Es gibt nur noch zwei Zustände - Deutsche Bank · auch Unternehmer, die ihren Betrieb verkauft...
Transcript of Es gibt nur noch zwei Zustände - Deutsche Bank · auch Unternehmer, die ihren Betrieb verkauft...
34_results_Deutsche Bank
Im Mai 2011 schlossen sich die beiden Deutsche
Bank Töchter Wilhelm von Finck AG und Deutsche
Family Offi ce GmbH zu einer gemeinsamen Gesell-
schaft zusammen. Mit dieser Fusion wurde das Multi-
Family-Offi ce-Angebot für vermögende Privatpersonen,
Unternehmer, Stiftungen und institutionelle Investoren
deutlich aufgewertet. Die beiden Vorstände erläutern im
results-Gespräch die Vorteile der Fusion und die Heraus-
forderungen bei der Verwaltung von Unternehmer- und
Stiftungsvermögen.
Herr Kuder, Herr Freytag, wer lässt sein Vermögen
in einem „Family Offi ce“ verwalten?
Kuder: In aller Regel aktive Unternehmerfamilien oder
auch Unternehmer, die ihren Betrieb verkauft haben
– der klassische Mittelstand eben. Darüber hinaus be-
treuen wir auch institutionelle Investoren, vor allem
Stiftungen und kleine Pensionsvermögen. In der reinen
Vermögensverwaltung ist der Eintritt ab fünf Millionen
Euro liquidem Vermögen möglich. Bei einem solchen
Volumen sehen wir uns in der Lage, unsere Dienstleis-
tung vernünftig anzubieten. Die Eintrittshürde für das
Family Offi ce ist deutlich höher. Da kann man davon
ausgehen, dass man 30 bis 40 Millionen Euro liquides
Vermögen benötigt, damit sich der Aufwand rechnet.
Viele vermögende Familien betreiben eigene Family
Offi ces. Warum sollten sie zu Ihnen kommen?
Freytag: Erfahrungsgemäß ist es erst ab einer Vermö-
gensgröße von 300 bis 400 Millionen Euro sinnvoll, so
eine Organisation selbst professionell aufzu bauen,
Es gibt nur noch zwei Zustände: Wie schützen Unternehmer in bewegten Zeiten ihr Vermögen? Die beiden Chefs der Wilhelm von Finck das den Verfl echtungen von Firmen- und Privatvermögen Rechnung trägt
Zu den PersonenKlaus Kuder (links) stieg 1984
in das Vermögensanlage-
und Verwaltungs geschäft der
Deutschen Bank in Frankfurt
ein und betreute zehn Jahre lang
vermögende Privatpersonen
und institutionelle Investoren.
1994 spezialisierte er sich auf
den Bereich Family Offi ce,
1998 wurde er Gründungs-
geschäftsführer der Deutsche
Family Offi ce GmbH.
Stefan Freytag arbeitete
zunächst als Investment-Experte
bei Versicherungen, bevor er
2006 in den Vorstand der Wilhelm
von Finck AG wechselte. Seit
2011 ist er als Vorstand der
Wilhelm von Finck Deutsche
Family Offi ce AG für den
Bereich Vermögensverwaltung
verantwortlich.
034_results 34 21.06.12 13:18
FO
TOS
: AN
DR
EA
S V
AR
NH
OR
N
results_Deutsche Bank_35
PERSPEKTIVEN_Interview
„Risk on, Risk off“ Deutsche Family Offi ce AG, Stefan Freytag und Klaus Kuder, plädieren für ein Risikomanagement,
da die Kosten für den Unterhalt mindestens eine
Million Euro pro Jahr betragen. Bei Vermögen unter-
halb dieser Schwelle überwiegen die Nachteile. Sie
bekommen kein ausreichend großes Expertenteam
zusammen, können nicht die adäquate T echnik ein-
kaufen. Da bietet ein Multi-Family-Offi ce die breitere
Palette an Expertenwissen und bessere technische
Möglichkeiten.
Kuder: Wir arbeiten mittlerweile für etwa 50 mittel-
ständische Unternehmerfamilien. Für jeden, der über
die Steuerung seines V ermögens nachdenkt, stellt
sich ja die Frage: Wie halten es andere mit Nachfolge,
Vermögensstruktur, Steuerung und Verwaltung? Und
wie kann ich deren Erfahrung für mich selbst nutzen?
Zudem suchen unsere Mandanten für ihre Investitio-
nen ja nicht den Mainstream, sondern Projekte, die sie
vielleicht mit anderen Unternehmerfamilien gemein-
sam umsetzen können. Da bieten wir einen Zugang.
Geht es solchen Mandanten tatsächlich in erster
Linie um den Vermögenserhalt, wie es immer heißt?
Freytag: Wenn ein Unternehmer verkauft hat und es
nur noch darum geht, das Finanzvermögen zu verwal-
ten, ist der Anspruch vielleicht etwas sportlicher. Bei
aktiven Unternehmern ist ein großer T eil des Vermö-
gens aber im Unternehmen gebunden. Die wissen, dass
Finanzanlagen nie mit unternehmerischen Renditen
konkurrieren können. Im privaten Bereich geht es ihnen
deshalb um Ver mögenserhalt – nach Kosten, Infl ation
und Steuern. Im derzeitigen Umfeld ist das schon eine
große Herausforderung.
Sie beraten ja auch Stiftungen. Worin unterscheidet
sich dieses Geschäft vom klassischen Family Offi ce?
Kuder: Nicht so stark, wie man meinen könnte. Auch
bei den Stiftungen, die wir betreuen, ist oft eine Ver-
bindung zu einer Unternehmerfamilie da. Diese Stifter-
familien haben heute einen sehr hohen unternehmeri-
schen Anspruch an die Vermögensanlage.
Die Finanzmärkte haben sich fundamental
verändert. Kann man sagen, dass es heute etwas
völlig anderes bedeutet, sein Geld anzulegen, als
vor fünf Jahren?
Freytag: In der Tat. Viele Paradigmen und Erfahrun-
gen, die wir als Vermögensverwalter jahrzehntelang
genutzt haben, gelten nicht mehr. Vor allem die Illu-
sion des risikolosen Zinses. Ein Staatsbankrott im Kern
Europas – das schien noch vor kurzer Zeit undenkbar.
Auch Diversifi kation funktioniert nicht mehr.
Kuder: Es gibt eigentlich nur noch zwei Aggregatzu-
stände: „Risk on, Risk off “. In einer Stress situation ge-
hen Aktien, Rohstoffe, riskantere Anleihen in dieselbe
Richtung. Auch die regionale Diversifi zierung funktio-
niert kaum noch. Denn die Krise wirkt sich überall aus.
Wie sieht denn Ihre Strategie in der Vermögens-
verwaltung aus?
Freytag: Zunächst gilt: Auch wenn Diversifi kation nicht
mehr so gut Risiko ausgleicht wie früher , bleibt sie
doch oberstes Gebot, einfach weil wir unter einem gigan-
tischen Irrtumsrisiko arbeiten. Wir glauben weiter-
035_results 35 21.06.12 13:18
36_results_Deutsche Bank
hin, dass es Wachstum in der Welt geben wird, und
diese Chancen muss ein Vermögen nutzen, um über-
haupt auf einen positiven Renditepfad zu kommen.
Der nächste Block ist das Thema Sachwerte: Da geht
es nicht bloß um die Aktie, sondern auch um Immobi-
lien, um sich vor der Gefahr zu schützen, dass das aktu-
elle monetäre Experiment der Notenbanken scheitert.
Als nächsten Baustein br auchen Sie einen sicheren
Bestand, der Cashfl ow erzeugt und fungibel ist, der dem
Vermögensinhaber die Möglichkeit gibt, wieder Geld
aus seinem Finanzvermögen herauszuziehen, zum Bei-
spiel um sein Unternehmen fi nanziell aufzupolstern.
Dafür bleiben Anleihen sehr guter Bonität das Maß
aller Dinge, auch wenn es keinen Spaß macht, Papiere
mit einem Prozent Rendite zu kaufen. Der vierte Bau-
stein ist keine Assetklasse, sondern die Empfehlung,
ein aktives Risikomanagement zu betreiben.
Wie soll das aussehen?
Freytag: Es muss eine Kombination zwischen einer
qualitativen und einer q uantitativen Risikoanalyse
sein. Wir versuchen zuerst einzuschätzen, welche
Risiken es überhaupt gibt , welche Szenarien auf die
Familie und ihr Vermögen zukommen könnten. Es gibt
Risiken, die man bewusst unternehmerisch eingehen
will, weil man damit auch Rendite erzeugt . Und es
Mehr Risiko wird ganz normalEine Folge der Währungsunion war die Angleichung der Renditen von Staatsanleihen. Sie gaukelte
eine Sicherheit vor, die es nicht gab: Die Finanzkrise räumte mit dem Irrtum auf.
4
8
12
16
2000
Renditen zehnjähriger Staatsanleihen im Euroraum Angaben in %
Illusion des risikolosen Zinses
2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011QUELLE: BOFAML (BANK OF AMERICA MERRILL LYNCH) GLOBAL EQUITY STRATEGY
Deutschland Griechenland Italien Portugal Frankreich Irland Spanien
036_results 36 21.06.12 13:18
FO
TOS
: AN
DR
EA
S V
AR
NH
OR
N
results_Deutsche Bank_37
PERSPEKTIVEN_Interview
gibt Risiken, denen man ungewollt ausgesetzt ist. Wir
führen Stresstests durch und schauen, was unter be-
stimmten Bedingungen mit dem Vermögen passieren
würde. Die vier teuersten Worte der Vermögensanlage
sind ja: Diesmal ist alles anders. Meist ist es eben nicht
anders als in vergangenen Krisen, und ich muss mich
absichern: Ich kann eine Versicherung kaufen, eine Put-
Option – oder eben auch Gold.
Kuder: Und zwar nicht als Zertifi kat, sondern in physi-
scher Form, zum Beispiel als Barren. Ende 2008/09 gab
es eine hohe Nachfrage, Gold in privaten Tresoren zu
lagern, weil unsere Mandanten sagen: Wenn es kritisch
wird, dann will ich das nicht in einem Banksafe haben.
Gerade bei Familienunternehmen gibt es – so sagt
das Vorurteil – ein oft undurchschaubares Gefl echt
aus privaten, familiären und unternehmerischen
Beziehungen. Stimmt das auch für Ihre Mandanten?
Kuder: Unsere Mandanten wollen wissen: Wie haben Sie
andere bestimmte Dinge gelöst? Wir unterstützen zum
Beispiel in Fragen der Infrastruktur. Mit dem Anlageaus-
schuss schaffen wir ein Gremium, in dem der P atriarch
mit der nachfolgenden Generation in einem organisier-
ten Rahmen strukturiert über Themen des F amilien-
vermögens sprechen kann. Es ist dann eben nicht das
sonntägliche Mittagessen, bei dem solche Dinge sonst
besprochen werden und wo schnell auch Emotionen
hochschießen. So können wir helfen, auch die Beschäfti-
gung mit dem Familienvermögen zu versachlichen.
Freytag: Wir teilen zum Beispiel das unternehmerische
Vermögen in verschiedene Klassen ein. Zum einen ist
da das operative Unternehmen. Dann gibt es oft quasi-
unternehmerisches Vermögen, Minderheitsbeteiligungen,
Immobilieninvestments mit echtem unternehmerischen
Risiko. Da offenbaren sich oft V erquickungen mit dem
Privatvermögen, wie Gesellschafterdarlehen oder Bürg-
schaften. Und dann gibt es noch das reine Privatvermögen.
Sie raten Ihren Mandanten dazu, eine „Kriegskasse“
zu halten. Was verstehen Sie darunter?
Freytag: Die meisten Unternehmer machen das von
sich aus. Die Lust auf Ausschüttungen ist arg ge-
schrumpft, ein Großteil dieser Kriegskassen wird in-
zwischen im Unternehmen gehalten – in Form höherer
Eigenkapitalquoten. Man will das Ruder in der Hand be-
halten und möglichst unabhängig sein. Unternehmer
wollen ihre Firma wieder stärker selbst fi nanzieren.
Auf der anderen Seite legen sie eine Grenze fest,
wie viel sie in der Krise maximal nachschießen?
Kuder: Genau. Das zeigt wieder, dass die Sichtweise der
Familie auf das Vermögen eine andere ist als die klassi-
scher Finanzdienstleister. Der Private Banker schaut nur
auf den privaten Teil des Vermögens, der Banker auf die
Unternehmensfi nanzierung, der M+A-Berater schaut nur
auf den Private-Equity-Teil. Für die Familie sind es ganz
andere Faktoren, die bestimmen, wie viel aus der Firma
ausgeschüttet wird. Das können steuerliche Gründe sein.
Oder auch der Wunsch, das Geld lieber in der Firma zu
lassen. Vielleicht will man ja, dass die Gesellschafter es
nicht ausgeben können.
DAS GESPRÄCH FÜHRTE DAVID SELBACH
Die vier teuersten Worte der Geldanlage? „Diesmal ist alles anders“
037_results 37 21.06.12 13:18