Fachdidaktische Modelle - Institut für Sportwissenschaft · Fachdidaktische Modelle •...
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Claus Krieger
Fachdidaktische Modelle
Kiel, 24.11.14
Fachdidaktische Modelle • Einführung – Hintergrund • „klassische“ Modelle
• 1. Sportartenprogramm (Söll) • 2. Körpererfahrung (Funke) • 3. pragmatische Sportdidaktik/Handlungsfähigkeit/Erziehender
Sportunterricht/“intermediäres Modell“ (v.a. Kurz) • 4. „Spaß“/Entpädagogisierung (Volkamer)
• weitere Modelle • Mehrperspektivität/“Didaktischer Dreischritt“ (Ehni) • Bewegte Schule • Kasuistische/Narrative Didaktik
• Zusammenfassung und Diskussion
Dietrich Kurz Karlheinz Scherler
Bsp.: ‚Gegenstand‘ der Sportpädagogik?
•Vom ‚Sport‘ ausgehend •Ziel: Handlungsfähigkeit
•Vom sich bewegenden Kind ausgehend •Ziel: Entwicklungsförderung
Schule Erziehung
Sportpädagogische Grundpositionen
vgl. Dietrich & Landau, 1990
Zu klärende Fragen zur eigenen Position im „Spielfeld“ zwischen Bewegung und Sport:
Auf welche Seite schlägst Du Dich?
Was ist besser für Jungen/ für Mädchen?
Wie sollte das Fach heißen?
• Was ist besser für jede Altersstufe/ Schulstufe?
• Welche Inhalte für welche Vermittlung? • Wie viel Sport? Wann, wie und welcher?
Doppelauftrag „Erziehender Sportunterricht“
fachliches Lernen
persönlichkeits-bezogenes
Lernen „Erziehung
durch Sport“ „Erziehung zum Sport“
Sport- unterricht
Leitidee „Erziehender Sportunterricht“
Wozu sportdidaktische Konzepte/Modelle? (sportdidaktisches Lehrbuch)
Sportdidaktische Modelle sind „…theoretische Entwürfe von Sportdidaktikern. In ihnen sind begründete Zielvorstellungen über
die pädagogischen Möglichkeiten und Anliegen des Faches formuliert und für die Gestaltung des Unterrichts bestimmte Ziele,
Inhalte und Methoden empfohlen.“
(Bräutigam 2003, S. 92)
•Absicht ist die Vorstellung und der Vergleich aktueller fachdidaktischer Konzeptionen (Leitideen, Hintergründe, Veranschaulichung durch Beispiele). •Man kann solche Konzepte kennen lernen, ohne sie zu verstehen, v.a. wenn man nur auf ihre ‚Anwendung‘ blickt. •Der reflexive Gang durch einige Konzepte soll helfen zu ‚theoretisieren‘, und dadurch reflektierend zu unterrichten. Sie sollen Denkanstöße zur Entwicklung und argumentativen Absicherung der eigenen didaktischen Position liefern. •Problem: Lässt sich durch Theoretisieren für Problemlagen sensibilisieren, die noch nicht im eigenen Erfahrungshorizont liegen?
Methoden- vielfalt, Fokus offene Unterrichts-
methoden
Thema
Bewegungsfelder (unter der Perspektive
von Kompetenz- bereichen)
Wozu? - Ziele
Was? Inhalte
Wie? Methoden
WOZU-WAS-WIE
Integration Bewegungsbildung & Allgemeinbildung
Das „Eigentliche“ des Sports als didaktische Grundlage des Sportunterrichts (aus: Söll 1996)
1. Sportartenkonzept (Söll)
pädagogische Leitidee: In der Struktur des Sports an sich liegen pädagogische Gehalte
„Eigenwert“ des Sports
Ziel: Sport treiben können (Teilhabe)
Inhalte: gesellschaftlich relevante Sportarten; traditionell: Kanon Schulsportarten
didaktische Schritte: Orientierung an der Sachstruktur des Sports
bspw. an funktionalen Bewegungsmustern, an Regeln, usw. > Methode: Lehrtechnologien (MÜR, MSR, …)
1. Sportartenkonzept (Söll)
Methodische Übungsreihe
(MÜR)
„…nach methodischen Grundsätzen geordnete Übungsfolgen, die zur
Erlernung einer bestimmten motorischen
Fertigkeit (Zielübung) (…) führen sollen.“
(Fetz, 1996)
Methodische Spielreihe
(MSR)
Kritische Würdigung: Erziehung zum Sport ? Erziehung durch Sport ? Integration der Erziehung zum und durch Sport ?
1. Sportartenprogramm (Söll)
Idealtypisches Beispiel
Wie könnte eine Unterrichtsstunde auf Grundlage des fachdidaktischen Modells Sportartenprogramm nach Söll zum Thema „Bewegen im Wasser“ in etwa aussehen?
Sportlehrertypen – Typ 1 2.45
pädagogische Leitidee: Zivilisations- und gesellschaftskritische Haltung - Verlustszenarien Sinn des Sportunterrichts = Entwicklungsförderung, Identitätsfindung
(Sport = Medium dazu; Bezugspunkt ist der sich-bewegende Mensch, nicht der Sport)
Ziel: Emanzipatorische Handlungsfähigkeit (Mündigkeit, Reflexivität)
Inhalte: Kritisch: „Sport“ = pädagogisch ungeeigneter Unterrichtsinhalt
Begründung: Dominanz der komparativen Bedeutung und „Ver-Regelung“ der Bewegung
Forderung: Offenes, erfahrungsorientiertes Sportverständnis
2. Körper-/Bewegungserfahrung (Funke)
•Ziel ist es, Selbstmotiviertheit intrinsisch auf die Sache zu lenken •Voraussetzung: Eigenaktivität der Schüler •Thematisch geht es um den „Körper in Ruhe, Bewegung und Beziehung“ offene Bewegungsangebote / auch nicht-sportliche
Bewegungsformen
Sachbezug: 2. Körper-/Bewegungserfahrung (Funke)
•Schulsport als deutlicher Gegenpol zum außerschulischen, „kommerziellen“ Sport •Ausbildung individueller Bewegungskompetenz •korrektive Funktion
Fragehaltung der Schüler herausfordern
kreative Suche nach Bewegungserfahrungen und -varianten aktives Erkunden von Körperpraktiken Reflektieren von Körper- und Bewegungsproblemen > Offene Unterrichtsmethoden
2. Körper-/Bewegungserfahrung (Funke)
•Demokratischer, die kreative Selbständigkeit der Schüler fördernder Unterrichtsstil (offener Unterricht) •Hauptmerkmal: Verständigungscharakter
Vermittlungsansatz:
‚Differenzierte Erfahrungssituation‘ statt ‚Methodischer Übungsreihe‘
Kritische Würdigung: Erziehung zum Sport ? Erziehung durch Sport ? Integration der Erziehung zum und durch Sport ?
Idealtypisches Beispiel
Uni Hamburg Fachbereich Bewegungswissenschaft
Schwerpunktprüfung Turnen
2. Körper-/Bewegungserfahrung (Funke)
Wie könnte eine Unterrichtsstunde auf Grundlage des fachdidaktischen Modells Körpererfahrung nach Funke zum Thema „Bewegen im Wasser“ in etwa aussehen?
Pädagogische Perspektiven
Leistung
Spannung Gesund-heit
Mit-einander Eindruck
Ausdruck
3. pragmatische Sportdidaktik/
Handlungsfähigkeit (Kurz)
Pädagogische Perspektiven
des Sport-unterrichts
(KURZ 1977; 1990)
pädagogische Leitidee: Sportliches Handeln ist sinnvolles Tun, Schüler sollen ihr sportliches Handeln auf
individuellen Sinn prüfen Ziel: Handlungsfähigkeit zum, im und durch Sport
Schüler „in den Stand setzen, bewusst zu entscheiden, welchem Sport sie in ihrem Leben welchen Platz geben wollen“ (Kurz 1993, S. 57).
Inhalte: Sportarten unter der Perspektive von 6 motivationspsychologisch begründeten
„Sinnebenen“ > Pädagogische Perspektiven didaktische Schritte: Orientierung an Perspektiven / Kompetenzbereichen (vgl. Lehrplan)
> mehrperspektivischer Unterricht
3. pragmatische Sportdidaktik (Kurz)
Von subjektivem Sinn und pädagogischen Perspektiven
Leistung
Miteinander
Eindruck
Ausdruck
Wagnis
Gesundheit
Das Leisten erfahren und reflektieren
Gemeinsam handeln, spielen und sich (prosozial) verständigen
Bewegungserfahrungen erweitern, Wahrnehmungsfähigkeit verbessern
Sich körperlich ausdrücken, Bewegungen gestalten
Etwas wagen und verantworten
Fitness verbessern, Gesundheitsbewusstsein entwickeln
„Ich will mit Kim“ „Nicht mit dem!“
„Ich kann was“ „Ich bin besser“
„Ich will (nicht) probieren“
„Guck mal !“
„Ich trau‘ mich (nicht)“
„….?“
Prinzip der Reflexion Prinzip der Verständigung Prinzip der Erfahrungs- und Handlungsorientierung Prinzip der Mehrperspektivität Prinzip der Wertorientierung
(vgl. Funke-Wieneke, 1999, S. 17)
Weiterentwicklung: Erziehender Sportunterricht Prinzipien
Prinzip der absichtlichen Unabsichtlichkeit Prinzip der Einheit von Lehren und Erziehen Prinzip der Gleichrangigkeit von Weg und Ziel
(vgl. Prohl, 2008)
Rahmenplan
Bildungsplan Sport Hamburg 2011
Kritische Würdigung: Erziehung zum Sport ? Erziehung durch Sport ? Integration der Erziehung zum und durch Sport ?
3. Pragmatische Sportdidaktik (Kurz)
Idealtypisches Beispiel Wie könnte eine Unterrichtsstunde auf Grundlage des fachdidaktischen Modells Pragmatische Sportdidaktik nach Kurz zum Thema „Bewegen im Wasser“ in etwa aussehen?
Sportlehrertypen – Typ 1 9.25
Mehr-perspektivität:
Beispiel Schwimmen
(vgl. Scherler,
1989)
Die kognitiven Anforderung sind oft erheblich...
Erziehender Sportunterricht Beispiel Der etwas andere Cooper-Test
(vgl. Koch , 1999, S. 33-35)
- Das Leisten reflektieren - Kooperieren und Wettkämpfen - Wahrnehmungsfähigkeit verbessern - Gesundheit/Fitness
Grenzerfahrung Voraussetzung: realistische Selbsteinschätzung Verlassen auf andere
Risiko – Abenteuer – Wagnis: pädagogische Kategorien?
Definition: „Wer wagt sucht aus eigener Entscheidung eine unsicher Situation auf und bemüht sich, diese im Wesentlichen mit den eigenen Fähigkeiten zu bewältigen. Dabei ist die Unsicherheit von der Art, dass sie zumindest subjektiv als Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit empfunden wird“ (Kurz 1999).
pädagogisches Potential, kein sicherer pädagogischer Gewinn alle Perspektiven ambivalent
Person
Grenz-/Bewährungssituation
Aufforderungscharakter Tätigkeitsanreize: a Kompetenzerleben b Erregende Bedrohungswahrnehmung c Ungewöhnliche Bewegungszustände
Abwägungs- prozess: •kognitiv •affektiv Entscheidung
Handlungsverlauf: Aufsuchen Aushalten Auflösen
Sinnperspektiven des Sportunterrichts - Was ist Sport?
4. „Spaß“/Entpädagogisierung (Volkamer)
„Sport ist die willkürliche Schaffung von Aufgaben, Problemen, Konflikten, die mit überwiegend körperlichen Mitteln gelöst werden. Die Lösungen sind beliebig wiederholbar, verbesserbar und übbar und die Handlungsergebnisse führen nicht unmittelbar zu materiellen Veränderungen“ -> ästhetische Dimension -> Sport als subjektive Sinnerfüllung
Sinnperspektiven des Sportunterrichts - Was ist Sport?
Konsequenzen
•Voraussetzung: Freiwilligkeit •Schüler sollen von Zwängen der Institution Schule befreit werden (Betonung des Spaßes) •radikale Entschulung: Teilnahmepflicht, Zensurengebung, Lehrplanvorschriften •Sport hat sich von der Inanspruchnahme als Erziehungsmittel (etwa zur Sozialerziehung oder Gesundheitserziehung) zu befreien •Wichtiger als die Methode sind die Sachkompetenz des Sportlehrers, seine Motivation und Persönlichkeitseigenschaften wie Humor, Verständnis, Wertschätzung und Einfühlungsvermögen
4. „Spaß“/Entpädagogisierung (Volkamer)
Weitere Konzepte
Alternative I: „Didaktischer Dreischritt“ (H. Ehni 1977)
1. spezifische Handlungsfähigkeit im Sport (Integration) 2. kritische Distanz gegenüber dem Sport (Rekonstruktion) 3. Neu-Konstruktion sportlicher Wirklichkeit.
Beispiel : „Vom Hürdenlauf zum Hindernislauf“
(1) Einführung in das Hürdenlaufen, Lehrfilm
(2) Technik & individuelle Korrekturen
(3) ‚richtiges‘ Hürdenlaufen auf der Bahn
(4) Hindernislauf: Überschreiten des Hürdenlaufs
(5) Regeln und soziale Hindernisse
(6) selbstgestalteter Hindernisparcours
(7) Läufe im Freien, natürliche Hindernisse
(8) Körperliche und persönliche Hindernisse
spezielle Handlungsfähigkeit
allgemeine Handlungsfähigkeit
Integration
Alternative 2: Bewegte Schule
Alternative 2: Bewegten Schule
Sportgemeinschaften Schul(sport)feste Wettkampfprogramme Wanderungen/Fahrten
10 Argumente für mehr Bewegung in der Schule
1. Ergonomischer Aspekt 2. Physiologischer Aspekt 3. Gesundheitserzieherischer Aspekt 4. Sicherheitserzieherischer Aspekt 5. Entwicklungstheoretischer Aspekt 6. Lernpsychologischer Aspekt 7. Lebensweltlicher Aspekt 8. Anthropologischer Aspekt 9. Schulökologischer Aspekt 10. Bildungstheoretischer Aspekt
Bewegte Schule – pädagogische Möglichkeiten
•Erweiterung der Handlungsfähigkeit •Stärkung der Selbstorganisation •Ausgleich schulischer Belastungen •Rollenmodifikation und soziales Lernen •Chancen zur Differenzierung •Gelegenheit zur Diagnose •Ansätze zur fächerübergreifenden Zusammenarbeit •Intensivierung des Schullebens •Öffnung der Schule
Bedingungen
Organisieren und Ausgestalten
Lehrer und Schüler Präsentieren Interagieren und Aneignen Inhalte Schüler
Prozessmodell von Unterricht
Der didaktische Stern (Scherler, 2004)
Alternative 3: Kasuistische/Narrative Didaktik
Fallanalysen > Erwerb didaktischer Sensibilität
Was ist geschehen? (Fakten) Was ist zu fordern? (Normen) Was passt nicht zusammen? (Probleme) Was ist zu tun? (Lösungen) Scherler / Schierz 1995
• Reflexion der eigenen didaktischen Position und Sportle(hre)rrolle!
• Denkanstöße, keine normativen Vorgaben!
• konzeptionelle Vielfalt (und Unübersichtlichkeit) kein Übel, sondern Gewinn?!
Wozu sportdidaktische Konzepte? (hochschuldidaktische Begründung)
Weitere Sportlehrertypen…