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Drei Instrumente und ihre Wirkung auf das Klassenklima
PHZH - BE 759, Gruppen und Klassen
Stefan Beeler, ZürichOscar Gentili, ZürichGregory Turkawka, Regensberg
Bruno Hugentobler, Dozent PHZH
Seite 2 © Stefan Beeler, Oscar Gentili, Gregory Turkawka – Studenten praS04 Zürich, Regensberg – im Januar 2007
Drei Instrumente und ihre Wirkung auf das Klassenklima
Autoren
Stefan Beeler
Kanzleistrasse 151
8004 Zürich
Oscar Gentili
Badenerstrasse 363
8003 Zürich
Gregory Turkawka
Im Höfl i 143
8158 Regensberg
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Drei Instrumente und ihre Wirkung auf das Klassenklima
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 5
2. Theoretische Aspekte zum Klassenklima 62.1 Klassenklima in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
2.2 Unsere Defi nition von Klassenklima . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
2.3 Unsere drei Instrumente in Bezug zum Klassenklima . . . . . . . . . . . . . . . 8
3. Refl ecting Team 93.1 Darstellung der Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
3.2 Wie können Refl ecting Teams auf das Klassenklima wirken? . . . . . . . . . . . 11
3.3 Parameter für den erfolgreichen Einsatz von Refl ecting Teams . . . . . . . . . 12
3.4 Abschliessende Gedanken (Gregory Turkawka) . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
4. Klassenrat 164.1 Begriff «Klassenrat» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
4.2 Klassenrat als Kompetenzerwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
4.3 Praxisbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
4.4 Abschliessende Gedanken (Oscar Gentili) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
5. Regelwerke 245.1 Bedeutungen des Wortes «Regel» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
5.2 Regelwerk Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
5.3 Regeln sind nicht gleich Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
5.4 Abschliessende Gedanken (Stefan Beeler) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
6. Synthese: Die Instrumente verortet im Klassenklima 33
7. Fazit 34
8. Quellenverzeichnis 35
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Drei Instrumente und ihre Wirkung auf das Klassenklima
1. Einleitung
Unsere Arbeit «Drei Instrumente und ihre Wirkung auf das Klassenklima» unternimmt
den Versuch, die Instrumente «Refl ecting Team», «Klassenrat» und «Regelwerke» in ihrer
Wirkung auf das Klassenklima zu untersuchen. Wir haben je mit einem Instrument in ihrem
Unterricht gearbeitet und stellen dieses vor.
Im ersten Teil dieser Arbeit werden theoretische Aspekte zum Klassenklima aufge-
führt. Zu Beginn wird das «Klassenklima» in der Literatur verortet um dann zu einer für alle
drei Autoren gemeinsamen Defi nition des Begriffs zu gelangen. Abgeschlossen wird das
Kapitel mit der Bezugnahme der drei Instrumente zur gewählten Begriffsdefi nition.
In den folgenden drei Kapiteln stellen wir die Instrumente einzeln dar und versuchen
Einfl ussgrössen auf das Klassenklima zu defi nieren. Zu Beginn wird das Instrument theore-
tisch dargestellt. Anschliessend folgen Praxisbeispiele zu den Instrumenten. Die jeweiligen
Kapitel werden von persönlichen Gedanken der Autoren abgeschlossen.
Im Kapitel «Synthese: Die Instrumente verortet im Klassenklima» wird dann der Bo-
gen zu der von Dorothea Minderop beschriebenen Choreographie von Unterricht, Lernen,
Zeitgefässen, Lernumgebung und Schulgelände gespannt. [Minderop, in Pädagogik 11/04,
4]. Wir unternehmen den Versuch, unsere Instrumente im Raum, in der Zeit, an Personen
und in der Sache (Lehrplan, Curriculum) zu verorten, welche ein Klassenklima bestimmen.
Das letzte Kapitel zieht ein Fazit. Wir kommen nochmals auf die Frage zurück, inwie-
fern die von uns betrachteten Instrumente dem Klassenklima förderlich sein können.
Ziel dieser Arbeit war es nicht, einen ausufernden theoretischen Diskurs zum Klas-
senklima oder den einzelnen Instrumenten im Speziellen zu führen. Der Fokus lag auf der
Beschreibung einer konkreten Anwendung der Instrumente und im Versuch, jeweilige Kri-
terien zur Förderung eines guten Klassenklimas zu bestimmen. Die Arbeit soll jedoch alle
Leserinnen und Leser anregen, ihre täglich eingesetzten Methoden und Instrumente auf die
Wirkung auf das Klassenklima hin zu beobachten und gegebenenfalls anzupassen.
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2. Theoretische Aspekte zum Klassenklima
Seit den 50er Jahren wird die Auswirkung des Klassen- und Unterrichtsklimas auf
eine Reihe von Schüler/-innenmerkmalen untersucht, darunter insbesondere die Leistung,
die Einstellung zur Schule und das Selbstkonzept. Die Anfänge der Forschung gehen auf
Lewin zurück. Die folgenden Erkenntnisse entstammen einer Dissertation von Lars Satow zu
«Klassenklima und Selbstwirksamkeitsentwicklung» an der Freien Universität Berlin. [Satow,
Klassenklima und Selbstwirksamkeitsentwicklung, :]
2.1 Klassenklima in der Literatur
«Es ist allgemein bekannt, dass die Grösse des Erfolges, den eine Lehrerin im Klassenzim-
mer hat, nicht nur von ihrer Geschicklichkeit, sondern zu einem grossen Teil von der Atmosphäre
abhängt, die sie schafft. Diese Atmosphäre ist etwas Unfassbares; sie ist eine Eigenheit der
sozialen Lage im Ganzen und liesse sich wissenschaftlich messen, wenn man von diesem Punkt
aus an sie heranginge.» (Lewin 1953, S. 116f.)
Die Forschung befasst sich im wesentlichen mit der theoretischen Grundlegung des
Klimakonstruktes und der Ableitung theoretisch begründeter Hypothesen über die Auswir-
kung des Klimas. (Elder, 1996; Jerusalem, 1997; Saldern, 1992). Dabei liegt der Schwerpunkt
auf der Frage, welche Auswirkungen Klima und Klimawahrnehmung auf das Erleben und
Verhalten der Lernenden hat. Es sei hervorzuheben, dass bis heute keine Einigkeit besteht,
was unter Klima präzise zu verstehen ist. Camp, Saylor und Harer sprechen von einem Kons-
trukt, das intuitiv und umgangssprachlich benutzt wird, wissenschaftssprachlich jedoch
sehr schwierig zu defi nieren ist. Die Schwierigkeit den Begriff Klima zu defi nieren liegt in
den unterschiedlichen Auffassungen des Klima-Konzeptes.
Salder stellt alleine 12 theoretische Klima-Ansätze dar, unter anderem unterscheidet
er die komplementäre Organisations- und Sozialperspektive. Während aus organisatorischer
Sicht menschliches Verhalten durch Organisationsstrukturen beeinfl usst wird, die sich im
Klima wieder spiegeln, ergibt sich aus soziologischer Perspektive das Klima einer Gruppe in
erster Linie aus der sozialen Interaktion. (Saldern, 1996)
Nach Elder (1996) lassen sich in der pädagogisch-psychologischen Forschung drei
Verwendungsweisen des Klimabegriffes differenzieren: Die pädagogische Gesamtatmosphä-
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re, bei der die überdauernde emotionale Konstellation im Vordergrund steht, die in der
erzieherischen Umwelt herrschende Grundorientierung, die sich auf Werte und Normen eines
Systems bezieht, und die wahrgenommene Lernumwelt, in der das Individuum und sein
Erleben als subjektiver Repräsentant objektiver Gegebenheiten im Mittelpunkt steht. Diese
drei Klassenklima beeinfl ussenden Faktoren fi nden sich in anderen Worten ausgedrückt auch
immer wieder in Artikeln und Büchern.
• emotionale Schüler-Schüler- und Lehrer-Schüler-Beziehung
• die in der Umwelt herrschenden Werte und Einstellungen
• die subjektiv wahrgenommene (Lern-)Umwelt
Auf die Schule bezogen gilt es zwei Ebenen und drei Begriffe zu unterscheiden:
Mesoebene: Das Schulklima, bezieht sich auf die Organisationseinheit «Schule» und meint die Wahrnehmung und Bewertung der Schulumwelt durch alle ihre Beteiligten
Makroebene: Das Klassenklima, bezieht sich auf die Organisationseinheit «Klasse» und meint die Wahrnehmung und Bewertung der Klassenumwelt durch alle ihre Beteiligten
Das Unterrichtsklima: bezieht sich auf die Klasse und die Art, in der Unter-richtsinhalte dargeboten werden und meint die psychologische Situation der Schüler/-innen
Hilbert Meyer defi niert den Begriff Klassenklima als «Qualität des Lehrer-Schüler- und
Schüler-Schüler-Verhältnisses» und benennt fünf Aspekte: [vgl. Meyer 2003, S. 77 zitiert
nach Minderop, in Pädagogik 11/04, 4]
• gegenseitige Rücksichtnahme und Toleranz
• verantwortungsvoller Umgang mit Personen und Gegenständen
• eine zufriedene und fröhliche Grundeinstellung
• eine klar strukturierte Führung und Leitung
• Höfl ichkeit und Respekt
Mit dem Begriff Klima wird die humane Qualität der Lehrer-Schüler- und der Schüler-
Schüler-Beziehungen beschrieben.
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2.2 Unsere Defi nition von Klassenklima
Als Ansatz haben wir die konstruktivistische Auffassung, die sich in der Defi nition
von Saldern fi ndet, übernommen.
«The [...] climate of classrooms, as a hypothetical theoretical construction, is relevant to
classrooms, differentiating relativly outlasting, molar and a multidimensional aggregate of sub-
jective perceptions and cognitive assimilation of situational stimuli, refl ecting itself by means
of individual descriptions of environments, structures and behaviour in the classroom, respec-
tively in one of his subsystems (e.g., cliques), as well as infl uencing the formation of attitudes
towards the educational situation and individual behaviour.» [Saldern, 1992, S.8 zitiert nach
Satow, Klassenklima und Selbstwirksamkeitsentwicklung, :]
Das Klassenklima ist eine latente, hypothetische Eigenschaft der Klasse, das auf der
Klassenebene einer gemeinsam konstruierten Wirklichkeit, die aus der individuellen Umwelt-
wahrnehmung und dem Zusammenspiel von Personen und Umweltmerkmalen resultiert.
2.3 Unsere drei Instrumente in Bezug zum Klassenklima
In den folgenden drei Kapiteln beschreiben die Autoren jeweils ein Instrument zur
Entwicklung eines positiven Klassenklimas. Gregory Turkawka beschreibt die Methode der
Refl ecting Teams, Stefan Beeler setzt sich mit Regeln auseinader, Oscar Gentili hat sich der
Thematik «Klassenrat» angenommen.
Der Klassenrat konstruiert die Wirklichkeit der Akteure einer Klasse direkt und ist eine
Möglichkeit, die Teilzeitwelt der Jugendlichen kreativ zu gestalten. Dabei werden gemein-
sam Regeln defi niert, welche explizit noch nicht festgesetzt wurden. Das Zusammenspiel
von klasseneigenen Regeln und Regeln der Institution und der Lehrperson bestimmt die
Teilzeitwelt der Jugendlichen ganz direkt. Um die soziale Interaktion zu begleiten und zu re-
fl ektieren, damit möglichst wenige «klassenklimaschädigende» Missverständnisse entstehen
und aus der individuellen Wahrnemung eine gemeinsame Position geschaffen werden kann,
wird die Methode der Refl ecting Teams eingesetzt.
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3. Refl ecting Team
Das Refl ecting Team ist eine Methode, welche aus der systemischen Therapie stammt.
Die Methode wird zunehmend auch im Ausbildungs- und Evaluationszusammenhang ein-
gesetzt. Die von Tom Andersen aus dem therapeutischen Ansatz des «Mailänder Modells»
entwickelten Methode diente dazu, die Beziehung zwischen Beratern und Ratsuchenden
systemischer zu gesalten und die Offenheit für Veränderungen zu fördern. Auf diese Grundla-
ge beziehen sich bis heute alle neueren Varianten und Ausdifferenzierungen des Refl ecting
Teams in verschiedenen Kontexten [Anderson, 1994, vgl. Reich, Methodenpool (Refl ecting
Team), :].
In einem pädagogischen Kontext soll die konstruktive Arbeit einer Gruppe, zum Bei-
spiel der Klasse, mit dem Einsatz eines Refl ecting Teams gestärkt werden. Die Methode kann
dabei verschiedenste Aspekte des Unterrichts und der sozialen Interaktion begleiten und
evaluieren. Reich beschreibt in seinem Methodenpool folgende Einsatzbereiche: Supervision
von Lehrkräften, Refl ecting Teams als Feedbackmethode, Einsatz der Methode bei Kommuni-
kationsproblemen in Seminarsituationen, Einsatz des Refl ecting Team im Kontext der Sozi-
alarbeit und entwickelt zu den einzelnen Bereichen geeignete Fragestellungen.
Der Einsatz eines Refl ecting Teams als Feedbackgeber im Unterricht und als Beob-
achter der direkten, gezielten 1:1 Kommunikation in Vereinbarungsprozessen kann ein lern-
förderliches Klima begünstigen. Im folgenden Teil werden zwei Einsatzmöglichkeiten der
Methode dargestellt. Anschliessend wird der Frage nachgegangen, wie das Refl ecting Team
auf das Klassenklima wirken kann. Abschliessend soll der Frage nachgegangen werden, wel-
che Parameter berücksichtigt werden sollten, um das Refl ecting Team erfolgreich einsetzen
zu können.
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3.1 Darstellung der Methode
Darstellung der Methode als Gesprächsbeobachtung:
In der systemischen Therapie ist der Ablauf der Methode normalerweise folgender-
massen: Ein Team von mindestens zwei Personen beobachtet das Gespräch des Klienten
und Beraters und macht sich dazu Notizen. Nach Beendigung des Gesprächs teilen sich die
Teammitglieder ihre Wahrnehmungen, Beobachtungen und Fragen mit. Klient und Berater
hören dem Refl ecting Team zu und lassen die Sichtweisen des Teams auf sich wirken. Nach
dem Gespräch des Refl ecting Teams sprechen Klient und Berater über ihre eigenen Einfälle
und Refl exionen. Sie führen also ein Gespräch über das Gespräch des Refl ecting Teams über
das ursprüngliche Beratungsgespräch.
Im pädagogischen Kontext wurde das Refl ecting Team von Gregory Turkawka bei
Lernzielvereinbarungen eingesetzt. Dabei hat das Refl ecting Team vor allem eine Kontroll-
funktion über den Verständigungsprozess zwischen der Lehrperson und der Gruppe oder
des einzelnen Lernenden wahrgenommen. In der Refl exion über die Kommunikation beim
Vereinbarungsprozess wurden Differenzen im Verständnis aufgedeckt. Das Refl ecting Team
hat dabei refl ektiert, wie es die Rahmenbedingungen der Vereinbarung verstanden hat. Ihr
Verständnis deckte sich dabei nicht kongruent mit der Wahrnehmung der Lehrperson und der
Wahrnehmung der Lernenden. In einem nächsten Schritt, in Anlehnung an das systemisch
beratende Vorgehen, wurden die Differenzen nochmals besprochen, bis die ganze Gruppe das
Gefühl hatten, von den gleichen Vereinbarungsinhalten ausgehen zu können.
Darstellung der Methode als Feedbackgeber im Unterricht
Das Refl ecting Team wurde von Gregory Turkawka erstmals im Dezember 2006 als
Feedbackmethode eingesetzt. Eine Gruppe von zwei Personen wurde zufällig aus dem Kreis
der Schüler/-innen gewählt und erhielt den Auftrag, die Lektion zu beobachten. In den letz-
ten 10 Minuten erhielt das Team die Gelegenheit, sich über ihre Beobachtungen auszutau-
schen und gab kurz vor Ende der Lektion der Klasse und der Lehrperson eine Rückmeldung
zum Unterricht.
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Die Beobachtungsaufträge waren noch nicht differenziert und ausformuliert. Daher
waren die Rückmeldungen meist allgemeiner Art, bezogen sich auf Störungen und besonders
gut gelungene Momente und Sequenzen zudem wurden Beobachtung und Interpretation ge-
mischt. Hier eröffnet sich ein neues Entwicklungsfeld, welches im Kapitel 3.2 thematisiert
wird.
3.2 Wie können Refl ecting Teams auf das Klassenklima wirken?
Die beiden oben skizzierten Einsatzgebiete der Methode des Refl ecting Teams können
das Klassenklima wesentlich beeinfl ussen. Ein Ziel der Methode ist das Erreichen von Ver-
ständnisklarheit in der sozialen Interaktion. Schule und Unterricht ist ein vielschichtiges
System sozialer Interaktion. Dabei ist das Wechselspiel von Inhalten und Beziehungen die
Grundlage und Voraussetzung individueller Lernprozesse. Geht man davon aus, dass die
menschlichen Beziehungen, diese Interaktionen in Lehr- und Lernprozessen, entscheidend
für den Sinn und den Erfolg von Lernprozessen sind, dann geht es im Unterricht nicht alleine
darum, etwas auswendig zu lernen, sich curriculares Wissen zu erarbeiten, einen Test oder
Check zu bestehen, um letztlich einen gesellschaftlich höheren Rang einnehmen zu können,
sondern auch darum, ein grundsätzliches Lernklima und damit Klassenklima zu schaffen, das
sich auf Anerkennung, wechselseitige Entwicklung und kommunikative Kompetenz stützen
kann.
Refl ecting Teams beobachten die sozialen Interaktionen und geben allen Beteiligten
eine Rückmeldung über ihre Kommunikation. Die Methode entwickelt einerseits die Beob-
achtungsgabe, indem Gespräche und Interaktionen analysiert werden. Die Lerndenden erar-
beiten sich mit der Methode ein Vokabular für Refl exion und Rückmeldung. Dabei wird an der
Art und Weise der Rückmeldung (Ich-Botschaften, TZI) und an den Beobachtungskriterien
(Beobachtung/Interpretation, Kriterienkataloge usw.) gearbeitet. Andererseits wird mit der
Methode Meta-Kommunikationsarbeit geleistet. Indem die Lernenden immer wieder über
Kommunikation refl ektieren, dekonstruieren sie eigene Vorstellungen der Vollständigkeit
von Mitteilungen und erleben, wie komplex Verständigungsprozesse sind. Durch die Beob-
achtung und Refl exion der Lektionen erwerben sie tiefgreifende Einsichten in das System
Unterricht und ihr persönliches Verhalten. Die Rückmeldungen und Erfahrungen der Refl ec-
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ting Teams bilden eine Grundlage zur Entwicklung von besserem Unterricht und wirken somit
direkt auf das Klassenklima
Reich nennt als Grundlage und Ziel des Refl ecting Teams das Entstehen einer verän-
derten Interaktionskultur und bezeichnet dies auch als zentrales Anliegen der konstruktivis-
tischen Didaktik, in der der kontinuierliche Einsatz von Refl ecting Teams mit der Erwartung
verknüpft wird, dass sich dadurch die Lernkultur erheblich verbessern lässt [Reich, Me-
thodenpool (Refl ecting Team), :]. Eine interaktionistisch-konstruktivistische Pädagogik
verlangt zudem, dass der Unterricht neben der Inhaltsperspektive auch mit Blick auf die
Beziehungsebene gestalten wird. Refl ecting Teams bieten einen hilfreichen Ansatz zur Re-
fl exion des Gleichgewichts von Beziehung und Inhalt, von Beziehung zum Inhalt und des
Inhalts der Beziehungen. Werden Refl ecting Teams als systemische Methode – im Sinne einer
Methodeninterdependenz – mit anderen pädagogischen Methoden kombiniert, eröffnet sich
die Möglichkeit der Refl exion über den sinnvollen Einsatz der jeweils gewählten Methoden.
3.3 Parameter für den erfolgreichen Einsatz von Refl ecting Teams
Damit Refl ecting Teams erfolgreich im Unterricht eingesetzt werden können, müssen
einige Regeln eingehalten werden [vgl. auch Reich, 2005 und Reich, Methodenpool (Refl ec-
ting Team), :]:
1. Die grundsätzliche Vermittlungsart muss Wertschätzung sein.
2. Es spricht in Ich-Form und schliesst Relativierungen mit ein (könnte es sein, dass...)
3. Es geht dem Refl ecting Team darum, neue Beobachterperspektiven ein-zuführen und dem Interaktionssystem ein Angebot zur Refl exion zu bie-ten.
4. Refl ecting Teams dürfen nicht zur Interessensdurchsetzung der Lehrper-son instrumentalisiert werden. Das Refl ecting Team bezieht die Lehrper-son immer auch in die Refl exion mit ein.
Im Folgenden werden einige Beobachtungskriterien für das Refl ecting Team zusam-
mengestellt. Die Zusammenstellung stellt ein Pool dar, aus dem gemäss den konkreten Be-
dürfnissen ausgewählt werden kann und lehnt sich an die von Reich aufgeführten Kriterien
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an [Reich, Methodenpool (Refl ecting Team), :]. Die Punkte sollen vor einem Einsatz mit
den Akteuren besprochen, defi niert und gegebenenfalls ergänzt werden. Daraus entsteht ein
Beobachtungsbogen, welcher bedürfnisorientiert eingesetzt werden kann.
Rückmeldungen über die Unterrichtsgestaltung
Struktur
• Gab es einen Ablaufplan und wurde er eingehalten?
• War der Ablaufplan eng oder grosszügig?
• Waren die einzelnen Arbeitsphasen klar strukturiert? Wie lange dauerten Wechsel?
• War genug Zeit für die einzelnen Punkte?
• Blieb genug Zeit für das Feedback?
• War der Raum gut vorbereitet?
Inhalt
• Ist das in der Lektion behandelnde Thema anschaulich vermittelt wor-den? Wie?
• War der Inhalt gut strukturiert?
• Wurden die Methoden sinnvoll eingesetzt?
• Wie war die Verbindung zwischen Theorie und Praxis?
• Sind noch inhaltliche Fragen offen geblieben? Welche?
Präsentation
• Welche Medien wurden eingesetzt?
• Wurden die Medien sinnvoll eingesetzt?
• Hat der Medieneinsatz die Verständlichkeit und Anschaulichkeit gefördert oder eher gestört/verwirrt:
- War die Schrift gross genug? War die Information gut struktu-riert? Gab es zu wenig/genug/zuviel Animation oder Wechsel der Medien?
• War die Gestaltung der Medien gelungen?
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Kommunikation
• Wurden die Lernenden einbezogen?
• Waren die Anweisungen angemessen, klar und deutlich?
Rückmeldungen über Beziehungsaspekte:
Struktur
• Was waren die Anliegen, um welche Themen ging es?
• Welche Personen sind anwesend? Fehlen wichtige Personen?
• Welches sind die strukturellen Gegebenheiten, welches die selbstgewähl-ten? (Sitzplatz, Raum, Zeitgefäss usw.)
• War genug Zeit für Persönliches? Wie hat die Lektion angefangen, wie geendet? Gab es tote Punkte?
• Wie wurde die Zeit von den Akteuren genutzt?
• War der Raum günstig und gut vorbereitet (für Beziehungsarbeit)?
Beziehung
• Was habe ich an den Akteuren beobachtet? (äussere Wahrnehmung)
• Welche Sprache haben die Akteure benutzt?
• Wie haben die Akteure kommuniziert?
- verbal: Tempo, Lautstärke, Betonung, Wortwahl, Bedeutung
- nonverbal: Mimik, Gestik, Körperhaltung, Distanz, Blickkontakt, Atem, Bewegungen
• Waren verbale und nonverbale Nachrichten kongruent oder inkongruent?
• Wie war die Arbeitsverteilung und die Zusammenarbeit zwischen den Ak-teuren?
• Wie ist die Systemdynamik:
- wie sind die Interaktionsmuster (komplementäre/symmet-rische/ reziproke Beziehungen, Verstrickungen/Loslösungen);
- welche Prozesse (Allianzen, Koalitionen, offene/verdeckte/um-geleitete Konfl ikte) und Hierarchien sind im ratsuchenden Sys-tem zu fi nden;
- wie sind die Grenzen zwischen den Personen (diffus, fl exibel, durchlässig?)
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• Welche Hypothesen und welche Fragen sind entstanden?
• Welche Interventionen waren hilfreich/erfolgreich?
• Wie war die Beziehungsqualität zwischen Lehrperson und Lernenden?
• Was habe ich an mir selbst beobachtet? Welche Assoziationen, Körperre-aktionen, Gedanken und Gefühle hatte ich? (innere Wahrnehmung)
3.4 Abschliessende Gedanken (Gregory Turkawka)
Der Einsatz von Refl ecting Teams ist sicherlich zeitaufwändig. Die Erarbeitung der
persönlichen Beobachtungsgabe, einer Kommunikations- und Feedbackkultur und von Re-
fl exionsfähigkeiten ist sicherlich nicht einfach. Begreift man aber den Unterricht als kom-
plexes Interaktionssystem und möchte dieses System entwickeln, dann sind verschiedene
Beobachterstandpunkte zur Refl exion notwendig. Bei der Erarbeitung der Methode und dem
Einsatz wird den Lernenden ein hoher Grad an Wertschätzung entgegengebracht. Bereits
diese Arbeit wirkt sich positiv auf das Klassenklima aus. Sobald erste Veränderungen des Un-
terrichts aufgrund von Rückmeldungen der Refl ecting Teams beobachtbar werden, sind die
Vorraussetzungen geschaffen, um das Klassenklima nachhaltig zu verbessern. Die Methode
wirkt aber kontraproduktiv wenn die Rückmeldungen nicht bearbeitet werden oder gar igno-
riert werden. Letztlich muss auch jede Lehrperson mit sich selber aushandeln, wie viel Kon-
trolle sie über die Entwicklung des Unterrichts an die Lernenden abgegeben möchte. Ist das
Ziel aber ein angstfreies, lernerzentriertes, demokratisches, transparentes Unterrichtsklima,
dann ist die Methode des Refl ecting Teams sehr gut geeignet, um geeignete Indikatoren und
Entwicklungsschwerpunkte defi nieren zu können.
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4. Klassenrat
Im Mittelpunkt dieses Kapitels steht die Frage, ob und wie sich der Klassenrat als
schulisches «Lehr- und Lerninstrument» für die Förderung eines positiven Klassenklimas
eignet. Was aber bedeutet dies bezogen auf Unterricht und Schule? Wie erleben es die Schü-
ler/-innen selber? Wie erlebe ich es als Lehrperson?
Im Folgenden möchten wir, um diesen Fragen nachgehen zu können, zuerst einen
theoretischen Bezug zum Thema schaffen und «Klima-Parameter» für den Klassenrat be-
schreiben, die helfen sollen, die Klassenratsstunde in Bezug zu diesen Indikatoren (man
könnte sie auch Kompetenzen nennen) zu analysieren und die eigene Rolle als Lehrperson in
diesem Bereich zu refl ektieren. Als praktischer Bezug dienen Videosequenzen einer Klassen-
ratsstunde, die mit einer 1. Sekundarklasse C im Schulhaus Käferholz in Zürich - Affoltern
aufgenommen wurde.
4.1 Begriff «Klassenrat»
Der Klassenrat kann als eine Versammlung aller Schülerinnen und Schüler einer Klasse
bezeichnet werden. Ausgehend von Freinets Grundgedanken «... Um gemeinsam zu arbeiten,
muss man sich aufeinander abstimmen, sich einbringen können, andere Meinungen und Ideen
zulassen und zu einem Konsens gelangen. Diese schwierige Arbeit von Entscheidungsfi ndung,
Kooperation und Verantwortlichkeit wird in dem Freinet´schen Element des Klassenrates gebün-
delt.» [Bruns, Magisterarbeit, :], dass die Schüler/-innen-Beteiligung eine zentrale Rolle
spielt, können hier alle gleichberechtigt ihre Meinung zu allen zur Diskussion stehenden
Themen äussern, neue Themen einbringen und über das gemeinsame Lernen und Zusam-
menleben mitbestimmen. In ihm werden Regeln der Gesprächsführung aufgestellt mit der
Möglichkeit, sie zu üben und ihre Wirkungen zu erfahren.
Im Lehrplan des Kantons Zürich wird der Klassenrat erstaunlicherweise als solches
nicht explizit erwähnt. In den Richtzielen im Bereich «Mensch und Umwelt» (S. 29, Indivi-
duum und Gemeinschaft) lassen sich jedoch Ziele fi nden, die im Rahmen eines institutiona-
lisierten Klassenrates angestrebt und gefördert werden können:
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• «... Die Schülerinnen und Schüler verfügen über die notwendigen Begriffe, die es ihnen erlauben, über persönliche Wahrnehmungen, Bedürfnisse und Anliegen zu sprechen.»
• «... Sie erkennen, dass der Einzelne als Teil der Gemeinschaft von dieser beeinfl usst wird und auf sie Einfl uss ausübt.»
• «Sie machen die Erfahrung, dass im menschlichen Zusammenleben gegenseitige Rücksichtnahme und das Beachten von Regeln unerlässlich sind...»
• «Sie können soziale Verpfl ichtungen wahrnehmen. Sie suchen Konfl ikte in angemessener Weise zu lösen...»
4.2 Klassenrat als Kompetenzerwerb
Im Klassenrat wird nicht der Schulstoff im eigentlichen Sinne vermittelt, Wissens-
inhalte werden weniger systematisch und eher «nebenbei» gelernt. Trotzdem bietet dieses
Instrument die Möglichkeit für die Schülerinnen und Schüler wichtige kommunikative und
soziale Erfahrungen zu machen, die auch in den Stufenzielen des Lehrplans weitgehend um-
schrieben sind (vgl. LP S. 81-84):
• Verantwortung übernehmen, Aufeinander eingehen und rückmelden, zu re-alen Situationen persönliche und soziale Aspekte aufdecken und abwägen
• Wortschatz und Begriffe, um über sich selber zu sprechen, klären und an-wenden, um sich in der pluralistischen und sich verändernden Welt zu orientieren
• Regeln für das heutige und zukünftige Zusammenleben klären
• Sich seiner Individualität bewusst werden
• Grundlegende Erfahrungen in der Begegnung mit anderen machen und Lö-sungen zur Bewältigung aktueller Probleme suchen
• Werte und Normen erleben und ihre Auswirkungen überdenken, sowie eigene Wertvorstellungen begründen
• Bereit sein, seine eigenen Wertentscheidungen zu hinterfragen und gegebe-nenfalls anzupassen
Diese Stufenziele beschreiben persönlichkeitsbildende Grunderfahrungen, die im Um-
feld der Schule und im Unterricht erlebt werden sollen. Aus diesen Erfahrungen lassen sich
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wichtige Kompetenzen ableiten, die im Klassenrat vermittelt, erfahrbar und geübt werden
können. Als wesentlich erachten wir in diesem Zusammenhang folgende Schlüsselkompe-
tenzen:
Personale Kompetenz
Durch den Klassenrat erfahren die Schülerinnen und Schüler - mehr als im «normalen»
Unterricht - die direkte Auseinandersetzung mit sich selber und gleichzeitig die Konfron-
tation mit den anderen. Die Selbst- und Fremdwahrnehmung, der Wechsel zwischen dem
Eigenbild und dem Fremdbild, erlaubt Korrekturprozesse und ermöglicht damit die Identität-
sentwicklung. Die Besprechungen im Klassenrat lösen nicht selten Gefühle aus, die im Un-
terricht weniger zum Vorschein kommen. Auch die Emotionalität darf und soll im Klassenrat
mehr Raum beanspruchen. Die Thematisierung der Gefühlsebene im Klassenverband hat eine
integrierende Funktion, weil dadurch Empathie entstehen kann. Dabei geht es nicht zwangs-
läufi g um Trost oder Unterstützung bei Sorgen, sondern eher um das «Verständnis», was den
Anderen aus seinem Weltbild und Erfahrungshorizont heraus zu bestimmten Handlungen
oder Aussagen bewegt. Wenn die Schülerinnen und Schüler Strategien im Umgang mit po-
sitiven und negativen Gefühlen beherrschen, stärkt dies ihr Selbstvertrauen in der Gruppe
und fördert damit die Eigenverantwortung.
Soziale Kompetenzen
Im Klassenrat werden eine Vielzahl von Kompetenzen ausgebildet, die in den Bereich
der (pro)sozialen Kompetenzen zusammengefasst werden können. Neben den fachlichen
Kompetenzen, die sich z.B. in der Redegewandtheit oder im Wortschatzerwerb zeigt, sind die
Kommunikationsfähigkeit, die Konfl ikt- und die Teamfähigkeit die aus unserer Sicht grundle-
gendsten Kompetenzbereiche, die während den Klassenratssitzungen vertieft werden kön-
nen. Aus instrumenteller Sicht ist die Vermittlung kommunikativer Kompetenzen ein Kernan-
liegen. Im Klassenrat werden die Schüler/-innen angehalten, sich am Gespräch zu beteiligen
und ihre Gedanken verständlich zu formulieren, aber auch anderen zuzuhören und Gesprächs-
regeln einzuhalten. Dies bedingt, dass die Interaktion zwischen den Teilnehmenden des
Gesprächs auch wirklich stattfi ndet. Dieser wechselseitige Austausch fi ndet natürlich auch
auf der nonverbalen Ebene statt: Mimik, Gestik, Bild oder Schrift sind wichtige Elemente
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Drei Instrumente und ihre Wirkung auf das Klassenklima
im Kommunikationsprozess. Im Hinblick auf das Klassenklima kommt dem kommunikativen
Umgang der Schülerinnen und Schüler untereinander und mit der Lehrperson eine grosse Be-
deutung zu. So kann zum Beispiel verbale Gewalt, wie Beleidigungen, Beschimpfungen oder
Drohungen, im Klassenrat im Sinne einer Gewaltprävention thematisiert werden. Neben dem
Einüben der oben genannten gesprächstechnischen Kompetenzen kann im Klassenrat auch
die Kommunikation aus einer Metaperspektive [vgl. Schulz von Thun / Friedemann, 1987]
betrachtet werden: Was passiert zwischen den beiden, die da Meinungsverschiedenheiten
haben? Wie gehen sie miteinander um? Die Refl exion über die Art der Kommunikation hat
direkte Auswirkungen auf die Konfl iktsituation; Indem der Blickwinkel und damit die Ge-
sprächsebene gewechselt wird, kann eine Konfl iktsituation deeskaliert werden.
Die Schülerinnen und Schüler lernen so, dass unterschiedliche Redeweisen und Be-
trachtungsebenen unterschiedliche Auswirkungen haben, dass zur Kommunikation auch
Lautstärke und Körpersprache gehören, dass Ich-Botschaften zielführender sind als Du-Bot-
schaften und dass aktives Zuhören eine Technik ist, die sowohl für den Sender der Mitteilung
als auch für den Empfänger sinnvoll ist.
Methodische Kompetenzen
Das Wort Methode stammt aus dem griechischen (met-hodos) und bezeichnet den
Weg zu etwas hin. Wenn man weiss, wie der Weg aussieht, um ein Problem zu lösen, dann
braucht man sich nicht mehr um jede Kreuzung zu kümmern; man hat ein Konzept, das sich
auf andere Probleme anwenden lässt. Der Klassenrat vermittelt nicht nur für die Schule
sondern auch für das (Berufs-)Leben wichtige Methoden. Selbstbestimmtes Handeln und
Selbststeuerungsfähigkeit sind Eigenschaften, die in unserer Zeit, wo Strukturen und Sicher-
heiten zunehmend fehlen, an Bedeutung gewinnen. In der Schule können solche Strukturen
wie der konkrete Ablauf, die Gestaltung und Funktionsweise eines Klassenrats dazu dienen,
eigene Stärken oder Schwächen besser zu erkennen. In diesen Bereich gehört auch die Auf-
trittskompetenz, die durch das Übernehmen der Gesprächsleitung oder des Monitoring (vgl.
Kapitel 3, Refl ecting Team) geübt werden kann. Konfl iktlösung, Protokollieren und Planen
gemeinsamer Aktivitäten sind weitere Elemente methodischer Kompetenz.
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4.3 Praxisbeispiel
Rahmenbedingungen
Der Klassenrat wurde in der Klasse von Oscar Gentili vor ein paar Monaten neu ein-
geführt. Den meisten Schülerinnen und Schüler war dieses Instrument schon von der Pri-
marschule her bekannt. Trotzdem war der Start nicht ganz einfach – das gegenseitige Ken-
nenlernen stand in dieser Anfangsphase noch im Vordergrund. Fester Bestandteil auf der
Mesoebene des Schulhauses ist das Schülerparlament. Jeweils ein Vertreter jeder Oberstu-
fenklasse nimmt alle zwei Wochen daran teil. Es gelten folgende einfache Grundregeln für
den strukturellen Ablauf des Klassenrats:
• Wöchentliche Traktandenliste, aber auch die Möglichkeit im Rahmen des Zeithorizonts Themen während der Sitzung zu behandeln
• Protokoll (wird abwechselnd von allen erstellt)
• Vermeidung den Klassenrat ausschliesslich als Problemlösestelle zu ge-brauchen, sondern als eine Veranstaltung mit positiver Grundhaltung
• Reden lassen und zuhören können (so wie auch im täglichen Unterricht)
Voraussetzungen bei der Lehrperson
Im Rahmen des Klassenrats besteht die Rolle der Lehrperson in erster Linie darin, die
richtige Balance zwischen den Anliegen und Forderungen der Schüler und der Machbarkeit
und Umsetzbarkeit dieser Wünsche und Anregungen im Rahmen des schulischen Umfelds zu
fi nden. Es ist ein erklärtes Ziel, im Umgang miteinander eine Grundhaltung von Authentizität
und Kongruenz zu etablieren, um Akzeptanz und Wertschätzung zwischen den Schülerinnen
und Schüler und der Lehrperson zu vermitteln.
Klassenratssitzung vom 16.12.06 (Refl exion von Oscar Gentili)
Ein Teil der Klassenratssitzung vom 16.12.06 habe ich spontan auf Video aufgenom-
men. Positiv überrascht war ich über die Tatsache, dass sich die Schülerinnen und Schüler
gefreut haben, dass sie gefi lmt wurden - für mich ein erstes Indiz dafür, dass die Klasse eine
positive Grundhaltung gegenüber diesem Instrument zeigt: Das Festhalten auf Video bietet
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zudem eine ausgezeichnete Möglichkeit, auf der Ebene der Metakommunikation gewisse Ab-
läufe und Verhaltensweisen von Schülerinnen und Schüler und für mich als Lehrperson sowie
für die Klasse selber zu analysieren und zu refl ektieren. Die Sitzung beinhaltet folgende
Traktanden:
1. Teil (Mitteilungen aus dem Schülerparlament)
• Wunsch nach mehr Garderobenkästen für persönliche Gegenstände
• Schulhausball verschoben
• Unklarheit über Schülerzeitung
• Wunsch den Pausenkiosk auch am Mittwoch zu betreiben
• Jöggelikasten mutwillig beschädigt
• Antrag über die Idee im Schulhaus ein Infoplakat über die Vorfälle in Zürich-Oerlikon (mutmassliche Mehrfachvergewaltigungen) zu erstellen
2. Teil (Klasseninterne Wünsche, Anregungen > Gesprächsleitung wird von einem Schüler übernommen)
• Anfrage, ob neuer Schüler oder Schülerin in die Klasse kommt
• Wunsch, dass Klassenlehrer anstatt der Fachlehrer eine Turnstunde er-teilt
• Anfrage, wann Ausfl üge/Lager geplant sind
• Umfrage und Feedback zu Geometriestunde
Analyse der Klassenratsstunde
Im Folgenden möchte ich eine kurze Analyse der Klassenratsstunde festhalten und
Vergleiche bezüglich der beschriebenen Schlüsselkompetenzen herstellen.
Zu den personalen Kompetenzen:
• Die Schülerinnen und Schüler nehmen die Mitteilungen und Anliegen, die aus dem Schülerparlament eingebracht werden mit Interesse entgegen, und versuchen sich darüber ein genaueres Bild zu machen, indem sie nachfragen und sich auch zum Teil mit der eigenen Meinung «exponie-ren» (z.B. pro oder contra Plakatgestaltung zu den Vergewaltigungsfäl-len).
• Eine Schülerin liegt während der ganzen Besprechung auf einer Matte auf dem Boden, weil sie Nasenbluten bekommen hat.
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Fast alle Schülerinnen und Schüler zeigen währen der gesamten Besprechung Interesse
und Motivation an den Themen und am Ablauf des Klassenrats, selbst die Schülerin mit Na-
senbluten meldet sich mit Beiträgen. Wenn die Verständigung manchmal schwierig zu werden
scheint, weil es zu laut ist, dann intervenieren gewisse Schüler selber, was ich bewusst zulasse.
Hier beginnt ansatzweise und unbewusst die Fähigkeit, sich selber zu steuern und die Verant-
wortungsbereitschaft gegenüber der Gruppe zu übernehmen.
Zu den Sozialkompetenzen:
• Während der Analyse der Aufnahmen ist mir aufgefallen, dass die Wort-meldungen während der Klassenratssitzung fast ausschliesslich durch die Jungs, (die sowieso in der Mehrzahl sind) erfolgte. Die (freiwillige) Beteiligung der Mädchen steht somit in einem schlechten Verhältnis zur Gesamtbeteiligung.
• Im zweiten Teil der Sitzung habe ich den Versuch gemacht, die Gesprächs-leitung abzugeben, was auch sehr gut geklappt hat.
Die meisten Schülerinnen und Schüler dieser 1. C-Klasse waren infolge Lernschwierig-
keiten, sprachlicher Probleme oder wegen Verhaltensauffälligkeiten in Kleinklassen. Das erarbei-
ten sprachlicher «Gewandtheit» und das «sich trauen» seine Meinung zu äussern sind Ziele, um
die kommunikative Interaktion zu verbessern und um mich als Lehrperson als steuernde «Ins-
tanz» mit der Zeit zurückzunehmen. Dem Umstand, dass die Mädchen in der Minderzahl sind,
und mit einer Ausnahme auch gehemmter wirken, gilt es ein besonderes Augenmerk zu haben.
Ein möglicher Ansatz wäre, dass die Mädchen «als Gruppe» mit spezifi schen Anliegen auftreten,
und in einer ersten Phase zusammen so mehr «Gewicht» in die Gesprächsrunde einbringen kön-
nen. Damit könnten sie schrittweise auch ihre Auftrittskompetenz aufbauen lernen.
Zu den methodischen Kompetenzen
• Die Klassenratssitzung folgt dem gewohnten zweiteiligen Ablauf (The-men aus dem Schülerparlament und dann die Traktanden der Klasse).
• Die Protokollführung wird von allen abwechslungsweise übernommen und muss bis zum Vortag der nächsten Sitzung in den Klassenratsordner ab-gelegt werden.
Die methodischen Kompetenzen betreffen auf einer formalen Ebene die Strukturierung
des Klassenrats: Im zweiten Teil z.B. fragt der neue Gesprächsleiter unaufgefordert nach der
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Traktandenliste. Hier zeigt sich, dass die Schüler/-innen den Ablauf und die Struktur gut kennen
und schon fast verinnerlicht haben! Auf der inhaltlichen Ebene betreffen die methodischen Kom-
petenzen z.B. die Fähigkeit ein einfaches Protokoll zu erstellen und auch den Nutzen und den
Sinn (und Unsinn) schriftlicher Abmachungen zu erfahren. Neben einer guten Grundstruktur für
die Sitzungsgestaltung erachte ich es auch für wichtig, dass je nach Thematik oder Dynamik
des Gesprächsverlaufs, diese Struktur aufgegeben werden kann und Freiräume entstehen können
(vgl. auch die Bemerkungen über die Emotionalität unter «personaler Kompetenzen»).
4.4 Abschliessende Gedanken (Oscar Gentili)
Dieser Einblick in die Praxis und die Auswertung der Klassenratssitzung bestärken
mich in der Absicht den Klassenrat weiter zu treiben und die verfolgten Kompetenzbereiche
erfahrbar zu machen. Dies bedeutet ein zusätzlicher Zeitaufwand, der in dieser Form weder
im Lehrplan noch im Stundenplan enthalten ist. Der zeitliche und inhaltliche Mehraufwand in
den Klassenrat ist ein Baustein des Grossprojekts «lernförderliches Klassenklima». Unter die-
ser Optik betrachtet, ist die Investition in diese «Institution» lohnenswert, auch wenn die
Gefahr besteht, dass die Rollenverteilung zwischen Schülerinnen und Schüler und zwischen
der Lehrperson ins Wanken geraten kann, nämlich dann, wenn die Hierarchien sich zu ver-
schieben beginnen und die Machtverhältnisse möglicherweise neu etabliert werden müssen.
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5. Regelwerke
Wo Menschen zusammen leben gibt es Regeln. Regeln dienen der Organisation von
sozialen Gemeinschaften und ermöglichen Beziehungen zwischen Subjekten und zu den
Objekten. Als Oberstufen-Lehrperson einer ersten C-Klasse, mit vorwiegend Schüler/-innen,
die in der Mittelstufe eine Sonderklasse besucht haben, ist Stefan Beeler im Verhaltensbe-
reich besonders gefordert. Regeln und das Einhalten von Regeln sind für ihn deshalb von
zentraler Bedeutung. In der vorliegenden Arbeit möchten wir uns eingehend damit ausein-
andersetzen, ob sich Regeln positiv auf das Klassenklima auswirken können und wenn ja,
wie solche Regeln gestaltet und erarbeitet werden müssen. Um mit Regeln zu arbeiten, ist
es uns wichtig, das Wort «Regel» näher zu betrachten. Dazu möchten wir mit Auszügen einer
philosophischen Auseinandersetzung des Wortes beginnen, welche dem Buche «Regel ohne
Ausnahme» [Ortmann, 2003] entnommen sind:
Eine Regel ist also ein verallgemeinerbares Verfahren der Praxis, sei
dieses nun irgendwo formuliert, formal verfasst, niedergeschrieben oder nicht.
Da Regeln ein verallgemeinerbares Verfahren sind, so heisst eine Regel anwen-
den ein solches Verfahren anwenden, und zwar auf einen besonderen Fall in ei-
ner besonderen Situation. Dies wirft die Frage auf, was bedeutet die Regel, und
was bedeutet die Situation? Ist die Situation S ein Fall, in dem es angemessen
ist, die Regel R anzuwenden, und wenn ja, wie?
In dem Wort «Anwenden» steckt ein «Wenden». Wir können sagen: Ein
Abwenden vom allgemeinen Verfahren und ein Hinwenden zum besonderen Fall;
ein Wenden des allgemeinen Verfahrens derart, dass es auf den besonderen Fall
passt. Dazu könnte man fortfahren, braucht es so etwas wie einen «Sinn für
Angemessenheit». Auf Wittgenstein zurückgeführt vermag keine Regel ihre ei-
genen Anwendungsbedingungen zu regeln, mit anderen Worten, die Anwendung
einer Regel verlangt Interpretationen und Entscheidungen, die sie selbst nicht
(restlos) steuern kann.
Deshalb muss, um es in Worten Derridas zu sagen, «eine gerechte und ver-
antwortliche Entscheidung „einer Regel unterstehen und ohne Regel auskommen“.
Sie muss das Gesetz erhalten und es zugleich so weit zerstören oder aufheben, dass
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sie es in jedem Fall wieder erfi nden und rechtfertigen muss; sie muss es zumindest
in dem Masse wieder erfi nden, in dem sie erneut sein Prinzip frei bestätigen und
bejahen muss. Jeder Fall ist anders, jede Entscheidung ist verschieden und bedarf
einer vollkommenen einzigartigen Deutung, für die keine bestehende, eingetragene,
codierte Regel einstehen kann und darf.» [Derrida, 1991, 47f., zitiert nach Ort-
mann, 2003]
Dann aber hat jede Regelanwendung etwas von einer Regelverletzung
an sich. Regelverletzungen im Dienste dieser Sache sind daher, wie man mit
Derrida sagen könnte, die Regel. Niemand fi ndet es daher per se anstössig,
Regeln zu verletzen. Sondern die Grenze, die von der alltäglichen Moral gezo-
gen wird, verläuft zwischen akzeptablen und inakzeptablen, tolerierten und
nicht tolerierten Regelverletzungen. Dies alles wirft die Frage nach der Grenze
solcher Regelverletzungen auf. Wenn soziale Systeme auf Regeln basieren und
von ihnen zusammengehalten werden, diese Regeln aber immer wieder verletzt
werden und verletzt werden müssen, wieso nimmt dann die Regelabweichung
nicht überhand?
Dass moralische Regeln nicht sogleich verfallen, wenn ihnen zuwider ge-
handelt wird hat damit zu tun, dass wir ihnen eine Idealität zuschreiben, die
von der abweichenden Realität nicht sogleich dementiert wird. Am ideellen
Gehalt von Regeln ändert sich auch durch massenhafte Verletzungen nichts.
Wohl aber können Normbewusstsein und in seinem Gefolge soziale Normen in
ihrer faktischen Geltung erodieren, wenn ihre Verletzung gewisse Grenzen über-
schreitet – «kritische Schwelle». Klar ist jedenfalls, dass weder eine Gruppe
noch eine Familie, noch eine Organisation, noch eine nationale Gesellschaft
zusammenhalten kann, wenn die Verletzung ihrer Regeln eine solche «kritische
Schwelle» überschreitet. Oder?
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Drei Instrumente und ihre Wirkung auf das Klassenklima
5.1 Bedeutungen des Wortes «Regel»
Das Wort «Regel» (lateinisch: regula «Massstab, Richtschnur») hat viele Bedeutungen,
die immer vom jeweiligen Kontext abhängen. Wikipedia liefert folgende Aufstellung zu Re-
geln, welche wir unvollständig zitieren:
• ist eine Übereinkunft, an die man sich nach allgemeiner Auffassung halten sollte (Konvention, Standard)
• ist eine Vorschrift für das soziale Verhalten (Verhaltensnorm), z.B. Verkehrs-regeln, Benimm-Regeln, Ordensregeln
• ist eine Richtschnur für das eigene Verhalten (Maxime)
• ist eine Aufforderung, Anleitung, Anweisung zur Ausführung von Operati-onen unter gewissen Bedingungen mit einem bestimmten Ziel
• ist in den Naturwissenschaften einen regelmäßigen Zusammenhang unter-halb der Kategorie eines Naturgesetzes, z.B. Lenz‘sche Regel.
• ist ein gleichförmiges Wiederholen eines Vorgangs (Regelmässigkeit)
• ist umgangssprachlich die Menstruation (Monatsblutung) der Frau, vermut-lich damit zusammenhängend, dass diese zyklisch ist.
• ist eine Anweisung bzw. verallgemeinerte Beschreibung der Bildung kom-plexer sprachlicher Einheiten wie Wort und Satz in der Linguistik
• ist ein Bestandteil von Methode zur Erlangung von Erkenntnis oder zur Ver-änderung der Wirklichkeit. Diese Art von Regeln bezeichnet man auch als methodische Regeln.
• sind Konventionen als soziale Handlungsanweisungen und defi nieren mög-liche Verhaltensweisen in einer sozialen Situation. Sie geben Verhaltens-regelmässigkeiten an, die gesellschaftlich und kulturell beding sind, also soziale Normen.
Soziale Normen wiederum sind konkrete Vorschriften, die das Verhalten betreffen, und
durch Sanktionen deren Einhaltung garantiert (Belohnung oder Bestrafung). Diese Sank-
tionen können durch die Mitmenschen erfolgen oder durch Personen in einer bestimmten
Machtposition [Regeln, Wikipedia, :]. Aus soziologischer Sicht spricht man häufi g von
der Reproduktion von Regeln oder Normen, die dadurch, dass sie befolgt werden, immer
weiterleben. Aus dieser Sichtweise gehören Regeln eng mit Menschen zusammen, die diese
befolgen.
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5.2 Regelwerk Schule
Mit der Ausarbeitung von Klassen und Schulordnungen, die Regeln enthalten, fol-
gen Schulen den Empfehlungen oder Bestimmungen des kantonalen Volksschulgesetzes. Das
Volksschulgesetz setzt die Vorgaben fest und die Schule konkretisiert diese Vorgaben und
passt sie den Gegebenheiten vor Ort an. Schulordnungen sind nicht nur auf organisatorische
Regeln beschränkt. Sie regeln auch allgemeine Grundsätze des Zusammenlebens.
Die Schule ist eine Organisation und eine Gemeinschaftsveranstaltung zum Zwecke
des Lernens, ein soziales System, dem ein komplexes Regelsystem zugrunde liegt. Die Lehr-
personen – deren Anstellung und Auftrag im Volksschulgesetz und in Verordnungen geregelt
ist – sowie die Schüler/-innen, sind Teile dieses geregelten Werkes.
In einem sozialen System wie der Schule gibt es eine Vielzahl von Regeln: Schul-
regeln, Klassenregeln, Verhaltensregeln, Regeln für spezielle Unterrichtsstunden wie den
Sportunterricht oder Schwimmunterricht, offene bzw. offi zielle Regeln, heimliche Regeln,
Regeln für unterschiedliche Personen, individuelle Regeln die Personen für sich selber auf-
stellen und viele mehr.
Ziel von Regeln an der Schule
Regeln sind Orientierungshilfen. Regeln müssen Klarheit, Verhaltenssicherheit und
Verlässlichkeit schaffen. Sie setzen die Rahmenbedingungen und unterstützen die Leitbilder
und Zielvorstellungen der Schule. Deshalb sollten Schulen überschaubare Regeln festlegen,
die Verhaltensweisen, die für das Schulehalten notwendig sind, beinhalten. Die Bedürfnisse
des Einzelnen müssen in Einklang mit jenen der anderen gebracht werden.
Im Kontext des Klassenzimmers oder der gesamten Schule ermöglichen Regeln ein auf
Respekt, Rücksicht, Verständnis und Verantwortung basierendes Zusammenleben, das die
Rechte aller Beteiligten wahrt. Sie zeigen Kindern, Jugendlichen, Lehrpersonen und Eltern
die Möglichkeiten und Grenzen für ihr Verhalten auf.
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5.3 Regeln sind nicht gleich Regeln
Schulordnungen formulieren nebst organisatorischen Regeln auch allgemeine Grund-
sätze in Form von Geboten und Verboten. Regeln, die sich an Konventionen oder Absprachen
orientieren, nennen wir übergeordnete Regeln, z.B. solche, die dafür sorgen, dass Gewalt
nicht angewendet wird. Regeln die sich an allgemeingültigen Normen orientieren, können
wir auch Gebote nennen, z.B. solche, die für pünktliches Erscheinen im Unterricht sor-
gen sollen. Über diese Regeln kann man schul- und klassenintern diskutieren und kann sie
aushandeln. Grundsätzlich kann zwischen Bedeutungs- und Handlungsregeln unterschieden
werden.
Die Bedeutungsregeln umfassen gemeinsame Orientierung zur Deutung von Wirklich-
keit. Sie bilden die Ebene der Ziele, der Leitorientierungen, die den Rahmen für die jewei-
ligen Regeln sowie deren Durchsetzung bilden, zum Beispiel, was eine Schule sein soll (z.B.
Schule als Lern- und Lebensraum). Es geht also darum, welchen Sinn erfüllen die Regeln und
Vorschriften, welchem Zweck sollen sie dienen und wie sind sie zustande gekommen.
Handlungsregeln konkretisieren diese Bedeutungen. Sie beschreiben, mit welchen Re-
geln die Bedeutungsregeln umgesetzt werden. Sie bilden die Ebene der vorhandenen offi zi-
ellen und inoffi ziellen Regeln und Vorschriften, die das Handeln der Personen leiten sollen.
Es geht also darum, welche Regeln existieren und ob bzw. wie sie eingehalten werden.
Regeln auf der Schulebene
Die Regeln im Klassenzimmer können nicht isoliert betrachtet werden, da sowohl das
Schulklima, als auch individuelle Regeln mit hinein spielen. Deshalb kommen wir kurz auf
die Erarbeitung von Regeln betreffend der Schulebene zu sprechen.
Bevor überhaupt Regeln und Vorschriften entwickelt werden, ist es notwendig ein
Leitkonzept zu erstellen das die Ziele und die ethische Überzeugung der Schule beinhaltet.
Regeln müssen eingebunden sein in ein durchdachtes, ausgewogenes Erziehungskonzept.
Formuliert sind dies die Bedeutungsregeln, die den Geist und das angestrebte Schulklima
spezifi zieren. Die Güte des Schulklimas wird durch die Qualität dieser Regeln und Normen
und deren Mass an Übereinstimmung unter den Subjekten bestimmt. Deshalb ist es auch
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auf Schulordnungsebene empfehlenswert – zum Beispiel über den Schülerrat – gemeinsam
entsprechende Regeln zu erarbeiten, zu thematisieren und über Sinn und Nutzen von Regeln
zu diskutieren. Es ist wichtig, dass an der ganzen Schule eine breite allgemeine Übereinstim-
mung herrscht, also in der Schulkonferenz, der Lehrerkonferenz, im Eltern- und Schülerrat.
Regeln auf der Klassenebene
Als Lehrpersonen sind wir in unserer praktischen Arbeit vorwiegend mit Regeln in der
Klasse konfrontiert. Auf diese üben wir auch direkt Einfl uss aus. Dabei stellt sich uns nicht
die Frage, ob Regeln notwendig sind, denn jedes Handeln ist regelgesteuert und Regeln
fordern Handlungen. In jeder Menschengruppe, somit auch in der Klasse, muss das Verhalten
der einzelnen Akteure durch Regeln defi niert, reguliert und eingeschränkt werden. Nur so
können zwischenmenschliche Beziehungen funktionieren. Wie bereits weiter oben erwähnt,
haben Regeln ein dem Schulgedanken entsprechendes Ziel zu verfolgen. Somit können reine
Befehls- und Gehorsamsregeln nicht Ziel einer schulischen Bildung sein die Schüler/-innen
zu mündigen, selbstständigen und aktiven, sich an der Demokratie beteiligenden Bürger/-
innen erziehen will. Solche Arten von Regeln verhalten sich dysfunktional.
Jede Person hat Regeln und Vorschriften, die sie akzeptiert, befolgt und denen sie
sich unterwirft. In diesem Sinn beruht jedes störende oder auffällige Verhalten, das gehäuft
auftritt, auf Regeln. Es ist also die Frage, auf welchen Regeln das Verhalten beruht (Fami-
lie, Peergroup, …). Persönliche Regeln führen nicht selten zu Schwierigkeiten in sozialen
Kontexten. Um Interaktions- und Kommunikationsprozesse in sozialen Kontexten zu verste-
hen, muss man die Regeln verstehen, die das System leiten. Deshalb spricht einiges dafür,
aushandelbare Regeln, also Regeln die sich an allgemeingültigen Normen orientieren, durch
ein hohes Mass an Schüler/-innenbeteiligung zu realisieren. Einerseits ist dadurch die Klas-
senlehrperson ganz nah an den Bedürfnissen und Erfordernissen der Schüler/-innen, ander-
seits ist deren Akzeptanz gegenüber Regeln, an dessen Entscheidungsprozess sie mitgewirkt
haben, um einiges höher als bei fremdgesetzten Regeln. Auch besteht ein Unterschied, ob
man sich freiwillig oder unter Zwang der Einhaltung von Regeln unterwirft.
Die Schwierigkeit in sozialen Systemen ist, dass es eine Vielzahl von Regeln gibt.
Probleme entstehen wenn Regeln in der Klasse mit persönlichen Regeln in Konfl ikt geraten,
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offi zielle und inoffi zielle Regeln sich widersprechen oder wenn Regeln nicht klar sind. Des-
halb ist es wichtig, dass überschaubare Regeln aufgestellt werden. Insgesamt soll die Anzahl
der Regeln stets klein bleiben. Es ist nicht zweckmässig, viele Regeln auf einmal anzugehen.
Eine «Regel der Woche» kann die Aufmerksamkeit für einige Zeit auf ein in der Klasse beson-
ders ausgeprägtes Problem lenken. Danach gilt sie als ständige Regel. Kommen bestimmte
Regelverstösse nicht mehr vor, braucht es keine «geschriebene Regel» mehr dafür. Ander-
seits kann eine inzwischen vergessene Regel erneut in den Blick gerückt werden. Regeln
sollten also immer wieder aktualisiert werden, sonst hängen sie zwar an der Wand, werden
aber gleichwohl nicht beachtet. Regeln müssen auch thematisiert werden und über Sinn und
Nutzen von Regeln muss diskutiert werden. Dabei ist zu beachten, dass Gebote zur Achtung
anderer Personen nicht zum Gegenstand von Verhandlungen gemacht werden können, wohl
aber zum Gegenstand von Unterricht, also intensiv erläutert werden.
Sind Regeln erarbeitet worden, so müssen sie ausformuliert und die Schüler und Eltern
informiert werden, ab wann die Regeln in Kraft treten. Wo Regeln sind, sind auch Sankti-
onen oder mit anderen Worten: Regeln, die regeln, wenn Regeln nicht eingehalten werden.
Da Sanktionen Regeln sind, sollen sie ebenfalls mit den Schüler/-innen erarbeitet werden.
Sanktionen sind notwendig bei Verstoss gegen festgelegte Regeln, da es sonst zu Vertrau-
ensverlust gegenüber der Lehrperson kommt.
Regeln und Klassenklima
Verknüpft man die Regeln mit dem Klassenklima, so stellt sich nicht die Frage, ob
Regeln förderlich für ein positives Klassenklima sind, sondern, wie und welche Regeln erar-
beitet werden, in welchem Kontext sie stehen, wie sie angewendet werden und mit welchen
Sanktionen sie zur Anwendung kommen. In diesem Handlungszusammenhang beeinfl ussen
Regeln das Klassenklima zweifelsohne, entweder positiv oder negativ. Dass sich Regeln
durchaus positiv aufs Klassenklima auswirken können ist dadurch gegeben, dass jede Hand-
lung regelgeleitet ist, also auch Handlungen die positiv auf das Klassenklima einwirken.
Somit ist auch die Einhaltung von Regeln, die wir als Disziplin umschreiben und die ja eine
Handlung ist, regelgeleitet. Versteht man unter Disziplin eine zeitgemässe, antinomische
Disziplin wie sie Rüedi mit folgenden Worten umschrieben hat: «Jenseits von zwanghafter
Ordnung und unentwirrbarem Chaos Lernen, freundschaftliches Miteinander-Umgehen und Ein-
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ander-Zuhören stattfi nden zu lassen und dementsprechende Bedingungen in der Schulklasse zu
schaffen.», so wirken sich Regeln positiv aufs Klassenklima aus. [Rüedi, 2004]
Gordon [1996] stellt in seinem Buch «Lehrer – Schüler – Konferenz; Wie man Konfl ikte
löst» drei Methoden zum Thema «Beziehungen im Klassenzimmer» vor:
• In Methode 1 setzt die Lehrperson seine eigenen Regeln mit Autori-tät und ohne Mitbestimmung der Schüler/-innen um. Die Schüler/-innen haben zu gehorchen, die Lehrperson wird zum Feindbild und es kommt unweigerlich zu Konfl ikten.
• In Methode 2 handelt die Lehrperson zu nachgiebig und inkonsequent. Die Lehrperson verliert an Respekt und die Schüler/-innen bestimmen ihre eigenen Verhaltensregeln. Dies führt unweigerlich zu Störungen im Unterricht.
• In Methode 3 werden die Regeln gemeinsam von Lehrperson und Schü-ler/-innen erarbeitet. Dies setzt Interaktion, Konfl iktbewältigung und Vertrauen in der Schüler/-innen-Lehrperson-Beziehung voraus. Es ent-steht ein Klima des gegenseitigen Respekts und der beidseitigen Zufrie-denheit.
Diese Methodenbeispiele zeigen, dass Regeln sehr wohl Einfl uss auf das Klassenklima
nehmen. Auch hier zeigt sich, dass Regeln, die gemeinsam erarbeitet worden sind und von
allen Beteiligten akzeptiert werden einen positiven Einfl uss auf das Klassenklima ausüben.
5.4 Abschliessende Gedanken (Stefan Beeler)
In eigener Erfahrung mit meiner Klasse habe ich bemerkt, dass es sinnvoll ist, Regeln
mit den Lernenden zu thematisieren und gemeinsam erarbeiten zu lassen. Allerdings kann
dies nicht am ersten Tag ihres Eintrittes stattfi nden. Um Regeln gemeinsam zu erarbeiten
muss zuerst eine Basis des Vertrauens geschaffen werden. Als sehr wichtig habe ich auch
die Regeln bezüglich der Sanktionen erfahren. Werden Sanktionen nicht konsequent einge-
fordert, so machen Regeln keinen Sinn. Die Regeln müssen unbedingt kontextbezogen und
bei Veränderungen neu angepasst werden. Als nicht sehr sinnvoll hat sich die Anzahl der Re-
geln erwiesen, die ich in der ersten Woche nach Eintritt der Schüler/-innen in unsere Klasse
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vorgestellt und verschriftlicht mitgeteilt habe. Die Schüler/-innen waren damit überfordert.
Sich auf wesentliche Regeln zu beschränken, diese sorgfältig und in kleiner Zahl einzuführen
und solange wie notwendig im Schulzimmer aufzuhängen ist effektiver, als die Schüler/-in-
nen mit Regeln zu bombardieren.
Entscheidend scheint mir, dass ich weiss, welche Leitideen meinen Unterricht prägen
sollen, welche Voraussetzungen die Schüler/-innen mitbringen und welche Voraussetzungen
ich als Lehrperson zum Unterrichten benötige. Regeln müssen sich als sinnvoll und hilfreich
erweisen und der Qualität des Unterrichtes und dem Klassenklimas dienen.
• Regeln basieren auf Werthaltungen, über die sich ein Gruppe verständi-gen muss und sollen Sicherheit, Orientierung und Verlässlichkeit geben
• Regeln sollen dem jeweiligen Kontext angepasst werden
• Selbst gesetzte Regeln sollen begründet und erklärt werden. Aushandel-bare Regeln und Konsequenzen sollen gemeinsam mit den Schüler/-innen erarbeitet werden (fördert Verantwortungsbewusstsein)
• Regeln sollen klar und verständlich formuliert werden. Es ist auf eine konsequente Einhaltung zu achten (notwendig zum Aufbau von Sozial-kompetenz und wichtige Voraussetzung für erfolgreichen Unterricht)
• Regeln sollen in der Schule vorgelebt werden
• Nur regeln, was zu regeln ist, die Anzahl Regeln klein halten, überschau-bare Regeln aufstellen
• Wenn sich die Randbedingungen ändern, müssen Regeln angepasst wer-den, dadurch sind sie hilfreich und bilden eine Grundlage des Zusammen-lebens
• Regeln sollen ausformuliert werden. Schüler/-innen und Eltern sind über die vereinbarten Regeln zu informieren
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6. Synthese: Die Instrumente verortet im Klassenklima
Das Klassenklima steht – gleichsam dem geographischen Begriff – für die Gesamtheit
aller (meteorologischen) Erscheinungen, die für den durchschnittlichen Zustand der Atmo-
sphäre an einem Ort verantwortlich sind. Oder anders ausgedrückt: Das Klassenklima ist das
Wechselspiel zwischen dem «Klima» einer Schule in Abhängigkeit mit der «Witterung» im
jeweiligen Unterricht. Dorothea Minderop benutzt diese Umschreibung einleitend in ihrem
Artikel über die Messbarkeit und Beobachtbarkeit des Unterrichtsklimas. Doch was sind die
Kriterien, die für ein positives Schulklima sorgen und wie lassen sie sich messen? Im selben
Artikel werden Qualitätsmerkmale mit den dazugehörenden «Anhaltspunkten» bezeichnet.
Die Indikatoren für den Bereich Schulklima/Klassenklima könnten sein:
• wie soziale Umgangsformen vereinbart und gelebt werden
• wie schul- und klassenbezogene Regeln und Vereinbarungen abgespro-chen und transparent gemacht werden
• wie Rituale zur Stützung der Klassengemeinschaft entwickelt werden
• wie Regelverstösse benannt und sanktioniert werden
• Angebote zur Konfl iktlösung
• gemeinsam entwickelte Schulregeln, Klassenregeln
• Ämter zur Stützung der Klassengemeinschaft
• defi nierte Sanktionen
• Interview/Fragebogen (Schülerinnen/Schüler)
• Beobachtungen: im Unterricht, auf dem Pausenhof, u. a.
• Dokumentenanalyse: Schulprogramm, Bilanzbericht, Schüler- und Klas-senakten, Zeugnis
Unsere drei beschriebenen Arbeitsinstrumente – Refl ecting Team, Klassenrat und Re-
gelwerke – lassen sich in der Reihe der oben erwähnten Indikatoren für das Erreichen eines
positiven Klassenklimas gut einordnen und wieder fi nden.
Im Gesamtkontext des Systems «Schule» ist das Klassenklima Teil einer «gesamten
Choreografi e von Unterricht, Lernen, Zeitgefässen, Lernumgebung, und Schulgelände.» [Minde-
rop, in Pädagogik 11/04, 4]. Die Kriterien für dieses komplexe System können auch allge-
meiner mit den Begriffen von «Raum», «Inhalt», «Personen» und «Zeit» erfasst werden.
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7. Fazit
Rückblickend können wir die anfänglich gestellte Frage, ob die drei Instrumente «Re-
fl ecting Team, Klassenrat, Regeln» geeignet sind, um günstig auf ein Klassenklima einzuwir-
ken und ein positives Klassenklima zu ermöglichen, mit «Ja» beantworten. Durch allen drei
Instrumente lassen sich in verschiedenen Bereichen Kompetenzen erfahren, die im sozialen
Kontext Klasse und Unterricht eine bedeutende Rolle in Bezug auf eine günstige Entwick-
lung des Klassenklimas ausüben.
Bei allen drei Instrumenten gehen wir davon aus, dass die Erarbeitung und Vermittlung
der Instrumente durch eine wertschätzende Grundhaltung geprägt ist und das Ziel die Parti-
zipation und Akzeptanz aller Beteiligten ist. Durch das gemeinsamen Erarbeiten von Regeln
schaffen wir durch Mitbestimmung die Basis einer funktionierenden, teamorientierten und
sich gegenseitig akzeptierenden Gemeinschaft, fördern das Verantwortungsbewusstsein und
ermöglichen die Basis zu sozialer Kompetenz.
Der Klassenrat bietet eine ideale Plattform, um einerseits Regeln gemeinsam auszu-
handeln, zu thematisieren und zu diskutieren, und andererseits auch, um in verschiedenen
sozialen und methodischen Bereichen den Umgang mit den Regeln zu erproben. Durch die
Refl ecting Teams können Schwächen und Stärken durch wertschätzende Rückmeldungen auf-
gegriffen und dadurch in individuelle und förderliche Massnahmen umgesetzt werden. So-
wohl im Klassenrat, als auch im Refl ecting Team erfahren die Lernenden, dass ihre Arbeiten
oder Anliegen ernst genommen werden. Dadurch erhalten sie ein hohes Mass an Wertschät-
zung, was sich positiv auf das Klassenklima auswirkt.
Auch wenn das gemeinsame Erarbeiten, Thematisieren und Diskutieren von Regeln,
die Durchführung eines Klassenrates und der Einsatz eines Refl ecting Teams einige Zeit in
Anspruch nimmt, so sind wir trotzdem der Überzeugung, dass es eine lohnenswerte zeit-
liche Investition ist, sowohl für das soziale System Schule, als auch für die Lehrperson
und die Lernenden. Wenn die Schule als Ort des Lernens – mit Leitgedanken, die auf einem
Zusammenleben in gegenseitigem Respekt, Rücksicht und Verantwortung basieren, mit dem
Ziel, Kinder und Jugendliche zu mündigen, selbstständigen und aktiven, sich an Demokratie
beteiligenden Bürger/-innen zu erziehen – defi niert wird, dann müssen Zeitgefässe für so
notwendige, kompetenzfördernde und zukunftsweisende Instrumente Raum haben.
© Stefan Beeler, Oscar Gentili, Gregory Turkawka – Studenten praS04 Zürich, Regensberg – im Januar 2007 Seite 35
Drei Instrumente und ihre Wirkung auf das Klassenklima
8. Quellenverzeichnis
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Zeitschrift Pädagogik 11/04• Korte, Jochen: «...damit man gut zurecht kommt», Friederich Jahres-
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