Identität
Finnland ist erst seit 1917 als unabhängiger Staat. Seine Lage zwischen Russland im
Osten und Schweden im Westen ließ das Land für sieben Jahrhunderte Spielball seiner
beiden Nachbarstaaten werden. Trotz dieser langen Zeit der Abhängigkeit konnte sich
seit dem 19. Jahrhundert eine finnische Identität herausbilden.13 Einige Eckdaten dieser
Entwicklung sollen hier kurz skizziert werden, um den Kontext des finnischen
Bildungswesens zu verdeutlichen.
Zwischen 1150 und 1200 kommt der größte Teil des heutigen Finnlands für rund 600
Jahre unter schwedischen Einfluss. Als in dieser Zeit der katholische Glaube durch die
Schweden von Westen her verbreitet wurde, wurden östliche Teile des heutigen
Finnlands durch die russisch-orthodoxe Kirche christianisiert. Im 16. Jahrhundert fand
schließlich eine Angliederung des gesamten heutigen Finnlands an das Schwedische
Königreich statt.14 Die kulturelle Eigenständigkeit der Finnen war in dieser Zeit sehr
eingeschränkt, was unter anderem daran abzulesen ist, dass Schwedisch offizielle
Landessprache blieb und unter der gebildeten Schicht nur einige, an der 1640
gegründeten Akademie Turku ausgebildete Geistliche Finnisch sprachen.15 Dennoch
existierte seit 1548 eine finnische Schriftsprache. In diesem Jahr übertrug der finnische
Reformator, der Bischof von Turku Mikael Agricola (1510-1557) das Neue Testament
ins Finnische.16 1809 wurde Finnland von Russland erobert und erhielt erstmals den
Status eines autonomen Großfürstentums. Helsinki wurde als Hauptstadt eingerichtet
und die 1640 in Turku gegründete Universität in die neue Hauptstadt verlegt. Das
Erwachen einer finnischen Nationalidentität kann in diese Zeit datiert werden.17 Zu
einem der wichtigsten Dokumente finnischer Identität gehört der Nationalepos Kalevala
der 1835 von Elias Lönnrot (1802-1884) publiziert wurde. Die den Finnen eigene
Wertschätzung für Bildung kann bis dahin zurück datiert werden. In den Erzählungen
des Kalevalas „kommt zum Ausdruck, dass die Macht des Wortes und des Wissens
stärker als die kriegerische Kraft ist.“18 Obwohl das Schwedische als offizielle
13 Vgl.: Bohn (2005), S. 151ff.; Militz (2002), S. 26 ff.14 Vgl.: Militz (2002), S. 12f.; Klinge (1995), S. 17ff.15 Vgl.: Sarjala/Häkli (2008), S. 19.16 Vgl.: Bohn (2005), S. 104.17 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 38; Bohn (2005), S. 151ff.18 Sarjala/Häkli (2008), S. 14.
10
Landessprache beibehalten wurde, bemühte sich Johan Vilhelm Snellman (1806 - 1881),
Senator und Professor an der Universität Helsinki, erfolgreich um die Anerkennung des
Finnischen als offizieller Landessprache.19 Diese Zeit, in der erstmals eine finnische
Identität entstand, charakterisiert Armi Mikkola wie folgt: „Das nationale Erwachen
äußerte sich auf vielerlei Weise. Die finnische Sprache erhielt eine stärkere Stellung, das
Volksschulwesen wurde eingeführt, finnischsprachige Gymnasien nahmen den
Lehrbetrieb auf, die Frauenbewegung entstand und die finnische Kunst, Literatur und
Musik erlebten ihr 'goldenes Zeitalter'. So stärkte sich das Nationalbewusstsein der
Finnen. Der Schriftsteller Aleksis Kivi charakterisierte in seinen Werken erstmals das
finnische Volk.“20 Nach Einschätzung mancher Autoren ist die heutige, im weltweiten
Vergleich außergewöhnliche Lesebegeisterung der Finnen sowie das erstaunlich gut
ausgebaute Netz von Bibliotheken unter anderem auch die (indirekte) Folge dieser als
befreiend erlebten Zeit der kulturellen und sprachlichen Autonomie Finnlands.21 Das 20.
Jahrhundert brachte Finnland die vollständige politische Unabhängigkeit und die
Entwicklung von einem Agrarstaat zu einer modernen Dienstleistungs- und
Wissensgesellschaft. 1995 konnte Finnland, nachdem es zwei schwere Wirtschaftskrisen
bewältigt hat, in die Europäische Union aufgenommen werden.22
3.2. Geographische, demographische und soziale Besonderheiten Finnlands
Um den aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungsstand Finnlands
einordnen und verstehen zu können, genügt es nicht nur, einige geschichtliche
Entwicklungslinien zurück zu verfolgen. Ein Überblick über die Rahmenbedingungen,
unter denen Entwicklungen statt gefunden haben, ist für ein Verständnis aktueller
Zustände von ebenso großer Bedeutung.
Die geographischen Bedingungen Finnlands können in mancherlei Hinsicht als
„extrem“ bezeichnet werden. Finnland ist das sechstgrößte Land Europas und zählt zu
den nördlichsten Ländern der Erde. Da ein Viertel seiner 338 000 km2 großen Fläche
19 Vgl.: Militz (2002), S. 21.20 Sarjala/Häkli (2008), S. 20.21 In Finnland erscheinen die meisten Zeitungen pro Einwohner auf der Welt (Vgl.: Sarjala/Häkli (2008),
S. 15). Vgl. den folgenden Kommentar: „Die zu Zeiten des nationalen Erwachens entstandene Liebezur finnischen Sprache wirkt bis heute. Die Finnen lesen leidenschaftlich gern, in jedem noch sokleinen Ort findet sich eine Bibliothek.“ (Sarjala/Häkli (2008), S. 14).
22 Vgl.: Militz (2002), S. 31; Overesch (2007), S. 66.
11
oberhalb des Polarkreises liegt, kann Finnland in Relation zu seiner Gesamtfläche als
das nördlichste Land der Welt bezeichnet werden.23 Ungefähr vier Fünftel der finnischen
Landesfläche werden durch Seen und Wälder bedeckt. Die unwirtlichen
Naturverhältnisse, der Mangel an Bodenschätzen, politische und wirtschaftliche
Instabilitäten sowie Auswanderung haben dazu beigetragen, dass Finnland heute äußerst
dünn besiedelt ist. Obwohl die Fläche des Landes nur wenig kleiner als diejenige
Deutschlands ist, besitzt der 5,3-Millionen-Staat Finnland etwa 15,5 Mal weniger
Einwohner. In der nördlichen, sehr dünn besiedelten Provinz Lappland leben zirka 2,2
Einwohner pro km2, im industriell höher entwickelten Süden sind es dagegen
durchschnittlich 30 Einwohner pro km2.24 Erschwerend kommt hinzu, dass sich in
Finnland heute ein demographischer Wandel abzeichnet, der vor allem durch eine hohe
Abwanderung aus dem ohnehin dünn besiedelten Norden bewirkt wird. Da die Schulen,
welche durch die Kommunen getragen werden, ausschließlich von öffentlichen Geldern
(vor allem Steuereinnahmen) finanziert werden, kommt es in manchen, besonders von
Abwanderung betroffenen Gebieten zu Schwierigkeiten, die für eine optimale, anderen
Teilen des Landes gleichgestellte Schulbildung notwendigen Mittel aufzuwenden.25 Die
dünne Besiedlung großer Teile des Landes bringt für das Schulsystem auch andere
Herausforderungen mit sich, wie etwa sehr weite Schulwege oder extrem geringe
Schülerzahlen.26 Es ist sogar denkbar, dass ein mehrgliedriges Schulsystem unter diesen
Voraussetzungen nur sehr schwer zu realisieren wäre.
In Finnland existieren zahlreiche kleine Schulen, in denen zirka 20 Schüler von einem
einzigen Lehrer unterrichtet werden. In manchen abgelegenen Gebieten besteht heute
ein Mangel an Lehrern. Auf Grund ihrer geringen Größe haben einige Schulen nicht die
Möglichkeit, ein breites Angebot an Wahlfächern zu ermöglichen. Um das Angebot an
Kursen zu erweitern, wurden durch die finnische Regierung Projekte zum E-Learning
gefördert und virtuelle Schulen entwickelt.27 Die folgende Tabelle soll einen kurzen
Überblick über Schulgrößen in Finnland geben.
23 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 18; Sarjala/Häkli (2008), S. 15.24 http://finland.fi/netcomm/news/showarticle.asp?intNWSAID=25785&intSubArtID=14170
(Letzter Zugriff: 2.2.2009)25 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 21; Grubb/Jahr/Neumüller/Field (2005), S. 35.f.26 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 283.27 Vgl.: Tella/Tirri (1999), S. 46ff.
12
Anzahl der Schulen entsprechend ihrer Größe, nach verschiedenen Schultypen geordnet
Größe der
Schule
Grundschulen allgemeinbildende
Gymnasien
berufsbildende
GymnasienKlassen 1-6 Klassen 7-9 Klassen 1-9
<19 Schüler 105 0 4 1 1
20–49 895 3 9 5 4
50–99 579 23 8 72 7
100–299 758 204 71 193 48
300–499 290 192 68 94 35
500–999 33 50 54 56 47
>1 000 0 0 1 7 38
Insgesamt 2660 472 215 428 180
Quelle: Ministry of Education (2007), S. 1028
Administrativ ist Finnland in sechs Provinzen und 415 Kommunen gegliedert, von
denen 113 städtisch sind. Die durchschnittliche Größe einer Kommune in Finnland
beträgt etwa 11000 Einwohner.29 Die Kommunen werden meist von einem
Kommunalrat geführt, an dem alle Parteien der Kommunalvertretung beteiligt sind. Die
gewählten Vertreter innerhalb der Kommunen sind in Finnland keine Berufspolitiker,
sondern gehen ihrem erlernten Beruf nach.30 Wie noch gezeigt werden wird, spielen die
Kommunen als administrative Einheiten eine zentrale Rolle bei der Organisation des
Schulwesens und dessen kontinuierlicher Weiterentwicklung. Die sechs
Provinzialverwaltungen Finnlands haben, anders als die Länderregierungen in
Deutschland, eine untergeordnete Rolle.
Finnlands Gesellschaft wird oft in Bezug auf ihre ethnische und kulturelle
Zusammensetzung als sehr homogen angesehen. Diese Einschätzung traf vor ca. 20
Jahren noch mehr zu als heute. Im Jahr 1990 betrug der Anteil an Migranten noch 0,5
%. Bis zum Jahr 2006 stieg er auf 2,3 %. Das ist, wenn man sich diese Zahl auf die
Gesamtheit des Landes verteilt vorstellt, kein besonders hoher Anteil. Da die meisten
Familien mit Migrationshintergrund jedoch in den großen Städten leben, gibt es
beispielsweise Schulen in manchen Stadtteilen Helsinkis, in denen über 30% der
Schüler Migranten sind. Die Mehrzahl von ihnen kommt aus Russland, Estland,
28 Bemerkung: Sonderschulen sind in der Statistik nicht enthalten29 http://www.stat.fi/til/vaerak/2007/vaerak_2007_2008-03-28_tie_001_en.html
(Letzter Zugriff: 2.2.2009)30 Vgl.: Sarjala/Häkli, S. 64.
13
Somalien, Serbien und Montenegro und dem Irak.31
In Finnland gibt es zwei offizielle Landessprachen: Finnisch und Schwedisch. Für 93 %
der Finnen ist Finnisch die Muttersprache. Für die Schule ist die offizielle Bilingualität
Finnlands nicht mit der Konsequenz heterogener Schulklassen verbunden, da Finnen
und so genannte Finnland-Schweden in getrennten schulischen Einrichtungen
unterrichtet werden. Das weltweit von 23 Millionen Menschen gesprochene Finnisch
gehört gemeinsam mit Sami, Estnisch, Ungarisch, Mari und Mordwinisch zur kleinen
Sprachfamilie der finno-ugrischen Sprachen. Die Sprache gilt als schwer zu erlernen, da
neue Wörter durch das Erweitern eines Wortstammes um zahlreiche Suffixe gebildet
werden und so sehr viele Flexionsformen entstehen. Zudem kennt die finnische Sprache
14 Fälle. Deshalb legen die Finnen in der heutigen Zeit der Globalisierung besonders
viel Wert auf das Erlernen von Fremdsprachen. Dass Schüler drei bis vier
Fremdsprachen lernen, ist in Finnland die Regel.
Die schwedischsprachige Minderheit hat einen Anteil von ca. 5% der
Gesamtbevölkerung. Sie genießt das Recht, alle ihre öffentlichen Angelegenheiten auf
Schwedisch regeln zu dürfen. Alle finnischen Behörden arbeiten ohne Ausnahme
zweisprachig. Finnland hat außerdem ein eigenes schwedischsprachiges Schulsystem,
mit ca. 300 Grundschulen, 30 weiterführenden Schulen und einer Universität.32 Eine
weitere wichtige Minderheit des Landes sind die Samen, das indigene Volk des Landes.
Sie bewohnten das heutige Finnland, bevor die Vorfahren der heutigen Finnen vor ca.
9000 Jahren Finnland besiedelten und sie mehr und mehr nach Norden verdrängten.33
Heute beträgt ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung allerdings nur 0,03 %.34 Auch wenn
ihre Sprache nicht zu den Amtssprachen Finnlands gehört, haben die Samen das Recht
auf Schulbildung in Samisch. Im Norden des Landes (Lappland) besitzen die Samen
eine beschränkte Selbstverwaltung mit einem Sami-Parlament.35
Eine dritte Minderheit Finnlands sind die Roma, deren Sprache ebenfalls keinen
offiziellen Status besitzt. Dennoch wird der Unterricht in Romani gefördert.36
31 Vgl.: http://finland.fi/netcomm/news/showarticle.asp?intNWSAID=25787 (Letzter Zugriff: 2.2.2009);Matthies/Skiera (2008), S. 266f.; Sarjala/Häkli (2008), S. 14 und S. 139.
32 Matthies/Skiera (2008), S. 280.33 Ebenda, S. 21.34 Militz (2002), S. 243.35 Sarjala/Häkli (2008), S. 13.36 National Board of Education (2003), S. 22.
14
3.3. Die Rolle des finnischen Wohlfahrtsstaates
Ich möchte mich im folgenden Abschnitt den Besonderheiten des finnischen
Wohlfahrtsstaates widmen, da ich denke, dass finnische Schulpolitik erst im Hinblick
auf das gesamtstaatliche Wohlfahrtsmodell verständlich wird.
Die nordischen Länder Europas37 haben ein Modell staatlicher Wohlfahrt realisiert, das
sich in vielerlei Hinsicht von den Modellen anderer europäischer und außereuropäischer
Staaten unterscheidet. Der dänische Soziologe Gøsta Esping-Anderson hat in seinem
Buch „The three worlds of welfare capitalism (1990)“ 38 eine interessante Typologie von
wohlfahrtsstaatlichen Systemen entwickelt, die helfen kann, das nordische Modell
genauer einzuordnen und zu bestimmen.39 Nach Esping-Anderson wird der
skandinavische Wohlfahrtsstaat durch einen ausgeprägten „sozialdemokratischen“
Ansatz bestimmt. Er lässt sich von anderen Wohlfahrtsstaatsmodellen, wie dem
liberalen (z.B. USA, Großbritannien), dem konservativen (z.B. Deutschland, Schweiz,
Österreich) und dem so genannten „Latin Rim“-Modell (z.B. Spanien, Italien, Irland)
abgrenzen.40 Im Folgenden möchte ich jedoch keine Gegenüberstellung der vier
genannten Modelle vornehmen, sondern diejenigen Aspekte des finnischen
Wohlfahrtsstaates (als Repräsentant des nordischen Modells) zusammen tragen, die
einen direkten Einfluss auf das finnische Bildungswesen haben.
Zu den leitenden Prinzipien des nordischen Wohlfahrtsstaates gehört die Universalität
der sozialen Leistungen. Das bedeutet, dass jeder Bürger, unabhängig von vorherigen
Beitragszahlungen, geleisteter Erwerbsarbeit oder geprüfter Bedürftigkeit, einen
gleichen Anspruch auf eine (am durchschnittlichen Wohlstandsniveau orientierte)
soziale Grundsicherung hat. Auch die Bildung wird in Finnland im größeren Kontext
des sozialstaatlichen Aufgabenbereichs betrachtet. Aila-Leena Matthies schreibt, dass
die Bildungspolitik in Finnland, eine der zentralsten Aufgaben des finnischen Staates,
„disziplinär als ein Bestandteil der Sozialpolitik- bzw. Gesellschaftspolitik aufgefasst“
37 Gemeint sind: Finnland, Norwegen, Schweden, Dänemark und Island.38 Esping-Andersen, Gøsta: The three worlds of welfare capitalism, Cambridge: Polity Press, 1990.39 Ich weiche hier etwas von Esping-Andersens Terminologie ab. Er bezieht sich nicht auf „Systeme“,
sondern auf unterschiedliche „Regime“.40 Das Latin-Rim-Modell gehört nicht in die Typologie Esping-Andersens. Leibfried (1992) fügt dieses
den drei wohlfahrtsstaatlichen Typen Esping-Andersens hinzu.
15
wird.41 In der vorliegenden Arbeit wird sich zeigen, wie grundlegend das sozialstaatliche
Prinzip der Universalität für den Bereich der schulischen Bildung ist. Die
Gewährleistung eines mittleren Bildungsniveaus für alle, unabhängig von sozialer
Herkunft, Geschlecht, wirtschaftlichen Voraussetzungen und beruflicher Aspiration der
Schüler, gilt als zentrales Ziel des finnischen Staates und wird in Kapitel 4.2. näher
behandelt werden.42
Ein weiteres Kennzeichen der Familienpolitik des nordischen Wohlfahrtsstaates ist die
Individualität der sozialen Leistungen. Von Geburt an wird jeder Finne und jede Finnin
im sozialen Sicherungssystem als Individuum, nicht als Familienmitglied, erfasst.43 „Die
Sozialversicherung“, so schreibt Matthies, „richtet sich also nicht an das
Familienoberhaupt oder den Hauptverdiener, sondern geht im Prinzip von einer
gleichmäßigen Arbeitsmarktbeteiligung beider Geschlechter aus (sog.
Doppelkarrierefamilien).“44 Für das Bildungssystem bedeutet dieses so genannte
Zweiernährer-Modell, dass Jungen und Mädchen auf allen Bildungsniveaus die gleiche
Förderung zu Teil werden soll, da beide Geschlechter unabhängige, zukünftige Ernährer
der Familie werden sollen. Tatsächlich haben Frauen in Finnland eine Beteiligung von
47% am Arbeitsmarkt, wobei die Mehrheit eine Vollzeitbeschäftigung hat. Was das
Niveau der Qualifikationen anbelangt, so sind finnische Frauen ihren männlichen
Landsleuten sogar voraus.45 Eine weitere Konsequenz dieses Individualitätsansatzes ist,
dass jedes Kind mit Vollendung seines 18. Lebensjahres einen vollen Anspruch auf
soziale Leistungen erhält, so dass es von da an finanziell unabhängig von seiner Familie
leben kann. Das finnische Zwei-Ernährer-Modell ist ebenso mit der Aufgabe verbunden,
öffentliche Betreuungsangebote für Kinder zu schaffen.
Das dritte wesentliche Charakteristikum des wohlfahrtsstaatlichen Systems in den
skandinavischen Ländern ist der geringe Umfang, in dem sich soziale Dienstleistungen
in der Verantwortung privater Trägerschaft befinden. Nahezu alle sozialen
Einrichtungen sowie auch die Bildungsinstitutionen liegen in den Händen der
Kommunen. Dadurch wird eine einfachere und kontinuierliche Zusammenarbeit der
verschiedenen Bereiche (Gesundheit, Sozial- und Jugendarbeit, Kinderbetreuung,
41 Matthies/ Ehrenhard (2008), S. 3242 Vgl.: Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 60.43 Matthies/ Ehrenhard (2008), S. 32.44 Ebenda.45 Ebenda, S. 33.
16
Beratungsstellen aller Art etc.) ermöglicht. Das Management der
Dienstleistungsbereiche ist größtenteils dezentralisiert, so dass auf einer sehr
überschaubaren Ebene (z.B. Stadtteil) zusammen gearbeitet werden kann. Die
Erleichterung, welche dies in der Praxis bringen kann, beschreibt Aila-Leena Matthies
sehr anschaulich. „Die einrichtungsübergreifende Zusammenarbeit auf der Ebene der
'Street-level' - MitarbeiterInnen benötigen keine Einhaltung von hierarchischen
Dienstwegen oder Kooperationsverträgen zwischen den diversen Trägern. Im Idealfall
konsultieren Eltern den Kinderarzt des Gesundheitsamtes, die Psychologin der
Erziehungsberatungsstelle, die Logopädin der Kindervorsorge- und Beratungsstelle, die
Kindergärtnerin oder die Mitarbeiterin der sozialpädagogischen Familienhilfe bei
Bedarf die Klassenlehrerin oder sie sitzen in einem fallbezogenen multiprofessionellen
Team zusammen, um mit den Eltern die Entwicklung des Kindes zu begleiten und
individuelle Problemlösungen zu suchen oder um die aktuelle sozialräumliche
Problemlage zu erörtern.“46
Zivilgesellschaftliche Organisationen und Verbände (NGO's) spielen nach Matthies in
den skandinavischen Gesellschaften für den sozialen Dienstleistungssektor nur eine
„ergänzende“ Rolle. Sie übernehmen vielmehr die Aufgabe, „Interessenorganisationen
ihrer Mitglieder“ oder auch „Expertenorganisation für die Entwicklung neuer
Lösungsmodelle“ zu sein.47
Ein letzter Aspekt des nordischen Wohlfahrtsstaatsmodells, der auch für diese Arbeit
von Bedeutung sein wird, ist die Akademisierung der Berufe im sozialen und
pädagogischen Bereich. Dass BeraterInnen, ErzieherInnen oder KindergärtnerInnen
nicht nur eine berufliche Ausbildung oder ein Fachhochschulstudium, sondern ein
höheres universitäres Studium absolviert haben, hat höchstwahrscheinlich sowohl auf
die Qualität der Arbeit als auch auf das gesellschaftliche Ansehen, welches die Berufe
genießen, eine Wirkung.48
Durch das hier skizzierte Wohlfahrtsstaatsmodell, ist es Finnland gelungen, einen
beachtlichen sozialen Ausgleich innerhalb der gesamten Gesellschaft zu schaffen. Die
Armutsrate Finnlands gehört zu den niedrigsten innerhalb der OECD-Länder. Auch die
46 In: Wetzel (2006), S. 146.47 Ebenda48 Ebenda, S. 147.
17
Verteilung der Einkommen kann als gerecht eingeschätzt werden.49
Der hier vorgestellte Kontext des finnischen Schulsystems soll helfen, das Folgende
besser einordnen zu können. Ich möchte mit der Struktur des finnischen Schulsystems
beginnen.
4. Die Struktur des finnischen Schulsystems
Das gesamte finnische Bildungswesen ist nach Ehrenhard Skiera „ein hoch integriertes
System“50. Er schreibt dazu: Dem finnischen Schulsystem „liegt die
gesellschaftspolitische Intention zu Grunde, allen Kindern und Jugendlichen optimale
Entwicklungs- und Bildungschancen (horizontale Integration) und einen durch die
Stufen hin kontinuierlichen Bildungsweg (vertikale Integration) zu ermöglichen.“51 Die
finnische Bildungsplanung bemüht sich darum, dass die Ziele und Inhalte des
Unterrichts von der Vorschule bis zur Reifeprüfung ein Kontinuum bilden, nicht nur von
einer Klasse zu nächsten, sondern auch über die Schulformen hinweg.52
4.1. Vorschulunterricht (esikoulu)
Die finnischen Kommunen sind seit dem 1. August 2001 per Gesetz verpflichtet, jedem
Kind einen kostenfreien, einjährigen Vorschulunterricht (esikoulu) zu garantieren.53
Obwohl der Vorschulunterricht ein freiwilliges Angebot darstellt, wurde er im Jahr 2006
von 97,9% der Sechsjährigen in Anspruch genommen.54 Die Kommunen entscheiden
darüber, wo der Vorschulunterricht angeboten wird - ob in Kindertagesstätten, speziellen
Vorschulklassen innerhalb der Peruskoulu oder in einer anderen Institution. 90% des
finnischen Vorschulunterichts findet allerdings in Kindertagesstätten statt und untersteht
damit dem „Ministerium für Soziale Angelegenheiten und Gesundheit“. Die verblei-49 Der Gini-Koeffizient Finnlands betrug 0,269 im Jahr 2000. Der Gini-Koeffizient gibt an, wie das
Einkommen in einer Gesellschaft verteilt ist. Er kann einen Wert zwischen 0 (= vollkommeneGleichverteilung der Einkommen) und 100 (vollkommene Ungleichheit: das gesamte Einkommengeht an den Teil der Bevölkerung, der das meiste hat) annehmen. Vgl.: Field/Kuczera/Pont (2007), S. 30
50 Matthies/Skiera (2008), S. 126.51 Ebenda.52 Vgl.: Sarjala/Häkli (2006), S. 60.53 Vgl.: Linnakylä (2004), S. 161.54 Vgl.: Directorate-General for Education and Culture, Eurydice, S. 42,
Bemerkung: In den Jahren 2003 und 2004 waren es nahezu 100 %.
18
Abbildung: Der Aufbau der Finnischen Schulsystems
Quelle: http://www.cedefop.europa.eu/etv/Upload/Information_resources/
Bookshop/436/5171_de.pdf, S.30(Letzter Zugriff: 2.2.2009)
benden 10% des Vorschulunterrichts werden in den Grundschulen organisiert und liegen
damit in der Verantwortung des „Ministeriums für Bildung“.55 Wenngleich die
Beteiligung der Sechsjährigen am Vorschulunterricht nahezu universal ist, folgt
55 Vgl.: Linnakylä (2004), S. 161.
19
Finnland noch nicht dem europäischen Trend, die Vorschulerziehung für alle jüngeren
Kinder 2-3 Jahre früher einsetzen zu lassen.56
Seit dem Jahr 2000 existiert ein nationales Rahmencurriculum für den
Vorschulunterricht, das in enger Zusammenarbeit zwischen dem Ministerium für
Bildung, dem Ministerium für Soziale Angelegenheiten und Gesundheit, dem nationalen
Forschungs- und Entwicklungszentrum für Wohlfahrt und Gesundheit (STAKES), dem
Verband der Städte, Gemeinden und Regionen Finnlands, der Lehrergewerkschaft OAJ,
dem Verband finnischer Buchverlage und den lokalen Behörden und ihren
Kindertagesstätten und Schulen entwickelt wurde.57 Auf der Grundlage dieser Vorgabe
obliegt es den Kommunen, ein angepasstes und ausdifferenziertes Vorschulcurriculum
aufzustellen und für die Umsetzung desselben zu sorgen. Im Zentrum des finnischen
Vorschulunterrichts steht die Individualität des Kindes. Ein Blick die Rahmenrichtlinien
zeigt, dass nicht die Vermittlung kognitiver Fähigkeiten das vorrangige Ziel des
Vorschulunterrichtes ist, sondern eine ausgewogene Entwicklung aller Aspekte der
kindlichen Persönlichkeit.58
„Die Rolle der Vorschulerziehung besteht darin, Kinder in ihrer Entwicklung zu
Mitgliedern der Gesellschaft zu fördern, indem sie an verantwortungsvolles Handeln,
Beachtung allgemein anerkannter Regeln und Wertschätzung anderer herangeführt
werden. Die zentrale Rolle der Vorschulerziehung soll in der Förderung der günstigsten
Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten für die Kinder liegen. Sie soll deren körperliche,
seelische, soziale, kognitive und emotionale Entwicklung unterstützen und überwachen
und jedwede möglicherweise auftretenden Schwierigkeiten verhindern.“59 Die
Entwicklung der Kinder soll genau beobachtet und dokumentiert werden. Dazu dienen
Portfolios oder so genannte „folders of growth.“60
In der Vorschule existiert noch keine strikte Trennung von Unterrichtsfächern.
Stattdessen werden die Kinder an verschiedene Lernfelder heran geführt. Die sieben in
den Rahmenrichtlinien enthaltenen Lernfelder sind: Sprache und Interaktion,
Mathematik, Ethik und Philosophie, Umwelt- und Naturunterricht, Gesundheit,
56 Vgl.: Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 110.57 Vgl.: Directorate-General for Education and Culture, Eurydice, S. 36.58 Vgl.: National Board of Education (2000), National core curriculum for pre-school education in
Finland. Helsinki: Ministry of Education; Sarjala/Häkli (2007), S. 68f.59 Ebenda, S. 4.60 Linnakylä (2004), S. 212.
20
physische und motorische Entwicklung sowie Kunst und Kultur.61
Eine äußerst wichtige Aufgabe erfüllt der Vorschulunterricht für Kinder aus Familien
mit Migrationshintergrund. Diese erhalten 20 Stunden Finnisch pro Woche, so dass sie
die erste Klasse mit ähnlichen Chancen wie ihre einheimischen Altersgenossen
beginnen können.62 Zum Ende des Vorschulunterrichtes können etwa 50 % der Schüler
lesen.63
4.2. Ein gemeinsamer Lernweg: Die finnische Grundschule (Peruskoulu)
In Finnland gibt es keine allgemeine Schulpflicht, dafür jedoch eine Lernpflicht. Im
Grundschulgesetz von 1998 heißt es: „A child of compulsory school age must attend
basic education (…) or otherwise obtain knowledge corresponding to the basic
education syllabus“.64 Für die Schüler bedeutet dies, dass sie von Seiten der Schule als
Institution keinen Zwang verspüren müssen. Sollte ein Kind zu irgendeinem Zeitpunkt
einen alternativen Lernweg außerhalb der Regelschule wählen, so sind die Kommunen
verpflichtet, diesen regelmäßig zu überprüfen. In der Praxis ist der Anteil derer, die
alternativ lernen, verschwindend gering. Nahezu jedes Kind erhält zwischen seinem 7.
und 16. Lebensjahr eine neun Jahre währende Grundbildung an einer finnischen
Grundschule. Im europäischen Vergleich beginnen die finnischen Schüler die
Grundschule relativ spät: in der Regel mit dem siebten Lebensjahr. Das ist im Vergleich
etwa 1 – 3 Jahre später als viele Kinder in anderen europäischen Staaten.65. Dahinter
steht die Idee des „smooth schooling“.
Als beendet gilt die Lernpflicht, wenn der Lehrplan der Grundschule absolviert wurde.
Im Fall, dass ein Schüler seine Endnoten aufbessern möchte oder mehr Zeit für die
Bewältigung des Lehrplanes benötigt, kann ein 10. Jahr angeschlossen werden. 2 % der
Schüler eines Jahrgangs nehmen diese Möglichkeit in Anspruch. Bei schweren
Behinderungen kann die Schulpflicht auch ein Jahr früher einsetzen, so dass insgesamt
11 Jahre in der Grundschule gelernt werden darf.66
61 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 133.62 Domisch (2004), S. 47.63 Ebenda64 Ministry of Education (2004a), S. 11.65 In Nordirland beispielsweise werden die Kinder im 4. Lebensjahr, in Großbritannien und den
Niederlanden zum 5. Lebensjahr eingeschult. Vgl.: Field/Kuczera/Pont (2007), S. 47f.66 European Commission: Directorate-General for Education and Culture (2008), S. 170.
21
Grundlegend für die finnische Grundschule ist, dass alle Ressourcen, die zu einem
optimalen Lernen notwendig ist, kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Damit soll
jeder nicht nur unbeschränkte Zugangsmöglichkeiten zur Schule, sondern auch gleiche
Chancen während des gesamten Lernprozesses erhalten. Jedes Kind hat in Finnland
einen gesetzlichen Anspruch auf ein kostenloses Jahr des Vorschulunterrichts, auf freie
Schulwahl, kostenlose Schulbücher, Lernmaterialien und Schulausrüstung, auf
kontinuierliche Schul- und Lernberatung, kostenfreien Schultransport für Schulwege,
die schwierig, gefährlich oder länger als 5 km sind, auf Förderunterricht, eine
ausgewogene, gesunde Mahlzeit an allen Schultagen und sogar betreute Aktivitäten in
den Wartezeiten auf den Schulbus. Kostenfreie Unterbringung im Internat sowie die
staatlich Übernahme von Fahrtkosten an Wochenenden und in den Ferien stehen
Schülern zu, die aus den verschiedensten Gründen am Schulort wohnen müssen.
Außerdem werden jedem Schüler der Peruskoulu eine kostenfreie Gesundheitsfürsorge
und Maßnahmen zur Bewältigung psychischer oder sozialer Belastungen bereitgestellt.
Ein wichtiges Ziel stellt in Finnland die Schaffung eines „sicheren Lernumfeldes“ dar,
das Schülern eine gesunde Entwicklung ermöglicht. Zu diesem Zweck fordert das
Bildungsministerium Kommunen und Schulen auf, einen Plan zu erstellen, der den
Schutz der Schüler vor Gewalt, Mobbing und Schikanierung gewährleisten soll. Dieser
Plan soll in Zusammenhang mit der Erstellung des Curriculums entwickelt, umgesetzt
und evaluiert werden.67
Im Folgenden möchte ich einiges zur Struktur der Grundschulbildung in Finnland
erläutern. Der finnische Ausdruck für Grundschule lautet, wie oben schon erwähnt,
„Peruskoulu“. Oft wird zur Übersetzung der deutsche Begriff „Gesamtschule“
gebraucht, was jedoch irreführend ist, da die finnische Peruskoulu mit Modellen wie
beispielsweise der Integrierten Gesamtschule in Nordrheinwestfalen nicht viel gemein
hat. Die Peruskoulu wurde geschaffen um allen Kindern Finnlands einen gemeinsamen
schulischen Lern- und Bildungsweg zu ermöglichen, da „alle Mitglieder der
Gesellschaft in der Zukunft eine gleich lange und mit hauptsächlich gleichen
Lerninhalten besetzte Grundbildung benötigen werden, unabhängig davon, in welchen
Teilen des Landes sie wohnen, aus welcher Art von Elternhaus und Umfeld sie kommen
67 Vgl.: European Commission: Directorate-General for Education and Culture (2008), S. 18;Sarjala/Häkli (2008), S. 62f.; Grubb/Field/Jahr/Neumüller (2005), S.27; 40f.; Zentralamt fürUnterrichtswesen (2004c), S. 19f.
22
und in welchen Aufgaben sie später ihren Platz in der Gesellschaft finden werden“68
Auch jedem Kind mit besonderen Lernbedürfnissen steht die finnische Grundschule
offen. Gesetzlich verankertes Ziel der Peruskoulu ist es, „die Entwicklung der Schüler
zu humanen und ethisch verantwortungsvollen Mitgliedern der Gesellschaft zu fördern
und ihnen das im Leben notwendige Wissen und entsprechende Fähigkeiten zu
vermitteln.“69
In den ersten sechs Jahren der Peruskoulu werden die Schüler in nahezu allen Fächern
von einem Klassenlehrer unterrichtet. Die Aufgabe des Klassenlehrers erstreckt sich
neben der Vermittlung von basalen Kenntnissen und Kompetenzen auch auf die
Förderung einer optimalen Persönlichkeitsentwicklung der Schüler.70 Zu diesem
wichtigen Zweck steht ihm ein Team von Experten zur Seite, was jedoch in Kapitel 7.1.
genauer untersucht werden soll. In den Klassen 7-9 übernehmen die Fachlehrer den
Unterricht. Die frühere Unterscheidung einer sechsjährigen Grundstufe (ala-aste) und
einer dreijährigen Oberstufe (ylä-aste) innerhalb der peruskoulu wurde gänzlich
aufgehoben, da die Peruskoulu sowohl vom Aspekt des Unterrichts als auch in Bezug
auf ihre Verwaltung eine Einheit bildet.71 Einige hundert kleine Dorfschulen
beherbergen jedoch nur die 1. - 6. Klasse, weshalb die Schüler ab der 7. Klasse in eine
größere, außerhalb der Dörfer gelegene Grundschule wechseln müssen. Am Ende der
neunjährigen Gesamtschulzeit steht keine Abschlussprüfung. Die Schüler erhalten
lediglich ein Abschlusszeugnis mit ihren Noten, mit welchem sie sich für
weiterführende Bildungswege bewerben. Nur ein verschwindend kleiner Teil der
Schüler bricht die Peruskoulu vor Beendigung der 9. Klasse ab. 99,7 % einer
Altersgruppe beenden die Grundschulbildung erfolgreich.72
Der Fächerkanon, der in der finnischen Grundschule unterrichtet wird, unterscheidet
sich wohl kaum von dem anderer europäischer Schulen.73 Festgelegt werden die Fächer
und ihr jeweiliges Mindestkontingent an Unterrichtsstunden auf nationaler Ebene. Den
Kommunen bleibt die Freiheit, die Stundenanzahl ausgewählter Fächer je nach
Schwerpunktsetzung zu erhöhen oder zusätzliche Wahlfächer einzuführen. Das
68 Matthies/Skiera (2008), S. 144.69 Vgl.: Ministry of Education (2004a), S. 1.70 Vgl.: Linnakylä (2004), S. 179.71 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 125.72 Vgl.: Klieme (2007), S. 50.73 Das einzige Fach, das in einem gewissen Sinn als außergewöhnlich gelten kann, ist die vor ein paar
Jahren eingeführte „Gesundheitslehre“.
23
Curriculum enthält die folgenden Unterrichtsfächer: Muttersprache und Literatur,
zweite Landessprache, erste Fremdsprache, Umweltkunde, Gesundheitslehre, Religion
oder Weltanschauungskunde (Ethik), Geschichte, Sozialkunde, Mathematik, Physik,
Chemie, Biologie, Geographie, Sport, Musik, Kunst, Handarbeiten und
Hauswirtschaftslehre.74
Außerdem gibt es sechs Themenfelder, die während der gesamten Schulzeit über die
Grenzen der einzelnen Unterrichtfächer hinweg umgesetzt werden sollen. Diese sind 1)
Humanes und ethisches Wachstum des Menschen; 2) Kulturelle Identität und
interkulturelle Kompetenz; 3) Kommunikation und Medien; 4) Bürgerschaftliches
Engagement und Unternehmertum; 5) Verantwortung für die Umwelt, menschliches
Wohlergehen und eine nachhaltige Zukunft; 6) Sicherheit und Verkehr.75
Den Schulen ist freigestellt, ob sie einen festen Stundenplan für das gesamte Schuljahr
erstellen oder ob sie den Plan im Fünf- bis Sechs-Wochen-Rhythmus wechseln lassen,
so dass in verschiedenen Abschnitten des Schuljahres jeweils andere Fächer mehr
Intensität bekommen.
4.3. Weiterführender Unterricht: allgemeinbildende und berufsbildende Schulen
Das finnische Schulsystem bietet nach Beendigung der allgemeinen Lernpflicht zwei
verschiedene weiterführende Bildungswege an: das allgemeinbildende Gymnasium
(lukio) und die berufsbildende Oberstufe (ammattikoulu). Ziel ist es, weiterführende
Bildungswege für alle Schüler offen zu halten, statt sie einem Teil der Schülerschaft
durch zu frühe Selektion zu versperren.76 Das ist in Finnland in Bezug auf die soziale
Gerechtigkeit besonders wichtig, da Schüler, die lediglich die neunjährige Peruskoulu
absolviert haben, schlechte berufliche Zukunftsaussichten haben. Die Ausbildung in der
gymnasialen Oberstufe ist in Finnland auch für Erwachsene möglich, wobei der
Umfang und der konkrete Zeitplan der Ausbildung mit der jeweiligen Lebenssituation
abgestimmt werden kann.
Die Idee einer einheitlichen Oberstufenausbildung wurde in Finnland oft diskutiert,
setzte sich politisch jedoch nicht durch.77 Trotz der institutionellen Trennung der beiden
74 Vgl.: National Board of Education (2004), S. 42ff.75 Vgl.: Ebenda, S. 36ff.76 Vgl.: Sarjala/Häkli (2008), S. 155.77 Vgl.: Matthies/Skiera (2008) , S. 182; Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 69ff.
24
Bildungswege wurden Verbindungen zwischen ihnen geschaffen, um Sackgassen in den
Schülerbiographien zu vermeiden. So kann man durch den Abschluss einer
berufsbildenden Schule die Hochschulreife, und damit die Möglichkeit (nicht die
Garantie), an einer Universität zu studieren, erlangen. In der Praxis finden solche
Übergänge jedoch wenig statt, so dass in der Regel die Abschlussprüfung an einem
allgemeinbildenden Gymnasium zum Universitätsstudium, der Abschluss einer
berufsbildenden Schule zu einem Fachhochschulstudium führt.78 Zirka 95% der Schüler
eines Jahrgangs beginnen die Sekundarstufe II, 82 % von ihnen beenden sie.79 Daran
wird deutlich, dass die Abbrecherquote in der Sekundarstufe II im Vergleich zur
Peruskoulu deutlich höher ist.80
51 % der Schüler besuchen die allgemeinbildende Schule, nur 40 % wählen den
berufsbildenden Bildungsweg (siehe Graphik).81
Quelle: European Commission: Directorate-General for Education and Culture (2008), S. 55
In den davor liegenden Jahren war der Anteil der Schüler, die ihren Bildungsweg auf
einem allgemeinbildenden Gymnasium fortsetzten, noch größer. Ehrenhard Skiera
78 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 126.79 Vgl.: Linnakylä (2004), S. 163.80 Bemerkung: Davon sind besonders die berufsbildenden Schulen betroffen.81 Vgl.: European Commission: Directorate-General for Education and Culture (2008), S. 55.
25
begründet die höhere Popularität der Gymnasien hiermit: „Im Allgemeinen ist die
Bestrebung der Jugendlichen in eine bestimmte berufliche Richtung nach der
Grundschule noch nicht sehr stark, und ein großer Teil der Jugendlichen möchte
möglichst viele Optionen offen halten.“82
Finnische Schüler durchlaufen die Sekundarstufe II in der Regel in drei Jahren. Ein
flexibleres Lernsystem erlaubt es ihnen, das geforderte Lernpensum auch in zwei,
höchstens jedoch vier Jahren zu bewältigen.83 In der Oberstufe wurde das
Jahrgangsstufensystem der Peruskoulu durch ein Kurs- oder Modulsystem ersetzt,
welches im Folgenden kurz erläutert werden soll.84 Das Zentralamt für Unterrichtswesen
gibt vor, welche Kurse angeboten werden müssen. Die Kommunen oder Schulen
erweitern dieses festgesetzte Kursangebot um weitere wahlfreie Kurse. Diese
Erweiterungen im Unterrichtsangebot ergeben sich oft aus einem spezifischen
Schulprofil, das die jeweilige Schule gewählt hat. Aus diesem Angebot an
obligatorischen und wahlfreien Kursen stellen die Schüler ihren eigenen Stundenplan
zusammen, so dass sie stets nur einige der Fächer parallel, dafür jedoch in größerer
Intensität lernen. Die Schüler sind selbst dafür verantwortlich, dass sie eine
ausreichende Zahl an Kursen belegen. Bei Schwierigkeiten in der Planung können sie
jedoch den Lernberater der Schule in Anspruch nehmen. Das Schuljahr wird in fünf
oder sechs Abschnitte geteilt, wobei nach jedem dieser Abschnitte das Gelernte durch
eine vom Lehrer gewählte Form der Lernüberprüfung getestet wird.85
Das Ziel der Ausbildung in der Oberstufe ist „die Unterstützung der Studenten bei ihrer
Entwicklung zu guten, verantwortungsbewussten und gebildeten Mitgliedern der
Gesellschaft sowie die Vermittlung der für weiterführende Studien, für die Berufspraxis,
Freizeitbeschäftigungen und für die Persönlichkeitsentwicklung notwendigen
Kenntnisse und Fähigkeiten. Außerdem soll die Ausbildung die Voraussetzungen für das
lebenslange Lernen schaffen und die ständige Entwicklung der eigenen Persönlichkeit
unterstützen und fördern.“86
Das allgemeinbildende Gymnasium wird mit dem finnischen Zentralabitur
82 Matthies/Skiera (2008), S. 182.83 Vgl.: Grubb et al. (2005), S. 10f.84 Pabst (2005), S. 6.85 Vgl.: Sarjala/Häkli (2008), S. 74ff.86 Ministry of Education (1998). Upper Secondary School Act. 629/1998. Deutsche Übersetzung dieses
Abschnitts: http://www.gc21.de/ibt/opengc21/ibt/public/IFKA/2003/download/finnland/bbs.pdf (Letzter Zugriff: 2.2.2009)
26
abgeschlossen. Außer dieser abschließenden Reifeprüfung gibt es keine nationalen
Leistungsüberprüfungen während der gesamten Schulzeit. Das Bestehen der
Reifeprüfung beinhaltet jedoch nicht automatisch die Zugangsberechtigung für ein
Universitätsstudium. Die Universitäten und Fachhochschulen wählen die Studenten
durch Numerus clausus und zusätzliche Aufnahmeprüfungen aus. Das Abitur umfasst
mindestens vier Abschlussprüfungen, wobei es möglich ist, darüber hinaus eine nicht
festgelegte Anzahl zusätzlicher Prüfungen zu absolvieren. Einige Schüler legen ihr
Abitur in bis zu zehn Fächern ab, um ihre Chancen zur Aufnahme an einer Universität
zu erhöhen. Obligatorisch ist die Prüfung in der Muttersprache (Finnisch oder
Schwedisch). Die restlichen drei Prüfungsfächer müssen aus den folgenden Bereichen
gewählt werden: zweite Landessprache, eine Fremdsprache, Mathematik oder ein natur-
und sozialwissenschaftliches Fach.87
Es ist auffällig, dass viele der vorbildlichen Maßnahmen, die den Lernweg der
finnischen Grundschüler begleiten, in der Oberstufe abnehmen. Dazu zählt zum
Beispiel der Förder- und Sonderunterricht, den ich in Kapitel 7 vertiefend behandeln
werde. Für schwächere Schüler gibt es in der Oberstufe nicht die gleiche Unterstützung,
die sie in der Peruskoulu erhalten haben. Die in den höheren Klassen zunehmende
Schulabbrecherquote zeigt, dass auch in Finnland die Motivation und Freude am Lernen
bei einem Teil der Schüler im Laufe der Schulkarriere stark abnimmt. Einen ähnliche
Sicht teilt auch Simo Juva, was das folgende Zitat verdeutlichen soll: „Man muss wohl
ehrlich zugeben, dass Finnland im Hinblick darauf, dass die Gemeinschaftsschule
international so hoch gelobt wird, noch viel Arbeit vor sich hat, damit die
Verantwortung für die Schulbildung eines gesamten Jahrgangs sich auch auf deren
Sicherung in der Sekundarstufe II erstreckt.“88
Im Bereich der beruflichen Bildung kann Finnland nur auf eine sehr junge Tradition
zurück blicken. Bis etwa Mitte des vorigen Jahrhunderts lebte die finnische
Bevölkerung vorrangig von der Landwirtschaft, so dass sich außerhalb dieses Sektors
bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts kaum berufsbildende Einrichtungen etabliert
hatten. Erst durch die Industrialisierung in den 50er und 60er Jahren wurden zahlreiche
Berufsschulen und später auch Fachhochschulen gegründet.89 50 Jahre nach der
87 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 188.88 Sarjala/Häkli (2008), S.61.89 Erst in den 1990er Jahren, wurde in Finnland ein Fachhochschulsystem aufgebaut, da zuvor noch
keine Alternative zur universitären Hochschulbildung existierte. Deutschland bildete zu einem großen
27
Industrialisierung findet die berufliche Ausbildung von Jugendlichen und Erwachsenen
in der Regel immer noch in öffentlichen, berufsbildenden Schulen statt. Träger der
berufsbildenden Schulen, von denen es im Jahr 2005 ca. 350 gab, sind in den meisten
Fällen die Kommunen.90 Weit weniger häufig ist das in Deutschland etablierte Modell
der dualen Ausbildung, nach welchem die jugendlichen Auszubildenden einen
Lehrvertrag mit einem Arbeitgeber eingehen.91 Neben diesen beiden Möglichkeiten,
eine Qualifikation für eine berufliche Erstausbildung zu erlangen, gibt es einen dritten
Weg: einen so genannten „Beweisabschluss“ bzw. eine „Qualifikationsprüfung“.
Beweisabschlüsse sind Qualifikationen, die nur auf Grund einer durch Prüfungen unter
Beweis gestellten Kompetenz, jedoch unabhängig davon, wie oder wo diese erlangt
wurde, vergeben werden. Das Zentralamt für Unterrichtswesen hat mit der Einführung
der Beweisabschlüsse versucht, dem erwerbstätigen Teil der Bevölkerung einen
gangbareren Weg zu einem Berufsabschluss oder einer Spezialisierung zu
ermöglichen.92
Die Auswahl der Jugendlichen für die berufsbildenden Schulen erfolgt landesweit,
hauptsächlich auf der Grundlage von früheren Lernergebnissen. Berufserfahrungen der
Bewerber werden ebenfalls berücksichtigt. Nicht selten werden Aufnahmetests
durchgeführt, um die Eignung der Jugendlichen für ein bestimmtes berufliches Feld
festzustellen.
Das Ziel der berufsbildenden Oberstufenausbildung ist gemäß dem finnischen „Gesetz
über die berufliche Bildung“ die Erlangung von grundlegenden Fachkompetenzen in
einem beruflichen Tätigkeitsfeld sowie die Förderung der Bereitschaft und Fähigkeit
zum lebenslangen Lernen.93 Der Aufbau der Ausbildung hat sich in jüngerer Zeit
gewandelt. Das neue, überarbeitete Curriculum sieht eine für alle Berufe einheitliche
Gesamtausbildungszeit von 120 Studienwochen vor, wobei eine Studienwoche für einen
Maß das Vorbild dieser Entwicklung. 90 Ministery of Education (2007), S. 11f.91 Vgl.: Kyrö (2006), S. 28ff.92 Ministerium für Bildung (2006), S. 28.93 Vgl. auch folgenden Auszug aus dem Gesetz über die berufliche Bildung (630/1998): „Ziel der
beruflichen Erstausbildung ist die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten zur Erlangung derberuflichen Fachkompetenz sowie Fertigkeiten zur selbstständigen Ausübung eines Berufes. Weiterhindient die Ausbildung zur Unterstützung der Auszubildenden bei ihrer Entwicklung zu guten undverantwortungsbewussten Mitgliedern der Gesellschaft und zur Vermittlung von notwendigenKenntnissen und Fähigkeiten für ein weiterführendes Studium, Freizeitbeschäftigung sowie für einevielseitige Persönlichkeitsentwicklung. Die berufliche Bildung soll Voraussetzungen für daslebenslange Lernen schaffen.“ Ministry of Education (1998b).
28
Schüler zirka 40 Stunden Arbeitsaufwand bedeutet. Davon dienen 90 Studienwochen
dem Fachstudium und einem Praxisteil, welcher als „Lernen am Arbeitsplatz“
bezeichnet wird.94 Das Fachstudium umfasst etwa 70 Studienwochen und wird in den
berufsbildenden Schulen absolviert. Das „Lernen am Arbeitsplatz“ nimmt mindestens
20 Studienwochen in Anspruch und findet an einer beruflichen Einrichtung statt.
Berufsbildende Schulen verfügen daher auch über die für verschiedene Berufszweige
notwendigen Ausstattungen. Die restlichen 30 Studienwochen teilen sich wie folgt auf.
20 Studienwochen stehen für die allgemeinbildende Studieneinheiten und 10
Studienwochen als frei wählbare Studieneinheiten zur Verfügung.95 Das Spektrum der
allgemeinbildenden Fächer, die alle Schüler gemeinsam absolvieren, umfasst im
Wesentlichen die folgenden Fächer: Muttersprache, zweite Landessprache,
Fremdsprache, Mathematik, Physik und Chemie, Gesellschaftskunde, Unternehmens-
und Berufskunde, Sport und Hygiene sowie Kunst und Kultur. Dieser
allgemeinbildende Teil der Ausbildung ermöglicht Berufsschülern die Erlangung der
Hochschulreife und damit auch einen weiterführenden Bildungsweg en einer
Universität. Die berufliche Erstausbildung an finnischen Schulen wird in acht großen
Fachbereichen erteilt.
- humanistischer und pädagogischer Bereich
- Kultur
- Gesellschaftswissenschaften, Betriebswirtschaftslehre sowie Verwaltung
- Naturwissenschaften
- Technik und Verkehr
- Naturressourcen und Umwelt
- Sozial- und Gesundheitswesen, Sport
- Tourismus, Gastgewerbe und Hauswirtschaft96
Die Ausbildungszeit beginnt mit einer einjährigen Grundausbildung in einem der oben
aufgeführten Fachbereichen. Daraufhin wählen die Schüler eine berufliche
Spezialisierung. Es gibt insgesamt 119 solcher Spezialisierungen.
Da sich die Anforderungen des Arbeitsmarktes an junge Arbeitssuchende durch den
strukturellen und wirtschaftlichen Wandel der finnischen Gesellschaft ständig erhöhen,
94 Vgl.: Virtanen/Tynjälä (2008), S. 225ff.95 Vgl.: European Commission: Directorate-General for Education and Culture (2008), S. 67ff.96 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 187.
29
wurde das System der berufsbildenden Schulen um die Jahrtausendwende grundlegend
reformiert. Alle beruflichen Ausbildungsgänge wurden zunächst auf drei Jahre
verlängert. Von noch größerer Bedeutung ist jedoch, dass in jede Ausbildung
obligatorische, systematisch organisierte, betreute und evaluierte (mindestens
halbjährige) Phasen des Lernens am Arbeitsplatz integriert wurden. Zuvor beschränkte
sich der Anteil praktischen Lernens auf einige wenige, zumeist unbetreute Praktika,
durch die eine Vorbereitung der Jugendlichen auf die Anforderungen des beruflichen
Lebens kaum mehr als unbefriedigend gewährleistet war.97 Das Lernen am Arbeitsplatz,
das wenigstens ein halbes Jahr der insgesamt dreijährigen Ausbildung einnehmen soll,
ist für die Jugendlichen eine Brücke von der Schule ins Arbeitsleben.
Im Rahmen eines Ausbildungsplanes und unter der Betreuung eines Instrukteurs lernen
sie, die Grundanforderungen des angestrebten Berufs zu bewältigen. Die
Ausbildungspläne werden in Kooperation zwischen der Berufsschule und dem
jeweiligen Arbeitgeber erstellt und in die Praxis umgesetzt. Bei einer so engen
Verbindung von Schule und Arbeitswelt gibt es Vorteile für beide Seiten. Durch das
Lernen am Arbeitsplatz erlangen die Berufsschulen direkte Kenntnis über die
Anforderungen des Arbeitslebens und können daraufhin ihre eigenen Curricula, die sie
selbst zu erarbeiten haben, anpassen und präzisieren. Auf der anderen Seite können
Arbeitgeber und Angestellte neue Arbeitsansätze und -methoden kennen lernen, welche
die Schüler in der Berufsschule erlernen und zur Arbeit mitbringen. Über die
Fortschritte des Schülers muss der Instrukteur regelmäßige Berichte verfassen, die an
die Berufsschule weiter geleitet werden.98 Die Integration des „Lernens am
Arbeitsplatz“ in die Berufsausbildung bedeutet für die Kommunen einen hohen
Organisationsaufwand. Jedes Jahr muss erreicht werden, dass ca. 40 000 Arbeitsplätze
zur Verfügung stehen.
In der Realität sind die allgemeinbildenden und die berufsbildenden Schulen keine aufs
Strengste getrennten Institutionen. Es lässt sich sogar ein Trend in Richtung einer
Stärkung der Verbindung beider Bildungswege erkennen. Nicht wenige Schüler nehmen
für ihre Ausbildung beide Einrichtungen in Anspruch. Ein Großteil der Bewerber an
berufbildenden Schulen hat bereits die Reifeprüfung an einem allgemeinbildenden
97 Vgl.: Virtanen/Tynjälä (2008), S. 225.98 Vgl.: Kyrö (2006), S. 47ff.
30
Gymnasium absolviert.99 Ebenso besuchen Schüler der berufsbildenden Schulen Kurse
an allgemeinbildenden Gymnasien. Es besteht auch die Möglichkeit, beide
Bildungsgänge in 3-4 Jahren parallel zu absolvieren, was jedoch auf Grund des äußerst
hohen Arbeitsaufwandes von sehr wenigen genutzt wird. Wo auch immer die Schüler
eine geforderte Lernleistung auf „alternativem“ Weg erlangt haben, kann diese ohne
allzu große bürokratische Hürden auf die zu absolvierende Ausbildung angerechnet
werden.
Nachdem die Struktur des finnischen Bildungssystems behandelt wurde, möchte ich
mich der Frage der Steuerung des Systems widmen.
5. Die Steuerung des finnischen Schulsystems
Noch vor 20 Jahren wurde das gesamte finnische Bildungssystem von Helsinki aus
verwaltet. Durch die Reformen der 90er Jahre, im Zuge derer ein beträchtliches Maß an
Verantwortung auf die Kommunen verlagert wurde, haben sich heute zwei maßgebliche,
sich gegenseitig ergänzende Planungs- und Entscheidungsebenen heraus gebildet: Die
staatliche und die kommunale Ebene. Nach Luukkainen ist dieser schulpolitische
Wandel verbunden mit dem Übergang von einer „Steuerung durch Pläne und Gesetze“
hin zur „Steuerung durch Evaluation und Monitoring“.100
5.1. Zentralorgane auf nationaler Ebene
5.1.1. Das Parlament und das Ministerium für Bildung
Die gesetzlichen Grundlagen der Bildung sowie die allgemeinen Prinzipien der
Bildungspolitik werden durch das finnische Parlament beschlossen. Darauf aufbauend
findet die Planungs- und Umsetzungsarbeit der Regierung und des Ministeriums für
Bildung statt. Gesetzesentwürfe für den Bildungs- und Ausbildungsbereich,
Budgetvorschläge und die Vorbereitung von Regierungsbeschlüssen gehören hierbei zu
den Hauptaufgaben des Ministeriums für Bildung.101 Den Namen „Ministerium für
Bildung“ (Opetusministeriö) trägt es, obwohl sich seine Zuständigkeiten auf die
99 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 187.100 Luukkainen (2000), S. 9.101 Vgl.: Domisch (2004), S. 30ff., Välijärvi (2004), S. 184f.
31
Bereiche Forschung, Kultur, Urheberschutz, Sport, Jugend, kirchliche Angelegenheiten
und Bibliothekswesen erstrecken.102 Man könnte die Bezeichnung des Ministeriums als
einen Hinweis darauf verstehen, welch zentrale Rolle Bildung und Erziehung unter den
vielfältigen staatlichen Aufgabenbereichen einnehmen.
Die langfristigen bildungspolitischen Vorhaben und Entwicklungsschritte werden, außer
im Regierungsprogramm, im so genannten „Entwicklungsplan für Bildung und
Forschung“, der der alle vier Jahre aufgestellt wird, verankert.103
5.1.2. Das Zentralamt für Unterrichtswesen (Opetushallitus)
Eine äußerst wichtige Institution für das finnische Schulsystem ist das so genannte
Zentralamt für Unterrichtswesen (Opetushallitus). Es operiert unter dem Ministerium
für Bildung als Steuerungsinstitution des finnischen Bildungssystems. Rainer Domisch
beschreibt das Zentralamt noch etwas treffender als eine „Zwischenform von Behörde
und Entwicklungszentrale“.104 Denn zu den Aufgabenbereichen des Zentralamtes zählen
einerseits die Verwaltung des finnischen Schulsystems und auf der anderen Seite die
kontinuierliche Weiterentwicklung desselben. Das finnische Zentralamt für
Unterrichtswesen ist für die folgenden Bereiche der Bildung zuständig: Vorschule,
Grundschule, allgemeinbildende und berufsbildende Gymnasien, Erwachsenenbildung,
künstlerische Grundschulbildung sowie Morgen- und Nachmittagsaktivitäten für
Schulkinder.105 Für all diese Bereiche erstellt das Zentralamt für Unterrichtswesen
Rahmenlehrpläne, die für alle entsprechenden Bildungseinrichtungen Finnlands, ob
staatlich oder privat, Verbindlichkeit besitzen. Auf dieser Grundlage entwickeln
Kommunen und Schulen lokale Curricula, worauf jedoch noch genauer in Kapitel
8.3.2. eingegangen werden wird. Das Zentralamt für Unterrichtswesen steuert und
unterstützt außerdem die konkrete Umsetzung dieser Kerncurricula in den Kommunen
und Schulen des Landes und die damit verbundenen Reformbemühungen.106 Da hier
nicht alle Aufgaben des Zentralamtes für Unterrichtswesen genannt werden können,102 Vgl.: http://www.minedu.fi/OPM/?lang=en (Letzter Zugriff: 2.2.2009)103 Vgl.: Ministry of Education (2007), Education and Research 2007-2012. Development Plan. Ministry
of Education. Helsinki University Press. http://www.minedu.fi/export/sites/default/OPM/Julkaisut/2008/liitteet/opm11.pdf?lang=fi (Letzter Zugriff: 2.2.2009)
104 Domisch (2004), S. 31.105 National Board of Education (2007), S. 2.106 Vgl.: Sarjala/Häkli (2007), S. 99ff.
32
sollen wenigstens noch die wichtigsten angeführt werden. Das Zentralamt für
Unterrichtswesen trägt Verantwortung für die Entwicklung von unterstützenden Lehr-
und Lernumgebungen; für Regelungen und Entwicklungsmaßnahmen in den Bereichen
Leistungsüberprüfung, Lernberatung, Förder- und Sonderunterricht, Verbindung von
Elternhaus und Schule sowie der Schülerfürsorge; für die Implementierung von
Entwicklungsprogrammen; die Evaluation des Bildungswesens; das Aufrechterhalten
und Aktualisieren großer nationaler und internationaler Datenbanken und
Informationsdienste zur Bildung und Bildungsfinanzierung; das Monitoring zahlreicher
Elemente des Systems; die Förderung der Internationalisierung im Bildungsbereich und
vieles mehr. Außerdem wird das Zentralamt für Unterrichtswesen in die Vorbereitung
der bildungsrelevanten Gesetzgebung sowie wichtiger Regierungsbeschlüsse zu
Bildungsfragen einbezogen.107
5.2. Der nationale Rahmenlehrplan
Den nationalen Rahmenlehrplan beziehe ich in die Übersicht dieses kurzen Kapitels ein,
weil er ein wichtiges Verbindungsglied zwischen allen Ebenen des finnischen
Schulsystems darstellt. Die Arbeit aller Akteure wird in maßgeblicher Weise von diesem
zentralen Dokument bestimmt. Gemeinsam mit den Gesetzen und Verordnungen zur
Bildung sowie den Stundentafeln verleiht er der Arbeit auf allen Ebenen eine
gemeinsame Richtung. Zu wissen wie der nationale Rahmenlehrplan erstellt wird, ist
ebenfalls wesentlich, um einige Charakteristika des finnischen Schulsystems zu
verstehen. Dies soll jedoch in 8.3.2. behandelt werden. Hier gebe ich einen kurzen
Überblick über die wesentlichsten Inhaltsbereiche des Rahmenlehrplans.
Der derzeit gültige Rahmenlehrplan für die neun Jahre dauernde Grundschule
(Peruskoulu) wurde 2004 verabschiedet. Er enthält allgemeine Lern- und Bildungsziele,
die für alle Bildungseinrichtungen Finnlands maßgeblich sind. Außerdem liefert er
präzise Aussagen zu diesen wichtigen Themenbereiche: Wertegrundlage, Auftrag und
Struktur der Grundschulbildung, Lernkonzeption, Lernumgebung, unterstützende
Elemente des Unterrichts (individueller Lernplan, Förderunterricht, Beziehung
zwischen Elternhaus und Schule, Wohlbefinden, ...), Sonderunterricht, Unterricht für
107 Vgl.: http://www.oph.fi/english/frontpage.asp?path=447; Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 101 (Letzter Zugriff: 2.2.2009)
33
besondere kulturelle und sprachliche Gruppen, Lernziele und Kerninhaltsbereiche des
Unterrichts, Unterricht für Schulen mit besonderem Bildungsauftrag oder -prinzip.108
Es werden des Weiteren im nationalen Rahmenlehrplan obligatorische Kernfächer und
die dazugehörigen Inhalte festgelegt sowie Bewertungsmaßstäbe entwickelt. Ergänzend
dazu verabschiedete die finnische Regierung 2001 eine neue Stundentafel, in welcher
genau festgelegt wird, wie sich die Unterrichtsstunden des Stundenplanes auf die
einzelnen Fächer verteilen.109
5.3. Die Kommunen als Schulträger
Die Kommunen erhielten zu Beginn der 90er Jahre ein beträchtliches Maß an
Verantwortung und Entscheidungskompetenz im Bereich der Schulverwaltung. Die
Schulträgerschaft ging mit Ausnahme einiger privater und weniger staatlicher Schulen
fast vollständig auf die Kommunen über. Damit verbunden ist die Verpflichtung, einen
Vorschulunterricht und eine Grundschulbildung für alle Kinder, die innerhalb der
Kommune leben, zu organisieren. Allgemeinbildende und berufsbildende Schulen
werden oft auch von größeren Gemeindeverbänden organisiert. Alle Entscheidungen auf
dieser Ebene werden durch die Ziele, die in den gesetzlichen Grundlagen und dem
Rahmenlehrplan enthalten sind, gesteuert. Eigenverantwortlichkeit besteht in Bezug auf
die Einstellung und Bezahlung der Lehrer, die Erarbeitung des lokalen Curriculums, die
Budgetierung des Bildung110 und einige andere Bereiche.
In den folgenden Kapiteln wird deutlicher werden, welche Bedeutung die hier skizzierte
Dezentralisierung und Deregulierung für die Qualität des Bildungssystems hat. Ich
möchte nun zu einem Kernelement des finnischen Bildungssystems kommen: dem
Bildungsideal der Chancengerechtigkeit.
108 Vgl.: National Board of Education (2004), National Core Curriculum for Basic Education 200Helsinki: National Board of Education.
109 Vgl.: Stundentafel der Peruskoulu und der allgemeinbildenden Oberstufe, online verfügbar: http://www.finnland-
institut.de/fileadmin/content/de/Publikationen/PDFs/Rainer_Domisch.pdf (Letzter Zugriff: 2.2.2009)
110 Das finnische Bildungsystem wird etwa zur Hälfte durch die Regierung und zur Hälfte durch dieKommunen finanziert.
34
6. Bildungsideal Chancengerechtigkeit (Equity)
6.1. Das Konzept der Chancengerechtigkeit: Warum formale Gleichheit nicht genügt
Als das finnische Parlament im Jahr 1968 beschloss, ein eingliedriges Schulsystem
einzuführen, in dem alle Kinder 9 Jahre lang zusammen lernen, stand das Ziel,
Chancengerechtigkeit zu fördern, ganz oben auf der bildungspolitischen Agenda.111
Studien haben gezeigt, dass es Finnland in den vergangenen Jahrzehnten gelungen ist,
ein vergleichsweise hohes Maß an Chancengerechtigkeit zu realisieren.112 Dennoch steht
auch die finnische Schule vor der Herausforderung, mit bestehenden Ungleichheiten
umgehen zu müssen. Im folgenden Kapitel soll das Prinzip der Chancengerechtigkeit
im Kontext des finnischen Schulsystems näher beleuchtet werden.
Wieso hat das Thema „Chancengerechtigkeit“ überhaupt eine so große Bedeutung? In
vielen modernen Wissensgesellschaften determiniert der individuelle „Bildungserfolg“
viele Aspekte des persönlichen Lebens. Dabei ist sowohl an wirtschaftliche Folgen, wie
Löhne oder Beschäftigungschancen, an soziale Konsequenzen, wie etwa Status, Prestige
oder die Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben, aber auch an Aspekte wie
Gesundheit, Lebenserwartung und erfolgreiche Kindererziehung zu denken.113 Bildung
fungiert als „crucial intervening link between the social background of individuals and
their later class destination”.114 Finnland gehört zu denjenigen Ländern Europas, in
denen die individuellen Folgen des erreichten Bildungsniveaus besonders ins Gewicht
fallen.115
Einleitend möchte ich das Konzept der Chancengerechtigkeit etwas genauer beleuchten.
Auf der Grundlage dieser Vorüberlegungen möchte ich Finnland genauer in den Blick
nehmen, um zu prüfen, wo sich die Chancengerechtigkeit im finnischen Schulsystem
bemerkbar macht. Zu prüfen gilt auch, welche Bereiche es im finnischen Schulsystems
gibt, in denen die angestrebte Chancengerechtigkeit mit der tatsächlichen Realisierung
nicht übereinstimmt.
Zuvor sind aber ein paar Worte zum Begriff der Chancengerechtigkeit notwendig. Der
nicht ganz einfach zu übersetzende englische Begriff, der die hier zu untersuchende111 Vgl.: Overesch (2007), S. 102f.112 Vgl. z.B. Field, Simon; Kuczera, Malłgorzata; Pont, Beatriz (2007). No more failures - Ten steps to
equity in education, Paris, OECD.113 Vgl.: Field et al. (2007), S. 11.114 Shavit/Müller, (1998), S. 1.115 Vgl.: Demeuse/Baye/Straeten/Matoul/Nicaise (2005), S. 6.
35
Problematik am besten bezeichnet und zumeist in den wissenschaftlichen und
politischen Diskussionen verwendet wird, lautet „Equity“. In der deutschen Literatur
wird Equity häufig mit Chancengleichheit wiedergegeben, was aus meiner Sicht jedoch
keine ganz angemessene Übersetzung darstellt. Der Grund dafür ist, dass
„Chancengleichheit“ zunächst nur eine formale Gleichheit (equality) der Lern- und
Bildungsmöglichkeiten impliziert und die Anwendung anderer Gerechtigkeitsprinzipien
(z.B. Förderung nach Bedürftigkeit) nicht berücksichtigt. Der Begriff
„Chancengerechtigkeit“ ist deshalb für den finnischen Kontext der Geeignetere, weil er
für ein umfassenderes, über formale Gleichheit hinausgehendes Gerechtigkeitskonzept
steht.
Bildungsressourcen (Lehrmittel, gute Lehrer, annehmbare Lernbedingungen,
Ausbildungszeit) können in einer Weise verteilt sein, dass entweder die bestehenden
gesellschaftlichen Ungleichheiten verringert, über die Generationen hinweg perpetuiert
oder sogar verschärft werden. In der Regel gelingt es der Schule, Unterschiede in der
kognitiven, emotionalen und sozialen Entwicklung, welche die Kinder - zu einem
großen Teil durch ihre familiäre Sozialisation bedingt - zum Zeitpunkt der Einschulung
mitbringen (und die größer kaum sein könnten), auszugleichen. In diesem Sinne
bezeichnet Jürgen Baumert die Schule treffend als die „große Gleichmacherin“.116
Trotzdem kann das Maß des Ausgleiches, den die Schule schafft, höchst unterschiedlich
sein. Chancengerechtigkeit bedeutet, in einem ganz grundlegenden Sinn, die faire und
gerechte - jedoch nicht unbedingt gleiche - Gewährung von Ressourcen, die jedem
Schüler einen optimalen Bildungsverlauf und damit ein bestmögliches persönliches und
gesellschaftliches Leben ermöglichen. Verschiedene Ebenen müssen hier untersucht
werden. Diesen Ebenen kann man sich durch die folgende Frage annähern: Ist
Chancengerechtigkeit zwischen großen Regionen eines Landes, zwischen ländlichen
und städtischen Gebieten, zwischen den Gemeinden, den Einzelschulen eines Landes
und zwischen verschiedenen Klassen einer Schule gewährleistet? Die Antwort auf die
Frage bestimmt, welchen Unterschied es für einen Schüler macht, in einer bestimmten
Region, Kommune, Schule oder Klasse zu lernen. Die OECD hat die folgende, den
Gedanken noch etwas erweiternde Definition von Chancengerechtigkeit gegeben:
„Equity im Bildungswesen entspricht einer Lernumgebung, in der Individuen während
116 http://www.gymnasium-kerpen.eu/zeit_schule08.pdf (Letzter Zugriff: 2.2.2009)
36
ihres gesamten Lebens Optionen abwägen und Entscheidungen treffen können, welche
auf ihren Fähigkeiten und Talenten, nicht auf Stereotypen, verzerrten Erwartungen oder
Diskriminierungen basieren. Diese Lernumgebung ermöglicht Frauen und Männern
aller Nationalitäten und sozioökonomischer Hintergründe, Fähigkeiten zu entwickeln,
welche nötig sind, um als produktive mündige Bürger am öffentlichen Leben
teilzunehmen. Sie eröffnet ökonomische und soziale Chancen, unabhängig von
Geschlecht, Nationalität oder sozialem Status.“117
Im Bereich der Bildung zeigt sich besonders, dass eine gleiche Verteilung der
Ressourcen nicht immer als fair oder gerecht gelten kann. Einiges sollte nach Verdienst
vergeben werden (Noten, positives Feedback, Zugangsberechtigungen zu höheren
Bildungseinrichtungen), anderes nach dem Prinzip formaler Gleichheit (z.B. Zugang zur
Grundbildung, qualifizierte Lehrer), wieder anderes nach Bedürftigkeit
(Hilfestellungen, Förderunterricht). Allein diese kurzen Überlegungen zeigen, dass die
Realisierung von Chancengerechtigkeit ein schwierigeres politisches und pädagogisches
Unterfangen als die Umsetzung formaler Gleichheit ist.118 Die Frage, ob Gleichheit,
Leistung oder Bedürftigkeit als Gerechtigkeitsprinzip angewendet werden sollte, sollte
für unterschiedliche Aspekte des Bildungsweges immer neu gestellt werden. Reicht es,
dass am Anfang alle die gleichen Chancen erhalten? Es gibt immer Schüler, die ihre
Chancen auf Grund von günstigeren individuellen Voraussetzungen besser nutzen
können als andere.119 Macht das Prinzip der Chancengleichheit Maßnahmen notwendig,
die schwächere Schüler befähigen, in der gleichen oder in ähnlicher Weise ihre Chancen
zu nutzen? Bei der Beantwortung solcher oder ähnlicher Fragen könnte man sich an
beispielsweise an folgendem Gerechtigkeitsprinzip von John Rawls orientieren:117 Zit. In: Kull/Wolter (2006), S. 25.118 Die „European Group of Research on Equity of the Educational Systems“ identifiziert vier
grundlegende Gleichheitsprinzipien, die im Bildungskontext relevant sind: Chancengleichheit,Gleichbehandlung, Ergebnisgleichheit und gleichberechtigte Verwirklichung bzw. Entfaltung in derGesellschaft. Jedes dieser Prinzipien würde, für sich genommen, in Bezug auf einen umfassendenGerechtigkeitsbegriff, zu kurz greifen und Angriffspunkte für Kritik bieten. Durch das Prinzip derChancengleichheit würde zwar ein nicht durch Gruppenzugehörigkeit eingeschränkter, d.h.gleichberechtigter Zugang zur Bildung gesichert, eine Übervorteilung Begabterer durch bessereLernbedingungen jedoch nicht ausgeschlossen. Die Gleichbehandlung könnte von denjenigenangegriffen werden, die die Ansicht vertreten, dass ein Bildungswesen nur dann gerecht ist, wenn esSchülern mit schlechteren Ausgangsbedingungen eine intensivere Förderung angedeihen lässt. Werschließlich das ausschließliche Ziel von Ergebnisgleichheit verfolgt, läuft Gefahr, die Potentiale vonbesonders Begabten und Lernwilligen brach liegen zu lassen. Vgl.: Demeuse, Marc; Baye, Ariane; Straeten, Marie-Héléne; Nicaise, Julie (2003). Equity of theEuropean Educational Systems, A Set of Indicators. Synthesis of the Report. European Group ofResearch on Equity of Educational Systems.
119 Man nennt dies den sogenannten Matthäus-Effekt: „Wer hat, dem wird gegeben“
37
“Assuming that there is a distribution of natural assets, those who are at the same level
of talent and ability, and have the same willingness to use them should have the same
prospects of success, regardless of their initial place in the social system.120“
In Finnland scheint es gelungen zu sein, hohe Gesamtleistungen der Schüler und ein im
internationalen Vergleich ausgeprägtes Maß an Chancengerechtigkeit miteinander zu
vereinen. Ich möchte im folgenden Abschnitt einen genaueren Blick auf die
Chancengerechtigkeit im finnischen Schulsystem werfen.
Viele Kenner des finnischen Bildungssystems haben das hohe Maß an
Chancengerechtigkeit, welches Finnland seit der 70er Jahre realisieren konnte, als
wesentlichen Grund für das erfolgreiche Abschneiden der 15jährigen FinnInnen im
internationalen PISA-Vergleich gesehen. So schreibt Jouni Välijärvi, Verantwortlicher
für die Durchführung der finnischen PISA-Untersuchungen: „The most remarkable
reason for Finland’s success in the PISA Survey is educational equality: the entire
school system is based on it.“121 In einem analytischen Report des finnischen
Bildungsministeriums heißt es: “One explanation for Finland’s success in such
international comparisons is the general consensus in Finland concerning the
importance of equity in education”122 Diese Schlussfolgerungen sind durchaus
nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass bei einer erfolgreichen Integration bzw.
Inklusion und Förderung eines kritischen Prozentsatzes schwacher Schüler der
landesweite Durchschnitt der Gesamtleistungen erheblich ansteigt. Im folgenden
Abschnitt möchte ich einige konkrete Ergebnisse empirischer Untersuchungen
präsentieren.
6.2. Chancengerechtigkeit als Leitidee finnischer Schulen: Fakten und Zahlen
Bei der PISA-Untersuchung zur naturwissenschaftlichen Kompetenz im Jahr 2006
erreichte Finnland im internationalen Ranking einen ersten Platz, wobei die
Gesamtvariation der Leistungsergebnisse die geringste unter allen OECD-Ländern war.
In keinem anderen Land gab es einen so großen Anteil an Schülern, mit exzellenten
Ergebnissen. Ebenso war der Anteil der Schüler, die schwache akademische Leistungen
120 Zit in: Demeuse et al. (2003), S. 13.121 www.pisa2006.helsinki.fi/finland_pisa/interpreting_the_results/interpreting_the_results.htm 122 Ministry of Education (2005), S. 42.
38
zeigten in Finnland der geringste von allen Ländern. Ein paar Zahlen sollen dafür als
Beleg dienen. Die beiden obersten Kompetenzstufen (5. und 6. Stufe) wurden in
Finnland von 20,9 % der Schüler erreicht, wobei der OECD-Durchschnitt bei 9 % lag.
Nur 0,5 % der finnischen Schüler lagen unterhalb des niedrigsten Kompetenzniveaus,
während der Durchschnitt in den OECD-Ländern bei 5,2 % lag. Im Übrigen ist Finnland
das einzige Land, in dem die Schülergruppe mit diesen äußerst kritischen
Leistungsergebnissen weniger als 1% der getesteten Gesamtpopulation ausmacht. Die
voran gegangene Untersuchung im Jahr 2003 zeigt vergleichbare Ergebnisse, was die
folgende Graphik verdeutlichen soll. Es lassen sich die nach Perzentilen
aufgeschlüsselten Leistungsergebnisse in allen 2003 getesteten Kompetenzbereichen
(Mathematik, Lesefähigkeit, Naturwissenschaften, Problemlösung) sehen und mit dem
OECD-Durchschnitt vergleichen. So sind beispielsweise die 5 % der Schüler, die die
schlechtesten Ergebnisse in Mathematik erzielt haben um 74 Punkte, was etwa einer
ganzen Kompetenzstufe entspricht, besser als die entsprechenden Gruppen in den
OECD-Ländern im Durchschnitt.123 Damit sind die schwächsten Schüler Finnlands
immer noch um 20 % besser als die entsprechende Gruppe in anderen OECD-Ländern.
Vergleicht man die Leistungen der leistungsschwächsten mit denen der
leistungsstärksten Schüler miteinander, so stellt man fest, dass diese durchschnittlich
sehr hoch sind. „In allen OECD-Ländern“, so heißt es im OECD-Bericht zu den
Ergebnissen von PISA 2006, „waren die Leistungsabstände unter den mittleren 90%
der Schülerinnen und Schüler - vom 5. bis zum 95. Perzentil - größer als der
Unterschied zwischen der Durchschnittsleistung des PISA-Spitzenreiters Finnland und
Kirgisistan, dem Land mit den schlechtesten Ergebnissen in PISA.“124 Zur
Veranschaulichung der verhältnismäßig guten bis sehr guten Leistungen der
„schwächsten“ Schüler Finnlands soll die folgende Graphik zur Lesefähigkeit in allen
PISA-Durchgängen dienen. Der OECD-Durchschnitt wurde auf Null gesetzt.
123 Vgl.: Sarjala/Häkli (2007), 43f.124 OECD (2007), S. 34.
39
Quelle: Sarjala/Häkli (2008), S. 86
Was die Variation zwischen den Schulen betrifft, so fiel diese in Finnland ebenfalls
äußerst gering aus, und das konstant in allen drei PISA-Erhebungen. Die Untersuchung
von 2000 kann als Beispiel dienen. Die 10 % der finnischen Schulen, die die
schlechtesten Ergebnisse erreicht hatten, waren um etwa 100 Punkte besser als die
entsprechende Gruppe der Schulen der OECD-Länder im Durchschnitt. Das ist ein
beachtlicher Wert. In der Lesekompetenz erklärte die Varianz zwischen den Schulen im
OECD-Durchschnitt 36 % der Gesamtvarianz der Schülerleistungen. In Finnland betrug
dieser Anteil 5 %. Außerdem wirkt sich in Finnland die soziale Zusammensetzung der
Schulen nicht auf die Leistungsergebnisse aus. Man muss einräumen, dass Finnlands
Gesellschaft insgesamt viel homogener ist, sowohl was das den Anteil an Immigranten
als auch die Einkommensunterschiede der Familien betrifft. Das bedeutet jedoch nicht,
dass einige, insbesondere städtische Schulen eine höhere soziale Heterogenität
aufweisen. Faktoren wie Lernatmosphäre, Unterrichtsqualität und Motivation der
Schüler scheinen in Finnland unabhängig vom schulischen Umfeld zu sein.
Weiterhin übt der familiäre Hintergrund der Schüler in Finnland einen viel geringeren
Einfluss auf die schulischen Leistungen aus als in den meisten anderen Ländern.
Übergänge von einer Klassenstufe zur nächsten gelingen ebenfalls besser als in den
meisten Ländern. Nur etwa 2 % der finnischen Grundschüler (1.-9. Klasse) wiederholen
40
eine Klassenstufe, während in den anderen OECD-Ländern durchschnittlich 16 % der
Schüler mindestens einmal die Versetzung nicht schaffen. Die Abbrecherrate innerhalb
der Peruskoulu ist ungleich niedriger als in vielen hoch entwickelten Ländern. Nur 0,3
% der Schüler beenden die Peruskoulu vor dem Abschluss der 9. Klasse. 96 % einer
Alterskohorte setzen ihren Bildungsweg direkt im Anschluss an den Abschluss der
Peruskoulu in einer weiterführenden Schule fort.
Schneiden finnische Schüler vielleicht so gut ab, weil sie besonders oder intensiv
lernen? Der Zeitaufwand finnischer Schüler, sowohl im Hinblick auf die Anzahl der
jährlichen Schultage und deren Länge als auch bezüglich der Stunden, die sie täglich für
Hausaufgaben verwenden, ist keinesfalls hoch zu nennen. Das Schuljahr in Finnland hat
190 Schultage, wobei Unterrichtsausfall dank eines effizienten Vertretungssystems fast
nicht vorkommt. Ein durchschnittlicher Schultag hat zwischen 4 und 7
Unterrichtstunden. Der Umfang der Hausaufgaben beträgt in Mathematik 4,4 Stunden
pro Woche, wobei in dieser Zahl sowohl Unterricht, Hausaufgaben als auch
Förderunterricht einbezogen worden sind. Die unten abgedruckte Graphik gibt einen
Vergleich mit anderen Ländern sowie mit dem OECD-Durchschnitt.
Quelle: Irmeli Halinen125
125 http://www.palmenia.helsinki.fi/congress/pisa2008/presentations/IHalinen,%20Miracle%20of%20PISA,%20Comprehensive%20education,%2010.9.2008.ppt
41
Die jährlichen Bildungausgaben in Finnland betragen 6% des Bruttoinlandsproduktes,
was etwa im Bereich des OECD-Durchschnitts liegt.
Wenn man die oben zusammen gefassten Ergebnisse betrachtet, verwundert es, dass die
PISA-Studien in der finnischen Öffentlichkeit in verhältnismäßig geringem Maße
diskutiert und beachtet wurden. Die Verantwortlichen haben der Ansicht Ausdruck
verliehen, dass es trotz des guten Abschneidens noch genügend zu tun gibt und man sich
auf keinen Fall zur Ruhe setzten will. Rainer Domisch, der einzigen deutsche
Mitarbeiter des finnischen Zentralamtes für Unterrichtswesen, bestätigt, dass die PISA-
Studie in Finnland überhaupt kein Aufsehen erregt hat. „Es gab eine kleine Notiz in der
Presse, das war alles, und dann hat man sich sofort bemüht, Defizite, die es auch in
finnischen Schulen gibt, an das Tageslicht zu fördern und sie anzugehen.“126
Wo verbergen sich diese Defizite, die es aufzubessern gilt?
Geschlechtsspezifische Unterschiede, besonders in der Lesefähigkeit sind in Finnland
signifikant. Es ist dabei jedoch zu erwähnen, dass finnische Jungen nicht etwa schlecht
abschneiden, sondern dass die Mädchen im Durchschnitt äußerst herausragende
Leistungen vorweisen können. Die PISA-Studie konnte zeigen, dass die Faktoren, die
für die geschlechtspezifischen Unterschiede verantwortlich sind, auf Schul- und
Unterrichtsebene verändert werden können. Jouni Välijärvi, Leiter der finnischen PISA-
Untersuchung, kommt zu folgendem Ergebnis: „Eine für die Arbeit des Lehrers
ermutigende, aber gleichzeitig auch herausfordernde Beobachtung ist, dass die
Unterschiede in der Lesefähigkeit von Faktoren erklärt werden, die in der Schule
beeinflusst werden können. Neugier, Identifikation mit und Interesse am Lesen sind
starke Indikatoren für das Niveau der Lesefähigkeit. Auch entwicklete Lernstrategien
und ein starkes Selbstbewusstsein stellen eine positive Prognose für die Entwicklung
der Lesefähigkeit dar.“127
Der sozioökonomische Status des Elternhauses sagt auch in Finnland noch voraus, zu
welcher Wahrscheinlichkeit ein Kind studieren wird.
Mit diesen etwas ambivalenten, im internationalen Vergleich jedoch sehr guten
Ergebnissen zur Chancengerechtigkeit im finnischen Schulsystem, möchte ich zu einem
(Letzter Zugriff: 2.2.2009)126 Domisch (2004), S. 28.127 Sarjala/Häkli (2008), S. 89.
42
weiteren, wichtigen Element überleiten: dem Förder- und Sonderunterricht an
finnischen Schulen.
7. Inklusion: Wie in Finnland mit der Verschiedenheit der Schüler
umgegangen wird
7.1. Förder- und sonderpädagogischer Unterricht
Zu den fundamentalsten Grundsätzen der finnischen Bildungsphilosophie gehört die
Bemühung um jeden einzelnen Schüler, unabängig von seinen individuellen
Lernvoraussetzungen oder seinem aktuellen Leistungsstand. Es gilt als wichtiges
Prinzip, keinen „abzuschreiben“ und allen ein erfolgreiches Abschließen der
neunjährigen Grundschule zu ermöglichen. „Wir brauchen alle, alle bleiben zusammen,
niemand bleibt zurück“, so lautet ein bekanntes finnisches Bildungsmotto.128 Daher
findet man in finnischen Schulen äußerst heterogene Klassen. Das Stichwort, unter dem
diese Bemühungen um eine gemeinsame Schule für alle zusammengefasst wird, heißt
„Inklusion“, „Inclusive Education“ oder „Education for All“. Bei der Inklusion geht es
im Unterschied zur Integration nicht nur darum, bestimmte Gruppen von Schülern, die
sonst als „defizitär“ betrachtet werden, administrativ in die „normale“ Schule
einzubeziehen, sondern sie ganz konsequent als Teil einer heterogenen Lerngruppe zu
begreifen.129 Das Entscheidende, wenn man über Inklusion spricht, scheint mir der Blick
zu sein, mit dem man auf die bestehenden Unterschiede schaut - mögen diese nun im
Fähigkeitsgrad, im Aussehen, in der Herkunft, der Religion oder dem
sozioökonomischen Hintergrund der Schüler liegen. Es fragt sich: Sieht man
Unterschiede eher als etwas Begrüßenswertes und Positives an, das für alle bereichernd
sein kann, oder akzeptiert man sie einfach als eine bestehende Herausforderung, die
aber in mancher Hinsicht dem Ziel der Optimierung von Lernprozessen entgegen steht?
Wissenschaftliche Forschungen bieten hier eher Argumente für die inklusive Praxis,
denn schwächere Schüler profitieren enorm, wenn sie die Chance bekommen, mit
leistungsstärkeren Schülern zusammen zu lernen. Für Schüler mit höheren schulischen
Leistungen stellen heterogene Lerngruppen ebenfalls kein Lernhindernis dar,
128 Demmer (2003), S. 8.129 Vgl.: Waldschmidt/Schneider (2007), S. 112
43
wenngleich sie dadurch auch nicht besser als in homogeneren Gruppen lernen.130 Wie
lässt sich nun das Konzept der Inklusion noch etwas genauer fassen? Zunächst soll diese
Abbildung die Grundidee der Inklusion in Abgrenzung zu anderen Praktiken
verdeutlichen.
Der Schweizer Heilpädagoge Alois Bürli vertritt die These, dass mit dem Konzept der
Inklusion eine neue pädagogische Epoche beginnt. In der Phase der Integration, die
nach Bürli der pädagogischen Epoche der Inklusion vorangegangen ist, wurde es
behinderten Kindern erstmals ermöglicht, Klassen der allgemeinen Schulen zu
besuchen. Die Praxis der Inklusion geht jedoch einen Schritt weiter, in dem sie nicht nur
das separate Lernen von Behinderten und Nicht-Behinderten aufhebt, sondern sich
darum bemüht, Schule so zu gestalten, dass alle Kinder, ungeachtet aller trennenden
Kategorien effektiv und chancengerecht zusammen lernen können. Integration erfährt
hier eine quantitative wie auch eine qualitative Erweiterung.131 Nach einer Definition
der UNESCO ist Inklusion “... a process of addressing and responding to the diversity
of needs of all learners through increasing participation in learning, cultures and
communities, and reducing exclusion within and from education. (...) It involves
changes and modifications in content, approaches, structures and strategies, with a
common vision which covers all children of the appropriate age range and a conviction
that it is the responsibility of the regular system to educate all children.”132
Inklusion ist nicht zuletzt deshalb eine herausfordernde Praxis, da Schüler mit
besonderen Lernbedürfnissen nach demselben Curriculum unterrichtet werden sollen,
130 Vgl.: Pfeifer (2006), S. 37f.131 Vgl.: Warzecha (2002), S. 60ff.132 Zit. in: Rieser (2008), S. 21
44
wie alle anderen Schüler, was natürlicherweise eine Anpassung und Individualisierung
der Ziele, Inhalte und Methoden erforderlich macht. Ein Veränderung der gesamten
Schule sowie der Schulkultur sind notwendig, damit Inklusion gelingt.
In Finnland bewegt man sich durch eine starke Individualisierung von
Fördermaßnahmen zwischen Integration und Inklusion, wobei die Inklusion
richtungsgebend ist. Inklusion wäre jedoch nicht möglich, wenn sie allein auf den
Schultern der Lehrer ruhen würde, die jeweils allein die Verantwortung für die höchst
unterschiedlichen Bedürfnisse der Individuen tragen, die sie täglich unterrichten.
In allen Grundschulen des Landes wird deshalb Zusammenarbeit groß geschrieben. Drei
professionelle Teams müssen neben den Klassen- und Fachlehrern für jede Peruskoulu
zur Verfügung stehen, um in möglichst enger Zusammenarbeit die Entwicklung und das
Wohlbefinden eines jeden Schülers zu fördern. Schulkrankenschwester, Sozialarbeiter
und Psychologe bilden das erste dieser Teams, das so genannte „Schülerfürsorgeteam“
(oppilaanhuolto), welches sich darum kümmert, dass selbst Beschwerden und Probleme
auf körperlicher, psychisch-emotionaler und sozialer Ebene die Schüler nicht in ihrem
Lern- und Entwicklungsprozess behindern.133 Da in zirka einem Drittel der finnischen
Grundschulen weniger als 50 Schüler unterrichtet werden, sind die Spezialisten dieses
Teams oft für mehrere Schulen zuständig.134 Ziel der Schülerfürsorge ist es, „eine
gesunde und sichere Lern- und Schulumgebung zu schaffen, die Psyche zu schützen,
einer Ausgrenzung vorzubeugen und das Wohlbefinden der Schulgemeinschaft zu
steigern.“135 Durch die Schülerfürsorge sollen die Kinder in ihrer Fähigkeit, positiv mit
anderen zu interagieren gefördert werden, um damit auch Probleme und Konflikte
besser lösen zu können. Besonders viel Gewicht wird auf das Vorbeugen und frühe
Erkennen von Problemen gelegt, damit ein ausgeglichenes Wachstum und eine
ungestörte Entwicklung der Kinder stattfinden können.136 Die Schulkrankenschwester
des Schülerfürsorgeteams hat eine Ausbildung zur Krankenschwester absolviert, mit
einer zusätzlichen Qualifikation für vorbeugende Gesundheitsarbeit. Der
Schulsozialarbeiter hat eine sozialpädagogische Ausbildung mit besonderen
Kenntnissen in gruppentherapeutischen Methoden. Er ist unter anderem auch für die
Kontaktaufnahme mit dem Elternhaus zuständig, wenn ein Kind zum Beispiel länger
133 Matthies/Skiera (2008), S. 168ff.; Domisch (2004), S. 55134 Ministery of Education (2007), S. 10135 Zentralamt für Unterrichtswesen (2004b), S. 18f.136 Vgl.: Sarjala/Häkli (2007), S. 123
45
vom Unterricht fern bleibt. Für viele Schüler ist auch der Schulpsychologe ein wichtiger
Ansprechpartner. Er untersteht der Schweigepflicht und kann von Schülern in Anspruch
genommen werden, die mit schweren psychischen Problemen kämpfen.137
Des Weiteren werden die Schüler durch Lernberater auf ihrem schulischen Weg
begleitet. Diese Lernberater helfen Schülern, das „Lernen zu lernen“, das heißt
geeignete Lerntechniken und -strategien aufzuspüren, realistische Zielsetzungen zu
üben, eventuelle Lernprobleme zu identifizieren und zu überkommen sowie auch
Vorstellungen über Berufswahlmöglichkeiten, Neigungen und persönliche Eignungen zu
gewinnen. Lernberatung hat in finnischen Schulen einen eigenen Platz im Stundenplan.
Der Lernberater ist ein Weiterbildungsberuf, der ein abgeschlossenes Lehramtstudium
voraussetzt.138
Ein drittes Element des Unterstützungssystems der finnischen Gemeinschaftsschulen ist
der integrierte Förder- und Sonderunterricht, der von spezialisierten Lehrkräften und
Schulassistenten durchgeführt wird. Als „Speziallehrkraft“ lässt sich die
Berufsbezeichnung der finnischen „erityisopettaja“ wohl am treffendsten übersetzen.
Würde man in diesem Kontext, wie in Deutschland, von einem Sonderschullehrer
sprechen, wäre der Tatsache, dass der Unterricht hier eben nicht in einer gesonderten
Schule stattfindet, nicht Rechnung getragen.139 Alle drei hier genannten Elemente des
finnischen Unterstützungssystems arbeiten zusammen und stimmen sich aufeinander ab.
Zu dieser Zusammenarbeit gehören regelmäßige Treffen, in denen über die Situation
aller Klassen reflektiert wird, notwendige Maßnahmen geplant, organisiert und
durchgeführten Maßnahmen evaluiert werden.140
Es ist beachtlich, wie differenziert und flexibel das finnische Fördersystem arbeitet. Die
hier abgedruckte Graphik gibt einen Überblick über die Differenzierung der förder- und
sonderpädagogischen Maßnahmen an finnischen Grundschulen.
137 Vgl.: Freymann (2002), S. 1f.138 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 156139 Vgl.: Freymann (2002), S. 5140 Vgl.: http://www.oph.fi/info/pisahelsinki/lectures/Ausschuss%20für%20Schülerfürsorge.doc
(Letzter Zugriff: 2.2.2009)
46
Förder- und sonderpädagogische Maßnahmen in der finnischen Peruskoulu
Quelle: Thuneberg (2008), S. 3 (eigene Bearbeitung)
Je nach Art und Ausprägung des Problems wird zunächst eine den allgemeinen
Unterricht ergänzende Maßnahme gewählt. Schüler mit leichten Lernschwierigkeiten
oder Verhaltens- und Anpassungsschwierigkeiten werden zunächst dem zeitweisen
Förderunterricht zugeführt. Dieser temporäre Unterricht, der individuell oder in
Kleingruppen, nach oder während dem allgemeinen Unterricht stattfinden kann, ist ein
Angebot an alle Schüler. So kann beispielsweise jemand, der sonst ganz normal lernt,
durch Krankheit aber für eine längere Zeit vom Unterricht abwesend war, zusätzliche
Förderstunden erhalten, um den versäumten Stoff auf zu arbeiten. Kommerzielle
Nachhilfeangebote für Schüler, wie sie in vielen Ländern Europas existieren, findet man
in Finnland deshalb nicht. Die Zulassung zum zeitweisen Förder- und Sonderunterricht
ist mehr als unkompliziert: es reicht eine Empfehlung des Lehrers oder die Anfrage des
Schülers oder seines Erziehungsbeauftragten. Es ist wichtig zu betonen, dass das
ausdrückliche Ziel aller Fördermaßnahmen die Rückkehr des Schülers in den
Regelunterricht ist.141
141 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 170; Freymann (2002), S. 6; Directorate-General for Education and
47
Werden die Defizite des Schülers jedoch durch die eben beschriebene Maßnahme nicht
kompensiert, kann er durch den Erhalt eines medizinischen oder psychologischen
Gutachtens sowie nach Zustimmung der zuständigen Schulbehörden zu einem
dauerhaften Förder- oder Sonderunterricht zugelassen werden. Je nachdem, ob nur in
einigen oder allen Fächern große Defizite bestehen, wird entweder teilweiser
Sonderunterricht oder umfassender Sonderunterricht angeboten.142 Für Schüler, die nach
dem zeitweisen Förder- und Sonderunterricht immer noch Lernprobleme zeigen, tritt die
so genannte Spezialkonferenz zusammen. Sie besteht aus dem Klassenlehrer, der
Schulkrankenschwester, dem Sozialarbeiter, dem Schulpsychologen, der
Speziallehrkraft und einem Schularzt. Unter Einbeziehung der Eltern des Schülers soll
herausgefunden werden, woher das Problem kommt. Je nachdem ob sich das Problem
als medizinisch oder beispielsweise psychologisch herausstellt, wird eine durch ein oder
mehrere Mitglieder des Teams eine bestimmte Maßnahme durchgeführt.143 Auch über
die Einbeziehung von individuellen Lern- oder Förderplänen, die im Folgenden noch
näher beleuchtet werden sollen, muss in der Spezialkonferenz beraten werden.144 Der
Lehrer, der durch die Unterstützung des Fürsorgeteams eine große Entlastung erfährt,
hat eine umso größere Kapazität, bei seinen Schülern Signale zu erkennen, die auf das
Vorhandensein eines Problems hindeuten, das durch eine angemessene Art der Fürsorge
behoben werden kann. Gründe für eine Vollzeitförderung können Behinderungen,
Krankheiten, verzögerte Entwicklung sowie starke emotionale Beeinträchtigungen sein.
Auch hier wird eine Rückkehr in den Regelunterricht angestrebt.145 In vielen Fällen, in
denen ein Schüler sonderpädagogischen Unterricht in Anspruch nimmt, ist die
Möglichkeit, das Curriculum des Regelunterrichts zu bewältigen, nicht oder nur
eingeschränkt gegeben. Laut dem nationalen Rahmenlehrplan soll jedoch kein Schüler
einfach von der Erfüllung des curricularen Lernpensums befreit werden. Stattdessen
sollen so genannte individuelle Lernpläne erstellt werden.
Culture, Eurydice (2008), S. 161f.142 Vgl.: Halinen/Järvinen (2008), S. 90ff.; Matthies/Skiera (2008), S. 171f.; Linnakylä (2004), S. 202.143 Vgl.: Freymann (2002), S. 2.144 Vgl.: Zentralamt für Unterrichtswesen (2004b), S. 17.145 Vgl.: Pabst (2005), S. 8.
48
7.2. Von der Wichtigkeit individueller Zielsetzung
Im voran gegangenen Abschnitt habe ich versucht zu zeigen, dass die finnische
Grundschule eine inklusive Schule ist, die keine äußere Differenzierung in verschiedene
leistungs- oder interessenorientierte Lerngruppen kennt. Ein letztes „Überbleibsel“ des
in den 70er Jahren abgeschafften mehrgliedrigen Schulsystems, das eine Form der
äußeren Differenzierung darstellte, waren die so genannten Niveaukurse.146 Diese
wurden schließlich im Jahr 1984 abgeschafft, da man sie im Widerspruch mit dem so
grundlegenden Prinzip der Chancengerechtigkeit sah.
Es wurde ebenfalls deutlich, dass sich durch die verschiedenen Formen des Förder- und
Sonderunterrichtes eine starke Praxis der inneren Differenzierung ausgebildet hat. Ich
möchte, um dieses Grundcharakteristikum finnischer Schulen noch einmal zu vertiefen,
ein nähere Bestimmung dessen vornehmen, was „innere Differenzierung“ bedeutet.
Wolfgang Klafki schreibt dazu: „Innere Differenzierung meint all jene
Differenzierungsformen, die innerhalb einer gemeinsam unterrichteten Klasse
vorgenommen werden, im Unterschied zu den Formen äußerer Differenzierung, in der
Schülerpopulationen nach Gliederungs- und Auswahlkriterien, z.B. den
Gesichtspunkten unterschiedlicher Leistungsniveaus oder unterschiedlicher Interessen,
in Gruppen aufgeteilt werden und räumlich getrennt von verschiedenem Personal zu
verschiedenen Zeiten unterrichtet werden.“147
Des Weiteren kann Differenzierung innerhalb einer gemeinsam unterrichteten Klasse
zwei Formen annehmen. Zum einen kann durch die Anwendung unterschiedlicher
Methoden und Medien differenziert werden, wobei die Lernziele und -inhalte für alle
Schüler gleich bleiben. Zum anderen kann eine Differenzierung in Bezug auf Lernziele
und - inhalte vorgenommen werden. Diese zweite Form der inneren Differenzierung ist
in sehr heterogenen Lerngruppen, in welchen nicht alle Schüler die Ziele und
Stoffmenge des Lehrplans in gleicher Weise bewältigen können, oft nötig. In der
finnischen Schule hat man sich dazu ein wirkungsvolles Instrument erarbeitet: die
individuellen Lernpläne.148
146 Vgl.: Domisch (2004), S. 36. 147 Zit. in: Pfeifer (2006), S. 38.148 Vgl.: Pfeifer (2006), S. 39ff.
49
7.2.1. Der individuelle Lernplan
Individuelle Lernpläne bieten die Möglichkeit, das Lernpensum in einigen oder allen
Fächern an die Fähigkeiten des Schülers anzupassen. Der Stoff des Lehrplans kann auf
seine wesentlichen Kernelemente reduziert werden, so dass der Schüler im Rahmen des
allgemeinen Lehrplans positive Lernerfolge verzeichnen kann, die ihn zu weiterem
Lernen ermutigen und anspornen.
Natürlich wird auch die Bewertung des Schülers anhand der Kriterien vorgenommen,
die der individuelle Lehrplan enthält. Kinder mit Migrationhintergrund können solche
individuelle Lernpläne erhalten, wenn sie beispielsweise parallel zum normalen
Unterricht die betreffende Landessprache (Finnisch oder Schwedisch) erlernen müssen.
In Deutschland wäre das Zurückbleiben eines schwachen Schülers hinter den
Anforderungen der jeweiligen Klassenstufe Grund genug, die Wiederholung der Klasse,
gegebenenfalls auch die Versetzung in eine andere Schulform zu bewirken. Die damit
verbundene Stigmatisierung und negative Grundaussage kann für einen Schüler in
keiner Weise ermutigend wirken. Studien zeigen, dass der erhoffte Effekt, nämlich die
Verbesserung der Leistungen des Schülers, bei Nichtversetzung oder Überführung in
eine andere Schulform meist nicht eintritt. Die Möglichkeit, den Lehrplan an die
Fähigkeiten des Schülers anzupassen, während er weiterhin in seiner Klasse bleibt,
scheint eine weitaus ermutigendere Aussage zu beinhalten: „Nicht Du bist das Problem,
wenn Du versagst, sondern wir als Lehrer sind gefordert, Dich entsprechend Deiner
Fähigkeiten zu fördern.“ Die Orientierung an einem allgemeinen Leistungsstandard, den
die Klasse zu halten hat tritt hinter einer Orientierung am Individuum und dessen
bestmöglicher Förderung zurück.
Die Erstellung der individuellen Lernpläne findet in gemeinsamer Beratung der Lehrer
unter Einbeziehung des betreffenden Schülers und seiner Erziehungsberechtigten statt.
Grundlage ist eine genaue Beschreibung des Entwicklungsstandes des Schülers, von der
ausgehend die allgemeinen Ziele und Inhalte des Lehrplans realistisch angepasst und
zugeschnitten werden können.149
149 Vgl.: Pabst (2005), S. 7f.
50
7.2.2. Der persönliche Förderplan
Für Schüler, die Sonderunterricht erhalten, muss ein gänzlich an die individuellen
Bedürfnisse angepasstes Förderprogramm erstellt werden. Hier wird die Auswahl von
Zielen, Inhalten und Methoden weniger vom Regellehrplan, sondern von den speziellen
Lernbedürfnissen des Schülers abhängig gemacht. Die finnische Abkürzung für diesen
so genannten Förderplan lautet HOJKS150. Er dient dazu, den Lernprozesse des Schülers
langfristig zu strukturieren und zu fördern. Der Förderplan muss die Fähigkeiten und
Stärken des Schülers, seine besonderen lernbezogenen Bedürfnisse und die daraus
abgeleitete Entwicklungserfordernisse enthalten. Die Entwicklungsfortschritte, die der
Schüler macht, sollen genau dokumentiert werden, so dass auch bei einem Wechsel in
eine andere Schule, der Förderprozess optimal fortgesetzt werden kann. Außerdem
werden in ihm kurz- und langfristige Lern- und Unterrichtsziele sowie die Inhalte
derjenigen Fächer, die nach einem angepassten Lernpensum gelernt werden,
festgehalten. Der persönliche Förderplan gibt zudem darüber Aufschluss, welche
Prinzipien der Lernerfolgskontrolle und Evaluierung angewendet und welche
Methoden, Materialien und zusätzlich in Anspruch genommene Maßnahmen in den
Unterricht integriert werden. Es versteht sich auch hier, dass die Bewertung des
Schülers hier ganz individuell, gemessen an den Vorgaben des persönlichen
Förderplans, geschieht. Die Elemente der Förderpläne, die in den Bereich der
Schülerfürsorge fallen, werden in Kooperation mit den Gesundheitsbehörden erstellt.
7.3. Die Entwicklung des Förder- und Sonderunterrichts in Finnland
Die folgende Graphik soll die Entwicklung des Förder- und Sonderunterrichtes,
aufgeschlüsselt nach Praktiken der Inklusion, des zeitweisen Förder- und
Sonderunterrichts sowie der Segregation, im vergangenen Jahrhundert darstellen.
150 Das ist die Abkürzung für "Henkilökohtainen opetuksen järjestämistä koskeva suunnitelma", waswörtlich soviel bedeutet wie Ein Ausbildungsprogramm, das auf persönliche Bedürfnisse abgestimmtist.
51
Quelle: Pabst (2005), S. 8
Betrachtet man den Anteil der Schüler, der in Finnland Förderunterricht in Anspruch
nimmt, erscheint dieser zunächst sehr hoch. Im Schuljahr 2004/05 nahmen 25 % der
Schüler der Klassen 1-6 zeitweisen Förderunterricht in Anspruch. In den Klassen 7-9
waren es noch 16 %. Einen dauerhaften Sonderunterricht – entweder in einem oder
mehreren Fächern - erhielten im Jahr 2005 8% aller Kinder im Alter von 7-16 Jahren.
Von diesen Kindern lernten 32 % nach dem allgemeinen Lehrplan, 23 % nach einem in
einem Teil der Fächer abgewandelten Lehrplan und 45 % nach gänzlich modifizierten
Lehrplan.151 Auffällig ist, dass 70% der Schüler, die Förder- oder Sonderunterricht in
Anspruch genommen haben, Jungen sind. Zirka 2,5 Prozent eines Altersjahrgangs
besuchen eine Sonderschule. Zumeist sind es Kinder, die erhebliche Seh- oder
Hörbehinderungen aufweisen.152
Nachdem in diesem Kapitel ein weiteres wichtiges Element der Qualität des finnischen
Schulsystems gefunden und erörtert wurde, werde ich mich der Darstellung eines
weiteren Elementes widmen: der Kultur des Vertrauens.
151 Vgl.: Pabst (2005), S. 8.f. 152 Vgl.: Linnakylä (2004), S. 177.
52
1921 1931 1941 1951 1961 1966 1971 1976 1981 1988 1995 1999 2001 2003
0
5
10
15
20
25
30
Entwicklung des Förder- und Sonderunterrichts in Finnland
Grundschule, 1920 - 2003
Gesamt
Inklusion
Teilzeit
Segregation
Jahr
% d
er G
es
am
the
it a
ller S
chü
ler
8. Kultur des Vertrauens: Grundlage des finnischen Schulsystems
8.1.1. Evaluieren statt Prüfen: Warum die Schulinspektion abgeschafft wurde
Zu Beginn der 90er Jahre wurde in Finnland die Schulinspektion abgeschafft.
Interessanterweise ging die Initiative dazu von den Schulinspektoren der obersten
finnischen Schulbehörde aus.153 Die Inspektoren schätzten den Beitrag, den die
damaligen Inspektionen für die Qualitätsentwicklung der Schulen leisteten, als höchst
unbefriedigend ein.154 Das hatte zwei wesentliche Gründe. Zum einen war die
Informationsgewinnung durch die Inspektion zu punktuell, um ein realistisches Bild
vom Stand der Bildungsentwicklung in den Schulen geben zu können. Zum anderen
wurden die Ergebnisse der Inspektionsbesuche, die in Berichten festgehalten wurden,
auf der Schulebene zu wenig zur Kenntnis genommen, so dass sie in der Praxis keine
oder nur wenig Veränderung bewirken konnten.155 Dass nun die Inspektion nicht
effektiver gestaltet wurde, sondern ein gänzlich neues System an ihre Stelle trat, ist in
Bezug auf die während der letzten Jahrzehnte statt findenden Entwicklungen des
finnischen Bildungssystems mehr als konsequent. Die Kommunen und Schulen hatten,
wie bereits dargelegt, im Zuge der Dezentralisierung und Deregulierung innerhalb des
Bildungswesens einen größeren Freiraum erhalten, über ihre eigenen Aktivitäten zu
entscheiden. Viele Schulen erarbeiteten sich eigene Profile und setzten sich, im Rahmen
der nationalen Vorgaben, spezifische Ziele, wobei hier, zum großen Vorteil der
Entwicklungen, umfangreiche Informationen über die lokalen Gegebenheiten und
verfügbaren Ressourcen einbezogen wurden. Da die jeweiligen Kommunen und
Schulen einen größeren Einblick in ihre eigenen Bedingungen und Möglichkeiten,
Herausforderungen und Zielsetzungen haben, wurden sie in Finnland durch das
Ministerium für Bildung beauftragt, ihre eigene Arbeit zu evaluieren. Zudem sah man,
neben der internen Evaluierung auf Kommunal- und Schulebene, regionale, nationale
und internationale Evaluierungen als ebenso notwendig an. Die regionalen
Evaluierungen, die von den sechs Provinzialregierungen durchgeführt werden, sollen
153 Vgl.: Domisch (2004), S. 41.154 Vgl.: Sarjala/Häkli (2008), S: 199; Vgl. Erklärung: „Die Schulinspektoren waren Fachreferenten, die
in regelmäßigem Abstand Schulen besuchten, Unterricht mitverfolgten, Gespräche führten und danneinen Bericht schrieben. Diese Inspektoren waren Beamte der obersten Schulbehörde (kouluhallitus)oder auch der Bezirksregierungen (lääninhallitus). Böttcher (2007), S. 166
155 Vgl.: Domisch (2004), S. 41.
53
vor allem den gleichberechtigten Zugang zu Bildungseinrichtungen überprüfen.156 Auch
an internationalen Vergleichsstudien nahm Finnland bis heute regelmäßig teil. Von
Interesse für die vorliegende Arbeit sind vor allem die externen (nationalen)
Evaluierungen, sowie ihre Verbindung zur Selbstevaluierung der Schulen. Ohne
nationale Überprüfungen könnte nicht festgestellt werden, wie gerecht die
Bildungschancen innerhalb des Landes verteilt sind. Ebenso könnten gute Ansätze und
Erfahrungen einzelner Schulen und Kommunen nicht so gut für die landesweite
Schulentwicklung genutzt werden.157 Die nationalen Gesetze zur Evaluation im
Bildungssystem betonen an zahlreichen Stellen, dass der Hauptzweck der Evaluationen
nicht das Überprüfen und Kontrollieren des Schulsystems, sondern die zielgerichtete
und kontinuierliche Entwicklungsförderung des Schulsystems auf allen Ebenen ist.
Damit die Evaluierungsergebnisse direkt für die Schulentwicklung genutzt werden,
wurden Kommunen und Schulen verpflichtet, regelmäßig Arbeitspläne zu erstellen.158
Ich möchte im folgenden Abschnitt die Prinzipien, die Ziele sowie die Funktionsweise
des Evaluierungssystems für die finnischen Schulen beschreiben.
8.1.2. Externe und interne Evaluation
Die Durchführung der externen Evaluation des Schulwesens gehört zu den
Aufgabenbereichen des Zentralamtes für Unterrichtswesen. Es arbeitet in dieser
Aufgabe eng mit dem im Jahr 2003 gegründeten „Finnischen Evaluationsrat für
Bildung“ sowie mit den Universitäten zusammen. Obwohl in Finnland seit den 60er
Jahren landesweite Evaluierungen des Bildungsbereichs stattgefunden haben, hatten
diese keine gesetzliche Grundlage. Das Ministerium für Bildung hat erst im Jahr 1998
diese Grundlage geschaffen und damit die Mehr-Ebenen-Evaluation zu einem fest
verankerten Element in der finnischen Bildungssteuerung gemacht. Zudem mussten in
mehrjähriger Arbeit Indikatoren, Methoden etc. entwickelt werden, anhand deren die
verschiedenen Aspekte des Gesamtsystems untersucht werden können. Dies fand in
156 Vgl.: Linnakylä (2004), S. 193.157 Bemerkung: Durch die Kombination der Prinzipien der freien Schulwahl und der Dezentralisierung
hat in Finnland eine gewisse „Marktorientierung“ in das Bildungswesen Einzug gehalten, die eineGefahr für die Chancengerechtigkeit des Gesamtsystems in sich birgt. Hier ist haben die nationalenEvaluierungen eine ganz entscheidende Aufgabe. Vgl.: Linnakylä (2004), S. 190
158 Vgl.: Linnakylä (2004), S. 192.
54
Finnland zu Anfang der 90er Jahre statt.159
Gesteuert wird das Bildungssystem, wie bereits erwähnt, hauptsächlich durch so
genannte Ergebniskontrolle (Outputkontrolle). Der „Output“ des Schulsystems wird
jedoch nicht einseitig aufgefasst. Es gehören nicht nur Leistungsergebnisse in
Kernfächern wie Mathematik oder Finnisch, sondern auch das Wohlbefinden der Lehrer
und Schüler und die Zufriedenheit mit dem kostenlosen Schulessen dazu. Es versteht
sich, dass, wenngleich das Konzept der Outputkontrolle der Wirtschaft entnommen ist,
im Bereich der Bildung vieles nicht so einfach zu messen ist wie monetäre Gewinne
oder Verluste. Drei unterschiedliche Ansätze werden in den nationalen Evaluationen
miteinander kombiniert: Evaluierungen und Analysen eines Ist-Zustandes (z.B. der
Zustand des schwedischsprachigen Bildungsbereichs, die Situation des Förder- und
Sonderpädagogischen Unterrichts), thematische Evaluierungen (z.B. Lernen am
Arbeitsplatz, künstlerische Bildung in der Grundschule) und die Evaluierung der
Leistungsergebnisse in allen Bereichen.160
2003 wurde ein „Finnischer Evaluationsrat für Bildung“ gegründet, um die Rolle der
Evaluierung für die Entwicklung des Bildungswesens zu stärken sowie die Kooperation
und den Informationsfluss zwischen den Akteuren auf allen Ebenen zu verbessern.161
Der Evaluationsrat ist eine von der finnischen Regierung unabhängige Körperschaft, die
sich unter anderem aus Repräsentanten der Bildungsträger und -anbieter, der
Bildungseinrichtungen, Verwaltung, Lehrer- und Studierendenorganisationen sowie aus
Experten für Bildungsevaluation und Bildungsforschung zusammensetzt. Er leistet in
Kooperation mit den Universitäten den wesentlichen Beitrag zur Evaluationsforschung
in Finnland, organisiert Evaluationen und ist für die Publikation der
Forschungsergebnisse und deren Auswertung zuständig. Zu seinen Aufgaben gehört -
im Sinne des Prinzips der Verbindung von Evaluieren und Handeln - die Entwicklung
des Systems. Das Sekretariat des Evaluationsrates ist eine Institution der Universität in
Jyväskylä.162
Auf regelmäßiger Basis werden nationale Evaluierungen in Mathematik, Muttersprache
und Literatur durchgeführt. Die Untersuchungen basieren auf einer hinsichtlich
verschiedener Variablen repräsentativen Stichprobe von 5-10% der Schüler einer
159 Vgl.: Ministerium für Bildung (2006), S. 12f.160 Vgl.: Linnakylä (2004), S. 192.161 Vgl.: Ministerium für Bildung (2006), S. 13. 162 Vgl. ebenda.
55
landesweiten Lehrgangskosten. Es werden bei der Auswahl das soziale Umfeld der
Schule, Stadt-Land-Differenzen und anderes berücksichtigt.163 Zusätzlich dazu werden
auch unregelmäßigere Untersuchungen in anderen Fächern (Englisch, zweite
Landessprache, Religion, Sport, Chemie, Physik) wie auch verschiedene thematische
Untersuchungen (Kommunikationsfähigkeiten, praktische Fertigkeiten an
Berufsschulen) durchgeführt. Das hauptsächliche Ziel der nationalen Evaluationen ist
es, sicher zu stellen, dass die Ziele der landesweit gültigen Richtlinien und Statuten
erreicht und eingehalten werden. So beziehen sich nach den Aussagen von Rainer
Domisch etwa 80 % der Evaluierungsaufgaben ganz direkt auf Aussagen der nationalen
Rahmenlehrpläne.164
Ein wichtiges Prinzip ist die Transparenz der Evaluation, betreffend ihrer Kriterien,
ihrer Durchführung als auch der Ergebnisse. Pirjo Linnakylä schreibt dazu: „The
organisations to be evaluated and the individuals working within them must be duly
informed about the purpose, timing and consequences of the evaluation. Evaluation
must give space to local objectives, interpretations and expectations.“165
Die Schulen können die Aufforderung zur Teilnahme an landesweiten Evaluierungen
nicht ablehnen. Es besteht allerdings auch kein Grund zur Ängstlichkeit. Zum einen
wird keine Schule stigmatisiert, wenn sie schlechte Ergebnisse erzielt.
Unterdurchschnittliche Evaluationsergebnisse sollen als Anlass dienen, bestehende
Probleme konstruktiv, beratend und gemeinschaftlich in Angriff zu nehmen. Zusammen
mit dem Zentralamt für Unterrichtswesen werden Entwicklungs- und Förderprogramme
erstellt. Es wird streng darauf geachtet, dass die Ergebnisse, die eine einzelne Schule
erzielt, nicht an die Öffentlichkeit oder andere Schulen, sondern nur an die betreffende
Schule selbst gelangen. Es existieren auch keine Ranglisten von Schulen, lediglich
Mittelwerte werden veröffentlicht.166
Viele Schulen sehen die Möglichkeit zur Teilnahme an nationalen Evaluierungen
tatsächlich als Chance. So nimmt beispielsweise ein Großteil der Schulen im Großraum
Helsinki jedes Jahr freiwillig an den nationalen Evaluierungen teil. Die Kosten für die
freiwillige Teilnahme müssen die Kommunen selbst tragen.167
163 Vgl.: Pätzold/Rost (2004), S. 21164 Vgl.: http://www.finnland-institut.de/fileadmin/content/de/Publikationen/PDFs/Rainer_Domisch.pdf
(Letzter Zugriff: 2.2.2009)165 Linnakylä (2004), S. 194166 Vgl.: Pätzold/Rost (2004), S. 22167 Vgl.: Pätzold/Rost (2004), S. 15.
56
Neben der „externen“, landesweiten Evaluierung gibt es in Finnland eine „interne“
Evaluierung, die im Bereich der Verantwortung der Kommunen und Schulen liegt.
Diese Form der Evaluierung ist, wie die externe Evaluierung, verpflichtend, wie der
folgende Auszug aus dem Grundschulgesetz zeigt: „An education provider shall evaluate
the education it provides and its impact and take part in external evaluations of its
operations.“168 Die Schulen haben den Auftrag, selbst geeignete Methoden zur
Evaluierung zu entwickeln. Bei Bedarf können sie auch Unterstützung von Seiten des
Zentralamtes für Unterrichtswesen anfordern. Die Ergebnisse der regelmäßig
durchzuführenden internen Evaluierungen werden teilweise als Grundlage für die
externe Evaluierung verwendet.169
8.2. Der Umgang mit Benotung und Bewertung im Unterricht
Auch in Finnlands Schulen werden Schüler von der ersten Klasse ab eingeschätzt und
bewertet. Allerdings dürfen in den ersten vier Schuljahren keine Noten, sondern
ausschließlich verbale Beurteilungen gegeben werden. In der 5. und 6. Klasse liegt es
im Ermessen des Lehrers, ob eine zusätzliche Bewertung durch Noten erfolgt. Erst ab
der 7. Klasse müssen die Leistungen der Schüler auf einer Notenskala von 4-10
bewertet werden. Die Note 8 bescheinigt dem Schüler eine gute Kompetenz. In den
Standards der Rahmenrichtlinien wird genau beschrieben, was „gute Kompetenz“ in den
einzelnen Fächern bedeutet.170 Um diese Beschreibungen möglichst realistisch
formulieren zu können, wurden in ganz Finnland empirische Untersuchungen mit
Schülern durchgeführt. Rainer Domisch vom finnischen Zentralamt für
Unterrichtswesen beschreibt exemplarisch eine solche Untersuchung: „Wir haben für
das Fach Deutsch (...) über zwei Jahre lang Kassetten, also mündliche
Kompetenzproben, und Aufsätze aus dem ganzen Land gesammelt, haben dabei mit
Hunderten von Lehrern und Fachleuten der Universitäten zusammengearbeitet und so
heraus gefiltert, was die Schüler im Land können. Dadurch haben wir festgestellt, was
als gute Kompetenz gelten kann.“171 Man verzichtete bewusst darauf,
Mindestanforderungen oder außergewöhnliche Leistungen zu beschreiben. An der168 Ministry of Education (2004a), S. 5.169 Vgl.: Pätzold/Rost (2004), S. 22f.170 Vgl.: Domisch (2004), S. 58.171 Domisch (2004), S. 59
57
Bemühung um eine möglichst genaue Kompetenzbeschreibung der guten Leistung wird
deutlich, dass Noten ab der 7. Klasse eine wichtige Orientierungsfunktion haben sollen.
Der Fokus liegt in Finnland jedoch nicht auf dem „Abprüfen“ und Bewerten von
Leistungen, sondern auf der Feedbackfunktion der Bewertungen, die den Schülern in
der Einschätzung ihrer Entwicklung helfen soll.172 „Die Evaluierung während der
Schulzeit“, so heißt es im Rahmenlehrplan, „soll das Lernen lenken und motivieren und
aufzeigen, wie gut der Schüler die Bildungs- und Lernziele erreicht hat. Aufgabe der
Evaluierung ist es auch, dem Schüler ein realistisches Bild über sein Lernen und seinen
Entwicklungsstand zu vermitteln und somit auch das Persönlichkeitswachstum des
Schülers zu stärken.“173
Außer der Benotung durch Ziffern gibt es zahlreiche ergänzende Evaluierungspraktiken,
wie etwa Selbstevaluierung der Schüler, Elterngespräche174 oder Portfolios. Zumindest
einmal im Schuljahr muss für jeden Schüler ein individueller Bericht verfasst werden,
der seine Entwicklung in verschiedenen Leistungs- und Kompetenzbereichen
wiedergibt. Sitzenbleiben kommt in Finnland fast nicht vor. Am Ende der neunjährigen
Grundschule gibt es keine Abschlussprüfungen, sondern lediglich ein Abschlusszeugnis,
mit dem die Schüler die Zugangsberechtigung zu weiterführenden Schulen erhalten.
8.3.1. Autonomie der Schulen: Die Vorteile der Dezentralisierung und Deregulierung
8.3.2. Beispiel: Kommunen und Schulen als Entwickler schulspezifischer Curricula
Eine der wichtigsten Aufgaben, die den finnischen Kommunen und Einzelschulen im
Zuge der Dezentralisierung und Deregulierung der 90er Jahre zukam, war die Erstellung
und Implementierung eigener schulspezifischer Curricula. Von dieser Zeit an waren die
Kommunen und Einzelschulen nicht mehr nur Ausführende von curricularen Vorgaben,
die auf nationaler Ebene entwickelt und festgesetzt wurden, sondern waren
172 Vgl. dazu den folgenden Kommentar: „When entering upper secondary education“, schreibt Sahlberg(...), „Finnish students have no experience of high-stake standardized testing in school unlike theirpeers in many other countries where testing has become an integral element of school life. In acomparative study on teachers’ experiences in different accountability policies we concluded that 'thepressure of a structured instructional model of teaching and external assessment of pupils’achievement is having dramatic consequences according to some teachers' (Berry & Sahlberg 2006, p.24)This study also suggests that in Finland most basic school teachers teach in order to help theirstudents to learn, not to pass tests.“ Sahlberg (2006), S. 13
173 Zentralamt für Unterrichtswesen (2004b), S.41174 Anmerkung: Die Elterngespräche müssen in Finnland immer in Anwesendheit des Schülers
stattfinden.
58
aufgefordert, aktiv an landesweiten Prozessen der Bildungsplanung und
Schulentwicklung Teil zu nehmen. Die nationalen Rahmenlehrpläne waren zwischen
1970 und 1995 durch zweimalige Revision in ihrem Umfang von 650 Seiten auf 100
Seiten gekürzt worden. Alle staatlichen Vorgaben der Rahmenlehrpläne von 1995
waren, wenngleich auch präzise formuliert, überaus allgemein und
interpretationsbedürftig.175 Als Bildungsträger waren die Kommunen nun per Gesetz
verpflichtet, für eine Konkretisierung und Spezifizierung dieses curricularen Rahmens
zu sorgen. Ein wichtiger Aspekt dieser Aufgabe bestand darin, regionale und lokale
Besonderheiten und Herausforderungen verstärkt in die konkrete Bildungsplanung
einzubeziehen. Zur Veranschaulichung sollen einige Fragen dienen, auf die so oder
anders bei der lokalen Lehrplanentwicklung eingegangen werden sollte: Von welchen
Werten wird die Gemeinschaft getragen? Welche nachhaltigen Entwicklungen werden
von den Kommunen gefördert? In welcher Weise bemüht sich die Kommune um
Sicherheit, familiäre Wohlfahrt oder die Entwicklung von IT-Strategien? Gibt es
Programme zur Drogenprävention? Sind Intoleranz, Alkoholmissbrauch oder Gewalt
ein akutes Thema? Entstehen soziale oder sprachliche Herausforderungen durch
Minderheiten mit Migrationshintergrund? Hat die Region klimatische und
geographische Herausforderungen?
An solchen Fragen wird deutlich, dass die erste wesentliche Rolle der Kommunen bei
der lokalen Lehrplanentwicklung darin besteht, Gegebenheiten und Entwicklungen des
sozialen Umfelds der Schüler und schulische Bildungsprozesse aufeinander zu beziehen
und füreinander fruchtbar zu machen. Es ist evident, dass eine zentralistische Steuerung
diese Aufgabe nicht angemessen bewältigen könnte, da die nicht auf die notwendige
Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten zurückgreifen kann.
Innerhalb der letzten Jahrzehnte erlebte das finnische Schulwesen etwa alle zehn Jahre
eine nationale Curriculumreform (1970, 1985, 1994, 2004). Besonderes Augenmerk
verdienen die Arbeits- und Entscheidungsprozesse, die den letzten beiden dieser
Lehrplanreformen zu Grunde lagen. Seit den 90er Jahren wurde die Entwicklung des
nationalen Lehrplans ein zunehmend interaktiver und kommunikativer Prozess, der
Lehrer, Schulen, Kommunen und nationale Gremien miteinander verband. Man rief das
so genannte „Aquariumsexperiment“ ins Leben, das seinen Namen einer bis dahin
175 Vgl.: Domisch (2004), S. 39.
59
neuartigen Form der Zusammenarbeit verdankt: Die Lehrplanentwicklung des
Zentralamtes für Unterrichtswesen sowie der Schulen wurden offen und transparent
gestaltet. Jeder Interessierte konnte sie, wie in einem Aquarium, verfolgen und durch
Fragen, Kommentare oder Vorschläge bereichern.176 Eine große Anzahl Schulen wurde
vom Zentralamt für Unterrichtswesen für eine enge, wissenschaftliche Zusammenarbeit
ausgewählt. Diese so genannten „Aquariumsschulen“ bildeten die experimentelle
Grundlage, auf der beurteilt werden konnte, ob sich die „Theorie“ der Lehrplanentwürfe
in der Praxis gut bewährt. In besonderer Weise waren hier die Lehrer, nicht zuletzt aber
Eltern und auch Schüler eingebunden. Irmeli Halinen, ehemalige Direktorin einer
„Aquariumsschule“ berichtet wie folgt: „Zu dieser Zeit arbeitete ich als Direktorin an
einer der Aquariumsschulen und ich weiß, wie inspirierend es für uns war, als wir
endlich das gesamte Bildungssystem beeinflussen konnten. Und das lies uns spüren,
dass unser Expertenwissen im Lehren und Lernen wertgeschätzt und für
Entwicklungsprozesse auf nationaler und kommunaler Ebene genutzt wurde. Diese
Wertschätzung des Lehrerberufs und der damit verbundenen Expertise ist sehr wichtig
in der finnischen Bildung.“177
Diese Entwicklung wurde fortgesetzt, als im Jahr 2000 das nunmehr vierte nationale
Kerncurriculum erarbeitet wurde. Um möglichst viele praxisnahe Erfahrungen in die
Lehrplanentwicklung einzubeziehen, wurde, nach dem Vorbild des Aquariumprojekts,
ein Netzwerk von 500 repräsentativen Schulen aus 200 Kommunen gebildet, deren
ausdrückliche Aufgabe es war, alle Entwürfe zum Curriculum kritisch und konstruktiv
zu kommentieren. Der Kreis derer, die sich um die erneute Reform des Kerncurriculums
bemühten, wurde im Jahr 2000 auf Lehrerausbilder, Verlage sowie Menschen, die
verschiedene Bereiche der Gesellschaft repräsentierten ausgeweitet. Die Anwendung
einer Arbeitsweise wie der kollektiven Curriculumentwicklung bedeutet eine große
Herausforderung für alle Akteure sowie die Schule als Ganzes, da sie das Entstehen
einer neuen Schulkultur braucht, deren Eckpfeiler Offenheit, Vertrauen, Kreativität,
Partizipation und eine hohe Verantwortlichkeit sind.178
Die Vorteile, die ein solcher Ansatz bietet, liegen auf der Hand. Zum einen erlangen alle
Beteiligten Kenntnis über die Ziele und Inhalte des nationalen Curriculums, da dieses
176 Vgl.: Halinen (2005), S. 4.177 Ebenda.178 Vgl.: Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 130ff.
60
die Grundlage der Lehrplanentwicklung bildet. Des Weiteren führt eine intensive
Involvierung der Lehrer und Schüler in die Curriculumentwicklung zu höherem
Commitment gegenüber dem, was in den Curricula festgesetzt ist. Die Verbreitung
neuer Ideen über alle Ebenen hinweg ist eine weitere Stärke des Networking-Ansatzes.
Die Schulen können sich über ihre besonderen Stärken bewusst werden und daraufhin
entscheiden, ob sie Schwerpunkte wie Sprachen, Musik, Medien und Kommunikation,
Informationstechnologie oder Umwelterziehung besonders fördern wollen.
Da die Erstellung des Curriculums eine kontinuierliche Reflexion und Einigung über
grundlegende Wertvorstellungen und Ziele, welche die pädagogische Arbeit leiten
sollen, voraus setzt, werden Lehrer und Direktoren in diesem Prozess inspiriert, eine
Veränderung ihres pädagogischen Denkens zu vollziehen, und zwar in folgender
Hinsicht: Der Fokus verschiebt sich von der Vermittlung von Unterrichtsinhalten zur
Förderung von Kompetenzen, wie Problemlösefähigkeit oder intelligentem Verarbeiten
und Vernetzen von Wissen.
Ich möchte nun zur finnischen Lehrerausbildung übergehen, um zu prüfen, was sie
auszeichnet und welchen Beitrag sie zur Qualität des Schulsystems leistet.
9. Finnische Lehrerausbildung
9.1. Nur die Besten werden Lehrer: Auswahlverfahren zum Lehramtstudium
Der Lehrerberuf genießt in Finnland in allen Teilen der Gesellschaft ein hohes Ansehen.
Er nimmt auch unter den Wunschberufen junger Abiturienten den ersten Rang ein, und
das, obwohl die Gehälter finnischer Lehrer eher unterdurchschnittlich sind. Eine 2004
mit Jugendlichen zu Beginn ihrer Abiturzeit durchgeführte Studie zur Beliebtheit
verschiedener Berufe ergab, dass sich 26% den Lehrerberuf als interessanten, potentiell
eigenen Berufsweg vorstellen können.179 Die Konsequenz einer so großen Popularität ist
eine überdurchschnittliche Zahl an Bewerbern für eine begrenzte Anzahl von
Studienplätzen. Nur etwa durchschnittlich 10% der Bewerber können in jedem Semester
zum Lehramtstudium zugelassen werden.180 Sicherlich kann man diesen Zustand in179 Im Vergleich die Beliebtheit einiger anderer Berufe: Psychologe (18 %), Künstler, Musiker (18 %),
Architekt (15 %), Arzt (10 %), Krankenschwester (9 %) und Priester (2 %).Vgl. online:http://earged.meb.gov.tr/earged/duyurular/13_04_2008/dosyalar/ingilizce/teacher_education_in_finland.swf (Letzter Zugriff: 2.2.2009)
180 Vgl.: Linnakylä, S. 155.
61
Bezug auf das Schulsystem als Luxus ansehen. Denn finnische Universitäten können
sich die allerbesten und geeignetsten jungen Menschen für das Lehramtstudium
auswählen. Bei dieser Auswahl kommt es nicht allein auf Wissen und fachliche
Kompetenz an. Motivationale Aspekte, soziale Fähigkeiten und das Verständnis von
pädagogischen Prozessen spielen eine wichtige Rolle. Das Bewerbungsverfahren für
Lehramtsanwärter ist zweifach gestaffelt. Die Abiturienten schicken zunächst eine
schriftliche Bewerbung an die von ihnen bevorzugten Universitäten. Dort wird der Teil
der Bewerber, der landesweit auf Grund seiner Abiturnoten, früherer Studienleistungen
und geeigneter Praxiserfahrungen (z.B. als Lehrassistenten)181 den Anforderungen
genügt, zur zweiten Auswahlrunde auf Universitätsebene eingeladen. Da der Numerus
Clausus eine wichtige Rolle bei der Aufnahme zum Lehramtstudium spielt und
Mädchen in Finnland im Durchschnitt deutlich bessere Abiturleistungen haben, ist der
Anteil der Frauen im Lehramtsstudium und damit auch im Lehrerberuf
unverhältnismäßig hoch.182 Jede Universität entwickelt eigene Kriterien und Verfahren,
um die Eignung der Bewerber festzustellen. Zu den Bestandteilen der Prüfung können
Einzelinterviews und Gruppengespräche, das Verfassen eines Essays, simulierte
Unterrichtssituationen, Diskussionen und diverse andere schriftliche oder praktische
Aufgaben zählen.183 Matti Meri, Professor für Erziehungswissenschaft an der
Universität Helsinki und Verantwortlicher für das universitäre Auswahlverfahren für
Lehramtsanwärter, gibt zu verstehen, dass es in den Tests besonders um die
pädagogischen Einstellungen, Denk- und Zugangsweisen der Kandidaten gehe. „Wer
sagt“, so berichtet Professor Meri, „er hält seine Stunde: erstens, zweitens, drittens, den
nehmen wir nicht. Wer die ganze Prüfung über nicht einmal lacht, den nehmen wir
nicht. Wer zu viel redet, den nehmen wir nicht.“184 Warum bei der Eignungsprüfung
fachliche Kompetenz und Wissen hinter der Pädagogik zurück tritt, begründet er wie
folgt: „Wir brauchen niemanden, der wunderbar Flöte spielt, wir brauchen Menschen,
die sich fragen: Wie erreiche ich, dass die Kinder gerne Flöte spielen?“185
181 Für zukünftige Berufsschullehrer werden z.B. mindestens 3 Jahre Berufserfahrung verlangt182 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 210.183 Vgl.: Mikkola (2008), S. 184f.184 Sußebach/Willeke. Wo die Lehrer sitzen bleiben. Die Zeit, 19.04.2007, S. 9.185 Ebenda.
62
9.2. Überblick über die finnischen Lehrerprofessionen
Im Zuge der Reformen wurden in Finnland die Ausbildungen von fünf Lehrer-
professionen an die Universität verlegt. Diese Professionen sind der Kindergartenlehrer,
der Primarschullehrer (Klassenlehrer), der Fachlehrer, die Speziallehrkraft und der
Beratungslehrer. Die Lehrerbildung findet innerhalb eines landesweiten Netzes von elf
Universitäten, davon einer schwedischsprachigen und drei Kunsthochschulen, statt. Das
Netz dieser Universitäten ist flächendeckend, was bei der geringen Bevölkerungsdichte,
besonders im Norden des Landes erstaunt.186Der Regelunterricht der Peruskoulu wird
von den Klassen- und Fachlehrern durchgeführt. Erstgenannte unterrichten die Klassen
1-6 in sämtlichen Unterrichtsfächern, letztere sind für die 7. - 9. Klasse der Peruskoulu
sowie die allgemein- und berufsbildende gymnasiale Oberstufe verantwortlich und
unterrichten ein oder zwei Fächer. Klassenlehrer und Fachlehrer absolvieren ein etwa
fünfjähriges Masterstudium, wobei angehende Klassenlehrer Erziehungswissenschaften
im Hauptfach, Fachlehrer das Unterrichtsfach, welches sie später unterrichten werden,
im Hauptfach studieren.187 Lehrer für berufsbildende Schulen ergänzen einen Abschluss
in einem beruflichen Feld durch ein anschließendes pädagogisches und
erziehungswissenschaftliches Studium. Die Professionen des Sonderpädagogen und des
Beratungslehrers sind Spezialisierungen, die im Anschluss an ein abgeschlossenes
Lehramtsstudium erworben werden. Zukünftige Kindergarten- und Vorschullehrer
absolvieren ein dreijähriges Bakkalaureatsstudium.188
Im Folgenden möchte ich exemplarisch einen Überblick über Aufbau, Ziele und Inhalte
des Klassenlehrerstudiums und - in sehr groben Zügen - des Fachlehrerstudiums an
finnischen Universitäten geben. Zuvor ist es noch notwendig, einige generelle
Eigenschaften und Prinzipien der Lehrerausbildung in Finnland darzulegen.
9.3. Grundcharakteristika der finnischen Lehramtstudiengänge
Das finnische Lehramtstudium ist einphasig. Das heißt, dass alle Studenten nach einem
erfolgreich abgeschlossenen Studium eine volle Lehrbefugnis erhalten, ohne eine186 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 202.187 Buchberger/Buchberger (2004), S. 3.188 Vgl.: Mikkola (2008), S. 181.
63
zusätzliche Ausbildungsphase, wie etwa das Referendariat zu benötigen.189 In ihrem
systematischen Aufbau folgt die Lehrerausbildung einem „spiralen Curriculum“,
entsprechend dem bestimmte Gegenstände durch das gesamte Studium hindurch
wiederholt auf aufeinander aufbauenden Niveaustufen gelernt werden.190 Ein „spirales
Curriculum“ basiert auf der Annahme, dass „fast jeder wissenschaftliche Gegenstand
(…) so elementarisiert werden kann, dass die Lernenden nach der Erstbegegnung im
Verlauf ihrer Entwicklung (…) den gleichen Lerngegenstand auf jeweils höherem
Komplexitäts- und Anspruchsniveau weiter erarbeiten und damit ihr Wissen über ihn
allmählich erweitern, vertiefen, abstrahieren und systematisieren können.“191 Jede
Disziplin oder jedes Fachgebiet wird in drei hierarchischen Ebenen studiert. Man
beginnt mit allgemeinen Studien, schließt speziellere, fachbezogene Studien an und
endet mit fortgeschrittenen Studien. Finnland hat im Zuge des Bologna-Prozesses das
zweiteilige Prüfungssystem (Bachelor/Master) sowie das europäische
Bewertungssystem nach ECTS-Punkten übernommen. Ein Studienjahr bedeutet nach
diesem System einen ungefähren Arbeitsaufwand von 1600 Arbeitsstunden, was etwa
60 ECTS-Punkten entspricht.192
9.4. Zielsetzung der Lehrerausbildung
Ich möchte mich nun den Zielen der finnischen Lehrerbildung zuwenden. Da alle fünf
der oben genannten, universitär ausgebildeten Lehrerprofessionen sowohl recht ähnliche
als auch sehr differenzierte Aufgaben haben, hier jedoch nicht jede dieser Professionen
angemessen behandelt werden kann, möchte ich zum einen auf einige allgemeine Ziele
der finnischen Lehrausbildung eingehen und mich andererseits auf spezifischere Ziele
beziehen, die vor allem auf den Beruf des Klassenlehrers anwendbar sind. Die Ziele des
Studiums umfassen den Erwerb derjenigen Eigenschaften und Kompetenzen, die zur
Bewältigung der beruflichen Anforderungen des finnischen Lehrerberufs notwendig
sind. Der finnische Erziehungswissenschaftler und Pädagoge Matti Meri nennt folgende
Merkmale und Fähigkeiten, die ein Lehrer nach finnischem Verständnis besitzen sollte:
189 Vgl.: Buchberger/Buchberger (2004), S. 3.190 Kansanen (2007), S. 135ff.191 Schaub/Zenke (2002), S. 2036.192 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 207.
64
eine feste persönliche und berufliche Identität, Beobachtungsgabe, die Fähigkeit, mit
eigenen Gefühlen und Erfahrungen umzugehen, metakognitive Fähigkeiten,
Selbstvertrauen, Mut, Kooperations- und Integrationsfähigkeit, Kreativität,
Problemlösefähigkeit, rationale Entscheidungskompetenzen, Intuition und Sensibilität.
Zudem werden „ein gut strukturiertes Verständnis der kindlichen Entwicklung und des
kindlichen Lernens“193 sowie die Fähigkeit „verantwortlich und ethisch zu handeln und
die positive Sicht des Kindes auf sich selbst, auf andere und das Leben im allgemeinen
zu fördern“ als wesentlich erachtet.194 Besonders bei der Erstellung schulspezifischer
Curricula und der Evaluation der Schule spielen die Kompetenzen Lehrer eine
entscheidende Rolle. Die Heterogenität der Klassen stellt ebenfalls eine spezifische
Herausforderung an den Lehrer und seine Fähigkeit, mit Diversität und komplexen
Handlungssituationen umzugehen Die letztgenannte Herausforderung ist in vielen
anderen europäischen Ländern nicht in dem Maße bekannt. Die folgende Tabelle gibt
noch einmal eine zusammenfassende Übersicht über die Merkmale und Fähigkeiten
kompetenter finnischer Lehrer. Natürlich besitzen diese Merkmale auch eine gewisse
Allgemeingültigkeit, wenngleich anderenorts bestimmte Schwerpunkte unterschiedlich
gesetzt werden.
Persönlichkeitsmerkmale Pädagogische Reflexionsfähigkeit Handlungsfähigkeit
- Selbstvertrauen
- Selbstkritik
- Berufsethos
- Theoriewissen
- Biografische Kompetenz
- Fallverstehen
- Soziale & emotionale
Intelligenz
- Methodenrepertoire
- Soziale & emotionale
Integrationsfähigkeit
- Curriculum- & Planungskompetenz
Quelle: Meri, Matti (2006), S. 39
Ein wesentliches Ziel der finnischen Lehrerausbildung, das vielleicht sogar viele der
oben genannten Kompetenzen in sich zusammen fasst, ist nach Buchberger die
Autonomie sowie die Fähigkeit zum eigenverantwortlichen Handeln:
„LehrerInnenbildung in Finnland orientiert sich primär an der Entwicklung von
professioneller wie persönlicher Autonomie und Verantwortlichkeit – und nicht an eng
193 Meri, Matti (2008), S. 1194 Ebenda.
65
definierten „skills“.195 Warum ist autonomes und selbstverantwortliches Handeln für
einen heutigen Lehrer so wichtig? Die Herausforderungen der modernen
Wissensgesellschaft, in der die Halbwertszeit von festen Wissensbeständen immens
kurz ist und in welcher die Fähigkeit ihrer Mitglieder, kreative, nachhaltige und
innovative Lösungen für Probleme zu finden wie nie zuvor gebraucht wird, machen es
immer notwendiger, dass sich ein jeder Mensch zu einem „möglichst autonomen
lebenslang Lernenden“, einem „Unternehmer seiner eigenen Potentiale“196 entwickelt.
Peter Spiegel beschreibt diesen Zusammenhang zwischen den Charakteristika der
heutigen (globalisierten) Wissensgesellschaft und den Anforderungen, die sie an ihre
Mitglieder stellt, wie folgt:
„Mit der Zunahme der Bedeutung von Wissen wird gleichzeitig dessen kreativer
Generator, Verarbeiter und Anwender immer wichtiger: der Mensch. Nichts wird die
künftige Dynamik jeglicher Entwicklung so sehr bestimmen wie die Frage, wie gut der
Mensch in der Lage sein wird, neues Wissen sich anzueignen, anzuwenden und
weiterzuentwickeln. Wenn wir diesem Faktum gerecht werden wollen, reicht es nicht
aus, einfach nur die Lerninhalte zu verändern und die Lernmenge zu erhöhen. Wir
kommen nicht umhin, die Lernfähigkeit des Menschen in einem sehr umfassenden
Wortsinne zu steigern und die Rahmenbedingungen für seine Aufnahmefähigkeit,
Motivation und Lebensfreude zu optimieren.“197
Dass ein Orientierung, wie die eben zitierte, in das finnische Bildungssystem Eingang
gefunden hat, zeigen zum Beispiel die nationalen Rahmencurricula aller Schultypen, in
denen spezielle Sektionen zum Thema „lebenslanges Lernen“ enthalten sind. Die
Einbindung von Lernberatung in den Stundenplan der Primar- und Sekundarstufe kann
als ein weiteres Indiz dieser Entwicklung gesehen werden. Der Lehrer, dessen Aufgabe
es ist, die Schüler zu Unternehmern ihrer eigenen Potentiale zu machen, kann dies nur
leisten, wenn er selbst zu einem solchen autonomen Unternehmer geworden ist.
Nachdem ich einen Überblick über die kompetenzbezogenen Ziele der
Lehrerausbildung gegeben habe, möchte ich das finnische Klassenlehrerstudium etwas
genauer betrachten.
195 Buchberger/Buchberger (2004), S. 5.196 Spiegel (2005), S. 11197 Spiegel (2005), S. 11.
66
9.5. Das finnische Klassenlehrerstudium im Überblick
Zu den zentralen Zielen des Studiums gehören ein Verständnis für die „ganzheitliche
menschliche Entwicklung“, die Fähigkeit zu Kooperation und Interaktion sowie das
Erlernen eines forschungsgestützten Arbeitens. Der letztgenannte Punkt soll in einem
der folgenden Abschnitte (9.7.) noch vertieft werden, da er mir für den finnischen
Ansatz der Lehrerbildung als zentral erscheint. Das Studium soll zudem eine Reflexion
über ethische und soziale Dimension des Lehrerberufes fördern.198 Der Profession des
Klassenlehrers liegt in Finnland ein primär pädagogisches, weniger ein
fachwissenschaftliches Verständnis zu Grunde.199 Die Hauptaufgabe eines modernen
finnischen Klassenlehrers wird demnach nicht darin gesehen, ein bestimmtes
Fachwissen auf seine Schüler zu übertragen, sondern sie in ihren kognitiven, affektiven
und sozialen Kompetenzen zu fördern.
Den Hauptteil des Klassenlehrerstudiums (140 ECTS) bildet ein „... systematisches
Studium der Erziehungswissenschaften mit einem Schwerpunkt auf Lehre, Forschung
und Didaktik.“200
Die folgenden drei Inhaltsbereiche bilden in dieser oder einer etwas abgewandelten
Form den Kern des erziehungswissenschaftlichen Hauptfachs:
1. kulturelle, psychologische und pädagogische Grundlagen der Bildung/Erziehung
2. Forschung; hierzu gehören Forschungsmethoden der Erziehungswissenschaft;
Bachelor und Magisterarbeit, Forschung und Unterricht, qualitative und quantitative
Forschungsmethoden
3. Unterrichtspraxis
Eine kurze Erläuterung ist für den dritten Bereich, die Unterrichtspraxis, notwendig. An
allen finnischen Universitäten mit erziehungswissenschaftlicher Fakultät gibt es so
genannte Modellschulen. Diese werden von einer ganz normalen Schülerpopulation
besucht und dienen einerseits als praktische Grundlage für erziehungswissenschaftlich-
pädagogische Forschung und anderseits als Praktikumsschulen für Lehramtsanwärter.
Während des Klassenlehrerstudiums werden Praktika absolviert, die zusammengefasst
198 Vgl.: Linnakylä, S. 179.199 Ebenda.200 Kansanen (2003), S. 89.
67
einen zeitlichen Umfang von zirka einem Semester haben. Die Praktika können jedoch
auch an normalen Schulen absolviert werden.201
Ein weiterer Teil des Studiums sind so genannte Sprach- und Kommunikationsstudien,
die sowohl Kurse in der Muttersprache (Finnisch oder Schwedisch) als auch in
Fremdsprachen enthalten.202 Einen dritten Teil des Klassenlehrerstudiums bilden die
Studien in den schulischen Unterrichtsfächern, die in der finnischen Grundschule
gelehrt werden. Ein oder zwei dieser Fächer können vertiefend als Nebenfach studiert
werden. Nebenfachstudien, der vierte Teil des Studiums, können statt in ausgewählten
Unterrichtsfächern auch in Wissenschaftsgebieten durchgeführt werden, die für die
praktische Arbeit an den Schulen von Bedeutung sind. Hier kommt es darauf an, welche
Spezialisierungen von der jeweiligen Universität angeboten werden. Die können zum
Beispiel Medienpädagogik, Technologieerziehung, international ausgerichtete Studien,
Aufbau des Klassenlehrerstudiums – Beispiel; Quelle: Matthies/Skiera (2008), S. 208
201 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 207ff.202 Die muttersprachlichen Kurse sollen in Themenbereiche wie verbale und schriftliche Kommunikation,
Kommunikation im Klassenzimmer, finnische Sprache und Kultur und Didaktik der Sprechbildungeinführen. Der Einbezug fremdsprachlichen Unterrichts hat das Ziel, die Studierenden zur Lektürefremdsprachiger wissenschaftlicher Literatur zu befähigen.
68
Kommunikationserziehung, Sporterziehung, „Pädagogik an kleinen Schulen“ oder
vieles andere sein. Die Vielfalt, welche die Spezialisierungsangeboten der Universitäten
ausmacht, schlägt sich innerhalb der Schulen in einer Vielfalt der Qualifikationen des
Lehrpersonals nieder, was es ermöglicht, auf unterschiedliche Interessen und Neigungen
von Schülern verschiedenster Sozialisationsmilieus einzugehen.
Ein weiterer Bereich des Studiums sind frei wählbare Kurse, die sowohl aus dem
Angebot der erziehungswissenschaftlichen Fakultät wie auch aus anderen Fakultäten
ausgewählt und in den Abschluss eingebracht werden können. Die obige Abbildung ist
eine vereinfachte schematische Darstellung des Aufbaus eines Klassenlehrerstudiums an
finnischen Universitäten. Es werden hier der Umfang der einzelnen Teile des Studiums
und ein sehr grober Ablauf deutlich.
9.6. Anmerkung zum Fachlehrerstudium
Die Fachlehrer, welche in Finnland in der 7. - 9. Klasse der Peruskoulu sowie in der
allgemein- und berufsbildenden gymnasialen Oberstufe unterrichten, studieren eine
Fachwissenschaft im Hauptfach. Es gibt zwei Möglichkeiten, die Qualifikation zum
Fachlehrer zu erwerben. Die erste Möglichkeit besteht darin, die erziehungs-
wissenschaftlichen Studien nach einer bestimmten fachwissenschaftlichen Studienzeit,
im häufigsten Fall zwischen dem dritten und sechsten Studienjahr, aufzunehmen. Die
zweite Möglichkeit besteht darin, die pädagogischen Studien als postgraduales
Programm im Umfang von circa 35 Studienwochen, in einem intensiven akademischen
Jahr, an einer erziehungswissenschaftlichen Fakultät zu absolvieren.203
9.7. Der "forschende Praktiker" als Leitbild der finnischen Lehrerausbildung
Jedes Curriculum braucht ein oder mehrere grundlegende Prinzipien, durch welche
seine Zielstellungen, seine Inhalte, der systematische Aufbau seiner Kurseinheiten und
die angewandten Formen und Methoden des Lernens zu einem „sinnvollen und
organisierten Ganzen“ zusammen gefügt werden. Für die Lehrerbildung gilt, dass diese
Prinzipien sich in wesentlichem Maße aus den Überzeugungen ergeben sollten, die man203 Vgl.: Mikkola (2008), S. 183f.
69
über die Rolle und Aufgabe des Lehrers in Schule und Gesellschaft entwickelt hat. Die
Leitfrage, zu welchen Kompetenzen und Fähigkeiten Lehrer ausgebildet werden sollten,
hat also für die Organisation des Curriculums entscheidenden Charakter.
Bevor ich eines der wichtigsten Prinzipien aller finnischen Lehrerbildungsprogramme -
das Prinzip der forschungsgestützten Praxis – untersuche, möchte ich auf die Aufgaben
und Rollen eingehen, mit denen der Lehrerberuf in Finnland in Verbindung steht.
Westbury, Hansén, Kansanen und Björkvist204 haben die Aufgabenfelder des Lehrers in
Finnland untersucht und kommen zu dem Ergebnis, dass Lehrer heute im Kontext des
reformierten, dezentralisierten Schulsystems eine „erweiterte Kompetenz“ benötigen.
Insgesamt identifizieren sie vier Kompetenzstufen, die für die Praxis eines finnischen
Lehrers relevant sind. Die ersten beiden dieser Stufen – 1.) die Lehrtätigkeit, welche die
Interaktion mit den Schülern, gestützt durch Methodenkompetenz, erfordert und 2.) die
kontinuierliche Planung des Unterrichts, welche auf einem reflektierten Umgang mit
Planungselementen wie Lernzielen, Inhalten, zeitlichen Abfolgen etc. aufbaut – gehören
zur traditionellen Rolle eines Lehrers. Viele Lehrerbildungsprogramme an europäischen
Universitäten sind auf die Förderung dieser beiden Kompetenzstufen ausgerichtet.
Quelle: Sarjala/Häkli (2008), S. 85
Im Zuge der Dezentralisierung des Schulsystems fiel den finnischen Lehrkräften die204 Vgl.: Westbury, Ian, Hansén, Sven-Erik, Kansanen, Pertti and Björkvist, Ole (2005): 'Teacher
Education for Research-based Practice in Expanded Roles: Finland's experience',Scandinavian Journalof Educational Research,49:5,475 - 485.
70
Kursangebot
Kursinhalte
Lehrbücher
Bew ertungsmaßstäbe
Inhalte der Schulordnung
Schülerausw ahl
Haushaltsplan der Schule
Verteilung von Schulmitteln
Ernennung von Lehrern
Entlassung von Lehrern
Anfangsgehälter
Gehaltserhöhungen
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
81
85
89
88
78
7
12
23
6
4
32
51
66
58
43
9
7
14
5
1
2
2
Lehrer haben relevante Verantwortlichkeit bei der Entscheidung über ...
Finnland OECD
erweiterte Aufgabe zu, Planer, Gestalter und Entwickler ihre Schule zu werden. Die
Entwicklung der schulspezifischen Curricula zählte damit zu ihren wichtigsten
Aufgaben. Im Vergleich zu vielen Ländern der OECD haben Lehrer in Finnland
nachgewiesenermaßen in vielen Bereichen höhere Entscheidungskompetenzen, was
durch die obige Graphik veranschaulicht werden soll.
Nach Westbury, Hansén, Kansanen und Björkvist werden zur Bewältigung dieses
erweiterten Aufgabenfeldes zwei weitere Kompetenzstufen erforderlich: Stufe 3: die
Fähigkeit, kooperativ, gemeinschaftlich und kontinuierlich zu planen, insbesondere in
Bezug auf die Kernelemente der schulspezifischen Curriculumsentwicklung; Stufe 4:
kollektive Reflexion, die als vorrangig verbale Tätigkeit die Fähigkeit der Interaktion
sowie der Verwendung einer gemeinsamen, „internalisierten“205 Fachsprache.
voraussetzt.
In wie weit kann nun das Paradigma der „forschungsgestützten Praxis“ helfen, ein
Curriculum der Lehrerbildung zu erstellen, welches Studenten hilft, die oben genannten
Kompetenzstufen zu erlangen? In folgender Vorgehensweise möchte ich der eben
gestellten Frage nachgehen.
1. Was macht den Grundsatz einer „forschungsgestützten Praxis“ inhaltlich aus?
2. Auf welche Weise wird das Prinzip im Curriculum der finnischen Lehrerbildung
sichtbar?
Nach dem Prinzip der „forschungsgestützten Praxis“ lernen Lehrer, ihr pädagogisches
Handeln auf die Grundlage von rationalen, durch empirische Forschung gestützten
Argumenten zu stellen.206 Damit sei nicht gesagt, dass Intuition und eigene Erfahrung
nicht als wichtige Bestandteile in professionelle Entscheidungen einfließen sollen. Im
Gegenteil: beide Aspekte ergänzen sich. In welcher Hinsicht forschungsgestütztes
Denken jedoch der intuitiven, erfahrungsgestützten Herangehensweise an die Praxis
eine qualitative Dimension hinzufügt, mag durch folgendes Zitat angedeutet werden:
„... a research-based attitude makes it possible to steer thinking and decisions towards
practices which are grounded in a wider, and hopefully more systematised, experience
than the circumscribed worlds of immediate places and settings.“207 Damit der Lehrer
205 Vgl.: Westbury/Hansén/Kansanen/Björkvist (2005), S. 482.206 Vgl.: Ebenda, S. 477.207 Ebenda. S. 478.
71
als ein „forschender Praktiker“208 handeln kann, muss er eine positive Einstellung zur
wissenschaftlichen Forschung entwickeln, Kenntnisse über Forschungsmethoden
erlangen und selbst bis zu einem gewissen Grad fähig werden, eigene Forschung durch
zu führen. Eine wichtige Fähigkeit ist die gezielte Rezeption und kritische Bewertung
relevanter Forschungsliteratur sowie ihre Anwendung auf die pädagogische Praxis. Die
Verbindung von Theorie und Praxis bezieht sich natürlich sowohl auf die Lehrpraxis im
Klassenzimmer als auch auf Tätigkeiten des Planens, Evaluierens auf Klassen- oder
Schulebene oder der Zusammenarbeit mit Eltern etc.
Im Studium zeigt sich der Ansatz des forschungsbasierten Lehrens an einer Vielzahl von
Elementen. Jede Studieneinheit wird mit Forschung verknüpft. Die praktischen
Lerneinheiten (Praktika) werden immer von Seminaren begleitet, in denen die
Studierenden die praktischen Erfahrungen konzeptionalisieren. Die Praktika und Kurse
zu Forschungsmethoden finden nicht nur zu Beginn oder einem anderen Zeitpunkt des
Studiums statt, sondern verteilen sich über die gesamte Studienzeit. In den Kursen zur
Forschungsmethodik machen sich die finnischen Lehramtsanwärter mit quantitativen
und qualitativen Forschungsmethoden vertraut. Dabei gilt es einen Überblick über
wichtige Methoden zu erlangen und eine ausgewählte Methode vertiefend zu erlernen.
Neben mehreren kleineren Forschungsarbeiten bildet das Verfassen der Masterarbeit die
umfassendste Gelegenheit, eigene Forschung durchzuführen und erlernte
Forschungsmethoden anzuwenden.
Abschließend möchte ich einen Faktor in den Blick nehmen, ohne den zweifelsfrei das
finnische Schulsystem nicht in seiner heutigen Form existieren würde: der
gesellschaftliche und politische Konsens und die Kontinuität des politischen Willens.
10. Die Reform des finnischen Bildungswesens
10.1. Grundlegende Veränderungen seit 1972
Das heutige finnische Schulsystem ist nicht das Produkt einer „Revolution“ sondern das
Ergebnis einer fast fünfzigjährigen kontinuierlichen Entwicklung.209 Den Anstoß zu
dieser Entwicklung, so bestätigen zahlreiche Forschungen, haben die krisenähnliche
208 Vgl.: Kansanen (2007), S. 135.209 Vgl. Pitkänen/Sahlberg (2006): „Education development since the comprehensive school reform of
the early 1970s has been a systematic sequence of structural adjustments and alignments rather than
72
wirtschaftliche Lage Finnlands in den 50er und 60er Jahren sowie die Einsicht in die
Ineffektivität des damaligen Schulsystems gegeben. Ich möchte einleitend zu diesem
Kapitel eine kurze Übersicht über die wichtigsten Etappen der finnischen Schulreform
geben, um eine ungefähre Vorstellung vom Ausmaß und der zeitlichen Abfolge der
Reformschritte zu vermitteln.
Die wichtigsten schulpolitischen Entscheidungen
in Finnland in den letzten Jahrzehnten
• 1964 - 1968
Beratungen im finnischen Parlament über eine Schulform, diemehr Chancengleichheit garantiert als das bisher bestehendegegliederte Schulsystem. Breite parlamentarische Mehrheit fürein integriertes Schulwesen.
• 1972 - 1977
Einführung der Gemeinschaftsschule (peruskoulu). AlleSchüler eines Schülerjahrganges besuchen zwischen derKlassenstufe 1 und 9 dieselbe Schulart. Übertragung derSchulträgerschaft auf die Kommunen.
• ab 1980
Tiefgreifende Lehrplanreform, Einführung der klassenlosengymnasialen Oberstufe, Abschaffung der Niveaukurse in denKlassen 1 - 9 der peruskoulu
• ab 1990
Weitere LehrplanreformenAbschaffung der SchulinspektionStärkung der Verantwortlichkeit der Kommunen und SchulenEinführung der schulischen EvaluationÖffnung der Schulen für die Informationsgesellschaft
Landesweite Fortbildungs- und Schulprojekte • Fremdsprachenvielfalt • Mathematik- und Naturwissenschaften • Förderung der Lesekompetenz • Virtuelle Schule
Quelle: Domisch (2004), S. 36
73
10.2. Allgemeiner gesellschaftlicher und politischer Konsens und Kontinuität des
politischen Willens als wesentliche Erfolgsfaktoren der Reform
Auf den vorangegangen Seiten wurde deutlich, wie zahlreich die Veränderungen waren,
die das finnische Bildungssystem während der letzten Jahrzehnte bis zum heutigen
Zeitpunkt erlebte. Bemerkenswert ist, dass diese Ereignisse eine kontinuierliche
Gesamtentwicklung darstellen, über deren Richtung und Ziele schon zu Beginn der
Reform Einigkeit bestand.210 Ich möchte in diesem Kapitel dafür argumentieren, dass
der Erfolg des finnischen Schulsystems von zwei weiteren Faktoren auf der
gesamtgesellschaftlichen und politischen Ebene bedingt wurde. Zum einen waren der
allgemeine politische und gesellschaftliche Konsens, durch den die Reformen über
Jahrzehnte hinweg getragen und die Kontinuität des politischen Willens gewährleistet
wurden, entscheidend für die auf allen Ebenen des Systems stattfindende Entwicklung.
Daher ist für mich von besonderem Interesse, wie das Zustandekommen dieses
Konsens' erklärt werden kann. Zum anderen folgt die finnische Bildungspolitik einem
umfassenden Konzept der „nachhaltigen Führung“, dessen Bedeutung für die
Fortschritte im Bildungsbereich kaum zu unterschätzen ist. 211
Zunächst sollen einige Belege angeführt werden, die den allgemeinen Konsens, der
heute in Bezug auf das finnische Schulsystem herrscht, dokumentieren. Der „European
Social Survey“ (2006) stellt fest, dass 88,2 % der Finnen mit ihrem Bildungssystem
zufrieden sind. Im Gegensatz dazu äußern sich nur ca. 17,7 % der Deutschen
wohlwollend über ihr eigenes Bildungswesen.212 Das Forscherteam Aho, Pitkänen und
Sahlberg (2006) gelangt zu dem gleichen Schluss in Bezug auf die politische Ebene: Es
herrscht auf politischer Ebene heute „allgemeine Übereinkunft darüber, dass die frühen
politischen Entscheidungen der 1970er korrekt waren und das gefeierte Schulsystem
von heute geschaffen haben.“213 Des Weiteren resümiert eine Reisegruppe der
Universität Hamburg und des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung
nach einer Forschungsreise ins nordische Bildungsland: „Alle Gesprächspartner betonen
210 Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 6.211 Vgl.: Rajakorpi/Rajakorpi (2001), S. 11ff.212 Vgl.: European Social Survey, 3. Welle, http://www.europeansocialsurvey.de/aktuelles/dritte.htm
(Letzter Zugriff: 2.2.2009)213 Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 1; eigene Übersetzung, Wortlaut des Originals: „Although the
process sparked criticism and political debate, there now is general agreement that the early policydecisions of the 1970s were correct and helped to create the celebrated school system of today.“
74
den Konsens, der in diesen grundlegenden Fragen214 wie auch hinsichtlich der
Strukturen des Schulsystems in Finnland nunmehr seit über dreißig Jahren herrscht.
Dieser Konsens schließt die großen linken wie rechten Parteien ein. Insofern ist die in
den deutschen Bundesländern zu beobachtende Bindung solcher strukturellen
Prioritäten an Legislaturen als Problem der Diskontinuität so nicht beobachtbar.“215
Seit dem Beginn der Reformen im Jahr 1968 bis heute hat Finnland nicht weniger als 13
Regierungswechsel erlebt.216 Die Ministerpräsidenten während dieser Zeit gehörten den
verschiedenen großen Parteien Finnlands an und bildeten unterschiedliche Koalitionen.
Trotz dieser zahlreichen Wechsel wurden die Richtung der Reformen im Schulsystem
konsequent beibehalten und alle grundlegenden Entscheidungen bestätigt und weiter
voran getragen.217 Es stellt sich die nicht ganz leicht zu beantwortende Frage, wie ein
solcher Konsens und eine ununterbrochene Kontinuität möglich waren.
10.2.1. Konsens über die vorrangigen Ziele der Bildungspolitik
Zahlreiche Regierungsdokumente geben darüber Aufschluss, dass das oberste
bildungspolitische Ziel, das Erreichen von Chancengerechtigkeit und guten
Gesamtleistungen der Schüler, seit den 70er Jahren bei allen Parteien gleichermaßen
Zustimmung fand und niemals Gegenstand von ernsthaften politischen
Auseinandersetzungen war.218 Wie kann der hohe Wert, welcher dem Ideal der
Chancengerechtigkeit von politischen Akteuren und der finnischen Gesellschaft
beigemessen wurde, erklärt werden? Den politisch Verantwortlichen war bewusst, dass
ein so dünn besiedeltes und rohstoffarmes Land wie Finnland keine menschlichen
Ressourcen verschwenden durfte und dass Bildung „einen direkten Einfluss auf das
214 Gemeint sind die folgenden Fragen: Einführung der neunjährigen Grundschule, Übertragung derSchulträgerschaft auf die Kommunen, Internationalisierung des Bildunswesens, hohe Investition inForschung und Entwicklung, etc., Vgl.: Pabst (2005), S. 3
215 Ebenda.216 Ministerpräsidenten Finnlands: Mauno Koivisto (22.03.1968), Teuvo Aura (14.05.1970), Ahti
Karjalainen (15.07.1970), Teuvo Aura (29.10.1971), Rafael Paasio (23.02.1972), Sorsa (04.09.1972),Keijo Liinamaa (13.06.1975), Miettunen (30.11.1975), Taisto Kalevi Sorsa (15.05.1977), MaunoKoivisto ( 25.05.1979 ), Eino Oskari Uusitalo (27. 1.1982), Taisto Kalevi Sorsa (19.02.1982), Harri Holkeri (30.04.1987), Esko Aho ( 26.04.1991), Paavo Lipponen (13.04.1995), AnneliJäätteenmäki (13.04.2003 ), Matti Vanhanen (24. 6. 2003 - ), Bemerkung: Vier derMinisterpräsidenten waren nur kommisarisch eingesetzt (Aura (2x), Liinamaa und Uusitalo).
217 Vgl.: Overesch (2007), S. 70.218 Vgl.: Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 4; Overesch (2007), S: 102ff.
75
Wohlergehen und die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit“ hat.219 „Jeder gehört dazu.
Wir können es uns nicht leisten, auch nur auf einen zu verzichten. Jeder wird
gebraucht“, Das sagte der frühere Leiter des finnischen Zentralamtes für
Unterrichtswesen, Jukka Sarjala.220 Ein kleines Volk braucht einen hohen Anteil kluger
Köpfe, damit das Land eine der wichtigsten Vorraussetzungen für den globalen Markt
zu erlangen vermag: Innovationsfähigkeit.221 Des Weiteren hängt das Maß
gesellschaftlicher Teilhabe und Teilnahme in wissensbasierten Gesellschaften wie der
finnischen entscheidend vom Grad der Bildung ab. In diesem Sinne wurde auch die
Bildungsreform mit dem Ziel, jedem Bürger ein möglichst hohes Maß an Bildung sowie
die Fähigkeit zum lebenslangen Lernen zu ermöglichen, zum Schlüsselelement einer
gesamtgesellschaftlichen Entwicklung in Richtung einer höheren sozialer Gerechtigkeit.
Den Grund dafür, dass der breite Konsens anhielt, reflektiert Anne Overesch: „Hinter
der Bereitschaft zum Konsens stand die historische Erfahrung der finnischen
Gesellschaft, dass das bevölkerungs- und rohstoffarme Land den Aufstieg durch
Bildung geschafft hat.“222
Ein weiteres Element, das „begünstigend“ hinzu trat, war der Grad der Einheit, den die
Gesellschaft sowie das Feld der Politik durch gewisse historische Erfahrungen erreicht
hatten. Nach Aho, Pitkänen und Sahlberg war es die kollektive Erfahrung von
wirtschaftlicher Not im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg, welche Einmütigkeit
schuf, die „Spannungen zwischen sozialen Klassen und politischen Parteien löste“223
und den Bemühungen um einen finnischen Wohlfahrtsstaates Antrieb verlieh.
10.2.2. Der Konsens über das Modell einer „Schule für alle“
Neben der Einigkeit über die obersten Bildungsziele bestand ein allgemeiner politischer,
wenngleich kein gesellschaftlicher Konsens über den dazu geeignetsten Weg: Die
Schaffung einer „Schule für alle“. Viele Lehrer, aber auch andere Verantwortliche im
Bildungsbereich, betrachteten das neue Schulmodell mit Skepsis, da sie unter anderem
219 Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 11.220 Kahl, Reinhard (2002b), S. 9.221 Die Konzerne Nokia oder Linux, die einen großen Anteil an der wirtschaftlichen Entwicklung
Finnlands haben, sind Beispiele dieser Innovationsfähigkeit.222 Overesch (2007), S. 254.223 Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 39.
76
fürchteten, dass gute Schüler nicht mehr optimal gefördert werden konnten.224 Die
Reform ging jedoch zu Beginn ausschließlich von den politischen Entscheidungsträgern
aus, die sie, ungeachtet der Skepsis in einigen Teilen der Gesellschaft, schrittweise, im
Norden des Landes beginnend, umsetzten.225 Damit ist ein weiterer wichtiger Punkt
angesprochen, der zur Kontinuität der Entwicklungen beigetragen hat. Die politischen
Entscheidungsträger waren die treibenden Kräfte der Reform und verankerten von
Anfang an alle wichtigen Elemente des neuen Schulsystems in einem Gesetz, dem
„Gesetz über das Schulsystem“.226 Dazu entwarfen sie einen Aktionsplan zur
schrittweisen Umsetzung.227 Aho, Pitkänen und Sahlberg weisen darauf hin, dass es in
Finnland eine Tradition der Achtung für das Rechtsstaatsprinzip gibt, was sich zum
Beispiel darin zeigt, dass Finnland einen der weltweit niedrigsten Korruptionsindexe
aufweist, der nahezu keine Korruption erkennen lässt.228 Ergänzt wurde dieses wichtige
Kontinuität ermöglichende Werkzeug (Gesetze und Verordnungen, die klare Ziele
vorgeben) durch die Praxis einer „Steuerung durch Information“, die aus regelmäßigen,
alle Ebenen des Systems einschließenden Evaluationen und deren konsequenten
Einbezug in Planungs- und Entscheidungsprozesse bestand. Die Skepsis unter Teilen
der finnischen Lehrerschaft schwand, je mehr sie selbst in den Umgestaltungsprozess
mit eingebunden wurden. So kann man zusammenfassend sagen, dass die finnischen
Politiker anfangs auf eine äußerst zentralistische, starke Steuerung des Systems setzten
und etwa seit den 80er Jahren eine zunehmende Dezentralisierung von
Entscheidungsbefugnissen und eine zunehmende Einbindung zahlreicher
gesellschaftlicher Gruppen (Lehrergewerkschaften, Expertengremien, wirtschaftlicher
Akteure) in den Gestaltungsprozess in die Wege leiteten, wodurch eine stabile und
nachhaltige Entwicklung bewirkt wurde.229
Zu einem der wichtigsten Dokumente für die Entwicklung des Bildungssystems wurden
224 Sarjala/Häkli (2008), S. 55.225 Oversch (2007), S. 115f.; Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 45.226 Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 45.227 Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 40.228 Sahlberg (2006), S. 21.229 Siehe folgenden interessanten Kommentar von Aho, Pitkänen und Sahlberg: „Involving all relevant
stakeholders in the reform process is essential. There are always opposing opinions and attitudes onany reform proposal. By establishing committees where professionals and other stakeholders couldhash out their differences, Finnish policymakers were able to win consensus and tap valuable andvaried expertise. When the government appointed members to the reform committees, for instance, ittook pains to select a balanced mix of people with different political ideologies, professions,experience, and areas of expertise - including scientists and teachers.“ Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 40.
77
seit den 90er Jahren die „Entwicklungspläne für Bildung und Forschung“230, die jeweils
eine Zeitspanne von fünf Jahren abdeckten. Die darin gesetzten Entwicklungsziele
bestimmten seit den Neunzigern Beratungs-, Planungs- und Entscheidungsprozesse auf
allen Ebenen, bündelten Energien und schafften Kontinuität, auch über
Legislaturperioden und Regierungswechsel hinweg. Die kontinuierliche Orientierung an
nationalen Zielen führte dazu, dass Lehrer und Administratoren ihr Planen und Handeln
auf der lokalen Ebene in ein umfassenderes und größeres Ganzes einordnen konnten.
„After visiting and interviewing students, teachers, principals, system administrators,
university researchers and senior ministry officials, a remarkably unified narrative
began to surface about the country, its schools and their sense of aspiration, struggle and
destiny.“231 So lautet das Resümee eines Forschungsberichtes.
10.2.3. Eine konsensfreundliche politische Entscheidungsfindung
Ein weiterer Faktor, der sich auf den bildungspolitischen Konsens in Finnland
entscheidend auswirkt, ist die Art der Entscheidungsfindung. Finnland besitzt ein
Vielparteiensystem. Gesetzesentscheidungen benötigen eine einfache Mehrheit. „In
many countries,“ so schreibt Errki Aho, „a two-party system often polarizes debates and
splits public opinion between governing and opposing-party camps, making essential
and sustainable reforms impossible. In Finland the differing political interests of the
leading parties were combined to form the basis for reform.“232 Zahlreiche Interviews,
die Anne Overesch mit an den Reformen beteiligten Akteuren geführt hat, bezeugen,
dass ein „konsensualer Beratungsstil“ und der Wille, möglichst einheitliche
Entscheidungen zu treffen, zur politischen Kultur Finnlands gehören.233 Es „... finden
sich“, so Overesch, „in der finnischen Schulpolitik keine großen und intensiven
Konflikte. Die wesentlichen Projekte und Entwicklungslinien trugen die Parteien
230 Der aktuelle „Entwicklungsplan für Bildung und Forschung“ deckt die Zeit von 2007 bis 2012 ab.Vgl.: Ministry of Education (2007), Education and Research 2007-2012. Development Plan. Ministryof Education. Helsinki University Press. http://www.minedu.fi/export/sites/default/OPM/Julkaisut/2008/liitteet/opm11.pdf?lang=fi (Letzter Zugriff: 2.2.2009)
231 Hargreaves/Halász/Pont (2007), S. 12.232 Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 40.233 Dazu stellt Anne Overesch fest: „Der konsensuale, pragmatische Entscheidungsstil der Finnen war
eine Folge gleicher Problemwahrnehmung und Politikvorstellungen der Parteien und der beteiligtengesellschaftlichen Gruppen.„ Oversch (2007), S. 117.
78
gemeinsam. Wo sich die Politiker uneinig waren - zum Beispiel bei dem Vorschlag von
Taxell, die allgemeine und berufliche Bildung über eine Jugendschule näher zusammen
zu bringen - scheiterte die Entscheidungsfindung.“234 In meinen Augen spielt in diesem
Zusammenhang auch die starke Zusammenarbeit der Regierung mit wissenschaftlichen
Gremien und die kontinuierliche Durchführung von für die Reformbemühungen
relevanten Studien, Experimenten, Pilotprogrammen und Evaluierungen eine wichtige
Rolle. Durch die wissenschaftliche Stützung der Reformen erhielten Entscheidungen
Glaubwürdigkeit bei Politikern und in der Gesellschaft.235
11. Schlussreflexion
In meiner abschließenden Reflexion möchte ich die in dieser Arbeit behandelten
Elemente des finnischen Schulsystems zusammen tragen, die sich als maßgeblich für
dessen Gesamtqualität erwiesen haben. Dabei möchte ich versuchen zu analysieren, in
wie weit bestimmte Elemente in einem besonders engen Verhältnis zueinander stehen.
Im zweiten Kapitel habe ich dargelegt, dass die Qualität eines Schulsystems 1.) von
einer Vielzahl von Faktoren, die auf unterschiedlichen Ebenen des Systems wirken,
abhängt und dass sie 2.) nicht von einer neutralen Position her beurteilt werden kann.
Die empirisch erfassbaren Wirkungen, die ein Schulsystem hervorbringt, können nur in
Verbindung zu den Erwartungen und Zielsetzungen, die normativ vorgegeben sind,
bewertet werden. Diese Setzungen können, im Rahmen einer literaturvergleichenden
Arbeit, vor allem den Normdokumenten der finnischen Regierung und
Bildungsbehörden (Gesetze, Rahmenlehrplan etc.), entnommen werden. Es hat sich
gezeigt, dass diese Dokumente ein Ziel besonders hervorheben: Chancengerechtigkeit.
Zunächst hatte ich gezeigt, dass die Wichtigkeit, die man diesem Prinzip in Finnland
beimisst, zumindest teilweise durch gewisse gesellschaftliche und historische
Rahmenbedingungen erklärt werden kann. Ein bevölkerungsarmes Land wie Finnland
kann es sich nicht leisten, menschliches Potential zu verschwenden, zumal es keinen
Reichtum an natürlichen Rohstoffen besitzt. In Finnland konnte sich daher das
Bewusstsein, dass das Wissen und die Fähigkeiten der Bevölkerung das maßgebliche
Entwicklungspotential der Gesellschaft darstellen, rasch durchsetzen. Historische
234 Oversch (2007), S. 117.235 Vgl.: Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 39.
79
Erfahrungen der Fremdbestimmung und eine relative geographische und sprachliche
Isolation des Landes können dazu beigetragen haben, dass die soziale Dimension des
Lebens in Finnland hohe Wertschätzung erfährt.
Des Weiteren wurde deutlich, dass das Ziel der Chancengerechtigkeit kein
bildungsspezifisches Ziel ist, sondern in die umfassende Konzeption des finnischen
Wohlfahrtsstaates eingebettet ist. Die kostenfreie und universelle Versorgung der
Bevölkerung mit schulischer Bildung bis zum 16. Lebensjahr wird in Finnland -
ähnlich der Gesundheitsfürsorge oder sozialen Leistungen - als wohlfahrtsstaatliche
Pflicht des Staates angesehen.
Was die Realisierung der Chancengerechtigkeit im finnischen Schulsystem betrifft, so
führten zwei unterschiedliche Blickpunkte zu verschiedenen Beurteilungen. Im
internationalen Vergleich schneidet Finnland hervorragend ab. Die Gesamtvarianz der
Schülerleistungen stellte sich als besonders gering heraus, da die schwächsten Schüler
des Landes im OECD-Vergleich überdurchschnittliche Leistungen erbringen. Die
Leistungsergebnisse auf Schulebene weisen ebenfalls eine unterdurchschnittliche
Varianz auf, so dass die Schulwahl für einen finnischen Schüler keine größeren
Konsequenzen hat. Auch die Bildungsbeteiligung ist vorbildlich.236 Signifikante
Unterschiede haben sich vor allem im Geschlechtervergleich gezeigt. Der
sozioökonomische Hintergrund der Schüler übt auch in Finnland einen signifikanten
Einfluss auf den Bildungsweg aus, wenngleich in geringerem Maße als in den meisten
anderen Ländern.
Die Beurteilung der Chancengerechtigkeit im finnischen Bildungssystem von einem
nicht vergleichenden nationalen Standpunkt aus hat deutlicher gezeigt, dass für einige
Bereiche Verbesserungsmaßnahmen notwendig sind. Als eine Folge von wachsenden
finanziellen Engpässen geraten besonders kleine, ländliche Schulen unter Druck und
vermögen nicht die gleiche, konstante Qualität zu gewährleisten wie Schulen aus
wirtschaftlich stärkeren Regionen.
Die literaturvergleichenden Untersuchungen dieser Arbeit haben außerdem gezeigt, dass
die meisten Komponenten des Systems die Realisierung von Chancengerechtigkeit
positiv beeinflussen. Als das Wichtigste dieser Elemente sehe ich das finnische
Unterstützungssystem mit den drei Kernbereichen der Schülerfürsorge, Lernberatung
236 Fast 100 % der finnischen Schüler schließen die 9. Klasse ab, wobei 2 % ein zusätzliches 10. Jahr inAnspruch nehmen und 95% weiterführende Schulen besuchen.
80
und des Förder- und Sonderpädagogischen Unterrichts an. Die Förderung der
schwächsten Schüler und die frühe Diagnose von Problemen können durch dieses
System effektiv geleistet werden.237 Es hat sich gezeigt, dass es in finnischen Schulen
Kommunikationsstrukturen gibt (z.B. die Spezialkonferenz), die es ermöglichen,
Lernprozesse für die Schüler in einem hohen Maß zu individualisieren. Der individuelle
Lernplan und der persönliche Förderplan sind wichtige Hilfsmittel in diesem Prozess
der Individualisierung.
Wesentlich ist ebenso, dass Diagnosen und Hilfestellungen der Beratung eines
multiprofessionellen Teams entspringen. Auf diese Weise werden Förderversuche, die
einseitig ansetzen und bestimmte lernhemmende Faktoren aus dem Blick verlieren,
weniger wahrscheinlich.
Ich vertrete die Ansicht, dass sich durch das ausgesprochene Ziel und die Praxis, keinen
Schüler vorschnell vom Kerncurriculum zu befreien, sondern vielmehr alle nach dem
selben Lehrplan lernen zu lassen238, die finnischen Schulen sehr stark in die Richtung
von „inklusiven“ Schulen bewegen. Die Strukturen der finnischen Peruskoulu lassen es
nicht zu, dass sich Gruppen von Schülern herausbilden, die beispielsweise eine Art
„Beschäftigungstherapie“ erhalten und damit in den Augen anderer Schüler das Stigma
der „Lernunfähigkeit“ tragen. Alle Schüler, auch jene mit schweren Behinderungen,
werden als „Lerner“ und damit als ein mit Fähigkeiten und Potentialen ausgestattetes
Mitglied der Schulgemeinschaft ernst genommen. Zudem lässt sich aus der
Zusammensetzung der Teams dieses Unterstützungssystems schließen, dass die Schüler
in Bezug auf ihr ganzheitliches Wohlergehen wahrgenommen werden.
Ein weiterer Aspekt, der sich als bedeutungsvoll erwiesen hat, ist die Schulträgerschaft
der Kommunen. Da diese ebenfalls die Verantwortung für das gesundheitliche Wohl
ihrer Bürger tragen, wird die Planung und Organisation der gezielten Schülerförderung -
die sowohl pädagogische als auch medizinische Aspekte beinhaltet - nicht durch
komplizierte bürokratische Wege behindert.
Chancengerechtigkeit wird in Finnland in meinen Augen durch ein zweites Element
gefördert: die Lehrerausbildung. Bereits durch die gezielte Auslese zukünftiger Lehrer
vor Antritt des Studiums ist eine wichtige strukturelle Bedingung zur Sicherung der
237 Dass es im Grad der Effektivität der Unterstützungssystems Unterschiede zwischen den Schulen gibt,haben Studien gezeigt.
238 Hierbei sei angemerkt, dass dies natürlich in einer den besonderen Bedürfnissen und Fähigkeiten desSchülers angepassten Form geschehen kann.
81
Unterrichtsqualität in den Schulen gegeben. In Finnland hat man Einigkeit darüber
erzielt, dass gewisse Persönlichkeitsmerkmale der Lehramtsanwärter, eine geeignete
Motivation sowie ihre Fähigkeit, pädagogisch zu denken und zu handeln so
entscheidend für die erfolgreiche Lenkung und Gestaltung der schulischen Lehr-Lern-
Prozesse sind, dass man sie unbedingt zu einer Bedingung der Zulassung zum
Lehramtstudium gemacht hat Menschen, die Lehrer werden, weil ihnen zum Beispiel
„nichts anderes in den Sinn gekommen ist“, haben in Finnland geringere Chancen, zu
einem Studium zugelassen zu werden.
Wie ist nun das finnische Lehramtsstudium zu bewerten? Ich denke, dass man es von
seinem inhaltlichen Aspekt her nicht überbewerten muss, da andere europäische
Lehramtstudien ähnliche inhaltliche Profile vorweisen können. Ebenso wie in
Deutschland gibt es in Finnland für die fachwissenschaftlichen Studien keine an das
Lehramt angepassten Kurse, so dass finnische Lehramtstudenten auch mit der Frage
umgehen müssen, inwieweit manchen Kursen praxisrelevante Aspekte abgewonnen
werden können.
Trotzdem hat sich als besonderes Element des Studiums die enge Verbindung von
Theorie und Praxis herausgestellt. Die Verteilung der Praktika über das gesamte
Studium, ihr aufeinander aufbauender Charakter, die intensive Betreuung sowie ihre
Begleitung durch angemessene Kurse, in denen didaktische Reflexion erlernt und ein
systematisches forschungsmethodisches Know-How erworben werden, können als
wirksames Mittel angesehen werden, forschungsgestütztes Denken für die
Unterrichtspraxis zu entwickeln. Der „forschende Praktiker“, der als Leitbild des
finnischen Lehramtstudiums gilt, wird zudem auf bevorstehende Aufgaben, wie
Schulevaluation und lokale Curriculumsentwicklung vorbereitet.
Auf die Praxis des Lehrerberufs in Finnland hat das finnische bereits behandelte
Unterstützungssystem einen großen Einfluss. Dadurch, dass gesundheitliche, psychische
oder soziale Probleme der Schüler durch ein multiprofessionelles Team aufgefangen
und gemindert werden können, erfährt der Lehrer eine enorme Entlastung. Er kann sich
in diesem Rahmen verstärkt auf die Lernprozesse der Schüler konzentrieren. Ein
weiterer Gesichtspunkt ist die Beratung, die zwischen dem Personal der Schule
stattfinden muss. Beratung gibt die Möglichkeit zur Entwicklung neuer Sichtweisen und
zur konstruktiven Besprechung vorhandener Probleme. Der Lehrer in der finnischen
82
Schule muss kein „Einzelkämpfer“ sein. Da mehrere Mitarbeiter für die Betreuung einer
Klasse zuständig sind, ist es leichter, seine Arbeit auf der Grundlage gegenseitiger
Unterstützung und Beratung zu leisten.
Ein drittes Element, das auf die Qualität der Bildung Einfluss hat, ist die Verwaltung
und Steuerung des finnischen Schulsystems. Die Gestaltung des heutigen Schulsystems
ging, wie gezeigt wurde, mit den Prozessen der Dezentralisierung und Deregulierung
einher. Finnland hat in dieser Hinsicht, was Entscheidungskompetenzen und
Verantwortung anbelangt, ein ausgewogenes Maß zwischen den Extremen einer
ausschließlich zentralistischen Steuerung und einer zu großen Autonomie der
Einzelschulen gefunden. Die wesentlichen Ziele und Inhalte des Unterrichts sowie alle
grundlegenden Komponenten des Systems (wie z.B. Förderunterricht, Evaluierung etc.)
werden auf der nationalen Ebene festgelegt. Man könnte sagen, dass die finnische
Regierung und das Zentralamt für Unterrichtswesen einen Handlungsrahmen mit
bestimmten feststehenden Eckpunkten vorgeben, innerhalb dessen die Kommunen (und
in gewissen Maße auch die Einzelschulen) für die konkrete Ausgestaltung und
Organisation des schulischen Bildungsbereichs verantwortlich sind. Was sind nun die
Vorteile einer solchen dezentralisierten Verteilung von Verantwortung? Die Kommunen
haben zum einen in vielen Bereichen einen klaren „Informationsvorteil“ gegenüber den
Akteuren auf nationaler Ebene, durch welchen die Einzelentscheidungen besser auf die
Anforderungen der gegeben Situation abgestimmt werden können. Entscheidungen
können außerdem schneller und flexibler getroffen werden, da lange und umständliche
Wege über verschiedene Instanzen einer Hierarchie nicht notwendig sind. Durch die
verstärkte Übertragung von Verantwortung auf die Ebene der Kommunen und
Einzelschulen kann das Potential der Verantwortlichen noch besser ausgeschöpft und
weiter entwickelt werden. Lehrer beispielsweise, deren Kompetenzen in Fragen der
Schulentwicklung, Evaluationsplanung und Curriculumerstellung einbezogen werden,
fühlen eine Wertschätzung ihrer Fähigkeiten. Sie haben weniger Grund, sich durch
bestehende Strukturen und Gegebenheiten eingeengt zu fühlen, da sie selbst an einem
aktiven Gestaltungsprozess teilnehmen können.
Ein viertes Element ist die regelmäßige Evaluierung des Schulsystems. In Finnland
bildet, wie deutlich wurde, ein aufwendig gesteuerter, auf mehreren Ebenen
stattfindender Prozess der Informationsgewinnung über den jeweils aktuellen Stand der
83
Entwicklung die Grundlage für die Steuerung des Systems. Auf allen Ebenen besteht
Zugang zu den wesentlichen Informationen, so dass jeder mit den Schwächen und
Stärken seines jeweiligen Bereichs vertraut ist. Die nationalen Behörden, Kommunen
und Einzelschulen sind verpflichtet, Evaluationsergebnisse in planvolle
Entwicklungsarbeit umzusetzen. Meiner Ansicht nach besteht gerade in dieser
transparenten und informationsgestützten Art der Bildungsteuerung ein weiteres
Qualitätsmoment des finnischen Schulwesens. Der Faktor Vertrauen und die Bemühung,
die Einzelschulen nicht „bloß zustellen“ oder zu „beschämen“ spielt in diesem
Zusammenhang eine wesentliche Rolle. Denn, anstatt sich auf einem landesweit
veröffentlichtem Schulranking wieder zu finden, erhalten Schulen vertraulich ihre
eigenen Evaluationsergebnisse, inklusive der Information zum Landesdurchschnitt. Die
Folge eines schlechten Abschneidens ist in Finnland nicht die Stigmatisierung der
Schule sondern sind vielmehr konkrete Hilfestellungen. In diesem Sinn hat der
Leitgedanke finnischer Pädagogik, niemanden zu beschämen, eine Entsprechung auf der
Ebene des Systems.
Für die meisten der beschriebenen Elemente, die sich nach dieser Untersuchung als
Qualitätsfaktoren des finnischen Schulsystems erwiesen haben, gilt, dass es zu ihrer
Umsetzung in die Praxis mehr als nur einer vorschriftsmäßigen Implementierung
bedarf. Evaluierung, Inklusion und individuelle Förderung, gemeinschaftliche
Curriculumentwicklung und Beratung - all diese Praktiken können nur funktionieren,
wenn sie mit einem grundlegenden Wandel in der „Schulkultur“ einhergehen. Dieser
Wandel ist mit einer Veränderung von Denkschemata, normativen Überzeugungen,
inneren Haltungen und Gewohnheiten verbunden, die naturgemäß Zeit benötigt, um
wirksam zu werden. In Finnland wurden die beschriebenen Elemente seit den 70er
Jahren nach und nach eingeführt und erweitert, so dass vieles bis heute zu einem
Bestandteil der finnischen Schulkultur geworden ist. Es darf aber nicht übersehen
werden, dass es auch in Finnland große Herausforderungen in all den oben genannten
Bereichen gibt. Ein genaueres Eingehen auf die Herausforderungen hätte jedoch einen
Zugang zu umfassenderen empirischen Studien verlangt, der mir auf Grund der
Literaturlage verwehrt geblieben ist. Mir kam es nicht zuletzt darauf an, größere
Entwicklungslinien und -tendenzen im finnischen Schulsystem zu identifizieren, die in
vielerlei Hinsicht als richtungsweisend gelten können.
84
12. Literaturliste
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