Einige Bemerkungen zu den preussischen Budgets seit 1880

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Einige Bemerkungen zu den preussischen Budgets seit 1880 Author(s): Richard von Kaufmann Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, 17. Jahrg., H. 1 (1900), pp. 144-177 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40905071 . Accessed: 14/06/2014 02:08 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 185.2.32.58 on Sat, 14 Jun 2014 02:08:50 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

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Einige Bemerkungen zu den preussischen Budgets seit 1880Author(s): Richard von KaufmannSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, 17. Jahrg., H. 1 (1900), pp. 144-177Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40905071 .

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Einige Bemerkungen zu den preussischen Budgets seit 1880.

Von

Richard Ton Kaufmann.

In der Rede, mit welcher der Finanzminister v. Miquel den Etat für das kommende Rechnungsjahr 1900/01 dem preussischen Abgeordnetenhaus vor- legte1), hat derselbe einen bedeutsamen Rückblick auf die Entwicklung der preussischen Finanzen aus der trübseligen Lage am Anfang des 19. Jahrhunderts zu ihrem heutigen Stande geworfen. Aus demselben wird von neuem ersichtlich, mit welchem Erfolg die Staatsmänner, denen Preussen seine Wiederaufrichtung verdankt , sich in nüchterner Umsicht gemüht haben , in der Förderung der Wohlstandsquellen des Volkes die Möglichkeit zur Erhöhung der Staatseinnahmen zu finden, mit denen sie dann auf das sparsamste haushielten, um neue Schulden zu vermeiden oder alte zurückzahlen zu können, damit die Zukunft, welche für ihre eigenen grösseren Bedürfnisse selbst zu sorgen haben würde, von der Passivhinterlassenschaft der Vergangenheit, so weit irgend möglich, befreit resp. ihr die Erfüllung der ihr zufallenden Aufgaben in entsprechendem Masse erleichtert werde.

Dies Ziel war im wesentlichen erreicht und auch in finanzieller Beziehung die Bahn für die Weiterentwicklung frei, als im jungen Deutschen Reich sich neue Gesichtspunkte für eine solche eröffneten. Hatte der Zollverein die Grund- lagen zu einer gesamtdeutschen Volkswirtschaft geschaffen, so war jetzt deren Befruchtung und die Steigerung ihrer Produktivität durch ihre Ein- gliederung in und aktive Beteiligung an der Weltwirtschaft das nächste und wichtigste Ziel2). Damit traten als Aufgaben der Staatsthätigkeit, nach deren nunmehriger Verteilung zwischen dem Reich und den Gliedstaaten, mehr noch als früher in den Vordergrund: im Reiche die Pflege der nach aussen gerich- teten Handelspolitik, im Einzelstaate Preussen die Förderung des inneren Ver- kehrslebens.

i) Stenogr. Berichte des Abgeordnetenhauses, Session 1900, S. 34. 2) Während die Wertsumme des Gesamtwelthandels heute auf rund 50 Milliarden M.

berechnet wird, ist der Aussenhandel Deutschlands von 1872 bis 1898 um 31/4 Milliarden M., der Englands gleichzeitig nur um 694, der Frankreichs um 440 Millionen M. gestiegen; vgl. Basen, Die wirtschaftliche Weltlage, Berlin 1900, S. 15.

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Dementsprechend erschienen in den 70er Jahren die Denkschriften der preussischen Regierung über die Verbesserung und den Ausbau unserer Wasserstrassen und bot sich in dem Eisenbahnwesen, wie es sich bis dahin in Deutschland und ganz speziell in Preussen entwickelt hatte, das Objekt für eine Wirtschafts- und Finanzpolitik dar, deren historische Prämissen in dem Gang der vom preussischen Staate bis dahin befolgten Eisenbahnpolitik gegeben waren.

Die systematische Vollendung unseres Wasserstrassennetzes ist dem neuen Jahrhundert vorbehalten geblieben; ihre Notwendigkeit aber wird sich um so dringender geltend machen, je mehr sich der Ausbau des Schienennetzes auf den Hauptverkehr8stra8sen den Grenzen der technischen Möglichkeit und der Wirtschaftlichkeit nähert, je weniger dieselben mit anderen Worten im stände sein werden, den Bedürfnissen des steigenden Verkehrs auf die Dauer zu ge- nügen, und je weniger die landwirtschaftliche und die gewerbliche Güter- erzeugung so zahlreiche Menschenhände wird entbehren können, wie sie ein fortgesetzt gesteigerter Eisenbahnbetrieb erfordert, - je mehr anderseits die Wertschätzung der Wasserstrassen in das allgemeine Bewusstsein eindringt, nicht zum wenigsten auch infolgedessen, was für sie im Laufe des letzten Menschenalters geschehen ist.

Die Hauptthätigkeit des preussischen Staates auf dem Gebiete des Ver- kehrswesens aber war während der jüngstvergangenen Decennien den Eisen- bahnen gewidmet gewesen. Ich habe an anderer Stelle1) mit nicht miss« zuverstehender Deutlichkeit dargelegt, dass jene Durchsetzung, Mischung und teilweise Verkuppelung2) von Staats- und Privatbahnen, wie sie von den europäischen Ländern derartig nur Preussen aufzuweisen hatte, trotz, vielleicht sogar wegen der Entgleisung, welche die preussische Eisenbahnpolitik in Rücksicht auf ihre die Privatbahnen betreffenden Endabsichten in den 50er Jahren erfahren hatte, mit Notwendigkeit dazu hatte führen müssen, dass der preussische Staat, sobald erst der Stand seiner Finanzen das irgend zu gestatten schien, die ganze Wucht seiner Thätigkeit dem Eisenbahnwesen zuwendete und unter Einsetzung seines vollen durch Schulden kaum mehr belasteten 8) Staats- kredits nunmehr mit einem Schlag das Endziel zu erreichen suchte, welches den preussischen Staatsmännern bereits mit dem Beginn der Eisenbahnära vorgeschwebt hatte: die Eisenbahnen, welche der Allgemeinheit zu dienen be- stimmt sind, in deren Besitz zu überführen.

Durch die Verstaatlichung der Eisenbahnen, welche sich in der Haupt- sache in der kurzen Zeitspanne von 1879 - 1885 vollzog, musste zugleich die Bedeutung, welche das Eisenbahnbudget bis dahin für den Staatshaushalt ge- habt hatte, eine völlig andere werden. Während die Einnahmen aus dem Eisenbahnwesen im Jahre 1880/81 kaum 30 °/o , die Ausgaben desselben kaum

i) R. v. Kaufmann, „Die Eisenbahnpolitik Frankreichs", Stuttgart 1896, Bd. II, S. 732 ff. ; vgl. weiter unten S. 171 f. Anmerk. 2.

2) Privatbahnen unter Staatsverwaltung; vgl. R. v. Kaufmann 1. c. S. 734 u. 742 f. ¿) Die »taatsscnuid bellet sien am l. Januar 1876 auf 889,4 Mill. M. mit einem Zins-

bedarf von 36,1 Mill. M. und einem jährlichen Tilgungserfordernis von 16,1 Mill. M., darunter waren Eisenbahnschulden 121,2 Mill. M. Vgl. Sattler, „Die Schulden des preuss. Staates von 1870-91" in dieser Zeitschrift IX. 1892, S. 83 ff.

Finanzarchiv. XVII. Jahrg. 145 10

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14g R. v. Kaufmann,

19% der gesamten Staatseinnahmen resp. Ausgaben ausmachten, stellen sich diese Verhältniszahlen für 1898/99 auf 54 resp. 34 °/o und nach dem Voranschlag für 1900/01 bereits auf 55 resp. 37%. Allein schon aus diesen Zahlen erhellt, dass auf der Einnahmenseite des Staatshaushalts das aleatorische Element der von den wirtschaftlichen Konjunkturen abhängigen Eisenbahnerträge sich in demselben Verhältnis immer fühlbarer machen musste, in welchem der Um- fang des Staatsbahnbetriebes grosser geworden war. Dieser wird auch ferner- hin mit Notwendigkeit weiter wachsen, nachdem einmal der Staat das Eisen- bahnwesen - abgesehen von den Kleinbahnen - unter seine ausschliessliche Obhut und Sorge genommen hat, und das Wachstum des Staatsbahnnetzes übt wiederum auf der Ausgabenseite, ausser in der durch die obigen Prozent- zahlen ausgedrückten Zunahme der Betriebs- und Verwaltungskosten der Eisen- bahnverwaltung, seinen Einfluss zumal auf das Budget der Staatsschulden- verwaltung aus, dem die Prästierung der Lasten auch für den Bedarf eines ausseretatsmässigen , auf Anleihekredite gegründeten Budgets obliegt, welches ständig neben dem etatsmässigen herläuft und seinen Hauptinhalt in den letzten 20 Jahren regelmässig durch die Anforderungen wiederum des Eisen- bahnwesens erhalten hat.

Ist somit der preussische Staatshaushalt nicht bloss seiner äusseren Er- scheinung und Fülle nach in den letzten 20 Jahren ein völlig anderer geworden, sondern auch in seinem Wesen verschieden von jenem, an welchen der Finanz- minister in seinem erwähnten, . durch Geistesblitze erhellten Rückblick anknüpfte, so dürfte es bei aller Freude an dem Vergleich zwischen dem armseligen Einst und dem Reichtum der Gegenwart dennoch lehrreich sein, die Angelpunkte dieser neuesten Entwicklung unserer Finanzen nochmals zu beleuchten, in gros8en Zügen zu zeigen, welchen Kurs die preussischen Staatsfinanzen in dieser 20jährigen Periode gesteuert sind, und damit Peilung zu gewinnen für die weitere Steuerung. Das erscheint um so mehr als angebracht, weil bei der Wende des Jahrhunderts in Staat und Reich die Durchführung von Auf- gaben in den Vordergrund tritt, deren bis dahin nicht gekanntes Mass sie als neue erscheinen läset.

Unsere Betrachtung wird von einem allgemeinen Ueberblick über das quantitative Steigen des Staatshaushalts während des gedachten Zeitraums auszugehen haben. In der folgenden Uebersicht werden zu dem Zwecke zu- nächst die Gesamtsummen desselben nach den Etats und nach den wirklichen Ergebnissen1) sowohl der jenen entsprechenden „ etatsmässigen " 2) Einnahmen und Ausgaben, wie des „ ausseretatsmässigen * Budgets zusammengestellt. Auf das letztere ist auch darum besondere Aufmerksamkeit zu richten, weil es nicht bloss, wie schon oben angedeutet, durch die aus ihm resultierenden Zins- und eventuellen Tilgungslasten, sondern, wie weiter unten näher zu berühren

i) Für die Jahre bis einschliesslich 1896/97 nach den Rechnungen, für 1897/98 und 1898/99 nach den Uebersichten über die Ergebnisse des Staatshaushalts.

2) Als „etatsmässig" werden im folgenden, entsprechend dem in den offiziellen Finanz- rechnungen üblichen Gebrauch dieses Wortes, diejenigen Ausgaben und Einnahmen bezeichnet, welche in der Etatsaufstellung oder in Nachtragsbeschlüssen zum Etat vorgesehen sind, im Gegensatz zu den „ausseretatsmässigen", welche auf den Bestimmungen bezüglicher besonderer Kreditgesetze beruhen.

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sein wird, auch in anderer Weise in engsten Wechselbeziehungen zum etats- mässigen Budget steht. Erläuternd sei noch bemerkt, dass den Etatszahlen und entsprechend dem Ist der „etatsrnässigen" Einnahmen und Ausgaben, um mit den aus den letzten Immediatberichten über die Finanz Verwaltung Preussens offiziell bekannt gegebenen Zahlen1) in Uebereinstimmung zu bleiben, die Kronfideikommis8rente von 7719000 M. hinzugerechnet ist, welche in der Etats- aufstellung und ebenso in den Rechnungen von den Bruttoeinnahmen der Domänen und Forsten vorweg - ante lineam - in Abzug gebracht wird.

I. Gesamt-Einnahmen und -Ausgaben des preussischen Staatshaushalts.

(In 1000 Mark.)

Im Etat In Wirklichkeit betrugen Keen- veranschlagte - nungs- Einnahmen die etatsmässigen die ausseretatsmässigen Jahr und !

Ausgaben Einnahmen Ausgaben Einnahmen Ausgaben 1 11 2 3 | 4 ¡I 5 1 6

1880/81 768,962 805,548 790,950 281,589 277,357 81/82 912,341 945,164 947,752 70,980 71,209 82/83 939,807 1,007,667 995,619 148,861 149,952 83/84 1,090,777 1,154,404 1,150,682 77,474 77,734 84/85 1,141,335 1,170,912 1,166,380 123,448 125,631 85/86 1,266,647 1,252,016 1,250,988 132,745 133,105 86/87 1,307,193 1,311,763 1,307,672 104,690 104,788 87/88 1,324,436 1,424,729 1,387,326 128,172 126,081 88/89 1,418,448 1,621,075 1,495,507 119,041 117,157 89/90 1,521,614 1,708,197 1,681,432 159,297 158,058

1890/91 1,600,813 1,747,342 1,733,134 197,813 203,665 91/92 1,728,554 1,782,892 1,801,636 171,600 173,538 92/93 1,858,835 1,823,346 1,853,901 151,841 147,464 93/94 1,901,032 1,896,434 1,880,912 127,074 131,146 94/95 1,943,677 1,919,817 1,919,755 232,390 214,899 95/96 1,907,192 1,979,420 1,999,125 175,126 125,480 96/97 1,946,977 2,075,203 2,065,472 114,535 115,954 97/98 2,053,750 2,211,172 2,224,515 110,196 115,288 98/99 2,195,246 2,348,381 2,338,557 121,561 124,024 99/1900 2,334,047 ....

1900/01 2,479,985 ....

Das preussische (Brutto-) Jahresbudget, soweit es im Etat und der diesem sntsprechenden Rechnung der etatsmässigen Einnahmen und Ausgaben zum Aus-

!) Reichsanzeiger 1898 Nr. 129 und 1899 Nr. 298. 147

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14 g R. v. Kaufmann,

druck kommt1), hat sich in der 20jährigen Periode von 1880/81 bis 1899/1900 mehr als verdreifacht: Von 768 Mill. M. veranschlagter resp. 790 Mill. M. wirk- licher Ausgaben im erstgenannten Jahre ausgehend, hat dasselbe die erste Milliarde im Jahre 1883/84 überschritten ; nach weiteren 5 Jahren - 1888/89 - waren IV2 Milliarden erreicht; 1896/97 überschritt die Rechnung der etats- mässigen Einnahmen und Ausgaben die zweite Milliarde und wird im Jahre 1900/01, dessen Etat nach der gegenwärtigen Vorlage auf 2479 Mill. M. ver- anschlagt ist, voraussichtlich die Höhe von 27* Milliarden erreichen.

Daneben haben die Ausgaben des ausseretatsmässigen Budgets, in den einzelnen Jahren schwankend, durchschnittlich sich auf 142 Millionen, in der Summe der 19 Jahre bis 1898/99 auf 2692 Mill. M. belaufen und bedeuten mit einem nicht viel geringeren Betrage eine entsprechende Vermehrung der Staats- schuld neben den hierfür in erster Linie in Betracht kommenden Krediten für den Ankauf der ehemaligen Privatbahnen und gelegentlichen anderen Anleihe- krediten. Auf diese und die angedeutete Wirkung des ausseretatsmässigen Budgets wird daher bei der Betrachtung der Staatsschulden zurückzukommen sein und soll hier nur schon darauf hingewiesen werden, wie die aus allen derartigen Anleihekrediten resultierende Mehrbelastung der etatsmässigen Aus- gaben nachgerade ein ständiger Faktor in unseren Finanzen geworden ist.

Im übrigen darf nicht übersehen werden, dass das preussische für sich allein kein volles, denen anderer Länder vergleichbares Budget darstellt, sondern für den Staat Preussen vom Reiche Staatsaufgaben erfüllt werden, die ehe- mals jenem oblagen und noch obliegen würden, wenn sie nicht als gemeinsame Angelegenheiten der Bundesstaaten auf das Reich übertragen worden wären. Somit muss ein verhältnismäßsiger Anteil der Ausgaben des Reichs den Staats- ausgaben Preu88ens zugezählt werden. Für die Zwecke einer derartigen Berechnung sind von der Bruttosumme der Reichsausgaben die Matrikular- beiträge und die an die Bundesstaaten erfolgten Ueberweisungen aus den Zoll-, Stempel- und Verbrauchssteuererträgen in Abzug zu bringen2). Die dann noch verbleibenden Ausgaben des Reichs haben 1880/81: 696 - (64 + 38) = 594 Mill. M., 1897/98: 1793 - (419 + 433) = 941 Mill. M. betragen und be- laufen sich nach dem Voranschlag für 1900/01 auf 2058 - (526 + 514) = 1018 Mill. M.,

Abgesehen aber von dem starken Steigen der Reichsausgaben, von denen nach dem Umlegungsfuss der Matrikularbeiträge resp. dem Verteilungsmass der

i) Bezüglich des fast regelmässigen bedeutenden Uebersteigens der Istzahlen über die Etatszahlen sei daran erinnert, dass dasselbe zum grossen Teü auf den jeweilig aus dem Vor-

jähre resultierenden Restausgaben beruht, denen ein entsprechender Bestand des Vorjahres gegenübersteht.

2) Für die früheren Jahre unter Einrechnung der Verwaltungs- una BetneDsausgaDen der Reichspost, der Reichseisenbahnen und der Reichsdruckerei entsprechend der neuerdings auch im Reichshaushalt durchgeführten Aufstellung eines Bruttobudgets. - Die obigen Abzüge sind für unseren Zweck notwendig, weil die Summen, die das Reich in Höhe der Matrikular-

beiträge verausgabt , unter diesem Titel bereits in den Ausgaben der Partikularstaaten auf-

geführt werden , und weü anderseits die Summen, welche das Reich als Ueberweisung in

seinen Ausgaben verbucht, wiederum von den Partikularstaaten für ihre eigenen Bedürftiisse

ausgegeben werden und dementsprechende Summen in den Budgets der Partikularstaaten ebenfalls als Ausgabe enthalten sind. Vgl. R. v. K a u f m a n n , „Die öffentlichen Ausgaben der

grösseren europäischen Länder nach ihrer Zweckbestimmung", 3. Aufl., Jena 1893, S. 10 ff. 148

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Ueberweisungen 60,8 resp. 60,9 °/o, das sind 1880/81 rund 361 Mill. M., 1897/98 rund 573 Mill. M., 1900/01 rund 620 Mill. M. dem preussischen Ausgabenbudget zugerechnet werden müssen, um dasselbe mit denjenigen ausserdeutscher Staaten vergleichbar zu machen1), ist die oben gekennzeichnete Evolution der speziell preussischen Staatseinnahmen und -Ausgaben im Vergleich zu der Bewegung der Budgets anderer Länder eine ganz ausserordentliche 2) und eben nur aus der eingangs angedeuteten Eigenart der Grundlagen zu erklären, auf denen die Finanzen Preussens heute zu einem grossen Teil beruhen.

Das kommt noch deutlicher zum Ausdruck, wenn die etatsmässigen Ein- nahmen und Ausgaben nach den drei Hauptabteilungen des preussischen Staats- haushalts gegliedert werden, nämlich: 1. Betriebs- und Steuerverwaltungen, von denen die ersteren die Domänen, Forsten, Bergwerke, Hütten und Salinen, die Lotterie, Münze, Seehandlung und die Staatseisenbahnen umfassen; 2. die Ab- teilung der Dotationen und allgemeinen Finanzverwaltung, deren Einnahmen in der Hauptsache aus dem preussischen Anteil an den indirekten Reichssteuern (für 1900/01 auf 313 Mill. M. veranschlagt) bestehen, und zu deren Ausgaben vor alleni die Matrikularbeiträge (1900/01: 320 Mill. M.), die Zuschüsse an die Provinzen und Kreise und die Ausgaben der Staatsschulden Verwaltung gehören; 3. die Verwaltungszweige der verschiedenen Staatsministerien, im Etat als „Staatsverwaltung" im engeren Sinne bezeichnet8). Dabei ist allerdings zu be- rücksichtigen, da88 die Ausgaben des der dritten Abteilung angehörenden Finanz- ministeriums die Pensionen aller Beamten und deren Hinterbliebenen enthalten und die Ausgaben der beiden anderen Abteilungen, was namentlich bei den Betriebsverwaltungen ins Gewicht fallt, um die entsprechenden Summen zu niedrig erscheinen. Der folgenden, nach den erwähnten Etatsabteilungen auf- gestellten Tabelle sind deshalb in Spalte 8 nachrichtlich wenigstens die die Eisenbahnverwaltung betreffenden Pensionssummen angefügt, welche in unseren späteren Berechnungen Berücksichtigung zu finden haben.

i) Vgl. R. v. Kaufmann 1. c. S. 12, 13. 2) Vgl. über die Budgets der anderen grösseren europäischen Staaten u. a. die Rech-

nungen von M. v. H e ekel in den „Jahrbüchern f. Nationalök. u. Stat.u, zumal in deren Januar- heft 1900 S. 34 ff. , welche meine eigenen entsprechenden Arbeiten in dankenswerter Weise fortsetzen.

3) Da es sich in der vorliegenden Arbeit nur um Bemerkungen zu den preussischen Budgets handelt, sind die dort üblichen Einteilungen und Bezeichnungen, unbekümmert darum, ob dieselben theoretischen Anforderungen genügen, überall beibehalten worden.

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250 R- v- Kaufmann,

IL Die etatsmässigen Einnahmen und Ausgaben nach den drei Hauptabteilungen des preussischen Staatshaushalts.

(In 1000 Mark.)

Einnahmen Ausgaben Pensionen etc.

Etch Btf. ~-5 sr. ^T

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. -■-■

Jahr Steuer- *»££• waltung Steuer- *"*£ waltung beamten, verwal- *lnarnz im

Sinn eng. yerwal- yer. im

Sinn eng. enthalten

tungen^) waltung Sinn tungen waltungi)

Sinn .q gp ?

1 || 2 3 4 | 5 6 | 7 ¡| 8

1880/81 629,009 104,048 72,493 299,329 212,958 278,663 935 81/82 762,034 115,322 67,808 441,686 232,657 273,409 1,135 82/83 825,484 116,962 65,221 467,123 259,500 268,998 1,340 83/84 969,551 118,418 66,435 598,582 274,658 277,441 1,637 84/85 993,489 113,784 63,639 584,613 299,901 281,865 1,974 85/86 1,057,498 129,906 64,612 639,286 326,580 285,122 2,407 86/87 1,103,220 140,907 67,636 647,126 369,051 291,495 2,907 87/88 1,169,811 184,055 70,863 656,218 437,266 293,842 3,501 88/89 1,242,964 209,805 68,306 688,868 498,257 308,382 4,086 89/90 1,348,887 291,715 72,595 1 748,268 589,807 343,357 5,350

1890/91 1,395,970 275,949 75,423 804,589 568,486 360,060 6,828 91/92 1,426,828 276,138 79,925 836,099 592,716 372,821 7,635 92/93 1,476,034 264,164 83,148 854,288 614,550 385,063 8,785 93/94 1,521,554 282,749 92,131 853,192 629,251 398,468 9,809 94/95 1,540,609 284,518 94,690 875,953 632,368 411,434 10,925 95/96 1,575,104 301,994 102,322 866,153 710,987 421,985 12,294 96/97 1,670,277 297,031 107,895 924,904 707,938 432,630 13,492 97/98 1,793,054 307,161 110,957 1,036,980 718,255 469,280 14,627 98/99 1,899,430 330,741 118,210 1,125,855 711,983 500,719 15,892 99/1900*) 1,882,209 334,981 116,857 1,140,878 655,805 537,364 25,700a)

1900/01*) 2,001,011 355,192 128,782 1,236,949 679,754 563,282 19,600

Hiernach beträgt seit 1880/81 in Prozent: die Zunahme der Einnahmen der Ausgaben

1898/99 für 1900/01 1898/99 für 1900/01 bei den Betriebs- und Steuer-

verwaltungen 202 218 283 313%

*) Voranschlag. i) Inkl. der Kronfldeikommissrente von 7,719,000 M. a) Davon 17,7 Mill. Pensionen und Reliktengelder und 8 Mill. M. líenaitsauíDesserungen,

welche letzteren vom folgenden Jahre ab in den Eisenbahnetat übergehen. 150

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Einige Bemerkungen zu den preussischen Budgets seit 1880. '}j'

der Einnahmen der Ausgaben 1898/99 für 1900/01 1898/99 für 1900/01

bei den Dotationen und der all- gemeinen Finanzverwaltung . 218 241 234 219 °/o

bei der Staatsverwaltung in engerem Sinn 63 71 80 102 ,

In der ersten und dritten Abteilung ist die Zunahme der Ausgaben stärker als die Zunahme der Einnahmen gewesen : die Staatsverwaltungsausgaben haben sich bis 1900 gerade verdoppelt, während die Einnahmen dieser Ab- teilung um nicht ganz dreiviertel grosser geworden sind; die Betriebs- und Steuer- verwaltungen aber haben ihre Ausgaben bis 1900 mehr als vervierfacht, ihre Einnahmen dagegen nur etwas mehr als verdreifachen können. Nur bei der allgemeinen Finanzverwaltung hält sich die Zunahme der Einnahmen und Aus- gaben unter Verdreifachung beider annähernd die Wage. Es hat demnach nicht bloss ein gewaltiges Steigen der Einnahmen und Ausgaben, sondern zu- gleich eine Verschiebung in der finanziellen Bedeutung der drei Abteilungen für das Gesamtbudget stattgefunden. Man pflegt dabei gemeinhin an das Wachstum der Eisenbahneinnahmen zu denken und es als selbstverständlich anzunehmen, dass diese und mit ihnen die Gesamteinnahmen der Betriebs- und Steuerverwaltungen die der anderen Budgetabteilungen verhältnismässig immer mehr in den Hintergrund treten Hessen; und doch beruht diese Annahme auf einem durch die Grosse der absoluten Zahlen hervorgerufenen Irrtum. Nicht so sehr auf der Einnahmenseite als vielmehr auf der Ausgabenseite liegt der Schwerpunkt der Verschiebung, den die finanzielle Struktur unseres Budgets seit 1880 erfahren hat.

Es betragen nämlich an den etatsmässigen

Gesamteinnahmen Gesamtausgaben die Anteile der die Anteile der

Betriebs- au„ama-an Staats- Betriebs- „ Staats- und

au„ama-an »"ff™1 nen

Verwaltung und $&"' „

Verwaltung Steuer-

verwaltunS J^S* Verwaltung im engeren Steuer-

verwaltunS /m^.nz" im Verwaltung

engeren Verwaltung verwaltunS Sinn

engeren Verwaltung verwaltunS engeren

Sinn

% 1 °/o 1 % II % 1 °/o 1 °/o 1880/81 78 13 9 38 55 35

1890/91 80 16 4 46 33 21

1898/99 81 14 5 48 31 21

1900/01 81 14 5 50 27 23

Auf der Einnahmenseite hat also der Anteil der Betriebs- und Steuer- verwaltungen nur um 3, auf der Ausgabenseite aber ura 10 - 12 Prozentanteile zugenommen, d. h. die Ausgaben dieser Abteilung drücken relativ immer stärker auf das Gesamtbudget; ihr Ueberschuss, den sie für die Speisung des Zuschuss- bedarfs der anderen Budgetabteilungen zu liefern hat, ist im Laufe der Zeit

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'52 R. v. Kaufmann,

verhältnismässig knapper geworden, abgesehen davon, dass sie zugleich auch selbst diesen Zuschussbedarf im Kapitel der Schuldenverwaltung hat steigern helfen. Es wird also - da nach der Absicht dieser Untersuchung: einen Ueberblick über die unsere ßudgetgebarung beherrschenden Momente zu ge- winnen, ein Eingehen auf das Detail der Bruttoeinnahmen und Ausgaben der einzelnen Verwaltungszweige sich erübrigt - vor allem darauf ankommen, das Verhältnis des Ueberschusses der Betriebs- und Steuerverwaltungen zu dem Zuschussbedarf der beiden anderen Abteilungen des Budgets zu analysieren. Die entsprechenden absoluten Zahlen bietet - unter Berücksichtigung der in Tabelle II, Spalte 8, angeführten Pensionsbeträge - die auf S. 153 folgende Uebersicht, in welcher zugleich diejenigen Elemente auf der Ueberschuss- und der Zuschussseite spezialisiert werden, welche für unsere Betrachtung von be- sonderer Wichtigkeit sind: auf der einen Seite die Eisenbahnverwaltung, auf der anderen die zu jener in engster Beziehung stehende Staatsschuldenver- waltung (s. Tabelle III auf S. 153).

Der Zunahme des Gesamtbedarfs der Zuschussverwaltungen (Sp. 9) von 137 °/o steht eine solche der Ueberschüsse (Sp. 5) von nur 126 % gegenüber. Der Zuschussbedarf der Staatsverwaltung im engeren Sinne hat sich, entsprechend deren Bruttoausgaben, verdoppelt, wogegen derjenige der allgemeinen Finanz- verwaltung unter Ausschluss der Schuldenverwaltung um 61% gestiegen ist. Der letztere ist von den finanziellen Beziehungen zum Reiche abhängig und damit in den einzelnen Jahren sehr schwankend; immerhin gestaltete sich das Verhältnis im gesamt der 20jährigen Periode insofern zu Gunsten des preussi- schen Budgets, als nur die Jahre 1880/81 bis 1882/83 Differenzen zwischen den Matrikularbeiträgen und den Ueberweisungen zu Ungunsten Preussens von 15,8 Mill. M., 11,5 Mill, und 1,6 Mill. M., sodann 1893/94 und 1894/95 solche von 20,1 Mill. bezw. von 2,1 Mill. M. aufweisen, die übrigen Jahre dagegen zum Teil recht bedeutende Zuweisungen aus der Reichskasse über die an die- selben abgeführten Beträge hinaus ergaben, welche Mehrüberweisungen 1889/90 sogar die aussergewöhnliche Höhe von 80 Mill. M. erreichten und dadurch den in der nachstehenden Tabelle III in Spalte 7 mit einem + bezeichneten aus nahm8weÌ8en Ueberschuss von 35 Mill. M. verursachten.

Dagegen haben die Faktoren, welche auf der anderen Seite den zur Deckung des Bedarfs der preussischen Zuschussverwaltungen verfügbaren Ueber- schuss konstituieren, ihre Stellung zu einander allmählich völlig verschoben :

An dem Gesamtüberschuss der Betriebs- und Steuerverwaltungen waren beteiligt :

1880/81 1890/91 1898/99 1900/01 die Eisenbahnen mit .... 29 50 58 57,5 °/o die übrigen Betriebe mit ... 19 15 13 11,5 „ die Steuerverwaltungen mit . . 52 35 29 31 „

Hatten am Anfang der Periode die Reineinnahmen aus den Steuern die Vorherrschaft, so haben dieselben diese Rolle unterdessen mit denen aus den Staatseisenbahnen vertauscht. Auf die Ursachen der geringen Zunahme der Steuerreinerträge um nur 33°/o in diesen 20 Jahren: die Steuererlasse zu

Anfang der 80er, die Aufgabe der Realsteuern und deren teilweiser Ersatz durch die Ergänzungssteuer in den 90er Jahren u. s. w., ist hier nicht näher

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Einige Bemerkungen zu den preussischen Budgets seit 1880. ^53

III. Die Ueberschüsse der Betriebs- und Steuerverwaltungen und der Zuschussbedarf zu den Ausgaben der allgemeinen

Finanz- und der Staatsverwaltung im engeren Sinn.

(In 1000 Mark.)

Ueberschüsse Zuschussbedarf

Rechnung«- 6 Eisen- übß^e r? d{ ai*e*te k Allg.Finanzverwal- Staate- Y* r" Rechnung«- . , 6 bahn- triebs- . r? und

ai*e*te d{ k ¡tung s u. Dotationen Y* r"

jähr . , triebs- . und in- o ¡tung s waltuncr g o

3 Ter" und direkte

in- o Ausgaben

gonstiger

waltuncr im g Summe o

tS«) a ' wa"T gen2)

steuern pä- Verwaltung %£r gonstiger

Deûart er Sinn r?r A) a ' gen2) Verwaltung Deûart Sinn A)

1 I 2 | 3 | 4 | 5 [ 6 | 7 | 8 | 9

1880/81 93,527 63,071 172,147 328,745 76,804 32,106 205,237 314,147 81/82 93,926 63,766 161,521 319,213 88,289 29,046 204,466 321,801 82/83 130,104 65,143 161,774 357,021 118,404 24,134 202,437 344,975 83/84 140,233 64,123 164,976 369,332 141,085 15,155 209,369 365,609 84/85 175,991 63,718 167,193 406,902 173,349 12,768 216,252 402,369 85/86 181,602 62,293 171,910 415,805 178,175 18,499 218,103 414,777 86/87 211,555 65,954 175,678 453,187 203,701 24,443 220,952 449,096 87/88 257,263 65,403 187,426 510,092 235,496 17,715 219,478 472,689 88/89 282,381 76,049 191,580 550,010 268,865 19,587 235,990 524,442 89/90 307,826 81,213 201,230 590,269 334,053 +35,961 265,412 563,504

1890/91 291,395 87,690 205,468 584,553 246,659 45,878 277,809 570,346 91/92 296,539 77,312 209,243 583,094 263,824 52,754 285,261 601,889 92/93 331,415 71,478 210,068 612,961 270,340 80,046 293,130 643,516 93/94 368,629 74,325 215,599 658,553 273,282 73,220 296,528 643,030 94/95 346,072 87,081 220,578 653,731 274,609 73,241 305,819 653,669 95/96 435,997 76,911 183,749 696,657 3)341,751 67,242 307,369 716,362 96/97 454,721 83,782 193,378 731,881 3)374,870 36,037 311,243 722,150 97/98 444,601 90,316 206,530 741,447 3) 374,009 37,085 343,696 754,790 98/99 436,384 99,411 221,888 757,683 348,138 33,104 366,617 747,859 99/1900*) 423,911 81,470 210,250 715,631 269,163 51,661 394,807 715,631

1900/01 *) 429,333 85,725 229,404 744,462 272,948 51,614 419,900 744,462

♦) Voranschlag. i) Abzüglich der auf dem Etat des Finanzministeriums befindlichen Pensionen von

Eisenbahnbeamten und deren Hinterbliebenen ; vgl. oben Tabelle II Sp. 8. - Unter den Ueber- schüssen der Eisenbahnverwaltung sind hier überall diejenigen Summen zu verstehen, welche sich durch Abzug der etatsmässigen ordentlichen und ausserordentlichen Ausgaben von deren Einnahmen ergeben.

3) Einschliesslich der Einnahmen aus Ablösungen. 3) Einschl. 1895/96: 20 Mill. M., 1896/97: 19,997,910, 1897/98: 49,967,995 M. Ueberweisungen

an den Eisenbahndispositionsfonds und für 1898/99 eine solche von 48,898,256 M. nach der bis- lang nur vorliegenden „Uebersicht über die Ergebnisse des Staatshaushalts". - In den

15S

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254 R v- Kaufmann,

•einzugehen, da wir in unserem Zusammenhang mit diesen Aenderungen ebenso wie mit der Verstaatlichung der Eisenbahnen als vollzogenen Thatsachen zu rechnen haben. Diese aber weisen darauf hin, dass die Bedürfnisse der eigentlichen Staatsverwaltung, welche ehemals zu drei Vierteln auf das feste Fundament hauptsächlich direkter Steuern gegründet waren, heute immer mehr auf schwankende Eisenbahnüberschüsse angewiesen sind. Das wird deutlich, wenn derjenige Zuschussbedarf, welchen die Eisenbahnen in keiner Weise be- einflussen, d. i. der Zuschussbedarf der Staatsverwaltungsausgaben im engeren Sinn und der allgemeinen Finanzverwaltung, also der Zuschussbedarf des Staatsbudgets im engeren Sinne, unter Ausschluss der Ausgaben der Schuldenverwaltung, den Ueberschüssen des älteren preussischen Staats- domanium8 und der Steuern allein gegenübergestellt wird:

Zuschussbedarf des! üeberschüsse ¡Ber Zuschu^sbedarf ist demnach

(excl. Staatebudgets der Betriebs- und Schuldlasten) ist demnach

Jahr T , ausschlieselich der S teuer Verwaltungen uauf ?ie ^wenbahn- Jahr T ,

Ausgaben der ausschliesslich I Überschüsse angewiesen Schuldenverwaltung der Eisenbahnen ., , • 0/

1000 M. 1000 M. 1000 M. des Bedarfs

1880/81 237,343 235,218 2,125 0,9 1881/82 l) 233,512 225,287 8,225 3,5 1885/86 236,602 234,203 2,399 1,0 1890/91 323,687 293,158 30,529 9,4 1894/95 379,060 307,659 61,401 16,2 1895/96 2) 374,611 250,660 123,951 33,1 1898/99 399,721 321,299 78,422 19,6 1899/1900 8) 446,468 291,720 154,748 34,7 1900/01 8) 471,514 315,129 156,385 33,2

Wenn von dem vorstehend bezeichneten Zuechussbedarf von 237 Mill. M. im Jahre 1880/81 damals speziell durch die Steuerreinerträge 172 Mill. M. ■= 72,5% gedeckt werden konnten, so war dies für den entsprechenden Zu- schussbedarf von 1898/99 nur noch zu 52,5 % möglich und werden nach dem Voranschlag für 1900/01 aus den Steuererträgen nur noch 41 °/o jenes Zuschuss- bedarfs zur Verfügung stehen. Und wenn der zu den Staatebedürfnissen im •engeren Sinn, ohne die Schuldlasten, nötige Zuschuss am Anfang unserer

im Reichsanzeiger von 1898 Nr. 129 aus dem erwähnten Immediatbericht als „Ausgaben für •die Staatsschuld" mitgeteilten Zahlen sind die Summen für 1895/96 und 1996/97 in Abrech- nung gebracht; wir müssen es vorziehen, die obigen Zahlen über die Ausgaben der Staats- schuldenverwaltung mit deren Berichten und den Rechnungen in Uebereinstimmung zu er- halten, zumal die eigentlichen Ausgaben für die Staatsschuld weiter unten (s. S. 159 ff.) «des näheren zu betrachten sein werden.

i) Steuernachlass. 2) üeberweisung der Realsteuern an die Gemeinden. ») Voranschlag.

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Einige Bemerkungen zu den preussischen Budgets seit 1880. 155

Periode und auch noch 1885/86 zu 99% aus den alten Einnahmequellen des Staates gedeckt werden konnte und somit von den Eisenbahnerträgen fast un- abhängig war, so ist derselbe nunmehr mit 33% (gegen 0,9% in 1880/81) auf die Eisenbahnüberschüsse angewiesen, wobei überdies, wie nochmals betont sei, das Erfordernis für Verzinsung und Tilgung der Staatsschulden, welche vor allem Eisenbahnschulden sind, noch gar nicht berücksichtigt ist.

Das Eisenbahngarantiegesetz von 1882 hatte seiner Zeit eine Vorbelastung des Eisenbahnüberschusses für Bedeckung eines etwaigen Zuschussbedarfs des Staats- haushalts in Höhe von 2,2 Mill. M. vorgesehen, und es wird aus der vorstehen- den Zusammenstellung ersichtlich, wie diese Präliminierung am Anfang unserer Periode auch dem thatsächlichen Verhältnis entsprach. Wogegen heute der Zuschussbedarf der Staatsverwaltung im eigentlichsten Sinne des Wortes, d. i. der ministeriellen Verwaltungsressorts und der gesetzlich festgelegten Dota- tionen der Krone, der gesetzgebenden Körperschaften, der Kommunalver- bände u. a., von vornherein mit rund 150 Mill. M. auf die Eisenbahnüberschüsse angewiesen ist und, wenn trotz dieser Entnahme aus den Eisenbahnüberschüssen sich au8serdem noch ein Jahresdefizit ergeben sollte, für die Bedeckung eines solchen - ausser einer Anleihe - wiederum überhaupt nur Eisenbahnüber- schüsse verfügbar sind, soweit dieselben nicht von dem Bedarf der Schuldenlast in Anspruch genommen werden.

Wir sind uns bewusst, mit der obigen Verrechnung der Domanial- und Steuerreinerträge auf den unbedingt zu beschaffenden Staatsverwaltungsbedarf für die früheren Jahre uns in einem Punkte nicht ganz im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen zu befinden, insofern die Tilgung und Verzinsung der alten Staatsschuldscheine ganz speziell auf die Domäneneinkünfte ange- wiesen war. Es kommt aber wenig darauf an, ob man diesen Posten von einigen Millionen des Kapitels der Schuldenverwaltung von den Domanial- und Steuereinkünften in Abzug bringt und dafür einen entsprechenden Mehrbetrag des ebenso dringenden Staatsverwaltungsbedarfs auf die Eisenbahneinkünfte anrechnen muss, oder ob die Rechnung in unserer Weise einfacher gestaltet wird, zumal der Rest jener Staatsschuld verschreib ungen im Jahre 1899 getilgt worden ist und von 1900 an unsere Art der Berechnung völlig dem thatsäch- lichen Verhältnis entspricht, nach welchem die Eisenbahnüberschüsse nunmehr bereits für ein ganzes Drittel des Zuschusses zu den laufenden Staatsver- waltungsbedürfnissen exkl. der Schuldenlast und für die letztere ausschliesB- lich einzutreten haben. Dabei fällt schwer ins Gewicht, dass, wie auch der erwähnte Immediatbericht von 1899 hervorhebt, die „Ausgabensteigerung der sog. Zu schuss Verwaltungen" bis 1896/97 „fast lediglich durch die Mehr- erträgnisse der Eisenbahn Verwaltung" gedeckt wurde, seitdem aber in diesen ihre „Deckung nicht mehr hat finden können" (vgl. oben S. 150 - 153).

So kann es wie eine Ironie des Schicksals erscheinen, wenn das schon erwähnte Eisenbahngarantiegesetz den 1880 vorhandenen Gesamtbestand an Staatsschulden, obgleich von denselben in Wirklichkeit nur 829 Mill. M. Eisen- bahnschulden waren1), zugleich als Grundsumme für die Fortschreibung des

t) Beilage zum Etat der Staatsschuldenverwaltung für 1880/81 , enthaltend die lieber- sieht über den Stand der Staatsschuld am Anfang jenes Jahres.

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^5(3 ß« v- Kaufmann,

Eisenbahnanlagekapitals bezeichnete *), und wenn es heute thatsächlich nur noch von dem Verhältnis zwischen dem nach Deckung des Staatsverwaltungs- bedarfs im engeren Sinne noch verbleibenden Rest der Eisenbahnüberschüsse und dem gesamten Bedarf der Staatsschuldenverwaltung abhängt, ob das

preussische Jahresbudget mit einem Ueberschuss oder Defizit abschliesst. Der Bedarf für die Prästierung der Schuldlasten - und das war ein

weiterer zwingender Grund, weshalb wir denselben bei unserer vorstehenden Berechnung über die Bedeckung des Zuschussbedarfs von letzterem zunächst ausschliessen mussten - ist aber keineswegs identisch mit den Zahlen, welche in den Rechnungen des Staatshaushalts und entsprechend in der Spalte 6 unserer Tabelle III als Gesamtausgaben der Staatsschulden Verwaltung erscheinen. Was von deren Ausgaben - abgesehen von den Verwaltungskosten - Bedarf an Jahreszinsen und notwendigen resp. gesetzlich vorgeschriebenen Tilgungsbeträgen für die Staatsschuld ist, wird durch den Etat vorgesehen; darüber hinaus er- scheinen dann aber in der Rechnung unter dem Titel „Zur weiteren ausser- ordentlichen Tilgung oder zur Verrechnung auf Anleihekredite ", seit 1895/96 ausserdem „Zur Ergänzung des Eisenbahndispositionsfonds tf , solche Summen als Ausgaben der Staatsschuldenverwaltung, welche sich nach der wirklichen Einnahmen- und Ausgabengestaltung im Laufe des Jahres über den prälimi- nierten Bedarf hinaus als verfügbar erweisen, soweit sie entweder vor dem Abschlus8 der Jahresrechnung durch besondere Beschlüsse jenen Zwecken zu-

geführt wurden oder bis zum Abschluss der Rechnung verfügbar geblieben sind, in welch letzterem Falle sie nach den Bestimmungen des neuen Schulden«

tilgungsgesetzes von 1897 ohne weiteres zur ausserordentlichen Tilgung resp. zur

Verrechnung auf Anleihekredite zu verwenden sind, früher der besonderen Be-

schlussfassung durch die massgebenden Faktoren unterlagen und gewöhnlich den etatsmä8sigen Einnahmen des folgenden zweiten Jahres zugeführt wurden.

Gleichwohl stellen jene von der Schuldenverwaltung über deren etats-

mässig vorgesehenen Bedarf hinaus verausgabten Summen, ebenso wie der buch-

mäs8ige Rechnungsabschluss, nicht immer das wirkliche Ergebnis des einzelnen Jahres dar, insofern durch dessen Voranschlag (resp. durch Nachträge zu dem-

selben) entweder Anleihen zur Ergänzung der Einnahmen vorgesehen und effek-

tuiert, oder - was nach dem neuen Tilgungsgesetz seit 1897 allerdings nicht mehr möglich ist - rechnungsinässig aus Vorjahren disponible Mittel den etats-

mässigen Einnahmen zugeführt worden sind, also auch eine ausserordentliche, nicht aus dem Jahre selbst stammende Einnahme bedeuten. Erst die Berück-

sichtigung und gegenseitige Aufrechnung aller solcher Posten neben dem

rechnung8mässigen Abschluss ergibt das wirkliche Resultat des einzelnen Jahres. Wir geben darüber die nachstehende Uebersicht IV, welche gewisser-

massen eine Fortsetzung unserer Tabelle I (S. 147) darstellt und - um das nebenbei zu bemerken - auch insofern von Interesse ist, als sie zeigt, wie die

gesamte Finanzgebarung mit dem hauptsächlich durch die Expansion der Eisen-

bahnverwaltung bedingten Anschwellen des Budgets zugleich mit immer grösseren Ausgabenresten zu rechnen hat.

i) Vgl. R. v. Kaufmann, „Die Amortisation aer preussiscnen auurawcnuiutjn uuu. das Schuldentilgungsgesetz vom 8. März 1897" im Jahrg. XIV, 1897, dieser Zeitschrift, S. 492.

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Einige Bemerkungen zu den preussischen Budgets seit 1880. ^57

IV. Die Rechnungsabschlüsse und die effektiven Jahresergebnisse.

(In 1000 Mark.)

Von den etatsmassigen Ueberschuss Ver- Rech- Einnahmen der etata- bliebene

¡5^5- Effektives massigen Aus- ? war Mehr der Jahres- liecn- un(j aus8er- gaben- massiges rech- ordentlichen tìw. •

niino-fl nungs- pfntÄTYiäflflicTPTi etatsmassigen vp«j+p leste Jahres- TaVirpa nungs- Einnahmen ergeonis niino-fl nungs- pfntÄTYiäflflicTPTi etatsmassigen vp«j+p leste . Jahres- TaVirpa waren nungs- mäs- im Etat der I rgD L 4 1 7 J jähr Einnahmen1) des ergebnis * An- n 8Wes Schulden" L rgD

'' 4 Vll

7 jähr J über die ent- laufen- ,

ergebnis * Qx ,

An- . n 8Wes

%' Verwaltung -(5 '' + 6)] sprechenden den

, (^2-3) (+»

Qx

)

, leihen . gebms übenden (_^ _}

Ausgaben Jahres (+» ) Vor- anschlag jähren hinaus

verausgabt 1 | -2 || 3 || 4 || 5 | 6 | 7 [I 8

1880/81 96,644 67,782 ¡+ 28,862 37,700 - - - 8,837 81/82 64,964 62,114 + 2,850 28,630 - - - 25,781 82/83 73,071 59,500 f 13,571 - 28,862 15,597 + 306 83/84 62,962 62,140 f 822 23,248 2,850 19,268 - 6,009 84/85 64,489 64,489 - - 13,571 13,196 - 375 85/86 65,158 65,158 - 20,327 822 7,681 - 13,468 86/87 69,152 69,152 - 12,399 - 32,291 + 19,892 87/88 108,646 72,683+35,963 32,291 - 43,431 +47,103 88/89 100,133 95,264 + 4,869 - - 66,082 + 70,951 89/90 123,268 123,268 - - 35,963 138,067 +102,104

1890/91 131,624 131,624 - - 4,869 17,752 |+ 12,883 91/92 110,942 153,776 - 42,834 2) - - - ¡-42,834 92/93 84,764 110,054 - 25,290 2) - - - -25,290 93/94 96,214 96,214 - 31,357 - - - 31,357 94/95 113,767 122,146 - 8,3792)' - - - - 8,379 95/96 143,708 143,708 - - - 60,194 + 60,194 96/97 152,020 152,020 - - - 95,435 + 95,435 97/98 133,585 133,585 - - - 99,266 + 99,266 98/99 140,946 140,946 { - - - 84,366 + 84,366 99/1900 . . ; . - - ca. + 85,000 3)

*) Vgl. oben Tabelle I auf S. 147 unter Zurechnung desjenigen Teils aus den Ueber- schüssen des jeweiligen Vorjahres (oben Sp. 2) zu den dortigen Einnahmen , welcher zur Deckung des verbliebenen Ausgabenrestes dieses Vorjahres (oben Sp. 3) nötig ist, resp. nach rechnung8mässigen Defizitjahren (oben Sp. 4) unter Zurechnung des überhaupt nur (in Sp. 2) verfügbar gebliebenen Bestandes.

2) Gedeckt durch besondere Anleihegesetze vom 23. Juli 1893, 1. Mai und 23. Mai 1894. 3; Nach der Mitteilung des Finanzministers in seiner eingangs citierten Etatsrede

über das voraussichtlich zu erwartende Ergebnis. 157

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]gg R. v. Kaufmann,

Ziehen wir zunächst das Facit der umstehenden Tabelle für die 19 Jahre bis 1898/99 *):

Zwei Ueberschu8sperioden von je 5 und 4 Jahren und das Jahr 1882/83 haben zusammen ein effektives Plus ergeben von 592 Mill. M., dem ein Defizit der übrigen 9 Jahre gegenübersteht von zusammen 162 „ „ Die Bilanz der ganzen Periode ergibt ein Plus von .... 430 Mill. M.

Dem gegenüber sind durch die Schuldenverwaltung über ihren im Etat präliminierten eigentlichen Bedarf hinaus (Tab. IV, Sp. 7) verausgabt worden 692 Mill. M., also 262 Mill. M; mehr, als das verfügbare Plus der Bilanz ergibt. Das aber ist dadurch möglich geworden, dass über die Höhe der obigen Defizitsumme hinaus, teils ausdrücklich zu deren Bedeckung (vgl. Anmerk. 2 zu Sp. 4 der umstehenden Tabelle) , teils im Rahmen von Anleihekrediten zur

Ergänzung der Etatseinnahmen (Sp. 5 der Tabelle), Anleihen für die Bedürf- nisse des Staatshaushalts in Höhe von 262 Mill. M. effektuiert worden sind , so dass also die Summe, welche zu den obigen überetatsmässigen Ausgaben der Staatsschuldenverwaltung aus den Eisenbahnübe r Schüssen nach Deckung des Zuschussbedarfs des Staatshaushalts inkl. des Schulderfordernisses verfüg- bar gewesen ist, sich übereinstimmend mit der obigen Bilanz auf 430 Mill. M. reduziert.

Sehen wir nun von dem Jahr 1898/99 ab1), so haben in der 18jährigen Periode von 1880/81-1897/98 die ausserordentlichen Verwendungen der Staats- schuldenverwaltung sich auf 608 Mill. M., der darunter aus den Eisenbahn- Überschüssen verfügbare Betrag auf 346 Mill. M. belaufen.

Jene 608 Mill. M. sind indessen nicht ausschliesslich zur Verrechnung auf Anleihekredite verwendet worden, sondern es sind darunter sowohl die seit 1895/96 zum Eisenbahndispositionsfonds abgeführten Summen wie ausserordent- liehe Schuldentilgungen einbegriffen, während anderseits die etatsmässig unter dem Titel zur Schuldentilgung ausgeworfenen Beträge wiederum nicht aus- schliesslich zu dieser, sondern auch mit zur Bedeckung von Anleihekrediten, zur Speisung des ausseretatsmässigen Budgets verwendet worden sind. So kreuzen sich die etatsmässigen und die überetatsmässigen Ausgaben der Schulden- verwaltung in der ausserordentlichen Tilgung und in der Bedeckung offener Kredite durch disponible Mittel.

Ich habe mich über die gesetzlichen Bestimmungen, welche die Tilgung der preu8SÌ8chen Staatsschulden und zugleich die Verwendung etwaiger Ueber- schü8se regeln, eingehend an anderer Stelle ausgesprochen 2), und es soll daher, wenn wir nunmehr die Ausgaben der Staatsschuldenverwaltung nach den vor- stehend gekennzeichneten Gesichtspunkten zu zergliedern haben, nur daran er- innert werden, dass die im Etat vorzusehende Tilgung sich früher aus den für die planmas8Ìge Tilgung nötigen Summen, ferner aus den durch die Amorti«

i) Das laufende Rechnungsjahr 1899/1900 kann für diese Aufrechnung der definitiven Ergebnisse noch nicht in Betracht kommen - vgl. oben S. 157, Anmerk. 3 - , wie wir ebenso für unsere weiteren Betrachtungen das Jahr 1898/99 teilweise werden ausscheiden müssen, weil die spezielle Verwendung der Verrechnungsmittel desselben aus der bislang nur vor- liegenden „Uebersicht über den Staatshaushalt" dieses Jahres nicht ersichtlich wird.

2) Vgl. meinen oben citierten Aufsatz über die „Amortisation der preussischen Staats- schulden etc." im XIV. Jahrgang dieser Zeitschrift, 1897.

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Einige Bemerkungen zu den preussischen Budgets seit 1880. 159

sation von Eisenbahnobligationen erwachsenden Ersparnissen, ausserdem seit 1889 aus kleinen Posten an Zinsen und Rückzahlungen für gewährte Darlehen zusammensetzte; dazu sind durch das Gesetz wegen Aufhebung direkter Staatssteuern vom 14. Juli 1893 diejenigen Beträge hinzugekommen, welche dem Staate für die seiner Zeit von ihm gewährten Ablösungen von Grund- steuerfreiheiten nunmehr zurückgezahlt und zur Tilgung der ehemals 4°/oigenr jetzt 3720/°igen konsolidierten Staatsanleihe verwendet werden müssen. Endlich tritt zu allen diesen Beträgen eine Summe hinzu, welche jene gemäss den Be- stimmungen des Tilgungsgesetzes von 1897 bis zur Höhe von 3/ö °/o des je- weiligen Bestandes der Staatsschuld am Anfang des Jahres ergänzt. Unbedingt zur Tilgung sind davon aber nur die an erster Stelle genannten planmässigen Tilgungssummen zu verwenden, welche für 1899/1900 noch 9,8 Mill. M. betrugen, für 1900/01 sich aber nur noch auf 3,1 Mill. M. belaufen, und die Rückzahlungen auf Grundsteuerentschädigungen, während der gesamte übrige im Etat prä- liminierte Tilgungsbetrag nach den Bestimmungen des Tilgungsgesetzes von 1897 beliebig zur wirklichen Tilgung oder zur Verrechnung auf (Defizit- oder andere) Anleihekredite verwendet werden kann. Nach diesen Vorbemerkungen bilden wir über die Ausgaben der Staatsschuldenverwaltung für Verzinsung und Tilgung (planmä8sige und sog. ausserordentliche) und für die Verrechnungen auf Anleihekredite, in den letzten Jahren auch zur Anfüllung des schon erwähnten Eisenbahndispositionsfonds, die nachstehende Uebersicht (s. Tabelle V auf S. 160).

Die Verzinsung der Staatsschuld hatte 1896/97 die vierfache Höhe von 1880/81 erreicht, sank dann durch die Konvertierung der 4°/oigen konsolidierten Anleihe und erfuhr eine weitere kleine Abnahme noch durch den Umstand, dass im Jahre 1897/98, welches in dieser Beziehung in der ganzen 20jährigen Periode einzig dasteht, keine Vermehrung der Staatsschuld stattgefunden hatte. In den beiden letzten Jahren ist die Zinslast durch neue, 127 Mill. M. betragende Anleihe bereits wieder gestiegen.

Unter der Tilgung hat die planmässige, welche thatsächlich auch allein eine regelmässige obligatorische ist, seit dem Abschluss der Eisenbahn- verstaatlichungen in der zweiten Hälfte der 80er Jahre stark abgenommen und ist nach nunmehr vollendeter Amortisation der alten Staatsschuldscheine ganz geringfügig geworden, ohne dass bei der sog. ausserordentlichen Tilgung überhaupt nur eine Neigung zu deren Zunahme zu bemerken wäre. Unter der letzteren haben die Amortisationsersparnisse in ihrer vollen Höhe nur im Anfangsjahre ihres Erscheinens 1885/86 mit 157,950 M. , sodann 1888/89 mit 5,8 Mill. M., im folgenden Jahre mit 5,9 Mill. M. und dann noch annähernd 1895/96 und 1896/97 Verwendung gefunden. Im übrigen ist die bedeutendere ausserordentliche Tilgung von 1889/90 dem Umstände zu verdanken, dass von der Ueberschusssumme des Jahres 1887/88 35,9 Mill. M. erst durch dessen Rechnung8abschluss als Ueberschuss konstatiert wurden und über dieses rech- nungsmas8Íge Plus, zumal man sich ohnedies in einer Ueberschussperiode be- fand, nicht bereits anderweitige Verfügung getroffen worden war. Die ausser- ordentliche Tilgung von 1896/97 diente zur Beseitigung des damals neu über- nommenen Schuldenanteils der Hessischen Ludwigsbahn und des Restes der auf dem Etat der Eisenbahnverwaltung befindlichen Prioritäten der Posen- Stargarder Bahn. Von da ab sind zu einer wirklichen Tilgung neben der

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l(jQ R. y. Kaufmann,

V. Die Ausgaben der Staatsschuldenverwaltung für Ver- zinsung und Tilgung der Staatsschuld und zur Verrech-

nung auf offene Anleihekredite. (In 1000 Mark.)

Tilgung Zur Verrechnung - - „r. ... ,. - rr auf Anleihekredite im Etat I* „r. Wirklichkeit

... ,. verwendet

Rechnungs- Ver- für plan- ausgegeben »)

^ ^JA^ÎA ordentliche P1»?; Zu Zu" über *ber" ïïïf

ordentliche massige P1»?; ordent-

Zu Zu" über *ber" Staats- Tilgung massige li(jhe sarnmen haupt eisen.

I [angesetzt1)! ̂g"1^! Tilgung) | bahnen

1880/81 62,441 18,739 18,927 - 18,927 - -

81/82 72,425 20,143 20,659 - 20,659 - -

82/83 86,941 20,480 20,847 - 20,847 15,597 15,597 83/84 107,620 19,336 19,390 - 19,390 19,268 19,267 84/85 133,752 20,178 19,176 - 19,176 14,266 14,266 85/86 152,939 20,213 20,138 158 20,296 7,681 -

86/87 154,925 21,380 20,842 380 21,222 32,538 247

87/88 171,620 26,676 21,394 - 21,394 48,721 5,289 88/89 173,463 27,550 21,723 14,167 35,890 66,181 50,099 89/90 174,848 30,847 19,651 42,145 61,796 102,194 75,004

1890/91 200,935 47,086 15,289 4,756 20,045 26,512 26,153 91/92 227,020 37,109 19,472 9,768 29,240 8,425 -

92/93 234,962 36,620 17,560 - 17,560 19,034 10,150 93/94 237,411 37,247 17,083 - 17,083 20,104 13,715 94/95 237,493 37,943 16,949 - 16,949 21,063 800

95/96 240,566 36,233 14,258 19,306 4)33,564 3) 65,331 3) 36,106 96/97 242,737 33,557 8,965 24,367 33,332 8) 96,370 8) 73,635 97/98 237,628 34,176 8,776 829 9,605 3)123,753 3)103,531 98/99 221,692 38,911 9,089 620 *) 9,709 3)113,568 99/1900*) 227,685 39,034 9,256 2,211 *)1 1,467

1900/01*) 230,747 2) 39,550 ....

*) Die Zinssummen für die beiden letzten Jahre nach dem Voranschlag. Die wirklichen Ausgaben für die Tilgung 1898,99 nach der „Uebersicht" unter Ergänzung aus den Erläuterungen zum Etat für 1899/1900, die für 1899/1900 nach den Erläuterungen zum Etat für 1900/01.

i) Exkl. der Tilgung von Schatzanweisungen, welche zu den ausseretatsmässigen Aus- gaben gehört und überdies für die Jahresrechnung in der Regel nur einen durchlaufenden Posten bildet. Derartige Tilgungen sind erfolgt in Höhe von 1880181: 25 Mill. M. , 1881,82: 19 Mill. M., 1882/83: 20,5 Mill. M., 1890/91: 26,3 Mill. M., 1891/92: 10 Mill. M.

2) Darunter fur die planmässige Tilgung 3,121,078 M. und 500,000 M. an Kuckzamungen auf Grundsteuerentschädigungen zur Tilgung der S >/2o/oigen konvertierten Consols vorgesehen.

3) Darunter die dem Eisenbahndispositionsfonds uberwiesenen Summen; vgl. oben s. 153, Anmerk. 3.

♦) Auserdem werden im Bericht der Staatsschuldenverwaltung für 1895/96 autgeführt als -aus dem Extraordinarienfonds entnommen" 11.5 Mill. M. d.i. ausseretatsmässige Tilgung.

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Einige Bemerkungen zu den preussischen Budgets seit 1880. '6'

planmässigen ausser einmaligen V/2 Mill. M. i. J. 1899 nur noch die gering- fügigen Rückzahlungen auf Grundsteuerentschädigungen verwendet worden und hat das neue Schuldentilgungsgesetz diesem gänzlichen Aufgeben einer ausser- ordentlichen Tilgung so wenig entgegenwirken können, wie ich das in meinem oben citierten Aufsatz bereits vorhergesehen hatte1).

Im ganzen sind in den 20 Jahren von 1880/81 - 1899/1900 statt der im Etat der Schuldenverwaltung zur Tilgung vorgesehenen 604 Mill. M. that- sächlich für die wirkliche Tilgung nur 459 Mill. M. verwendet, während die gesamte Verrechnung auf offene Kredite, unter Mitverwendung der Amorti- sationsersparnisse für diesen Zweck und einschliesslich der dem Eisenbahn- dispositionsfonds zugeführten Beträge, bis 1898/99 800 Mill. M. resp. bis 1897/98 687 Mill. M. betragen hat.

Diese Verrechnungen haben den Erfolg, das Anwachsen der Staatsschuld hintanzuhalten, und werden daher gelegentlich nicht nur einer Tilgung als gleich- wertig erachtet, sondern direkt als Tilgung gegenüber dem vorhandenen Be- stände der Staatsschuld zur Berechnung von Tilgungsprozenten in Ansatz ge- bracht. Ein solches Verfahren ist selbstverständlich unzulässig 2) und hat auch der Finanzminister in offenbarer Uebereinstimmung mit dieser Auffassung8) in seiner eingangs angezogenen Etatsrede jene Verrechnungen nur als eine »Ver- besserung der Vermögensbilanz u bezeichnet. Immerhin wird es bedenklich bleiben, wenn gegenüber einer stetig und trotz aller Verrechnungen stark steigenden Staatsschuld die wirkliche Amortisation ständig sinkt und schliesslich auf ganz minimale Beträge reduziert wird, wie das im preussischen Staatshaushalt in den letzten Jahren mehr noch als früher geschehen ist. Diese Bedenken können auch nicht dadurch be- schwichtigt werden, dass auf den Charakter der preussischen Staatsschulden ale. wesentlich einer werbenden Kapitalanlage dienende hingewiesen wird. Denn entweder sind unsere Eisenbahnschulden wegen einer industriellen Kapital- anlage wie jede andere aufgenommen, dann erheischen sie nach allgemein- wirtschaftlichen Regeln eine regelmässige Amortisation, eine faktische, in einem angemessenen Zeitraum zu bewirkende Restituierung des von den Gläubigern her- gegebenen und vom Staat investierten Kapitals ; oder sie sind Staatsschulden, und dann wird für sie nicht weniger der schon durch die einfache Thatsache, dass man in Preus8en ein neues Schuldentilgungsgesetz überhaupt für notwendig erachtet hat, abermals erhärtete Grundsatz zu gelten haben, dass auch Staatsschulden getilgt und zwar beharrlich getilgt werden müssen, zumal wenn sie wie bei uns eine stete Erneuerung und Zunahme zeigen. Und überdies sind die preussischen Staatsschulden keineswegs ganz ausschliesslich Eisenbahnschulden, sondern haben ähnliche Ursachen, welche in Staaten ohne Staatsbahnbetrieb zur Schuldenkontrahierung führen, auch bei uns zur Schuldenvermehrung an ihrem Teile mitgewirkt und werden auch ferner dazu mitwirken. Hierbei ist zu betonen, dass das Reich gleichzeitig für seine Gliedstaaten die Hauptmasse der Schulden - vor allem die für Heer und Flotte - aufzunehmen gezwungen

i) Vgl. R. v. Kaufmann, „Die Amortisation der preussischen Staatsschulden etc.u im Jahrgang 1897 dieser Zeitschrift, zumal S. 520 if.

2) Vgl. 1. C. S. 477 und S. 507 ff. 3) Vgl. ebendort S. 509 u. 510.

Finanzarchiv. XVII. Jahrg. 161 11

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} ß2 ^- v Kaufmann,

ißt, welche gerade in den anderen Staaten die Schuldenvermehrung hervor- rufen, auf welchen Umstand noch zurückzukommen sein wird.

In den 18 Jahren von 1880/81-1897/98 haben nicht weniger als 79 An- leihekredite die Quellen gebildet, aus welchen die Gewässer dem Strom der preussischen Staatsschuld zugeflossen sind: 15 Gesetze wegen Bedeckung von Budgetdefizits oder Ergänzung der etatsmässigen Einnahmen, darunter aller- dings zwei wegen der Defizits von 1878/79 und 1879/80 und eines zur Konsoli- dierung einer in den Anfangsjahren unserer Periode vorhandenen schwebenden Schuld von 30 Mill. M. ; 20 Gesetze für verschiedene Zwecke : Stromregulierungen und Kanalbauten (5 Gesetze), zur Dotierung der Zentralgenossenschaftskasse, für Getreidelagerhäuser, Kleinbahnen, zur Verbesserung der Wohnverhältnisse der Arbeiter u. a. ; 6 Notstandgesetze und 38 Eisenbahnkreditgesetze, von denen wiederum 8 noch aus den 70er Jahren mit Restbeträgen in die Periode hin- einreichten 1).

Die durch diese Gesetze eröffneten Anleihekredite beliefen sich: für die Bedeckung der Budgetausfälle auf 304,384,622 M. nach den 20 Gesetzen für verschiedene Zwecke auf .... 519,392,857 n für die Beseitigung von Notständen auf 60,907,000 „ für Eisenbahnzwecke einschliesslich der aus den 70er Jahren

stammenden Kredite auf 6048,433,287 , Zusammen 6933,117,766 M.

Von diesen Krediten konnten nach den besonderen Nachweisen in den jährlichen Berichten der Staatsschuldenverwaltung in der Periode seit 1880 in- folge Tilgung von Eisenbahnprioritäten und aus anderen Ursachen 343,4 Mill. M. gelöscht werden; nicht unbedeutende Suramen sind zur Bedeckung der Kredite des weiteren aus den Beständen des Hinterlegungsfonds, aus Aktivfonds ver- staatlichter Bahnen u. a. entnommen; 134,7 Mill. M. sind aus Amortisationserspar- nissen, 5,8 Mill. M. aus Darlehensrückzahlungen und 478,5 Mill. M. aus „Ueber- schüssen" des Staatshaushalts gedeckt worden. Durch Anleihen wurden von 1880 bis zum Schluss des Jahres 1897/98 5,059,698,829 M. realisiert.

Diese Realisierung der Kredite aus Anleihen entspricht dem Anwachsen der Staatsschuld von 1490 Mill. M. am Anfang unserer Periode auf 6494 Mill. M. im Jahre 1897/98 = einer Zunahme von 5004 Mill. M. oder 336 %•

Am Schlüsse des Jahres 1897/98 waren von jenen 79 Krediten 30 mit einem Gesamtbetrage von 503,8 Mill. M., davon 312,4 Mill. M. Eisenbahnkredite, 2,6 Mill. M. Notstandskredite und 188,8 Mill. M. zu verschiedenen Zwecken, noch offen, wobei es sich indessen für einen Betrag von 131,2 Mill. M. nur um die eventuelle Umwandlung von noch vorhandenen Eisenbahnschuldtiteln in konsolidierte Anleihe handelte. Der Restbetrag von 372,6 Mill. M. aber be- deutete eine Quelle für das weitere Anwachsen der Staatsschuld. Und mehr noch :

i) Vgl. den Bericht der Budgetkommission über die „Finanzlage des preussischen Staates" vom 25. April 1894, Anlagen zu den Verhandlungen des Abgeordnetenhauses 1894 Nr. 163 S. 6 if., und die „besonderen Nachweise" über die Bewegung und den Stand der kon- solidierten Anleihen nach den einzelnen Kreditgesetzen in den jährlichen Berichten der Staats- schuldenverwaltung, aus denen die folgenden Zahlen grösstenteils in ihren einzelnen Elementen von uns haben zusammengestellt werden müssen.

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Einige Bemerkungen zu den preussischen Budgets seit 1880. jßg

jährlich erledigen sich einige der laufenden Anleihekredite und jährlich kommen einige weitere hinzu; die Gesetzesvorlagen betr. Erweiterungen des Staats- bahnnetzes, wie sie offiziell heissen, vulgo Sekundärbahnvorlagen gehören wie das Mädchen aus der Fremde zu den regelmässigen Frühlingsboten, neben denen sich bald dieses, bald jenes, bald von der Regierung, bald aus den Kreisen der Bevölkerung und deren Vertretung geltend gemachte Bedürfnis zu einer An- leihevorlage verdichtet, so dass in jedem einzelnen der letzten 20 Jahre etliche 30 offene Kredite der Vermehrung der Staatsschuld zur Unterlage gedient haben und jährlich ein Restbestand an solchen von 370 bis 400 Mill. M. und darüber vorhanden war.

Nach den Berichten der Staatsschuldenverwaltung betrugen (in 1000 M):

die Bestände an offenen Anleihekrediten

am Schluss davon

Rechtes- Überha^ ¿Ät » -™« Ver-

1891/92 648,273 170,778 477,495 92/93 559,294 168,496 390,798 93/94 534,197 166,128 368,069 94/95 663,149 163,659 499,490 95/96 542,104 150,072 392,032 96/97 515,885 133,339 382,546 97/98 503,783 131,192 372,591

Seitdem sind an neuen Krediten hinzugekommen: Drei Gesetze vom 20. April 1898 (Verstärkung der Fonds der Ansiedelungs-

kommission, des Kapitals der Zentralgenossenschaftskasse und Beseitigung der Hochwasserschäden von 1897) mit zusammen 135 Mill. M., das Eisenbahnbau- gesetz vom 20. Mai 1898 über 82,825,000 M., das Gesetz vom 2. Juli 1898 zur

i) Die früheren „besonderen Nachweise" über die Anleihekredite in den Berichten der Staatsschuldenverwaltung weisen die auf die Eisenbahnprioritäten entfallenden Anteile an den Kreditbeständen leider nicht nach. Jene Eisenbahnprioritätsschulden befanden sich bekannt- lich zum allergrössten Teil auf dem Etat der Eisenbahnverwaltung ; sie sind durch die grosse Konsolidation von 1890/91 grösstenteils beseitigt und damit zugleich , bis auf einen gering- fügigen im Etat der Eisenbahnverwaltung verbliebenen Rest, auf den Etat der Staatsschulden- verwaltung übergegangen. Die vorerwähnte Lücke in den offiziellen Publikationen ist in mehr als einer Beziehung bedauerlich , insofern auch die Eisenbahnverwaltung weder in den An- lagen zu ihren Etats oder Rechnungen , noch in ihren Verwaltungsberichten jemals die auf ihrem Etat befindlichen Schuldsummen angibt und dadurch mit zu den vielfach falschen Vor- stellungen über die Höhe unserer Staatsschulden und ihrer Tilgung beigetragen hat. Ueber die Höhe der früher auf dem Etat der Eisenbahnverwaltung befindlichen Obligationenschulden liegen unseres Wissens in der ganzen Litteratur nur drei vereinzelte Daten vor, auf die wir an anderer Stelle (S. 1(58 Anm. ' und S. 1G9) noch zurückgreifen werden.

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Jß4- *l* v* Kaufmann,

Verbesserung der Wohnungsverhältnisse der Arbeiter und niederen Beamten des Staates mit 5 Mill. M., zusammen aus der Session der gesetzgebenden Körperschaften von 1898 neue Anleihekredite in Höhe von 222,825,000 M. ; im Jahre 1899 sind zwei weitere Anleihekredite von zus. 14,8 Mill. M. hinzugetreten ; der gegenwärtig tagenden Landtagssession ist eine Eisenbahnvorlage zugegangen, welche Anleihekredite von 71,8 Mill. M. für staatliche Eisenbahnbauten und von 24 Mill. M. zur Förderung anderer, hauptsächlich Kleinbahnunternehmungen, zusammen 95,8 Mill. M., beansprucht, und soll der Gesetzentwurf über den Mittellandkanal, dessen Kosten in der vorjährigen Vorlage auf 261 Mill. M. veranschlagt worden waren, diesmal zugleich in Verbindung mit weiteren grossen Wasserbauprojekten demnächst wieder eingebracht werden.

So wird der dauernde Bestand an offenen Anleihe- krediten von durchschnittlich 412 Mill. M. während der Jahre 1891 - 98 und damit die Aussicht auf Vermehrung der Staats- schulden nicht ab-, sondern zunehmen.

Gleichzeitig ist die Reichsschuld, der Erwerbseinkünfte nur in kaum nennenswertem Masse gegenüberstehen, von 218,057,600 M. am Anfang des Jahres 1880/81 auf 2,182,246,800 M. am Schluss des Jahres 1897/98 gestiegen; sie hat sich in demselben Zeitraum, in dem die preussische Staatsschuld sich vervierfacht hat, verzehnfacht. Bis Ende Oktober 1898 war die Reichsschuld bereits auf 2208,8 Mill. M. angewachsen , und in der Etatsvorlage für 1900/01 wird sie für den Anfang dieses Jahres auf 2325,4 Mill. M. berechnet. Das ergibt in den letzten 2 Jahren seit April 1898 eine abermalige Vermehrung von 143 Millionen, die noch grosser gewesen wäre, wenn nicht die sog. Reichs- tilgungsgesetze der letzten Jahre eine Verminderung der bewilligten Anleihe- kredite - aus dem Ergebnis des Rechnungsjahres 1898/99 um 44,9 Mill. M., nach dem vorläufigen Ueberschlag über das des Jahres 1899/1900 um 30,7 Mill. M.1) -

gestattet hätten. Eine wirkliche Schuldentilgung aber hat von seiten des Reichs bislang überhaupt nicht stattgefunden. Ueberdies dürfte, selbst wenn es wirklich beliebt werden und gelingen sollte, die Deckung der ausserordentlichen Kosten der in diesem Augenblick2) zur Beratung stehenden, an sich durchaus erwünschten Flotten Vermehrung aus Anleihemitteln, wie in der Vorlage in Aussicht genommen ist, auf 769 Mill. M. in 16 Jahren zu beschränken, die Zu- nahme der Reichsschuld , ebenso wie früher auch in Zukunft, das Wachstum der preussischen Staatsschuld weit übertreffen, und das um so mehr, als in diesen 16 Jahren, wie bisher, auch andere ausserordentliche Bedürfnisse des Reichs durch Schuldaufnahmen zu bestreiten sein werden, die Flottenvorlage aber, um das für sie nötige Anleihebedürfnis auf den obigen Betrag beschränken zu können, zugleich die als regelmässig wiederkehrende in Ansatz gebrachte Steigerung der bisherigen ordentlichen Reichseinnahmen im wesentlichen für sich in Anspruch nimmt. Hieraus folgt, dass, so sehr eine starke Ver- ni 'ehr un g unserer Flotte als notwendig erachtet werden muss, es ebenso nötig sein wird, für eine Verstärkung der ordentlichen Einnahmequellen auch des Reichs Fürsorge zu treffen.

i) Reichshaushaltsetat für 1900/01, Anlage X, S. 5. 3) Anfangs Februar 1900.

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Einige Bemerkungen zu den preussischen Budgets seit 1880. Jß5

Von der Reichsschuld entfallen drei Fünftel nicht nur als hypo- thetischer Anteil an derselben auf Preussen, sondern müssen ebenso wie die anderen Reichsausgaben zu diesem Anteil von der Steuerkraft der preussischen Staatsbürger, die in ebendem Mass der Expansionsfähigkeit der preussischen Finanzen entzogen ist, und überdies event, direkt von den Finanzen Preussens mitgetragen werden, sei es dass die Ueberweisungen aus den dem Reiche für dessen Zwecke nach der Verfassung von Preussen im Bunde mit den anderen Gliedstaaten überlas8enen Steuern gerade auch durch den steigenden Bedarf der Reichsschuld immer geringer werden, sei es dass jene Einnahmequellen überhaupt nicht mehr ausreichen und dann die Matrikularbeiträge für den Ausfall eintreten müssen. Dieses Verhältnis ist in den letzten Jahren infolge der günstigen Gestaltung der Wirtschaftslage und der dadurch eingetretenen Möglichkeit, die Bedürfnisse des Reichs aus den ihm überlassenen Einnahmequellen zu decken und an deren Erträgen die Partikularstaaten noch direkt teilnehmen zu lassen, dem allge- meinen Bewu88tsein entrückt worden. Aber es liegt auf der Hand, dass bei dem Steigen der Reichsschuld in der Progression, wie sie die Thatsachen der Vergangenheit zeigen und die Zukunft bestätigen dürfte, schliesslich die Grenze erreicht werden muss, an welcher die bisherigen Einnahmequellen des Reichs aus Zöllen und inneren Verbrauchs- und Verkehrsabgaben in normalen Jahren kaum mehr für dessen eigene Bedürfnisse ausreichen werden. Dann wird schon jedes Nachlassen der wirtschaftlichen Prosperität sich sofort in positiven An- forderungen des Reichs an die Finanzen der Bundesstaaten geltend machen müssen, ein gänzlicher Umschlag der wirtschaftlichen Konjunktur auf deren finanzielle Beziehungen zum Reiche aber in noch stärkerem Masse zurückwirken, als das in derartigen Lagen bisher der Fall gewesen ist.

Speziell wiederum die preussischen Finanzen müssen von einem wirt- schaftlichen Niedergang nicht bloss in ihrem Verhältnis zum Reiche und etwa in den eigenen Steuereinnahmen, sondern auf ihrer ganzen Linie getroffen werden : Mit dem Sinken der Erträge aus dem Domanialbesitz, namentlich der Forsten, mit dem Sinken der Erträge aus den Bergwerks- und Hüttenprodukten, dem Sinken der Kapitalwerte und damit des Ertrages der Vermögenssteuer, dem Sinken oder mindestens Stagnieren der Einkommensteuererträge wird der Anteil, mit dem die Staatsverwaltungsbedürfnisse im engeren Sinne, deren einmal gesteigerte Ausgabendeckung sich kaum je oder überhaupt nicht zurück- schrauben Iä88ty auf die Eisenbahnüberschüsse angewiesen sind, entsprechend grosser; deren für den Bedarf der Staatsschuld in Anspruch genommener Rest- betrag wird dann aber nicht nur von jener Seite geschmälert, sondern sinkt vor allem auch durch die unvermeidlichen Rückschläge, welche die Einnahmen gerade der Eisenbahnen in Zeiten eines wirtschaftlichen Niedergangs natur- gemäss erleiden, abgesehen davon, dass die eigenen Ausgaben der Eisenbahnen, wie die unten *) stehenden Zahlen beweisen, die Tendenz zeigen, relativ stärker als die Einnahmen zu wachsen, und bei einem Zurückgehen dieser sich nicht ent-

i) Die Ueberschüsse der Eisenbahnen betrugen von deren Brutto einnahmen 1880/81 : 38,6 °/o gegen 42,0 °|o in 1895/96, um von da ab bei steigenden Brutto ertragen auf 4l,l-37,l-34,4O/o und nach der Etatierung für 1899 resp. 1900 auf 33,0 bezw. 81,5<fo zu sinken.

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1ßQ R. v. Kaufmann,

sprechend herabmindern lassen 1). So wird bei einem Umschlag der wirtschaft- lichen Konjunktur ein an sich verminderter Eisenbahnüberschuss einem ver- grösserten Zuschussbedarf der Staatsverwaltungsausgaben und den dann zugleich eintretenden positiven Mehranforderungen des Reichs gegenüberstehen.

Die einzige Stelle des Budgets, von der aus in solchen Zeiten keine durch den wirtschaftlichen Niedergang bedingten Mehranforderungen an die Eisenbahn- überschüsse herantreten, ist der Bedarf der bereits bestehenden Schuldlasten und gerade an dieser Stelle lässt sich nach der Struktur der preussischen Finanzen der Hebel ansetzen, um in Zeiten guter Konjunkturen und damit guter Finanzlage den Wirkungen eines volkswirtschaftlichen Niedergangs auf das Budget in etwas vorzubeugen.

Die Vorbedingung dazu ist eine reinliche Scheidung zwischen den Be- griffen „Tilgung" und »Verrechnung auf Anleihekredite u , die Schärfung des Bewus8tsein8 , dass eine Verrechnung von sog. „Ueberschüssen" auf Anleihe- kredite, d. i. eine Hergabe von Mitteln des ordentlichen Budgets zu ausser- ordentlichen ausseretatsmässigen Ausgaben, richtigerweise nur aus wirklichen Ueberschüssen zu erfolgen hat, dass aber ein Ueberschuss erst dann und nur so weit vorhanden ist, als mit den anderen notwendigen Ausgaben des Etats zuvor auch eine angemessene wirkliche Tilgung, die unter jenen in erster Reihe zu stehen hat, und zwar nicht bloss aus überhaupt sog. etats- mä8sigen Mitteln, sondern aus den ordentlichen etatsmässigen Einnahmen des Jahres stattgefunden hat. Die 262 Mill. M., welche in den Jahren 1880 bis 1899 unter den ü b e r etatsmässigen Ausgaben der Schuldenverwaltung Über das wirkliche Plus der Periode hinaus (vgl. oben S. 158) nur infolge von zur Ergänzung der Etatsmittel gemachten Anleihen zur Verrechnung auf Anleihe- kredite verwendet werden konnten, ebenso wie die zum gleichen Zweck von der etatierten Tilgung verwendeten 145 Mill. M. (vgl. oben S. 161) waren überhaupt keine Ueberschüsse und sind mit Unrecht den ausseretatsmässigen Ausgaben zu- geführt worden. Mindestens schon um jener D e f i c i t anleihen willen hätte die wirkliche Tilgung entsprechend höher sein sollen und dürfte daher das neue Schulden tilgungsgesetz von 1897 einer Ergänzung wenigstens in der Richtung bedürfen, dass Jahresüberschüsse, mögen sie erst beim Abschluss der Rechnung oder schon vorher konstatiert werden, in erster Linie zur wirklichen Tilgung von aus wirklichen Defizits herrührenden Schulden und erst darüber hinaus

i) In dem etwas weniger günstigen Jahr 1894/95 gingen die Bruttoeinnahmen der preuss, Staatsbahnen von 963 Mill. M. des Vorjahres auf 958 Mill. M., d. i. um 5 Mill. M., der Ueber- schuss aber gleichzeitig von 378 auf 357 Mill. M , d. i. um 21 Mill. M. zurück, ohne dass etwa eine besondere Steigerung der einmaligen Ausgaben im Extraordinarium des Etats (1893/94: 14 Mill. M., 1894/95: 15 Mill. M.) stattgefunden hätte. - Ein Hochofenwerk von 1000 t Tages- erzeugung hat nur für die Zufuhr seiner Produktionsmaterialien, Erze, Kalksteine, Kohle - ungerechnet die Abfuhr der Produkte - täglich 11,640 M. bis 18,000 M. an Eisenbahnfrachten zu bezahlen. Die Gesamteinnahme an Frachten allein für die Zufahr jener Materialien zu den deutschen Hochöfen beläuft sich jährlich auf etwa 80 Mill. M. Vgl. Vortrag von Sohrödter auf der Hauptversammlung des Vereins deutscher Eisenhüttenleute , Düsseldorf 10. Dezember 1899. - Vorstehende Beispiele illustrieren, zumal aus Kohle und Eisen mehr als die Hälfte der Güterbewegung der deutschen Eisenbahnen besteht, welchen Einfluss allein schon eine niedergehende Konjunktur der Montanindustrie, geschweige denn allgemeine Krisen der Volks- wirtschaft auf die Eisenbahnerträgnisse ausüben müssten.

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Einige Bemerkungen zu den preussischen Budgets seit 1880. 'Ç$7

zur weiteren außerordentlichen Tilgung oder zur Verrechnung für irgend- welche anderen Zwecke zu verwenden seien.

Solche genaue Umgrenzung des Begriffes „Ueberschuss" und die strenge Scheidung zwischen wirklicher Tilgung und Verrechnung hat nicht nur den Vorteil, dass dadurch für eine angemessene Reduktion der Schulden gesorgt wird, sondern vor allem auch den, durch die entsprechende Verminderung der vermeintlichen Ueberschüsse das Gefühl der Opulenz und damit die Neigung zur Ausgabenvermehrung zu zügeln, d. i. die gefährlichsten Ursachen der Schuldenvermehrung niederzuhalten. Denn nicht darauf kommt es an, von hunderten Millionen ständig vorhandener Anleihekredite einige Millionen durch Barmittel zu decken und um diesen Betrag das Anwachsen der Schulden ver- meiden zu wollen, sondern darauf: die Anleihekredite selbst, wie überhaupt das Gesamt der Ausgaben, in ein angemessenes Verhältnis zur dauernden, auch schlechte Zeiten in Rechnung ziehenden Leistungsfähigkeit des Gesamt des Volkes zu setzen. Die Erkenntnis, wo die Grenze der Angemessenheit dieses Ver- hältnisses liegt, wird aber verdunkelt und schliesslich das Verhältnis selbst ver- rückt, wenn, statt einer angemessenen Verteilung der vorhandenen Mittel zwischen Tilgung und Verwendung zu etats- und ausseretatsmässigen Ausgaben, auf der einen Seite zwar eine vermeintliche Tilgung ausgeworfen, auf der anderen Seite aber das Gefühl, im Besitze von über den jeweiligen Etatsbedarf weit hinaus- reichenden Mitteln zu sein, dadurch noch vergrössert wird, dass man die angeb- lich zur Tilgung ausgeworfenen Beträge durch die Hinterthür der Verrechnung wieder zu den Ueberschüssen hinüberschlüpfen lässt. Nicht das ist die gefähr- lichste Seite solcher Tilgungsgesetze, welche die Verrechnung auf Anleihekredite der Tilgung gleichzusetzen gestatten, dass sie in Zeiten der Not eine Handhabe zur Vernachlässigung der wirklichen Tilgung bieten können, sondern dies, dass sie diese Handhabe auch in Perioden des Ueberflusses bieten und dadurch die Neigung zu unvorsichtiger Verwendung des Ueberflusses bei der Regierung ebenso wie im Volk und dessen Vertretung vergrössern, eine Neigung, die ohnedies um so stärker Platz zu greifen pflegt, wenn jener Ueberfluss einer Quelle wie unseren Staatseisenbahnen entstammt, deren Ergiebigkeit (NB.! in ihrer Bruttoziffer, vgl. S. 165 Anm. 1) in solchen Zeiten nur zunehmen zu können scheint.

In der preussischen Finanzgebarung der Gegenwart ist jene gefährlichere Seite des neuen Tilgungsgesetzes bis zur gänzlichen Aufgabe jeder wirklichen Tilgung, welche über die unumgängliche planmässige resp. durch ausdrückliche besondere Gesetzesbestimmung vorgeschriebene hinausgehen würde, in den augenblicklichen Jahren der weitaus grössten Ueberschüsse, die das preussische Budget jemals aufzuweisen gehabt hat, bereits zu Tage getreten.

Wir haben oben nur von den Verausgabungen der Schuldenverwaltung für Tilgungszwecke gesprochen; es muss diesbezüglich aber daran erinnert werden , dass die Thatsache jener Tilgung zu einem gewissen Teil auf dem Konsolidationsgesetz von 1869 beruht und daher während drei Viertel der von uns betrachteten Periode ein Teil selbst der planmässigen Tilgung nur eine Verwandlung älterer Staatsschulden in konsolidierte Anleihe bedeutet.

Eine Uebersicht über die buchmässige und die wirkliche Vermehrung und Verminderung der auf dem Etat der Schuldenverwaltung befindlichen Staatsschulden für die Jahre von 1882/83 bis 1895/96 habe ich in meinem

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Ifíg R. v. Kaufmann,

früheren, schon mehrfach angezogenen Aufsatze in dieser Zeitschrift ge- geben *) und ebendort des weiteren in einem anderen Zusammenhange auch die- jenigen Schulden resp. deren Tilgung berücksichtigt, welche sich hauptsächlich von 1881/82 bis 1890/91 in Gestalt übernommener Eisenbahnobligationen auf dem Etat der Eisenbahnverwaltung befunden haben2). Dadurch erübrigt es sich, das Detail jener Zahlen an dieser Stelle zu wiederholen3) und wollen wir hier die vorstehend erörterten Thatsachen über das allmähliche Verschwinden der wirklichen Tilgung aus dem preussischen Budget nur durch die hauptsächlichsten Daten über den jeweiligen Stand der Staatsschuld am Anfang des Jahres und die jährlich wirklich vollzogene Tilgung (unter Ausschluss der Schatzanweisungen, vgl. oben S. 160 Anm. 1) erhärten. Dabei ist der Umstand, dass wir bezüglich des Standes der jeweilig auf dem Etat der Eisenbahnverwaltung stehenden Obligationenschulden, wie bereits erwähnt, auf drei ganz vereinzelte Daten angewiesen sind4), insofern zu bedauern, als infolge dieses Mangels an offiziellen Daten ein absolut exaktes Bild von dem Tempo im Anwachsen der Staatsschuld innerhalb der ersten Hälfte unserer Periode nicht zu gewinnen ist. Indessen bleibt das Bild von dem Gesamtwachstum seit 1880/81 durchaus zutreffend, weil die in diesem Anfangsjahr unserer Periode vorhandene Obligationenschuld der Eisenbahn Verwaltung noch ganz geringfügig war und dieselbe inzwischen ebenso bis auf einen kleinen Restbetrag in den Hauptstrom der Staatsschuld eingemündet ist (s. Tabelle VI auf S. 169).

Nach dem in dem neuesten Etat der Eisenbahn Verwaltung ausgeworfenen Zinsbetrag und dem vermerkten Zinsfuss würden sich gegenwärtig auf demselben nur noch rund 6,3 Mill. M. an Obligationenschulden befinden aussei* einer mini- malen Restschuld aus einem Vorschuss, den verschiedene Zechenverwaltungen seiner Zeit der Bergisch-Märkischen Bahn zur Beschaffung rollenden Materials geleistet hatten, und einer noch bis 1982 an die braunschweigische Regierung zu zahlenden Annuität. Die Vereinigung der verzinslichen preussischen Staats- schulden im Etat der Staatsschuldenverwaltung ist demnach nahezu wiederher- gestellt, wie dieselbe im Anfangsjahr der von uns betrachteten Periode in dem gleichen Masse vorhanden gewesen war. In der Zwischenzeit war diese Einheit- lichkeit der Schuldenverwaltung beträchtlich gestört und wird aus den Tilgungs- summen der Eisenbahnverwaltung und deren Schuldbetrag von Ende März 1888 ersichtlich, dass von 1882/83 bis 1887/88 den in der Tabelle VI S. 169 angegebenen Schuldsummen jährlich noch etwa 1,2 bis 1,5 Milliarden hinzuzufügen sein dürften.

i) Jahrg. XIV, 1897, S. 478. 2) L. c. S. 511 if. u. S. 518 it., vgl. oben S. Iti3 Aninerk. 1. 3) Die Richtigkeit meiner vorstehend in Aninerk. l citierten Berechnungen ist mzwiscnen

offiziell bestätigt worden durch die aus dem Immediatbericht über die preussische Finanz- verwaltung - Reichsanzeiger 1898 Nr. 129 - bekannt gegebenen Zahlen , nach welchen für die Jahre 1890-96 die wirkliche Tilgung der Staatsschuldenverwaltung unter Ausschluss der von mir in der angezogenen Tabelle mitberücksichtigten Schatzanweisungen, auf 137.6 - 16,8 Mill. M. = 120,8 Mill. M. angegeben wird.

4) Die einzigen Zahlen, die u. W. je und zwar nur von privater Seite über den Stand der Obligationenschuld im Etat der Eisenbahnverwaltung veröffentlicht worden sind , sind solche für das Ende der Jahre 1887/88, 1889/90 u. 1893/94 - in der folgenden Tabelle VI Sp. 2 entsprechend bei den Anfangsbeständen der Jahre 1888/89, 1890/91 u. 1894/95 in Klammem an- geführt - und finden sich in drei Aufsätzen eines Beamten des Eisenbahnministeriums (Schremmer) im Archiv f. Eisenbahnwesen 1889 S. 172, 1891 S. 235 u. 1894 S. 1050.

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Einige Bemerkungen zu den preussischen Budgets seit 1880. lßty

VI. Der Stand der Staatsschulden und die wirkliche Tilgung. (In 1000 Mark.)

Staatsschulden I Wirkliche Tilgung Prozentsätze auf dem Etat der

(jer Rechnungs- Schuldenverwaltung durch die durch die Tileune- Rechnungs-

*•* ifÄS Schulden- Eisen- zu- _^^_ Tileune-

Verwaltung)1) ver" bahnver- sammen Schulden- über. anfangs des Jahres waltung2) waltung waltung hauPt

1 ¡| 2 || 3 | 4 | 5 || 6 | 7

1880/81 1,490,064 12,462 570 13,032 0,81 0,84 81/82 1,729,476 13,955 1,370 15,325 0,81 82/83 2,047,946 13,833 11,404 25,237 0,67 83/84 2,686,140 12,109 13,145 25,254 0,45 84/85 8,164,039 11,603 15,121 26,724 0,37 85/86 3,905,121 12,418 15,096 27,514 0,32 86/87 4,033,890 13,024 13,878 26,902 0,32 87/88 4,184,644 12,866 11,991 24,857 0,31

88/89 {(njl3 765) 27'019 *2'315 39'334 °'61 °'68 89/90 4,449,669 54,597 12,973 67,570 1,23

1890/91 ( 4(958 234) 16'782 5'598 22'380 °'35 °'39

91/92 5,692^,919 25,845 736 26,581 0,45 92/93 6,057,952 14,028 768 14,796 0,23 93/94 6,239,840 13,404 803 14,207 0,21

94/95 ( 6'8^7 885) 16'123 839 16'962 0>25 0)27

95/96 6,353*,823 43,139 479 43,618 0,68 Qß/Q7 96/97 f 6,458,846 9Q ¿*'*W 81 0 / 223 áá'404 33 484- 0 U'4b 4-fi Qß/Q7 96/97 ':l) (16,165 + ?)

9Q ¿*'*W 81 0 ' 3,451 4) áá'404 33 484- 0 U'4b 4-fi

97/98 6,494,459 9,581 336 9,917 0,10 idem 98/99*) 6,484,878 9,569 235 9,804 0,10 99/1900*) 6,505,650 11,467 236 11,703 0,18

1900/01**) 6,591,684 (3,621) (245) (3,866) | (0,05)

*) Nach den Erläuterungen zum Etat der Staatsschuldenverwaltung des folgenden Jahres. ♦•) Nach dem Etat. In (- ) die planmässige und gesetzlich unumgängliche Tilgung,,

welche in den ï> Vorjahren, ausser V'2 Mill. M., allein wirklich vollzogen wurde; Herabminderung infolge vollendeter Tilgung der alten Staatsschuldscheine.

i) Vgl. S. 168 Anmerk. 4. 2) Exkl. Schatzanweisungen. 3) Die 16,2 Hill. M. Schuldanteil an der Hessischen Ludwigsbahn wurden im Laufe des

Jahres vom Eisenbahnetat auf die Staatsschuldenverwaltung übernommen und von dieser noch in demselben Jahre getilgt; für die Berechnung des Prozentsatzes in Sp. 6 ist die Summe dem Schuldbestand der Staatsschuldenverwaltung zugerechnet. Ausserdem befand sich zu Anfang des Jahres auf dem Etat der Eisenbahnverwaltung, wie in den folgenden Jahren ein kleiner Rest von Obligationen der Braunschweigischen Eisenbahn und der Stargard-Posener Bahn (vgl. Anmerk' 4).

*) Restbetrag der Obligationen der Stargard-PoaenerBahn, von der Schuldenverwaltung an die Eisenbahnverwaltung zu deren Tilgung überwiesen.

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2 70 ^" v" Kaufmann,

Die Tilgung anlangend, würde es von Interesse und lehrreich sein, wenn die in der Spalte 7 der obigen Tabelle durch die einzigen möglichen (vgl. S. 168 Anm. 4) Stichproben illustrierten Prozentsätze der Gesamttilgung den die Schuldenverwaltung allein betreffenden Prozentsätzen (oben Sp. 6)1) fort- laufend an die Seite gestellt werden könnten. So viel ist aber aus jenen Stichproben mit Sicherheit zu entnehmen, dass das Mass der Gesamttilgung immer nur um wenige Hundertstel eines Prozent dasjenige der Tilgung der Schul den Verwaltung allein überstiegen hat, dass die beiden Prozentsätze der

Tilgung von 1890/91 mit 0,35 bezw. 0,39%, abgesehen von ausnahmsweise ausserordentlichen Tilgungen der Schuldenverwaltung, für die 80er Jahre typisch sind, und dass dies ebenso für die ersten 90er Jahre mit den Prozentsätzen von 1894/95 - 0,24 bezw. 0,27% - der Fall ist, während von 1895/96 ab die

Vereinigung der Schuld im Etat der Schuldenverwaltung so weit vorgeschritten ist und die Tilgungssummen der Eisenbahnverwaltung so minimale geworden sind, dass die letzteren für den Prozentsatz der Tilgung überhaupt nicht mehr ins Gewicht fallen. Von 1897/98 ab hat sich die wirkliche Tilgung der Schulden-

verwaltung, soweit das aus der Uebersicht für 1898/99 und für das folgende Jahr aus den Erläuterungen zum neuesten Etat ersichtlich wird, ausser

172 Mill. M. in 1899/1900 auf die planmässigen und auf die in ihrer Höhe schwankenden, gesetzlich festgelegten Tilgungen aus den Rückzahlungen auf

ehemalige Grundsteuerentschädigungen beschränkt. Damit wurde die Höhe der wirklichen Tilgung immerhin auf 1/i 0 °/o des Schuldkapitals nur so lange erhalten, als noch ein Rest der jährlich rund 6 Mill. M. Tilgung erfordernden alten Staatsschuldscheine vorhanden war. Dieser Rest ist mit der Tilgung von

1899/1900 verschwunden, und so würde, wenn an dieser Praxis der letzten Zeit

festgehalten werden sollte, im kommendem Etatsjahr die wirkliche Tilgung nur

noch, wie in unserer obigen Tabelle angedeutet ist, 3,6 resp. 3,8 Mill. M. = 0,05% des Schuldkapitals betragen, d. h. die wirklich« Tilgung, die in den letzten Jahren schon nicht mehr nennenswert war, wird - das Festhalten an der jüngsten Praxis vorausgesetzt - aus dorn preussischen Uudget so gut wie verschwunden sein.

Einen durchschnittlichen Prozentsatz der wirklichen Tilgung für unsere

20jährige Periode zu berechnen, welchen ich seiner Zeit für die Jahre 1882-96, <lie Tilgungen der Staatsachuldenverwaltung anlangend, auf 0,55% festgestellt habe2), erübrigt sich hiernach vollständig; derselbe könnte heute nur noch etwas

niedriger als jener ausfallen. Ebensowenig bedürfen für den Zweck der hier

beabsichtigten Gesamtorientierung über die preussische Finanzgebarung die von mir bei jener früheren Gelegenheit8) gemachten Feststellungen über das

Anlagekapital der preussischen Staatsbahnen und die für dasselbe den Staat belastenden Schulden, sowie über die Tilgung dieser speziell für die Zwecke <ler Eisenbahnen kontrahierten Staatsschulden einer Ergänzung für die w enigen

i) Bezüglich der entsprechenden bei einer anderen Gelegenheit - Finanzarchiv 1897 S. 480 Sp. 2 der dortigen Tabelle - für die Jahre 1882/83 bis 1896/96 berechneten Prozentsätze «ei nochmals daran erinnert, dass dort in einigen Jahren die Rückzahlungen von Schatz- schemen mitberücksichtigt werden mussten.

2) Finanzarchiv 1897 S. 480. 3) L. c. S. 511 ff. und S. 518.

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Einige Bemerkungen zu den preussischen Budgets seit 1880. '1'

seitdem verflossenen Jahre. Dort habe ich feststellen können, class in der 16jährigen Periode von 1880/81 bis 1895/96 von einer gesamten für Eisenbahn- zwecke kontrahierten Schuldenlast von 6245 resp. 6426 Millionen M. im ganzen nur 293 Mill. M. = 4,56 resp. 4,67% der kontrahierten Schuld getilgt worden waren. Dies Verhältnis kann sich bis heute nur verschlechtert haben und ist der allergrösste Teil der preussischen Staatsschulden heute noch wie damals Eisenb ahn schuld, was vollauf durch die offizielle Angabe im jüngst vorgelegten Etat1) bestätigt wird, dass von einem gesamten Verzinsungs- und Tilgungsbedarf der Staatsschuld von 272,7 Mill. M. 258,1 Mill. M. auf Eisen- bahnschulden entfallen2).

i) Staatshaushaltsetat für 1900, Vorbericht S. X. 2) Obschon also die Verhältnisse auch heute noch so liegen, wie ich an den oben

wiederholt citierten Stellen und ausserdem, Frankreich anlangend, in dieser Zeitschrift 1898 S. 125 ff. in meinem Aufsatze „Frankreichs Finanzlage Ende 1897" zumal S. 161-180 dar- gestellt habe, hat der Herausgeber der 7. Auflage von Roschers „Nationalökonomik des Handels und Ge werbf leiss esa, Stuttgart 1899, Prof. Dr. Wilhelm Stieda in Leipzig, 1. c. S. 521 über meine diesbezüglichen Untersuchungen sich wie folgt aussprechen zu dürfen geglaubt:

„Wie wenig gegründet dieselben sind in Bezug auf die angeblich stärkere Tilgung der (sei. französischen) Eisenbahnkapitalschuld s. A. v. d. Ley en im Archiv f. E.-B.-Wesen XX, 149 ff."

Ich stelle hierzu fest, dass: 1. diese von Prof. Stieda der neuen Auflage des Roscherschen Werkes angefügte

Bemerkung im Widerspruch zu der in Anmerk. 3 desselben Paragraphen (S. 516) von ihm ohne Vorbehalt beibehaltenen, sachlich richtigen Ausführung Roschers steht: „Die französischen Privatbahnen, auf 9!) Jahre konzessioniert, müssen während dieser Zeit alle ihre Schulden und Aktien amortisieren" (d. i. von heute ab in rund 50 Jahren); dass ich

2. bereits 2 Jahre vor dein Erscheinen der neuen Auflage des Roscherschen Werkes im „Finanzarchiv" : „Die Amortisation der preussisehen Staatsschulden und das Schulden- tilgungsgesetz vom h. März lx;)7u, 1897. II, S. 1-57, den endgültigen Nachweis erbraoht hatte, dass dio (wirkliche ) Tilgung der heutigen preussischen Staatsschuld, von der über 90 °/o Eisen - bahnschulden sind (1. c. S. 5o), nach dein bis dahin (I8i)5/:»ü) eingehaltenen Tempo einige 10 0 Ja lire und auch nach dorn von dorn neuen preussischen Tilgungsgesetz vorgeschriebenen Maaso, immer noch das Dreifache, des französischen Tilgungszeitraumes erfordern würde (1. c. S. f>y f.), dass ebenso aus den in meinem vorgenannten Aufsatze (1. c. S. 46, 50, 53) und den in meinem Buche „Dici Eisenbahnpolitik Frankreichs" (besonders Bd. II, S. »37, 338, 339) mitgeteilten Zahlen evident wird, dass auch in der Vergangenheit die französischen Tilgungssuininen absolut wie relativ grosser als die; entsprechenden preussischen gewesen sind, und dass demnach die mir gegenüber aufgestellten gegenteiligen Behauptungen des Stieda sehen Gewährsmannes, wie seitdem allseitig anerkannt worden ist, ihrerseits unbegründet gewesen bind (vgl. Finanzarchiv 1. c. S. 54 Anm. 1, meine „Schlussabrechnung" in den „An nal en des Deutschen Reichs" 18DS und u. a. Schubert im „Finanzarchiv" 1898 S. 956 und van der Borght im „Statistischen Archiv" 1899 S. 726 ff.: „Die unbefangene wissenschaftliche Kritik in Deutschland, Oesterreich und - wie besonders hervorgehober werden muss - auch in Frankreich hat das neue Werk v. Kaufmanns einstimmig als ein hervorragende Leistung anerkannt. Die einzige abfällige Kritik, die A. v. d. Ley en im „Archiv für Eisenbahnwesen" 1897 dem Werk entgegengestellt hat, konnte demgegenüber eine Bedeutung nicht erlangen und ist überdies - meines Erachtens freilich überflüssigerweise - von v. Kaufmann selbst in den „Annalen des Deutschen Reichs" (1897), in den „Preussischen Jahrbüchern4* (Bd. 88) und im „ Finanz ar chi v" (1897) so gründlich widerlegt worden , dass sie nur noch ein gewisses symptomatisches Interesse bei denjenigen zu erwecken vermag, welche die kritischen Leistungen des A. f. E. gegenüber volkswirtschaftlichen Studien während der letzten Jahre genauer verfolgt haben").

In Anknüpfung an meine vorstehende Abwehr sei noch erwähnt, dass Prof. Stieda, der 1. c. S. 517 u. 521 sich über mein Buch „Die Eisenbahnpolitik Frankreichs", wie folgt, auslässt:

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j7 2 R. v. Kaufmann,

Wir sind am Schiusa unserer Betrachtungsreihe angelangt. Aus dem Anschwellen der Budgetzahlen und aus der Zergliederung der Bruttoeinnahmen und Ausgaben nach den Hauptabteilungen des Budgets: der Ueberschussver- waltungen auf der einen, der zuschussbedürftigen Verwaltungen auf der anderen Seite, wurde bereits ersichtlich, wie bei den ersteren allmählich eine Verschiebung in dem Verhältnis ihrer Einnahmen und Ausgaben zu denen des Gesamtbudgets eingetreten war und sich demgemäss die Bedeutung ihres Ueberschusses fin- den Zuschussbedarf der anderen Budgetabteilungen verändert haben musste. Die weitere Untersuchung über das Verhältnis dieses Zuschussbedarfs zu jenen Ueberschüssen unter näherer Zergliederung beider zeigte dann, wie die Bedürf- nisse der Staatsverwaltung im engeren, eigentlichen Sinn und unter Aus- schluss der Schuldlasten bereits zu Anfang unserer Periode die Reinerträge der Steuern sowie des alten Domanialbesitzes und der älteren werbenden Betriebe des Staates vollständig in Anspruch nahmen und seitdem mit ihrem

1. S. 617: „Er (d. h. ich) schliesst mit einem fast begeisterten Lobeshymnus auf die französische Mustereisenbahnpolitik."

2. S. 521: „Wenn v. Kaufmann . . alle die Männer, die gegen Privatbahnen an- gekämpft haben , glaubt mit Spott und Hohn als Phrasendrescher und Maulhelden charakterisieren zu können, so ist das höchst einseitig."

diese beiden Stellen aus der oben erwähnten Kritik v. d. L e y e n s im Archiv f. Eisen- bahnwesen (XX, 1897, S. 139 u. 140) sich hat aneignen wollen , ohne dass der Leser bemerken könnte, dass S ti e da an der ersten Stelle seinem angeblich eigenen den Wortlaut eines fremden Urteils, und an der zweiten Stelle der Begründung seines Urteils : „so ist das höchst einseitig1* - den Wortlaut einer fremden Mitteilung substituiert.

Dieson Sachverhalt hat Prof. Stieda in einem Schreiben an mich vom 17. Dezember 1899 u. a. mit don Worten: „Es mag Ihnon ja befremdlich erscheinen, dass ich mein Urteil in die Worte v. d. Ley on s gokloidet habe" - zugoben müssen.

In demselben Schreiben aber hat der Genannt« es zum zwcitonmal abgelehnt, meinem unter aktcnmÜHsigor Darlegung dos ThatbestandoH an ihn goriehtoten Ersuchen zu entsprachen , dio ihm in den vorstehend erwiihnton drei Sätzen untcrgolaufr.nen Irrungen bei ihm passend erscheinender Gelegenheit von sich au h richtig zu h toll en.

Da ich nicht dulden darf, dass dio Ergebnisse meiner Untersuchungen durch die Wetter- verbreitung that s ti nlil ich un wah ror Behauptungen über dieselben kompromittiert werden, so stelle ich des weiteren fest:

ad 1. Ich habe an keiner Stello meines Buches weder dem Sinn noch dem Wortlaut nach die französische odor irgend eine andere als „Mustereisenbahnpolitik u bezeichnet, ge- schweige denn gepriesen, vielmehr überall gezeigt, dass „ebensowenig wio für jede andere staatliche oder wirtschaftliche Institution, so auch für das beste Eisenbahnwesen eine Formel zu finden" und „auch hier alles nur relativ ist" (Vorwort S. IX). Auch habe ich die preussische Verstaatlichung nicht anders denn als die notwendige Konsequenz der Entwicklung unseres Eisenbahnwesens und als für unsere Verhältnisse durchaus richtige Massnahme geschildert, wobei ich allerdings nicht verhehlen durfte, dass die finanzielle Gebarung nach der Ver- staatlichung einerseits deren Motivierung nicht entsprochen, anderseits zu manchen Bedenken den unerwünschten Anlass geboten hat.

ad 2. Ich habe an keiner Stelle meines Buches über „alle" Gegner des Privatbahn- systems in Frankreich - aber auch nicht über einen einzelnen derselben (vgl. über den missglückten Versuch v. d. L e y e n s , mir nachträglich wenigstens einzelne solcher Stellen nachzuweisen, meine „Schlussabrechnung" in den „Annalen des Deutschen Reichs" 1898 S. 140 ff.) - weder dem Sinne noch dem Wortlaut nach, mich so ausgedrückt, wie Prof. Stieda auch dann noch v. d. Ley en nachgeschrieben hat, nachdem von diesem selbst bereits lange vorher hatte zugestanden werden müssen , dass ich mich in meinem Buch „auch wohlwollend" über jene Männer ausgesprochen hätte (Arch. f. Eisenbahnw. 1897 S. 610), wonach er also mit seinem „alle die Männer etc." eine thatsächliche Unwahrheit vorgebracht hatte.

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Einige Bemerkungen zu den preussischen Budgets seit 1880. J'j'ß

wachsenden Zuschussbedarf immer mehr, bis gegenwärtig mit einem Drittel desselben, auf die schwankenden Ueberschüsse der Eisenbahnen angewiesen sind, und wie ausserdem die Schuldenlast nicht bloss mit ihrem, allerdings über- wiegenden, die Bahnen betreffenden Anteil, sondern vollständig und ausschliess- lich auf den Teil der Eisenbahnüberschüsse angewiesen ist, der nach der Be- friedigung des anderen Staatsbedarfs noch übrig bleibt. So zeigte eich, dass die in der 20jährigen Periode in die Erscheinung getretenen Budgetüberschüsse lediglich den unter Leitung einer umsichtigen Verwaltung von günstigen Kon- junkturen gehobenen Eisenbahnüberschüssen entstammten, wie anderseits in weniger günstigen Jahren die Balance in den preussischen Budgets ausschliess- lich davon abhängt, ob der Restüberschuss der Eisenbahnen zur Bedeckung des Schulderfordernisses hinreicht, wobei zu berücksichtigen ist, dass in solchen Jahren überdies, statt der Mehrüberweisungen des Reichs an die Bundesstaaten, ein Zu8chu88 von seiten der letzteren an jenes erforderlich wird und zwar immer häufiger, wenn nicht schliesslich ständig notwendig werden wird, je mehr die Bedürfnisse des Reichs und zugleich auch dessen Schulden wachsen.

Bei solcher Sachlage bieten die Schuldlasten des Staats die einzige Stelle, an welcher bei Eintritt ungünstiger Zeitläufe eine Erleichterung der Budgetgebarung stattfinden könnte. Denn es kann bei der Beschaffenheit fast der ganzen Schuldenmasse Preussens als konsolidierter, von seiten der Gläubiger unkündbarer Schuld nach den gesetzlichen Bestimmungen die wirkliche Tilgung (s. oben S. 158 f.) jederzeit so gut wie gänzlich sistiert werden. Dadurch würden die für dieselbe etatsmässig bestimmten Summen zur Deckung eines sonst ent- stehenden Defizits, das andernfalls durch Anleihen gedeckt werden müsste, frei und bliebe als zu prästierende Schuldlast in solchen Fällen nur die Verzinsung übrig. Wenn es daher darauf ankommen müsste, gerade die Zinslast möglichst niederzuhalten, so haben wir gesehen, dass umgekehrt einerseits die die Zukunft im voraus engagierenden neuen Anleihekredite bisher eine fortlaufende Kette gebildet haben und in der letzten Zeit sichtlich wieder eine steigende Tendenz wahrnehmen lassen, und dass anderseits die wirkliche Schuldentilgung, welche der fortlaufenden Erleichterung der vorhandenen Zinslasten zu dienen bestimmt ist, bei s te ig en der Schuld nachgerade zu erlöschen droht.

Die letztere Erscheinung ist um so auffälliger, als sie unmittelbar nach dem Erla88 eines neuen Tilgungsgesetzes und noch da/u ohne eine zwingende Finanzlage, vielmehr bei gleichzeitig vorhandenen, ausserordentlich grossen Budge ttiber8chü8sen eingetreten ist. Das erklärt sich auf der einen Seite aus jenem Gesetz selbst: Gesetze dürfen ihre allgemeinen Bestimmungen nur auf ent- sprechende allgemein gültige Begriffe gründen, auf nicht allgemein gültige Begriffe nur Ausnahmefälle. Das preussische Tilgungsgesetz von 1897 aber hat der von ihm angeordneten Schuldentilgung nicht den allgemein gültigen Be- griff der Tilgung, d. i. Befreiung von einer vorhandenen Schuld zu Grunde gelegt, sondern diesem die Vorstellung eines Vorganges, der allgemein nichts weiter als einen Verzicht auf neue Schuldaufnahmen bedeutet, substituiert, - als ob das Schuldenmachen unter allen Umständen eine Notwendigkeit und daher ein Verzicht auf dasselbe eine Befreiung von einer Schuldverpflichtung und somit gleich einer Tilgung wäre ! Eine solche Begriffsverschiebung ist logischer Weise nur möglich, wenn bereits eine positive Verpflichtung zu einer Ausgabe

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mit der gleichzeitigen Verpflichtung, dieselbe gerade durch Schuldenaufnahme zu decken, vorliegt. Das aber ist ein Einzelfall der Thatsächlichkeit , und selbst ein Zustand , in welchem die Aneinanderreihung solcher Fälle zur Ge- wohnheit geworden sein sollte, ist deshalb noch kein regelmässiger, allgemein- gültiger. Wenn in solchen Einzelfällen die Verwendung vorhandener Mittel zur Erleichterung derartiger Verpflichtungen nützlich und angebracht sein kann und das Tilgungsgesetz solche Fälle berücksichtigen wollte, so hätte es dieselben demnach als Ausnahmen behandeln und die Bedingungen der Zu- lässigkeit der Verrechnung von Tilgungsmitteln auf Anleihekredite näher um- grenzen müssen. Indem jenes Gesetz aber generell derartige Verrechnungen der Tilgung substituiert, scheint es den Zustand, dass der Staat bisher ständig und stets für eine längere Periode im voraus zum Schuldenmachen engagiert war, als normalen und allgemeingültigen zu sanktionieren. Hierin liegt begreiflicherweise ein Anreiz und gewissermassen sogar eine entlastende Ent- schuldigung, wenn das wirkliche Schuldeniilgen zu Gunsten der Verrechnung auf Anleihekredite auch dann schon aufgegeben wird, wenn in der finanziellen Lage absolut kein Anlass dazu vorliegt, im Gegenteil eine thatsächliche Ver- wendung der unter dem Etattitel „Tilgung" ausgeworfenen Summen für eine wirkliche Tilgung auch den Vorteil dargeboten hätte, dass in dem gerade vorliegenden Fall ein nicht unbeträchtlicher Posten - es handelt sich in den 3 Jahren 1897 bis 1899 um rund 80 Millionen *) - durch Ankauf von Konsols zu einem verhältnismässig niedrigen Kursstande hätte getilgt und durch diese Ankäufe zugleich ein hemmender Einfluss auf das weitere, für den Staatskredit gefährliche Sinken der Kurse der Staatspapiere ausgeübt werden können.

Wenn nun auch durchaus nicht geleugnet werden soll, dass die Solidität der die preussische Finanz Verwaltung immerhin beherrschenden Grundsätze, wie

überhaupt das Geschick und die Umsicht dor sio leitenden Männer, das Schiff der preussischen Staatsfinanzen mit Glück und Erfolg durch dio mit der Ver-

staatlichung der Kisenbahiien vorknüpften (Jefahren gelenkt und die sicher nicht leichtere Aufgabe gelöst haben, diesen gewaltigen Vorwaltungsapparat dum Gesamt der Staatsverwaltung organisch einzugliedern ; wenn nicht zu übersehen ist, dass in der in den letzten Jahren stärkeren Ausstattung dor etatsniäasigon ausserordentlichen Ausgaben der Eisenbahnverwaltung die glückliche lioseitigung eines früheren Mangels, und in der neuerdings ganz besonders hohen Dotierung jenes Extraordinariums, in der Schaffung des Eisenbahndispositionsfonds die Vor- sicht in der Beurteilung der Lage und die vorbeugende Sicherung von Reserven anerkannt werden müssen - so weist doch die Behandlung der Schuldentilgung, wie sie in jüngster Zeit mehr noch als früher thatsächlich geworden ist, auf einen Riss hin in der Handhabe des Schuldenwesens.

Die entsprechende Lücke, auf welche schon das Schuldentilgungsgesetz selbst, mehr noch in seinen Motiven als in seinem Tenor hingedeutet hat, ist nicht plötzlich entstanden; ihre Ursachen liegen in der gesamten Entwicklung des preussischen Schuldenwesens während der letzten 30 Jahre, und sie konnte mit dieser Deutlichkeit erst hervortreten, nachdem jene Entwicklung bis zu ihrem gegenwärtigen Stand gelangt war. Diese beginnt mit dem Konsolidations-

i) Vgl. oben in Tabelle V auf S. 160 Sp. 8 gegen Sp. 6. 1/4

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gesetz von 1869. Jene Konsolidation galt den damaligen alten Staatsschulden und sollte dem Zwecke dienen, neben einer Vereinheitlichung des Schulden- wesens zugleich eine Erleichterung von einer übergrossen Tilgung1) herbei- zuführen, die zumal in jenen Jahren grosser ausserordentlicher Staatsbedürfnisse bei gleichzeitig hohem Leihzins unverhältnismässig schwer auf das Budget ge- drückt hatte. Niemand dachte deswegen an ein gänzliches Aufgeben der Til- gung, wie auch in die Novelle zum Konsolidationsgesetz von 1871 eine weitere Ausdehnung der Konsolidation mit Rücksicht darauf nicht aufgenommen worden war, dass damals die Möglichkeit grosser Schuldentilgungen aus der Kriegs- kostenentschädigung vorlag. Die Eisenbahnverstaatlichung war beim Erlass des Konsolidationsgesetzes überhaupt noch nicht in Sicht gewesen; nun drängte sie sich auf, bevor die Ausführung der Bestimmungen jenes Gesetzes vollendet war. Da gab die Form der konsolidierten Anleihe für diese gewaltige Operation, deren finanzielle Folgen wie spätere Erfolge sich damals mit Sicherheit gar nicht übersehen liessen, ein Mittel zur Durchführung jener an die Hand, welches da- durch, dass es vorläufig keine Verpflichtung zur Rückzahlung auferlegte, das Wagnis der Verstaatlichung zu erleichtern schien. Gleichwohl entschloss man sich, einen grossen Teil der Obligationenschulden der verstaatlichten Privat- bahnen, unter Belassung des grössten Teils derselben auf dem Etat der Eisen- bahnverwaltung, in zunächst unveränderter Form auf den Staat und damit für diesen die Verpflichtung zu übernehmen, deren planmässige Tilgung fortzu- setzen. Vielleicht wäre es angebrachter gewesen, diese Obligationen im Interesse der Einheitlichkeit von vornherein auf den Etat der Staatsschuldenverwaltung zu bringen. Jedenfalls machte sich mit jenem Bedürfnis zugleich das andere geltend, die Durchführung der Verstaatlichungsgesetze zu vollenden, d. h. die dem Wesen der Staatsschulden fremden und mit ihren verschiedenartigen Be- stimmungen vielfach unbequemen, zum Teil auch unzeitgemäss hoch verzins- lichen Eisenbahnobligationen in konsolidierte Anleihe zu verwandeln. Dadurch wurde mehr und mehr der letzte Rest der Staatsschulden, worauf schliesslich auch die Motive des Schuldentilgungsgesetzes von 18(.)7 hinwiesen, einer obli- gatorischen Tilgungspflicht entzogen.

Wenn nun nuch dieses Tilgungsgesetz die im Zusammenhang mit der vorerwähnten Motivierung ausgesprochene Absicht: den bis dahin auf privat- rechtlicher Verpflichtung gegenüber den Gläubigern beruhenden, durch die vollzogene Konsolidierung der Staatsschulden aber fortgefallenen Zwang zur Schuldentilgung durch einen anderen zu ersetzen, den der Staat sich mit jenem Gesetze selbst auferlegen wollte - nicht hat verwirklichen können, und wenn dies, wie wir gezeigt haben, daher rührt, dass das Gesetz bezüglich der über die planmässig-obligatorische hinausgehenden Tilgung die Verwendung der ent- sprechenden Mittel auf Anleihekredite der Tilgung gleich zu achten gestattet, so wird hieraus im Zusammenhang mit dem vorstehenden kursorischen Rück- blick auf die Entwicklung des preussischen Schuldenwesens ersichtlich, wo sich die oben angedeutete Lücke desselben zeigt: d. i. in dem Mangel eines ge- eigneten Ersatzes der in das Staatsschuldenwesen aus anderen Gründen nicht

i) Vgl. Sattler, Die Schulden des preussischen Staats von 1870-91 in dieser Zeit- schrift, 1892, S. 67.

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17ß R. v. Kaufmann,

hineinpassenden Eisenbahnobligationen durch einen mit entsprechender Tilgungsverpflichtung ausgestatteten Staatsschuldentitel.

Die Einführung eines solchen Titels hätte, ohne dass die mehrfach ver- langte völlige Trennung der Eisenbahn- von den Staatsfinanzen und damit die Aufhebung der Einheit in der Staatsfinauz Verwaltung nötig würde, es ermög- licht, in jedem Augenblick die Bilanz des Staates in Bezug auf seine Eisen- bahnunternehmungen zu überschauen, und hätte es ermöglicht, ohne die Konsoli- dation der allgemeinen Staatsschulden zu alteriren, an einer, wie die Erfahrung lehrt, nur zu leicht übersehenen angemessenen Tilgung eines Schuldkapitals festzuhalten, das in einer industriellen Anlage investiert ist, welche in ihren Einrichtungen sich abnutzt und schliesslich veraltet, in ihrem Ertragswert schwankt und in ihrem Gesamtwert von technischen Revolutionen abhängt.

Als der französische Staat in derselben Zeit, in welcher Preussen an die Verstaatlichung der Eisenbahnen herantrat, aus anderer Verumständung und anderen Gründen zunächst den Rückkauf einer Anzahl von Privatbahnen vor- nehmen und so ein eigenes Staatsbahnnetz bilden musste, sodann in dem Pro- gramm von 1879 sich die Verpflichtung zur Ausführung umfassender Eisenbahn-, Wasser- und anderer Bauten auferlegte, waren dort die leitenden Kreise der Nation bereits hinlänglich mit der Erfahrung vertraut, welche Schwierigkeiten sich iler Abtragung konsolidierter unkündbarer Schulden entgegenzustemmmen pflegen. Gleichzeitig aber war man dort nicht im Zweifel darüber, dass derartige Unter- nehmungen, wie sie zur Zeit begonnen werden sollten, eine Tilgung der für sie aufgenommenen Schulden bedingten. So schuf Leon Say nach der Ana- logie der Schuldtitel der Privatbahnunternehmungen damals den neuen Typ der 3°/oigen tilgbaren Staatsrente, der seitdem jenen Staatsunternehmungen zu dienen hat. Wie später der Staat in den Verträgen von 1883 einen Teil der von ihm mit dem „grossen Progni mm u Übernommenen BaulaBt auf die Eisenbahngesollschafton abwälzen, den grösseren Teil aber, wenn auch nur vorläufig, in der Form der vorschussweisen Aufbringung der Baukosten durch diese, ebenfalls den Eisenbahngosellschaften auferlegen konnte, hat er sich durch die Verpflichtung, solche Vorschüsse in Annuitäten abzutragen einen weiteren Tilgungszwang auferlegt, der die Tilgung dieses Baukoatenan teils des Staates in der gleichen Zeit sichert, in der die EisenbahngesellHchaften ihre eigenen Schulden getilgt haben müssen, d. i. bis 1950/60.

Diesem mehrfachen Tilgungs zwange hat Frankreich es zu danken, dass seine Staatsschuld, welche nach den neuesten und erstmalig offiziell von seiten der Regierung erfolgten Aufstellungen1) am 1. Januar 1895 80,409,058,124 Fr. und am 1. Januar 1899 29,854,814,837 Fr. betrug, allein in den vier Jahren 1895-98 sich um 554 Mill. Fr. vermindert hat - macht mit den im Budget- gesetz für 1899 zur Tilgung ausgeworfenen 97,5 Mill. Fr. für 1895-99 zus. (351 Mill. Fr. ; in das Budget für 1900 ist von der Budgetkommission eine

Tilgung von abermals 100,9 Mill. Fr. eingestellt. Neben einer entsprechenden Entlastung von Schuldzinsen und dem Freiwerden bezüglicher Tilgungsquoten (erledigter Annuitäten etc.) ist gleichzeitig der Garantiebedarf der franzö- sischen Privatbahngesellschaften (d'intérêt général) von noch 106 Mill. Fr. im

i) Budgetvorlage für 1900 S. 37 und S. 68, 69. - Die Tilgungszahlen seit 1883 vgl. in meinem Aufsatz über die Finanzlage Frankreichs in dieser Zeitschrift 1898 S. 174.

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Einige Bemerkungen zu den preussischen Budgets seit 1880. 177

Jahr 1893 auf 20,7 Mill. Fr. für 1898 herabgegangen und wird in Rück- zahlungen der Gesellschaften und Gewinnanteilen des Staates demnächst seinen Ausgleich finden1).

Bei solcher Finanzlage konnten in Frankreich die Mittel für neu an den Staat herantretende ausserordentliche Aufgaben innerhalb der ordentlichen Budgeteinnahmen gefunden werden, so dass der Staat u. a. seine im Jahre 1898 begonnenen Marinebauten bis heute thatsächlich ohne Anleihen und bei gleich- zeitiger Abnahme der consolidierten wie der schwebenden Schuld hat ausführen können und die Regierung sich entschlossen hat, auch für die Ausführung des neuerdings aufgestellten Programms von Schiffs- und anderen maritimen Bauten von der Vorlage eines Anleihegesetzes abzusehen, vielmehr zugleich die letzte Hand an die Vereinheitlichung des Budgets zu legen durch Uebernahme zunächst eines Teils der bis dahin von den Eisenbahncompagnien vorschuss- weise aufgebrachten Baukostenanteile des Staates in dessen ordentlichen Etat.

Unterdessen haben die Eisenbahngesellschaften die planmässig steigende Tilgung ihrer Anlagekapitalien - Aktien und Obligationen - fortgesetzt. Dieselbe hat i. J. 1895 bereits 108 Mill. Fr. und, bei einer jährlich etwas stei- genden Zunahmequote von gegenwärtig ca. 4 Mill. Fr., in den 5 Jahren 1895 bis 1899 zusammen rund 580 Mill. Fr. betragen und wächst progressiv weiter. Diese 580 Mill, dürfen bei einem vergleichenden Blick auf die Tilgung der preu8sischen Staateschulden, die im wesentlichen Ei s en bahn schulden sind, nicht übersehen werden, weil das bisher von Privatcompagnien betriebene, von Anfang an aber dem Staat als Obereigentümer gehörende französische Eisen- bahnnetz, welches jenem in ca. 50 Jahren lastenfrei heimzufallen hat, in dem Masse der fortschreitenden Tilgung seiner Anlagekapitalion zu Gunsten des Staat es von Lasten und Schulden befreit wirtl.

Somit hat die th atsächliche Gesam tenti as tung der Zukunft dos französischen Staats durch planmässige, zwangsweise und wirk- liche Tilgung in den letzten 5 Jahren von 1895 biR 1899: 651+580 Mill. Fr. oder rund eine und ein Viertel Milliarde betragen , während wir in Reich und Staat trotz aller „Ueberschiisse" nicht nur alte Schulden nicht tilgen, solid orn immer noue Schulden aufnehmen und damit die Zukunft weiter belasten. Dabei ist zu beachten, dass die Nettoeinnahmen unserer Staatebahnen nicht in demselben Masse weiter wachsen wie die Ausgaben der KÌ8enbahnverwaltung, und class die Anleihen, welche nach der Durchführung der Verstaatlichung, selbst für werbende Anlagen aufgenommen worden sind und werden, in diesen nicht mehr die - einstweilen noch - reiche Deckung finden wie die vordem kontrahierten.

Aus allem folgt, dass wir gegenüber einem fortdauernd gesteigerten Ausgaben bedarf, innerhalb dessen die Bereitstellung von Mitteln zur wirk- lichen Tilgung nicht länger vernachlässigt werden darf, neuer und reich- lich fliessender Einnahmequellen für Staat und Reich bedürfen.

i) Vgl. R. v. Kaufmann, „Die Eisenbahnpolitik Frankreichs", 1896, Bd. I S. 436, Bei. II Kap. 18, zumal S. 178 ff. und S. 442 ff. ; derselbe, „Frankreichs Finanzlage Ende 1897" im Finanzarchiv 1898 S. 162 if.

Finanzarchiv. XVII. Jahrg. 177 12

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