Ein Bus für Mensch und wenig Material · 2011-01-24 · 108 37/2010 Verkehrs RUNDSCHAU VR/Soller,...

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108 37/2010 VerkehrsRUNDSCHAU VR/Soller, VR/Reichel Fährt wie auf Schienen: spur- stabiles Fahr- verhalten im H1 Ein Bus für Mensch und wenig Material S icher, die Preisfrage hat man noch im Hinterkopf, wenn man sich einem „Koreaner“ nähert. Doch mittlerwei- le hat es Hyundai geschafft, die Marke vom einstigen Billig-Image weg- und zum Attri- but „preiswert“ hinzuentwickeln. Billig ist der neue Dauertester und VW-Bus- Konkurrent H1 Travel CRDI Comfort mit 23.490 Euro netto nicht mehr – immerhin erhält man dafür auch einen VW T5 Kombi. Aber blickt man auf die lange Liste der Seri- enausstattung und hält die karg gerüsteten Marktführer aus Niedersachsen dagegen, stellt sich der Eindruck ein: verdammt viel Auto fürs Geld. Wo im Basis-VW ein schmalbrüstiger 84-PS-TDI Dienst tut, packt im Hyundai ein 2,5-Liter-Motor mit 170 PS und 394 Nm an. Feine Materialien inklusive verkleidetem Dachhimmel sowie komplette Ausstattung mit zwei Schiebe- türen, elektrisch verstell- und beheizbaren Spiegeln, Lederlenkrad, Klimaanlage, Rück- Hyundai geht in die Offensive. Nicht nur bei den PKW strebt die Marke nach vorn. Im harten 100.000-km-Dauertest der VR muss der H1 Travel mit 170-PS- Diesel beweisen, ob er schon das Zeug zum VW-T5-Jäger hat. Sahneseite: Im Cockpit hat Hyundai wertige, oben sogar geschäumte Materialien verbaut. Schlicht dagegen die Instrumente, kein Bordcomputer, ESP Serie Größtes Manko im Vergleich zum VW-Bus: mangelhafte Variabilität für Mischnutzer DAUERTEST 15.000 km Dauertest Hyundai H1 Test + Technik

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108 37/2010 VerkehrsRUNDSCHAU

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Fährt wie auf

Schienen: spur-

stabiles Fahr-

verhalten im H1

Ein Bus für Mensch und wenig Material

Sicher, die Preisfrage hat man noch im Hinterkopf, wenn man sich einem „Koreaner“ nähert. Doch mittlerwei-

le hat es Hyundai geschafft, die Marke vom einstigen Billig-Image weg- und zum Attri-but „preiswert“ hinzuentwickeln. Billig ist der neue Dauertester und VW-Bus-Konkurrent H1 Travel CRDI Comfort mit 23.490 Euro netto nicht mehr – immerhin erhält man dafür auch einen VW T5 Kombi. Aber blickt man auf die lange Liste der Seri-

enausstattung und hält die karg gerüsteten Marktführer aus Niedersachsen dagegen, stellt sich der Eindruck ein: verdammt viel Auto fürs Geld. Wo im Basis-VW ein schmalbrüstiger 84-PS-TDI Dienst tut, packt im Hyundai ein 2,5-Liter-Motor mit 170 PS und 394 Nm an. Feine Materialien inklusive verkleidetem Dachhimmel sowie komplette Ausstattung mit zwei Schiebe-türen, elektrisch verstell- und beheizbaren Spiegeln, Lederlenkrad, Klimaanlage, Rück-

Hyundai geht in die Offensive. Nicht nur bei den PKW strebt

die Marke nach vorn. Im harten 100.000-km-Dauertest der VR muss der H1 Travel mit 170-PS-Diesel beweisen, ob er schon

das Zeug zum VW-T5-Jäger hat.

Sahneseite: Im Cockpit hat Hyundai wertige, oben sogar geschäumte Materialien verbaut. Schlicht dagegen die Instrumente, kein Bordcomputer, ESP Serie

Größtes Manko im Vergleich

zum VW-Bus: mangelhafte

Variabilität für Mischnutzer

DAUERTEST15.000 km

Dauertest Hyundai H1Test + Technik

Test + Technik

VerkehrsRUNDSCHAU 37/2010 109

Dauertest Hyundai H1

fahrwarner, acht bequemen Sitzen und ESP umfasst das Paket der mittleren Version „Comfort“. Wer das alles in einen T5-Kombi nachrüstet, samt stärkstem Motor (aller-dings Euro 5), landet jenseits von 35.000 Euro. Ganz zu schweigen von einer eher dem H1 Travel entsprechenden „Caravelle“. Größtes Manko des H1: Bisher gibt‘s nur Euro 4 ohne Rußfilter – ebenso wenig zeit-gemäß wie ein 20.000er-Ölwechselintervall. Sehr zeitgemäß dagegen: Drei Jahre Garan-tie ohne Kilometerbegrenzung.

Zur Perfektion eines T5 bleibt noch Luft

Auf den ersten 15.000 Kilometern im neuen Dauertest-Express der VR erschloss sich aber auch schnell, was dem gefälligen Aufsteiger zu einem VW T5 fehlt: Fein-schliff und Akribie bis ins Detail. Das be-trifft zum einen den Antrieb. 170 PS (laut ADAC-Leistungsprüfung sogar 176 PS) sind zwar vielversprechend, die vielen Pferde traben aber müde an, um erst mit der Drehzahl fast sportive Rasanz zu ent-wickeln. Nervig ist vor allem das tiefe Loch, in das der stellenweise etwas rau vi-brierende 2,5-l-Hyundai-Vierzylinder im zweiten der fünf Gänge fällt. Regelmäßig

säuft man an Garagenausfahrten ab. Ganz zu schweigen vom Anhängerbetrieb (siehe Kasten). Ansonsten gibt der H1 einen kraftvollen, komfortablen, auch abroll-technisch leisen Autobahnexpress, dem aber ein sechster Gang guttäte: Unter acht Liter bekommt man den Verbrauch auch mit moderater (Test-)Fahrt nicht, wer es eilig hat (der H1 läuft bis Tacho 200), reißt schnell die Zehn-Liter-Marke. Feinschliff fehlt auch bei der Integration von Zubehör, eine Disziplin, die das preu-ßische Vorbild mit Features wie einer Ar-mada von Airbags, Spurwechselassistent, Edel-Navis, Bordcomputer, Regen- oder Lichtsensoren, Einpark- oder Zuziehhilfen fast schon übertreibt. Beim H1 funktio-niert dagegen nicht einmal der Parksensor zuverlässig, der mal wild (fehl-)alarmiert, mal in voller Fahrt pfeift. Auch der wenig feinfühlige Tempomat ist eine Bastellö-sung wie nachträglich aus dem Baumarkt. Die Flexibilität des Innenraums ist sehr beschränkt. Wer mit all den kleineren Ma-keln leben kann, der erhält mit dem H1 wirklich viel Auto fürs wenige Geld. ���

Johannes Reichel

Mäßig: Sitzbänke nicht ausbaubar, letzte Reihe nur zu klappen. Großformatige, bequeme Sitze, Neigung verstellbar, 2. Reihe vorschiebbar, große Türfächer

Mühsamer, als die Leistung erwarten lässt, hoher Verbrauch

Feinschliff könnte beim Hyundai H1 auch der Antriebsstrang brauchen: Denn der eigentlich drehmomentstarke Motor stemmt sein Maxi-mum erst bei 2000 Touren. In Verbindung mit dem lang übersetzten Fünfgang-Getriebe hat man besonders im Hängerbetrieb Mühe, an Steigungen anzufahren. Auch in hügeligem Terrain hilft nur der Griff zum Schalthebel, um das mit 1,5-t-Humbaur-Tandem achshänger knapp 4,2 Tonnen schwere Test-Gespann flott über den Berg zu bringen. 2,3 Tonnen Anhän-gelast sind o. k., ein T5 bietet aber mehr. Und

nimmt im Zugbetrieb mit asketi sch en 10 l/100 km (140-PS-TDI-Kombi) viel weniger Sprit zu sich: 12,11 l/100 km sind für das H1-Gespann wirklich üppig. Immerhin kommt das Fahr-werk des schweren Koreaner-Wagens (2360 kg leer) mit der Fracht am Haken gut klar. jr

Top Traktion, kleiner Wendekreis: H1-Gespann

G E S PA N N T E S T HY U N DA I H1 T R AV E L C R D I

Motor

Vierzylinder-Reihen-Dieselmotor, Common-Rail-Direkteinspr., VTG-Turbol., LLK, 4 Ventile pro Zyl., Euro 4, Oxi-Kat, Steuerkette, Hubraum: 2497 cm³, Leistung: 170 PS (125 kW; ADAC-Messung 176 PS) bei 3800/min, max. Drehmoment: 394 Nm bei 2000-2500/min, Service: 20.000 Kilometer

Kraftübertragung

manuelles Fünfgang-Schaltgetriebe, Hinterradan-trieb, Übersetzung: i=3,61

Fahrwerk & Bremsen

vorn Einzelradaufhängung, McPherson-Federbeine mit Stabi, hinten Multilenker-Starrachse; Scheiben-bremsen vorn (innelbel.) und hinten, Bereifung: 215/70 R 16; ABS, ASR, ESP, Bremsassistent

Maße & Gewichte

LxBxH: 5125x1920x1925 mm; Radstand: 3200 mm; Ladevol. (Sitze nicht ausbaubar): 851 l; Wen-dekreis: 11,2 m; zul. GG: 3030 kg, Leergewicht (Testwagen, 8-fach bestuhlt): 2360 kg, Nutzlast: 670 kg, Anhängelast (gebr.): 2300 kg, 75-l-Tank

Messwerte

Verbrauch Testrunde (122 km): 8,34 l/100 km; Ver-brauch ges. (10.500 km, v. a. BAB): 10,35 l/100 km

Preise & Ausstattung (in Euro)

Hyundai H1 Travel CRDI: 23.490,- Serie: ESP, Doppel-airbag, Außensp. elektr. beh.+ verst., el. FH, getön-te Scheiben, 2 Schiebetüren, Klima, Lederlenkrad, verst., ZV inkl. Fernbed., 8-fach bestuhlt, Parkpilot; Option: Navi Pioneer 1500,- Metalliclack 480,-

Garantien

36 Monate Garantie o. km-Begrenzung, 2 Jahre Lackgarantie, 10 Jahre gg. Durchrostung, 3 Jahre Euro-Mobilitätsgarantie inkl. Mietwagen/Hotel