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DER DUFT DER UMGESTÜRZTEN PARFÜMFLASCHE Exil und Diaspora - biblische Paradigmen von Krise und Neubeginn Sr. Dr. Margareta Gruber OSF In: K. Schaupp, C.E. Kunz (Hgg.), Erneuerung oder Neugründung? Wie Orden und kirchliche Gemeinschaften lebendig bleiben können, Mainz 2002, 72-87. 1. IN DER WÜSTE GEBOREN „Wir sind in der Wüste geboren“, sagte mir vor einiger Zeit eine Mitschwester, mit der ich vor 14 Jahren das Noviziat begonnen habe. Seit wir im Kloster sind, sprechen wir von der „Erneuerung“ des Ordenslebens. Wir sind natürlich nicht die ersten. Wenn man den Schwestern zuhört, die um 1960 eingetreten sind, die uns also geprägt haben, so erzählen diese von dem großen Elan, der den nachkonziliaren Aufbruch geprägt hat. Die Widerstände müssen groß gewesen sein, entsprechend auch die gewonnenen Schritte der Erneuerung. Die Stürme und „Erfolge“ dieser Zeit eines „Exodus“ aus alten Klosterbildern prägten bewusst oder unbewusst das, was wir uns unter „Erneuerung“ vorstellten – unterstützt natürlich durch den ungeduldigen Idealismus der Anfänger. Exodus – Auszug. Ich denke, der Pastoraltheologe Rolf Zerfaß hat recht, wenn er das Leitbild der Kirche in den 60er und 70er Jahren diesem biblischen Paradigma zuordnet 1 . Die „spirituelle Schlüsselmetapher“ des Konzils, Volk Gottes auf dem Weg, hatte für die meisten Christen in dieser Zeit den Geschmack des Auszugs und dynamischen Aufbruchs in eine von Gott zugesagte große Verheißung hinein. Das war in den Klöstern nicht anders.

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DER DUFT DER UMGESTÜRZTEN PARFÜMFLASCHE

Exil und Diaspora - biblische Paradigmen von Krise und Neubeginn

Sr. Dr. Margareta Gruber OSF

In: K. Schaupp, C.E. Kunz (Hgg.), Erneuerung oder Neugründung? Wie Orden und kirchliche Gemeinschaften lebendig bleiben können, Mainz 2002, 72-87.

1. IN DER WÜSTE GEBOREN

„Wir sind in der Wüste geboren“, sagte mir vor einiger Zeit eine

Mitschwester, mit der ich vor 14 Jahren das Noviziat begonnen habe. Seit

wir im Kloster sind, sprechen wir von der „Erneuerung“ des Ordenslebens.

Wir sind natürlich nicht die ersten. Wenn man den Schwestern zuhört, die

um 1960 eingetreten sind, die uns also geprägt haben, so erzählen diese von

dem großen Elan, der den nachkonziliaren Aufbruch geprägt hat. Die

Widerstände müssen groß gewesen sein, entsprechend auch die

gewonnenen Schritte der Erneuerung. Die Stürme und „Erfolge“ dieser Zeit

eines „Exodus“ aus alten Klosterbildern prägten bewusst oder unbewusst

das, was wir uns unter „Erneuerung“ vorstellten – unterstützt natürlich

durch den ungeduldigen Idealismus der Anfänger.

Exodus – Auszug. Ich denke, der Pastoraltheologe Rolf Zerfaß hat recht,

wenn er das Leitbild der Kirche in den 60er und 70er Jahren diesem

biblischen Paradigma zuordnet1. Die „spirituelle Schlüsselmetapher“ des

Konzils, Volk Gottes auf dem Weg, hatte für die meisten Christen in dieser

Zeit den Geschmack des Auszugs und dynamischen Aufbruchs in eine von

Gott zugesagte große Verheißung hinein. Das war in den Klöstern nicht

anders.

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Wenn man die biblische Exodus-Geschichte weiter liest, folgen auf die

dramatischen Exodus-Erfahrungen Israels jedoch bald andere: die Zeit wird

lang, das Volk kommt in der Wüste nur langsam voran und wird müde, das

Ziel ist noch nicht in Sicht, während gleichzeitig der Kontakt zur Ur-

Erfahrung schwindet. Die Ungleichzeitigkeit der Exodus-Truppe äußert

sich in Ungeduld, Uneinigkeit und Murren; das Volk des Auszugs und

diejenigen, die bereits „in der Wüste geboren sind“, müssen lernen, ihre

Schlüsselerfahrung „Volk Gottes auf dem Weg“ neu zu buchstabieren und

die Zeit der Wüstenwanderung in ihre Exoduserfahrung zu integrieren.

2. EXODUS IN DIE ZERSTREUUNG

Doch kennt die Geschichte Israels nicht nur diesen ersten Auszug des

Volkes aus dem Sklavenhaus Ägypten. Es folgt später das, was die

hebräische Bibel gola oder galut nennt, Gefangenschaft, Deportation und

Vertreibung: Israels Weg ins Exil, aus dem gelobten Land in die

Gefangenschaft Babylons. Die Wüstenzeit, die diesem Exodus folgt, ist das

Leben im Exil, der erzwungene Aufenthalt im Feindesland. Im Laufe der

Zeit wird daraus das Leben als Fremde in der „Zerstreuung“, in der

Diaspora.

Zerfaß fragt, ob nicht diese Wegstrecke des Gottesvolkes dem Weg der

Kirche – und der Orden – in den 80er und 90er Jahren mit ihren Irritationen

und Enttäuschungen besser entspricht als der erfolgreiche Exodus. Haben

wir die Metapher vom Volk Gottes auf dem Weg bisher nur halb

verstanden? „Wir haben uns nur die Erfolgsgeschichte Israels zu eigen

gemacht, .. nicht aber seinen Abstieg in die Zerstreuung unter die fremden

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Völker, in die Zumutung einer Existenz als Minderheit inmitten fremder

Kulturen.“2

Um es im Sinn der Themenstellung dieses Bandes vorweg zu nehmen:

Wenn man den Exodus und die Wüstenzeit als die Zeit der „Gründung“ -

Founding – Israels betrachten kann, so ist in Exil und Diaspora Israels

„Refounding“ – seine Wiedergründung – geschehen. Im poetischen

Hoffnungsbild eines Midrasch aus der Diaspora: Israel ist wie eine

Parfümflasche, die umgefallen ist und gerade dadurch ihren Duft

verbreitet3. Deshalb dürfte Ordensleute und Mitglieder geistlicher

Gemeinschaften das neue Paradigma nicht erschrecken, sondern wir sollten

genau hinschauen, um im Licht der Erfahrungen Israels unseren eigenen

Weg in dieser Zeit besser zu verstehen. Dem sollen die folgenden

Überlegungen dienen. Nach einem kurzen Blick auf die Geschichte Israels

in Exil und die Diaspora (Kap. 3) soll untersucht werden, wie Israel mit

diesen Erfahrungen umgegangen ist (Kap 4). Es werden sich sehr

unterschiedliche Antworten zeigen. Welche Grundvoraussetzungen und –

vorgänge für den Prozess einer Neu- oder besser Wiedergründung lassen

sich daraus erkennen (Kap. 5)? Mit den biblischen Paradigmen „Exil“ und

„Diaspora“ werden damit die biblischen Grundlagen für die in diesem

Band vorgestellte und diskutierte Refounding-Theorie als Weg durch die

Krise in einen Neubeginn vorgestellt.

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3. EXIL UND DIASPORA – DIE URSPÜNGLICHSTE RELIGIÖSE

ERFAHRUNG ISRAELS

Als die „möglicherweise ursprünglichste religiöse Vorstellung des

Judentums“ bezeichnet der jüdische Philosoph und Historiker P. Mendes-

Flohr das Exil.4 Des Judentums, wohlgemerkt; dies sei ausdrücklich

vorangestellt, denn die mit den Stichworten Exil und Diaspora, Verfolgung,

Verschleppung, Zerstreuung und Leben als Minderheit verbundenen

Leidenserfahrungen sind primär die des jüdischen Volkes5. Das biblische

Paradigma, Israel zwischen Exil und Rückkehr, ist zur existentiellen

Standortbestimmung des jüdischen Volkes geworden.6

Exil und Diaspora werden oft in einem Atemzug genannt, sind jedoch nicht

identisch, sondern bezeichnen zwei sehr verschiedene geschichtliche und

kulturelle Standorte. Die begriffliche Unterscheidung ist mit dem

griechischen Wort Diaspora – „Verstreuung, Zerstreuung, Auflösung“

(diaspora) - erst in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments

greifbar, der Septuaginta, die im ägyptischen Alexandria im 2. Jahrhundert

v. Chr. entstand und selber eine der größten Leistungen der jüdischen

Diaspora ist. Die Periode des Exils, der Gefangenschaft, die mit der

Eroberung Jerusalems 587 v. Chr. begonnen hatte, ist längst vorbei. Nach

dem Rückkehredikt des Königs Kyros 538 v. Chr. waren viele der

Verschleppten wieder heimgekehrt und hatten mit dem Wiederaufbau des

zerstörten Tempels und der Neuordnung der jüdischen Gesellschaft

begonnen. Viele Juden blieben jedoch sowohl in Mesopotamien als auch in

Ägypten, wohin sie nach dem Untergang des Südreiches ausgewandert

waren, und so entwickelte sich sowohl in Babylonien als auch in Ägypten

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eine jüdische „Diaspora“, ein Leben in der „Zerstreuung“. Aus dem Exil,

der Verschleppung und dem erzwungenen Aufenthalt im Land der Eroberer

bzw. im ägyptischen Asyl, ist ein Leben in der Diaspora geworden, der

freiwillige Aufenthalt als ethnische und religiöse Minderheit außerhalb des

gelobten Landes. Zur Zeit Jesu gab es fast in allen großen Städten der

römischen Ökumene jüdische Diasporagruppen. Nach der zweiten

Zerstörung des Tempels durch Titus im Jahre 70 n. Chr. boten diese

Gemeinden die erste Infrastruktur für die nun abermals versprengten Juden,

für die das neuerliche Exil und die sich daraus entwickelnde Diaspora zur

vorherrschenden Lebensform wird bis zur Gründung des jüdischen Staates

1948.

Zusammenfassend lässt sich zur Unterscheidung von Exil und Diaspora in

der biblischen Literatur sagen: Das Exil kann nur ein vorübergehender

Aufenthalt sein, selbst wenn es auf Dauer gelebt werden muss; Exil ist mit

Verfolgung und Bedrohung der Existenz verbunden. In der Diaspora

dagegen ist das Leben auf Dauer eingestellt. Das Leben im Exil bedeutet

Sehnsucht nach Rückkehr in die verlorene Heimat. Diaspora heißt:

Einwurzeln in der Fremde und darin die eigene religiöse Identität

bewahren.

4. BIBLISCHE ANTWORTEN AUF EXIL UND DIASPORA

Exil und Diaspora werden Israels großen Lernorte des Glaubens. „Jeder

Satz des AT darf daraufhin befragt werden, was er Menschen unter

Verhältnissen zu sagen hat, in denen alles gegen Gott spricht.“7 Krise und

Neubeginn ist ein, wenn nicht das Hauptthema das Alten Testaments. Die

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wesentliche Arbeit am hebräischen Kanon geschah nach dem Exil und ist

damit bereits eine Verarbeitung dieser Schlüsselerfahrung Israels. Der

Pentateuch, der Kern der hebräischen Bibel, gegen 400 v. Chr. vollendet,

stellt die vorexilischen Erfahrungen Israels in den Rahmen zwischen Exil

in Ägypten und Rückkehr ins Gelobte Land und macht damit „die

Spannung von Exil und Rückkehr im vollen Wortsinn kanonisch.“8 Die

jüdische Tora enthält damit das Lebensparadigma, in dem auch der Jude

Jesus von Nazareth aufgewachsen ist.

Welche Antworten auf den nationalen und religiösen Zusammenbruch

finden sich in den Schriften des Alten Testaments? Kann man die Prozesse

nachzeichnen, die zu Israels „Wiedergründung“ im Exil führten? Zwei

Grundmodelle lassen sich unterscheiden, in denen sich die beiden

Standorte Exil und Diaspora spiegeln und damit auch verschiedene

geschichtliche Phasen des Neugründungsprozesses: Die

„Wurzelbehandlung“ geschieht durch die großen Propheten im Exil und in

der Geschichtstheologie des nachexilischen deuteronomistischen

Geschichtswerks9. Hier wird die Katastrophe Israels auf die Frage nach

Gottes Handeln in Gericht und Neubeginn konzentriert (Kap. 4.1). Die

spätere Theologie und Spiritualität der Diaspora dagegen zeigt die Chancen

und auch Risiken kultureller Einwurzelung in die Fremde, sowie die

Möglichkeiten und Grenzen ihrer theologischen Integration (Kap. 4.2).

Ich möchte beide Antworten an exemplarischen Texten verdeutlichen:

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4.1 GOTTES HANDELN IN GERICHT UND NEUBEGINN: DIE

ANTWORT DES EXILS

Die Eroberung und Zerstörung Jerusalems durch die babylonischen

Truppen Nebukadnezzars 587 v. Chr. bedeutete das Scheitern Israels als

Staat und als Glaubensgemeinschaft. Die Israeliten verloren ihr gelobtes

Land und ihren König; Zidkija wurde als Geblendeter weggeführt,

nachdem er noch die Hinrichtung seiner Söhne mit ansehen musste (2 Kön

25,7). Die Besiegten verloren auch den Tempel, den Ort der Gegenwart

Gottes, und mit ihm ihren Kult und die Priesterschaft, die als geistige Elite

ebenfalls verschleppt wurde. Im babylonischen Exil waren sie als

Minderheit einer Kultur ausgesetzt, die hoch entwickelt und attraktiv war,

auch in kultisch-religiöser Hinsicht. Den Geschlagenen und Heimatlosen

drohte jetzt der stärkste Verlust: hatte die Niederlage nicht die

Unterlegenheit JHWHs unter die babylonischen Götter bewiesen? Für die

Exulanten stand ihre religiöse Identität auf dem Spiel.

Diese Frage auf Leben und Tod hat eine gewaltige Glaubensleistung

provoziert: Israel, das bis dahin prinzipiell zwar nur JHWH verehrt, aber

durchaus mit der Existenz auch anderer Götter gerechnet hatte

(Monolatrie), stößt im Exil zum eigentlichen israelitischen Monotheismus

durch. Die Antwort auf die religiöse Bedrohung ist also radikal und

aggressiv: Die Götter, die stärker als JHWH scheinen mussten, sind nicht

nur nicht stärker als JHWH; sie sind in Wirklichkeit „Nichtse“:

„JHWH ist der Gott. Keiner sonst ist (Gott) außer ihm“ (Dtn 4,35).

Die andere Seite dieses radikalen Monotheismus ist die ebenso radikale

Konfrontation mit der eigenen Sündhaftigkeit: Das Exil ist ein

Gottesgericht, ist die Strafe Gottes für Israels generationenlange Untreue.

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Dtn 1-4 ist eine im Exil entstandene rückblickende Zusammenfassung der

Geschichte Israels von der Gottesoffenbarung am Sinai bis an die Schwelle

des gelobten Landes, die dem Mose in den Mund gelegt ist. Dort wird

Israel androht, was mit dem Exil eingetreten war, und dieses dadurch

erklärt:

„Wenn ihr also tut, was in den Augen des Herrn böse ist ... dann

werdet ihr unverzüglich aus dem Land ausgetilgt sein, in das ihr jetzt

über den Jordan zieht, um es in Besitz zu nehmen. Nicht lange werdet

ihr darin leben. Ihr werdet vernichtet werden. Der Herr wir euch

unter die Völker zerstreuen“ (Dtn 4,25-27).

JHWH ist „ein verzehrendes Feuer und ein eifersüchtiger Gott“ (Dtn 4,24).

Seine Eifersucht wird, so die deuteronomistische Theologie, nur durch die

Umkehr Israels zu ihm, dem einzigen Gott, überwunden, theologisch

gesprochen, durch den Durchstoß zum Monotheismus. Daran knüpft sich

auch die Hoffnung auf Vergebung und Neuanfang:

„In späteren Tagen wirst du zum Herrn, deinem Gott zurückkehren

und auf seine Stimme hören. Denn JHWH, dein Gott, ist ein

barmherziger Gott. Er lässt dich nicht fallen und gibt dich nicht dem

Verderben preis ...“ (Dtn 4,30f).

Der spätexilische Prophet Deuterojesaja bringt eine Botschaft des Trostes

für das Volk, das die Krise in die Umkehr geführt hat und nun neu auf das

Wirken JHWHs hofft. Er verkündet, dass Israel die „volle Strafe“ aus der

Hand des Herrn erlitten hat und das Ende des Frondienstes gekommen ist

(Jes 40,2). Die Heimkehr der Verschleppten nach Jerusalem übertrifft sogar

den Exodus; kein hastiger Aufbruch, sondern eine feierliche Prozession, an

deren Beginn und Ende JHWH selbst geht (Jes 52,1.12).

Deuterojesaja ist jedoch nicht nur der große Prophet der Heimkehr, sondern

ein Verkünder des konsequentesten Monotheismus (Jes 41,4.23f. 27-29;

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43,10-13; 44,6.8: 46,9). Er formuliert einen Spitzensatz, der so nur aus der

Situation des Exils verständlich ist, das vor dem „Alles oder Nichts“ in der

Gottesfrage stand: Wenn JHWH der einzige Gott überhaupt ist, der die

Weltgeschichte in der Hand hat, so dass er sogar den persischen König

Kyros wie ein Werkzeug behandeln kann (Jes 45,1-6), dann muss er auch

für alles andere, für das Schädliche, ja, für das Unheil zuständig und

verantwortlich sein:

„Ich bin JHWH, und keiner sonst, der gebildet hat das Licht und

erschaffen hat die Finsternis, der gemacht hat das Heil und

erschaffen hat Unheil. Ich bin JHWH, der gemacht hat all dies.“ (Jes

45,5-7)10

Um der Einzigkeit seines Gottes willen nimmt es der Prophet in Kauf,

selbst Finsternis und Unheil mit seinem Gott zusammenzubringen. Ob

damit auch das mit dem Exil und seinen Folgen verbundene Unheil,

insofern es sich nicht mit der Schuld Israels verrechnen lässt, gemeint ist,

vermag ich nicht zu sagen. Hier die Theodizeefrage anzusetzen wäre wohl

zu weit gegangen. Beeindruckend ist jedoch die Kompromisslosigkeit, mit

der der Prophet fähig ist, für das unbedingte Festhalten an der Allmacht

JHWHs unlösbare Spannungen in seiner Gotteserfahrung auszuhalten und

ins Wort zu bringen. Jesaja und damit Israel, das den Text in seine Heilige

Schrift aufnahm, hat lieber in Kauf genommen, dass JHWH selber

ursächlich für sein, des Volkes Versagen, verantwortlich zu machen sei und

auch darin noch wirke, als die Hoheit seines Gottes angesichts des

Scheiterns Gottes mit Israel preiszugeben.

Als letzte Stimme aus der Zeit des Exils möchte ich den Propheten Jeremia

nennen. Sein Leben zeigt in besonderer Weise, wie sich die Krise des

Gottesvolkes in einer prophetischen Existenz niederschlägt. Es war der

prophetische Auftrag und das Lebensschicksal des Propheten Jeremia,

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mitten in Jerusalem und unter seinem Volk die Situation eines isolierten

Exulanten in gesellschaftlicher, kultureller und religiöser Randposition an

seinem eigenen Leib vorweg zu erleiden. Auf JHWHs Verfügung hin darf

er weder heiraten noch sich am gesellschaftlichen Leben beteiligen. JHWH

verbietet ihm sogar die prophetische Fürbitte für sein Volk (er wird

sozusagen von Gott „suspendiert“: Jer 7,17; 11,14; 14,11). Er muss die

Sanktionen, mit denen Familie und Gesellschaft einen Außenseiter

bestrafen, ertragen (11,21-23; 12,6) und auch seine eigene bittere Reaktion

darauf:

„Ich sitze nicht heiter im Kreis der Fröhlichen; von deiner Hand

gepackt, sitze ich einsam; denn du hast mich mit Groll angefüllt“

(Jer 15,17).

Damit sollte er noch vor dem Eintritt der Katastrophe Israel das kommende

Gericht zeichenhaft vor Augen stellen. Es gehört zur bitteren Ironie im

Jeremiabuch, dass die Authentizität seiner Prophetie vom Eroberer

Nebukadnezzar honoriert wird – auf den Trümmern Jerusalems (Jer 39)!

Prophet zu sein in der Situation der Krise bedeutet für Jeremia, eine ihm

von Gott aufgetragene und aufgebürdete Lebenssituation auszuhalten, und

zu akzeptieren, dass er selber von JHWH ergriffen und zum Zeichen der

Krise gemacht wird, durch die Gott prophetisch zum Volk sprechen will.

Später hat sich Israel auch als Ganzes mit dem prophetische

Leidensgeschick identifiziert und die Lieder vom Gottesknecht, die

ursprünglich wohl den Propheten Deuterojesaja selbst meinten, auf sich als

Volk bezogen. So findet das Exilsleiden eine positive Sinngebung und wird

zur Aufgabe an den Völkern: Israel hat stellvertretend für die Sünden aller

gelitten (Jes 52,13-53,12) und wird nun von Gott zum Licht für die Völker

(Jes 42,6; 49,6) und zum Mittler seines Heilshandelns an der Menschheit

(Jes 42,6; 49,8).

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4.2 BEWAHRUNG DER IDENTITÄT UND THEOLOGISCHE

INTEGRATION DES FREMDEN: DIE ANTWORT DER DIASPORA

Jeremia ist nicht mit ins Exil gezogen, sondern blieb bei den

Zurückgebliebenen im zerstörten Jerusalem. Von dort schrieb er an die

Verschleppten vor 597 v. Chr. einen Brief, der als revolutionäre „Magna

Charta des Exils“11 bezeichnet werden kann. Jeremia stimmt kein Klage-

oder Protestlied an, sondern legt hier, kurz nach Beginn des Exils, bereits

die Grundlagen einer künftigen Diasporaexistenz:

„Baut Häuser, um darin zu wohnen, und pflanzt Gärten an, um ihre

Früchte zu essen! Nehmt Frauen, um Söhne und Töchter zu zeugen,

und nehmt für eure Söhne Frauen, und gebt eure Töchter Männern,

damit sie Söhne und Töchter gebären, und vermehrt euch dort, damit

ihr nicht weniger werdet. Und bittet für das Wohl der Stadt, in die

ich euch exiliert habe, und betet für sie zu Jahwe; denn in ihrem

Wohl liegt euer Wohl“ (Jer 29,5-7)12

Weder Ghetto noch Aufstand noch Flucht ist die Devise, sondern

Einwurzelung, Existenzgründung in der Fremde durch Hausbau und Heirat.

Gerade der Aufruf des Propheten, in der Fremde nun auch zu heiraten, wird

von einigen so ausgelegt, dass Jeremia hier zur Einwurzelung bis hin zur

Vermischung mit den Söhnen und Töchtern des anderen Volkes aufrufe.13

Diese für israelitische Ohren skandalöse Aufforderung ist nicht Ergebnis

seiner Resignation oder Angst um das biologische Fortbestehen des

Volkes, sondern Konsequenz seines Glaubens an die Universalität JHWHs,

der „als Weltschöpfer und Weltbeherrscher an keine nationalen Grenzen

mehr gebunden“ ist, sodass auch die Grenzen auf der Erde aufgehoben

sind.14 Deshalb ist auch das Land der Verschleppung ein Land, in dem die

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Fülle des Lebens zu erwarten ist, und wo JHWH die Gebete erhört, weil er

nicht mehr an einen lokalen Tempel gebunden ist. Die Anweisung

Jeremias, den Hass im Herzen zu überwinden und für die Unterdrücker und

Feinde zu beten, nennt eine wichtige Voraussetzung dafür, dass ein solches

universales Bewusstsein sich durchsetzen kann. Dass dies für eine ganzes

Volk ein zu anspruchsvolles Programm war, zeigt exemplarisch die

weitere, wieder restriktive Entwicklung der Mischehenfrage.

Im konkreten Verlauf der Einwurzelung Israels in die Fremde schiebt sich

das Bemühen und auch die Notwendigkeit zur Bewahrung und Sicherung

der Identität in den Vordergrund und prägt den Mainstream der jüdischen

Diasporaspiritualität. Hier ist als beeindruckendes Konzept mit großer

pastoraler Wirkung die deuteronomisch-deuteronomistische

Gedächtniskultur 15 zu nennen. In Exil und Diaspora hat Israel gelernt, sich

die identitätsstiftenden Heilsereignisse der Vergangenheit, von denen sie

nicht nur die Zeit, sondern auch die Entfernung von den heiligen Orten

trennte, immer wieder durch Erzählen zu vergegenwärtigen:

„Wir waren Sklaven des Pharaos in Ägypten, und JHWH hat uns mit

starker Hand aus Ägypten geführt...“ (Dtn 6,21).

So ist die Diasporagemeinschaft eine lebenslange Lerngemeinschaft, wobei

das Lernen die konkrete religiöse Praxis erklärt und begleitet16. Orte dieser

kollektiv lebendig gehaltenen Erinnerung, „mit deren Hilfe alle

entscheidenden Bindungen im kollektiven Gedächtnis bewahrt und

lebendig erhalten werden“17 konnten, waren nach dem Untergang der

wichtigen Institutionen (Schulen und priesterlicher Kult) vor allem die

Familien. Das Schema Israel, das jüdische Grundgebet, ist dafür ein

klassisches Beispiel:

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13

„Diese Worte, auf die ich dich heute verpflichte, sollen auf deinem

Herzen geschrieben sein. Du sollst sie deinen Söhnen wiederholen

...“ (Dtn 6,6f; vgl. Dtn 6,20f; 31,13).

Die Situation in der späten Zeit spiegelt sich in den Büchern Ester und

Tobit. Dort zeigt sich einerseits die Tendenz zur Abgrenzung von der

fremden Umgebung, die für das Leben in den kleinen Diasporagruppen

charakteristisch ist (Est 3,8), aber auch die starke Solidarität nach innen

und die Kraft, unter schwierigen Lebensumständen bis hin zur Verfolgung

ein hohes Ethos durchzutragen. Im Gebet der Königin Ester in ihrer

Todesangst (Est 4,17k-z) verbinden sich in beeindruckender Weise

exilische Umkehrgesinnung mit dem Selbstbewusstsein der jüdischen

Diasporafrommen, die von ihrem Gott Schutz, Rettung und Genugtuung

gegenüber ihren Feinden erwartet.

„Überlass dein Zepter nicht den nichtigen Götzen! Man soll nicht

höhnisch über unseren Sturz lachen. Lass ihre Pläne sich gegen sie

selbst kehren. ... Denk an uns, Herr! Offenbare dich in der Zeit

unserer Not, und gib mir Mut, König der Götter und Herrscher über

alle Mächte“ (Est 4,17q-r).18

Wenige Jahrzehnte vor Christus entstand im ägyptischen Alexandria das

jüngste Buch im Alten Testament, das Buch der Weisheit. Hier findet sich,

nach 500 Jahren jüdischen Lebens in der Diaspora, ein faszinierendes und

singuläres Zeugnis kultureller Einwurzelung und theologischer

Durchdringung des ursprünglich Fremden, so dass man von einer jüdisch-

hellenistischen „Synthese“ sprechen kann.19 Der Autor will seiner

„heranwachsenden Generation“, die von der hellenistischen

Popularphilosophie und den ägyptischen Mysterienkulten angezogen ist,

die jüdische Glaubenstradition vermitteln und wagt ein

Inkulturationsprogramm, das ihn bis „hart an die Grenze des im

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Monotheismus noch Hinnehmbaren“20 führt: „Obgleich der Verfasser der

Sache nach keine Unklarheiten darüber aufkommen lässt, dass ein einziger

allein Gott und Schöpfer und die Weisheit seine Gabe ist, lässt er sich doch

– in der ungefährdeten Gewissheit des eigenen Monotheismus – beim

Versuch, Isis-Preisungen auf seine israelitische Weisheit zu übertragen, zu

Formulierungen hinreißen, die im Judentum als anstößig empfunden

wurden und werden, vor allem dort, wo er die Weisheit als Throngenossin

Gottes schildert“21:

„Gib mir die Weisheit, die an deiner Seite thront“ (Weish 9,4, vgl.

8,3.4).

Das Weisheitsbuch verkörpert profiliert Chancen und Risiken des

Einwurzelungsmodells in der Diaspora zwischen Integration und

Anpassung. In der Atmosphäre einer geistigen Weite, in der es entstand,

wagt sich der Autor bis an die Grenze der Orthodoxie vor. Was damals eine

Syntheseleistung war, musste unter veränderten Bedingungen als Häresie

gelten: Nach dem Untergang des hellenistischen Judentums geht seine

Denkleistung in einer neuerlichen Konzentration auf die hebräisch-

aramäische Tradition wieder verloren.22

5. „REFOUNDING“ ISRAELS IM EXIL UND IN DER DIASPORA

Israel hat in der Zeit des Exils und weiter in der Diaspora eine

„Neugründung“ erfahren. Vereinfacht gesagt: Das Exil bedeutete das Ende

Israels, in der Diaspora ist die Geburtsstunde des Judentums. Das Charisma

Israels - sein JHWH-Glaube, ist ihm im Exil neu geschenkt worden. Mit

dem Monotheismus wird das Judentum das Ende der polytheistischen

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Antike überleben können und wird zur Mutter auch der beiden anderen

monotheistischen Weltreligionen.

Der Weg der Verarbeitung und Umformung ist jedoch lang und

differenziert sich je nach den verschiedenen Standorten. Im Folgenden

möchte ich das, was oben anhand verschiedener Texte und in historischer

Nachzeichnung dargestellt wurde, in kanonischer Zusammenschau auf

Grundvoraussetzungen und Grundvorgänge eines Refoundig-Prozesses hin

befragen. Dabei möchte ich ansatzweise die Linien zur heutigen Situation

der Orden und geistlichen Gemeinschaften zwischen Krise und Neubeginn

ausziehen.

1. Der Beginn des Umformungsweges ist mit dem äußeren Verlauf der

Katastrophe – dem Eintritt des Chaos - drastisch genug markiert:

Der Zusammenbruch ist radikal und betrifft nicht nur Äußerliches, sondern

die zentralen Haftpunkte der Identität. Die tragenden Institutionen werden

weggenommen oder brechen zusammen (sie werden nicht freiwillig

losgelassen); der Abbruch geht bis in den Kern und macht auch vor dem

nicht Halt, was von Gott selbst verheißen und geschenkt war. Diese

Erfahrung trifft auch Orden und geistlichen Gemeinschaften: In der Krise

scheint das Charisma selber verloren zu gehen.

2. Der Weg ins Exil beginnt ungefragt (kein freiwilliger Exodus!); die

Exulanten werden aneinandergekettet und müssen gemeinsam

losmarschieren. Es entsteht eine Schicksalsgemeinschaft unter denen, die

gehen müssen. Gleichzeitig stellt sich eine Ungleichzeitigkeit zu denen ein,

die daheim bleiben. Beide sind jedoch von der Katastrophe betroffen.

Hier ist bei einer Aktualisierung noch ein weiterer Aspekt mitzubedenken.

Im Bild gesprochen: Losmarschieren müssen ja nicht nur die alten Orden

oder die Kirche. Der weltweite gesellschaftliche Umbruch mit seinen

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ökonomischen, politischen und kulturellen Faktoren, den wir gegenwärtig

erleben, formt eine weit größere Schicksalsgemeinschaft unfreiwillig

aneinandergeketteter „Exulanten“. Die Frage ist, wie sich die Gruppe der

christlichen (Ordens-)Exulanten innerhalb dieses globalen Exodus versteht.

3. „Reinigung des Gedächtnisses“: Eine erste Reflexion ergibt: Das

Chaos ist nicht unvermittelt eingetreten. Die Krise hatte sich lange

vorbereitet. Was weggebrochen ist, war längst brüchig geworden.

Warnende Stimmen und Zeichen wurden nicht erkannt oder in den Wind

geschlagen. Im Exil setzt ein schmerzlicher Umkehrprozess ein: In

schonungsloser Selbsterkenntnis begreift Israel den Zusammenbruch als

Gottes richtendes Handeln an seinem untreuen Volk. Reue und Buße

ermöglichen langsam eine Sinngebung der Katastrophe. Im

Schuldbekenntnis liegt das „Ja“ zum zugemuteten Sterbeprozess und

gleichzeitig der Ausdruck der Hoffnung, dass Gott vergibt und einen neuen

Anfang schenkt. So steht am Beginn des Weges der „Wiedergründung“ die

Umkehr. Die „Reinigung des Gedächtnisses“ stärkt den Weg in die Zukunft

(Johannes Paul II am 12. 3. 2000!).

Die Schrift verschweigt jedoch nicht, wie schwierig dies ist. Resignation,

Verstummen, Verweigerung, ja, Rachephantasien bis hin zur

Selbstverfluchung gehören zu den Reaktionen, die im Psalter ihre Stimme

bekommen (vgl. den ganzen Ps 137, den wir immer sehr geglättet beten!).

Dadurch wird der Beter zu einem realistischen und ehrlichen Weg der

Verarbeitung ermutigt.

Gerade darauf muss auch eine Gemeinschaft gefasst sein und diesen Weg

zulassen und geduldig durch alle „Sterbe-Phasen“ hindurch begleiten.

Vielleicht erschließen sich dabei manche Texte des Stundengebetes neu23

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und lernen wir so, unsere Erfahrungen in die Erfahrungen des Volkes

Gottes hineinzuhalten.

4. Mut zur Konzentration auf Gott: Darin liegt die Leistung Israels im

Exil – oder besser, seine Gnade. In der Konzentration auf Gott liegt die

Quelle des beständigen Refounding. Alles kann weggenommen werden

außer Gott! Doch dazu durchzustoßen bedeutet einen Bruch mit bisherigen

Haftpunkten der Identität und mit manchen Kategorien, in denen man Gott

gedacht und erfahren hat. Er ist auch dort anwesend, wo es nicht möglich

erschien; selbst in den dunklen Erfahrungen muss er zu finden sein. Das

ermöglicht eine ganz neue Freiheit; doch werden die Spannungen im

Glauben nicht kleiner. Gottes Handeln auch im Unheil wird gläubig

festgehalten, aber dadurch nicht erklärt; die letzte Antwort auf das Warum

der Krise und des zugemuteten Sterbens muss offen bleiben. So möchte ich

die Grenzaussagen im Buch Jesaja zur Souveränität Gottes auch im Unheil

deuten; es sind nur einzelne Stimmen im Kanon, die jedoch einen

unverzichtbaren Stachel für die weitere theologische Vertiefung

darstellen.24

Christlich ist hier der Ort, wo wir mit „ehrfürchtiger Scheu“ (Phil 2,12) an

das Paschamysterium rühren. Die Gnade der Konzentration auf Gott

bedeutet dann ein tieferes Hineingenommenwerden in das

Lebensgeheimnis Jesu25.

5. Erleiden der prophetischen Existenz: Der Weg des Volkes in die

Krise ist biblisch immer begleitet von prophetischen Gestalten. Es sind

meistens Einzelne, die von Gott in diese Rolle gerufen werden; Israel hat

sich jedoch immer wieder auch als Ganzes mit dieser Funktion identifiziert

(z.B. mit dem Gottesknecht Jes 53) und sein Schicksal als stellvertretendes

Leiden für die Völker und als Aufgabe an den Völkern verstanden. An

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Jeremia im Alten Testament und an Johannes dem Täufer an der Schwelle

zum Neuen Testament wird die Stellung der Propheten auf dem Weg der

„Neugründung“ exemplarisch deutlich.

In ihnen hat sich immer wieder das Ordensleben wiedergefunden. Gerade

die Biographie des Täufers ist ein Steckbrief für prophetisches Schicksal in

der Zeit zwischen Krise und Neubeginn: Der Prophet muss die

Sündenverstrickung seines Volkes am eigenen Leib solidarisch mittragen;

er hält die Wahrheit des Gerichts aus im Blick auf den, der da kommt; er

erkennt ihn zuerst und muss doch warten, bis er sich offenbart („bist du es,

der da kommen soll?“). Dieser Auftrag braucht zutiefst uneigennützige

Menschen: Johannes schlägt alle Angebote aus, selber die messianische

Rolle zu spielen, schickt statt dessen seine Schüler zum Messias und muss

von der Bühne abtreten, bevor er die Früchte seines Einsatzes sieht; im

Gefängnis sitzend hört er noch, dass das Neue beginnt. Der Kleinste im

Himmelreich ist größer als er (vgl. Lk 7,28); das heißt, wo das Reich

Gottes aufbricht, sind die Propheten kleiner als das Neue. Das muss ihre

Selbsteinschätzung prägen. Sie sind jedoch die Freunde des Bräutigams

und ihnen ist seine Freude verheißen.

Wenn diese Freude (Joh 3,29) jedoch nie Wirklichkeit wird, besteht die

Gefahr, sich auf die prophetische Rolle, gar die Leidensrolle zu fixieren.

Die sehr realistische und ganz unpathetische Art etwa des Jeremiabuches

kann davor bewahren.

Im Sinn Jeremias wird sich also keine geistliche Gemeinschaft selber

überlegen können, wie man in einer Situation der Krise und des

Niedergangs ein prophetisch zeichenhaftes Leben führt; man findet sich in

einer Lage vor, die man sich weder selbst gesucht hat noch als

erstrebenswert erfährt, und muss darin aushalten, so lange die Situation

andauert. Das Prophetische besteht darin, an der Gegenwart Gottes in

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dieser Situation und an seinem Handeln in der Krise und durch die Krise

unter allen Umständen festzuhalten.

6. Bereitschaft zur Einwurzelung: Diese ist eine Konsequenz aus den

bisher genannten Schritten und markiert den Übergang vom Exil in die

Diaspora. Die Gewissheit, dass sich Gott überall finden lässt, dass er mit

ins Exil gezogen ist, ermöglicht es, die neue Situation als von Gott gegeben

anzunehmen und sich ganz darauf einzulassen. Die „Fremde“ wird als

neuer Lebensraum akzeptiert und das eigene „Fremdsein“ darin positiv

gestaltet. Konkret bedeutet dies die Auseinandersetzung mit einem Leben

als Minderheit, in gesellschaftlicher Randposition und ohne Einfluss26.

Jeremia betont als eine der Voraussetzungen die Bereitschaft zur

Versöhnung mit den Unterdrückern (Jer 29,7). Die Bindungen innerhalb

der Glaubensgemeinschaft werden jetzt umso wichtiger; darin liegt die

Chance einer Vertiefung der Identität, andererseits die Versuchung einer

(sub)kulturellen oder religiösen Einigelung und Isolierung, der man sich

immer wieder stellen muss. Das Spannungsfeld der Diaspora, das Eigene

zu bewahren und sich gleichzeitig bis an die Grenzen möglicher

Integration des Fremden vorzuwagen, um es (apostolisch) für das Eigene

zu gewinnen, wird sich nicht auflösen lassen. Die Schrift rechtfertigt hier

kein rigoristisches Entweder-Oder; sie macht Spannung geradezu

konstitutiv, da sie sowohl das Buch Tobit als auch das Weisheitsbuch in

ihren Kanon aufnimmt.

Damit hat die kanonische Hermeneutik der Schrift sowohl sensibilisierende

wie auch entlastende Funktion für Orden und geistliche Gemeinschaften,

die auf ihrem Weg der Wiedergründung unweigerlich in dieselbe Spannung

von Profilierung/Abgrenzung und Einwurzelung/Integration geraten

werden.

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7. Entwicklung einer neuen gemeinschaftlichen Identität: Nicht nur

prophetische Einzelgestalten bestimmen den Weg der Neugründung,

sondern eine Gemeinschaft als Ganze muss bereit sein, sich umwandeln zu

lassen. Dieser Punkt ist auch für den Umformungsprozess einer geistlichen

Gemeinschaft von zentraler Bedeutung. Der Weg der Wiedergründung zielt

dahin, als Gemeinschaft einen neuen Lebensstil auszuprägen, der die Kraft

hat, das Wesentliche der gemeinsamen Identität lebendig zu erhalten und es

im neuen Lebenskontext wirksam umzusetzen und nach innen wie nach

außen zu vermitteln.

Wenn dies gelingt, kann man von einem „Refounding“ sprechen, das durch

Krise, Chaos und Exil hindurch geschehen ist. Die Übergänge sind

fließend, die Standorte wieder ungleichzeitig. Als Eckpunkte einer solchen

neuen Identität einer Gemeinschaft in der Zerstreuung lassen sich aus den

oben behandelten biblischen Zeugnissen folgende Kennzeichen nennen; sie

können gewiss nicht einfach kopiert, aber analog auch auf eine geistliche

Gemeinschaft übertragen werden:

- Die Gemeinschaft hat in langen Zeiten der Ohnmacht und der

Demütigung gelernt, dass Erwählung auch Abstieg, Verlust und

Entfremdung umfassen kann.

- So lebt sie im „gereinigten“ Selbstbewusstsein eines erwählten Volkes

Gottes in der Fremde.

- Sie lernt, sich in dieser Fremdlingsexistenz auf die Völkerwelt zu

beziehen und gewinnt so ein „ökumenisches“ Bewusstsein.

- Sie entwickelt eine gemeinschaftliche Kultur des Lernens, Erinnerns

und Feierns.

- Sie praktiziert eine starke Verbindlichkeit und Solidarität nach innen,

die auch für Außenstehende offen ist und anziehend wirkt.

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- Die Mitglieder ermutigen sich zu einer Lebensführung, die von einem

hohen Ethos gekennzeichnet ist.

- Wenn dieser Lebensstil als zeichenhaft für das neue Handeln Gottes

(neutestamentlich: für das Reich Gottes) begriffen wird, wird die ihm

innewohnende Tendenz zur elitären Abgrenzung aufgesprengt in eine

dienende und apostolische Haltung.

- Dann können auch die Feindbilder überwunden werden.

- Die Gemeinschaft betet so, dass der Lobpreis Gottes „unter den

Völkern“ nicht verstummt.

Den letzten Punkt, der hier zu nennen wäre, möchte ich gleichzeitig als

Schlusspunkt unter die genannten Kennzeichen von Israels

„Wiedergründungsweg“ in Exil und Diaspora setzen:

8. Die Spannung zwischen Exil und Rückkehr darf nie aufgegeben

werden: Ob neuer Exodus, neue Schöpfung, neuer Bund, neues Herz oder

neuer Tempel: im Exil lernt Israel zu hoffen, dass das Größere und

Vollendete erst noch kommt, und dass Gott sich an seinem unter die Völker

zerstreuten Volk verherrlichen wird. An der Spannung zwischen Exil und

Rückkehr ist deshalb auch in der Diaspora festzuhalten im Wissen darum:

Es gibt ein Mehr. Wann und wie das kommt, ist Gottes Sache.

Für eine geistliche Gemeinschaft in einer Umbruchsphase kann dies

bedeuten: Gerade angesichts der Möglichkeit des geschichtlichen

Niedergangs der eigenen konkreten Gemeinschaft bleibt die „Hoffnung

wider alle Hoffnung“ (Röm 4,18) auf den totenerweckenden Gott eine

geistliche Herausforderung und das eigentliche Zeugnis - im Bild des

jüdischen Midrasch: der Duft der umgestürzten Parfümflasche.

Das Lebensparadigma Israels zwischen Exil und Rückkehr hat das

Christentum vom Judentum übernommen, und es hat den zweiten

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Brennpunkt der Diaspora-Ellipse noch entschiedener in die von Gott her

kommende Wirklichkeit hinein verlagert. Die Christen begreifen sich von

vornherein - schon in ihrer „Gründungsphase“ – als „auserwählte Fremde

und Gäste“ (1 Petr 2,11), die in der Welt fremd sind, weil sie in Wahrheit

durch ihre Zugehörigkeit zu Christus bereits „heimgekehrt“ sind (1 Petr

2,25). So können sie als oft unterdrückte, aber selbstbewusste Minderheit

eine missionarische Spiritualität entwickeln. Damit beginnt jedoch eine

neue Geschichte, die ich hier nicht weiter verfolgen kann. Mir scheint

jedoch, um auf die anfängliche These von Rolf Zerfaß zurückzukommen,

dass wir Christen erst jetzt, 2000 Jahre nach unserer Gründung, unsere

Identität als „auserwählte Fremde in der Zerstreuung“ (1 Petr 1,1) besser zu

verstehen beginnen, und zwar dadurch, dass wir – unfreiwillig und

schmerzhaft wie Israel – den Exodus in die Zerstreuung antreten müssen.

1 R. ZERFAß, Das Volk Gottes auf dem Weg in die Minderheit? Zur pastoralen Aktualität einer zentralen

Erfahrung Israels. Katechetische Blätter 1 (2000) 42-52; vgl. ders.: Zum Leitbild der Kirche heute.

Ordenskorrespondenz 41 (2000) 375-391. 2 R. ZERFAß, Das Volk Gottes auf dem Weg in die Minderheit 43. 3 Ebd., 47, mit Bezug auf P. PETZEL, Aspekte jüdischer Diasporaerfahrung – in christlicher Sicht.

Lebendiges Zeugnis 51 (1996) 137-151, hier 144. 4 P. MENDES-FLOHR, Zion und die Diaspora. Vom babylonischen Exil bis zur Gründung des Staates

Israel. In: A. NACHAMA u.a. (Hgg.), Jüdische Lebenswelten. Essays. Frankfurt 1991. 260. 5 Vgl. R. ZERFAß, Das Volk Gottes auf dem Weg in die Minderheit 46. 6 F.-L. HOSSFELD, Israel in der Diaspora. In: G. RIßE, C.A. KATHKE (Hgg.), Diaspora: Zeugnis von

Christen für Christen. 150 Jahre Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken. Paderborn 1999. 205-216, hier

214. 7 R. ZERFAß, Das Volk Gottes auf dem Weg in die Minderheit 50f. 8 F.-L. HOSSFELD, Israel in der Diaspora 209. 9 Das sogenannte deuteronomistische Geschichtswerk umfasst die Überarbeitung des Buches

Deuteronomium und die Geschichtsbücher Josua bis 2 Kön. 10 Vgl. W. GROß, Krise und Neubeginn. Israel im Exil und in der Disapora. In: TH SÖDING (Hg.), Zukunft

der Kirche, Kirche der Zukunft. Christen in der modernen Diaspora. Hildesheim 1994, 17-30, hier 25 und

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dazu weiter: W. GROß, K.J. KUSCHEL, „Ich schaffe Finsternis und Unheil!“ Ist Gott verantwortlich für das

Übel? Mainz 1992, 34-46. 11 F.-L. HOSSFELD, Israel in der Diaspora 211. 12 Übersetzung nach H. WEIPPERT, Fern von Jerusalem. Die Exilsethik von Jer 29,5-7*. In: F. HAHN, F.-L.

HOSSFELD, H. JORISSEN, A. NEUWIRTH (Hgg.), Zion. Ort der Begegnung. BBB 90. Bodenheim 1993. 127-

139, hier 130. Zur folgenden Auslegung vgl. dort. 13 H. WEIPPERT, Fern von Jerusalem 136; F.-L. HOSSFELD, Israel in der Diaspora 210f schließt sich ihrer

Deutung an; die meisten Jeremia-Interpreten verstehen die Verse jedoch als Aufruf zu Familiengründung

innerhalb der Exulanten. 14 H. WEIPPERT, Fern von Jerusalem 132. 15 Vgl. dazu W. GROß, Krise und Neubeginn 18-21; ferner: G. BRAULIK, Das Deuteronomium und die

Gedächtniskultur Israels. Redaktionsgeschichtliche Beobachtungen zur Verwendung von lmd . In: G.

BRAULIK, W. GROß, S. MC EVENUE (Hgg.), Biblischer und gesellschaftlicher Wandel. Festschrift N.

Lohfink. Freiburg 1993. 9-31. 16 Vgl. zum Thema Identitätsfindung und Gemeinschaft aus gegenwärtiger Perspektive den Beitrag von

Walter SCHAUPP in diesem Band. 17 J. ASSMANN, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen

Hochkulturen. München 1992. 213f. Zitiert nach W. GROß, Krise und Neubeginn 19. 18 Eindrucksvoll gestaltet ist diese Spannung zwischen Schutzlosigkeit und wunderbarer Rettung auch in

der Susannaerzählung (Dan 13). 19 W. GROß, Krise und Neubeginn 28 mit Bezug auf: H. ENGEL: „Was Weisheit ist und wie sie entstand,

will ich verkünden.“. In: G. HENTSCHEL, E. ZENGER (Hgg.), Lehrerin der Gerechtigkeit. Erfurter

Theologische Schriften 19. Leipzig 1990. 67-102. 20 W. GROß, Krise und Neubeginn 28. 21 W. GROß, Krise und Neubeginn 27f. 22 Einen ganz anderen Kanal der Wirkungsgeschichte finden seine Verse dagegen in der christlichen

Tradition, die im Weisheitsbuch eine Hilfe sah, um das Verhältnis zwischen Jesus Christus und seinem

Vater zu formulieren, ohne den Monotheismus zu verlassen, vgl. W. GROß, Krise und Neubeginn 29. 23 Die alttestamentlichen Cantica in den Laudes sind hier besonders fruchtbar, denn in ihnen kommt oft

sehr prägnant die Spannung zwischen Exil und Rückkehr zum Ausdruck. 24 Das Verstockungswort in Jes 6 gehört zu den am häufigsten zitierten Stellen im Neuen Testament, vgl.

Mk 4,11-12 parr.; Joh 12,39f; Apg 28,26f. 25 Vgl. dazu die Betrachtung von Hans SCHALK in diesem Band. 26 Dieser Aspekt ist v.a. in der lateinamerikanischen „refundaciòn“ des Ordenslebens theologisch und

spirituell vertieft worden, vgl. den Beitrag von Anneliese HERZIG in diesem Band.