Elementare Zahlentheorie - Fachschaft MathPhysInfo · das Prinzip der Vollständigen Induktion...

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Elementare Zahlentheorie Vorlesung von Prof. Dr. W. Kohnen Universität Heidelberg Mitschrieb von Chris Kowall im Sommersemester 2012

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Elementare Zahlentheorie

Vorlesung von Prof. Dr. W. Kohnen

Universität Heidelberg

Mitschrieb von Chris Kowallim

Sommersemester 2012

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 1

2 Teilbarkeitslehre 32.1 Der Fundamentalsatz der Arithmetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.2 Ideale von Z . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102.3 Zahlentheoretische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132.4 Primzahlsatz und Primzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

3 Kongruenzen und Restklassen 273.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273.2 Polynomiale Kongruenzen modulo einer Primzahl . . . . . . . . . . . . . . 333.3 Simultane Kongruenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383.4 Primitivwurzeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443.5 Darstellung als Summe von Quadraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

4 Quadratische Reste 534.1 Das Legendre-Symbol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534.2 Das Jacobi-Symbol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 564.3 Das Quadratische Reziprozitätsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604.4 Ein zweiter Beweis des Quadratischen Reziprozitätsgesetzes . . . . . . . . 634.5 Theoretische Anwendungen des Quadratischen Reziprozitätsgesetzes . . . . 69

5 Ganzzahlige binäre quadratische Formen 735.1 Klassen binärer quadratischer Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 735.2 Automorphismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 815.3 Darstellungsanzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

6 Approximation reeller Zahlen durch rationale Zahlen 996.1 Der Dirichletsche Approximationssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 996.2 Der Kroneckersche Approximationssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1026.3 Der Liouvillesche Approximationssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1046.4 Die Transzendenz der Eulerschen Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

Literaturverzeichnis 113

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Das vorliegende Skript ist eine überarbeitete und ausgearbeitete Version der Vorlesungs-mitschrift von Katja Roos [3] aus dem Sommersemester 2004 bei Prof. Dr. W. Kohnen.Mithilfe von eigenen Mitschrieben aus der gleichen Vorlesung im Sommersemester 2012wurde das Skript im Frühjahr 2016 mit einigen Ergänzungen erstellt.

ii

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1 EinleitungDie Zahlentheorie befasst sich mit dem Studium der natürlichen Zahlen N = {1, 2, 3, . . . }oder allgemeiner der ganzen Zahlen Z und deren gegenseitigen Wechselbeziehungen undEigenschaften wie Teilbarkeit und Darstellung durch Primelemente sowie dem Lösen vonganzzahligen Gleichungen.Man unterscheidet dabei elementare Zahlentheorie, wobei für die Beweise der Sätze ele-mentare Methoden aus der Analysis und Linearer Algebra verwendet werden, und nicht-elementare Zahlentheorie, welche Methoden der höheren Algebra, algebraischen Geometrieund Funktionentheorie benutzt.

In der Zahlentheorie lassen sich viele Probleme oft einfach finden und formulieren, wäh-rend deren Lösung sehr raffinierte Überlegungen und auch tiefliegende Theorien aus demBereich der Algebra, Geometrie oder Funktionentheorie erfordert. Dabei haben solcheProbleme und deren Lösungen in der Regel keine direkte Anwendung innerhalb sowieaußerhalb der Mathematik. Dennoch sind die Methoden und Theorien, die zur Lösungentwickelt wurden und werden, von großer Bedeutung, um analoge Schlüsse in anderenDisziplinen zu vollziehen.

Einige dieser Probleme seien im Folgenden als Motivation vorgestellt.

Pythagoräische Zahlen Der Satz des Pythagoras besagt, dass ein Dreieck genau dannrechtwinklig ist, wenn das Quadrat der Hypothenuse mit der Summe der Katheten-quadrate übereinstimmt. Zur geometrischen Konstruktion rechtwinkliger Dreieckesind nun Zahlentripel (x, y, z) ∈ N3 gesucht mit

x2 + y2 = z2,

sogenannte Pythagoräische Zahlen. Es lässt sich zeigen, dass alle Lösungen bis aufVertauschung in der Gestalt

x = t(a2 − b2), y = 2tab und z = t(a2 + b2) mit t, a, b ∈ N,

wobei a > b teilerfremd seien mit a+ b ungerade, vorliegen. Offensichtlich ist dabeiein Vielfaches eines pythagoräischen Zahlentripels wieder ein solches. Eine Verall-gemeinerung dieser einfachen Gleichung ist das folgende Problem.

Großer Fermatscher Satz Bereits 1637 vermutete Fermat, dass es für alle n ∈ N, n ≥ 3,keine Lösungen (x, y, z) ∈ Z3 mit xyz = 0 der diophantischen Gleichung

xn + yn = zn

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2 Einleitung

vom Grad n gibt. Diese Vermutung wurde erst im Jahre 1994 nach Vorarbeitenanderer Mathematiker von Wiles und Taylor bewiesen. Dieser Beweis ist einerder raffiniertesten, längsten und tiefliegendsten Beweise der Mathematik.

Primzahlverteilung Aus den Grundvorlesungen ist bereits bekannt, dass es unendlichviele Primzahlen gibt. Wie sind jedoch diese kleinsten Bausteine der natürlichenZahlen in N verteilt?Setzt man für x ∈ R, x ≥ 1,

π(x) := |{p ∈ P | p ≤ x}|,

so gilt offensichtlich π(x) → ∞ für x → ∞. Aber lässt sich diese Primzahlfunktiondurch eine einfache Funktion für x→ ∞ approximieren?Hierfür gibt der Primzahlsatz 2.4.4 eine Antwort:

x

π(x)∼ ln(x) (x→ ∞), d.h. lim

x→∞

xπ(x)

ln(x) = 1.

Dies wurde bereits von Gauß im Jahr 1792 vermutet, jedoch erst 1896 mit funktio-nentheoretischen Mitteln wie der Riemannschen ζ-Funktion von Hadamard undde la Vallée Poussin bewiesen. In dieser Vorlesung werden wir mit elementarenMitteln zeigen, dass es Konstanten c1 < 1 < c2 gibt, sodass für hinreichend großesx ∈ R gilt

c1 <π(x)

xln(x)

< c2.

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2 TeilbarkeitslehreZur Erarbeitung grundlegender Techniken und erster einfacher Ergebnisse der Zahlen-theorie sowie des Primzahlsatzes sei die Notation N0 := N ∪ {0} der Einfachheit halbereingeführt. Ferner seien aus den Vorlesungen der Analysis der Satz vom kleinsten Element,das Prinzip der Vollständigen Induktion sowie das Dirichletsche Schubfachprinzip alsbekannt vorausgesetzt. Die Addition und Multiplikation von Elementen aus N bzw. Zsowie deren Anordnung seien durch die üblichen Axiome festgelegt.Im ersten Abschnitt werden Grundlagen zur Teilbarkeit und die Darstellbarkeit natürli-cher Zahlen als Produkt von Primzahlen bewiesen.

2.1 Der Fundamentalsatz der ArithmetikZunächst definiert man die Teilbarkeit gemäß

Definition 2.1.1. Seien a, b ∈ Z. Dann heißt b ein Teiler von a bzw. a heißt Vielfachesvon b, falls es ein n ∈ Z gibt mit

a = bn.

Man schreibt in diesem Fall b | a.

Unmittelbar aus der Definition werden folgende Eigenschaften klar.

Lemma 2.1.2. Seien a, b, c, ai, bi,m, n ∈ Z für i = 1, 2. Dann gilt

• ±a | a,±1 | a und a | 0.

• 0 | a ⇔ a = 0.

• a | ±1 ⇔ a = ±1.

• Transitivität: b | a, a | c impliziert b | c.

• b1 | a1, b2 | a2 ergibt b1b2 | a1a2.

• Für c = 0 gilt: b | a ⇔ cb | ca.

• Ist b Teiler von ai, i = 1, 2, d.h. b | ai, so gilt auch b | (ma1 + na2).

• Gilt b | a und umgekehrt a | b, ist bereits b = ±a.

Beweis. Man beachte, dass ±1 die einzigen Einheiten in Z sind.

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4 Teilbarkeitslehre

Definition 2.1.3. Sei a ∈ Z. Gilt t | a und t = ±a, so heißt t ∈ Z echter Teiler von a.

Lemma 2.1.4. Jedes a ∈ Z \ {0} hat nur endlich viele Teiler.

Beweis. Für b | a sei n ∈ Z mit a = bn = 0, d.h. b, n = 0. Damit ist b aber beschränktgemäß

|b| =∣∣∣an

∣∣∣ ≤ |a|.

Im Folgenden beschränken wir uns auf die Teilbarkeitslehre in N, da mit b | a stets (±b) | agilt. Ziel des vorliegenden Abschnitts ist das Studium des Aufbaus der natürlichen Zahlen.Hierfür ist der Begriff der Primzahl, das Pendant des Primelements in Z, essentiell.

Definition 2.1.5. Eine Zahl p ∈ N heißt Primzahl, falls p > 1 gilt und p nur die positivenTeiler p und 1 besitzt. Die Menge der Primzahlen sei im Folgenden mit P bezeichnet.Eine Zahl p ∈ P mit p | n heißt Primteiler von n ∈ N.

Satz 2.1.6. Jedes n ∈ N mit n > 1 besitzt mindestens einen Primteiler.

Beweis. Sei die Menge der Teiler t > 1 von n mit

T = {t ∈ N | t > 1, t | n}

bezeichnet. Dann ist n ∈ T = ∅ und nach dem Satz vom kleinsten Element der Analysisbesitzt T ein solches kleinstes Element p ∈ T . Wir zeigen p ∈ P:Zunächst ist p > 1, denn p ∈ T . Angenommen, p wäre nicht prim, dann hätte p einenTeiler q | p mit 1 < q < p. Dann ist aber nach Lemma 2.1.2 q ∈ T ein Teiler von n undkleiner als p im Widerspruch zur Wahl von p.

Mit diesen Mitteln zeigt sich der bereits von Euklid um 300 v.Chr. bewiesene

Satz 2.1.7. (Euklid) Es gibt unendlich viele Primzahlen.

Beweis. Angenommen, es gäbe nur endlich viele, verschiedene Primzahlen p1, . . . , pn. De-finiere

M :=n∏

i=1

pi + 1 > 1,

dann hat M nach Satz 2.1.6 einen Primteiler p | M . Nach Annahme muss es ein Indexj ∈ {1, . . . , n} geben mit p = pj. Damit folgt aber

p |

(M −

n∏i=1

pi

)= 1

gemäß Lemma 2.1.2. Das heißt p = 1 im Widerspruch zu p ∈ P.

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2.1 Der Fundamentalsatz der Arithmetik 5

Theorem 2.1.8. (Fundamentalsatz der Arithmetik) Jede natürliche Zahl n ∈ N lässtsich als Produkt von Primzahlen darstellen

n =s∏

i=1

pi, pi ∈ P, s ∈ N0,

wobei das leere Produkt (s = 0) per Definition 1 sei. Diese Darstellung ist bis auf dieReihenfolge eindeutig.

Beweis. Zunächst zeigt man die Existenz per vollständiger Induktion über n.

(IA) n = 1 ist klar.

(IV) Existiere für alle m ∈ N, 1 ≤ m < n, eine Primfaktorzerlegung für ein n > 1.

(IS) Wegen n > 1 gibt es nach Satz 2.1.6 einen Primteiler p ∈ P mit n = pm für einm ∈ N. Wegen p > 1 ist auch m < n und besitzt nach Induktionsvoraussetzung eineDarstellung als Produkt von Primzahlen. Folglich auch n = pm.

Die Eindeutigkeit der Darstellung bis auf Reihenfolge zeigt man ebenfalls per Induktion.

(IA) n = 1 ist klar.

(IV) Existiere für alle m ∈ N, 1 ≤ m < n, eine bis auf Reihenfolge eindeutige Primfak-torzerlegung für ein n > 1.

(IS) Wegen n > 1 gibt es nach Satz 2.1.6 einen kleinsten Primteiler p ∈ P mit p | n. Seien

n = p1 · . . . · pr = q1 · . . . · qs

zwei Primfaktorzerlegungen von n. Dann gilt p | pi für ein i ∈ {1, . . . , r} und p | qjfür ein j ∈ {1, . . . , s}, denn für ein festes pk gilt entweder p | pk oder p ∤ pk. Imletzteren Fall ist pk > p, da p minimaler Primteiler von n ist. Das heißt

1 ≤ m := (pk − p)r∏

i=1,i=k

pi = n− p

r∏i=1,i=k

pi < n.

Offensichtlich ist p ein Primteiler von m mit p ∤ (pk − p), d.h. p teilt das restlicheProdukt, das bis auf Reihenfolge eindeutig ist.Aufgrund der Primeigenschaft ist sogar p = pi = qj. Division mit p ergibt

r∏k=1,k =i

pk =s∏

k=1,k =j

qk =n

p=: mp < n

und per Induktionsvoraussetzung ist die Anzahl der Primzahlen dieser beiden Dar-stellungen von mp identisch und die auftretenden Primzahlen pk stimmen bis aufPermutation mit qk überein. Daraus folgt die Behauptung für n = pmp.

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6 Teilbarkeitslehre

Der Beweis des Fundamentalsatzes liefert ein effektives Verfahren zur Bestimmung derPrimfaktorzerlegung einer natürlichen Zahl n > 1 durch Zerlegen mithilfe des jeweilskleinsten Primfaktors p1 mit n = p1n1. Nochmaliges Anwenden auf n1 ergibt n = p1p2n2

und das Verfahren lässt sich mit n2 fortführen bis man schließlich durch Zusammenfassengleicher Primzahlen die kanonische Primfaktorzerlegung

n =r∏

i=1

pαii , p1 < · · · < pr, αi ∈ N.

erhält. Diese Darstellung ist nach dem Fundamentalsatz 2.1.8 eindeutig.Teiler dieser natürlichen Zahl n > 1 sind von der Form

m =r∏

i=1

pβi

i , 0 ≤ βi ≤ αi,

denn m teilt offensichtlich n. Ist umgekehrt t ein Teiler von n, so kann t aufgrund derEindeutigkeit der Primfaktorzerlegung keine von pi verschiedenen Primteiler enthalten.Zudem darf der Exponent von pi nicht αi überschreiten, denn sonst folgt ein Widerspruchgemäß

pαi+1i | n ⇒ pi |

r∏j=1,j =i

pαj

j .

Wie im Beweis des Theorems bereits angedeutet, gilt

Korollar 2.1.9. Sei n = ab > 1 mit a, b ∈ N und p | n ein Primteiler von n. Dann giltbereits p | a oder p | b.

Beweis. Nach Satz 2.1.6 existiert dieses Element p ∈ P. Gilt a = 1 oder p | a ist nichtszu zeigen. Sei also p ∤ a > 1 der Primteiler von n. Dann haben n sowie a und b nach demFundamentalsatz eine kanonische Darstellung

n =r∏

i=1

pαii = ab.

Da p nach Annahme keinen der Primfaktoren von a teilt, so taucht p in der Darstellungfür b auf, folglich gilt p | b.

Satz 2.1.10. (ggT) Seien a, b ∈ N. Dann gibt es genau ein d ∈ N mit

(i) d | a, d | b,

(ii) t | a und t | b impliziert stets t | d.

Dieses eindeutig bestimmte d heißt größter gemeinsamer Teiler von a und b. Man schreibt

d = ggT(a, b) = (a, b).

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2.1 Der Fundamentalsatz der Arithmetik 7

Beweis. Seien p1, . . . , pr alle Primzahlen, die in den Primfaktorzerlegungen von a sowie bvorkommen. Dann besitzen die Zahlen a, b die Darstellung

a =r∏

i=1

pαii , αi = 0 ⇔ pi ∤ a, sowie b =

r∏i=1

pβi

i , βi = 0 ⇔ pi ∤ b.

Setzt man δi := min(αi, βi), so ist für

d =r∏

i=1

pδii

die Eigenschaft (i) klar. Sei also t = pγ11 · . . . · pγrr ein weiterer Teiler von a und b, dannist nach obiger Bemerkung zur kanonischen Primfaktorzerlegung γi ≤ αi und γi ≤ βi.Folglich auch γi ≤ min(αi, βi) für alle i = 1, . . . , r und man hat t | d, also (ii) gezeigt.Damit ist die Existenz gezeigt.Für die Eindeutigkeit seien d, d′ zwei größte gemeinsame Teiler, dann gilt mit (ii), dasssich die Teiler gegenseitig teilen, d | d′ und d′ | d. Da beide positiv sind, folgt damitd = d′.

Analog zur Definition in Satz 2.1.10 definiert man den größten gemeinsamen Teiler

d = ggT(a1, . . . , an) = (a1, . . . , an)

endlich vieler natürlicher Zahlen a1, . . . , an.Allgemeiner lässt sich sogar für ganze Zahlen a1, . . . , an, nicht alle Null, formal

d = ggT(a1, . . . , an) := (|ai1 |, . . . , |ain |)

definieren, wobei aij = 0 ausgewählt wird.

Satz 2.1.11. (kgV) Seien a, b ∈ N. Dann gibt es genau ein e ∈ N mit

(i) a | e, b | e,

(ii) a | v und b | v impliziert stets e | v.

Dieses eindeutig bestimmte e heißt kleinstes gemeinsames Vielfaches von a und b. Manschreibt

e = kgV(a, b) = [a, b].

Beweis. Seien wiederum p1, . . . , pr alle Primzahlen, die in den Primfaktorzerlegungen vona sowie b vorkommen und

a =r∏

i=1

pαii , αi = 0 ⇔ pi ∤ a, sowie b =

r∏i=1

pβi

i , βi = 0 ⇔ pi ∤ b.

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8 Teilbarkeitslehre

Setzt man εi := max(αi, βi), so ist für

e =r∏

i=1

pεii

die Eigenschaft (i) klar. Sei also v = pγ11 · . . . ·pγrr ein weiteres Vielfaches von a und b, dannist nach obiger Bemerkung zur kanonischen Primfaktorzerlegung γi ≥ αi und γi ≥ βi.Folglich auch γi ≥ max(αi, βi) für alle i = 1, . . . , r und man hat e | v, also (ii) gezeigt.Damit ist die Existenz gezeigt.Für die Eindeutigkeit seien e, e′ zwei kleinste gemeinsame Vielfache, dann gilt mit (ii),dass sich die Vielfache gegenseitig teilen und damit ist e = e′.

Ähnlich zur Verallgemeinerung des ggT auf mehr als zwei Zahlen, lässt sich das kgVerweitern gemäß der Definition in Satz 2.1.11. Damit erhält man folgende Rechenregeln.

Korollar 2.1.12. Seien a1, . . . , an ∈ Z nicht alle Null. Dann gilt

(i) (a1, . . . , an) = (a1, (a2, . . . , an)) und [a1, . . . , an] = [a1, [a2, . . . , an]].

(ii) (ta1, . . . , tan) = |t|(a1, . . . , an) und [ta1, . . . , tan] = |t|[a1, . . . , an] für t ∈ Z.

(iii) (1, a2, . . . , an) = 1 und [1, a2, . . . , an] = [a2, . . . , an].

(iv) Für a1, a2 ∈ N ist a1a2 = (a1, a2) · [a1, a2].

Beweis. Man macht sich mit den im Beweis verwendeten kanonischen Darstellungen undder Eindeutigkeit von ggT und kgV leicht klar, dass (i) gilt, dies impliziert sofort (iii).(ii) ist mithilfe der Primfaktorzerlegung ebenfalls klar. Zum Beweis der letzten Aussagebeachte man die Identität

min(α, β) + max(α, β) = α+ β ∀α, β ∈ N0.

Definition 2.1.13. Seien a1, . . . , an ∈ Z nicht alle Null. Dann heißen a1, . . . , an teiler-fremd, falls

(a1, . . . , an) = 1

ist. Die Zahlen a1, . . . , an heißen paarweise teilerfremd, falls für alle i = j ∈ {1, . . . , n}gilt

(ai, aj) = 1.

Aus dieser Definition lassen sich direkt einige wichtige Folgerungen festhalten.

Satz 2.1.14. Seien a1, . . . , an ∈ Z nicht alle Null. Dann gilt

(a) Die Zahlen a1, . . . , an sind genau dann teilerfremd wenn sie keinen gemeinsamenPrimteiler besitzen.

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2.1 Der Fundamentalsatz der Arithmetik 9

(b) Die Zahlen a1, . . . , an sind genau dann paarweise teilerfremd wenn sie nur verschie-dene Primteiler besitzen.

(c) Für a, b, c ∈ N gilt(i) a | bc und (a, b) = 1 implizieren a | c.

(ii) (a, b) = 1 = (a, c) impliziert (a, bc) = 1 und umgekehrt.

Beweis. Die ersten beiden Aussagen werden direkt mithilfe der kanonischen Primfaktor-zerlegung und der Darstellung des ggT klar. Für (c) wählen wir für die gemeinsamenPrimfaktoren von b und c die kanonischen Darstellungen

b =r∏

i=1

pβi

i , βi = 0 ⇔ pi ∤ b, sowie c =r∏

i=1

pγii , γi = 0 ⇔ pi ∤ c.

In (i) ergibt sich mit 0 ≤ αi ≤ βi + γi

a =r∏

i=1

pαii .

Ist (a, b) = 1, so folgt min(αi, βi) = 0 für i = 1, . . . , r. Gilt αi = 0, ist nichts zu zeigen. ImFall βi = 0 folgt aufgrund der Teilereigenschaft αi ≤ γi und somit insgesamt a | c.Für den Beweis von (ii) hat aufgrund der Teilerfremdheit a in beiden Fällen nur von bund c verschiedene Primteiler, d.h.

a =s∏

i=1

qαii .

Damit zeigt sich leicht die Äquivalenz.

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10 Teilbarkeitslehre

2.2 Ideale von ZZwei ganze Zahlen lassen sich stets mit Rest teilen. Dies zeigt

Satz 2.2.1. Seien m ∈ N0 und n ∈ N. Dann gibt es genau eine Darstellung

m = qn+ r

mit q, r ∈ N0 und einem Rest r < n.

Beweis. Für den Existenzbeweis setze man

q :=[mn

]:= max

{k ∈ Z | k ≤ m

n

}≥ 0

als die Gauß-Klammer des Bruchs. Dann ist q durch den Bruch nach oben beschränktund somit r := m− qn ≥ 0. Angenommen, es gälte r ≥ n, folgte

m− qn ≥ n ⇔ q + 1 ≤ m

n

im Widerspruch zur Maximalität von q.Für die Eindeutigkeit nehmen wir an, es gäbe zwei Darstellungen

m = qn+ r = q′n+ r′, 0 ≤ r, r′ < n.

Dann ist n(q − q′) = r − r′ mit |r − r′| < n. Wegen q − q′ ∈ Z folgt r = r′ und damitq = q′ aufgrund der Voraussetzung n ∈ N.

Ist der Rest der Division Null, kommt man zum Begriff des Hauptideals, der nun entwickeltwerden soll.

Definition 2.2.2. Eine Teilmenge I ⊂ Z heißt Ideal von Z, falls gilt

(i) I ist additive Untergruppe von Z.

(ii) Für a ∈ Z, b ∈ I gilt stets ab ∈ I.

Beispiel 2.2.3. Seien a1, . . . , an ∈ Z gegeben. Dann ist

Za1 + · · ·+ Zan := {x1a1 + · · ·+ xnan | x1, . . . , xn ∈ Z}

ein Ideal, das von a1, . . . , an erzeugte Ideal. Ist speziell

I = Za = {na | n ∈ Z}

für ein a ∈ Z, so nennt man I ein Hauptideal.

Es zeigt sich folgender

Satz 2.2.4. Jedes Ideal I ⊂ Z ist ein Hauptideal.

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2.2 Ideale von Z 11

Beweis. Ist I = {0}, ist nichts zu zeigen. Gebe es also ein a ∈ I \ {0}. Da mit a ∈ Iper Definition auch −a ∈ I gilt, sei ohne Einschränkung a ∈ N. Dann gibt es auch einekleinste natürliche Zahl n ∈ I.Sei m ∈ I,m ≥ 0. Dann gibt es nach Satz 2.2.1 eine Darstellung m = qn + r ∈ I. Da Ieine additive Untergruppe ist, folgt r = m− qn ∈ I. Wegen r < n gilt aufgrund der Wahlvon n bereits r = 0.Ist m ∈ I,m < 0, so folgt −m = qn nach eben Gezeigtem. Folglich gilt I = Zn.

Die im Beweis verwendete Minimalität des erzeugenden Elements n ∈ N ergibt weiterewichtige Eigenschaften, die allgemeiner in jedem Hauptidealring gelten.

Korollar 2.2.5. (Lemma von Bézout) Seien a1, . . . , an ∈ Z nicht alle Null und seid = ggT(a1, . . . , an). Dann wird das von den Zahlen erzeugte Ideal von d erzeugt, d.h.

Za1 + · · ·+ Zan = Zd.

Insbesondere gibt es eine Darstellung

d =n∑

i=1

xiai mit xi ∈ Z.

Beweis. Da nicht alle Zahlen Null sind, hat das erzeugte Ideal nach Satz 2.2.4 die GestaltZn mit n ∈ N. Weil n alle Zahlen a1, . . . , an darstellt, ist n ein gemeinsamer Teiler allera1, . . . , an. Aufgrund der umgekehrten Darstellung

n = x1a1 + · · ·+ xnan

ist ein Teiler aller a1, . . . , an auch ein Teiler von n. Per Definition 2.1.10 ist dann n = d.

Hieraus lässt sich die Grundlage des Euklidschen Algorithmus bilden.

Korollar 2.2.6. Seien a1, . . . , an ∈ Z mit a1 = 0. Sind y2, . . . , yn ∈ Z, so gilt

d := ggT(a1, . . . , an) = ggT(a1, a2 − y2a1, . . . , an − yna1) =: d′.

Beweis. Zunächst sei bi := ai − yia1 für i = 2, . . . , n. Dann ist a1, b2, . . . , bn ∈ Zd, demvon a1, . . . , an erzeugten Ideal nach obigem Korollar 2.2.5. Umgekehrt ist

a1, ai = yia1 + bi ∈ Zd′.

Das heißt aufgrund der beiden Inklusionen Zd = Zd′. Da sich die beiden Zahlen gegenseitigteilen müssen, folgt mit d, d′ ∈ N die Gleichheit.

Für n = 2 ergibt sich hieraus der bekannte Euklidsche Algorithmus zur Berechnung desgrößten gemeinsamen Teilers. Seien hierzu b ≥ a ∈ N gegeben. Man schreibt mit Satz2.2.1

b = q1a+ r1 mit 0 ≤ r1 < a

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12 Teilbarkeitslehre

und es folgt aus Korollar 2.2.6 für den ggT

(b, a) = (q1a+ r1, a) = (r1, a) = (a, r1).

Ist r1 = 0, so ist bereits ggT(a, b) = a. Ist r1 = 0 schreibt man

a = q2r1 + r2 mit 0 ≤ r2 < r1

und erhält (a, r1) = (r1, r2). Dieser Algorithmus endet nach endlich vielen Schritten undman erhält

(b, a) = (a, r1) = (r1, r2) = · · · = (d, 0) = d

mit d ∈ N.

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2.3 Zahlentheoretische Funktionen 13

2.3 Zahlentheoretische FunktionenIn der (nicht-elementaren) Zahlentheorie kommen oft komplexwertige Funktionen vor,deren Definitionsbereich natürliche Zahlen sind. Einige dieser zahlentheoretisch wichtigenFunktionen werden in diesem Abschnitt für die Verwendung in späteren Beweisen genauerstudiert.

Definition 2.3.1. Eine zahlentheoretische Funktion ist eine Abbildung f : N → C. Sieheißt multiplikativ, falls

f(n1n2) = f(n1) · f(n2)

für alle n1, n2 ∈ N mit ggT(n1, n2) = 1 gilt.

Aus dieser Definition folgen direkt einige wichtige Eigenschaften einer multiplikativenzahlentheoretischen Funktion.

Lemma 2.3.2. Sei f : N → C einer multiplikative zahlentheoretische Funktion, dann gilt

(i) f ist durch die Funktionswerte der Primzahlpotenzen pα, α ∈ N0, eindeutig bestimmt.Denn

n =r∏

i=1

pαii ⇒ f(n) =

r∏i=1

f(pαii ).

(ii) Es gilt entweder f ≡ 0 oder f(1) = 1.

Die zahlentheoretischen Funktionen bilden mit der punktweisen Addition und skalarenMultiplikation für allgemeine Funktionen einen komplexen Vektorraum Z.

Beweis. Aufgrund des Fundamentalsatzes 2.1.8 der elementaren Zahlentheorie ist (i) klarund mit dem Vorwissen über Funktionenräume genügt es (ii) zu beweisen.Offensichtlich gilt f(1) = f(1) ·f(1), d.h. f(1) = 1 oder f(1) = 0. Im ersten Fall ist nichtszu zeigen. Gilt f(1) = 0, so folgt aber wegen ggT(n, 1) = 1

f(n) = f(n) · f(1) = 0 ∀ n ∈ N.

Beispiel 2.3.3. (a) Die Eulersche ϕ-Funktion definiert eine zahlentheoretische Funk-tion durch

ϕ(n) :=∑

1≤m≤n,ggT(m,n)=1

1.

(b) Die Funktion f(n) = nz ist für alle z ∈ C eine multiplikative zahlentheoretischeFunktion, denn nz := ez ln(n).

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14 Teilbarkeitslehre

(c) Die Möbiussche Funktion µ : N → {0,±1} ist multiplikativ definiert durch

µ(n) :=

1 falls n = 1,

(−1)r falls n = p1 · . . . · pr, pi = pj für i = j,

0 sonst.

(d) Für zwei multiplikative zahlentheoretische Funktionen f, g ist offensichtlich auchderen Produkt und mit g(n) = 0 für alle n ∈ N auch deren Quotient multiplikativ.

Satz 2.3.4. Ist f : N → C eine multiplikative Funktion, so ist auch ihre zugeordnetesummatorische Funktion F : N → C mit

F (n) :=∑d|n,d>0

f(d)

multiplikativ.

Beweis. Seien n1, n2 ∈ N mit ggT(n1, n2) = 1. Gemäß dem Fundamentalsatz 2.1.8 derArithmetik lässt sich jeder Teiler d ∈ N von n1n2 eindeutig als

d = d1d2, wobei d1 | n1, d2 | n2 und ggT(d1, d2) = 1,

schreiben. Es ist hierbei di = ggT(d, ni) für i = 1, 2. Durchläuft also d alle Teiler desProdukts n1n2, so durchläuft d1 die Teiler von n1 und entsprechend d2 die von n2. Diesergibt

F (n1n2) =∑

d|(n1n2),d>0

f(d) =∑d1|n1,d2|n2

f(d1d2) =∑d1|n1,d2|n2

f(d1)f(d2) =∑d1|n1,d1>0

f(d1)∑d2|n2,d2>0

f(d2)

= F (n1)F (n2).

Beispiel 2.3.5. (a) Für ν ∈ N0 definiert man die Teilerfunktionen

σν(n) :=∑d|n,d>0

dν .

σ0(n) beschreibt dabei die Anzahl der Teiler von n und σ1(n) die Summe der Teiler.Schreibt man n = pα1

1 · . . . · pαrr , so folgt

σ0(n) =r∏

i=1

(αi + 1).

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2.3 Zahlentheoretische Funktionen 15

Mit der geometrischen Summenformel schließt man für ν ∈ N, α ∈ N0 und p primaus

σν(pα) =

α∑i=0

(pi)ν

=α∑

i=0

(pν)i =pν(α+1) − 1

pν − 1

die Produktdarstellung

σν(n) =r∏

i=1

pν(αi+1)i − 1

pνi − 1.

(b) Die summatorische Funktion der Möbius-Funktion ist die charakteristische Funk-tion zur Menge {1} ⊂ N, d.h.

∑d|n,d>0

µ(d) =

{1 falls n = 1,

0 sonst.

In der Tat, für n = 1 ist die Aussage klar. Sei also α ∈ N, p prim, dann folgt∑d|pα,d>0

µ(d) =α∑

i=0

µ(pi) = 1 + (−1) + 0 = 0.

Theorem 2.3.6. (Möbiussche Umkehrformel) Sei Z wie in Lemma 2.3.2 der Vektorraumder zahlentheoretischen Funktionen. Die Abbildung

T : Z → Z, f 7→ F mit F (n) =∑d|n,d>0

f(d),

die f ihre summatorische Funktion zuordnet, ist linear und bijektiv mit Umkehrabbildung

T−1 : Z → Z, F 7→ f mit f(n) =∑d|n,d>0

µ(d)F(nd

).

Beweis. Die Linearität ist klar, da die Summation linear ist. Daher genügt es für dieInjektivität allein den Kern der Abbildung zu betrachten, d.h. sei T (f) = 0, also F (n) = 0für alle n ∈ N. Per Induktion zeigt man f ≡ 0:Zunächst folgt 0 = F (1) = f(1). Da f im Allgemeinen nicht multiplikativ ist, folgt hierausnicht direkt f ≡ 0. Sei die Behauptung daher für alle n < n0 gezeigt. So impliziert dies

f(n0) = f(n0) +∑d|n0,

0<d<n0

f(d) = F (n0) = 0

und damit den Induktionsschluss.Zum Beweis der Surjektivität sei F ∈ Z gegeben und man prüft die Wahl der Umkehrab-bildung. Mit der abkürzenden Schreibweise einer Summation über alle Paare (d1, d2) ∈ N2

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16 Teilbarkeitslehre

mit d1d2 = n ist

f(n) :=∑d|n,d>0

µ(d)F(nd

)=∑

d1d2=n

µ(d1)F (d2) =∑d|n,d>0

µ(nd

)F (d).

Daraus folgt mit ähnlichen Überlegungen

T (f)(n) =∑d1|n,d1>0

f(d1) =∑d1|n,d1>0

∑t1t2=d1

µ(t1)F (t2) =∑

t1t2t3=n

µ(t1)F (t2)

=∑t2|n,t2>0

F (t2)∑

t1t3=nt2

µ(t1) =∑t|n,t>0

F (t)∑m

∣∣nt,

m>0

µ(m) = F (n)

nach Beispiel 2.3.5 (b).

Diese wichtige Umkehrformel wird nun auf die Eulersche ϕ-Funktion angewendet.

Korollar 2.3.7. Die in Beispiel 2.3.3 (a) definierte Eulersche ϕ-Funktion ist multipli-kativ und es gilt für alle n ∈ N

(2.1) n =∑d|n,d>0

ϕ(d) bzw. ϕ(n) =∑d|n,d>0

µ(d)n

d

sowie

(2.2) ϕ(n) = n∏p|n,

p prim

(1− 1

p

).

Beweis. Ist die linke Gleichheit von (2.1) gezeigt, so folgt mit der Funktion F (n) = n auseben bewiesener Umkehrformel

ϕ(n) = T−1(F )(n) =∑d|n,d>0

µ(d)F(nd

)=∑d|n,d>0

µ(d)n

d.

Wie in Beispiel 2.3.3 gezeigt wurde, ist der Quotient der multiplikativen Funktionen µund F (n) = n ebenfalls multiplikativ. Satz 2.3.4 liefert die Multiplikativität der summa-torischen Funktion

n 7→ ϕ(n)

n=∑d|n,d>0

µ(d)

d.

Als Produkt dieses Quotienten und der identischen Abbildung F (n) = n ist ϕ multipli-kativ. Zum Beweis der linken Gleichung von (2.1) betrachte man die disjunkte Zerlegung

{1, . . . , n} =•∪

d|n,d>0

Ad mit Ad := {1 ≤ x ≤ n | ggT(x, n) = d}.

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2.3 Zahlentheoretische Funktionen 17

Ist x ∈ Ad für einen natürlichen Teiler d von n, so lässt sich x = qd mit q ∈ N schreibenund es folgt mit den Rechenregeln für den ggT

d = (x, n) =(qd, nd

d

)= d

(q, n

d

)⇔

(q, n

d

)= 1.

Damit ergibt sich für die Mächtigkeit der Menge Ad

|Ad| = |{1 ≤ x ≤ n | (x, n) = d}| = |{1 ≤ q ≤ nd| (q, n

d) = 1}| = ϕ(n

d)

und somit (2.1), denn

n = |{1, . . . , n}| =∑d|n,d>0

|Ad| =∑d|n,d>0

ϕ(nd

)=∑d|n,d>0

ϕ(d).

Für den Beweis von (2.2) betrachte man die multiplikative Funktion

n 7→ ϕ(n)

n=∑d|n,d>0

µ(d)

d,

d.h. es genügt für einen Primteiler p | n mit pα | n, α ∈ N maximal, folgendes zu zeigen:

∑d|pα,d>0

µ(d)

d=

α∑i=0

µ(pi)

pi=µ(1)

1+µ(p)

p+ 0 = 1− 1

p.

Zur Berechnung folgt aus (2.2) bzw. abschließend Gezeigtem für α ∈ N, p prim

ϕ(pα) = pα−1(p− 1).

Damit lässt sich ein weiterer kurzer Beweis für die Unendlichkeit der Primzahlen (sieheSatz 2.1.7) geben.

Bemerkung. Angenommen, es gäbe nur endlich viele, verschiedene Primzahlen p1, . . . , pn.Dann gilt

M :=n∏

i=1

pi ⇒ ϕ(M) =n∏

i=1

ϕ(pi) =n∏

i=1

(pi − 1) > 1,

da wir bereits p1 = 2, p2 = 3 kennen. Per Definition von ϕ gibt es daher eine natürlicheZahl m > 1, die zu M teilerfremd ist. Nach Satz 2.1.6 besitzt diese einen Primteilerp | m. Nun folgt aus der Teilerfremdheit zu M , dass p = pi für alle bereits bekanntenpi, i = 1, . . . , n, ist – ein Widerspruch zur Annahme.

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18 Teilbarkeitslehre

2.4 Primzahlsatz und PrimzahlenDieser letzte Abschnitt behandelt eine dem Primzahlsatz ähnliche Abschätzung der Prim-zahlfunktion π und schließt mit der Betrachtung spezieller Primzahlen.Zur einfachen Charakterisierung von Primzahlen und zur Erstellung von Primzahltafelndient das sogenannte Sieb des Erathostenes. Dieses beruht auf folgendem

Lemma 2.4.1. Sei n ∈ N, n > 1. Besitzt n keinen positiven Teiler d ≤√n außer 1, dann

ist n prim.

Beweis. Sei d ∈ N ein Teiler von n. Dann gibt es ein d′ ∈ N mit dd′ = n. Dann könnennicht beide d, d′ >

√n erfüllen, d.h. es gilt d ≤

√n oder d′ ≤

√n. Nach Voraussetzung ist

dann d = 1 oder d′ = 1 und somit d = 1 oder d = n. Damit ist n ∈ P prim.

Hieraus resultiert das

Korollar 2.4.2. Sei x ∈ R, x ≥ 1. Notiert man alle natürliche Zahlen kleiner oder gleichx und streicht alle Vielfachen der natürlichen Zahlen 1 < m ≤

√x, so bleiben genau 1

und alle Primzahlen p ≤ x stehen.

Beweis. Alle stehenbleibenden Zahlen n außer 1 haben keinen Teiler d ≤√x, also insbe-

sondere keinen Teiler d ≤√n ≤

√x und sind damit prim.

Definition 2.4.3. Sei x ∈ R, x ≥ 1. Dann sei die Primzahlfunktion definiert durch

π(x) := |{p ∈ P | p ≤ x}|.

Mit obigem Korollar und einigem Rechenaufwand folgt die Tabelle,

x π(x) ≈ xπ(x)

101 4 2.5102 25 4.0103 168 6.0104 1229 8.1105 9592 10.4... ... ...

1010 455052512 22.0

wobei das Verhältnis x/π(x) stets ungefähr um den Wert 2.3 wächst. Eine elementareFunktion mit dieser Eigenschaft ist der natürliche Logarithmus ln mit ln(10) ≈ 2.3.Vermutet wurde die Aussage

x

π(x)∼ ln(x) (x→ ∞) :⇔ lim

x→∞

xπ(x)

ln(x) = 1

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2.4 Primzahlsatz und Primzahlen 19

von Gauß im Jahre 1792. Mit funktionentheoretischen Mitteln wie der Riemannschenζ-Funktion

ζ(s) =∑n∈N

1

ns, s ∈ C mit Re(s) > 1,

wurde diese Aussage 1896 von Hadamard und de la Vallée-Poussin bewiesen. Erst1948 gelang dem Mathematiker Selberg ein Beweis mit elementaren Methoden.

Theorem 2.4.4. (Primzahlsatz) Für die Primzahlfunktion π gilt

x

π(x)∼ ln(x) (x→ ∞), d.h. lim

x→∞

xπ(x)

ln(x) = 1.

Beweis. Siehe [4].

Da dieser Beweis den Rahmen der Vorlesung sprengen würde, beweisen wir nur eineVariante der 1850 von Tschebycheff hergeleiteten Ungleichung aus

Theorem 2.4.5. Für hinreichend große x ∈ R, x > 1, gilt

0.89x

ln(x) < π(x) < 1.11x

ln(x) .

Beweis. Siehe [5].

Wir beweisen nämlich die beiden getrennten Abschätzungen wie folgt für natürliche Zah-len. Zunächst eine Abschätzung nach oben.

Satz 2.4.6. Für n ∈ N, n ≥ 2 gilt

(2.3) π(n) < 2n

ln(n) .

Beweis. Man macht sich leicht mithilfe einer Tabelle wie oben klar, dass die Aussage füralle natürlichen Zahlen n ∈ [2, 200) gilt. Man zeigt nun:

Gilt (2.3) für ein n ∈ N, n ≥ 100, so auch für 2n sowie 2n+ 1.

Dies genügt, denn damit erhält man die Gültigkeit der Abschätzung induktiv für allenatürlichen Zahlen n ≥ 2.Sei also n ≥ 100 mit obiger Ungleichung (2.3) gegeben. Die folgenden Schritte sind moti-viert durch die exponierte Ungleichung nπ(n) < e2n. Zunächst betrachtet man

22n = (1 + 1)2n =2n∑k=0

(2n

k

)>

(2n

n

),

wobei per Definition (2n

n

)=

(2n)!

n! · n!=

1 · 2 · . . . · 2n(1 · 2 · . . . · n)2

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20 Teilbarkeitslehre

ist. Da im Zähler alle Primzahlen p ≤ 2n auftreten, im Nenner aber keine Primzahlenn < p ≤ 2n auftreten, folgt aus der Tatsache, dass der Binomialkoeffizient eine natürlicheZahl ist, ∏

p∈P,n<p≤2n

p∣∣ (2n

n

).

Letzteres Produkt hat genau π(2n)−π(n) Faktoren, welche jeweils größer als n sind. Diesimpliziert die Abschätzung

nπ(2n)−π(n) <∏p∈P,

n<p≤2n

p ≤(2n

n

)< 22n

bzw. nach Anwendung des streng monoton steigenden Logarithmus (ln(2) ≈ 0.693)

(π(2n)− π(n)) ln(n) < 2n ln(2) ⇒ π(2n) < π(n) + 0.72n

ln(n) .

Beachtet man die Voraussetzung für n ≥ 100, so bleibt

π(2n) <2n

ln(n) + 0.72n

ln(n) = 1.72n

ln(n)!

≤ 22n

ln(2n)

zu verifizieren. Letztere Ungleichung ist jedoch äquivalent zu

1.7 ln(2n) ≤ 2 ln(n) ⇔ 1.7 ln(2) + 1.7 ln(n) ≤ 2 ln(n)

⇔ 17

3ln(2) ≤ ln(n)

⇔ n ≥ 217/3 ≈ 50.80,

was offensichtlich für obiges n erfüllt ist.Verwendet man die erhaltenen Abschätzungen für 2n, erhält man für n ≥ 100

π(2n+ 1) ≤ π(2n) + 1 < 1.72n

ln(n) + 1 < 1.7252n

ln(n) < 1.7252n+ 1

ln(n) .

Eine letzte Rechnung zeigt

π(2n+ 1) < 1.7252n+ 1

ln(n)!

≤ 22n+ 1

ln(2n+ 1)⇔ 2n+ 1 ≤ n80/69,

wobei letztere Ungleichung tatsächlich für n ≥ 100 Gültigkeit besitzt.

Der Beweis einer unteren Schranke für die Primzahlfunktion basiert auf folgenden Lem-mata.

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2.4 Primzahlsatz und Primzahlen 21

Lemma 2.4.7. Sei n ∈ N0, p ∈ P. Sei prp die höchste Potenz, die n! teilt. Dann gilt

rp =∞∑k=1

[n

pk

]mit der Gauß-Klammer [·].

Beweis. Zunächst ist die Summe endlich und damit wohldefiniert, denn für pk > n istjeder Summand gleich Null. Für n = 0, 1 ist die Aussage klar, d.h. rp = 0. Sei also n > 1und 1 < m ≤ n mit p | m. Dann gibt es ein α ∈ N mit m = pα bzw. α = m/p ≤ n/p.Ist umgekehrt α ≤ n/p natürlich, so ist m := pα ≤ n durch p teilbar. Die Gesamtanzahlvon natürlichen m ≤ n mit p | m ist demnach [n/p] und jede solche Zahl m liefert einenBeitrag von 1 zur genauen p-Potenz, die n! teilt. Der Gesamtbeitrag aller solcher Zahlenzur genauen p-Potenz, die n! teilt, ist also zumindest [n/p].Unter diesen Zahlen gibt es jedoch [n/p2] solche, die durch p2 teilbar sind und den Ge-samtbeitrag von mindestens [n/p2] zur genauen p-Potenz liefern. Fährt man fort, so folgtdie Behauptung.

Lemma 2.4.8. Seien n, k ∈ N0 mit k ≤ n und p ∈ P. Sei psp die höchste Potenz, die(nk

)teilt, dann gilt

psp ≤ n.

Beweis. Per Definition des Binomialkoeffizienten(nk

)= n!

k!(n−k)!folgt aus Lemma 2.4.7

sp =∞∑

m=1

[n

pm

]−

∞∑m=1

[k

pm

]−

∞∑m=1

[n− k

pm

]=

∞∑m=1

([n

pm

]−[k

pm

]−[n− k

pm

]).

Wie bereits in obigem Lemma erwähnt, erstreckt sich die Summation maximal bis pm ≤ n,d.h. m ≤ [ln(n)/ ln(p)] =: np. Dabei belegt aber jeder Summand der letzten Summe denWert 0 oder 1, denn mittels Division mit Rest kleiner pm folgt[

n

pm

]=

[k + (n− k)

pm

]=

[k

pm

]+

[n− k

pm

]+ δ

mit δ ∈ {0, 1}. Folglich ist die Summe abschätzbar durch

sp ≤np∑

m=1

1 = np =

[ln(n)ln(p)

]≤ ln(n)

ln(p) .

Exponieren ergibt die gewünschte Ungleichung.

Diese Hilfssätze ergeben in Analogie zur Verwendung des binomischen Lehrsatzes in Satz2.4.6 folgenden

Satz 2.4.9. Für n ∈ N, n ≥ 260 gilt

(2.4) 0.65n

ln(n) < π(n).

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22 Teilbarkeitslehre

Beweis. Es ist mit Lemma 2.4.8 für n ≥ 2

2n = (1 + 1)n =n∑

k=0

(n

k

)=

n∑k=0

∏p∈P,p≤n

psp

≤n∑

k=0

∏p∈P,p≤n

n =n∑

k=0

nπ(n) = (n+ 1)nπ(n) ≤ n2+π(n).

Für n ≥ 260 lässt sich daraus

2 + π(n) ≥ ln(2) n

ln(n) ⇒ π(n) ≥ ln(2) n

ln(n) − 2 > 0.65n

ln(n)abschätzen. Diese Abschätzung lässt sich noch etwas verbessern, die Konstante ist jedochdurch ln(2) ≈ 0.693 nach oben beschränkt.Durch die verbesserte Wahl in n + 1 ≤ n1+ε mit ε > 0 zeigt sich, dass die Ungleichung(2.4) bereits für n ≥ 110 gilt.

Nach dieser asymptotischen Abschätzung der Primzahlfunktion ist wiederum klar, dasses unendlich viele Primzahlen gibt. Über die genaue Verteilung der Primzahlen ist imAllgemeinen wenig bekannt, jedoch lässt ein Blick in eine Primzahltabelle vermuten, dasses unendlich viele Primzahlzwillinge, d.h. Paare (p, p + 2) ∈ P2 zweier aufeinanderfol-gender Primzahlen, gibt. Beispielsweise sind (3, 5), (5, 7), (17, 19) oder (299477, 299479)Primzahlzwillinge, aber nicht (2, 3).Mithilfe der Funktionentheorie und sogenannten Dirichletschen L-Reihen lässt sich derfolgende Satz der analytischen Zahlentheorie über die Verteilung von Primzahlen zeigen.Satz 2.4.10. (Dirichlet) Seien a,m ∈ N teilerfremd. Dann stellt die arithmetischeProgression oder Folge mit an = a+mn für n ∈ N unendliche viele Primzahlen dar.Beweis. Siehe [1].

Eine entsprechende Aussage für quadratische Folgen

an = an2 + bn+ c, ggT(a, b, c) = 1

ist nicht bekannt. Euler stellte dazu fest, dass an = n2+n+41 für 0 ≤ n ≤ 39 Primzahlendarstellt, nicht aber für n = 40, denn

402 + 40 + 41 = 40 · (40 + 1) + 41 = 412 /∈ P.

Eine Faktorisierung liefert auch bei manchen höheren polynomialen Folgen ein negativesErgebnis. Zum Beispiel beschreibt bn = n4 +4 nur für n = 1 eine Primzahl, ansonsten istsie zusammengesetzt gemäß

n4 + 4 = (n2)2 + 22 = (n2 + 2)2 − (2n)2 = (n2 + 2− 2n)(n2 + 2 + 2n)

mit 1 < n2 + 2− 2n = (n− 1)2 + 1 für n > 1.

Nichtsdestotrotz lässt sich beweisen, dass eine solche Folge unendlich viele Primteiler hat.

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2.4 Primzahlsatz und Primzahlen 23

Satz 2.4.11. Sei h ∈ Z[X] ein Polynom über Z vom Grad deg(h) ≥ 1. Dann existierenunendlich viele Primzahlen p ∈ P mit p | h(np) für geeignetes np ∈ N.

Beweis. Sei m = deg(h) ≥ 1 und

h(X) =m∑k=0

akXk mit ak ∈ Z, am = 0.

Ist a0 = 0, so gilt p | h(p) für alle p ∈ P.Sei a0 = 0 und angenommen, dass die Aussage des Satzes falsch ist. Seien p1, . . . , pr dieverschiedenen Primteiler der Funktionswerte h(n), n ∈ N. Setze für ein noch zu wählendesB ∈ N

n := 2Br∏

i=1

pi.

Dann gilt

h(a20n) =m∑k=0

ak(a20n)

k = a0 ·m∑k=0

aka2k−10 nk = a0 · g(n),

wobei letztere Summe der Funktionswert eines Polynoms g ∈ Z[X] ist mit Grad m ≥ 1,da am, a0 = 0. Für B → ∞, d.h. n → ∞, folgt also |g(n)| → ∞. Für hinreichend großesB ∈ N besitzt daher g(n) einen Primteiler p. Dieser erfüllt p | h(a20n) und aufgrund derAnnahme gilt p = pi für ein i ∈ {1, . . . , r}, d.h. p | n per Definition. Wegen g(0) = 1damit auch p | (g(n)− 1). Im Widerspruch zu p ∤ 1.

Abschließend seien noch einige besondere Zahlen und insbesondere spezielle Primzahlenbetrachtet. Zunächst die historisch bedingten Zahlen aus

Definition 2.4.12. Eine Zahl n ∈ N heißt vollkommen oder perfekt, falls n mit derSumme seiner echten Teiler übereinstimmt, d.h.

n =∑d|n,

0<d<n

d.

Mit der Notation aus Beispiel 2.3.5 (a) ist eine natürliche Zahl n genau dann vollkommenwenn σ1(n) = 2n gilt. Beispiele für die ersten vollkommenen Zahlen sind

6, 28, 496, 8 128 oder 33 550 336.

Bereits Euklid hat die Gestalt der ersten vollkommenen Zahlen untersucht, nämlichn = 2t(2t+1 − 1) mit t ∈ N, wobei der zweite Faktor eine Primzahl ist.

Definition 2.4.13. Eine Primzahl der Form p = 2ν − 1 mit ν ∈ N heißt MersenneschePrimzahl.

Offensichtlich erhält man für ν = 1, 4 oder ν = 6 keine Primzahlen. Genauer zeigt man

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24 Teilbarkeitslehre

Lemma 2.4.14. Ist p = 2ν − 1 ∈ P für ein ν ∈ N, ν > 1, so ist notwendigerweise ν ∈ P.Beweis. Ist ν > 1 nicht prim, so besitzt ν eine Zerlegung ν = αβ mit α, β ∈ N, α, β > 1.Gemäß der geometrischen Summenformel

xβ − 1

x− 1= xβ−1 + xβ−2 + · · ·+ x+ 1 für x ∈ R \ {1}

folgt2ν − 1 = (2α)β − 1 = (2α − 1)(2α(β−1) + · · ·+ 2α + 1).

Wegen α, β > 1 sind beide Faktoren größer als Eins und folglich 2ν − 1 /∈ P.

Beispielsweise sind 3, 7 oder 2521−1, 211 213−1 und 219 937−1 Mersennesche Primzahlen,nicht jedoch 211− 1 oder 243− 1. Es ist bis heute unbekannt, ob es unendlich viele solcherPrimzahlen gibt und damit auch die Frage nach der Anzahl vollkommener Zahlen, wiefolgender Satz zeigt.Satz 2.4.15. Für t ∈ N gelten folgende Aussagen.

(i) (Euklid) Zahlen der Form n = 2t(2t+1 − 1) mit p = 2t+1 − 1 ∈ P sind vollkommen.

(ii) (Euler) Eine gerade vollkommene Zahl hat notwendigerweise die Gestalt

n = 2t(2t+1 − 1) mit p = 2t+1 − 1 ∈ P.

Beweis. (i) Seien n, p wie angegeben. Wir zeigen σ1(n) = 2n, wobei σ1 nach Beispiel2.3.5 (a) multiplikativ ist. Da p ∈ P ungerade ist, gilt ggT(2t, p) = 1 und somit

σ1(n) = σ1(2t) · σ1(p) = (1 + 2 + · · ·+ 2t)(1 + p)

=2t+1 − 1

2− 1(1 + (2t+1 − 1)) = p2t+1 = 2n

aufgrund der geometrischen Summenformel.

(ii) Sei n = 2tu eine gerade vollkommene Zahl mit t, u ∈ N und u ungerade. Aufgrundder Vollkommenheit ergibt sich wie in (i)

2t+1u = 2n = σ1(n) = σ1(2tu)

= σ1(2t)σ1(u) = (2t+1 − 1)σ1(u).

Nach Satz 2.1.14 (c) folgt aus (2t+1, 2t+1− 1) = 1 die Faktorisierung u = (2t+1− 1)amit a ∈ N und folglich σ1(u) = 2t+1a. Wegen 2t+1 − 1 > 1 hat u > 1 mindestens dieverschiedenen Teiler a und u. Nun ist aber bereits

a+ u = 2t+1a = σ1(u),

Das heißt u hat genau die Teiler a und u. Da 1 ebenfalls ein Teiler von u ist, giltentweder a = 1 oder u = 1. Wie bereits festgestellt, ist u > 1, d.h. a = 1 undu = 2t+1 − 1 ist per Definition prim.

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2.4 Primzahlsatz und Primzahlen 25

Da jede Mersennesche Primzahl eine gerade vollkommene Zahl impliziert, ist die Anzahlder geraden vollkommenen Zahlen unklar. Außerdem ist bisher keine ungerade vollkom-mene Zahl bekannt.

Als letzte spezielle Klasse von Primzahlen betrachten wir die nach Fermat benanntenPrimzahlen, die in der elementaren Geometrie eine wichtige Rolle spielen.

Definition 2.4.16. Eine Primzahl der Form p = 2ν + 1 mit ν = 2n für n ∈ N0 heißtFermatsche Primzahl.

Diese Definition basiert auf folgendem

Lemma 2.4.17. Die Zahl 2ν +1 ∈ N ist für ν ∈ N höchstens dann prim, falls ν = 2n mitn ∈ N0 eine reine Zweierpotenz ist.

Beweis. Ist ν keine reine Zweierpotenz, so besitzt ν ≥ 3 einen ungeraden Teiler n > 1mit ν = αn, α ∈ N. Für ungerades n folgt aus der geometrischen Summenformel

xn + 1

x+ 1=

(−x)n − 1

(−x)− 1=

n−1∑k=0

(−1)kxk, für x ∈ R \ {−1}.

Aufgrund der Faktorisierung ist

2ν + 1 = (2α)n + 1 = (2α + 1)(2α(n−1) − 2α(n−2) ± · · · − 2α + 1)

und mit 1 < 2α + 1 < (2α)n + 1 ist die Zahl 2ν + 1 nicht prim.

Bis heute kennt man nur fünf solcher Fermatschen Primzahlen, nämlich für die Zahlenn = 0, . . . , 4, d.h.

3, 5, 17, 257 und 65 537.

Es wurde von Euler gezeigt, dass 641 | 232 + 1 gilt, aber aufgrund der schnell wach-senden Potenzen ist es schwer Faktoren zu finden bzw. die Primeigenschaft zu zeigen.Diese Primzahlen tauchen in der Geometrie auf und man kann mit algebraischen Mittelnfolgenden Satz zeigen.

Satz 2.4.18. (Gauß) Das regelmäßige n-Eck ist genau dann mit Zirkel und Linealkonstruierbar wenn n ≥ 3 von der Form

n = 2tr∏

i=1

pi, t, r ∈ N0,

ist, wobei p1, . . . , pr verschiedene Fermatsche Primzahlen seien und für r = 0 das leereProdukt per Definition Eins ist.

Abschließen wollen wir dieses Kapitel mit einer etwas nutzlosen, aber expliziten Darstel-lung der Primzahlfunktion π.

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26 Teilbarkeitslehre

Korollar 2.4.19. Für x ∈ R, x ≥ 3 gilt

π(x) = 1 +∑n∈N,

3≤n≤x

(1− lim

m→∞

[1−

n−1∏k=2

sin2(πnk

)]m).

Beweis. Sei n ∈ N, 3 ≤ n ≤ x. Ist n /∈ P, so gibt es einen echten Teiler 2 ≤ k0 ≤ n − 1von n. Daher ist der Faktor sin(πn/k0) = 0, sodass der Grenzwert Eins und der Beitragzur Summe Null ist. Ist jedoch n ∈ P, so ist keiner der Faktoren des Produkts Null unddamit

0 ≤ 1−n−1∏k=2

sin2(πnk

)< 1.

Der Grenzwert der geometrischen Folge ist daher Null und der Beitrag zur Summe ist 1wie gefordert.

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3 Kongruenzen und RestklassenZunächst werden einige Grundlagen der Linearen Algebra über Restklassen und Kongru-enzen aufgeführt, um im weiteren Verlauf allgemeiner Lösungen von Polynomkongruenzenzu betrachten und die Darstellung natürlicher Zahlen als Summe von ganzzahligen Qua-draten zu studieren.

3.1 EinführungBereits in Satz 2.2.4 wurden die Hauptideale mZ der ganzen Zahlen für m ∈ N unter-sucht. Hierzu sei Z/mZ der zugehörige Restklassenring (Z modulo mZ), welcher aus allenRestklassen

a = a+mZ, a ∈ Z,besteht, wobei zwei Restklassen a, b genau dann übereinstimmen wenn gilt

a = b :⇔ a− b ∈ mZ ⇔ m | (a− b).

Wie bereits in Linearer Algebra gezeigt wurde, ist Z/mZ ein kommutativer Ring mitNullelement 0 und Einselement 1 unter der wohldefinierten Addition und Multiplikationgemäß

a+ b := a+ b und a · b := a · b, a, b ∈ Z.In manchen Beweisen ist es sinnvoll den surjektiven Ringhomomorphismus

ψ : Z → Z/mZ, a 7→ a

mit mZ als Kern der Abbildung einzubeziehen.

Definition 3.1.1. Sei m ∈ N, a, b ∈ Z. Man schreibt

a ≡ b (modm) oder a ≡ b (m), falls a = b in Z/mZ

gilt. Man sagt a sei kongruent b modulo m. Dies ist genau dann der Fall wenn m | (a−b).

Die in Z/mZ geltenden Rechenregeln für Summen und Produkte ergeben entsprechen-de Rechenregeln für Kongruenzen. Satz 2.2.1 liefert beispielsweise eine Darstellung vonZ/mZ, nämlich

Z/mZ = {0, 1, . . . ,m− 1}.Denn jede ganze Zahl a ∈ Z ist kongruent zu genau einem Rest 0 ≤ r < m. Stimmenzwei Reste r ≡ r′ (m) modulo m überein, so folgt bereits r = r′, d.h. die Restklassen sinddisjunkt und Z/mZ hat genau m Elemente. Diese Eigenschaft motiviert folgende

27

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28 Kongruenzen und Restklassen

Definition 3.1.2. Sind a1, . . . , am ∈ Z derart, dass Z/mZ = {a1, . . . , am}, so nennt man{a1, . . . , am} ein vollständiges Repräsentantensystem modulo m.Beispiel 3.1.3. Vollständige Repräsentantensysteme modulo m sind {0, 1, . . . ,m − 1}oder {1, . . . ,m}. Für gerades m ist auch{

0,±1, . . . ,±m2

}ein vollständiges Repräsentantensystem modulo m. Für ungerade Zahlen m entsprechend{

0,±1, . . . ,±m−12

}.

Definition 3.1.4. Sei R ein kommutativer Ring mit Einselement. Dann heißt R null-teilerfrei, falls für alle a, b ∈ R gilt:

a · b = 0 ⇒ a = 0 oder b = 0.

Im Allgemeinen besitzt der Ring Z/mZ Nullteiler wie etwa für m = 10:

2 · 5 = 10 = 0, aber 2, 5 = 0.

Es lässt sich jedoch für m ∈ P Folgendes zeigen.Lemma 3.1.5. Sei p ∈ P, dann ist Z/pZ nullteilerfrei.Beweis. Seien a · b = 0 in Z/pZ, dann gilt p | (ab). Da p prim ist, folgt mit Korollar 2.1.9p | a oder p | b, d.h. a = 0 oder b = 0 in Z/pZ.Satz 3.1.6. Ist p ∈ P, so ist Z/pZ ein Körper.Beweis. Es genügt zu zeigen, dass es für alle a = 0 ein eindeutiges multiplikatives Inversesgibt. Hierfür definiere man die Hilfsfunktion

ϕa : Z/pZ → Z/pZ, x 7→ a · x.

ϕa ist injektiv, denn gilt ϕa(x) = ϕa(y), so folgt a · x− y = 0. Mit Korollar 2.1.9 ist a = 0oder x = y. Nach Annahme ist der erste Fall nicht möglich und damit ϕa injektiv.Nach Linearer Algebra ist aufgrund der Endlichkeit von Z/pZ die Abbildung auch sur-jektiv, d.h. es gibt genau ein x ∈ Z/pZ mit 1 = ϕa(x) = a · x.

Nach Theorem 3.1.11 von Euler und Fermat zeigt sich im weiteren Verlauf sogar dieexplizite Wahl a−1 = ap−2. Mittels dieser einfachen Resultate lassen sich bereits lineareKongruenzen betrachten.Satz 3.1.7. Seien m ∈ N und a, c ∈ Z mit d := ggT(a,m). Dann ist die lineare Kongruenz

ax ≡ c (mod m)

genau dann lösbar wenn d | c gilt. Im letzteren Fall hat die Kongruenz genau d modulo minkongruente Lösungen

x0, x0 +m

d, . . . , x0 + (d− 1)

m

d.

Für teilerfremde Zahlen (a,m) = 1 gibt es folglich stets eine eindeutige Lösung x0 ∈ Z/mZ.

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3.1 Einführung 29

Beweis. Sei zunächst die Kongruenz lösbar mit ax0 ≡ c (m). Dann gibt es ein y ∈ Z mitc = ax0 + ym und die Eigenschaften d | a, d | m ergeben d | c nach Lemma 2.1.2.Gelte umgekehrt d | c, dann gibt es nach Korollar 2.2.5 von Bézout ganze Zahlen x, ymit d = ax+my. Daraus folgt

c =c

d(ax+my) ≡ a · xc

d(m).

Dann ist offensichtlich x0 :=xcd∈ Z eine Lösung der Kongruenz wegen d | c.

Für den Beweis der Lösungsanzahl sei d | c fest. Für zwei Lösungen x, x′ der Kongruenzfolgt dann

ax ≡ ax′ ≡ c (m) ⇔ a

dx ≡ a

dx′ ≡ c

d

(md

)⇒ a

d(x− x′) ≡ 0

(md

).

Wegen Korollar 2.1.12 ist(ad, m

d

)= 1 und Satz 2.1.14 liefert

m

d| (x− x′) ⇔ x ≡ x′

(md

).

Das heißt die Lösungen sind kongruent modulo md

und dementsprechend haben sie unterdem surjektiven Ringhomomorphismus

ψ : Z/mZ → Z/mdZ, y 7→ y

dasselbe Bild. Der Homomorphiesatz der Linearen Algebra ergibt für den Kern von ψ

|Kern(ψ)| = |Z/mZ||Z/m

dZ|

= d sowie Kern(ψ) ={νm

d(mod m)

∣∣ ν = 0, . . . , d− 1}.

Damit hat die Kongruenz für eine feste Lösung x0 höchstens die d Lösungen

x0, x0 +m

d, . . . , x0 + (d− 1)

m

d,

denn a(x0 + νmd) ≡ c+ a

dνm ≡ c (m) für alle ν = 0, . . . , d− 1.

Dass diese Lösungen alle modulo m inkongruent sind, zeigt sich aus folgender Rechnung

x0 + νm

d≡ x0 + ν ′

m

d(m) ⇔ (ν − ν ′)

m

d≡ 0 (m) ⇔ ν ≡ ν ′ (d).

Hieraus resultiert direkt der Bezug zu der in Beispiel 2.3.3 definierten Eulerschen ϕ-Funktion.

Korollar 3.1.8. Sei (Z/mZ)× die Gruppe der Einheiten in Z/mZ. Dann gilt

(Z/mZ)× = {a ∈ Z/mZ | (a,m) = 1}

und insbesondere ∣∣(Z/mZ)×∣∣ = ϕ(m).

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30 Kongruenzen und Restklassen

Beweis. Ist a ∈ (Z/mZ)× eine Einheit, dann gibt es ein x ∈ Z/mZ mit ax ≡ 1 (m), d.h.die lineare Kongruenz ist lösbar mit c = 1. Obiger Satz ergibt (a,m) | c, also (a,m) = 1.Gelte umgekehrt (a,m) = 1, so ist nach Satz 3.1.7 die Kongruenz für c = 1 lösbar unddamit a eine Einheit in Z/mZ.Mittels Division mit Rest ist jedes a ∈ Z modulo m kongruent zu einem Rest 0 ≤ r < m,d.h. für die Einheiten folgt ∣∣(Z/mZ)×

∣∣ = ∑1≤r≤m,(m,r)=1

1 = ϕ(m).

Definition 3.1.9. Seien a1, . . . , aϕ(m) ∈ Z derart, dass

(Z/mZ)× ={a1, . . . , aϕ(m)

}.

Dann heißt {a1, . . . , aϕ(m)} ein primes oder primitives vollständiges Restsystem modulom oder kurz primes Restsystem modulo m.

Beispiel 3.1.10. (a) Ist p ∈ P, so folgt mit ϕ(p) = p−1, dass {1, . . . , p−1} ein primesvollständiges Restsystem modulo p ist.

(b) Ist {x1, . . . , xϕ(m)} ein primes Restsystem modulo m und a ∈ Z mit (a,m) = 1.Dann ist auch {ax1, . . . , axϕ(m)} ein primes Restsystem modulo m.Denn wegen (xi,m) = 1 = (a,m) ist auch nach Satz 2.1.14 (axi,m) = 1 und damitaxi ∈ (Z/mZ)× für i = 1, . . . , ϕ(m). Dieser Satz garantiert ebenso die Injektivitätvon

ϕa : (Z/mZ)× → (Z/mZ)×, x 7→ a · x,

da ϕa(x) = ϕa(y) genau dann der Fall ist wenn a(x − y) ≡ 0 (m) gilt. Wegen(a,m) = 1 impliziert Satz 2.1.14 x ≡ y (m). Damit sind alle Elemente axi modulom inkongruent.

Theorem 3.1.11. Für a ∈ Z gelten

(i) (Satz von Euler-Fermat) Sei m ∈ N mit (a,m) = 1, dann gilt aϕ(m) ≡ 1 (m).

(ii) Sei p ∈ P, p ∤ a, dann gilt für alle ν ∈ N

apν−1(p−1) ≡ 1 (mod pν).

(iii) (Kleiner Fermatscher Satz) Ist p ∈ P, so folgt ap ≡ a (p).

Beweis. Es genügt (i) zu zeigen, denn mit ϕ(pν) = pν−1(p − 1) für ν ∈ N folgt daraus(ii). Ebenso folgert man (iii) für ν = 1 nach einer Multiplikation mit a für p ∤ a. Ist p einTeiler von a, so gilt offensichtlich ap ≡ 0 ≡ a (p).Für den Beweis von (i) betrachte man erneut die Hilfsfunktion ϕa aus Beispiel 3.1.10 (b).

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3.1 Einführung 31

Da (Z/mZ)× endlich ist, folgt aus der Injektivität die Bijektivität der Abbildung undman hat

ϕ(m)∏i=1

xi ≡ϕ(m)∏i=1

axi (m) ⇔ϕ(m)∏i=1

xi ≡ aϕ(m)

ϕ(m)∏i=1

xi (m).

Da für ein primes Restsystem {x1, . . . , xϕ(m)} multiplikative Inverse in Z/mZ für jedesxi existieren, lässt sich sukzessiv mit diesen Inversen multiplizieren und man erhält dieAussage.

Aus diesem wichtigen Theorem folgt bereits die Lösbarkeit einer einfachen quadratischenKongruenz in Z/pZ.

Korollar 3.1.12. Sei n ∈ N, n > 1. Dann gelten

(i) (Satz von Wilson) n ist prim genau dann wenn (n− 1)! ≡ −1 (n) gilt.

(ii) Für ungerades n = p ∈ P ist

((p−12

)!)2 ≡ {−1 (p) für p ≡ 1 (4),

1 (p) für p ≡ 3 (4).

Insbesondere sind die quadratischen Kongruenzen x2 ≡ −1 (p) im Fall p ≡ 1 (4)lösbar.

Beweis. (i) Sei zunächst n = p ∈ P. Betrachtet man das Polynom

f(X) := Xp−1 − 1 ∈ (Z/pZ)[X]

mit dem Grad p − 1, so hat das von Null verschiedene Polynom über dem KörperZ/pZ höchstens p− 1 Nullstellen. Nach Theorem 3.1.11 (ii) folgen bereits die p− 1modulo p verschiedenen Nullstellen, nämlich gerade die Einheiten in Z/pZ. Darausresultiert die Linearfaktorzerlegung

f(X) = (X − 1) · . . . · (X − p− 1).

Vergleicht man den konstanten Term des Polynoms, so folgt

−1 = f(0) =

p−1∏k=1

(−k) = (−1)p−1(p− 1)! = (p− 1)!,

denn p ist ungerade.Ist umgekehrt n ∈ N, n > 1 mit (n − 1)! ≡ −1 (n) und sei angenommen, n wärenicht prim. Dann gibt es nach Satz 2.1.6 einen Teiler 1 < t < n von n. Für diesenTeiler folgt dann aber

t | (n− 1)! und t | n ⇒ t | −1

im Widerspruch zu t > 1.

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32 Kongruenzen und Restklassen

(ii) Ist p prim und ungerade, so gibt es ein k ∈ N mit p = 2k + 1. Dann ist nach Bei-spiel 3.1.3 {0,±, . . . ,±k} ein vollständiges Repräsentantensystem modulo p. Darausergibt sich das prime Restsystem {±1, . . . ,±k} modulo p. Ein weiteres primes Rest-system ist nach Beispiel 3.1.10 (a) {1, . . . , p− 1} und es gilt mithilfe von (i)

−1 ≡ (p− 1)! ≡k∏

j=1

j · (−j) ≡ (−1)k(k!)2 (mod p).

Ist p ≡ 1 (4), so ist k = p−12

gerade und es folgt die Behauptung. Für p ≡ 3 (4) folgtebenfalls mit ungeradem k die Aussage.

Damit lässt sich der folgende Spezialfall des Satzes 2.4.10 von Dirichlet ableiten.

Korollar 3.1.13. Es gibt unendlich viele Primzahlen p ≡ 1 (4).

Beweis. Es genügt für beliebiges n ∈ N zu zeigen, dass es eine Primzahl p ≡ 1 (4) gibtmit p > n. Dazu sei m := (n!)2 + 1 definiert. Wegen n > 1 ist in jedem Fall n! geradeund folglich m > 1 ungerade. Sei p | m der kleinste Primteiler von m. Dann ist auch pungerade und p > n, da p sonst n! und damit im Widerspruch 1 teilen würde. Damit ist

(n!)2 = m− 1 ≡ −1 (p) ⇒ (n!)p−1 =((n!)2

) p−12 ≡ (−1)

p−12 (p).

Nach dem Satz 3.1.11 (ii) ist wegen p ∤ n!

1 ≡ (n!)p−1 ≡ (−1)p−12 (p),

was nur dann der Fall ist wenn p ≡ 1 (4) ungerade ist.

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3.2 Polynomiale Kongruenzen modulo einer Primzahl 33

3.2 Polynomiale Kongruenzen modulo einer PrimzahlIn dem folgenden Abschnitt sei p stets eine feste Primzahl. Von Interesse sind, wie inSatz 3.1.7 bereits im einfachen Fall untersucht, Aussagen über die Anzahl und eventu-ell die Gestalt der Lösungen von Polynomkongruenzen modulo p. Dafür betrachtet manPolynome in mehreren Variablen über dem Polynomring Z[X1, . . . , Xn] für ein n ∈ N. Sei

F (X1, . . . , Xn) =

r1∑ν1=0

· · ·rn∑

νn=0

aν1···νnXν11 · . . . ·Xνn

n ∈ Z[X1, . . . , Xn]

ein Polynom mit ganzzahligen Koeffizienten aν1···νn ∈ Z für r1, . . . , rn ∈ N0.Ist F nicht das Nullpolynom und sei r ∈ N0 die größte Zahl derart, dass es eine Darstel-lung r = ν1 + · · ·+ νn gibt mit aν1···νn = 0, dann heißt r = degF der Grad von F .Ist F das Nullpolynom, so setzt man degF := −∞.

Im Reellen oder über Z sind zwei Polynome, deren Funktionswerte auf ganz R bzw. Zübereinstimmen, identisch. Dies gilt in Restklassenringen im Allgemeinen nicht.

Beispiel 3.2.1. Das Nullpolynom F (X) = 0 und das von Null verschiedene PolynomG(X) = Xp−X ∈ Z[X] haben nach dem kleinen Fermatschen Satz 3.1.11 (iii) dieselbenFunktionswerte auf ganz Z/pZ, sind aber nicht identisch.

Dieser Umstand motiviert

Definition 3.2.2. Seien F,G ∈ Z[X1, . . . , Xn].

(i) F und G sind kongruent modulo p (F ≡ G), falls die entsprechenden Koeffizientender Polynome kongruent modulo p sind.

(ii) F und G sind äquivalent modulo p (F ∼ G), falls für alle Tupel (x1, . . . , xn) ∈ Zn

giltF (x1, . . . , xn) ≡ G(x1, . . . , xn) (mod p).

Wie Beispiel 3.2.1 zeigt, ist Xp −X ∼ 0, aber die beiden Polynome sind nicht kongruentmodulo p. Allgemein impliziert daher nur die Kongruenz eine Äquivalenz. Es stellt sichdie Frage, ob es wie in obigem Beispiel stets ein äquivalentes Polynom mit geringeremGrad gibt.

Definition 3.2.3. Ein Polynom F ∈ Z[X1, . . . , Xn] heißt reduziert, falls der Grad vonF bezüglich jeder Unbestimmten Xi kleiner als p ist, d.h. ri < p für alle i = 1, . . . , n.

Satz 3.2.4. Jedes Polynom F ∈ Z[X1, . . . , Xn] ist äquivalent zu einem reduzierten Poly-nom F ∗ mit degF ∗ ≤ degF .

Beweis. Nach dem kleinen Fermatschen Satz gilt Xpi ∼ Xi für alle i = 1, . . . , n. Da Sum-

men, Vielfache und Produkte von äquivalente Polynomen wiederum äquivalent zueinandersind, lässt sich somit sukzessiv r∗i < p finden. Damit folgt auch degF ∗ ≤ degF .

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34 Kongruenzen und Restklassen

Satz 3.2.5. Seien F ∼ G ∈ Z[X1, . . . , Xn] beide reduziert, dann gilt F ≡ G. Insbesondereist das zu F äquivalente reduzierte Polynom F ∗ modulo p eindeutig bestimmt.

Beweis. Es genügt zu zeigen, dass für reduziertes F ∼ 0 bereits F ≡ 0 gilt. Denn

F ∼ G⇔ F −G ∼ 0 und F ≡ G⇔ F −G ≡ 0.

Dies zeigen wir durch Beweis per Induktion über n.

(IA) n = 1. Per Voraussetzung ist degF < p. Sei F das Polynom, welches durch Re-duktion der Koeffizienten von F modulo p entsteht. Dann gilt auch degF < p.Wegen F ∼ 0 hat das kongruente Polynom F genau p Nullstellen, nämlich für allex ∈ Z/pZ. Damit hat F mehr Nullstellen als sein Grad und ist damit bereits dasNullpolynom, denn Z/pZ ist ein Körper. Das heißt F ≡ F = 0.

(IV) Gelte die Aussage für ein n− 1 ∈ N, n ≥ 2.

(IS) n − 1 → n. Wir schreiben F als reduziertes Polynom mit variablen KoeffizientenAi(X1, . . . , Xn−1) in einer Unbekannten Xn:

F (X1, . . . , Xn) =

p−1∑i=0

Ai(X1, . . . , Xn−1)Xin.

Wir fixieren das Tupel (c1, . . . , cn−1) ∈ Zn−1 und kürzen ai = Ai(c1, . . . , cn−1) ab,sodass

G(Xn) := F (c1, . . . , cn−1, Xn) = a0 + a1Xn + · · ·+ ap−1Xp−1n

ein reduziertes Polynom mit G ∼ 0 ist. Aufgrund des Induktionsanfangs ist G ≡ 0und somit ai ≡ 0 (p).Da G für jedes Tupel (c1, . . . , cn−1) ∈ Zn−1 kongruent 0 modulo p ist, gilt für jedesder reduzierten Polynome Ai

Ai(X1, . . . , Xn−1) ∼ 0.

Gemäß der Induktionsvoraussetzung folgt Ai ≡ 0 und damit F ≡ 0.

Ein erstes Ergebnis über die Anzahl von Lösungen von polynomialen Kongruenzen liefert

Satz 3.2.6. Sei F ∈ Z[X1, . . . , Xn] und degF < n. Wenn die Kongruenz

F (X1, . . . , Xn) ≡ 0 (mod p)

eine Lösung in (Z/pZ)n besitzt, dann hat die Kongruenz mindestens zwei inkongruenteLösungen in (Z/pZ)n.

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3.2 Polynomiale Kongruenzen modulo einer Primzahl 35

Beweis. Ohne Einschränkung sei F nicht konstant, d.h. r := degF ≥ 1. Angenommen,die Kongruenz habe genau eine Lösung xi ≡ ai (p). Sei

H(X1, . . . , Xn) := 1− (F (X1, . . . , Xn))p−1 ∈ Z[X1, . . . , Xn].

Dann ist degH = r(p− 1) und mit der Eindeutigkeit der Lösung

H(x1, . . . , xn) ≡

{1 (p) falls xi ≡ ai (p),

0 (p) sonst

nach Theorem 3.1.11 von Euler und Fermat. Definiere das reduzierte Polynom

H∗(X1, . . . , Xn) =n∏

i=1

(1− (Xi − ai)

p−1).

Per Definition und abermals Theorem 3.1.11 ist

H∗(x1, . . . , xn) ≡

{1 (p) falls xi ≡ ai (p),

0 (p) sonst

und daher H ∼ H∗. Nach Satz 3.2.5 ist dann H∗ das zu H äquivalente reduzierte Polynom,welches mit Satz 3.2.4

n(p− 1) = degH∗ ≤ degH = r(p− 1)

erfüllt. Dies würde aber n ≤ r implizieren im Widerspruch zur Annahme.

Die Existenz einer trivialen Lösung impliziert folglich die Existenz einer weiteren nichttrivialen Lösung.

Definition 3.2.7. Seien F ∈ Z[X1, . . . , Xn] und r ∈ N. Dann heißt F Form vom Grad roder homogen vom Grad r, falls alle in F vorkommenden Terme denselben Grad besitzen.

Beispielsweise ist

F (X1, . . . , Xn) =n∑

i=1

aiX2i +

n∑i,j=1

bijXiXj ∈ Z[X1, . . . , Xn]

eine quadratische Form, d.h. homogen vom Grad r = 2.

Korollar 3.2.8. (Satz von Chevalley) Sei F ∈ Z[X1, . . . , Xn] eine Form vom Grad1 ≤ r < n. Dann hat die Kongruenz

F (X1, . . . , Xn) ≡ 0 (mod p)

eine von Null verschiedene, d.h. nicht triviale Lösung.

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36 Kongruenzen und Restklassen

Beweis. Die Form F vom Grad r ≥ 1 besitzt stets die Nulllösung, welche die Kongruenzlöst. Wegen r < n ergibt obiger Satz die Behauptung.

Mit ähnlichen Mitteln lässt sich folgender Satz zeigen.

Satz 3.2.9. (Warning) Sei F ∈ Z[X1, . . . , Xn] vom Grad r < n. Dann ist die Anzahlder Lösungen modulo p der Kongruenz

F (X1, . . . , Xn) ≡ 0 (mod p)

durch p teilbar.

Beweis. Ohne Einschränkung sei F nicht konstant, da es sonst entweder keine oder pnLösungen gäbe. Sei r := degF ≥ 1 und setze

H(X1, . . . , Xn) := 1− (F (X1, . . . , Xn))p−1 ∈ Z[X1, . . . , Xn].

Dann ist degH = r(p− 1) und

H(x1, . . . , xn) ≡

{1 (p) falls F (x1, . . . , xn) ≡ 0 (p),

0 (p) sonst

nach Theorem 3.1.11 und der Lösbarkeit. Damit folgt für die Nullstellenmenge N von F ,für welche H die charakteristische Funktion darstellt,

|N | =∑

x∈(Z/pZ)nH(x) =

∑x∈(Z/pZ)n

(1− (F (x))p−1) = pn −∑

x∈(Z/pZ)n(F (x))p−1.

Nun lässt sich F p−1 als Summe von Monomen schreiben gemäß

(F (X))p−1 =

r1∑ν1=0

· · ·rn∑

νn=0

aν1···νnXν11 · . . . ·Xνn

n

mit gewissen Koeffizienten aν1···νn ∈ Z. Mithilfe der Resultate über Primitivwurzeln ausAbschnitt 3.4 zeigt man ∑

x∈(Z/pZ)×xν ≡

{−1 (p) falls (p− 1) | ν,0 (p) sonst,

denn der erste Fall ist nach Theorem 3.1.11 klar. Nach Satz 3.4.7 gibt es eine Einheita ∈ (Z/pZ)×, welche ein primes Restsystem erzeugt:

(Z/pZ)× = {1, a, . . . , ap−2}.

Eine Kombination mit dem binomischen Lehrsatz unter Berücksichtigung von aν = 1ergibt dann die obige Kongruenz.Wegen r < n gibt es stets ein Exponent νj mit νj < p− 1, da sonst

r(p− 1) ≥ ν1 + · · ·+ νn ≥ n(p− 1)

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3.2 Polynomiale Kongruenzen modulo einer Primzahl 37

folgen würde. Dies und die Summation implizieren im Produkt (F (x))p−1 stets eine Nullmodulo p, da die Wahl für jedes Tupel (ν1, . . . , νn) möglich ist:

|N | ≡ −r1∑

ν1=0

· · ·rn∑

νn=0

aν1···νn

∑x1∈Z/pZ

xν11

· . . . ·

∑xn∈Z/pZ

xνnn

≡ 0 (mod p).

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38 Kongruenzen und Restklassen

3.3 Simultane KongruenzenBereits aus Linearer Algebra ist der Chinesische Restsatz bekannt, der an dieser Stellenochmals formuliert und bewiesen wird.

Satz 3.3.1. (Chinesischer Restsatz) Seien m1, . . . ,mr ∈ N paarweise teilerfremd unda1, . . . , ar ∈ Z sowie m :=

∏ri=1mi. Dann gibt es ein modulo m eindeutig bestimmtes

x ∈ Z, welches die folgenden Kongruenzen simultan erfüllt:

x ≡ a1 (m1),

...x ≡ ar (mr).

Beweis. Betrachte die Abbildung

ϕ : Z/mZ →r∏

i=1

Z/miZ, x (m) 7→ (x (m1), . . . , x (mr)) .

Dann ist ϕ ein wohldefinierter Ringhomomorphismus in den Produktring mit der kompo-nentenweisen Multiplikation und Addition.Für die Injektivität von ϕ genügt es ein x ∈ Kern(ϕ) zu betrachten, d.h. x ≡ 0 (mi)für i = 1, . . . , r. Aufgrund der paarweisen Teilerfremdheit liefert Satz 2.1.14 sukzessivex ≡ 0 (m).Da die Mächtigkeit m des Definitionsbereichs mit der des Bildbereichs

∏ri=1mi überein-

stimmt, ist ϕ sogar bijektiv und der Satz ist gezeigt.

Obiger Beweis liefert lediglich eine eindeutige Existenzaussage, jedoch kein effektives Ver-fahren zur Bestimmung der Lösung x modulo m. Deshalb folgender konstruktiver Beweis.

Beweis. Für i = 1, . . . , r definiere qi = m/mi. Dann ist ggT(q1, . . . , qr) = 1, da m1, . . . ,mr

paarweise teilerfremd sind. Nach Lemma 2.2.5 von Bézout gibt es eine Darstellung

1 =r∑

i=1

yiqi mit y1, . . . , yr ∈ Z,

welche mithilfe des Euklidschen Algorithmus bestimmt werden kann. Setzt man nun

x = a1y1q1 + · · ·+ aryrqr,

so erfüllt wegen yiqi ≡ 1 (mi) für i = 1, . . . , r und qj ≡ 0 (mi) für i = j dieses x alleKongruenzen modulo mi.

Korollar 3.3.2. Seien F ∈ Z[X1, . . . , Xn] und m ∈ N,m > 1 mit der kanonischenPrimfaktorzerlegung m =

∏ri=1 p

αii . Dann ist die Kongruenz

F (X1, . . . , Xn) ≡ 0 (m)

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3.3 Simultane Kongruenzen 39

genau dann lösbar wenn für alle i = 1, . . . , r die Kongruenzen

F (X1, . . . , Xn) ≡ 0 (pαii )

lösbar sind.

Beweis. Offensichtlich gilt mit pαii | m

F (X1, . . . , Xn) ≡ 0 (m) ⇒ F (X1, . . . , Xn) ≡ 0 (pαii ) .

Seien umgekehrt x(i)1 , . . . , x(i)n die Lösungen der Kongruenzen für jedes i = 1, . . . , r. Dann

lässt sich mithilfe des chinesischen Restsatzes jeweils ein modulo m eindeutiges xj bestim-men mit

xj ≡ x(i)j (pαi

i ) für alle i = 1, . . . , r.

Es folgt hierausF (x1, . . . , xn) ≡ F (x

(i)1 , . . . , x

(i)n ) ≡ 0 (pαi

i )

und, da die Primzahlpotenzen paarweise teilerfremd sind, ergibt sich

F (x1, . . . , xn) ≡ 0 (m).

Ein im Allgemeinen sehr schwieriges und tiefliegendes Problem der Zahlentheorie betrifftwie bereits in der Einleitung erwähnt die Lösbarkeit diophantischer Gleichungen

F (X1, . . . , Xn) = 0 für F ∈ Z[X1, . . . , Xn]

innerhalb der ganzen Zahlen. Ein Beispiel hierfür liefert der große Fermatsche Satz.Offensichtlich folgt aus der Lösbarkeit der Gleichung in Zn die Lösbarkeit jeder Kongruenz

F (X1, . . . , Xn) ≡ 0 (m) ∀ m > 1.

Im Allgemeinen ist diese notwendige Bedingung jedoch nicht hinreichend für die Existenzeiner Lösung der Gleichung. Man kann jedoch folgende Spezialfälle zeigen.

Satz 3.3.3. Seien a1, . . . , an, b ∈ Z. Dann ist

a1X1 + · · ·+ anXn = b

genau dann in ganzen Zahlen lösbar wenn die entsprechenden Kongruenzen

a1X1 + · · ·+ anXn ≡ b (m) ∀ m > 1

lösbar sind.

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40 Kongruenzen und Restklassen

Beweis. Für den Fall n = 1 vergleiche Satz 3.1.7, jedoch ist dieser durch den folgendenBeweis eingeschlossen. Wir setzen d = ggT(a1, . . . , an) und erhalten nach Korollar 2.2.5

Za1 + · · ·+ Zan = Zd.

Das heißt obige Gleichung der linearen Form ist genau dann in Zn lösbar wenn b ∈ Zdist, also d | b gilt. Da nach obiger Feststellung die Rückrichtung trivial ist, nehmen wiran, es gebe für jedes m ∈ N,m > 1, eine Lösung der Kongruenz:

a1x(m)1 + · · ·+ anx

(m)n ≡ b (m) mit x

(m)1 , . . . , x(m)

n ∈ Z.

Damit gibt es für jedes m ein x(m)0 ∈ Z mit

a1x(m)1 + · · ·+ anx

(m)n +mx

(m)0 = b.

Folglich ist aber nach dem Lemma von Bézout für jedes m > 1 auch

ggT(a1, . . . , am,m) | b.

Gilt d = ggT(a1, . . . , an) = 1, so teilt dieser sofort b und die Gleichung der linearen Formhat eine Lösung. Ist d > 1, setzen wir m = d und es folgt mit den Rechenregeln für denggT ebenfalls d | b.

Dagegen viel schwerer zu beweisen ist der folgende

Satz 3.3.4. (Hasse-Minkowski) Sei Q ∈ Z[X1, . . . , Xn] eine quadratische Form mit

Q(X1, . . . , Xn) =n∑

i,j=1

aijXiXj.

Dann hat die Gleichung Q(X1, . . . , Xn) = 0 genau dann eine nicht triviale Lösung wennalle Kongruenzen

Q(X1, . . . , Xn) ≡ 0 (m) ∀ m > 1

nicht trivial lösbar sind.

Diese Fälle lassen vermuten, dass für allgemeinere diophantische Gleichungen kaum einevollständige Lösungstheorie möglich ist. Oftmals lässt sich jedoch eine Lösung moduloeiner Primzahlpotenz pα zu einer Lösung modulo pα+1 liften.Diese Idee beschreibt folgender

Satz 3.3.5. Sei f ∈ Z[X] ein Polynom mit ganzzahligen Koeffizienten, sei p prim undα ∈ N, α ≥ 2. Sei r ∈ Z eine Lösung von

f(X) ≡ 0 (pα−1)

mit 0 ≤ r < pα−1. Dann gelten folgende Aussagen:

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3.3 Simultane Kongruenzen 41

(i) Ist f ′(r) ≡ 0 (p), dann lässt sich die Lösung r modulo pα−1 eindeutig zu einer Lösunga modulo pα liften, d.h. es gibt genau ein a ∈ N0 mit a < pα sowie

a ≡ r (pα−1) und f(a) ≡ 0 (pα).

(ii) Ist f ′(r) ≡ 0 (p), dann gibt es zwei Möglichkeiten:(1) Gilt f(r) ≡ 0 (pα), so lässt sich die Lösung r auf genau p modulo pα verschiedene

Weisen zu einer Lösung modulo pα liften.(2) Gilt f(r) ≡ 0 (pα), so lässt sich die Lösung r nicht liften.

Beweis. Sei n = deg f , dann gilt nach dem Satz von Taylor

(3.1) f(x+ h) =n∑

k=0

f (k)(x)

k!hk für x, h ∈ R.

Für Polynome f folgt jedoch für ai ∈ Z, k ∈ N

f (k)(x) =dk

dxk

(n∑

i=0

aixi

)=

n∑i=k

i · . . . · (i− (k − 1)) · aixi−k =n∑

i=k

aik!

(i

k

)· xi−k,

sodass in (3.1) die Koeffizienten für x ∈ Z ebenfalls ganze Zahlen sind. Setzt man x = rund h = qpα−1 für q ∈ Z, so ergibt sich aus der Taylor-Entwicklung (3.1) für α ≥ 2modulo pα

f(r + qpα−1) ≡ f(r) + f ′(r)qpα−1 (mod pα),denn hk = qkpk(α−1) ≡ 0 (pα) für k ≥ 2. Nach Voraussetzung findet sich für f(r) ein s ∈ Zmit f(r) = spα−1. Setzen wir weiter a = x+h als potentielle Lösung modulo pα, hat man

f(a) ≡ (s+ f ′(r)q)pα−1 (mod pα).

Jede potentielle Lösung a ∈ Z hat aufgrund der Division mit Rest gemäß Satz 2.2.1 geradeeine Gestalt a = r + qpα−1 und somit ist auch a ≡ r (pα−1) eine Lösung modulo pα−1 derNullstellengleichung von f . Aus obiger Kongruenz ist ersichtlich, dass gilt:

f(a) ≡ 0 (mod pα) ⇔ s+ f ′(r)q ≡ 0 (mod p),

wobei letztere Kongruenz im Fall (i) eindeutig im Körper Z/pZ lösbar ist. Reduziert mannoch q ∈ Z modulo p, d.h. 0 ≤ q < p, so hat a ∈ N0 die geforderten Eigenschaften undist eindeutig.Gilt die Voraussetzung von (ii), so erhält man

f(a) ≡ f(r) ≡ 0 (mod pα) ⇔ s ≡ 0 (mod p)

und der Fall (2) lässt keine Lösbarkeit zu. Gilt der Fall (1), so ergeben sich die modulopα inkongruenten Lösungen

r, r + pα−1, . . . , r + (p− 1)pα−1

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42 Kongruenzen und Restklassen

durch die p modulo p verschiedenen Werte von q. Wählt man wieder a ∈ N0 mit a < pα

sind dies alle gelifteten Lösungen mit

a ≡ r (pα−1) sowie f(a) ≡ 0 (pα).

Als einfache Anwendung dieses Satzes betrachten wir quadratische Kongruenzen.

Satz 3.3.6. Sei p ∈ P ungerade und a ∈ Z mit ggT(p, a) = 1. Dann gilt

x2 ≡ a (mod pα) lösbar für alle α ∈ N ⇔ x2 ≡ a (mod p) lösbar.

Beweis. Da die Hinrichtung trivial ist, beweisen wir die Rückrichtung per Induktion überα ∈ N. Der Induktionsanfang ist bereits vorausgesetzt, sodass wir für α ≥ 2 die Lösbarkeitvon

x2 ≡ a (mod pα−1)

annehmen. Sei r etwa eine Lösung, dann können wir ohne Einschränkung 0 ≤ r < pα−1

für die Anwendung von Satz 3.3.5 voraussetzen. Dazu ist F (X) = X2 − a ∈ Z[X] mitf ′(r) = 2r ≡ 0 (p), denn p ∤ a und somit p ∤ r2, r. Außerdem ist p ungerade.Nach Satz 3.3.5 (i) ergibt sich die Existenz einer Lösung, nämlich genauso viele Lösungenwie es modulo pα−1 bzw. modulo p gibt.

Beispiel 3.3.7. Betrachtet man die quadratische Kongruenz im Fall p = 2, d.h. dieLösbarkeit von

x2 ≡ a (mod 2α) für a ∈ Z, α = 1, 2, 3,

so folgt hierfür

(a) α = 1. Für alle a ∈ Z ist die Kongruenz eindeutig lösbar.

(b) α = 2. Da Quadrate in Z/4Z nur die Werte 0, 1 annehmen, ist die Kongruenz genaudann lösbar wenn a ≡ 0, 1 (4) ist.

(c) α = 2. Quadrate in Z/8Z nehmen nur die Werte 0, 1 und 4 an. Daher ist dieKongruenz genau dann lösbar wenn a ≡ 0, 1, 4 (8) ist.

Die einfachen Beispiele aus 3.3.7 lassen ein ähnliches Resultat wie in Satz 3.3.6 für p = 2erhoffen, wenn auch nicht für α ≤ 3. Genauer hat man

Satz 3.3.8. Sei a ∈ Z ungerade, dann gilt für folgende Kongruenzen:

x2 ≡ a (2α) lösbar für alle α ≥ 3 ⇔ x2 ≡ a (8) lösbar

Letzteres ist genau dann der Fall wenn a ≡ 1 (8) ist.

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3.3 Simultane Kongruenzen 43

Beweis. Die Hinrichtung ist wieder klar. Für die Rückrichtung lässt sich Satz 3.3.5 (ii)nicht direkt anwenden, da keine explizite Lösung bekannt ist. Per Induktion über α ≥ 3zeigen wir daher die Aussage.Sei also x2 ≡ a (2α) für ein α ≥ 3 lösbar für ein r ∈ Z. Für die Lösbarkeit der Kongruenzim Fall α + 1 wählt man den Ansatz

q2 ≡ a (mod 2α+1) mit q = r + γ2α−1

für ein noch zu bestimmendes γ ∈ Z. Nun ist für α ≥ 3

q2 = r2 + rγ2α + γ222α−2 ≡ r2 + rγ2α (mod 2α+1)

undq2 ≡ a (mod 2α+1) ⇔ r2 − a+ rγ2α ≡ 0 (mod 2α+1).

Nach Induktionsvoraussetzung ist dies äquivalent zu

r2−a2α

+ rγ ≡ 0 (mod 2).

Per Voraussetzung ist r2 und damit r ungerade und letztere Kongruenz ist im KörperZ/2Z eindeutig nach γ auflösbar. Dies liefert eine Lösung q der obigen Form. Beispiel3.3.7 (c) ergibt die vollständige Aussage des Satzes.

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44 Kongruenzen und Restklassen

3.4 PrimitivwurzelnZur Lösung von sogenannten Binomialkongruenzen

Xn ≡ b (mod m)

ist man an den Werten der Potenzen an, a ∈ Z, interessiert. Bereits für teilerfremde Zahlenm ∈ N, a ∈ Z wurde in Theorem 3.1.11 gezeigt, dass stets aϕ(m) ≡ 1 (m) gilt. Jedoch zeigt(−1)2 ≡ 1 (m), dass Potenzen bereits für kleinere Exponenten kongruent 1 sind, fallsϕ(m) > 2 ist.

Definition 3.4.1. Sei m ∈ N, a ∈ Z mit ggT(a,m) = 1. Dann heißt

vm(a) := min{f ∈ N | af ≡ 1 (m)}

die Ordnung von a modulo m.

Definition 3.4.2. Eine Zahl a ∈ Z heißt Primitivwurzel modulo m für ein m ∈ N mitggT(a,m) = 1, falls vm(a) = ϕ(m) gilt.

Aus der Sicht der Gruppentheorie betrachtet ist vm(a) die Ordnung der Einheit a in derGruppe (Z/mZ)×. Da diese Gruppe genau ϕ(m) Elemente besitzt, erzeugt eine Primitiv-wurzel diese Gruppe. Das heißt gibt es eine Primitivwurzel modulo m, so ist (Z/mZ)×zyklisch. Wie sich im weiteren Verlauf zeigen wird, existieren solche Elemente nicht immer.

Lemma 3.4.3. Sei m ∈ N, a ∈ Z mit ggT(a,m) = 1. Dann gelten

(i) Für k, n ∈ N0 ist

ak ≡ an (mod m) ⇔ k ≡ n (mod vm(a)),

d.h. insbesondere vm(a) | ϕ(m).

(ii) Die Zahlen 1, a, a2, . . . , avm(a)−1 sind inkongruent modulo m.

Beweis. Für den Beweis setze man v := vm(a).

(i) Sei ak ≡ an (m) und ohne Einschränkung k ≥ n. Da a eine Einheit ist, ist dieseKongruenz äquivalent zu ak−n ≡ 1 (m). Division mit Rest ergibt

k − n = qv + r mit q, r ∈ Z, 0 ≤ r < v.

Dann ist mit av ≡ 1 (m) und v minimal auch

1 ≡ ak−n = (av)qar ≡ ar (m) ⇔ r = 0 ⇔ k ≡ n (v).

Das Theorem 3.1.11 von Euler-Fermat liefert die Zusatzaussage.

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3.4 Primitivwurzeln 45

(ii) Wären zwei Potenzen kongruent, d.h. aµ ≡ aν (m) mit 0 ≤ µ, ν < v, dann folgta|ν−µ| ≡ 1 (m). Nun ist 0 ≤ |ν − µ| < v und aufgrund der Minimalität ν = µ.

Korollar 3.4.4. Sei m ∈ N, a ∈ Z mit ggT(a,m) = 1. Dann ist a eine Primitivwur-zel modulo m genau dann wenn {1, a, . . . , aϕ(m)−1} ein primes vollständiges Restsystemmodulo m bildet.

Beweis. Die Hinrichtung folgt direkt aus Lemma 3.4.3 (ii) und vm(a) = ϕ(m). Bilden dieobigen Zahlen jedoch ein vollständiges primes Restsystem modulo m, so muss jede derϕ(m) Elemente von (Z/mZ)× enthalten sein, d.h. auch aµ ≡ 1 (m) für 1 ≤ µ < ϕ(m) unddamit vm(a) = ϕ(m).

Offenbar lassen sich prime Restsysteme modulo m auf einfache Weise durch Primitivwur-zeln beschreiben. Diese existieren jedoch nicht immer.

Satz 3.4.5. Sei a ∈ Z ungerade und α ∈ N, α ≥ 3. Dann gilt

a2α−2 ≡ 1 (mod 2α),

d.h. insbesondere, dass es keine Primitivwurzeln modulo 2α gibt.

Beweis. Wir zeigen die Aussage per vollständiger Induktion über α.Für α = 3 sind die ungeraden Zahlen ±1,±3 in Z/8Z zu quadrieren, welche offensichtlichkongruent 1 sind. Gelte die Aussage für ein α ≥ 3.Dann gibt es ein t ∈ Z mit a2α−2

= 1 + t2α. Quadrieren liefert daher

a2α−1

= 1 + t2α+1 + t222α ≡ 1 + t222α (mod 2α+1).

Wegen 2α ≥ α + 1 ist der Induktionsschritt vollzogen. Mit der Identität ϕ(2α) = 2α−1

gibt es daher keine Primitivwurzeln modulo 2α.

Für ungerade Primzahlen gilt dies glücklicherweise nicht. Um einen Existenzsatz für Primi-tivwurzeln modulo ungerader Primzahlen zu beweisen, benötigt man folgenden Hilfssatz.

Lemma 3.4.6. Sei m ∈ N, a ∈ Z mit ggT(a,m) = 1. Setzt man vm(a) = v, so gilt fürk ∈ Z \ {0}

vm(ak) =

v

ggT(v, k).

Insbesondere ist die Ordnung von a und ak modulo m genau dann gleich wenn k und vm(a)teilerfremd sind.

Beweis. Per Definition ist vm(ak) die kleinste Zahl s ∈ N mit aks ≡ 1 (m). Nach Lemma3.4.3 (i) ist dies gleichbedeutend zu ks ≡ 0 (v). Wegen (v, k) ∈ N folgt die äquivalenteAussage

k(v,k)

s ≡ 0(mod v

(v,k)

).

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46 Kongruenzen und Restklassen

Nun ist mit den Rechenregeln aus Korollar 2.1.12 ( k(v,k)

, v(v,k)

) = (v,k)(v,k)

= 1 und gemäß Satz2.1.14 folgt

vm(ak) = s ≡ 0

(mod v

(v,k)

).

Da s ∈ N minimal ist, ergibt sich die Aussage des Lemmas.

Satz 3.4.7. Sei p ∈ P und d ∈ N ein Teiler von ϕ(p) = p − 1. Dann existieren genauϕ(d) Zahlen a ∈ N mit a ≤ p− 1 und vp(a) = d. Insbesondere gibt es genau ϕ(p− 1) ≥ 1Primitivwurzeln modulo p.

Beweis. Gelte d | (p− 1). Aufgrund der Eindeutigkeit der Ordnung lässt sich

{1, . . . , p− 1} =•∪

d|(p−1),d>0

B(d)

schreiben mitB(d) := {s ∈ N | s ≤ p− 1, vp(s) = d}.

Es genügt für f(d) := |B(d)| zu zeigen, dass stets f(d) = ϕ(d) gilt.Betrachtet man beide Funktionen genauer, so folgt aufgrund der disjunkten Zerlegungund Korollar 2.3.7 bereits

f(d) ≥ 0,∑

d|(p−1),d>0

f(d) = p− 1 =∑

d|(p−1),d>0

ϕ(d), ϕ(d) ≥ 1.

Wenn wir zeigen können, dass für f(d) ≥ 1 stets f(d) = ϕ(d) folgt, so ergibt die Identitätder Summen die zu zeigende Aussage.Sei also f(d) ∈ N. Dann gibt es ein a ∈ N mit Ordnung vp(a) = d. Das heißt a löst dieKongruenz

Xd − 1 ≡ 0 (mod p).

Nach Lemma 3.4.3 (ii) sind alle Lösungen dieser Kongruenz, welche über dem Körper Z/pZhöchstens d Lösungen besitzt, gegeben durch 1, a, . . . , ad−1. Ist nun s ∈ B(d), so löst dieseZahl obige Kongruenz und ist folglich kongruent zu einer der Potenzen ak, k = 1, . . . , d.Aufgrund von Lemma 3.4.6 ist

d = vp(a) = vp(ak) = vp(s) ⇔ ggT(k, d) = 1,

was per Definitionf(d) = |B(d)| =

∑1≤k≤d,

ggT(k,d)=1

1 = ϕ(d)

impliziert.

Das Pendant zu Satz 3.4.5 für ungerade Primzahlen ist folgender

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3.4 Primitivwurzeln 47

Satz 3.4.8. Sei p ∈ P, p > 2.

(i) Es gibt eine Primitivwurzel q modulo p mit qp−1 ≡ 1 (p2).

(ii) Für eine Primitivwurzel q modulo p gilt

q ist Primitivwurzel modulo pα ∀ α ∈ N ⇔ qp−1 ≡ 1 (mod p2).

Beweis. Für den Beweis verwenden wir den binomischen Lehrsatz

(p+ z)p−1 =

p−1∑k=0

(p− 1

k

)pkzp−1−k.

(i) Sei w eine Primitivwurzel modulo p nach Satz 3.4.7, d.h. wp−1 ≡ 1 (p). Wendet manSatz 3.3.5 auf die Kongruenz

f(X) := Xp−1 − 1 ≡ 0 (mod p)

an, so folgt f ′(w) = (p− 1)wp−2 ≡ −w−1 ≡ 0 (p) und w lässt sich eindeutig zu einerEinheitswurzel z modulo p2 liften.Dann ist q := p+ z ≡ z ≡ w (p) ebenfalls eine Primitivwurzel modulo p. Für diesesq folgt

qp−1 = (p+ z)p−1 ≡ p0zp−1 +

(p− 1

1

)p1qz−2 ≡ zp−1 + (p2 − p)zp−2 (mod p2)

≡ 1− pzp−2 ≡ 1 (mod p2),

denn gemäß der Liftung ist 1 ≤ z < p2 und z ≡ w ≡ 0 (p), sodass auch zp−2 und pteilerfremd sind.

(ii) Sei zunächst q eine Primitivwurzel modulo aller Potenzen pα, α ∈ N. Dann gilt diesinsbesondere für α = 2. Wegen vp2(q) = ϕ(p2) = p(p−1) > p−1 ist für den kleinerenExponenten

qp−1 ≡ 1 (mod p2).

Sei umgekehrt letztere Inkongruenz erfüllt für eine Primitivwurzel q modulo p. Esgenügt nach Lemma 3.4.3 mit t := vpα(q) für α ≥ 2 zu zeigen, dass t = ϕ(pα) gilt.Mit qt ≡ 1 (pα) folgt ebenso qt ≡ 1 (p) und nach Lemma 3.4.3 (i) ergibt diePrimitivwurzel q modulo p sogar t ≡ 0 (vq(p)) mit vq(p) = ϕ(p) = p− 1. Das heißtes gibt ein s ∈ Z mit t = s(p − 1). Andererseits gilt nach diesem Lemma t | ϕ(pα),d.h. t ist Teiler von pα−1(p− 1) und s ist ein Teiler von pα−1, folglich s = pβ für ein0 ≤ β ≤ α− 1. Angenommen es gelte β ≤ α− 2, so folgte

t = pβ(p− 1) | pα−2(p− 1) = ϕ(pα−1) ⇒ qϕ(pα−1) ≡ 1 (mod pα).

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48 Kongruenzen und Restklassen

Dass letztere Kongruenz jedoch nie der Fall ist für α ≥ 2 zeigen wir per Induktionüber α:Für α = 2 ist dies gerade die Voraussetzung. Gelte nun

qϕ(pα−1) ≡ 1 (mod pα) für ein α ≥ 2.

Nach Theorem 3.1.11 lässt sich ein k ∈ Z finden mit qϕ(pα−1) = 1 + kpα−1, wobeip ∤ k nach Induktionsvoraussetzung gilt. Potenzieren liefert mit α ≥ 2 und p > 2

qϕ(pα) =

(qϕ(p

α−1))p

= (1 + kpα−1)p ≡ 1 +

(p

1

)kpα−1 +

(p

2

)k2p2(α−1) (mod pα+1)

≡ 1 + kpα +p− 1

2k2p2α−1 ≡ 1 + kpα (mod pα+1).

Da p kein Teiler von k ist, ergibt sich ebenfalls qϕ(pα) ≡ 1 (pα+1), was zu zeigen war.

Als Anwendung des letzten Satzes betrachte man die BinomialkongruenzXn ≡ b (mod m)

für b ∈ Z und ungerades m ∈ N mit ggT(m, b) = 1.Gemäß Korollar 3.3.2 genügt es die Lösbarkeit der speziellen Binomialkongruenz(3.2) Xn ≡ b (mod pα)für Primteiler p > 2 von m mit entsprechendem α ∈ N der kanonischen Primfaktorzerle-gung von m zu betrachten. Da eine Lösung x ∈ Z/pαZ notwendigerweise mit p ∤ b auchp ∤ x erfüllt, lässt sich nach Lemma 3.4.3 für die Einheiten b und x in Z/pαZ folgenderwichtiger Lösungsansatz wählen:

b ≡ gν (mod pα) und x ≡ gµ (mod pα)für eine Primitivwurzel g modulo pα aus obigem Satz. Man erhält als hinreichendes Kri-teriumKorollar 3.4.9. Seien p ∈ P ungerade und α ∈ N, b ∈ Z mit p ∤ b. Sei g eine Primitiv-wurzel modulo pα und man schreibe jeweils b ≡ gν (pα) sowie x ≡ gµ (pα). Dann impliziertdie Teilbarkeit ggT(n, ϕ(pα)) | ν die Lösbarkeit von (3.2).Beweis. Mit dem Lösungsansatz und Lemma 3.4.3 folgert man sofortxn ≡ b (mod pα) ⇔ gµn ≡ gν (mod pα) ⇔ µn ≡ ν (mod ϕ(pα)).

Mittels Satz 3.1.7 folgt nun die im Allgemeinen nicht eindeutige Lösbarkeit der letzterenlinearen Kongruenz genau dann wenn ggT(n, ϕ(pα)) | ν gilt.

Gilt letzteres Kriterium für alle Faktoren pαii der kanonischen Primfaktorzerlegung von

m =∏r

i=1 pαii , so ist auch

Xn ≡ b (mod m)

lösbar. Ist m gerade, so lässt sich zumindest mit den Primitivwurzeln 1 modulo 2 oder 3modulo 4 arbeiten. Gilt jedoch 8 | m, so lässt sich obiger Lösungsansatz nach Satz 3.4.5nicht wählen.

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3.5 Darstellung als Summe von Quadraten 49

3.5 Darstellung als Summe von QuadratenWie bereits im vorherigen Kapitel untersucht wurde, ist die Kongruenz

X2 ≡ b (mod pα)

für α ∈ N und jedes Quadrat b ∈ (Z/pZ)× lösbar, denn man sieht leicht

Satz 3.5.1. Sei p ∈ P, p > 2. Dann werden alle Quadrate in (Z/pZ)× durch die Zahlen

{g2ν | 0 ≤ ν < p−12}

modulo p repräsentiert für eine Primitivwurzel g modulo p. Insbesondere gibt es p−12

Quadrate in (Z/pZ)×.

Beweis. Mit Lemma 3.4.3 (ii) ist offensichtlich

(Z/pZ)× = {gν | 0 ≤ ν < p− 1}.

Beachtet man Theorem 3.1.11 von Euler und Fermat, so folgt die Aussage.

Für die Summe zweier Quadrate folgt damit bereits

Lemma 3.5.2. Sei p ∈ P. Dann ist die Kongruenz

X2 + Y 2 ≡ −1 (mod p)

lösbar.

Beweis. Der Fall p = 2 ist trivialerweise durch (1, 0) oder (0, 1) lösbar. Für p > 2 be-trachten wir die Kongruenz

y2 ≡ −1− x2 (mod p)und zählen die Anzahl der modulo p inkongruenten Werte beider Seiten.Wegen Z/pZ = (Z/pZ)× ∪ {0} folgen mit obigem Satz 3.5.1 bereits für y2 genau p−1

2+ 1

modulo p inkongruente Werte. Mit

−1− x2 ≡ −1− (x′)2 (mod p) ⇔ x2 ≡ (x′)2 (mod p)

ergibt sich für die rechte Seite dieselbe Anzahl und somit nimmt die rechte Seite mindes-tens einen Wert eines Quadrats der linken Seite an.

Betrachtet man allgemeiner die Darstellbarkeit natürlicher Zahlen n ∈ N als Summezweier Quadrate

n = x2 + y2 mit x, y ∈ Z,so genügt es die Lösbarkeit für Primzahlen n ∈ P zu prüfen, denn das Produkt vonSummen zweier Quadrate ist stets eine Summe zweier Quadrate, denn

(a2 + b2)(c2 + d2) = (ac− bd)2 + (ad+ bc)2,

wie man sich leicht mithilfe der Multiplikativität des komplexen Betrags klarmacht.

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50 Kongruenzen und Restklassen

Lemma 3.5.3. Sei p ∈ P und e ∈ N minimal mit e2 > p. Ist z ∈ Z mit z ≡ 0 (p), danngibt es eine Darstellung z ≡ ±xy−1 (p) mit x, y ∈ N, x, y < e und p ∤ x, y.

Beweis. Zunächst ist e ≤ p, denn sonst wäre e > p ≥ (e − 1)2, was e ∈ {1, 2} imWiderspruch impliziert. Wir betrachten Terme der Form

v + zw mit v, w ∈ N0, v, w < e und z ≡ 0 (p).

Dabei können für festes z ∈ Z nicht alle e2 Ausdrücke paarweise inkongruent modulo psein, da es nur p inkongruente Werte gibt. Das heißt es gibt Paare (v, w) = (v′, w′) ∈ N2

0

mit v, v′, w, w′ < e und

v + zw ≡ v′ + zw′ (p) ⇔ z(w − w′) ≡ v′ − v (p).

Nun ist 0 ≤ y := |w − w′|, x := |v − v′| < e ≤ p. Wäre y = 0, so folgte x ≡ 0 (p) und mitx < p auch x = 0. Dies ergibt jedoch einen Widerspruch, denn w = w′ und v = v′.Damit ist y ≡ 0 (p) invertierbar und man erhält die gewünschte Darstellung, denn wärex = 0, so folgte y = 0 wegen p ∤ z.

Satz 3.5.4. Sei p ∈ P. Dann gibt es genau dann Zahlen x, y ∈ Z mit p = x2 + y2 wenndie Kongruenz Z2 ≡ −1 (p) lösbar ist.

Beweis. Ist p = x2 + y2 darstellbar, so gilt p ∤ x, denn sonst folgte p | y2 und somit p | ysowie p2 | p im Widerspruch. Daher ist x ∈ Z/pZ invertierbar und es folgt

x2 + y2 = p ≡ 0 (p) ⇒ −1 ≡ −(x−1x)2 ≡ (x−1y)2 (p),

sodass die Kongruenz Z2 ≡ −1 (p) lösbar ist.Ist z2 ≡ −1 (p), liefert Lemma 3.5.3 eine Darstellung

−1 ≡ z2 ≡ (xy−1)2 (p) ⇒ x2 + y2 ≡ 0 (p).

Wegen 0 < x, y ≤ e−1 < p ist 0 < x2, y2 ≤ (e−1)2 < p und folglich p ≤ x2+y2 < 2p.

Korollar 3.5.5. Sei p ∈ P. Dann lässt sich p genau dann als Summe zweier Quadratedarstellen wenn p ≡ 3 (4) gilt.

Beweis. Offensichtlich lässt sich p = 2 als Summe zweier Quadrate ganzer Zahlen darstel-len. Wegen x2 ≡ 0, 1 (4) ist p ≡ 3 (4) nicht darstellbar. Im Fall p ≡ 1 (4) ergibt Korollar3.1.12 (ii) die Lösbarkeit der Kongruenz Z2 ≡ −1 (p) und somit die Darstellbarkeit vonp nach obigem Satz.

Für die Summe dreier Quadrate bewies bereits Gauß die Darstellbarkeit aller natürlicherZahlen n = 4km mit 4 ∤ k und m ≡ 7 (8). Klar ist dabei, dass Zahlen n ≡ 7 (8) nichtals Summe dreier Quadrate dargestellt werden können, denn x2 ≡ 0, 1, 4 (8). Ein Beweisdes Drei-Quadrate-Satzes von Gauß wird an dieser Stelle ausgelassen und stattdessendie Summe vierer Quadrate genauer betrachtet.

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3.5 Darstellung als Summe von Quadraten 51

In Analogie zur komplexen Norm | · | erweist sich der Schiefkörper H der Quaternionenmit der entsprechenden multiplikativen Norm als nützlich, da somit das Produkt zweierSummen von vier Quadraten wiederum eine Summe vierer Quadrate ist:

(3.3) (a2 + b2 + c2 + d2)(w2 + x2 + y2 + z2) = A2 +B2 + C2 +D2

mit

A = aw − bx− cy − dz, B = ax+ bw + cz − dy,

C = ay − bz + cw + dx, D = az + by − cx+ dw.

Satz 3.5.6. Jedes n ∈ N lässt sich als Summe von vier Quadraten darstellen, d.h.

n = w2 + x2 + y2 + z2 mit w, x, y, z ∈ Z.

Beweis. Aufgrund der oben bereits ausgeführten Multiplikativität genügt es den Beweisfür n = p ∈ P zu führen, offensichtlich sogar für p > 2. Nach Lemma 3.5.2 gibt es einm ∈ N mit

pm = x2 + y2 + 12 + 02,

wobei wir ohne Einschränkung gemäß Beispiel 3.1.3 annehmen, dass |x|, |y| ≤ p−12

ist.Dies liefert die Abschätzung

pm = x2 + y2 + 1 ≤ 2(p− 1)2

4+ 1 ≤ p2

2.

Das bedeutet, für dieses m ≤ p2

gibt es ganze Zahlen w, x, y, z ∈ Z als Lösung der Glei-chung

pm = w2 + x2 + y2 + z2.

Ist m = 1, so ist nichts zu zeigen. Im Fall m > 1 zeigen wir, dass es ein N < m gibt,sodass die Gleichung

pN = w2 + x2 + y2 + z2

ganzzahlig lösbar ist. Führt man diesen Abstieg induktiv fort, so erhält man nach endlichvielen Schritt N = 1, was den Satz beweist.Sei also 1 < m ≤ p

2mit

pm = w2 + x2 + y2 + z2

und seien a, b, c, d ∈ Z die betragsmäßig kleinsten Reste modulo m der Zahlen w, x, y, z,d.h.

(3.4) a ≡ w (m), b ≡ x (m), c ≡ y (m), d ≡ z (m) und |a|, |b|, |c|, |d| ≤ m

2.

Damit folgtpm = w2 + x2 + y2 + z2 ≡ a2 + b2 + c2 + d2 ≡ 0 (m)

bzw. a2 + b2 + c2 + d2 = m′m für ein m′ ∈ N0.Wäre m′ = 0, so auch w ≡ x ≡ y ≡ z ≡ 0 (m) und die Summe der Quadrate ist durch

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52 Kongruenzen und Restklassen

m2 teilbar. Aber m2 | pm impliziert m = p im Widerspruch zu 1 < m ≤ p2.

Mit m′ ∈ N ergibt sich

pm ·mm′ = (w2 + x2 + y2 + z2) · (a2 + b2 + c2 + d2) = A2 +B2 + C2 +D2

mit den Bezeichnungen aus (3.3). Bedingung (3.4) liefert A ≡ B ≡ C ≡ D ≡ 0 (m) unddaher die Darstellbarkeit

pm′ =

(A

m

)2

+

(B

m

)2

+

(C

m

)2

+

(D

m

)2

.

Bereits klar ist m′ = m−1(a2 + b2 + c2 + d2) ≤ m mit (3.4), d.h. im Fall m′ < m wählenwir N = m′.Sei nun m′ = m, dann nehmen die Zahlen a, b, c, d ihre betragsmäßig größten Werte an

a2 + b2 + c2 + d2 = m2 ⇒ |a| = |b| = |c| = |d| = m

2

und m ist gerade. Wegen (3.4) folgt

4pm = (2w)2 + (2x)2 + (2y)2 + (2z)2 ≡ (2a)2 + (2b)2 + (2c)2 + (2d)2 ≡ 0 (m2),

sodass schließlich m | 4 gilt und es nur zwei Fälle gibt:Ist m = 4 folgt mit 2w ≡ 2x ≡ 2y ≡ 2z ≡ 0 (m) schließlich

p =

(1

2

)2

pm =(w2

)2+(x2

)2+(y2

)2+(z2

)2und p ist als Summe von ganzzahligen Quadraten darstellbar.Ist m = 2, so ergibt sich mit

2p = w2 + x2 + y2 + z2 und 2 = 12 + 12 + 02 + 02

analog zu (3.3)4p = (w − x)2 + (w + x)2 + (y − z)2 + (y + z)2.

Hierbei sind aber a, b, c, d ∈ {±1} und w ≡ x ≡ y ≡ z ≡ 1 (2) alle ungerade. Damit sinddie Summe bzw. Differenz zweier solcher Zahlen w± x und y± z gerade und es lässt sichp darstellen als Summe vierer ganzzahliger Quadrate, was zu zeigen war.

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4 Quadratische ResteBereits in Abschnitt 3.3 haben wir quadratische Kongruenzen betrachtet. Im Folgendeninteressieren uns sogenannte quadratische Reste.

4.1 Das Legendre-SymbolDefinition 4.1.1. Sei m ∈ N, a ∈ Z mit ggT(a,m) = 1. Dann heißt a quadratischer Restmodulo m, falls die Kongruenz

X2 ≡ a (mod m)

lösbar ist.

Nach dem chinesischen Restsatz 3.3.1 und den Erkenntnissen aus Abschnitt 3.3 folgtdirekt

Satz 4.1.2. Sei m ∈ N. Dann ist a ∈ Z mit ggT(a,m) = 1 genau dann quadratischerRest modulo m wenn a quadratischer Rest modulo aller Primteiler von m ist und im Fallem = 4 zusätzlich a ≡ 1 (4) sowie im Falle 8 | m zusätzlich a ≡ 1 (8) gilt.

Beweis. Für m = 1 ist nichts zu zeigen, für m > 1 betrachte man die kanonische Prim-faktorzerlegung von m =

∏ri=1 p

αii und nach Korollar 3.3.2 ist

X2 ≡ a (mod m) lösbar ⇔ X2 ≡ a (mod pαii ) ∀ i = 1, . . . , r lösbar.

Für ungerade Primteiler gilt Satz 3.3.6 und für p = 2 liefert Satz 3.3.8 mittels Beispiel3.3.7 die Behauptung.

Aufgrund dieser Aussage genügt es zunächst quadratische Reste modulo einer Primzahlp ∈ P zu betrachten. Um genauere Eigenschaften solcher quadratischer Reste herzuleiten,macht man für ungerade Primzahlen

Definition 4.1.3. Sei p ∈ P, p > 2 und a ∈ Z mit ggT(a, p) = 1. Dann heißt(a

p

):=

{1 falls a quadratischer Rest modulo p,−1 sonst

das Legendre-Symbol von a modulo p.

Für dieses Symbol lässt sich folgender auf Euler zurückgehender Satz beweisen.

53

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54 Quadratische Reste

Satz 4.1.4. Seien a, b ∈ Z, p ∈ P mit p ∤ a, b. Dann gilt

(i) a ≡ b (p) impliziert(

ap

)=(

bp

).

(ii) (Eulersches Kriterium) (a

p

)≡ a

p−12 (mod p).

(iii) Das Legendre-Symbol ist streng multiplikativ, d.h.(ab

p

)=

(a

p

)·(b

p

).

Beweis. Per Definition folgt sofort (i). Ist (ii) gezeigt, folgt mit Satz 2.1.14 (c) die Wohl-definiertheit von (

ab

p

)≡ (ab)

p−12 ≡ a

p−12 b

p−12 ≡

(a

p

)(b

p

)(mod p).

Da die vorkommenden Legendre-Symbole nur Werte ±1 annehmen können und p > 2gilt, folgt sogar Gleichheit. Daher genügt es, (ii) zu zeigen.Wir zeigen (

a

p

)= 1 ⇔ a

p−12 ≡ 1 (mod p),

denn nach Theorem 3.1.11 von Euler und Fermat gilt

ap−1 − 1 ≡(a

p−12 − 1

)(a

p−12 + 1

)≡ 0 (mod p),

d.h. a p−12 ≡ ±1 (p) nimmt nicht mehr Werte an.

Sei dazu g eine Primitivwurzel modulo p gemäß Satz 3.4.7 und schreibe a ≡ gν (p).⇒: Sei x2 ≡ a (p) lösbar. Wir schreiben x ≡ gµ (p) und erhalten

x2 ≡ g2µ ≡ gν ≡ a (p) ⇔ 2µ ≡ ν (p− 1)

nach Lemma 3.4.3. Da p− 1 gerade ist, ist auch ν gerade und es folgt

ap−12 ≡ (gν)

p−12 ≡ (gp−1)

ν2 ≡ 1 (mod p).

⇐: Ist ν gerade, so folgta ≡ (g

ν2 )2 (mod p)

und die Kongruenz ist lösbar, d.h. a quadratischer Rest modulo p.Angenommen ν wäre ungerade, etwa ν = 2r + 1 mit r ∈ Z, dann folgt gemäß

1 ≡ ap−12 ≡ (g2r+1)

p−12 ≡ (gp−1)rg

p−12 ≡ g

p−12 (mod p)

ein Widerspruch für die Primitivwurzel g, denn ϕ(p) = p− 1 > p−12

.

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4.1 Das Legendre-Symbol 55

Ergänzend setzt man (a

p

):= 0, falls p | a.

Die Aussagen des Satzes 4.1.4 bleiben auch mit dieser verallgemeinerten Definition gültig,wie man sich leicht überlegt.

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56 Quadratische Reste

4.2 Das Jacobi-SymbolEine direkte Verallgemeinerung quadratischer Reste modulo beliebiger ungerader m ∈ Nstellt das im diesem Abschnitt behandelte Symbol dar.

Definition 4.2.1. Sei m ∈ N ungerade. Ein Halbsystem modulo m ist eine Menge ganzerZahlen {b1, . . . , bm−1

2}, sodass {

0,±b1, . . . ,±bm−12

}ein vollständiges Restsystem modulo m ist.Ist die Anzahl m klar, schreiben wir auch {bµ} für das Halbsystem.

Beispielsweise ist die MengeHm := {1, . . . , m−1

2}

ein Halbsystem modulo m.

Satz 4.2.2. Seien m ∈ N ungerade, a ∈ Z mit ggT(a,m) = 1 und {bµ} ein beliebigesHalbsystem modulo m, dann gibt es eine Permutation π : Hm → Hm mit

abµ ≡ bπ(µ)eµ (mod m) ∀ µ ∈ Hm

und Einheiten eµ ∈ {±1} = Z×.

Beweis. Klar ist aufgrund der Definition des Halbsystems, dass es zu jedem µ ∈ Hm einFunktionswert π(µ) ∈ Hm gibt mit

abµ ≡ bπ(µ)eµ (mod m).

Es bleibt zu zeigen, dass π eine Bijektion ist. Aufgrund der Endlichkeit von Hm genügtes die Injektivität von π zu zeigen. Dazu seien

π(µ) = π(ν) mit abµ ≡ bπ(µ)eµ (mod m), abν ≡ bπ(ν)eν (mod m).

Dann folgt mit eµ, eν ∈ {±1} und ggT(a,m) = 1

abµeµ ≡ bπ(µ) ≡ bπ(ν) ≡ abνeν (mod m) ⇒ bµeµ ≡ bνeν (mod m).

Dies liefert bµ ≡ bνeνeµ (m), wobei das Produkt der beiden Einheiten ±1 ist. Daher mussbereits µ = ν gelten, da sonst {bµ} kein Halbsystem wäre.

Wählt man in obiger Proposition verschiedene Halbsysteme, so hängen die Einheiten eµin der Regel vom gewählten Halbsystem ab. Zeigen lässt sich jedoch

Lemma 4.2.3. Seien m ∈ N ungerade, a ∈ Z mit ggT(a,m) = 1 und {bµ}, {cµ} Halbsys-teme modulo m mit

abµ ≡ bπ(µ)eµ (mod m) und acµ ≡ cπ(µ)fµ (mod m) ∀ µ ∈ Hm

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4.2 Das Jacobi-Symbol 57

und eµ, fµ ∈ {±1}. Dann istm−1

2∏µ=1

eµ =

m−12∏

µ=1

fµ,

d.h. das Produkt aller Einheiten ist unabhängig von der Wahl des Halbsystems.

Beweis. Nach Umnummerierung kann man annehmen, dass mit εµ ∈ {0, 1}

cµ ≡ (−1)εµbµ (mod m) ∀ µ ∈ Hm

gilt. Damit lässt sich fµ modulo m ablesen aus

acµ ≡ abµ(−1)εµ ≡ (−1)εµbπ(µ)eµ ≡ cπ(µ)(−1)εµ+επ(µ)eµ (mod m).

Daher erhält manm−1

2∏µ=1

fµ =

m−12∏

µ=1

(−1)εµ+επ(µ)eµ = (−1)ε ·m−1

2∏µ=1

mit geradem

ε =

m−12∑

µ=1

επ(µ) +

m−12∑

µ=1

εµ = 2

m−12∑

µ=1

εµ,

da π eine Permutation ist und demnach die Summen den gleichen Wert annehmen.

Daher lässt sich Folgendes wohldefinieren.

Definition 4.2.4. Seien m ∈ N ungerade, a ∈ Z mit ggT(a,m) = 1 und {bµ} irgendeinHalbsystem modulo m. Dann heißt

( am

):=

m−12∏

µ=1

das Jacobi-Symbol von a modulo m.

Das dieses Symbol eine Verallgemeinerung des Legendre-Symbols ist, zeigt

Satz 4.2.5. Sei m = p ∈ P ungerade, dann stimmt das Jacobi- mit dem Legendre-Symbol überein.

Beweis. Per Definition ist abµ ≡ bπ(µ)eµ (p), d.h.

ap−12

p−12∏

µ=1

bµ =

p−12∏

µ=1

(abµ) ≡

p−12∏

µ=1

(bπ(µ)eµ) ≡

p−12∏

µ=1

bπ(µ)

p−12∏

µ=1

eµ (mod p).

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58 Quadratische Reste

Wegen ggT(bµ, p) = 1 und der Permutation π folgt durch Kürzen

ap−12 ≡

p−12∏

µ=1

eµ (mod p),

sodass das Euler-Kriterium aus Satz 4.1.4 die Kongruenz zum Legendre-Symbol liefert.Wegen p > 2 ergibt sich wiederum Gleichheit.

In Analogie zu Satz 4.1.4 hat man

Satz 4.2.6. Seien m ∈ N ungerade, a, b ∈ Z mit ggT(a,m) = 1 = ggT(b,m). Dann gilt

(i) a ≡ b (m) impliziert(

am

)=(

bm

).

(ii) Das Jacobi-Symbol ist streng multiplikativ, d.h.(ab

m

)=( am

)·(b

m

).

Beweis. Per Definition folgt sofort (i). Sei also {bµ} ein beliebiges Halbsystem und geltefür eµ, fµ ∈ {±1} und Permutationen π, π

abµ ≡ bπ(µ)eµ (mod m) und bbµ ≡ bπ(µ)fµ (mod m) ∀ µ ∈ Hm.

Dann ist abbµ ≡ abπ(µ)fµ ≡ bπ(π(µ))eπ(µ)fµ (m) mit der Permutation π ◦ π und somit

(ab

m

)=

m−12∏

µ=1

(eπ(µ)fµ) =

m−12∏

µ=1

eπ(µ)

m−12∏

ν=1

fν =

m−12∏

µ=1

m−12∏

ν=1

fν =( am

)·(b

m

).

Wie der nachfolgende Satz zeigt, ist eine Eigenschaft wie das Euler-Kriterium für dasJacobi-Symbol im Allgemeinen nicht gültig.

Satz 4.2.7. Seien m,n ∈ N ungerade, a ∈ Z mit ggT(a,m) = 1 = ggT(a, n). Dann gilt( a

mn

)=( am

)(an

).

Beweis. Seien {bµ} bzw. {cν} Halbsysteme modulo m bzw. n. Wir zeigen, dass

B = {bµ +ms | µ ∈ Hm, s = 0, . . . , n− 1} und C = {mcν | ν ∈ Hn}

ein Halbsystem H = B ∪ C modulo mn bildet:Klar ist, dass |H| = n|Hm| + |Hn| = mn−1

2gilt und es genügt zu zeigen, dass alle Zahlen

in H paarweise inkongruent modulo mn sind. Hierfür gibt es 3 verschiedene Fälle

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4.2 Das Jacobi-Symbol 59

• Für µ, µ ∈ Hm und s, s ∈ {0, . . . , n− 1} gelte

bµ +ms ≡ bµ +ms (mod mn) ⇒ bµ ≡ bµ (mod m),

was per Definition des Halbsystems µ = µ ergibt. Dies liefert wiederum s ≡ s (n)nach Division mit m und damit s = s wegen |s− s| ≤ n− 1.

• Für µ ∈ Hm, ν ∈ Hn und s ∈ {0, . . . , n− 1} gelte

bµ +ms ≡ mcν (mod mn) ⇒ bµ ≡ 0 (mod m)

im Widerspruch zur Definition des Halbsystems.

• Für ν, ν ∈ Hn gelte

mcν ≡ mcν (mod mn) ⇒ cν ≡ cν (mod n),

was per Definition des Halbsystems ν = ν ergibt.

Seien nun

abµ ≡ bπ(µ)eµ (mod m) und acν ≡ cπ(ν)fν (mod n) ∀ µ ∈ Hm, ν ∈ Hn

und eµ, fν ∈ {±1}. Somit folgt nach Anwendung der Halbsysteme B,C für ein t ∈ Z

a(bµ +ms) = bπ(µ)eµ + tmeµ = (bπ(µ) +m(nr + s))eµ ≡ (bπ(µ) +ms)eµ (mod mn),a(mcν) ≡ mcπ(ν)fν (mod mn),

gemäß einer Division mit Rest s ∈ {0, . . . , n − 1} im ersten Fall. Kombination dieserEinheiten in H bzw. in B und C getrennt ergibt

( a

mn

)=

m−12∏

µ=1

nn−12∏

ν=1

=( am

)n (an

)=( am

)(an

),

da n ungerade ist.

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60 Quadratische Reste

4.3 Das Quadratische ReziprozitätsgesetzEines der wichtigsten Resultate der elementaren Zahlentheorie ist das nachfolgende Qua-dratische Reziprozitätsgesetz, dessen Anwendungen in Abschnitt 4.5 genauer betrachtetwerden.

Theorem 4.3.1. Seien a,m ∈ N ungerade mit ggT(a,m) = 1. Dann gilt

(4.1)( am

)(ma

)= (−1)

a−12

m−12 .

Beweis. Man betrachte das spezielle Halbsystem Hm modulo m, d.h. bµ = µ für alleµ ∈ Hm. Wegen aµ ≡ π(µ)eµ (m) gilt eµ = −1 genau dann wenn aµ ≡ −k mit k ∈ Hm,d.h.

eµ = −1 ⇔ ∃y ∈ Z : −m2< aµ−my < 0.

Damit ist( am

)= (−1)ν mit ν = |{(x, y) ∈ Z2 | x ∈ Hm,−m

2< ax−my < 0}|,

denn eine ganzzahlige Lösung der Ungleichung ist eindeutig durch x bestimmt, nämlichgilt für zwei Lösungen (x, y), (x, y′) ∈ Z2

−m2< ax−my < m(y′ − y) <

m

2+ ax−my <

m

2.

Offensichtlich gilt für solche Lösungen ebenso my > ax > 0 und my < ax+ m2< (a+1)m

2,

d.h. wegen a ungerade

ν = |{(x, y) ∈ Hm ×Ha | −m2< ax−my < 0}|.

Analog ist(ma

)= (−1)ν

′ mit ν ′ = |{(x, y) ∈ Ha ×Hm | −a2< mx− ay < 0}|.

Umbenennung der Variablen liefert

ν ′ = |{(x, y) ∈ Hm ×Ha | 0 < ax−my < a2}|.

Damit ergibt sich zusammengefasst( am

)(ma

)= (−1)µ mit µ = ν + ν ′ = |{(x, y) ∈ Hm ×Ha | −m

2< ax−my < a

2}|,

denn ax = my würde mit ggT(a,m) = 1 direkt m | x implizieren im Widerspruch zux ∈ Hm. Zur Abschätzung der Anzahl der Lösungen behilft man sich einer geometrischenArgumentation.

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4.3 Das Quadratische Reziprozitätsgesetz 61

Es ist L = Hm×Ha ⊂ Z2 ein Gitter, welches durch die Eckpunkte (1, 1), (1, a−12), (m−1

2, 1)

sowie (m−12, a−1

2) eines Rechtecks bestimmt ist. Hierin betrachten wir die Teilmenge

G = {(x, y) ∈ Hm ×Ha | −m2< ax−my < a

2} ⊂ L mit |G| = µ ≤ |L| = m−1

2a−12,

sodass es genügt zu zeigen, dass |L \G| gerade ist.Um dies zu zeigen, weisen wir zunächst nach, dass G symmetrisch zum Mittelpunkt(x0, y0) = (m+1

4, a+1

4) des Rechtecks ist, d.h.

(x, y) ∈ G ⇔ (m+12

− x, a+12

− y) ∈ G

gilt. Gelte also (x, y) ∈ G, d.h. mittels der Ungleichung

(x, y) ∈ L mit − m2< ax−my < a

2⇔ −m

2< a

2− ax+my − m

2< a

2

⇔ −m2< a

(m+12

− x)−m

(a+12

− y)< a

2

⇔ (m+12

− x, a+12

− y) ∈ G.

Damit ist ebenso L\G symmetrisch zum Mittelpunkt, d.h. ist ein Punkt (x, y) ∈ L\G un-gleich seinem Spiegelpunkt, so gibt es immer ein Paar von Punkten in L\G. AngenommenPunkt und Bildpunkt wären identisch und lägen beide in L \G, also

(x, y) = (m+12

− x, a+12

− y) ∈ L \G ⇔ (x, y) = (x0, y0) = (m+14, a+1

4) ∈ L \G,

folgte ein Widerspruch, denn mit a,m ∈ N folgt (x0, y0) ∈ G:

−m2< ax0 −my0 <

a2

mit ax0 −my0 =a4− m

4.

Damit ist |L \G| gerade und folglich( am

)(ma

)= (−1)|G| = (−1)|L|−|L\G| = (−1)|L| = (−1)

a−12

m−12 .

Ähnlich der Beweisidee folgen direkt einige wichtige ergänzende Sätze.

Satz 4.3.2. (1. Ergänzungssatz)Sei m ∈ N ungerade, dann gilt(

−1

m

)= (−1)

m−12 =

{1 falls m ≡ 1 (4),

−1 falls m ≡ 3 (4).

Beweis. Wähle das spezielle Halbsystem Hm mit bµ = µ, womit aus a = −1 stets eµ = −1für alle µ ∈ Hm folgt. Die Permutation ist in diesem Fall die Identität. Somit ist(

−1

m

)=∏

µ∈Hm

eµ = (−1)m−12 .

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62 Quadratische Reste

Dieses Resultat wurde bereits für ungerade Primzahlen teilweise in Korollar 3.1.12 gezeigt,d.h. dass −1 quadratischer Rest modulo p für p ≡ 1 (4) ist. Dass dies für p ≡ 3 (4) nichtder Fall ist, überlegt man sich ebenso leicht ohne Anwendung des ersten Ergänzungssatzes.Beispiel 4.3.3. 5 ist quadratischer Rest modulo p wenn p ≡ 1, 4 (5) gilt, denn nach demReziprozitätsgesetz folgt mit 5 ≡ 1 (4)(

5

p

)=(p5

)=

{(15

)falls p ≡ 1 (5),(−1

5

)falls p ≡ −1 (5).

Der erste Fall ist klarerweise 1 und für den zweiten lässt sich eben bewiesener Satz an-wenden.Satz 4.3.4. (2. Ergänzungssatz)Für m ∈ N ungerade gilt(

2

m

)= (−1)

m2−18 =

{1 falls m ≡ 1, 7 (8),

−1 falls m ≡ 3, 5 (8).

Beweis. Analog zum vorherigen Beweis verwende man das Halbsystem Hm. Dann ist2µ ≡ π(µ)eµ (m) für eine Permutation π.Sei zunächst m ≡ 1 (4). Dann gilt

eµ =

{1 für µ = 1, . . . , m−1

4,

−1 sonstmit π(µ) =

{2µ für µ = 1, . . . , m−1

4,

2(µ− m−1

4

)− 1 sonst

und wegen m+12

ungerade folglich(2

m

)= (−1)

m−14 = (−1)

m−14

m+12 = (−1)

m2−18 .

Ist m ≡ 3 (4), so folgt ähnlich

eµ =

{1 für µ = 1, . . . , m−3

4,

−1 sonstmit π(µ) =

{2µ für µ = 1, . . . , m−3

4,

2(µ− m−3

4

)− 1 sonst.

Da der sonstige Fall m+14

Zahlen enthält und m−12

ungerade ist, gilt schließlich(2

m

)= (−1)

m+14 = (−1)

m+14

m−12 = (−1)

m2−18 .

Korollar 4.3.5. Sei p ∈ P ungerade. Dann ist 2 quadratischer Rest modulo p genau dannwenn p ≡ 1, 7 (8) gilt.Beispiel 4.3.6. 3 ist kein quadratischer Rest modulo 17, denn nach dem QuadratischenReziprozitätsgesetz ist (

3

17

)=

(17

3

)=

(2

3

)= −1

mit 17 ≡ 2 (3) und dem 2. Ergänzungssatz 4.3.4.

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4.4 Ein zweiter Beweis des Quadratischen Reziprozitätsgesetzes 63

4.4 Ein zweiter Beweis des QuadratischenReziprozitätsgesetzes

Ein alternativer Beweis des Quadratischen Reziprozitätsgesetzes für zwei ungerade Prim-zahlen verwendet sogenannte Gauß-Summen.

Definition 4.4.1. Sei p ∈ P ungerade und n ∈ Z. Dann heißt

G(n, p) :=∑ν (p)

p

)e

2πiνnp

Gauß-Summe, wobei sich die Summe über ein vollständiges Repräsentantensystem mo-dulo p erstreckt.

Die obige Summe ist dabei wohldefiniert, denn sie hängt gemäß

e2πis = 1 für alle s ∈ Z

nicht von der Wahl des Repräsentantensystems ab. Aufgrund der verallgemeinerten De-finition des Legendre-Symbols genügt es über ein vollständiges primes Restsystem zusummieren, was wir mit

G(n, p) =∑ν (p)

p

)e

2πiνnp =

∑ν (p)∗

p

)e

2πiνnp

andeuten wollen, denn(

νp

)= 0 für p | ν.

Satz 4.4.2. Sei p ∈ P ungerade und n ∈ Z. Dann gilt

(i) G(0, p) = 0

(ii) G(n, p) =(

np

)G(1, p)

(iii) G(1, p)2 =(

−1p

)p

und insbesondere ist n 7→ G(n, p) p-periodisch.

Beweis. (i) Es ist

G(0, p) =∑ν (p)∗

p

).

Sei g eine Primitivwurzel modulo p, welche somit kein quadratischer Rest modulop ist nach dem Eulerschen Kriterium, d.h.

(gp

)= −1. Da g eine Einheit in Z/pZ

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64 Quadratische Reste

ist, durchläuft mit ν auch gν ein vollständiges primes Restsystem modulo p. NachSatz 4.1.4 ist folglich

∑ν (p)∗

p

)=∑ν (p)∗

(gν

p

)=

(g

p

) ∑ν (p)∗

p

)= −

∑ν (p)∗

p

),

also G(0, p) = 0.

(ii) Wir untersuchen zwei Fälle getrennt. Gelte zunächst p | n. Dann ist

G(n, p) =∑ν (p)∗

p

)e

2πiνnp =

∑ν (p)∗

p

)= 0

gemäß (i). Gelte nun p ∤ n, dann ist n eine Einheit und es gilt nach Satz 4.1.4 (iii)

1 =

(1

p

)=

(nn−1

p

)=

(n−1

p

)(n

p

).

Wie im Beweis von (i) ergibt sich mit(

n−1

p

)=(

np

)G(n, p) =

∑ν (p)∗

(n−1ν

p

)e

2πiνn−1np =

(n−1

p

) ∑ν (p)∗

p

)e

2πiνp

=

(n−1

p

)G(1, p) =

(n

p

)G(1, p).

Da mit Satz 4.1.4 die Funktion n 7→(

np

)p-periodisch ist, folgt dies auch für G(·, p).

(iii) Es ist aufgrund der Multiplikativität des Legendre-Symbols

G(1, p)2 =

∑ν (p)∗

p

)e

2πiνp

∑µ (p)∗

p

)e

2πiµp

=∑

ν (p)∗,µ (p)∗

(νµ

p

)e

2πi(µ+ν)p .

Da für festes µ in der Summe p ∤ µ gilt, lässt sich anstatt über ν auch über µνsummieren, d.h.

G(1, p)2 =∑

ν (p)∗,µ (p)∗

(νµ2

p

)e

2πi(µ+νµ)p =

∑ν (p)∗,µ (p)∗

p

)(µ

p

)2

e2πiµ(1+ν)

p

=∑ν (p)∗

p

)∑µ (p)∗

e2πiµ(1+ν)

p

.

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4.4 Ein zweiter Beweis des Quadratischen Reziprozitätsgesetzes 65

Mit der geometrischen Summenformel erhält man leicht

∑µ (p)∗

e2πiµ(1+ν)

p =

p−1∑µ=0

e2πiµ(1+ν)

p − 1 =

{−1 falls 1 + ν ≡ 0 (p),

p− 1 falls 1 + ν ≡ 0 (p).

Daher folgt mit (i)

G(1, p)2 = −∑ν (p)∗

ν ≡−1 (p)

p

)+

(−1

p

)(p− 1) = −

∑ν (p)∗

p

)+ p

(−1

p

)= p

(−1

p

).

Satz 4.4.3. Seien p, q ∈ P ungerade und verschieden. Dann gilt

G(1, p)q−1 ≡ (−1)p−12

q−12

(p

q

)(mod q).

Beweis. Da q − 1 gerade ist, folgt nach Satz 4.4.2 (iii)

G(1, p)q−1 =

((−1

p

)p

) q−12

=

(−1

p

) q−12

pq−12 = (−1)

p−12

q−12 p

q−12

mit dem 1. Ergänzungssatz 4.3.2. Das Eulersche Kriterium aus Satz 4.1.4 (ii) ergibtdann die Behauptung modulo q.

Um für zwei verschiedene Primzahlen p, q hieraus das Quadratische Reziprozitätsgesetzherzuleiten, genügt es

G(1, p)q−1 ≡(q

p

)(mod q)

zu zeigen, da q > 2 ist. Hierfür benötigt man die folgende Fourier-Entwicklung fürN -periodische Funktionen

f : Z → C, f(n+N) = f(n) ∀ n ∈ Z

für eine Periode N ∈ N.

Lemma 4.4.4. Sei f : Z → C eine N-periodische Funktion für N ∈ N, dann besitzt feine diskrete Fourier-Entwicklung

f(n) =∑ν (N)

a(ν)e 2πiνnN mit a(ν) =

1

N

∑µ (N)

f(µ)e−2πiµν

N

als Fourier-Koeffizienten.

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66 Quadratische Reste

Beweis. Für n ∈ Z bzw. n = 1, . . . , N genügt es zu zeigen, dass die Summe mit dem Wertf(n) übereinstimmt:

∑ν (N)

a(ν)e 2πiνnN =

1

N

∑ν (N)

∑µ (N)

f(µ)e−2πiµν

N

e 2πiνnN =

1

N

∑µ (N)

f(µ)

∑ν (N)

e−2πiν(n−µ)

N

=

1

N

∑µ≡n (N)

f(µ)N = f(n),

da die Summe über ν nach der geometrischen Summenformel für n−µ ≡ 0 (N) stets denWert Null annimmt.

Wie man leicht erkennt, sind die Fourier-Koeffizienten der p-periodischen FunktionG(·, p) gerade die Legendre-Symbole. Aus dem nächsten Resultat folgt schließlich derSpezialfall des Quadratischen Reziprozitätsgesetzes.

Satz 4.4.5. Seien p, q ∈ P ungerade. Dann gilt

(i)

G(1, p)q−1

(q

p

)=

∑ν1,...,νq (p)

ν1+···+νq≡q (p)

(ν1 · . . . · νq

p

)

(ii) Ist p = q, so folgt

G(1, p)q−1 ≡(q

p

)(mod q)

Beweis. (i) Da nach Satz 4.4.2 G(·, p) p-periodisch ist, gilt dies ebenso für G(·, p)q undnach obigem Lemma gibt es eine diskrete Fourier-Entwicklung

G(n, p)q =∑ν (p)

aq(ν)e2πiνn

p mit aq(ν) =1

p

∑µ (p)

G(µ, p)qe−2πiµν

p .

Per Definition der Gauß-Summe und der Multiplikativität des Legendre-Symbolsfolgt

G(µ, p)q =

∑ν1 (p)

p

)e

2πiν1µp

· . . . ·

∑νq (p)

(νqp

)e

2πiνqµp

=

∑ν1,...,νq (p)

(ν1 · . . . · νq

p

)e

2πi(ν1+···+νq)µ

p ,

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4.4 Ein zweiter Beweis des Quadratischen Reziprozitätsgesetzes 67

sodass sich die Fourier-Koeffizienten zu

aq(ν) =1

p

∑ν1,...,νq (p)

(ν1 · . . . · νq

p

)∑µ (p)

e2πi(ν1+···+νq−ν)µ

p

=∑

ν1,...,νq (p)ν1+···+νq≡ν (p)

(ν1 · . . . · νq

p

)(4.2)

ergeben, da die Summation über µ nur in den letzteren Fällen ungleich Null ist.Andererseits folgt für ungerades q aus Satz 4.4.2 (ii)

G(µ, p)q =

((µ

p

)G(1, p)

)q

=

p

)G(1, p)q.

Die Fourier-Koeffizienten lassen sich daher darstellen als

aq(ν) =1

pG(1, p)q

∑µ (p)

p

)e−

2πiνµp

=1

pG(1, p)qG(−ν, p)

per Definition der Gauß-Summe. Mit Satz 4.4.2 gilt daher

aq(ν) =1

pG(1, p)q

(−νp

)G(1, p) = G(1, p)q−1

p

)(−1

p

)G(1, p)2

p

=

p

)G(1, p)q−1.(4.3)

Durch die Setzung von ν = q in den beiden Darstellungen (4.2) und (4.3) von aq(ν)folgt die Behauptung.

(ii) Für p = q ist das Legendre-Symbol ungleich Null und es genügt gemäß (i) zuzeigen:

(4.4)∑

ν1,...,νq (p)ν1+···+νq≡q (p)

(ν1 · . . . · νq

p

)≡ 1 (mod q)

Gibt es ein ν ∈ Z mit ν1 ≡ · · · ≡ νq ≡ ν (p), so ergäbe sich qν ≡ q (p), d.h. ν ≡ 1 (p)wegen der Teilerfremdheit von p und q. In diesem Fall ist der Betrag zur Summe 1.Gibt es ein Paar i = j mit νi ≡ νj (p), so betrachte man die zyklische Permutation

νi 7→ ν⟨i+α0⟩ für i = 1, . . . , q,

wobei für α ∈ Z mit ⟨α⟩ die eindeutig bestimmte Zahl mit

1 ≤ ⟨α⟩ ≤ q und ⟨α⟩ ≡ α (mod q)

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68 Quadratische Reste

sei. Aufgrund der Indexpermutation ist

ν⟨1+α0⟩ + · · ·+ ν⟨q+α0⟩ ≡ ν1 + · · ·+ νq ≡ q (mod p)

sowie (ν⟨1+α0⟩ · . . . · ν⟨q+α0⟩

p

)=

(ν1 · . . . · νq

p

).

Genauer hat man für i = 1, . . . , q

⟨i+ α0⟩ =

{i+ α0 falls i+ α0 ≤ q,

i+ α0 − q sonst.

Betrachtet man nun für zwei verschiedene α0, β0 ∈ {0, . . . , q−1} die entsprechendenzyklischen Permutationen, so sind diese als Vektor aufgefasst verschieden, denn seiohne Einschränkung β0 = α0 + γ ≥ α0, dann gibt es für α0 ein kα ∈ {1, . . . , q} mitkα + α0 = q und man erhält aus ν⟨i+α0⟩ ≡ ν⟨i+β0⟩ (p) für i = 1, . . . , q

ν1+α0 ≡ ν1+α0+γ

...νkα−γ+α0 ≡ νkα−γ+α0+γ

νkα−γ+α0+1 ≡ ν1...

νkα+α0 ≡ νγ

ν1 ≡ νγ+1

...να0 ≡ νγ+α0 ,

wobei die letzten Zeilen nur für den Fall α0 > 0 hinzukommen. Rekursiv zeigt manhierbei, dass dann alle Einträge νi modulo p übereinstimmen würden, im Wider-spruch zur Annahme, es gäbe ein Paar i = j mit νi ≡ νj (p) und p ∈ P.Damit gibt sich zu jedem Tupel (ν1, . . . , νq), welches nicht nur modulo p gleicheEinträge besitzt, genau q modulo p inkongruente Tupel mit Einträgen ν⟨i+α0⟩ fürα0 = 0, . . . , q − 1. Für diese Tupel ändert sich der Wert des Legendre-Symbolnicht und die Anzahl solcher Lösungen ist durch q teilbar. Mit dem ersten Fallidentischer Einträge zusammen folgt schließlich die Behauptung.

Aus diesem Spezialfall für Primzahlen folgt direkt aufgrund der Multiplikativität desJacobi-Symbols das allgemeine Quadratische Reziprozitätsgesetz.

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4.5 Theoretische Anwendungen des Quadratischen Reziprozitätsgesetzes 69

4.5 Theoretische Anwendungen des QuadratischenReziprozitätsgesetzes

Als Anwendungen des in den letzten Abschnitten hergeleiteten Quadratischen Reziprozi-tätsgesetzes und der Ergänzungssätze betrachten wir nun die Fermatschen Primzahlensowie sogenannte biquadratische Reste und geben einen kurzen Einblick in die Lösbarkeitkubischer diophantischer Gleichungen.

4.5.1 Fermatsche PrimzahlenGemäß Lemma 2.4.17 ist eine Zahl 2m+1 für m ∈ N höchstens dann prim wenn m = 2s fürein s ∈ N0 eine reine Zweierpotenz ist. Dieses notwendige Kriterium lässt sich spezifizierenzu

Satz 4.5.1. Die Zahl 2m + 1,m ≥ 2, ist genau dann prim wenn 32m−1 ≡ −1 (2m + 1).

Beweis. Sei p = 2m + 1 ∈ P. Wegen m ≥ 2 ist m gerade nach Lemma 2.4.17 und manerhält p ≡ 1 (4) sowie p ≡ (−1)m + 1 ≡ 2 (3). Eine Anwendung des QuadratischenReziprozitätsgesetzes ergibt

−1 =

(2

3

)=(p3

)=

(3

p

)≡ 3

p−12 = 32

m−1

(mod 2m + 1)

mit dem Euler-Kriterium.Sei umgekehrt die Kongruenz erfüllt und p ∈ P ein Primteiler von 2m + 1, dann gilt nachdem chinesischen Restsatz 3.3.1

32m−1 ≡ −1 (mod p) ⇒ 32

m ≡ 1 (mod p),

sodass die Ordnung vp(3) ein Teiler von 2m ist, d.h. vp(3) = 2ν . Wäre ν < m, so folgtedurch sukzessives Quadrieren 32

m−1 ≡ 1 (p), was 1 ≡ −1 (p) für p > 2 implizieren würde,also ein Widerspruch. Damit folgt nach Lemma 3.4.3 ebenfalls vp(3) = 2m | ϕ(p) = p− 1und damit p = 1 + k2m mit k ∈ N. Aufgrund der Teilbarkeit ist aber

2m + 1 ≥ p = 1 + k2m

und daher k = 1 sowie 2m + 1 prim.

4.5.2 Biquadratische ResteDefinition 4.5.2. Sei p ∈ P ungerade, a ∈ Z mit ggT(a, p) = 1. Dann heißt a biquadra-tischer Rest modulo p, falls die Kongruenz X4 ≡ a (p) lösbar ist.

Die Verbindung zu quadratischen Resten liefert folgender

Satz 4.5.3. Seien p ≡ 3 (4), a ∈ Z mit ggT(a, p) = 1. Dann ist a biquadratischer Restmodulo p genau dann wenn a quadratischer Rest modulo p ist.

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70 Quadratische Reste

Beweis. Ist a biquadratischer Rest modulo p, so ist offensichtlich a auch quadratischerRest modulo p. Sei umgekehrt x ∈ Z mit x2 ≡ a (p). Wegen p ≡ 3 (4) ist ggT(4, p−1) = 2und nach dem Lemma von Bézout gibt es α, β ∈ Z mit 4α+(p− 1)β = 2. Das Theoremvon Euler-Fermat liefert daher

a ≡ x2 ≡ x4α+(p−1)β ≡ (xα)4(xβ)p−1 ≡ (xα)4 (mod p)

und xα löst die biquadratische Kongruenz.

Analog zum Eulerschen Kriterium erhält man das folgende Kriterium für biquadratischeKongruenzen

Lemma 4.5.4. Seien p ≡ 1 (4), a ∈ Z mit ggT(a, p) = 1. Dann ist a genau dannbiquadratischer Rest modulo p wenn a

p−14 ≡ 1 (p).

Beweis. Ist x4 ≡ a (p) für ein x ∈ Z, so folgt mit Theorem 3.1.11

ap−14 ≡ xp−1 ≡ 1 (mod p).

Ist umgekehrt a p−14 ≡ 1 (p), dann ergibt Quadrieren a

p−12 ≡ 1 (p) und das Euler-

Kriterium ergibt die Existenz eines z ∈ Z mit z2 ≡ a (p). Nochmaliges Anwenden desEulerschen Kriteriums auf die Kongruenz 1 ≡ a

p−14 ≡ z

p−12 (p) liefert, dass auch z

quadratischer Rest modulo p ist, d.h. a ≡ z2 ≡ (x2)2 ≡ x4 (p) für ein x ∈ Z.

Hieraus ergibt sich der auf Gauß zurückgehende Spezialfall für a = 2.

Satz 4.5.5. (Gauß) Sei p ≡ 1 (4). Dann ist 2 genau dann biquadratischer Rest modulo pwenn p die Gestalt p = x2 + 64y2 mit x, y ∈ N hat.

Beweis. Nach Korollar 3.5.5 ist p ≡ 1 (4) als Summe zweier Quadrate darstellbar, d.h.es gibt a, c ∈ N mit p = a2 + c2, wobei genau eine der Zahlen gerade ist. Sei ohneEinschränkung c = 2b gerade. Aufgrund des obigen Lemmas 4.5.4 genügt es, folgendeÄquivalenz zeigen:

2p−14 ≡ 1 (p) ⇔ 4 | b

Um dies zu zeigen, betrachte man die ungerade Zahl a+c und berechne deren Legendre-Symbol auf zwei verschiedene Weisen. Zunächst ist offensichtlich p weder Teiler von anoch von c, sodass diese Einheiten modulo p sind. Definiert man j := ca−1 mit demmultiplikativen Inversen von a, folgt aufgrund der Darstellung von p = a2 + c2 direktc2 ≡ −a2 (p) bzw. j2 ≡ −1 (p).Einerseits gilt (a + c)2 = p + 2ac ≡ 2ac (p) und p ∤ (a + c), da ggT(p, a) = 1 = ggT(p, c)ist. Mit dem Euler-Kriterium folgt(

a+ c

p

)≡ (a+ c)

p−12 ≡

((a+ c)2

) p−14 ≡ (2ac)

p−14 (p)

≡ (2aja)p−14 ≡ (2j)

p−14 a

p−12 ≡ (2j)

p−14

(a

p

)(p).

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4.5 Theoretische Anwendungen des Quadratischen Reziprozitätsgesetzes 71

Wegen p ≡ 1 (4) liefert das Quadratische Reziprozitätsgesetz mit p ≡ c2 (a) und denRechenregeln für das Jacobi-Symbol(

a

p

)=(pa

)=

(c2

a

)=( ca

)2= 1.

Daher hat man

(4.5)(a+ c

p

)≡ (2j)

p−14 (p).

Andererseits ist 2p gerade mit 2p = (a+ c)2 + (a− c)2, sodass man mit den Rechenregelnfür das Jacobi-Symbol(

2p

a+ c

)=

((a− c)2

a+ c

)=

(a− c

a+ c

)2

= 1

erhält. Eine Kombination mit dem Quadratischen Reziprozitätsgesetz 4.3.1 und dem 2.Ergänzungssatz 4.3.4 ergibt(

a+ c

p

)=

(p

a+ c

)=

(2p

a+ c

)(p

a+ c

)=

(2

a+ c

)(p

a+ c

)2

=

(2

a+ c

)= (−1)

(a+c)2−18 .

Um den Ausdruck mit (4.5) vergleichen zu können, rechnet man

(a+ c)2 − 1 = p+ 2ac− 1 = p− 1 + 4ab

und folglich mit j2 ≡ −1 (p)

(4.6)(a+ c

p

)≡ (j2)

p−1+4ab8 ≡ j

p−14 jab (p).

Kombiniert man die beiden Kongruenzen (4.5) und (4.6), folgt mit der Einheit j

2p−14 j

p−14 ≡ j

p−14 jab (p) ⇔ 2

p−14 ≡ jab (p).

Die zu zeigende Aussage ist damit

jab ≡ 1 (p) ⇔ 4 | b.

Mit j2 ≡ −1 (p) ist jedoch vp(j) = 4 und nach Lemma 3.4.3 teilt die Ordnung denExponent ab, d.h. 4 | ab. Da a ungerade ist, ergibt sich die behauptete Aussage.

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72 Quadratische Reste

4.5.3 Kubische GleichungenDie Lösbarkeitstheorie kubischer diophantischer Gleichungen ist im Allgemeinen sehrschwierig, weshalb in diesem Fall nur Spezialfälle genannt bzw. bewiesen werden.Beispielsweise hat die Gleichung

x3 + y3 = z3 für x, y, z ∈ Z

keine Lösung mit xyz = 0 wie bereits 1770 Euler mithilfe komplexer Zahlen bewies.Satz 4.5.6. Die Gleichung y2 = x3 + k hat keine Lösung (x, y) ∈ Z2, falls k ∈ Z vonder Gestalt k = (4n− 1)3 − 4m2 ist mit m,n ∈ Z und m durch keine Primzahl p ≡ 3 (4)teilbar ist.Beweis. Angenommen, es gäbe ganze Zahlen x, y mit y2 = x3 + k und k ≡ −1 (4) vonobiger Gestalt. Dann liefert eine Reduktion modulo 4

y2 ≡ x3 − 1 (mod 4).

Gemäß Beispiel 3.3.7 nimmt die linke Seite nur die Werte 0, 1 modulo 4 an. Dagegen istx3 ≡ 0 (4) für gerade Zahlen und x3 ≡ ±1 (4) für x ≡ ±1 (4). Das heißt ein Vergleichder beiden Seiten liefert notwendigerweise x ≡ 1 (4). Betrachtet man die ursprünglicheGleichung genauer und setzt a := 4n− 1, erhält man

y2 + 4m2 = x3 + a3 = (x+ a)(x2 − ax+ a2).

Wegen x ≡ 1 (4) und a ≡ −1 (4) ist der erste Faktor gerade und der zweite Faktorungerade mit x2−ax+a2 ≡ 3 (4) und daher gibt es mindestens einen Primteiler p ≡ 3 (4)dieses Faktors. Offensichtlich gilt

y2 + 4m2 ≡ 0 (p) ⇔ y2 ≡ −4m2 (p),

womit −4m2 quadratischer Rest modulo p ist:

1 =

(−4m2

p

)=

(−1

p

)(2

p

)2(m

p

)2

=

(−1

p

),

denn 2 und m sind gerade. Dies führt zum Widerspruch mit dem 1. Ergänzungssatz 4.3.2wegen p ≡ 3 (4).

Beispielhaft seien einige Werte von k gegeben:

n 0 0 0 0 1 1 1 1 2 2 2 2m 1 2 4 5 1 2 4 5 1 2 4 5k −5 −17 −65 −101 23 11 −37 −73 339 327 279 243

Ein tiefliegendes Resultat sei abschließend ohne Beweis gegeben.Satz 4.5.7. Seien a, b ∈ Z mit 4a3 + 27b2 = 0. Dann hat die Gleichung

y2 = x3 + ax+ b

nur endlich viele Lösungen (x, y) ∈ Z2.

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5 Ganzzahlige binäre quadratischeFormen

5.1 Klassen binärer quadratischer FormenDieser Abschnitt behandelt die Darstellung ganzer Zahlen durch quadratische Formenund beinhaltet eine genauere Betrachtung der darstellenden Formen für festes n ∈ Zsowie eine Beschreibung der verschiedenen Lösungen eines solchen Darstellungsproblems.Für das Studium der quadratischen Formen macht man folgende

Definition 5.1.1. Ein reelles Polynom Q(x, y) = ax2 + bxy + cy2 mit a, b, c ∈ Z heißtganzzahlige binäre quadratische Form.

In Anlehnung an die Gestalt von Skalarprodukten lässt sich eine quadratische Form mit-tels einer symmetrischen Matrix

A =

(a b

2b2

c

)∈ Q2×2

darstellen über das Matrix-Vektorprodukt

Q(x, y) =(x y

)A

(xy

).

Man nennt A die zu Q gehörige Matrix oder Darstellungsmatrix von Q.

Im Folgenden verwenden wir der Einfachheit halber die nachstehende Notation.Für A ∈ Qm×m, B ∈ Qm×n setzt man

A[B] := BTAB ∈ Qn×n.

Offensichtlich gilt für C ∈ Qn×o

A[B · C] = (A[B]) [C] ∈ Qo×o

und die quadratische Form schreibt sich als Anwendung

Q(x, y) = A

[(xy

)].

Außerdem bezeichne SL2(Z) die Gruppe der ganzzahligen 2×2-Matrizen mit Determinante1.

73

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74 Ganzzahlige binäre quadratische Formen

Definition 5.1.2. Zwei ganzzahlige binäre quadratische Formen Q(x, y) = ax2+bxy+cy2

und Q′(x, y) = a′x2 + b′xy + c′y2 mit Matrizen A bzw. A′ heißen äquivalent (Q ∼ Q′),wenn es ein U ∈ SL2(Z) gibt mit A′ = A[U ].Seien Q und Q′ wie in der Definition gegeben und

U =

(α βγ δ

)∈ SL2(Z) mit detU = αδ − βγ = 1.

Dann ist

Q′(x, y) = A′[(xy

)]= (A[U ])

[(xy

)]= A

[U

(xy

)]= A

[(αx+ βyγx+ δy

)]= Q(αx+ βy, γx+ δy),

d.h. Q′ geht aus Q durch eine lineare Substitution mit einer Matrix U ∈ SL2(Z) hervor.Genauer liefert ein Koeffizientenvergleich

a′ = aα2 + bαγ + cγ2 = Q(α, γ),

b′ = 2aαβ + b(αδ + βγ) + 2cγδ,

c′ = aβ2 + bβδ + cδ2 = Q(β, δ).

Lemma 5.1.3. Die in Definition 5.1.2 definierte Relation ∼ ist eine Äquivalenzrelation.Das heißt die Menge der ganzzahligen binären quadratischen Formen zerfällt in disjunkteÄquivalenzklassen.Beweis. Die Reflexivität ist klar, da die Einheitsmatrix in SL2(Z) liegt. Die Relation ∼ istsymmetrisch, denn für Q ∼ Q′ gibt es ein U ∈ SL2(Z) mit A′ = A[U ]. Da U invertierbarist, folgt A = A′[U−1], d.h. Q′ ∼ Q aufgrund der Gruppeneigenschaft von SL2(Z). DieTransitivität folgt analog, denn aus A′ = A[U1] und A′′ = A′[U2] folgt A′′ = A[U1U2].

Eine interessante Feststellung, die im späteren Verlauf von Relevanz ist, ist folgendeBemerkung. Wird n ∈ Z durch Q ganzzahlig dargestellt, d.h. es gibt x, y ∈ Z mitQ(x, y) = n, so stellt auch jedes Q′ mit Q′ ∼ Q diese Zahl ganzzahlig dar, nämlich gemäß

n = Q(x, y) = A

[(xy

)]= (A[UU−1])

[(xy

)]= A[U ]

[U−1

(xy

)]= A′

[(δx− βy−γx+ αy

)]= Q′(δx− βy,−γx+ αy).

Äquivalente Formen lassen sich charakterisieren durch dieDefinition 5.1.4. Sei die ganzzahlige binäre quadratische Form Q wie bisher gegeben mitQ(x, y) = ax2 + bxy + cy2. Die ganze Zahl

D := b2 − 4ac

heißt Diskriminante von Q.

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5.1 Klassen binärer quadratischer Formen 75

Lemma 5.1.5. Die Diskriminante ist eine Klasseninvariante, d.h. Q′ ∼ Q impliziertD′ = D.

Beweis. Es ist per Definition

−D4

= ac− b2

4= det

(a b

2b2

c

)= detA.

Mit A′ = A[U ] = UTAU folgt aus der Multiplikativität der Determinante und U ∈ SL2(Z)

detA′ = det(UT ) detA detU = det(U)2 detA = detA,

d.h. D = −4 detA = −4 detA′ = D′.

Die Umkehrung der Aussage des Lemmas ist im Allgemeinen nicht richtig.

Beispiel 5.1.6. Für D = 0 ist

Q(x, y) := y2 ≁ 2y2 =: Q′(x, y),

denn gäbe es ein U ∈ SL2(Z) mit A′ = A[U ], so folgte(0 00 2

)= A′ = A[U ] = UTAU =

(α γβ δ

)(0 00 1

)(α βγ δ

)=

(γ2 γδγδ δ2

)und somit γ = 0 und δ = ±

√2 /∈ Z – ein Widerspruch.

Zentrales Resultat dieses Abschnitts ist der folgende Satz zur Charakterisierung der Klas-sen ganzzahliger binärer quadratischer Formen.

Theorem 5.1.7. Die Anzahl der Äquivalenzklassen ganzzahliger binärer quadratischerFormen mit gegebener Diskriminante ist endlich, falls D = 0. Sie ist unendlich, fallsD = 0 gilt. In diesem Fall bilden die Formen Qc(x, y) = cy2 für c ∈ Z ein vollständigesRepräsentantensystem.

Beweis. Der Beweis unterteilt sich in die zwei Fälle D = 0 und D = 0. Jeweils zeigt mandie Äquivalenz der Formen zu sogenannten reduzierten Formen, deren Anzahl anschließendabgeschätzt wird.

D = 0. • Sei D zunächst keine Quadratzahl, d.h. D nicht von der Form u2 mit u ∈ Nund wie bisher

Q(x, y) = ax2 + bxy + cy2 = A

[(xy

)].

Mit D = 0 sind nicht alle Koeffizienten von Q Null und Q stellt ein von Nullverschiedene Zahl dar. Sei a′ ∈ Z \ {0} die dem Absolutbetrag nach kleinstesolche Zahl. Dann gibt es α, γ ∈ Z mit

Q(α, γ) = a′.

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76 Ganzzahlige binäre quadratische Formen

Diese Zahl benutzt man zur Transformation von Q. Da α, γ nicht beide Nullsind, gilt für d = ggT(α, γ)

d2Q(αd,γ

d

)= Q(α, γ) = a′

und damit d = 1 aufgrund der Minimalität von a′. Wegen d = 1 finden sichganze Zahlen β, δ ∈ Z mit αβ − γδ = 1, d.h.

U =

(α βγ δ

)∈ SL2(Z).

Transformiert man Q mit diesem U erhält man Q′ mit

Q′(x, y) = A′[(xy

)]= A

[U

(xy

)].

Der Koeffizient vor x2 berechnet sich gemäß

Q′(1, 0) = A

[U

(10

)]= A

[(αγ

)]= Q(α, γ) = a′.

Die weiteren Einträge von A′ sind noch genauer zu bestimmen. Wir setzen fürb′, c′ ∈ Z

A′ =

(a′ b′

2b′

2c′

).

Im Folgenden wird Q′ weiter transformiert, um eine äquivalente reduzierteForm

Q(x, y) = ax2 + bxy + cy2 mit |b| ≤ |a| ≤ |c|zu erhalten. Dies geschieht mit der Parametermatrix

V :=

(1 ν0 1

)∈ SL2(Z) für ν ∈ Z.

Die transformierte Form sei mit Q bezeichnet, dann gilt für die zugehörigeMatrix A (

a b2

b2

c

)=: A = A′[V ] =

(a′ b′+2a′ν

2b′+2a′ν

2a′ν2 + b′ν + c′

).

Wegen a′ = 0 lässt sich ν ∈ Z so wählen, dass

|b| = |b′ + 2a′ν| ≤ |a′| = |a|.

Für dieses fest gewählte ν ist c = 0, denn wäre dies nicht der Fall, so folgte mitder Äquivalenz Q ∼ Q

D = b2 − 4ac = b2

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5.1 Klassen binärer quadratischer Formen 77

im Widerspruch zur Annahme D sei kein Quadrat. Aufgrund der Darstellungc = Q(1, 0) wird nach obiger Bemerkung c = 0 auch von der äquivalenten FormQ dargestellt. Die Minimalität der anfangs gewählten Zahl |a′| bzw. |a| ergibtdirekt |a| ≤ |c| wie gewünscht.

Wie eben argumentiert, ist in dieser reduzierten Form auch a = 0, sonst wäreD eine Quadratzahl. Dies ergibt die Abschätzung der Koeffizienten mittels derfesten Diskriminante

4|a||c| = |4ac| = |b2 −D| ≤ |b|2 + |D| ≤ |a||c|+ |D|.

Das heißt für a, c ∈ Z mit0 < |a||c| ≤ |D|

3

gibt es nur endlich viele Möglichkeiten. Entsprechend für b, da dieser Koeffizientdurch |a| beschränkt ist.Folglich gibt es nur endlich viele solcher reduzierten Formen.

• Ist D = u2 mit u ∈ N, so zeigt man die Äquivalenz von Q zu

Q(x, y) = ±uxy + cy2 mit 0 ≤ c ≤ u.

Hieraus folgt direkt mit c ∈ Z die Endlichkeit der Anzahl der Äquivalenzklas-sen.(1) Ist a = 0, so gilt b = ±u wegen

u2 = D = b2 − 4ac = b2.

Also ist Q(x, y) = ±uxy + cy2.(2) Ist a = 0, so gilt mittels quadratischer Ergänzung und D = u2

4aQ(x, y) = (2ax+ (b+ u)y)(2ax+ (b− u)y).

Betrachte die rationalen Nullstellen von Q. Setze zum Beispiel

−b− u

2a=α

γ

als vollständig gekürzten Bruch, d.h. ggT(α, γ) = 1. Wegen a = 0 istdann Q(α, γ) = 0 und es gibt aufgrund der Teilerfremdheit β, δ ∈ Z mitαδ − βγ = 1. Wählt man diese Koeffizienten als Transformationsmatrix

U =

(α βγ δ

)∈ SL2(Z),

so ergibt sich eine transformierte Form

Q′(x, y) = a′x2 + b′xy + c′y2

mit a′ = Q(α, γ) = 0 und folglich b′2 = D = u2, d.h. ebenso b′ = ±u.

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78 Ganzzahlige binäre quadratische Formen

Nun liegen beide Fälle (1) und (2) in derselben Form vor. Eine letzte Trans-formation mit der Parametermatrix V ergibt

Q = A′[(

1 ν0 1

)(xy

)]= Q′(x+ νy, y) = ±uxy + (c′ ± uν)y2.

Wegen u =√D = 0, lässt sich ν ∈ Z so wählen, dass

0 ≤ c = c′ ± uν ≤ u

erfüllt ist.

D = 0. Zunächst ist jede Form mit D = 0 äquivalent zu einer Form Qc:Wegen D = −4 detA gibt es im Kern der singulären Darstellungsmatrix über Qeinen nicht verschwindenden Vektor (α, γ) ∈ Q2 \ {(0, 0)} mit

A

(αγ

)=

(00

).

Durch Multiplikation mit dem Hauptnenner der beiden Brüche und anschließendesTeilen durch den ggT ergibt sich (α, γ) ∈ Z2 \ {(0, 0)} mit ggT(α, γ) = 1. DiesesPaar ergibt offensichtlich eine Nullstelle von Q, was wir für die Transformation mit

U =

(α βγ δ

)benutzen wollen, wobei wiederum β, δ ∈ Z mit αδ − βγ = 1 gewählt wurden.Die transformierte Form Q′ hat den Koeffizienten a′ = Q(α, γ) = 0 und somit gilt0 = D = b′2. Dies ergibt

Q′(x, y) = c′y2 = Qc′ .

Für die Aussage des Theorems genügt es zu zeigen, dass für alle Formen Qc ≁ Qc′

genau für c = c′ ∈ Z gilt:Ist c = c′ so sind die Formen offensichtlich äquivalent. Sei also Qc ∼ Qc′ angenom-men. Dann gilt für die Darstellungsmatrizen mit U ∈ SL2(Z) analog zu Beispiel5.1.6 (

0 00 c′

)= A′ = A[U ] =

(0 00 c

)[(α βγ δ

)]=

(cγ2 cγδcγδ cδ2

).

(1) Ist c = 0, so auch c′ = 0.(2) Ist c = 0, so folgt γ = 0 und 1 = detU = αδ. Mit α, δ ∈ Z folgt δ = ±1, d.h.

c = c′.Daher gibt es unendlich viele disjunkte Äquivalenzklassen [Qc], c ∈ Z, ganzzahligerbinärer quadratischer Formen mit D = 0.

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5.1 Klassen binärer quadratischer Formen 79

Ist D = 0, kann man im Allgemeinen kein Vertretersystem der Formen mit DiskriminanteD in einfacher Schreibweise angeben. Jedoch gibt es weitere Invarianten zur Charakteri-sierung der Klassen, die im Folgenden vorgestellt seien.Lemma 5.1.8. Seien Q(x, y) = ax2 + bxy + cy2 und Q′(x, y) = a′x2 + b′xy + c′y2 zweiganzzahlige binäre quadratische Formen mit Q ∼ Q′ und D < 0. Dann ist a, a′ = 0 und dasVorzeichen des Koeffizienten von x2 ist eine Klasseninvariante, d.h. sign(a) = sign(a′).Ist a > 0, so ist Q positiv definit, d.h.

für alle (x, y) ∈ Z2 \ {(0, 0)} gilt Q(x, y) > 0.

Ist a < 0, so ist Q negativ definit, d.h. Q(x, y) < 0 für (x, y) = (0, 0).Beweis. Wäre a = 0 oder a′ = 0, so folgte 0 > D = b2 = (b′)2 ≥ 0 im Widerspruch.Mittels quadratischer Ergänzung erhält man

Q(x, y) = a

[(x+

b

2ay

)2

− D

4a2y2

].

Für D < 0 ist die eckige Klammer Null genau dann wenn x = y = 0 ist. Dies zeigt dieDefinitheit in Abhängigkeit des Vorzeichens von a.Sei U ∈ SL2(Z) mit A′ = A[U ] wie bisher bezeichnet. Dann gilt a′ = Q(α, γ), sodassmit der Definitheit der Form Q dieselben Vorzeichen sign(a) = sign(a′) folgen, denn wäreα = γ = 0, so wäre detU = 0 im Widerspruch.

Man beachte, dass die negativ definiten Formen aus den positiv definiten durch Multi-plikation mit dem Faktor −1 hervorgehen. Sie sind jedoch nicht äquivalent aufgrund desVorzeichens vor x2. Außerdem muss hierfür die Diskriminante negativ sein. Eine weitereInvariante wird dem sogenannten Inhalt, dem ggT(a, b, c) der Koeffizienten, einer quadra-tischen Form zugeschrieben.Lemma 5.1.9. Seien Q(x, y) = ax2 + bxy + cy2 und Q′(x, y) = a′x2 + b′xy + c′y2 zweiganzzahlige binäre quadratische Formen mit Q ∼ Q′ und Q nicht identisch Null. Dann istQ′ ebenfalls nicht identisch Null.Ist r = ggT(a, b, c) und r′ = ggT(a′, b′, c′), so gilt r = r′, d.h. der Inhalt ist eine Klassen-invariante.Beweis. Sei U ∈ SL2(Z) wie bisher bezeichnet. Mit A′ = A[U ] gilt A = A′[U−1], d.h.A′ = 0.Wie zu Beginn dieses Abschnitts berechnet, gilt

a′ = aα2 + bαγ + cγ2,

b′ = 2aαβ + b(αδ + βγ) + 2cγδ,

c′ = aβ2 + bβδ + cδ2.

Damit ergibt sich r | a′, r | b′, r | c′ und somit r | r′. Umgekehrt hat U−1 ganzzahligeEinträge und eine analoge Rechnung liefert die Aussage r′ | r. Folglich sind die Formenvon identischem Inhalt.

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80 Ganzzahlige binäre quadratische Formen

Eine Form vom Inhalt r = ggT(a, b, c) und der Diskriminante D ist offensichtlich das r-fache einer Form vom Inhalt 1 und der Diskriminante D/r2. Daher genügt es im Folgendensolche einfache Formen zu betrachten.Definition 5.1.10. Sei Q(x, y) = ax2 + bxy + cy2 eine ganzzahlige binäre quadratischeForm mit Inhalt ggT(a, b, c) = 1. Dann heißt Q primitiv.Definition 5.1.11. Sei D ∈ Z\{0}. Dann definiert man die nach Theorem 5.1.7 endlicheKlassenzahl h(D) als

• die Anzahl der Äquivalenzklassen primitiver ganzzahliger binärer quadratischer For-men der Diskriminante D, falls D > 0,

• die Anzahl der Äquivalenzklassen positiv definiter primitiver ganzzahliger binärerquadratischer Formen der Diskriminante D, falls D < 0.

Während Theorem 5.1.7 eine obere Schranke für die Klassenzahl h(D) liefert, gibt nach-folgendes Lemma eine untere Schranke und somit die Existenz mindestens einer Äquiva-lenzklasse an.Lemma 5.1.12. Sei D ∈ Z \ {0}. Dann gilt

h(D) ≥ 1 ⇔ D ≡ 0, 1 (4).

Beweis. Wegen D = b2−4ac ≡ b2 ≡ 0, 1 (4) ist für h(D) ≥ 1 klar, dass die Diskriminanteder Form die obige Eigenschaft haben muss.Ist umgekehrt D ≡ 0 (4), so erfüllt

Q(x, y) := x2 − D

4y2

die Eigenschaften von Definition 5.1.11 und für D ≡ 1 (4) genügt diesen

Q(x, y) :=

(x+

1

2y

)2

− D

4y2 = x2 + xy +

1−D

4y2.

Einige Klassenzahlen für kleine Werte der Diskriminante lassen sich mithilfe von Theorem5.1.7 angeben. Die nicht-elementare Zahlentheorie liefert jedoch geschlossene Formeln fürh(D) zur einfacheren Berechnung.

Für negative Diskriminanten ergibt sich beispielsweise

D −20 −19 −16 −15 −12 −11 −8 −7 −4 −3h(D) 3 1 1 2 1 1 1 1 1 1

und für einige positive Werte von D liefert eine Rechnung

D 1 4 5 8 9 12 13 16 17 20h(D) 1 1 1 1 2 2 1 2 1 3

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5.2 Automorphismen 81

5.2 AutomorphismenMan betrachte ganzzahlige Lösungen (x, y) ∈ Z2 der Gleichung

Q(x, y) = n

für gegebenes n ∈ Z. Im Folgenden setzen wir Q als primitiv voraus, d.h. ggT(a, b, c) = 1.

Wie bereits gezeigt wurde, stellen äquivalente Formen dieselben Zahlen dar. Nun interes-siert man sich für äquivalente Lösungen.

Definition 5.2.1. Sei A die zu Q gehörige symmetrische Matrix und sei U ∈ SL2(Z).Dann heißt U Automorphismus von Q, falls A = A[U ] gilt.

Bemerkung. Die obige Definition ist äquivalent dazu, dass für alle x, y ∈ Z gilt

Q(x, y) = A

[(xy

)]= (A[U ])

[(xy

)]= A

[U

(xy

)]= Q(αx+ βy, γx+ δy).

Die eine Richtung ist offensichtlich. Ist umgekehrt

Q(x, y) = Q(αx+ βy, γx+ δy) ∀ x, y ∈ Z

so folgt mit den Darstellungsmatrizen A und A′ := A[U ] direkt

a = Q(1, 0) = Q(α, γ) = a′,

c = Q(0, 1) = Q(β, δ) = c′,

b = Q(1, 1)− a− c = Q(α + β, γ + δ)− a− c = a′ + b′ + c′ − (a+ c) = b′,

d.h. A = A[U ].

Beispiel 5.2.2. (i) Sei Q(x, y) = x2 + y2 mit D = −4. Dann ist

A =

(1 00 1

)und U :=

(0 −11 0

)∈ SL2(Z)

ein Automorphismus von Q, denn es gilt für alle x, y ∈ Z

U

(xy

)=

(−yx

)und Q(−y, x) = (−y)2 + x2 = x2 + y2 = Q(x, y).

(ii) Sei Q(x, y) = x2 − 2y2 mit D = 8. Dann ist

A =

(1 00 −2

)und U :=

(3 42 3

)∈ SL2(Z)

ein Automorphismus von Q, denn es gilt für alle x, y ∈ Z

Q(3x+ 4y, 2x+ 3y) = (3x+ 4y)2 − 2(2x+ 3y)2 = x2 − 2y2 = Q(x, y).

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82 Ganzzahlige binäre quadratische Formen

Lemma 5.2.3. Die Menge der Automorphismen von Q bildet mit der gewöhnlichen Ma-trixmultiplikation eine Untergruppe Aut(Q) von SL2(Z).

Beweis. Mit der Einheitsmatrix ist Aut(Q) = ∅. Für zwei Automorphismen U, V von Qgilt UV −1 ∈ Aut(Q), denn:

A[UV −1] = (A[U ])[V −1] = A[V −1] = (A[V ])[V −1] = A[V V −1] = A.

Für eine Lösung von Q(x, y) = n für festes n ∈ Z stellt nach obiger Bemerkung auch(x′

y′

)= U

(xy

)für U ∈ Aut(Q)

dieses n gemäß Q(x′, y′) = n dar. Diese Eigenschaft wird nun benutzt, um eine Äquiva-lenzrelation auf der Lösungsmenge für festes Q und n zu definieren.

Definition 5.2.4. Sei Q eine primitive ganzzahlige binäre quadratische Form und n ∈ Zgegeben. Dann definiert(

xy

)∼(x′

y′

):⇔ ∃ U ∈ Aut(Q) mit

(x′

y′

)= U

(xy

)eine Äquivalenzrelation auf der Menge der ganzzahligen Lösungen von Q(x, y) = n, dennAut(Q) ist eine Untergruppe.

Diese Äquivalenzklassen nutzen wir nun für folgende

Definition 5.2.5. Sei Q eine primitive ganzzahlige binäre quadratische Form mit Diskri-minante D = 0 und n ∈ Z gegeben.Sei R(n,Q) die Anzahl der unter der Operation von Aut(Q) inäquivalenten Lösungen vonQ(x, y) = n. Man nennt R(n,Q) Darstellungszahl von n durch Q.Man definiert die Gesamtdarstellungsanzahl von n durch primitive ganzzahlige binärequadratische Formen der Diskriminante D als

RD(n) :=

h(D)∑i=1

R(n,Qi),

wobei die Summe über ein Vertretersystem {Q1, . . . , Qh(D)} der Äquivalenzklassen pri-mitiver ganzzahliger binärer quadratischer Formen mit fester Diskriminante D (positivdefinit, falls D < 0 < a, negativ definit, falls D, a < 0) läuft.

Die Summe RD(n) ist dabei wohldefiniert, denn

R(n,Q) = R(n,Q′) für Q ∼ Q′.

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5.2 Automorphismen 83

In der Tat, für Q ∼ Q′ existiert ein U ∈ SL2(Z) mit A′ = A[U ]. Seien nun(xy

)∼(x′

y′

), d.h. ∃ V ∈ Aut(Q) mit

(x′

y′

)= V

(xy

).

Dann erhält man über(uv

):= U−1

(xy

)∈ Z2 und

(u′

v′

):= U−1

(x′

y′

)∈ Z2

die Lösungen von Q′(u, v) = n = Q′(u′, v′). Wählt man V ′ := U−1V U ∈ Aut(Q′), dennA′[V ′] = A′ wegen A[V ] = A, A[U ] = A′, so sind auch diese Lösungen äquivalent unterdem Automorphismus V ′ von Q′. Die umgekehrte Richtung folgt analog.

Im nächsten Abschnitt wird sich zeigen, dass R(n,Q) stets endlich ist. Dies geschiehtüber eine geschlossene Formel für die Gesamtdarstellungsanzahl RD(n) für gewisse Dis-kriminanten D = 0. Für R(n,Q) sind bislang im Allgemeinen keine einfachen Formelnbekannt.Für die Betrachtung von RD(n) benötigt man jedoch Informationen über die Strukturder Untergruppe Aut(Q), die in diesem Abschnitt erarbeitet werden.

Im Folgenden nehmen wir an, dass D = 0 keine Quadratzahl ist. Denn ist u2 = D ≡ b2 (4),so sind entweder b und u beide ungerade oder beide gerade. Wie im Beweis von Theorem5.1.7 zerfällt aQ daher in Linearfaktoren über Z gemäß

an = aQ(x, y) =

(ax+

b+ u

2y

)(ax+

b− u

2y

)und die Lösung des Problems wird einfach.

Theorem 5.2.6. Sei Q(x, y) = ax2+ bxy+ cy2 eine primitive ganzzahlige binäre quadra-tische Form mit Diskriminante D = 0, kein Quadrat. Dann liefert die Abbildung

(5.1) (t, u) 7→(

t−bu2

−cuau t+bu

2

)∈ Aut(Q)

eine Bijektion zwischen der Menge der Lösungen (t, u) ∈ Z2 der Pellschen Gleichung

(5.2) t2 −Du2 = 4

und der Automorphismengruppe Aut(Q). Diese Abbildung ist ein Gruppenisomorphismus,wenn die ganzzahligen Lösungen von (5.2) mit

(t1, u1) ◦ (t2, u2) :=(t1t2 +Du1u2

2,u1t2 + u2t1

2

)

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84 Ganzzahlige binäre quadratische Formen

als Komposition versehen werden.Ist D < 0 , so ist Aut(Q) zyklisch von der Ordnung

ω =

6 falls D = −3,

4 falls D = −4,

2 falls D < −4

und damit endlich.Ist D > 0, so besitzt Aut(Q) unendlich viele Elemente und ist isomorph zu Z× Z/2Z.Beweis. Sei zunächst U ∈ Aut(Q) ein Automorphismus von Q mit Darstellungsmatrix A.Die Bezeichnungen seien wie bisher. Dann gilt wegen A[U ] = A

a = Q(α, γ) = aα2 + bαγ + cγ2,(5.3)b = 2aαβ + b(αδ + βγ) + 2cγδ,(5.4)c = Q(β, δ) = aβ2 + bβδ + cδ2.(5.5)

Dann ist mit (5.4) und detU = αδ − βγ = 1 zunächst2(aαβ + bβγ + cγδ) = b+ b(βγ − αδ) = 0,

d.h. in Kombination mit (5.3)aβ = α(aαβ + bβγ) + cβγ2 = α(−cγδ) + cβγ2 = −cγ(αδ − βγ) = −cγ.

Ferner folgt aus (5.5), detU = 1 und aαβ + cγδ = −bβγ

c(α− δ) = (aβ2 + bβδ + cδ2)α− cδ = β(aαβ + bαδ + cγδ) + cδ(αδ − βγ − 1)

= β(bαδ − bβγ) = bβ.

Da D = b2 − 4ac kein Quadrat ist, können wir a, c = 0 folgern. Zur Herleitung derLösungen der Pellschen Gleichung (5.2) macht man eine Fallunterscheidung.

b = 0. Es gilt mit den eben hergeleiteten Gleichungenγ

a= −β

c=δ − α

b=: u ∈ Z,

denn schreibt man u = pq

mit q ∈ N in gekürzter Form, so folgen

γq = ap, βq = −cp und (δ − α)q = bp.

Damit teilt q jeden Koeffizienten der primitiven Form Q. Dies bedeutet aber geradeq | ggT(a, b, c) = 1 und somit q = 1.Setzt man zusätzlich t := δ + α ∈ Z, so folgt die gewünschte Gestalt

U =

(t−bu2

−cuau t+bu

2

).

Wegen detU = 1 folgt, dass (t, u) ∈ Z2 Lösung der Gleichung (5.2) ist:

1 = αδ − βγ =t2 − (bu)2

4+ au · cu =

t2 −Du2

4.

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5.2 Automorphismen 85

b = 0. In diesem Fall ist ggT(a, c) = 1 und man zeigt analog zum ersten Fall, dass

γ

a= −β

c=: u ∈ Z

gilt. Mit c = 0 folgt aus c(α− δ) = bβ die Identität von α und δ. Man setzt folglicht = 2α und U hat dieselbe Gestalt wie in im obigen Fall. (t, u) ∈ Z2 ist ebenfallswieder eine Lösung der Pellschen Gleichung.

Sei nun (t, u) ∈ Z2 eine Lösung von (5.2). Dann ist

U :=

(t−bu2

−cuau t+bu

2

)∈ SL2(Q)

wie man bereits oben im Fall b = 0 gezeigt hat. Wegen t2 − b2u2 ≡ t2 − Du2 ≡ 0 (4)können die zwei Zahlen t+ bu und t− bu, die sich um die gerade Zahl 2bu unterscheiden,nicht beide ungerade sein, d.h. U ∈ SL2(Z). Mit

AU =

(at2

bt+Du4

bt−Du4

ct2

)rechnet man leicht A[U ] = A nach und erhält U ∈ Aut(Q). Dies zeigt die Wohldefiniert-heit und Bijektivität durch Angabe der Umkehrfunktion der Abbildung (5.1).Dass (5.1) ein Gruppenhomomorphismus darstellt, rechnet man leicht nach für zwei Au-tomorphismen U1, U2 ∈ Aut(Q)

U1U2 =

(t1−bu1

2−cu1

au1t1+bu1

2

)(t2−bu2

2−cu2

au2t2+bu2

2

)=

1

4

(t1t2 +Du1u2 − b(u1t2 + u2t1) −2c(u1t2 + u2t1)

2a(u1t2 + u2t1) t1t2 +Du1u2 + b(u1t2 + u2t1)

)und vergleicht mit der definierten Komposition für zwei Lösungen der Pellschen Glei-chung.

Ist D < 0, so folgt aus Gleichung (5.2)

t2 ≤ t2 −Du2 = 4 sowie |D|u2 ≤ t2 −Du2 = 4,

d.h. |t|, |u| ≤ 2. Wegen D ≡ b2 ≡ 0, 1 (4) ist D ≤ −3 und damit sogar |u| ≤ 1. In diesenFällen lassen sich die möglichen Lösungspaare einfach ablesen:

(t, u) =

(±2, 0), (1,±1), (−1,±1) falls D = −3,

(±2, 0), (0,±1) falls D = −4,

(±2, 0) falls D < −4.

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86 Ganzzahlige binäre quadratische Formen

Hieraus folgen die Ordnungen von Aut(Q) sowie unter Anwendung von (5.1) die Elementevon Aut(Q).Für die Zyklizität der Gruppe Aut(Q) sei U ein solcher Automorphismus mit

U =

(α βγ δ

)=

(t−bu2

−cuau t+bu

2

)wie im obigen Beweis, d.h. t = δ + α und au = γ, cu = −β. Definiert man für dieseNotation

ε :=t+ u

√D

2∈ C,

so folgt mit 2ε′ := t − u√D gerade εε′ = 1 und ε, ε′ ∈ C× sind Einheiten von (C, ·).

Betrachtet man die Abbildung

ϕ : Aut(Q) → C×, U 7→ ε,

dann ist diese ein injektiver Gruppenhomomorphismus:Für ε1, ε2 hat man

ε1ε2 =t1 + u1

√D

2

t2 + u2√D

2=

(t1t2 +Du1u2) + (u1t2 + u2t1)√D

4

und sieht die Ähnlichkeit zur Definition der Komposition zweier Lösungen (t1, u1) und(t2, u2) von (5.2).Ist also ε = 1 zum Beweis der Injektivität, so folgt

√D ∈ R\Q, denn D ist kein Quadrat.

Aus dieser Eigenschaft folgt u = 0, denn 2 − t = u√D ∈ R \ Q, aber 2 − t ∈ Z. Da D

kein Quadrat ist, gilt weiterhin a, c = 0 und es folgt aus u = 0 auch β = γ = 0. Wegen

1 = detU = αδ und 2 = t = δ + α

ist U bereits die Einheitsmatrix und ϕ injektiv. Aus linearer Algebra ist bekannt, dassdaher das Bild(ϕ) eine Untergruppe von C× ist.Für die entsprechenden Lösungen (t, u) der Pellschen Gleichung erhält man

ε =

±1, 1±i

√3

2, −1±i

√3

2falls D = −3,

±1,±i falls D = −4,

±1 falls D < −4

und erkennt, dass dies ω-te Einheitswurzeln sind, d.h. durch εω := e2πi/ω erzeugt werdenund jeweils eine zyklische Untergruppe Uω ⊂ C× bilden. Damit ist auch Aut(Q) zyklischvon der Ordnung ω und wird von ϕ−1(εω) erzeugt.

Ist D > 0 kein Quadrat, d.h. eigentlich D ≥ 5 aufgrund D ≡ b2 ≡ 0, 1 (4), dann liefertϕ einen Gruppenmonomorphismus nach R× mit ±1 im Bild, denn die leicht erkennbare

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5.2 Automorphismen 87

Lösung (t, u) = (±2, 0) existiert weiterhin. Bild(ϕ) ist weiterhin eine Untergruppe vonR×. Betrachte die positive Untergruppe

E := {ε ∈ Bild(ϕ) | ε > 0}

des Bildes. Offensichtlich gilt Bild(ϕ) = {±1} × E. Es gibt nun zwei Fälle. EntwederE = {1} und es gibt nur die einfache Lösung (t, u) = (±2, 0) oder E beinhaltet mehrElemente. Mithilfe einiger Arbeit und der ζ-Funktion lässt sich durch nicht-elementareZahlentheorie zeigen, dass stets der zweite Fall eintritt (vergleiche [6]).Sei also ε ∈ E. Angenommen t ≤ 0, dann ist aber ε oder ε−1 = ε′ negativ und nicht in Eenthalten (in Abhängigkeit von u) – Widerspruch, da E eine Gruppe ist. Folglich könnenwir t ∈ N annehmen.Ist ε > 1, so ergibt sich ε > 1 > ε−1 = ε′, d.h.

t+ u√D

2>t− u

√D

2⇔ u > −u ⇔ u ∈ N.

Damit folgt im Fall ε ∈ E, ε > 1 direkt

ε ≥ 1 +√D

2≥ 1 +

√5

2> 1, 5,

womit 1 kein Häufungspunkt von E sein kann, denn mit ε−1 erhält man ebenso, dass alleElemente ε = 1 von 1 einen Mindestabstand haben.Allgemeiner bestimmt diese Abschätzung für jedes Paar von Elementen 1 < ε1 < ε2 ∈ Eeinen Mindestabstand, denn

1 < ε2 · ε′1 ∈ E ⇒ 1, 5 < ε2 · ε′1 =ε2ε1

und damit 1, 5ε1 < ε2, d.h. ε2 − ε1 > 0, 5ε1 > 0, 75.Damit besitzt die Teilmenge

F := {ε ∈ E | ε > 1}

ein kleinstes Element ε0 > 1, denn F hat keine Häufungspunkte und ist nicht leer. DiesesElement erzeugt aber bereits ganz E, denn sei ε > 1, so erhält man durch Invertieren dieElemente kleiner 1 und es gibt ein n ∈ N mit

εn0 ≤ ε < εn+10 ⇔ 1 ≤ ε

εn0< ε0.

Die Minimalität von ε0 impliziert sofort ε = εn0 , da der Quotient andernfalls ein Elementvon F und kleiner als ε0 wäre. Dies zeigt

E = {εn0 | n ∈ Z}

und folglich Aut(Q) ≃ {±1} × Z.

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88 Ganzzahlige binäre quadratische Formen

Beispiel 5.2.7. (i) Sei Q(x, y) = x2 + xy + y2 mit D = −3, so wird Aut(Q) erzeugtvon

U =

(0 −11 1

)mit der Ordnung 6.

(ii) Sei Q(x, y) = x2 + xy − y2 mit D = 5. Es genügt die Pellsche Gleichung

t2 − 5u2 = 4, t, u ∈ N,

zu betrachten und man erhält als kleinstes Element ε0 > 1

ε0 =3 +

√5

2mit Aut(Q) ≃ {±εn0 | n ∈ Z}.

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5.3 Darstellungsanzahlen 89

5.3 DarstellungsanzahlenIn diesem Abschnitt wird für die im vorherigen Abschnitt definierte Gesamtdarstellungs-anzahl RD(n) einer Zahl n ∈ Z durch primitive ganzzahlige binäre quadratische Formengegebener Diskriminante D = 0 eine Formel hergeleitet, sodass sich deren Endlichkeitbeweisen lässt.

Definition 5.3.1. Eine Zahl D ∈ Z \ {0} heißt quadratfrei, falls |D| = 1 oder

|D| =m∏i=1

pi mit pi = pj prim für alle i = j ∈ {1, . . . ,m}.

D heißt Grundzahl oder Fundamentaldiskriminante, falls entweder D ≡ 1 (4) und Dquadratfrei oder D ≡ 0 (4), D

4quadratfrei und D

4≡ 2, 3 (4) ist.

Diese Grundzahlen lassen, wie man sich leicht klar macht, eine eindeutige Darstellungjeder Diskriminante D ∈ Z \ {0}, D ≡ 0, 1 (4) zu, nämlich

D = D0f2

mit f ∈ N und einer Fundamentaldiskriminante D0.

Mit den Grundzahlen lassen sich auch alle reellen Dirichlet-Charaktere, d.h. alle Grup-penhomomorphismen χ : (Z/nZ)× → R×, darstellen – unter Verwendung der folgendenAbbildung.

Definition 5.3.2. Sei D eine Grundzahl. Dann definiert χD : N → {0,±1} eine strengmultiplikative Fortsetzung des Legendre-Symbols durch

(1) χD(1) = 1,

(2) χD(p) =(

Dp

), falls p > 2 prim ist, und

χD(2) =

0 falls D ≡ 0 (4),

1 falls D ≡ 1 (8),

−1 falls D ≡ 5 (8),

(3) χD ist streng multiplikativ, d.h.

χD(ab) = χD(a)χD(b) ∀ a, b ∈ N.

Im Folgenden wird sich zeigen, dass RD(n) mit der summatorischen Funktion von χD

übereinstimmt. In Analogie zu den Darstellungsanzahlen macht man

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90 Ganzzahlige binäre quadratische Formen

Definition 5.3.3. Sei R∗(n,Q) die Anzahl der unter der Operation von Aut(Q) inäqui-valenten primitiven Lösungen von Q(x, y) = n für gegebenes Q mit Diskriminante D = 0,n ∈ Z. Eine Lösung heißt dabei primitiv, falls Q(x, y) = n mit ggT(x, y) = 1 gilt.Entsprechend zur Gesamtdarstellungsanzahl sei

R∗D(n) :=

h(D)∑i=1

R∗(n,Qi)

als Summe über ein Vertretersystem der Äquivalenzklassen primitiver ganzzahliger binärerquadratischer Formen mit fester Diskriminante D = 0 (positiv definit, falls D < 0 < a,negativ definit, falls D, a < 0).

Diese Definition ist wohldefiniert unter der Gruppenoperation von SL2(Z), denn es gilt(xy

)primitiv ⇔ U

(xy

)primitiv ∀ U ∈ SL2(Z)

aufgrund der ganzzahligen Einträge von U,U−1.

Der Zusammenhang zu RD(n) zeigt sich dadurch, dass jede Lösung (x, y) ∈ Z2 vonQ(x, y) = n ein Vielfaches einer primitiven Lösung (x′, y′) ∈ Z2 ist mit

n = Q(x, y) = (ggT(x, y))2 ·Q(x′, y′).

Folglich gilt für n = 0 die Identität

RD(n) =∑d2|nd>0

R∗D

( nd2

).

Der Fall n = 0 soll im Folgenden ausgeschlossen werden, denn es ist R(n,Q) = 1, falls esnur die triviale Lösung x = 0 = y gibt, ansonsten ist die Darstellungszahl unendlich, dafür jedes λ ∈ N mit einer nicht trivialen Lösung (x, y) auch λ(x, y) offensichtlich eine nichttriviale Lösung ist. Diese verschiedenen Lösungen sind paarweise inäquivalent bezüglichder Operation von Aut(Q).Des weiteren genügt es positive Zahlen n ∈ N zu betrachten, denn für n = 0 gilt

R(n,Q) = R(−n,−Q)

und mit einem vollständigen Repräsentantensystem {Q1, . . . , Qh(D)} zu fester Diskrimi-nante D = 0 ist auch {−Q1, . . . ,−Qh(D)} ein solches, d.h.

RD(n) =

h(D)∑i=1

R(n,Qi) =

h(D)∑i=1

R(−n,−Qi) =

h(D)∑i=1

R(−n,Qi) = RD(−n).

Der Beweis einer einfachen Formel für RD(n) im Fall, dass D eine Grundzahl und n > 0ist, macht Gebrauch von gruppentheoretischen Argumenten, deshalb

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5.3 Darstellungsanzahlen 91

Definition 5.3.4. Eine Gruppe (G, ∗) operiert von rechts auf einer Menge X, falls eseine Abbildung

X ×G→ X, (x, g) 7→ x ◦ g

gibt, wobei mit dem neutralen Element e von G die Verknüpfung ◦

(i) x ◦ e = x ∀ x ∈ X,

(ii) (x ◦ g1) ◦ g2 = x ◦ (g1 ∗ g2) ∀ x ∈ X, g1, g2 ∈ G

erfüllt.

Zahlentheoretisch wurden bereits einige Beispiele hierfür verwendet.

Beispiel 5.3.5. Sei G = (SL2(Z), ·).

(a) Sei X die Menge der primitiven ganzzahligen binären quadratischen Formen zufester Diskriminante D = 0 (positiv definit, falls D < 0 < a, negativ definit, fallsD, a < 0) mit zugehöriger Darstellungsmatrix A. Dann operiert G auf X vermöge

(Q,U) 7→ Q ◦ U := Q′ mit Q′(x, y) = Q

(U

(xy

))bzw. mittels A über

(A,U) 7→ A ◦ U := A[U ].

Die Wohldefiniertheit der Operation wurde bereits in Abschnitt 5.1 gezeigt.

(b) Sei Y = {(x, y) ∈ Z2 | ggT(x, y) = 1}. Dann operiert G auf Y durch((xy

), U

)7→(xy

)◦ U := U−1

(xy

)∈ Y.

Operiert eine Gruppe G auf einer Menge X, so definiert

x ∼ y :⇔ ∃ g ∈ G mit y = x ◦ g

eine Äquivalenzrelation auf X. Mit X/G werde die Menge der Äquivalenzklassen bezüglich∼ bezeichnet. Dann zerfällt X in disjunkte Äquivalenzklassen

X =•∪

i∈I

xiG mit xiG = {xi ◦ g | g ∈ G},

wobei die Indexmenge I mit {xi}i∈I = X/G ein Vertretersystem der Äquivalenzklassendurchläuft.

Beispiel 5.3.6. Seien die Notationen wie im vorherigen Beispiel 5.3.5.

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92 Ganzzahlige binäre quadratische Formen

(a) X/G bildet die Menge der Äquivalenzklassen der primitiven ganzzahligen binärenquadratischen Formen zu fester Diskriminante D = 0 wie oben definiert.

(b) Im Fall von Beispiel 5.3.5 (b) stellt sich heraus, dass jedes primitive Element von Yunter der Operation von G = SL2(Z) zu (1, 0) äquivalent ist:Für (x, y) ∈ Y gibt es β, δ ∈ Z mit xβ − yδ = 1, d.h. es gibt

U =

(x βy δ

)∈ SL2(Z) mit U

(10

)=

(xy

)und Y /G besteht aus genau der Äquivalenzklasse von (1, 0).

Als nächstes benötigt man den Begriff der Isotropie- oder Stabilisatorgruppe:

Definition 5.3.7. Sei (G, ∗) eine Gruppe, die von rechts auf einer Menge X operiere undx ∈ X. Dann heißt

Gx := {g ∈ G | x ◦ g = x} ⊂ G

die Stabilisator(unter)gruppe von x in G.

Es ist offensichtlich e ∈ Gx = ∅ und für g1, g2 ∈ Gx ist

x ◦ (g1g−12 ) = (x ◦ g1) ◦ g−1

2 = x ◦ g−12 = (x ◦ g2) ◦ g−1

2 = x ◦ (g2g−12 ) = x.

Damit ist Gx tatsächlich eine Untergruppe von G.

Mit dieser Notation lassen sich folgende zahlentheoretische Beispiele anführen:

Beispiel 5.3.8. Mit denselben Bezeichnungen wie in den vorherigen Beispielen gilt:

(a) Für eine quadratische Form Q ∈ X mit Darstellungsmatrix A bezeichnet

GA := GQ = Aut(Q)

die Stabilisatoruntergruppe von Q in G = SL2(Z).

(b) Man erhält die Isotropiegruppe

G(10)=

{(1 k0 1

) ∣∣∣∣ k ∈ Z}

⊂ G,

denn hierfür muss U−1(1, 0)T = (1, 0)T gelten mit U ∈ SL2(Z). Sei also

U =

(α βγ δ

), dann ist U−1 =

(δ −β−γ α

).

Das heißt mit αδ − βγ = 1(δ −β−γ α

)(10

)=

(10

)⇔ δ = 1, γ = 0, α = 1.

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5.3 Darstellungsanzahlen 93

Lemma 5.3.9. Sei G eine Gruppe, die auf den Mengen X und Y von rechts operiere.Sei S ⊂ X × Y eine Teilmenge, die unter der Diagonaloperation invariant bleibt, d.h.

(x, y) ◦ g := (x ◦ g, y ◦ g) ∈ S ∀ g ∈ G, (x, y) ∈ S.

Definiere für y ∈ Y die Teilmenge

Xy := {x ∈ X | (x, y) ∈ S} ⊂ X

und für festes x ∈ X die Menge

Yx := {y ∈ Y | (x, y) ∈ S} ⊂ Y.

Dann gilt

(i) Gx operiert auf Yx von rechts gemäß (y, g) 7→ y ◦ g und Gy operiert auf Xy entspre-chend durch (x, g) 7→ x ◦ g.

(ii)|S/G| =

∑x∈X/G

|Yx/Gx| =∑

y∈Y /G

|Xy/Gy|.

Beweis. (i) Sei y ∈ Yx, d.h. (x, y) ∈ S, und g ∈ Gx. Dann ist y ◦ g ∈ Yx oder äquivalent(x, y ◦ g) ∈ S zu zeigen. Nun ist

(x, y ◦ g) = (x ◦ (g−1g), y ◦ g) = ((x ◦ g−1) ◦ g, y ◦ g).

Wegen g, g−1 ∈ Gx folgt schließlich mit (x, y) ∈ S auch

(x, y ◦ g) = (x ◦ g−1, y) ◦ g = (x, y) ◦ g ∈ S.

Das heißt die Operation ist wohldefiniert, denn Gx ⊂ G ist eine Untergruppe undYx ⊂ X. Analog zeigt man die Wohldefiniertheit der Operation von Gy auf Xy.

(ii) Es genügt wiederum die erste Gleichheit zu zeigen. Zunächst ist die Summe wohl-definiert, denn seien x, x′ ∈ X mit x ∼ x′, so gibt es ein g ∈ G mit x′ = x ◦ g. Danngilt

Gx′ = g−1Gxg bzw. Gx = gGx′g−1 und Yx′ = Yx ◦ g.

Mit gruppentheoretischen Mitteln kann man zeigen, dass Yx → Yx′ , y 7→ y ◦ g einenIsomorphismus der Quotienten Yx/Gx ≃ Yx′/Gx′ induziert, d.h. dass die Summenwohldefiniert sind.Wähle ein Vertretersystem {xi}i∈I von X/G und sei (x, y) ∈ S. Wegen

X =•∪

i∈I

xiG mit xiG = {xi ◦ g | g ∈ G}

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94 Ganzzahlige binäre quadratische Formen

gibt es ein i ∈ I und ein g ∈ G mit x ◦ g = xi, d.h. es gibt ein y′ = y ◦ g ∈ Yxi, denn

(xi, y′) = (x, y) ◦ g ∈ S.

Nun sind Elemente (xi, y1), (xj, y2) ∈ S für i = j ∈ I nicht äquivalent unter der Ope-ration von G, da die Zerlegung von X durch G mittels Äquivalenzklassen disjunktist. Das heißt zwei unter G äquivalente Elemente (xi, y1), (xi, y2) erfüllen y1, y2 ∈ Yxi

und es gibt ein g ∈ G mit

(xi ◦ g, y1 ◦ g) = (xi, y1) ◦ g = (xi, y2).

Folglich muss g ∈ Gxiein Stabilisator sein und y1 ∼ y2 unter der Operation von

Gxi.

Im zahlentheoretischen Kontext lassen sich X,Y,G wie bereits in den vorherigen Beispie-len wählen und man setzt für festes n > 0 und D = 0

S :=

{(Q,

(xy

)) ∣∣∣∣ Q(x, y) = n

}⊂ X × Y.

Dann istYA := YQ =

{(xy

)∈ Y

∣∣∣∣ Q(x, y) = n

}und

X(xy)= {Q ∈ X | Q(x, y) = n} .

Dieser Zusammenhang liefert folgendes

Korollar 5.3.10. Mit den eben eingeführten Bezeichnungen gilt nach obigem Lemma

|S/G| =∑

A∈X/G

|YA/GA| =h(D)∑i=1

R∗(n,Qi) = R∗D(n)

und unter Verwendung der zweiten Identität in Lemma 5.3.9 (ii) ebenso

|S/G| =∣∣∣X(10)

/G(10)

∣∣∣ = ∣∣{b (mod 2n) | b2 ≡ D (4n)}∣∣ .

Beweis. Man beachte Beispiel 5.3.6 und 5.3.8 und für die zweite Identität benutze man,dass X(10)

die Menge der primitiven ganzzahligen binären quadratischen Formen zu festerDiskriminante D = 0 wie in den Beispielen ist mit Q(1, 0) = n, d.h. D = b2−4nc ≡ b2 (4n)und

Q(x, y) = nx2 + bxy +b2 −D

4ny2.

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5.3 Darstellungsanzahlen 95

Die Isotropiegruppe G(10) operiert auf dieser Menge nach eben gezeigtem Lemma durch

(Q,

(1 k0 1

))7→ Q′ mit Q′(x, y) = Q(x+ ky, y) ∀ x, y ∈ Z.

Zwei Formen Q und Q′ aus X(10)sind dabei äquivalent, falls es ein k ∈ Z gibt mit

Q′(x, y) = Q(x+ ky, y)

= nx2 + (b+ 2nk)xy +

(nk2 + bk +

b2 −D

4n

)y2

= nx2 + (b+ 2nk)xy +(b+ 2nk)2 −D

4ny2

für alle x, y ∈ Z. Das heißt im Vergleich zu Q wird b nur durch b + 2nk ersetzt und derKoeffizient n vor x2 bleibt erhalten. Dies impliziert die Anzahl der Äquivalenzklassen.

Mit dieser Vorarbeit lässt sich nun folgendes Theorem beweisen.

Theorem 5.3.11. Sei D = 0 eine Grundzahl, n ∈ Z = 0. Dann gilt

(5.6) RD(n) =∑d|nd>0

χD(d).

Insbesondere folgt hieraus die Endlichkeit von RD(n) sowie R(n,Q).

Beweis. Wie bereits vor Definition 5.3.4 gezeigt wurde, gilt RD(−n) = RD(n), sodass imFolgenden n ∈ N angenommen wird. Korollar 5.3.10 liefert

R∗D(n) =

∣∣{b (mod 2n) | b2 ≡ D (4n)}∣∣ .

Nach dem chinesischen Restsatz ist dann R∗D als Funktion in n multiplikativ, da für

(n1, n2) = 1 gilt kgV(2n1, 2n2) = 2n1n2. Dies überträgt sich auf RD gemäß

RD(n1n2) =∑

d2|(n1n2),d>0

R∗D

(n1n2

d2

)=

∑g|(n1n2),

g>0

R∗D

(n1n2

g2

)α(g),

wobei die multiplikative Funktion α : N → {0, 1} durch

α(g) =

{1 falls g ein Quadrat ist,0 sonst

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96 Ganzzahlige binäre quadratische Formen

definiert ist. Damit erhält man

RD(n1n2) =∑

g|(n1n2),g>0

R∗D

(n1n2

g2

)α(g)

=∑

g1|n1,g1>0,g2|n2,g2>0

R∗D

(n1

g21

n2

g22

)α(g1g2)

=∑

g1|n1,g1>0,g2|n2,g2>0

R∗D

(n1

g21

)R∗

D

(n2

g22

)α(g1)α(g2)

= RD(n1) ·RD(n2).

Ebenso ist die rechte Seite von (5.6) als summatorische Funktion der streng multiplikati-ven Funktion χD multiplikativ. Es genügt also die Gleichung (5.6) für Primzahlpotenzenzu beweisen. Das heißt sei n = pα für p prim, α ∈ N. Für x ∈ Q bezeichne [x] wieder diegrößte ganze Zahl kleiner oder gleich x. Wegen

RD(pα) =

∑d2|pα,d>0

R∗D

(pα

d2

)=

[α/2]∑t=0

R∗D(p

α−2t)

betrachte man zunächst R∗D(p

β), β ∈ N.

p > 2. Mit dem chinesischen Restsatz 3.3.1 folgt

R∗D(p

β) =∣∣{b (mod 2pβ) | b2 ≡ D (4pβ)}

∣∣=∣∣{b (mod 2) | b2 ≡ D (4)}

∣∣ · ∣∣{b (mod pβ) | b2 ≡ D (pβ)}∣∣

=∣∣{b (mod pβ) | b2 ≡ D (pβ)}

∣∣ ,d.h. mit nachfolgender Argumentation

R∗D(p

β) =

2 falls p ∤ D und(

Dp

)= 1,

0 falls p ∤ D und(

Dp

)= −1,

1 falls p | D und β = 1,

0 falls p | D und β ≥ 2.

Denn für p > 2 lässt sich mittels Satz 3.3.5 eindeutig von einer Lösung modulo pvon X2 −D ≡ 0 nach modulo p2, . . . , pβ liften. Das heißt ist D quadratischer Restmodulo p, so gibt es genau zwei modulo p inkongruente Lösungen ±b wegen p > 2,die direkt zwei Lösungen modulo pβ erzeugen.Ist D kein quadratischer Rest modulo p, so gibt es keine Lösung modulo p und

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5.3 Darstellungsanzahlen 97

folglich auch nicht modulo pβ.Im Fall p | D und β = 1 folgt aus X2 ≡ D (p) die eindeutige Lösung b ≡ 0 (p).Für p | D und β > 1 folgt aus b2 ≡ D (pβ) auch b2 ≡ D (p2), sodass p auch b2

und damit b teilt. Dies führt zum Widerspruch der Definition einer Grundzahl, dennp2 | D mit p > 2.

Der Zusammenhang zu RD(pα) liefert:

• Ist D quadratischer Rest modulo p, so folgt

RD(pα) =

[α/2]∑t=0

R∗D(p

α−2t) =

[α/2]−1∑t=0

2 +R∗D(p

α−2[α/2]) = α + 1.

Andererseits ist∑d|pα,d>0

χD(d) =α∑

t=0

χD(pt) =

α∑t=0

χD(p)t =

α∑t=0

1 = α+ 1.

• Ist D kein quadratischer Rest modulo p, so zeigt sich

RD(pα) =

[α/2]−1∑t=0

0 +R∗D(p

α−2[α/2]) =

{1 falls α ≡ 0 (2),

0 falls α ≡ 1 (2).

Analog ist

∑d|pα,d>0

χD(d) =α∑

t=0

(−1)t =

{1 falls α ≡ 0 (2),

0 falls α ≡ 1 (2).

• Ist p ein Teiler von D, so gilt

RD(pα) = R∗

D(pα−2[α/2]) = 1 = 1 +

α∑t=1

χD(p)t =

∑d|pα,d>0

χD(d).

p = 2. Es gilt für β ∈ N

R∗D(2

β) =∣∣{b (mod 2β+1) | b2 ≡ D (2β+2)}

∣∣Ist D ungerade, also D ≡ 1, 5 (8), so liefert Satz 3.3.8, dass im Fall D ≡ 5 (8) dieKongruenz b2 ≡ D (2β+2) für β ∈ N nicht lösbar ist. Hierfür erhält man

RD(2α) =

{1 falls α ≡ 0 (2),

0 falls α ≡ 1 (2).

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98 Ganzzahlige binäre quadratische Formen

Im Fall D ≡ 1 (8) gibt es genau zwei inkongruente Lösungen ±b, sodass sichRD(2

α) = α+ 1 ergibt.Ist D ≡ 0 (4), so hat die Kongruenz b2 ≡ D (2β+2) nur für β = 1 genau eine Lösung,für β = 2 keine und damit auch für β > 2 keine.Dies stimmt mit den Werten der summatorischen Funktion von χD überein:

∑d|2α,d>0

χD(d) =α∑

t=0

χD(2)t =

1 falls D ≡ 0 (4),

α + 1 falls D ≡ 1 (8),∑αt=0(−1)t falls D ≡ 5 (8).

Beispiel 5.3.12. Sei n = p > 2 prim, dann ist

RD(p) =∑d|p,d>0

χD(d) = 1 +

(D

p

).

Das heißt ist D quadratischer Rest modulo p, so ist die Gesamtdarstellungszahl 2, imanderen Fall 1 oder 0 je nachdem, ob p ein Teiler der Grundzahl ist oder nicht.

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6 Approximation reeller Zahlen durchrationale Zahlen

Aus den Grundvorlesungen ist bereits bekannt, dass zwischen zwei reellen Zahlen stetsrationale Zahlen liegen. Dies lässt sich beispielsweise mit dem Archimedischen Prinzipbeweisen. In diesem Kapitel wollen wir diese Approximationseigenschaft genauer untersu-chen, insbesondere für algebraische Zahlen über Q, um schließlich sogar die Transzendenzder Eulerschen Zahl e zu folgern.

6.1 Der Dirichletsche ApproximationssatzAufgrund der Dichtheit der rationalen Zahlen in R lässt sich jedes θ ∈ R beliebig genaudurch Brüche (zum Beispiel durch Dezimalentwicklung) approximieren.Hierbei können jedoch die Nenner der gekürzten approximierenden rationalen Zahlen sehrgroß sein. Etwa für

θ := π − 3 ≈ 0.141592653

hat man mit der Dezimalbruchentwicklung

1

10,14

100=

7

50,141

1000,1415

10000=

283

2000,14159

100000, . . .

als approximierende Brüche. Beispielsweise gibt es aber auch Brüche, deren Nenner relativklein sind und trotzdem als Approximation in Frage kommen:∣∣∣∣17 − θ

∣∣∣∣ < 2

100im Vergleich zu

∣∣∣∣ 750 − θ

∣∣∣∣ < 2

100.

Soll also die rationale Approximation einen kleinen Nenner b ∈ N besitzen, so ergibt sich∣∣∣θ − a

b

∣∣∣ < ε ⇔ |bθ − a| < εb.

Satz 6.1.1. (Satz von Dirichlet)Seien θ ∈ R, n ∈ N. Dann gibt es a ∈ Z, b ∈ N mit b ≤ n, ggT(a, b) = 1 und

|bθ − a| < 1

n.

99

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100 Approximation reeller Zahlen durch rationale Zahlen

Beweis. Für x ∈ R schreibt man x = [x] + {x} mit der bekannten Gauß-Klammer[x] ∈ Z und dem Residuum {x} := x− [x] ∈ [0, 1).Insbesondere liegen die n + 1 Zahlen {kθ} für k = 0, . . . , n im Intervall [0, 1). Unterteiltman

[0, 1) =n−1∪k=0

[k

n,k + 1

n

)in n gleich große Teilintervalle, so folgt mit dem Dirichletschen Schubfachprinzip, dasses zwei Zahlen {kθ}, {lθ} für 0 ≤ k < l ≤ n gibt, die im selben Teilintervall liegen, d.h.

|{kθ} − {lθ}| < 1

n.

Per Definition ergibt sich daher

(l − k)θ = [lθ] + {lθ} − ([kθ] + {kθ}) = [lθ]− [kθ] + {lθ} − {kθ}

und setzt man 0 < B := l − k ≤ n sowie A := [lθ]− k[θ] ∈ Z, so liefert die Ungleichung

|Bθ − A| < 1

n.

Division mit ggT(A,B) ≥ 1 liefert dann die Aussage.

Hieraus erhält man direkt eine einfache Folgerung, nämlich

Korollar 6.1.2. Sei θ ∈ R. Dann gibt es a ∈ Z, b ∈ N mit ggT(a, b) = 1 und∣∣∣θ − a

b

∣∣∣ < 1

b2.

Beweis. Nach obigem Satz gibt es zu jedem n ∈ N ein 1 ≤ b ≤ n mit∣∣∣θ − a

b

∣∣∣ < 1

nb≤ 1

b2.

Man macht sich mit Satz 2.1.14 leicht klar, dass für rationale Zahlen q ∈ Q die vollständiggekürzte Darstellung

q =a

bmit a ∈ Z, b ∈ N

eindeutig ist. Für θ ∈ R definiere man die nach Korollar 6.1.2 nicht leere Menge

S(θ) :={(a, b) ∈ Z× N | ggT(a, b) = 1,

∣∣θ − ab

∣∣ < 1b2

}und erhält

Satz 6.1.3. Für θ ∈ R gelten folgende Aussagen.

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6.1 Der Dirichletsche Approximationssatz 101

(i) Ist θ ∈ R \Q, so besitzt S(θ) unendlich viele Elemente.

(ii) Ist S(θ) unendlich, so gibt es für jedes M ∈ N ein Paar (a, b) ∈ S(θ) mit b > M .

(iii) Ist θ ∈ Q, so ist |S(θ)| <∞.Beweis. (i) Sei θ irrational. Angenommen, S(θ) ist endlich, dann existierte

α := min(a,b)∈S(θ)

∣∣∣θ − a

b

∣∣∣ > 0.

Wählt man n ∈ N mit αn > 1, so ergibt Satz 6.1.1 ein Paar (a0, b0) ∈ Z × N mitb0 ≤ n und ggT(a0, b0) = 1, sodass gilt

|b0θ − a0| <1

n.

Mit derselben Abschätzung wie im Beweis zu Korollar 6.1.2 folgt (a0, b0) ∈ S(θ)sowie mit der Wahl von n ∣∣∣∣θ − a0

b0

∣∣∣∣ < 1

b0n≤ 1

n< α

ein Widerspruch zur Wahl von α.

(ii) Sei |S(θ)| = ∞ und angenommen, es gäbe ein M ∈ N, sodass für alle (a, b) ∈ S(θ)gilt b ≤M . Dann gibt es zunächst nur endlich viele Möglichkeiten für die Wahl vonb ∈ N. Andererseits ist die Wahl von a ∈ Z durch

|a| ≤ |bθ − a|+ |bθ| < 1

b+ b|θ| ≤ 1 +M |θ| <∞

eingeschränkt und S(θ) wäre endlich im Widerspruch zur Annahme.

(iii) Ist θ rational, so lässt sich θ eindeutig als vollständig gekürzten Bruch θ = a0b0

mitggT(a0, b0) = 1 und b0 ∈ N darstellen. Wäre S(θ) unendlich, so gäbe es nach (ii) einPaar (a, b) ∈ S(θ) mit b > b0 und folglich

0 <

∣∣∣∣a0b0 − a

b

∣∣∣∣ = ∣∣∣θ − a

b

∣∣∣ < 1

b2.

Multiplikation mit dem Hauptnenner liefert schließlich den Widerspruch

0 < |a0b− ab0| <b0b< 1.

Dieser Satz zeigt mit (i) und (ii), dass θ ∈ R irrational ist genau dann wenn es unendlichviele Approximationen in S(θ) gibt. Hurwitz konnte sogar beweisen, dass es für Elementevon S(θ) eine optimale Schranke ∣∣∣θ − a

b

∣∣∣ < 1√5

1

b2

gibt. Den Satz von Dirichlet verallgemeinerte Kronecker wie folgt.

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102 Approximation reeller Zahlen durch rationale Zahlen

6.2 Der Kroneckersche ApproximationssatzBetrachtet man die Linearform Lθ : Z2 → R mit Lθ(x, y) = θx + y für ein θ ∈ R, sonimmt diese gemäß Satz 6.1.1 Werte beliebig nahe der Null an. Für θ ∈ Q liegt die Nullim Bildbereich.Allgemeiner werden wir nun untersuchen, ob die Linearform Werte beliebig nahe vorgege-bener reeller Zahlen annimmt. Für θ ∈ Q ist dies offensichtlich nicht der Fall für beliebigereelle Zahlen. Denn für θ = a

blässt sich eine Zahl α ∈ R \Q höchstens auf ±1

bannähern,

denn|Lθ(x, y)− α| =

∣∣∣abx+ y − [α]− {α}

∣∣∣ ≥ mink=0,...,b

∣∣∣∣{α} − k

b

∣∣∣∣ .Im anderen Fall gilt jedoch

Lemma 6.2.1. Sei θ irrational, dann liegt A :=∪

n∈N{{nθ}} dicht in Einheitsintervall[0, 1] ⊂ R, d.h. zu jedem α ∈ [0, 1] und ε > 0 gibt es ein m ∈ N mit

|{mθ} − α| < ε.

Beweis. Zu θ ∈ R \Q und 0 < ε < 1 gibt es nach Satz 6.1.1 teilerfremde Zahlen a, b mit|bθ− a| < ε. Die Irrationalität von θ impliziert dabei die Positivität des Betrags. Sei alsoohne Einschränkung bθ − a > 0, dann ist

0 < [bθ]− a+ {bθ} < ε.

Wegen ε < 1 (ε < 1 ist dabei keine Einschränkung, da die Differenz |{mθ} − α| stetskleiner Eins ist.) ist a = [bθ] und {bθ} ∈ (0, ε). Zu letzterer Zahl gibt es folglich ein n ∈ Nmit

1

n+ 1≤ {bθ} < 1

n.

Infolge dessen gilt0 < {bθ} < 2{bθ} < · · · < n{bθ} < 1

und man hat eine Intervallunterteilung

[0, 1] =n−1∪k=0

[k{bθ}, (k + 1){bθ}) ∪ [n{bθ}, 1].

Hierbei haben die ersten n Teilintervalle alle die Breite {bθ} < ε. Für das rechte Intervallfolgt aber ebenso

1− n{bθ} ≤ 1− n

n+ 1=

1

n+ 1≤ {bθ} < ε

nach der Wahl von n. Nun liegt α ∈ [0, 1] in genau einem dieser Teilintervalle und mankann m = kb ∈ N für das maximale k mit k{bθ} ≤ α wählen.

Dieser Hilfssatz impliziert nun direkt den folgenden Spezialfall des KroneckerschenTheorems.

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6.2 Der Kroneckersche Approximationssatz 103

Satz 6.2.2. Seien θ irrational, α ∈ R und ε > 0 gegeben. Dann gibt es (a, b) ∈ Z×N mit

|Lθ(b, a)− α| = |(bθ + a)− α| < ε.

Beweis. Wegen {α} ∈ [0, 1) lässt sich hierauf Lemma 6.2.1 anwenden und man erhält

|mθ − [mθ]− (α− [α])| = |{mθ} − {α}| < ε.

Wählt man b = m und a = [α]− [mθ], so folgt die Behauptung.

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104 Approximation reeller Zahlen durch rationale Zahlen

6.3 Der Liouvillesche ApproximationssatzUm im nächsten Abschnitt die Transzendenz der Eulerschen Zahl herzuleiten, studiertman zunächst algebraische Zahlen.

Definition 6.3.1. Sei θ ∈ C. Dann heißt θ algebraische Zahl, falls die KörpererweiterungQ(θ)/Q endlich ist. Andernfalls heißt θ transzendente Zahl.

In Algebra zeigt man, dass es für algebraische Zahlen äquivalent zur obigen Definition eineindeutig bestimmtes, normiertes und irreduzibles Polynom f ∈ Q[X] \ {0} minimalenGrades gibt, das sogenannte Minimalpolynom, mit deg(f) = [Q(θ) : Q] <∞ und f(θ) = 0.θ heißt dann auch algebraisch vom Grad deg(f) ∈ N (über Q).Hierbei ist ein nicht konstantes Polynom f ∈ Q[X] irreduzibel, falls es keine Darstellungder Form

f(X) = g(X) · h(X) mit g, h ∈ Q[X], 1 ≤ deg(g), deg(h) < deg(f)

gibt. Andernfalls heißt f reduzibel.

Beispiel 6.3.2. (a) θ =√2 besitzt das Minimalpolynom f(X) = X2 − 2 ∈ Q[X],

denn f(θ) = 0 und f ist normiert. Angenommen, das Minimalpolynom hätte einenkleineren Grad, so müsste

√2 ∈ Q folgen – ein Widerspruch.

(b) θ = i ist eine algebraische Zahl mit Minimalpolynom g(X) = X2 + 1 nach analogerSchlussweise wie in (a).

(c) θ = 3√5 besitzt das Minimalpolynom h(X) = X3−5, denn wäre h reduzibel, so müss-

te das Polynom in einen Linearfaktor und ein Quadrat zerfallen, im Widerspruchzu den Nullstellen θe2πi/3 /∈ Q von h.

In den Vorlesungen zur Algebra wurden Irreduzibilitätskriterien hergeleitet, insbesonderefür den Quotientenkörper Q der ganzen Zahlen Z. Der Satz von Gauß liefert dabei, dassjedes irreduzible f ∈ Q[X] \ {0} mit einer Einheit c ∈ Q× = Q \ {0} multipliziert werdenkann, um ein in Z[X] irreduzibles Polynom f zu erhalten. Umgekehrt folgt ebenso ausder Irreduzibilität eines normierten Polynoms f in Z[X] die von f im QuotientenkörperQ[X].

Lemma 6.3.3. Sei f ∈ Q[X] irreduzibel vom Grad n ∈ N, n ≥ 2. Dann hat f keineNullstelle in Q.

Beweis. Angenommen es gibt ein r ∈ Q mit f(r) = 0, dann folgt

f(X) :=n∑

k=0

akXk = f(X)− f(r) =

n∑k=1

ak(Xk − rk) = (X − r)g(X)

für ein g ∈ Q[X]. Wegen deg(X − r) = 1 < n und deg(g) = n − 1 < n wäre daher freduzibel, im Widerspruch zur Annahme.

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6.3 Der Liouvillesche Approximationssatz 105

Nachfolgender Satz gibt eine untere Schranke für die Approximation irrationaler Zahlenwie in Beispiel 6.3.2.

Satz 6.3.4. (Liouville)Sei θ ∈ R algebraisch über Q vom Grad n ≥ 2. Dann gibt es eine Konstante C = C(θ) > 0,sodass für alle (a, b) ∈ Z× N gilt: ∣∣∣θ − a

b

∣∣∣ > C

bn.

Beweis. Aufgrund der Voraussetzung gibt es ein irreduzibles f ∈ Q[X] mit deg(f) = nund f(θ) = 0. Nach Lemma 6.3.3 ist für alle Paare (a, b) ∈ Z× N auch f(a

b) = 0. Multi-

pliziert man mit dem Hauptnenner aller Koeffizienten, so lässt sich ohne Einschränkungf ∈ Z[X] wählen. Nach dem Mittelwertsatz folgt daher

f(ab) = f(a

b)− f(θ) = f ′(ξ)(a

b− θ)

für eine Zahl ξ zwischen ab

und θ. Sei

f(X) :=n∑

k=0

akXk mit ak ∈ Z,

so gilt für ein N ∈ Z \ {0}

0 = f(ab) =

n∑k=0

ak

(ab

)k=

1

bn

n∑k=0

akakbn−k =:

N

bn.

Kombiniert erhält man1

bn≤ |f(a

b)| = |f ′(ξ)|

∣∣∣θ − a

b

∣∣∣ .Im ersten Fall ergibt sich direkt mit b ∈ N∣∣∣θ − a

b

∣∣∣ > 1 ⇒∣∣∣θ − a

b

∣∣∣ > 1

bn.

Im anderen Fall folgt, da ξ zwischen ab

und θ liegt,∣∣∣θ − a

b

∣∣∣ ≤ 1 ⇒ |θ − ξ| ≤ 1.

Um die Ableitung abschätzen zu können, ist zunächst ξ gleichmäßig beschränkt durch|ξ| ≤ |θ − ξ|+ |θ| ≤ |θ|+ 1. Daher ist

|f ′(ξ)| ≤ max[0,|θ|+1]

|f ′| =: A(θ) <∞.

Da n ≥ 2 ist, muss A(θ) > 0 gelten und folglich hat man

1

bn≤ A(θ)

∣∣∣θ − a

b

∣∣∣ < (A(θ) + 1)∣∣∣θ − a

b

∣∣∣ ,

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106 Approximation reeller Zahlen durch rationale Zahlen

sodass sich für beide Fälle∣∣∣θ − a

b

∣∣∣ ≥ 1

bnmin(1, (A(θ) + 1)−1) =

1

A(θ) + 1

1

bn

ergibt.

Aufgrund der Abzählbarkeit der Nullstellen von Polynomen in Q[X] gibt es nur abzählbarviele algebraische Zahlen. Da C bzw. R überabzählbar ist, gibt es folglich überabzählbarviele transzendente Zahlen.Obiger Satz kann dazu benutzt werden, um die Transzendenz gewisser gut approximier-barer irrationaler Zahlen zu zeigen.

Definition 6.3.5. Eine Zahl θ ∈ R heißt Liouvillesche Zahl, falls es zu jedem r ∈ Nein Paar (ar, br) ∈ Z× N mit br > 1 gibt und

0 <

∣∣∣∣θ − arbr

∣∣∣∣ < 1

brr.

Satz 6.3.6. Eine Liouvillesche Zahl θ ∈ R ist transzendent.

Beweis. Zunächst ist θ irrational, denn wäre θ ∈ Q, so folgte mit er := ggT(ar, br) fürAr = ar/er und Br = br/er∣∣∣∣θ − Ar

Br

∣∣∣∣ = ∣∣∣∣θ − arbr

∣∣∣∣ < 1

brr=

1

(Brer)r≤ 1

B2r

für r ≥ 2. Wegen ggT(Ar, Br) = 1 folgt (Ar, Br) ∈ S(θ) für jedes r ≥ 2. Da S(θ) nach Satz6.1.3 endlich ist, gibt es unendlich viele Indizes rk ≥ 2, k ∈ N, mit rk → ∞ für k → ∞und (Ark , Brk) = (Ar, Br) für ein festes r ≥ 2. Daher folgt ein Widerspruch gemäß

0 <

∣∣∣∣θ − arbr

∣∣∣∣ = ∣∣∣∣θ − Ar

Br

∣∣∣∣ = ∣∣∣∣θ − Ark

Brk

∣∣∣∣ = ∣∣∣∣θ − arkbrk

∣∣∣∣ < 1

brkrk≤ 1

2rk→ 0 (k → ∞).

Mithilfe von Satz 6.3.4 schließt man aus, dass θ algebraisch ist, denn wegen θ ∈ R \ Qgenügt es hierfür den Fall n ≥ 2 zum Widerspruch führen:

C

bnr<

∣∣∣∣θ − arbr

∣∣∣∣ < 1

brr⇒ 0 < C <

1

br−nr

≤ 1

2r−n→ 0 (r → ∞).

Wie Liouville 1844 zeigte, ist die folgende Liouvillesche Konstante transzendent, dasie Liouvillesch ist. Dies war einer der ersten Beweise der Transzendenz einer reellenZahl.

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6.3 Der Liouvillesche Approximationssatz 107

Beispiel 6.3.7. Seien

θ :=∑m∈N

1

10m!und br := 10r!, ar := 10r!

r∑m=1

1

10m!

für r ∈ N, dann ist θ transzendent nach obigem Satz.In der Tat, ar, br ∈ N und br > 1 für alle r ∈ N und es gilt

0 < θ − arbr

=∞∑

m=r+1

1

10m!≤ 1

10(r+1)!

∑m∈N0

1

10m=

1

10(r+1)!

10

9<

10

br+1r

=1

brr

1

10r!−1≤ 1

brr

nach der geometrischen Summenformel für alle natürlichen r.

Mit einigem Aufwand unter Verwendung der expliziten Darstellung des Kettenbruchsder Eulerschen Zahl e lässt sich beweisen, dass e keine Liouvillesche Zahl ist. Daherbenötigt man einen gesonderten Beweis für die Transzendenz.

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108 Approximation reeller Zahlen durch rationale Zahlen

6.4 Die Transzendenz der Eulerschen ZahlZunächst zeigt man leicht, dass die Eulersche Zahl

e :=∞∑

m=0

1

m!

mit 2 < e < 3 irrational ist.

Lemma 6.4.1. Die Eulersche Zahl e ist eine irrationale Zahl.

Beweis. Angenommen e wäre rational, dann gäbe es p, q ∈ N mit ggT(p, q) = 1 und q > 1.Multipliziert man e mit q!, so folgt

q!e =

q∑m=0

q!

m!+

∞∑m=q+1

q!

m!,

wobei die linke Seite und der erste Term der rechten Seite offensichtlich natürliche Zahlensind. Für den zweiten Term der rechten Seite gilt aber nach der geometrischen Summen-formel

0 <∞∑

m=q+1

q!

m!=

∞∑m=1

q!

(q +m)!≤

∞∑m=1

1

3m=

1

1− 13

− 1 =1

2,

denn für alle m ∈ N gilt mit q ≥ 2

(q +m)!

q!=

m∏k=1

(q + k) ≥m∏k=1

(2 + k) ≥ 3m.

Damit hat man den Widerspruch im Vergleich beider Seiten von q!e.

Bevor wir die von Hermite im Jahre 1873 bewiesene Transzendenz von e zeigen, inAnalogie zur Taylor-Entwicklung ein Lemma über Polynome, das wir im Folgendenbenötigen.

Lemma 6.4.2. Für s ≥ 0 sei das reelle Polynom Φ ∈ R[X] gegeben durch

Φ(x) =s∑

r=0

crxr für x ∈ R.

Definiert man

εr(x) :=∞∑k=1

xkr!

(r + k)!und ψ(x) :=

s∑r=0

crεr(x)xr,

dann gilt

Φ(r)(0) = r!cr und exs∑

r=0

r!cr =s∑

r=0

Φ(r)(x) + ψ(x)

für die r-ten Ableitungen Φ(r) und εr(|x|) ≤ e|x| − 1 sowie ψ(0) = 0.

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6.4 Die Transzendenz der Eulerschen Zahl 109

Beweis. Zunächst ergibt die Differentiation der Monome für 0 ≤ k ≤ r

dk

dxkxr = r(r − 1) · . . . · (r − k + 1)xr−k =

r!

(r − k)!xr−k.

Damit folgt zunächst

Φ(k)(x) =s∑

r=k

crr!

(r − k)!xr−k

und die Summation der Ableitungen liefert danns∑

k=0

Φ(k)(x) =s∑

k=0

s∑r=k

crr!

(r − k)!xr−k =

s∑r=0

cr

r∑k=0

r!

(r − k)!xr−k =

s∑r=0

r!cr

r∑m=0

xm

m!

=s∑

r=0

r!cr

(ex −

∞∑k=r+1

xk

k!

).

Mit diesem Hilfssatz beweist man nun per Widerspruch die Transzendenz der EulerschenZahl.

Satz 6.4.3. Die Eulersche Zahl e ist eine transzendente Zahl.

Beweis. Angenommen e wäre algebraisch, dann existiert ein zugehöriges Minimalpolynomf ∈ Q[X] mit n := deg(f) ≥ 2, da e ∈ R \Q. Daher gibt es nach Multiplikation mit demHauptnenner ein irreduzibles f ∈ Z[X] mit

f(e) =n∑

t=0

atet = 0 mit a0 = 0.

Wir wählen p ∈ P mit p > max(|a0|, n) und setzen

Φp(x) :=xp−1

(p− 1)!

n∏k=1

(x− k)p =:s∑

r=0

crxr

mit cr ∈ Q für 0 ≤ r ≤ s = np + p− 1, wobei cr(p− 1)! =: br ∈ Z gilt und nach obigemLemma sogar

0 = Φ(r)p (0) = crr! für 0 ≤ r < p− 1.

Eine nochmalige Anwendung von Lemma 6.4.2 ergibt

0 = f(e)s∑

r=0

r!cr =n∑

t=0

atets∑

r=0

r!cr =n∑

t=0

at

(s∑

r=0

Φ(r)p (t) + ψ(t)

)= S1 + S2

mitS1 :=

n∑t=0

at

s∑r=0

Φ(r)p (t) und S2 :=

n∑t=0

atψ(t),

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110 Approximation reeller Zahlen durch rationale Zahlen

wobei ψ ebenso von p abhängt.Nun zeigt sich, dass S1 ∈ Z \ {0} gilt und S2 gegen Null strebt für große p ∈ P – einWiderspruch.

• Wegen at ∈ Z genügt es die innere Summe zu betrachten. Zunächst ist mit obigenBemerkungen über die Koeffizienten cr

s∑r=0

Φ(r)p (0) =

s∑r=0

crr! =s∑

r=p−1

crr! =s∑

r=p−1

brr!

(p− 1)!∈ Z.

Es lässt sich sogar modulo p reduzieren zus∑

r=0

Φ(r)p (0) ≡ bp−1 ≡ Φ(p−1)

p (0) ≡ ((−1)nn!)p (mod p),

denn nach der verallgemeinerten Produktregel gilt

Φ(r)p (x) =

1

(p− 1)!

∑r0,r1,...,rn,

r0+r1+···+rn=r

r!

r0!r1! · . . . · rn!dr0

dxr0 xp−1 ·

n∏k=1

drk

dxrk (x− k)p.

Für festes 1 ≤ t ≤ n in der Summe von S1 stimmt t mit einem der Werte k imProdukt von Φp überein und man erhält

Ψ(x) := Φp(x+ t) =(x+ t)p−1

(p− 1)!

n∏k=1

(x+ t− k)p =xp

(p− 1)!g(x) =:

s∑r=0

drxr

mit einem Polynom g ∈ Z[X] und Koeffizienten dr ∈ Q. Analog zu obigen Überle-gungen ist dr = 0 für 0 ≤ r < p und man erhält mit dr(p− 1)! =: er ∈ Z

s∑r=0

drr! =s∑

r=p

drr! =s∑

r=p

err!

(p− 1)!∈ Z.

Insbesondere ist dieser Ausdruck durch p teilbar. Schließlich ergibt sichs∑

r=0

Φ(r)p (t) =

s∑r=0

Ψ(r)(0) =s∑

r=0

drr! ≡ 0 (mod p),

d.h. S1 ∈ Z mit S1 ≡ a0((−1)nn!)p (p).Aufgrund der Wahl der Primzahl p > max(|a0|, n) und a0 = 0 folgt mit Theorem3.1.11 von Euler-Fermat

S1 ≡ a0(−1)nn! ≡ 0 (mod p)

und daher |S1| ≥ 1.

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6.4 Die Transzendenz der Eulerschen Zahl 111

• Andererseits lässt sich mit Lemma 6.4.2 ψ abschätzen in S2 zu

|ψ(t)| ≤s∑

r=0

|cr|εr(t)tr ≤ ets∑

r=0

|cr|tr.

Betrachtet man die Ableitungen Φ(r)p (0), so ergibt sich für die Funktion

Φ+(x) :=xp−1

(p− 1)!

n∏k=1

(x+ k)p

gerade |crr!| = |Φ(r)p (0)| ≤ Φ

(r)+ (0), d.h. nach Taylor

|ψ(t)| ≤ ets∑

r=0

|cr|tr ≤ ets∑

r=0

Φ(r)+ (0)

r!tr = etΦ+(t).

Für festes 0 ≤ t ≤ n wird das Verhalten von |ψ(t)| für p→ ∞ von

tnp+p−1

(p− 1)!≤ nnp+p−1

(p− 1)!=

(nn+1)p

n(p− 1)!

bestimmt. Letzterer Quotient strebt jedoch gegen Null für p→ ∞, da die Fakultätstärker steigt als jedes Polynom. Da die Koeffizienten at ∈ Z fest gewählt waren,folgt |S2| ≤ 1

2für hinreichend großes p ∈ P.

Mithilfe des nachstehenden sehr aufwendig zu beweisenden Theorems folgt leicht die Tran-szendenz der Zahl π und weiteren abzählbar vielen transzendenten Zahlen.

Theorem 6.4.4. (Hermite-von Lindemann)Sei α ∈ C \ {0} eine algebraische Zahl. Dann ist eα transzendent.

Beweis. Siehe [2].

Korollar 6.4.5. Die Kreiszahl π ist transzendent.

Beweis. Wäre π algebraisch und betrachtet man das Polynom g(X) = X2 + 4, so giltg(2i) = 0 und 2i ist ebenfalls algebraisch. Nach den Vorlesungen der Algebra wäre daherdas Produkt 2πi = 0 algebraisch, d.h. nach Theorem 6.4.4 wäre

e2πi = 1

transzendent, was offensichtlich ein Widerspruch ist.

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Literaturverzeichnis[1] H. Hasse: Vorlesungen über Zahlentheorie, Springer: Berlin Göttingen (1964)

[2] F. von Lindemann: Über die Zahl π, Mathematische Annalen 20 (1882), pp. 213-225

[3] K. Roos: Vorlesungsmitschrieb von Prof. Dr. W. Kohnen, Heidelberg (2004)

[4] A. Selberg: An elementary proof of the prime-number theorem, Annals of Mathema-tics, Second Series, Vol. 50, No. 2 (1949), pp. 305-313

[5] Commissionaires de l’Académie impériale des Sciences: Œuvres de P. L. Tchebychef,Mathematics, Brown University Library (1907), pp. 51-70

[6] D.B. Zagier: Zetafunktionen und quadratische Körper, Springer: Berlin Heidelberg(1981)

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