Dynkin-Diagramme und Klassifikation von einfachen...

23
Dynkin-Diagramme und Klassifikation von einfachen Lie-Algebren Vortrag im Seminar zur Quantenmechanik II Wintersemester 2006/07, Universit¨ at Hamburg Sven Schubert, Thomas Kecker, Marc Hoge 17. Januar 2007 In den beiden vorigen Votr¨ agen wurde eine Lie-Algebra L eingef¨ uhrt als ein d- dimensionaler Vektorraum mit einer Basis {T α ∈ L| α =1,...,d} und einer bili- nearen Abbildung [, ]: L×L→L, die durch die Strukturkonstanten f γ αβ mit [T α ,T β ]= if γ αβ T γ (1) charakterisiert wird. Zu jeder Lie-Gruppe existiert eine solche Lie-Algebra, die die Gruppenmultiplikation der Lie-Gruppe (wenigstens in einer Umgebung der Eins) eindeutig festlegt. In diesem Vortrag geht es um die Klassifikation von Lie-Algebren, also der Frage, wieviele verschiedene Lie-Algebren es ¨ uberhaupt geben kann. Diese Frage besitzt eine durchaus ¨ uberraschende Antwort und es lohnt sich, die Mathematik zu verstehen, die zur Beantwortung herangezogen wird. Es wird sich herausstellen, dass man eine Lie-Algebra bzw. die Strukturkonstanten einer Lie-Algebra mit Hilfe von Dynkin- Diagrammen graphisch darstellen kann und dass es nur sieben verschiedene Klassen von m¨ oglichen Dynkin-Diagrammen und damit Lie-Algebren gibt. 1 Vorbemerkungen Zun¨ achst sei daran erinnert, dass die Wurzeln einer Lie-Algebra nur ganz bestimmte Winkel und L¨ angenverh¨ altnisse haben k¨ onnen. Im letzten Vortrag wurde gezeigt, dass, falls α und β Wurzeln sind und man n 1 := 2α · β α 2 , n 2 := 2α · β β 2 (2) 1

Transcript of Dynkin-Diagramme und Klassifikation von einfachen...

Page 1: Dynkin-Diagramme und Klassifikation von einfachen Lie-Algebrenjlouis/Vorlesungen/PS_06/vortrag_12.pdf · diagramm bilden. Die Tatsache, dass die einfachen Wurzeln das Wurzeldiagramm

Dynkin-Diagramme und Klassifikation voneinfachen Lie-Algebren

Vortrag im Seminar zur Quantenmechanik IIWintersemester 2006/07, Universitat Hamburg

Sven Schubert, Thomas Kecker, Marc Hoge

17. Januar 2007

In den beiden vorigen Votragen wurde eine Lie-Algebra L eingefuhrt als ein d-dimensionaler Vektorraum mit einer Basis {Tα ∈ L |α = 1, . . . , d} und einer bili-nearen Abbildung [• , •] : L × L → L, die durch die Strukturkonstanten fγ

αβ mit

[Tα , Tβ] = ifγαβTγ (1)

charakterisiert wird. Zu jeder Lie-Gruppe existiert eine solche Lie-Algebra, die dieGruppenmultiplikation der Lie-Gruppe (wenigstens in einer Umgebung der Eins)eindeutig festlegt.In diesem Vortrag geht es um die Klassifikation von Lie-Algebren, also der Frage,wieviele verschiedene Lie-Algebren es uberhaupt geben kann. Diese Frage besitzt einedurchaus uberraschende Antwort und es lohnt sich, die Mathematik zu verstehen,die zur Beantwortung herangezogen wird. Es wird sich herausstellen, dass man eineLie-Algebra bzw. die Strukturkonstanten einer Lie-Algebra mit Hilfe von Dynkin-Diagrammen graphisch darstellen kann und dass es nur sieben verschiedene Klassenvon moglichen Dynkin-Diagrammen und damit Lie-Algebren gibt.

1 Vorbemerkungen

Zunachst sei daran erinnert, dass die Wurzeln einer Lie-Algebra nur ganz bestimmteWinkel und Langenverhaltnisse haben konnen. Im letzten Vortrag wurde gezeigt,dass, falls α und β Wurzeln sind und man

n1 :=2α · β

α2, n2 :=

2α · ββ2

(2)

1

Page 2: Dynkin-Diagramme und Klassifikation von einfachen Lie-Algebrenjlouis/Vorlesungen/PS_06/vortrag_12.pdf · diagramm bilden. Die Tatsache, dass die einfachen Wurzeln das Wurzeldiagramm

Abbildung 1: Wurzeldiagramme aller Lie-Algebren vom Rang 2. (a) SU(2) × SU(2), (b)SU(3), (c) SO(5), (d) G2

setzt, es nur die vier Moglichkeiten gibt:

(i) n1 = 0 , n2 = 0 =⇒ Θ =π

2

(ii) n1 = 1 , n2 = 1 =⇒ Θ =π

3, |β| = |α|

(iii) n1 = 2 , n2 = 1 =⇒ Θ =π

4, |β| =

√2|α|

(iv) n1 = 3 , n2 = 1 =⇒ Θ =π

6, |β| =

√3|α|.

Dabei bezeichnet Θ := α·β|α| |β| den Winkel zwischen α und β.

Aus dieser Einschrankung folgt bereits, dass es fur Algebren vom Rang 2, fur die dieWurzeln 2-dimensionale Vektoren sind, nur vier mogliche Wurzeldiagramme gebenkann (siehe Abb. 1). Im Folgenden werden wir die Einschrankungen an das Wurzel-diagramm fur beliebigen Rang untersuchen.Dazu brauchen wir allerdings noch ein wenig Handwerkszeug, das wir jetzt bereit-stellen werden. Notwendig ist etwa der

Satz 1 (Weyl-Reflexion) Seien α und β Wurzeln, dann ist auch die Weyl-Reflexion

σα := β − 2β · αα2

α (3)

eine Wurzel.

Beweis. Zur Wurzel α besitzt L eine SU(2)-Unteralgebra mit J3 := 12Hα und J± :=

√2

|α|E±α. Setzt man dazu J1 := 12(J+ + J−) und J2 := 1

2i(J+ − J−), so erfullen die

2

Page 3: Dynkin-Diagramme und Klassifikation von einfachen Lie-Algebrenjlouis/Vorlesungen/PS_06/vortrag_12.pdf · diagramm bilden. Die Tatsache, dass die einfachen Wurzeln das Wurzeldiagramm

Ji fur i = 1, 2, 3 die gewohnliche SU(2)-Algebra [Ji , Jj] = i εijkJk. Mit der Baker-Campbell-Hausdorff-Formel kann man nun zeigen, dass

eiπJ2 J3 e−iπJ2 = −J3 (4)

gilt. Wegen Hα = 2α2 α ·H gilt auch

eiπJ2 α ·H e−iπJ2 = −α ·H . (5)

Sei nun v ein zu α orthogonaler Vektor, v · α = 0, dann gilt

[v ·H , E±α] = ±v · α E±α = 0 (6)

und damit wieder nach Baker-Campbell-Hausdorff auch

eiπJ2 v ·H e−iπJ2 = v ·H . (7)

Nun betrachten wir eine beliebige Linearkombination x ·H. Der Vektor x lasst sichaufteilen in einen zu α orthogonalen Teil x⊥ = (x− x·α

α2 α) und einen zu α parallelenTeil x‖ = (x·α

α2 α).

x ·H =((

x− x · αα2

α)

+x · αα2

α)·H

Unter der Transformation mit eiπJ2 wechselt x‖ ·H sein Vorzeichen, x⊥ ·H hingegennicht:

eiπJ2 x ·H e−iπJ2 =((

x− x · αα2

α)− x · α

α2α)·H

=

(x− 2x · α

α2

)·H

= σα(x) ·H .

Zur Wurzel β haben wir[x ·H , Eβ] = x · β Eβ . (8)

Transformiert man diese Gleichung auf beiden Seiten mit eiπJ2 , so erhalt man

[σα(x) ·H , Eβ] = x · β Eβ , (9)

wobei Eβ := eiπJ2 Eβ e−iπJ2 ist. Skalarprodukte sind aber invariant unter Weyl-Reflexionen, denn

σα(x) · σα(β) =

(x− 2x · α

α2α

)·(

β − 2β · αα2

α

)= x · β − 2

(x · α)(α · β)

α2− 2

(α · β)(α · x)

α2+ 4

(x · α)(β · α)

α2

= x · β ,

sodass man (9) auch schreiben kann als

[σα(x) ·H , Eβ] = σα(x) · σα(β) Eβ . (10)

3

Page 4: Dynkin-Diagramme und Klassifikation von einfachen Lie-Algebrenjlouis/Vorlesungen/PS_06/vortrag_12.pdf · diagramm bilden. Die Tatsache, dass die einfachen Wurzeln das Wurzeldiagramm

In Komponenten bedeutet das allerdings

[Hi , Eβ] = (σα(β))i Eβ . (11)

Das bedeutet aber, dass σα(β) eine Wurzel zu Eβ ist.�

Wichtig fur das Folgende ist die

Folgerung 1 Fur zwei verschiedene Wurzeln α und β gilt

(i) α · β < 0 =⇒ α + β ist eine Wurzel,

(ii) α · β > 0 =⇒ α− β ist eine Wurzel.

Beweis. Setze n1 := 2α·βα2 und n2 := 2α·β

β2 . Fur α 6= β ist o.B.d.A. n1 = ±1.

(i) Fur α · β < 0 ist n1 = −1. Es gilt

σα(β) = β − n1α = α + β .

(ii) Fur α · β > 0 ist n1 = +1. Es gilt

σα(β) = β − n1α = β − α .

Mit (β − α) ist naturlich auch −(β − α) = (α− β) eine Wurzel.

Jetzt sind die notigen Vorarbeiten geleistet und wir konnen uns dem Klassifikations-problem zuwenden.

2 Einfache Wurzeln und die Cartan-Matrix

Wie bereits bemerkt wird die Quatisierung der Wurzeln den Schlussel zur Klassifika-tion der moglichen Lie-Algebren liefern. Aus diesem Grund ist es jetzt zweckmaßig,aus allen Wurzeln eine geschickte Basis auszuwahlen, die das Wurzeldiagramm auf-spannt und zusatzlich nutzliche Eigenschaften besitzt. Im Folgenden wird gezeigt,dass die einfachen Wurzeln eine solche Basis bilden.

Definition 1 Sei eine Basis {Hi | i = 1, . . . , r} der Cartan-Unteralgebra fest gewahlt.Dann heißt eine Wurzel positiv, falls die erste nichtverschwindende Komponente po-sitiv ist.Daruber hinaus heißt eine positive Wurzel α einfach, falls man sie nicht als Sum-me von zwei weiteren positiven Wurzel schreiben kann, d.h. wenn es keine positivenWurzeln β und γ gibt, sodass α = β + γ. Man definiert noch die Menge der einfachWurzeln als

A := {αi |αi ist einfach} .

4

Page 5: Dynkin-Diagramme und Klassifikation von einfachen Lie-Algebrenjlouis/Vorlesungen/PS_06/vortrag_12.pdf · diagramm bilden. Die Tatsache, dass die einfachen Wurzeln das Wurzeldiagramm

Jede Wurzel ist nun eindeutig positiv oder negativ, und unter den positiven Wurzelngibt es einige, die zusatzlich einfach sind. Dass diese Einteilung naturlich von derWahl der Cartan-Basis abhangt, stellt kein Problem dar, da die Resulate, die amEnde aus diesen Uberlegungen abgeleitet werden, schließlich nicht mehr von derBasiswahl abhangen werden. Fur den Moment greifen wir uns einfach eine Basis festheraus und denken nicht mehr weiter daran.

Satz 2 Seien αi und αj verschiedene einfache Wurzeln. Dann gilt αi · αj ≤ 0.

Beweis. Angenommen, es gelte αi · αj > 0. Dann wissen wir aus der obigen Folge-rung, dass (αi − αj) eine Wurzel ist, und ebenso (αj − αi). O.B.d.A. ist (αi − αj)positiv. Dann gilt

αi = αj + (αi − αj) .

Das ist jedoch nicht moglich, da αi einfach ist. Die Annahme muss folglich falschsein und es gilt αi · αj ≤ 0.

Als nachstes wollen wir zeigen, dass die αi tatsachlich eine Basis fur das Wurzel-diagramm bilden. Die Tatsache, dass die einfachen Wurzeln das Wurzeldiagrammaufspannen, ist trivial, da die αi ja gerade so gewahlt waren, dass man alle Wurzelnals Summe aus einfachen Wurzeln schreiben kann. Die Wurzeln, bei denen das nichtmoglich ist, sind ja gerade selbst einfach. Es bleibt die lineare Unabhangigkeit.

Satz 3 Die einfachen Wurzeln sind linear unabhangig.

Beweis. Zu zeigen ist, dass aus∑|A|

i=1 ciαi = 0 bereits ci = 0 fur alle i folgt. Dieszeigen wir durch Widerspruch. Angenommen, es gabe also ci, nicht alle gleich Null,sodass

|A|∑i=1

ciαi = 0 . (12)

Da die αi alle positiv sind, mussen einige der ci positiv und einige negativ sein.O.B.d.A. sei angenommen, dass ci ≥ 0 fur i = 1, . . . , s und ci < 0 fur i = s+1, . . . , |A|gilt. Aus Gleichung (12) bekommt man dann mit bi := −ci

s∑i=1

ciαi =

|A|∑j=s+1

bjαj . (13)

Multiplikation beider Seiten mit∑s

i=1 ciαi liefert(s∑

i=1

ciαi

)2

=s∑

i=1

|A|∑j=s+1

cibj(αi · αj) . (14)

Die linke Seite von (14) ist manifest großer als Null, wahrend die linke Seite kleineroder gleich Null ist, da die Skalarprodukte von einfachen Wurzeln immer kleiner oder

5

Page 6: Dynkin-Diagramme und Klassifikation von einfachen Lie-Algebrenjlouis/Vorlesungen/PS_06/vortrag_12.pdf · diagramm bilden. Die Tatsache, dass die einfachen Wurzeln das Wurzeldiagramm

gleich Null sind. Widerspruch.�

Im vorangegangenen Vortrag wurde die Linearkombination Hα := 2α2 α ·H definiert.

Die Strukturkonstanten schreiben sich dann auch als

[Hα , Eβ] =2α · β

α2Eβ

[Eα , E−α] =1

2α2Hα

[Eα , Eβ] = Nαβ Eα+β

mit Nαβ = 0, falls (α + β) keine Wurzel ist. Auf dem Raum der Wurzeln stehtjetzt die Basis der αi ∈ A zur Verfugung und es ist daher zweckmaßig, speziell dieKommutatorrelationen der Hαi

zu betrachten:

[Hαi, Eαj

] =2αi · αj

α2i

Eαj(15)

[Eαi, E−αj

] =1

2Hαi

δij (keine Summe) . (16)

Im Falle i 6= j verschwindet der letzte Kommutator, da sonst (αi − αj) eine Wurzelware, was aber nicht sein kann (siehe Beweis zu Satz 2). Außerdem wurden die Eαi

noch fur die Normierung von (16) reskaliert.In der Form (15) und (16) sind die Strukturkonstanten vollstandig durch die Skalar-produkte der einfachen Wurzeln bestimmt. Die ganze Information uber die Struk-turkonstanten, und damit uber die gesamte Lie-Algebra, ist enthalten in der Cartan-Matrix K, die definiert ist durch

Kij :=2αi · αj

α2j

. (17)

Dabei steckt sogar noch uberflussige Information in K, denn die Diagonalelementesind einfach gegeben durch Kii = 2 (keine Summe uber i). Fur die ubrigen Elemente(i¬j) gilt

Kij ∈ {0,−1,−2,−3} , (18)

was aus der Wurzelquantisierung und der Tatsache folgt, dass Winkel zwischen einfa-chen Wurzeln immer großer oder gleich π/2 sind. Die Cartan-Matrix kann auf Grunddieser Einschrankungen graphisch sehr schon durch sogenannte Dynkin-Diagrammedargestellt werden. Die Konstruktion dieser Diagramme verschieben wir aber auf dennachsten Abschnitt, in dem der bis hier aufgestellte Formalismus zunachst auf diebekannten Lie-Algebren der SU(N) angewendet wird, sodass wir fur die SU(2) undSU(3) das Dynkin-Diagramm direkt hinschreiben konnen.

6

Page 7: Dynkin-Diagramme und Klassifikation von einfachen Lie-Algebrenjlouis/Vorlesungen/PS_06/vortrag_12.pdf · diagramm bilden. Die Tatsache, dass die einfachen Wurzeln das Wurzeldiagramm

3 Beispiele

3.1 Die SU(3)

Die SU(3) spielt als Eichgruppe der starken Wechselwirkung eine wichtige Rolle inder Teilchenphysik. Deshalb werden nun einfache Wurzeln und die Cartan-Matrixam Beispiel dieser Gruppe erlautert. Anschließend wird aus der Cartan-Matrix daszugehorige Dynkin-Diagramm konstruiert.Am Ende dieses Kapitels wird noch einmal kurz auf die physikalische Interpretationder Wurzeln eingegangen.

Wurzeln und Wurzeldiagramm

Als Vorbereitung zum eigentlichen Thema werden zuerst die Wurzeln der SU(3)bestimmt und in das entsprechende Wurzeldiagramm eingezeichnet.Eine bekannte Darstellung der SU(3) lautet

[λj, λk] = 2ifjklλl, j, k, l = 1 . . . 8 . (19)

Dabei sind die λj die Erzeuger der Gruppe und die fjkl die total antisymmetri-schen Strukturkonstanten. Die Erzeuger lassen sich durch spurlose, hermitesche 3×3-Matrizen darstellen. λ3 und λ8 sind zusatzlich diagonal, d.h. es gilt

[λ3, λ8] = 0 . (20)

In der Darstellung (19) werden die λj auch als Gell-Mann-Matrizen bezeichnet. Dieseacht Matrizen bilden eine vollstandige Basis fur ein erzeugendes System der SU(3).Zur weiteren Diskussion der Wurzeln ist es allerdings gunstiger, in die Cartan-Basis

[Hi, Hj] = 0, i, j = 1 . . . r (21)

[Hi, E~w] = wiE~w (22)

zu wechseln. (Wir schreiben ab jetzt ~w fur die Wurzelvektoren, da der Buchstabe αvon nun an nur fur die einfachen Wurzeln reserviert bleiben soll.) Es bezeichnet raus Gl. (21) die maximale Anzahl miteinander kommutierender Erzeuger der Gruppe.Nach Gl. (20) gilt fur die SU(3) r = 2. Die SU(3) hat demnach Rang 2. Man wahlt

H1 =1

2λ3, H2 =

1

2λ8 . (23)

Gl. (22) laßt sich als Eigenwertgleichung interpretieren, d.h. [Hi, E~w] entspricht derWirkung von Hi auf einen Operator E~w. Dabei bleibt E~w bis auf eine Skalierungmit dem Eigenwert wi unverandert. Von den Operatoren E~w existieren sechs: es sinddie restlichen Elemente der Cartan-Basis. Sie werden aus Linearkombinationen derubrigen sechs Gell-Mann-Matrizen λi (i 6= 3, 8) gebildet, so daß sie die Eigenschaftenvon Auf- und Absteige-Operatoren haben. Eine Moglichkeit dafur lautet

7

Page 8: Dynkin-Diagramme und Klassifikation von einfachen Lie-Algebrenjlouis/Vorlesungen/PS_06/vortrag_12.pdf · diagramm bilden. Die Tatsache, dass die einfachen Wurzeln das Wurzeldiagramm

E±~w1 = (λ4 ± λ5)/2

E±~w2 = (λ1 ± λ2)/2 (24)

E±~w3 = (λ6 ∓ λ7)/2

Der Grund fur diese Notation und fur die etwas willkurlich anmutende Wahl von ±und ∓ wird spater im Wurzel-Diagramm deutlich. Gl. (22) lautet in dieser Notation

[Hi, E±~wk] = (±~wk)i · E±~wk

, k = 1 . . . 3 (25)

Fur jeden Operator aus (24) konnen nun nach Gl. (25) die Eigenwerte (±~wk)i be-rechnet werden (i = 1, 2). Diese lassen sich zu einem Vektor

±~wk =

((±~wk)1

(±~wk)2

)zusammenfassen. Gl. (25) hat sozusagen die Bedeutung einer Abbildung

E±~wk7−→ ±~wk (26)

d.h. sie bildet einen Operator E±~wkaus (24) auf einen zweidimensionalen Vektor

±~wk ab. Dieser wird als zugehorige Wurzel bezeichnet.Werden die Definitionen fur Hi aus (23) und E~wk

aus (24) in Gl. (25) eingesetzt,dann ergeben sich fur die Wurzeln ±~wk

±~w1 =

(±1/2

±√

3/2

), ±~w2 =

(±10

)(27)

±~w3 =

(±1/2

∓√

3/2

)Auch zu den beiden Hi gibt es entspechende Wurzeln. Diese lassen sich berechnen,indem in Gl. (25) anstelle von E±~wk

eines der Hi eingesetzt wird. Die daraus erhalteneFormel ist aber nichts weiter als Gl. (21). Die Wurzeln der Hi sind also Nullvektoren.Die so berechneten acht Wurzeln konnen schließlich in ein Koordinatensystem ein-gezeichnet werden und bilden das Wurzeldiagramm der SU(3) (s. Abb. 2).

Einfache Wurzeln und Cartan-Matrix

Das Wurzeldiagramm der SU(3) ist zweidimensional (s. Abb. 2). Daher konnen diesechs Wurzeln ±~wk, die dort die verschiedenen Auf- und Absteigeoperatoren E±~wk

reprasentieren, nicht linear unabhangig sein. Ziel dieses Abschnitts ist es, die zweilinear unabhangigen

”Basiswurzeln“ zu finden, aus denen sich alle ±~wk zusammen-

setzen lassen. Das sind die schon erwahnten einfachen Wurzeln.Was bei der Suche nach dieser Basis sofort auffallt: Alle −~wk lassen sich durch +~wk

ausdrucken, indem letztere am Koordinatenursprung gespiegelt bzw. mit −1 multi-pliziert werden. Daher werden im Folgenden nur noch die drei +~wk betrachtet. Da

8

Page 9: Dynkin-Diagramme und Klassifikation von einfachen Lie-Algebrenjlouis/Vorlesungen/PS_06/vortrag_12.pdf · diagramm bilden. Die Tatsache, dass die einfachen Wurzeln das Wurzeldiagramm

Abbildung 2: Wurzeldiagramm der SU(3). Die sechs Wurzeln ±~wi (i = 1 . . . 3) sind allegleich lang und im Winkel von 60◦ zueinander angeordnet.

bei allen +~wk die erste nicht verschwindende Komponente (d.h. die waagerechte Ko-ordinate in Abb. 2) positiv ist, sind die +~wk die positiven Wurzeln der SU(3).

Die einfachen Wurzeln der SU(3) werden nun mit folgendem Trick bestimmt: jedepositive Wurzel +~wk wird durch die beiden anderen positiven Wurzeln ausgedruckt,d.h.

+~w1 = (+~w2)− (+~w3) (28)

+~w2 = (+~w1) + (+~w3) (29)

+~w3 = (+~w2)− (+~w1) (30)

+~w1 und +~w3 lassen sich also als Differenzen der jeweils anderen beiden positivenWurzeln ausdrucken, +~w2 ist nach Gl. (29) hingegen eine Summe. Die Summandenvon +~w2 entsprechen laut Definition aber gerade den einfachen Wurzeln. Die Wurzeln

+~w1 =

(1/2√3/2

), +~w3 =

(1/2

−√

3/2

)gelten folglich als einfach und bilden die gesuchte Basis.

Die einfachen Wurzeln werden im folgenden als ~αi (i = 1 . . . r) bezeichnet, r gibtwie schon in Gl. (21) die maximale Anzahl kommutierender Operatoren der Gruppean und somit die Dimension des Wurzeldiagramms. Mit den Ergebnissen aus demvorangegangenen Abschnitt gilt also fur die SU(3)

~α1 = +~w1, ~α2 = +~w3 . (31)

Sind die einfachen Wurzeln bekannt, dann lassen sich mit

9

Page 10: Dynkin-Diagramme und Klassifikation von einfachen Lie-Algebrenjlouis/Vorlesungen/PS_06/vortrag_12.pdf · diagramm bilden. Die Tatsache, dass die einfachen Wurzeln das Wurzeldiagramm

Kij = 2αi · αj

α2j

, i, j = 1 . . . r (32)

die Matrixelemente Cartan-Matrix berechnen. Im Falle der SU(3) ist das eine 2× 2-Matrix. Mit den ~αi aus Gl. (31) lautet diese

K =

(2 −1−1 2

). (33)

Die Cartan-Matrix hat aber nichts mit der Cartan-Metrik gij zu tun, deren Elementeberechnet werden, indem man die Spur eines Produktes von Operatoren in ihreradjungierten Darstellung bildet. Die Cartan-Metrik der SU(3) ist eine 8× 8-Matrix.

Dynkin-Diagramm

Das Dynkin-Diagramm ist eine graphische Darstellung der Cartan-Matrix und wirdwie folgt konstruiert:

1. Fur jede einfache Wurzel ~αi (i = 1 . . . r) wird ein Kreis gezeichnet. Die SU(3)hat, wie schon erwahnt, zwei einfache Wurzeln. Es gilt also

2. Dann werden die Kreise der Wurzeln ~αi und ~αj durch

nij = KijKji(keine Summe)

Linien verbunden. Daraus folgt fur das Dynkin-Diagramm der SU(3)

3. Falls die einfachen Wurzeln ~αi und ~αj verschieden lang sind, d.h. |~αi| 6= |~αj|,wird zwischen die beiden Kreise zusatzlich ein Pfeil

oder

gezeichnet. Dieser zeigt zum Kreis der kurzeren Wurzel. Die einfachen Wurzelnder SU(3) sind aber gleich lang. Zwischen den beiden Kreisen darf sich folg-lich kein Pfeil befinden. Beispiele fur Dynkin-Diagramme zu Gruppen, dereneinfache Wurzeln verschieden lang sind, finden sich in Abb. 3.

10

Page 11: Dynkin-Diagramme und Klassifikation von einfachen Lie-Algebrenjlouis/Vorlesungen/PS_06/vortrag_12.pdf · diagramm bilden. Die Tatsache, dass die einfachen Wurzeln das Wurzeldiagramm

Abbildung 3: Dynkin-Diagramme einiger Gruppen, deren einfache Wurzeln unterschiedlichlang sind - zu erkennen am Pfeil, der zum Kreis der kurzeren Wurzel zeigt.

Das vollstandige Dynkin-Diagramm zur SU(3) lautet schließlich

Wirkung der Auf- und Absteigeoperatoren

Weitere Einblicke in die Feinheiten der Wurzelbehandlung bieten sich, wenn die Wir-kung der Auf- und Absteigeoperatoren E±~wk

(k = 1 . . . 3) genauer untersucht wird.Dieser Weg fuhrt nicht nur direkt zur physikalischen Interpretation der Wurzeln,sondern auch zur Verallgemeinerung auf die SU(n) (s. dazu Kap. 3.3).Werden zunachst nach Gl. (24) die Matrizen der Operatoren E±~wk

berechnet, dannergeben sich

E+~w1 =

0 0 10 0 00 0 0

, E−~w1 =

0 0 00 0 01 0 0

E+~w2 =

0 1 00 0 00 0 0

, E−~w2 =

0 0 01 0 00 0 0

(34)

E+~w3 =

0 0 00 0 00 1 0

, E−~w3 =

0 0 00 0 10 0 0

Auffallig ist, daß bei all diesen Matrizen jeweils nur ein Element von Null verschiedenist. Die Diagonalelemente sind immer Null. Es laßt sich fur die Matrizen der Auf-und Absteigeoperatoren daher auch folgende Platz sparende Schreibweise einfuhren:

11

Page 12: Dynkin-Diagramme und Klassifikation von einfachen Lie-Algebrenjlouis/Vorlesungen/PS_06/vortrag_12.pdf · diagramm bilden. Die Tatsache, dass die einfachen Wurzeln das Wurzeldiagramm

(Eab)ij = δaiδbj, i, j = 1 . . . 3 (35)

Dabei gibt das Indexpaar ab an, in welcher Zeile (a) und in welcher Spalte (b) die 1steht, d.h. um welche der sechs Matrizen es sich handelt. Die Indizes i und j zeigenan, welches Matrixelement dieser Matrix gemeint ist. Nach (34) gilt also

E+~w1 = E13, E−~w1 = E31

E+~w2 = E12, E−~w2 = E21 (36)

E+~w3 = E32, E−~w3 = E23

Da die Matrizen der Auf- und Absteigeoperatoren E±~wk3× 3-Matrizen sind, wirken

sie auf Vektoren im R3. Dort bilden die drei Zustande

~e1 =

100

, ~e2 =

010

, ~e3 =

001

(37)

eine mogliche Orthonormalbasis. Die Wirkung einer Matrix Eab aus (35) auf einender Basiszustande (37) ergibt sich, wie leicht nachgepruft werden kann, zu

Eab~eb = ~ea, a, b = 1 . . . 3 (38)

Die Auf- und Absteigeoperatoren”wandeln“ also die Basiszustande ineinander

”um“.

Mit der Zuordnung (36) gilt daher

E+~w1 : ~e3 7−→ ~e1

E+~w2 : ~e2 7−→ ~e1 (39)

E+~w3 : ~e2 7−→ ~e3

Da die Abbildung (26) jedem Operator E±~wkeinen Vektor ±~wk im Wurzeldiagramm

zuordnet, kann (39) auch in Wurzel-Sprechweise ausgedruckt werden (s. Abb. 4).Dabei wurden die Vektoren +~wk aus dem Wurzeldiagramm nur parallel zueinanderverschoben. Die relativen Langen und Winkel haben sich nicht geandert.Ziel dieser ganzen Argumentation ist es, schließlich zu zeigen, daß ein tiefer Blick inden R3 genugt, um die Wurzeln±~wk zu finden. Anders gesagt: die Eigenwertgleichung(25) muß gar nicht bemuht werden. Folgende Schritte sind dazu notig

1. Zuerst werden eine beliebige Diagonalmatrix X und der zugehorige Diagonal-vektor ~x mit

X =

x1 0 00 x2 00 0 x3

, ~x =

x1

x2

x3

(40)

eingefuhrt. X laßt sich in Kurzschreibweise auch als

12

Page 13: Dynkin-Diagramme und Klassifikation von einfachen Lie-Algebrenjlouis/Vorlesungen/PS_06/vortrag_12.pdf · diagramm bilden. Die Tatsache, dass die einfachen Wurzeln das Wurzeldiagramm

Abbildung 4: Wirkung der Operatoren E+~wiauf die Basiszustande ~ei (i = 1 . . . 3) des R3

in Wurzel-Sprechweise. Richtungen und relative Langen der Vektoren +~wi sind aus demWurzeldiagramm (s. Abb. 2) entnommen.

Xij = δijxi, i, j = 1 . . . 3 (41)

ausdrucken.

2. Im nachsten Schritt wird gezeigt, daß fur den Kommutator von X mit einemder Auf- oder Absteigeoperatoren Eab die Formel

[X, Eab] = (xa − xb)Eab (42)

gilt.

Beweis. ([X,Eab]

)ik

= (X · Eab − Eab ·X)ik

=n∑

j=1

Xij · (Eab)jk −n∑

j=1

(Eab)ij ·Xjk

(41),(35)=

n∑j=1

δijxi · δajδbk −n∑

j=1

δaiδbj · δjkxj

= δiaδbkxi − δaiδbkxb

= xaδiaδbk − xbδaiδbk

= (xa − xb)δaiδbk

(35)= (xa − xb) · (Eab)ik �

Gl. (42) laßt sich auch als

[X, Eab] = ~x · (~ea − ~eb) · Eab (43)

schreiben, wenn man berucksichtigt, daß das Skalarprodukt eines beliebigenVektors ~x mit einem normierten Basisvektor ~ea die Projektion von ~x auf ~ea

liefert, d.h. ~x · ~ea = xa.

13

Page 14: Dynkin-Diagramme und Klassifikation von einfachen Lie-Algebrenjlouis/Vorlesungen/PS_06/vortrag_12.pdf · diagramm bilden. Die Tatsache, dass die einfachen Wurzeln das Wurzeldiagramm

3. Wird nun zusatzlich angenommen, daß X spurlos und hermitesch ist, dann laßtsich X als Liniearkombination der H1 und H2 aus (23) ausdrucken. Dazu wirdder Vektor

~H = (H1, H2, H3) (44)

konstruiert, wobei H3 ebenfalls eine Linearkombinaton

H3 = β1H1 + β2H2, β1, β2 ∈ R (45)

ist. β1 und β2 werden derart gewahlt, daß

X = ~x · ~H (46)

In Gl. (43) kann nun X durch ~x · ~H ersetzt werden, so daß

[~x · ~H,Eab] = ~x · (~ea − ~eb) · Eab (47)

gilt. Wird andererseits die Eigenwertgleichung (25) zur Bestimmung der Wur-zeln fur i = 1, 2 und fur ein festes k zwischen 1 und 3 betrachtet, dann folgt

[H1, E±~wk] = (±~wk)1 · E±~wk

(48)

[H2, E±~wk] = (±~wk)2 · E±~wk

(49)

Fuhrt man nun einen Vektor ~y = (y1, y2) ein, multipliziert Gl. (48) mit y1 undGl. (49) mit y2 und addiert danach beide Gleichungen, erhalt man

[~y · ~H,E±~wk] = ~y · (±~wk) · E±~wk

(50)

Beim Vergleich von Gl. (50) mit Gl. (47) sticht nun sofort die strukturelleAhnlichkeit ins Auge, d.h. die Vermutung liegt nahe, die Differenz ~ea − ~eb inGl. (47) mit der Wurzel zu Eab zu identifizieren. Dabei taucht jedoch folgendesProblem auf: die durch Gl. (50) definierten Wurzeln der SU(3) sind zweidimen-sional. Die Differenzen ~ea − ~eb in Gl. (47) sind dagegen dreidimensional, da siesich aus den Basisvektoren des R3 zusammensetzen. Werden die Differenzenund Basisvektoren aber in ein Koordinatensystem eingezeichnet (s. Abb. 5),zeigt sich, daß die Vektoren ~ea − ~eb (a, b = 1 . . . 3, a 6= b) im R3 ein gleichsei-tiges Dreieck aufspannen. Sie

”leben“ in Wirklichkeit im R2. Das Problem der

falschen Dimension war nur scheinbar. Folglich konnen sie als Wurzeln von Eab

aufgefaßt werden.

Nach der Zuordnung (36) wird klar, daß das im R3 aufgespannte Dreieck nichtsanderes ist, als das schon in Abb. 4 besprochene. Aufgrund der anderen Nor-mierung ist es allerdings mit dem Faktor

√2 skaliert.

14

Page 15: Dynkin-Diagramme und Klassifikation von einfachen Lie-Algebrenjlouis/Vorlesungen/PS_06/vortrag_12.pdf · diagramm bilden. Die Tatsache, dass die einfachen Wurzeln das Wurzeldiagramm

Abbildung 5: Basiszustande ~ei (i = 1 . . . 3) des R3. Die Differenzen ~ea − ~eb (a, b =1 . . . 3, a 6= b) spannen ein gleichseitiges Dreieck auf.

4. In die von allen Differenzen ~ea − ~eb aufgespannte Ebene wird nun ein zweidi-mensionales, orthogonales Koordinatensystem hineingelegt. In diesen Koordi-naten werden die Wurzeln ~ea − ~eb schließlich in negative und positive Wurzelneingeteilt und aus letzteren, wie bereits besprochen, die einfachen Wurzeln be-stimmt.

Die physikalische Interpretation

Die physikalische Interpretation der Wurzeln hangt davon ab, wie die Basiszustande~e1 . . . ~e3 des R3 aus Gl. (37) gedeutet werden. Es gibt mehrere Moglichkeiten. Werdensie etwa mit den drei Quarks |u〉, |d〉 und |s〉 gleichgesetzt, d.h.

~e1 = |u〉, ~e2 = |d〉, ~e3 = |s〉 (51)

dann ergibt sich mit (39)

E+~w1 : |s〉 7−→ |u〉E+~w2 : |d〉 7−→ |u〉 (52)

E+~w3 : |d〉 7−→ |s〉

Die Operatoren E±~wi(i = 1 . . . 3) wandeln sozusagen die drei Quarks ineinander um.

Um herauszufinden, wer oder was sich im wirklichen Leben hinter diesen Auf- undAbsteigeoperatoren versteckt, kann man die E±~wi

durch |u〉, |d〉 und |s〉 ausdrucken.Das funktioniert nach folgendem Schema:Der Operator E+~w1 macht nach (52) aus einem |s〉 ein |u〉, anders gesagt: er

”ver-

nichtet“ ein |s〉 und”erzeugt“ stattdessen ein |u〉. Ein |s〉 kann aber nur durch ein

|s〉 vernichtet werden. Der Operator E+~w1 muß sich folglich aus |s〉 und |u〉 zusam-mensetzen

E+~w1 = |us〉 (53)

Die symbolische Rechnung

15

Page 16: Dynkin-Diagramme und Klassifikation von einfachen Lie-Algebrenjlouis/Vorlesungen/PS_06/vortrag_12.pdf · diagramm bilden. Die Tatsache, dass die einfachen Wurzeln das Wurzeldiagramm

Abbildung 6: Zwei Moglichkeiten, der SU(3) Leben einzuhauchen: (a) Mesonen, (b) Gluo-nen

E+~w1 |s〉 = |s〉+ |us〉 = |s〉+ |u〉+ |s〉 = |ss〉+ |u〉 = |u〉

zeigt, daß E+~w1 aus (53) die in (52) geforderte Eigenschaft besitzt. Ein solches Zwei-Teilchen-System gibt es tatsachlich. Es ist das K+-Meson. Entsprechend werdendie restlichen funf Operatoren durch Quarks, bzw. als Meson, ausgedruckt. Gehtman nun ins Wurzeldiagramm der SU(3) (s. Abb. 2) und schreibt die Namen derMesonen an die Stellen der zugehorigen Operatoren, dann erhalt man mit Abb. 6aein bekanntes Bild aus der Hadronen-Spektroskopie.Naturlich sind damit die Moglichkeiten, die SU(3) physikalisch zu deuten, noch langstnicht erschopft. Werden den Basiszustanden (37) des R3 die drei Farbzustande |R〉,|G〉 und |B〉 der Quarks zugeordnet, d.h.

~e1 = |R〉, ~e2 = |G〉, ~e3 = |B〉 (54)

dann ergibt sich nach bewahrtem Muster Abb. 6b. Die darin vorkommenden Zwei-Farb-Systeme werden auch als Gluonen bezeichnet.

3.2 Die SU(2)

In diesem Abschnitt wird zum Vergleich die Cartan-Matrix der SU(2) berechnet unddaraus das entsprechende Dynkin-Diagramm konstruiert.Eine bekannte Darstellung der SU(2) lautet

[Jk, Jl] = iεklmJm, k, l, m = 1 . . . 3

wobei die Erzeuger Jk (k = 1 . . . 3) die Pauli-Matrizen sind. Aus den Eigenschaftendes total antisymmetrischen Tensors εklm folgt, daß bei der SU(2) keine Erzeugermiteinander vertauschen. Anders gesagt: egal welche Basis gewahlt wird, es kannmaximal einen diagonalen Operator H geben. Die Wurzeln sind somit eindimensio-nal, und folgich gibt es nur eine einfache Wurzel ~α. Die Cartan-Matrix der SU(2)

16

Page 17: Dynkin-Diagramme und Klassifikation von einfachen Lie-Algebrenjlouis/Vorlesungen/PS_06/vortrag_12.pdf · diagramm bilden. Die Tatsache, dass die einfachen Wurzeln das Wurzeldiagramm

ist nach Gl. (32) also eine 1 × 1-Matrix, d.h. eine Zahl, namlich K = 2. Fur dasDynkin-Diagramm der SU(2) folgt damit

3.3 Die SU(n)

Die SU(n) ist die Verallgemeinerung von SU(2) und SU(3) auf n×n-Matrizen. Dahermussen SU(2) und SU(3) naturlich als Spezialfalle in der folgenden Beschreibung mitenthalten sein.Die SU(n) hat n − 1 Erzeuger Hi, die miteinander vertauschen. Die Wurzeln sindnach Vergleich mit Gl. (25) daher (n − 1)-dimensionale Vektoren. Außerdem lassensich alle n(n − 1) Auf- und Absteigeoperatoren Eab (a, b = 1 . . . n, a 6= b) durchn× n-Matrizen darstellen, d.h. sie wirken auf Vektoren im Rn. Die n Basisvektoren~e1 . . . ~en sind ebenfalls n-dimensional

~e1 =

10...0

, ~e2 =

01...0

, . . . ~en =

00...1

(55)

Die n(n−1) Differenzen ~ea−~eb spannen diesmal eine (n−1)-dimensionale Hyperebeneim Rn auf. Der Normalenvektor ~n dieser Hyperebene lautet

~n =n∑

i=1

~ei (56)

Beweis. Wird das Skalarprodukt von ~n mit einer beliebigen Differenz ~ea − ~eb derBasisvektoren gebildet, dann folgt aus (56)

~n · (~ea − ~eb) =n∑

i=1

~ei · (~ea − ~eb) (57)

Da die Vektoren ~e1 . . . ~en ein Orthonormalsystem bilden, gilt zusatzlich

~ei · ~ej = δij (58)

Setzt man die Beziehung (58) in Gl. (57) auf der rechten Seite ein, dann erhalt man

~n · (~ea − ~eb) =n∑

i=1

(δia − δib) = 1− 1 = 0 (59)

Das ist aber nichts weiter als die Normalenform einer Ebene. Alle Vektoren ~ea − ~eb

liegen daher in einer Hyperebene, die von ~n senkrecht durchstoßen wird. �

17

Page 18: Dynkin-Diagramme und Klassifikation von einfachen Lie-Algebrenjlouis/Vorlesungen/PS_06/vortrag_12.pdf · diagramm bilden. Die Tatsache, dass die einfachen Wurzeln das Wurzeldiagramm

Die Dimension der Differenzen ~ea−~eb stimmt mit denen der Wurzeln uberein. ~ea−~eb

kann folglich mit der Wurzel zu Eab identifiziert werden. In die von den Differenzenaufgespannte Hyperebene wird nun ein (n− 1)-dimensionales, orthogonales Koordi-natensystem gelegt. Mit Hilfe dieser Koordinaten werden alle Differenzen in positiveund negativen Wurzeln eingeteilt.Ist ~ea − ~eb (a < b) eine positive Wurzel, und sind ~αi (i = 1 . . . n − 1) die einfachenWurzeln der SU(n), dann laßt sich ~ea−~eb als Summe dieser ~αi darstellen, d.h. es gilt

~ea − ~eb =b−1∑i=a

~αi (60)

Umgekehrt lassen sich auch die ~αi durch die Differenzen ~ea−~eb ausdrucken. Gl. (60)wird z.B. von den einfachen Wurzeln

~αi = ~ei − ~ei+1, i = 1 . . . n− 1 (61)

erfullt.

Beweis. Wird (61) in (60) eingesetzt, folgt daraus

~ea − ~eb =b−1∑i=a

(~ei − ~ei+1)

= ~ea − ~ea+1 + ~ea+1 − . . .− ~eb−1 + ~eb−1 − ~eb

= ~ea − ~eb �

Mit den ~αi aus Gl. (61) konnen nun die Matrixelemente

Kij = 2αi · αj

α2j

, i, j = 1 . . . n− 1 (62)

der Cartan-Matrix berechnet werden. K ist also eine (n − 1) × (n − 1)-Matrix. Furdie Matrixelemente ergibt sich mit (61)

Kij = 2(~ei − ~ei+1) · (~ej − ~ej+1)

(~ej − ~ej+1)2

= 2~ei · ~ej − ~ei+1 · ~ej − ~ei · ~ej+1 + ~ei+1 · ~ej+1

(~ej)2 − 2~ej · ~ej+1︸ ︷︷ ︸=0

+(~ej+1)2

(58)= δij − δi+1,j − δi,j+1 + δi+1,j+1

= 2δij − δi+1,j − δi,j+1 (63)

Nach Gl. (63) sind also nur folgende Matrixelemente von Null verschieden:

18

Page 19: Dynkin-Diagramme und Klassifikation von einfachen Lie-Algebrenjlouis/Vorlesungen/PS_06/vortrag_12.pdf · diagramm bilden. Die Tatsache, dass die einfachen Wurzeln das Wurzeldiagramm

Kij = +2 fur j = i

Kij = −1 fur j = i± 1

Die Cartan-Matrix lautet daher in Matrixform

K =

2 −1 0 . . . 0

−1 2 −1 0...

0 −1 2 −1 0...

. . . . . . . . . . . .

0 −1 2 −10 . . . 0 −1 2

(64)

Das Dynkin-Diagramm als graphische Darstellung der Cartan-Matrix laßt sich ge-nauso konstruieren wie im Falle von SU(3) und SU(2). Es ergibt sich fur die SU(n)

4 Klassifikation der einfachen Lie-Algebren

Wir haben im Vorangegangenen die Lie-Algebren der klassischen Lie-Gruppen SU(n)kennengelernt und ihre einfachen Wurzeln in Form der Cartan-Matrizen und somitder Dynkin-Diagramme dargestellt. Die Einschrankungen an die moglichen Winkelzwischen Wurzeln ergeben starke Einschrankungen an die Cartan-Matrix K undsomit an die moglichen Diagramme, was uns eine elegante Methode der Klassifikationermoglicht.Wir betrachten dabei im Folgenden nur zusammenhangende Diagramme, die deneinfachen Lie-Algebren entsprechen. Seien αi, i = 1, . . . , r die durch die Vertizes imDiagramm dargestellten einfachen Wurzeln der Lie-Algebra. Fur K gilt:

• Kij =2αi·αj

|αi|2 ≤ 0 fur i 6= j,

• KijKji = 0, 1, 2, 3, Anzahl der Verbindungslinien zwischen αi und αj,

• det K 6= 0, da die einfachen Wurzeln linear unabhangig sind.

Ein System von Vektoren αi, welches diese drei Bedingungen erfullt, nennen wir imWeiteren ein erlaubtes System, und das dazugehorige Dynkin-Diagramm ein erlaub-tes Diagramm. In den folgenden sieben Punkten werden die Einschrankungen andie moglichen Diagramme hergeleitet. Das Ergebnis wird sein, dass es nur siebenverschiedene Klassen von Dynkin-Diagrammen und damit Lie-Algebren gibt. DieDiagramme sind in Abb. 7 auf Seite 23 abgebildet und werden mit den SymbolenAr, Br, Cr, Dr, E6, E7, E8, F4 und G2 (r = 1, 2, 3, ..., der Index gibt den Rang derLie-Algebra an) bezeichnet, auf die auch im folgenden Bezug genommen wird.

19

Page 20: Dynkin-Diagramme und Klassifikation von einfachen Lie-Algebrenjlouis/Vorlesungen/PS_06/vortrag_12.pdf · diagramm bilden. Die Tatsache, dass die einfachen Wurzeln das Wurzeldiagramm

1. Jedes Unterdiagramm eines erlaubten Diagramms ist wieder ein erlaubtes Dia-gramm. Ein Unterdiagramm entsteht dabei durch Streichen von Vertizes imDynkin-Diagramm und den von ihnen ausgehenden Linien.Beweis (trivial): Die Menge der verbleibenden Vektoren αi erfullt die Bedin-gungen an die Cartan-Matrix.

2. Ein erlaubtes Diagramm hat mehr Vertizes als verbundene Paare.Zum Beweis sei α =

∑ri=1

αi

|αi| . Es gilt:

0 < |α|2 = α · α =

(∑i

αi

|αi|

(∑j

αj

|αj|

)= r + 2 ·

∑i<j

αi · αj

|αi| · |αj|

= r −∑i<j

√KijKji

Wenn αi und αj verbunden sind, ist aber√

KijKji ≥ 1.Ein erlaubtes Diagramm kann somit keine Schlaufe enthalten, da fur diese alsUnterdiagramm die Anzahl der Vertizes gleich der Anzahl verbundener Paareware und die rechte Seite somit ≤ 0.

3. Ein erlaubtes Diagramm enthalte ein Unterdiagramm, in dem die Vertizes nurdurch einfache Linien verbunden sind. Dieses Unterdiagramm kann man zueinem Vertex zusammenschrumpfen und erhalt wieder ein erlaubtes Diagramm.Beweis: Die Vertizes des Unterdiagramms seien mit den Vektoren β1, . . . , βk

verknupft und es sei β :=∑k

i=1 βi. Da sie einfach verbunden sind, haben siealle dieselbe Lange: β2

1 = · · · = β2k . Wenn βi und βj verbunden sind, gilt

βi · βj = −12β2

i , sonst naturlich βi · βj = 0. Da es keine Schlaufen gibt, enthaltdas Unterdiagramm k − 1 Verbindungslinien und es folgt:

β2 =k∑

i=1

βi · βi + 2 ·∑i<j

βi · βj = k · β21 − (k − 1) · β2

1 = β21

Ein Vertex außerhalb des Unterdiagramms, α, kann hochstens mit einem Ver-tex des Unterdiagramms verbunden sein, da es keine Schlaufen gibt. Ist diesder Fall mit βj, so gilt α · βj = α · β. Damit bilden β und die Vektoren derrestlichen Vertizes des Diagramms wieder ein System von Vektoren, welches dieBedingungen an die Cartan-Matrix erfullt, und das geschrumpfte Diagrammist ein erlaubtes Diagramm.

4. Es konnen hochstens drei Linien von jedem Vertex ausgehen.Beweis: Angenommen, der Vertex eines Vektors αj sei mit den Vertizes derVektoren αi1 , . . . , αin , i1, . . . , in 6= j, verbunden. Da es keine Schlaufen imDiagramm gibt, sind die αik untereinander nicht verbunden, es gilt daherαik · αil = 0 fur k 6= l, sie sind also paarweise orthogonal. Die auf die Rich-tung von αik projizierte Komponente von αj ist

αj ·αik

|αik| . Da αj von den αik ,

20

Page 21: Dynkin-Diagramme und Klassifikation von einfachen Lie-Algebrenjlouis/Vorlesungen/PS_06/vortrag_12.pdf · diagramm bilden. Die Tatsache, dass die einfachen Wurzeln das Wurzeldiagramm

k = 1, . . . , n, linear unabhangig ist, gilt

αj · αj >

n∑k=1

(αj · αik

|αik |

)2

Nun giltαj ·αik

|αik|2 = 1

2Kjik bzw.

αj ·αik

|αj |2 = 12Kikj, mit den Elementen Kjik bzw. Kikj

der Cartan-Matrix, und somit

4 >

n∑k=1

KjikKikj

KjikKikj gibt aber gerade die Anzahl der Verbindungslinien zwischen den Ver-tizes der Vektoren αj und αik an, die Gesamtanzahl an Verbindungslinien mitdem Vertex des Vektors αj ist also kleiner als 4. Als einfache Folgerung gibt da-her nur ein einziges erlaubtes Diagramm, welches eine dreifache Linie enthalt,es wird mit G2 bezeichnet (siehe Abblidung 7).

5. Ein erlaubtes Dynkin-Diagramm kann hochstens einen Vertex mit einer Ver-zweigung haben und hochstens ein Paar, welches durch eine doppelte Linieverbunden ist, und nicht beides.Beweis: Angenommen, das Diagramm hatte mehrere Verzweigungspunkte, meh-rere Paare, die mit doppelten Linien verbunden sind oder sowohl Verzweigungs-punkte als auch solche Paare. Dann konnte man das zwei solche Vertizes ver-bindende Unterdiagramm mit nur einfachen Verbindungslinien zu einem Vertexzusammenschrumpfen und erhielte ein Diagramm, bei dem vier Linien von ei-nem Vertex ausgehen, das ist aber kein erlaubtes Diagramm, daher war auchdas ursprungliche Diagramm nicht erlaubt.

6. Außer den Diagrammen Br, Cr, r = 1, 2, . . . und F4 (siehe Abb. 7) kann eskeine erlaubten Diagramme mit einer doppelten Linie geben.Beweis: Die beiden Diagramme

haben die Cartan-Matrizen2 −1 0 0 0−1 2 −1 0 00 −2 2 −1 00 0 −1 2 −10 0 0 −1 2

,

2 −1 0 0 0−1 2 −2 0 00 −1 2 −1 00 0 −1 2 −10 0 0 −1 2

.

Diese haben jeweils verschwindende Determinante, die Diagramme beschreibendaher kein erlaubtes System von Vektoren αi und also keine Lie-Algebra. Jedesandere Diagramm mit einer doppelten Linie außer Br, Cr und F4 enthalt einesder beiden obigen nicht erlaubten Diagramme als Unterdiagramm und ist damitselbst nicht erlaubt.

21

Page 22: Dynkin-Diagramme und Klassifikation von einfachen Lie-Algebrenjlouis/Vorlesungen/PS_06/vortrag_12.pdf · diagramm bilden. Die Tatsache, dass die einfachen Wurzeln das Wurzeldiagramm

7. Außer den Diagrammen Dr, r = 1, 2, . . . sowie E6, E7 und E8 kann es keineerlaubten Diagramme mit einem Verzweigungspunkt geben.Beweis: Die Determinante der Cartan-Matrix des folgenden Diagramms ver-schwindet:

Dasselbe gilt auch fur das folgende, welche somit nicht erlaubt sind:

Alle anderen Diagramme außer Dr, E6, E7 und E8 haben eines dieser beidenDiagramme als Unterdiagramm und sind daher nicht erlaubt.

Damit haben wir nun als erlaubte Diagramme alle Diagramme außer den vier SerienAr, Br, Cr und Dr sowie den funf weiteren Diagrammen E6, E7, E8, F4 und G2

ausgeschlossen. Von den Diagrammen Ar, Br, Cr und Dr haben wir bereits gesehen,daß sie die Lie-Algebren der klassischen Gruppen SU(r+1), SO(2r+1), Sp(2r) undSO(2r) beschreiben. Zu uberprufen bleibt, ob auch die Diagramme E6, E7, E8, F4

und G2 Lie-Algebren beschreiben. Das ist in der Tat der Fall, wie man durch Re-konstruktion der Kommutatorrelationen der Generatoren aus den einfachen Wurzelnbestatigen kann. Damit sind alle einfachen Lie-Algebren bestimmt.

Literatur

[1] H. F. Jones, Groups, Representations and Physics, Institute of Physics Publis-hing, 1998

[2] Howard Georgi, Lie Algebras in Particle Physics, Westview Press, 1999

[3] Robert N. Cahn, Semi-Simple Lie Algebras and Their Representations,http://phyweb.lbl.gov/~rncahn/www/liealgebras/texall.pdf, 1984

[4] Peter Schmuser, Feynman-Graphen und Eichtheorien fur Experimentalphysi-ker, Springer, 1995

22

Page 23: Dynkin-Diagramme und Klassifikation von einfachen Lie-Algebrenjlouis/Vorlesungen/PS_06/vortrag_12.pdf · diagramm bilden. Die Tatsache, dass die einfachen Wurzeln das Wurzeldiagramm

Abbildung 7: Vollstandige Liste der zusammenhangenden erlaubten Dynkin-Diagramme

23