Diplom-Arbeit (Auszug)
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KAPITEL SEITENZAHL
ABBILDUNGS- UND TABELLENVERZEICHNIS iv
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS viii
EINLEITUNG xi
1. THEMA BIOGAS 1
1.1. DEFINITION BIOGAS 1
1.2. TECHNISCHER HINTERGRUND 2
1.3. POLITISCH-HISTORISCHE VORAUSSETZUNGEN 3
1.4. ENTWICKLUNG DES BIOGAS-SEKTORS 7
1.5. ENERGIEPOLITIK IN DER REGION BRANDENBURG 12
1.6. ZUSAMMENFASSUNG VON KAPITEL I 13
2. THEMEN UND ISSUES 14
2.1. BEGRIFFSDEFINITION ISSUE 15
2.2. PUBLIC RELATIONS VS. STRATEGISCHES MANAGEMENT 19
2.3. AGENDA-SETTING 23
2.3.1. ISSUE IN DER MEDIA AGENDA 26
i
2.3.2. TRIGGER EVENT UND SALIENCE 26
2.3.3. ISSUE IN DER PUBLIC- UND POLICY AGENDA 28
2.3.4. FRAMING UND DAS KOGNITIVE SCHEMA 30
2.3.5. ATTRIBUTE AGENDA-SETTING ODER
SECOND LEVEL- AGENDA-SETTING 31
2.3.6. MESSMETHODEN EINES ISSUE –
AGENDA-SETTING-FORSCHUNG 31
2.4. ISSUE-LEBENS-ZYKLUS 32
2.5. ISSUE-MANAGEMENT IN DER STRATEGISCHEN PLANUNG 37
2.5.1. SCHWACHE SIGNALE 37
2.5.2. STRATEGISCHE FRÜHAUFKLÄRUNG 39
2.5.3. TIEFEN-ANALYSE VON TRENDS UND ISSUES 43
2.5.4. STAKEHOLDER-ANSATZ 48
2.6. ZUSAMMENFASSUNG VON KAPITEL II 52
3. FORSCHUNGSDESIGN 53
3.1. UNTERSUCHUNGSGEGENSTAND UND FRAGESTELLUNG 53
3.2. FORSCHUNGSMETHODEN 54
3.2.1. MEDIEN-ANALYSE 55
ii
3.2.2. ZIELGRUPPENINTERVIEWS 64
3.2.3. ISSUE- UND STAKEHOLDER-ANALYSE 78
3.2.4. THEMENKARRIERE-ANALYSE 93
3.3. AUSWERTUNG 94
3.4. ZUSAMMENFASSUNG VON KAPITEL III 96
4. FAZIT 97
LITERATURVERZEICHNIS xiii
ANHANG A: ZIELGRUPPEN-INTERVIEWS xxi
ANHANG B: MEDIADATEN UND ARTIKEL DER
MÄRKISCHE ALLGEMEINE ZEITUNG xlv
iii
EINLEITUNG
Die vorliegende Arbeit leistet einen Beitrag für das seit 2007 existierende Promoti-
onskolleg „Mikroenergie-Systeme zur dezentralen nachhaltigen Energieversorgung
in strukturschwachen Regionen“ an der Technischen Universität Berlin unter der
Mitwirkung von Dipl.-Ing. Zoë Hagen. Das von der Hans-Böckler-Stiftung
geförderte interdisziplinäre Forschungsvorhaben untersucht u.a. die Potenziale von
Biogasanlagen als Mikroenergie-Systeme in Entwicklungs- sowie Industrieländer.
Neben den zu untersuchenden technischen Aspekten wie z.B. die Konzeption und
Produktion solcher Biogas-Anlagen werden von Dipl.-Ing. Zoë Hagen auch
Fragestellungen nachgegangen, die sich mit den damit verbundenen Entscheidungen
der involvierten Biogas-Akteure beschäftigen. Eine Frage in diesem Zusammenhang
lautet: Inwiefern beeinflusst das gegenwärtige Thema Biogas die Landwirte, welche
Biogasanlagen betreiben oder betreiben wollen?
Die Aktualität des Themas Erneuerbare Energie - und somit auch Biogas - ist
hoch. Da sich das weltweite Kontingent fossiler Energieträger drastisch reduziert,
erhält die Nutzung alternativer Energien eine zunehmende Bedeutung. Auf
politischer Ebene wurde in Deutschland mit der Verabschiedung des Erneuerbare-
Energien-Gesetz (EEG) im Jahr 2000 reagiert, welches die Produktion Erneuerbarer
Energien in Deutschland fördert. Das Thema alternative Energiegewinnung rückt
somit stärker in den Fokus der Medien und Öffentlichkeit. In diesem Bereich setzt
der Forschungsanstoß dieser Arbeit an und untersucht das Thema Biogas aus dem
Blickwinkel des Studiums der Gesellschafts- und Wirtschafts-Kommunikation an der
Universität der Künste Berlin.
Hierbei soll das Thema Biogas auf seine gesellschaftliche Akzeptanz und
seine Entwicklung als Thema in den Medien untersucht werden. In diesem Kontext
stellt sich die Frage nach der Wirkung der Medien auf die Entscheidung der
Landwirte, ob sie das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) nutzen oder nicht.
Basierend auf den agenda setting-Ansatz, der von einem Einfluss der Medien auf
Individuen und Öffentlichkeit ausgeht, lassen sich für dieses Forschungsvorhaben
folgende zentrale Fragestellungen ableiten:
x
Wie stellt sich die Biogas-Diskussion in den Medien von Brandenburg dar? sowie:
Findet sich dieses Bild in den Vorstellungswelten der Landwirte wieder?
Dabei dient das Issue-Management im Bereich des strategischen Managements sowie
die agenda setting-Theorie aus der Perspektive der Public Relations als nützlicher
Ansatz, um dieses Forschungsvorhaben einzugrenzen. Der Forschungsprozess soll
explorativ erfolgen.
Die vorliegende Arbeit wird in vier Teile gegliedert. Im ersten Teil soll das
Thema Biogas vorgestellt werden. Neben der Begriffsdefinition und dem technischen
Hintergrund wird auch die Entstehung und Entwicklung dieses Themas untersucht.
Im zweiten Teil wird die Behandlung von Themen aus kommunikationswissenschaft-
licher und strategischer Sichtweise mithilfe des agenda setting-Ansatzes und des
Issue-Managements erläutert. Dabei sollen die Beziehungen deutlich gemacht
werden, in der sich Regierung, Medien, Öffentlichkeit, Unternehmen sowie
involvierte Interessengruppen befinden. Im dritten Teil sollen die bisherigen
explorativen Ergebnisse in das Forschungsdesign einfließen. In Bezug auf die
vorgestellte Forschungsfrage Wie stellt sich die Biogas-Diskussion in den Medien
von Brandenburg dar? soll eine Medienanalyse erfolgen. Zur Beantwortung der
Frage Findet sich dieses Bild in den Vorstellungswelten der Landwirte wieder? sollen
narrative Interviews durchgeführt werden. Die daraus gewonnenen Resultate werden
anschließend verglichen. Zusätzlich wird anhand einer Issue- und Stakeholder-
Analyse das Thema Biogas untersucht. Im vierten und letzten Teil erfolgt das Fazit.
M. Mieß Berlin im April 2009
xi
Gemeinsam mit den Ergebnissen der narrativen Interviews werden im nächsten
Abschnitt eine Issue- sowie Stakeholder-Analyse durchgeführt, in der die involvierten
Motive, Assoziationen und Konflikte zum Thema Biogas dargestellt werden sollen.
Eine Methode zur Abbildung der vernetzten Motive und Assoziationen wird durch die
Beziehungen der zu gewinnenden Muster in verdichteter Form durch kognitive Karten
erzielt (vgl. LIEBL/RUGHASE 2002b: 38). Es wird versucht, diese im nächsten
Abschnitt mithilfe der Issue-Analyse diese zu visualisieren. Außerdem sollen Vernet-
zungen anhand der Informationen jeweils aus der historisch-politischen Entwicklung
des Themas Biogas aus dem ersten Kapitel sowie aus den gewonnenen Informationen
der Medien-Analyse abgebildet werden, um einen Vergleich in Bezug zum Forschungs-
design zu erreichen.
3.2.3. ISSUE- UND STAKEHOLDER-ANALYSE
Mithilfe des Issue-Managements ist nun ein nützlicher Ansatz gegeben, um das Thema
Biogas mit seinen integrierten Issues näher zu untersuchen. Dieser Abschnitt dient den
zu behandelnden Forschungsfragen als ergänzendes Material und soll helfen, die
Position des Landwirts im Umfeld des Themas Biogas besser zu verstehen. Dabei gibt
das Forschungsdesign mit den verbundenen Fragestellungen den Rahmen einer Issue-
sowie Stakeholder-Analyse vor. Der Landwirt als zu untersuchende Zielgruppe im
Bereich des Themas Biogas steht somit im Mittelpunkt – die zu treffenden Analysen
sowie Prognosen sind somit aus seiner Sicht zu betrachten. In diesem Abschnitt soll das
Thema Biogas
• in seinen Kernelementen untersucht
• auf seine Kontexte und Deutungsmuster durchleuchtet
• auf seine Struktur hin transparent gemacht
• auf seine weitere Entwicklung hinsichtlich seiner Karriere untersucht werden.
Richtet man sich nach den Phasen des Issue-Managements, so bildet die Medienanalyse
sowie die erfolgten Zielgruppeninterviews die Phase des Monitorings. In diesem
78
Zusammenhang sollen nun die Komponenten und deren Kontextualisierungen zum
Thema Biogas (1) anhand seiner Entwicklung zum Thema auf der policy agenda, (2)
anhand der Medienanalyse von 2008 auf der media agenda sowie (3) anhand der
durchgeführten Interviews mit der Zielgruppe der Landwirte dargestellt werden. Das
Assoziationsnetz nach dem Modell von LIEBL (2000) (s. Abschnitt 2.5.2.) bildet dabei
eine nützliche Visualisierungshilfe für den ersten Schritt einer Tiefen-Analyse.
(1) Thema Erneuerbare Energien auf der policy agenda bis zur Verabschiedung des
EEG in 2000. Folgende wichtige Motive sind mit den damit verbundenen Entwick-
lungsschritten zur Bildung des Themas Biogas bzw. Förderung von EE zu nennen:
• geringere Import-Abhängigkeit von fossilen Energieträgern
• nationale und internationale Klimaschutzziele und -verpflichtungen
• europäische Liberalisierung des Strommarkts
• Ausstieg aus der Atomenergie
Abb. 3-7: Netz mit Themen und Motiven zur Entwicklung des Themas Biogas aus der Sicht der policy
agenda bis zur Verabschiedung des EEG im Jahr 2000. (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an
LIEBL 2000)
Die Geschehnisse zum Thema Erneuerbare Energien wurden unter Abb. 1-3 chrono-
logisch dargestellt. Durch eine Visualisierung in Form eines Ereignis- und Themen-
netzes werden die Kontextualisierungen sichtbar. Zählt man die Anzahl der Verbin-
79
dungen der Komponenten untereinander, so wird deutlich, dass das Thema Umwelt-
schutz/Naturschutz dem Netz die wichtigste Stabilität verleiht. Das Netz visualisiert
außerdem die fehlende Kontextualisierung des Ereignisses der Ölkrise von 1973 mit
dem stärksten Thema Umweltschutz/Naturschutz. Obwohl es somit nur eine fragile
Komponente im Gefüge dieses Netzes darstellt, bildet es gleichzeitig aus historischer
Perspektive den entscheidenden Auslöser zur Entwicklung einer nachhaltigen Energie-
politik, ohne den die Entwicklung des Themas Biogas bzw. EE nicht zustande
gekommen wäre. Somit ist es – aus dem Ansatz des agenda setting gesehen - ein
trigger event für den Beginn einer langfristigen und integriert-konzeptionellen Energie-
politik. Geht man von der Aussage von LIEBL aus, dass „je zahlreicher und vielfältiger
die beteiligten Kontexte und je enger vernetzt sie sind, desto tragfähiger, d.h. robuster
und plausibler ist die Trend-Konstellation.“ (2000: 79), so gilt dies auch für Themen-
und Issue-Konstellationen. In Bezug zum Thema bzw. Motiv Umweltschutz/
Naturschutz bedeutet es, dass es die stärkste Komponente des Themas Erneuerbare
Energien darstellt. Es bietet sich somit der Versuch an, die Stärke eines Motivs bzw.
Themas in einem Assoziationsnetz nach der Anzahl der Verbindungen zu anderen
Motiven bzw. Themen zu messen. Das Motiv bzw. Thema mit den meisten Verknüp-
fungen gibt dabei die maximale Anzahl an Verknüpfungen vor. In diesem Fall würde
nach einer Skala von 1 (sehr schwache Komponente) bis 5 (stärkste Komponente)
folgende Rangfolge entstehen:
Thema/Motiv Stärke der Verknüpfungen von 1 - 5
Umweltschutz/Naturschutz 5
Protestbewegungen 4
Erneuerbare Energien 4
Europäische Union 3
Energie-Import 3
Kohle und Atomkraft 3
alle weiteren Themen/Motive 2 oder 1
Tab. 3-4: Anzahl von Verknüpfungen der Komponenten zur Entwicklung des Themas Erneuerbare
Energien auf der policy agenda. (Quelle: Eigene Darstellung)
80
Dabei wird sichtbar, dass das Motiv Kohle und Atomkraft mit dem ungewöhnlich hohen
Stärke-Grad 3 ein widersprüchliches Motiv für das Thema EE darstellt – ist es doch das
Gegenteil von „sauberer Energie“. Gleichzeitig muss man die Schwachstellen dieses
Beispiels darstellen: Statt nur Motive werden auch Themen im Netz eingebettet. Eine
weitere Analyse hinsichtlich der Motive zur Entstehung des Themas Erneuerbare
Energie wäre hierbei notwendig. Gleichzeitig sollte man berücksichtigen, dass die
Einzelkomponenten eines Issues oder Trends mehr beinhalten als sein zugewiesener
Deutungsrahmen – es bleibt eine Frage der Interpretationsleistung, wie man ein Thema
definiert. Die Herausbildung von Issues auf der policy agenda ist lediglich durch die
historische Darstellung der Protestbewegungen sowie dem Konflikt zwischen den
Energiekonzernen und Bundesregierung hinsichtlich der Verabschiedung des Stromein-
speisungsgesetzes von 1991 gegeben (siehe Abschnitt 1.3). Eine tiefergehende Analyse
wäre hierbei notwendig. Anders sieht jedoch eine Issue-Analyse aus der Sicht der
media agenda aus.
(2) Thema Biogas/EE auf der media agenda in 2008. Mithilfe der gewonnenen Informa-
tionen aus der Medienanalyse durch die regionale Tageszeitung Märkische Allgemeine
Zeitung sowie die bundesweite Fachzeitschrift top agrar soll nun eine Diagnose der
Abhängigkeiten zwischen den beteiligten Akteuren sowie den involvierten Themen zum
Thema Biogas dargestellt werden.
Abb. 3-8: Thema Biogas sowie die Auswirkungen des EEG aus der Sicht der media agenda. (Quelle:
Eigene Darstellung in Anlehnung an LIEBL 2000)
81
Die Abbildung zeigt die Themen und Akteure der media agenda aus den gewonnenen
Informationen der Medienanalyse der MAZ sowie top agrar von 2008. Mithilfe dieses
Visualisierungs-Ansatzes ist es möglich, das Thema Biogas in seinem Beziehungsge-
flecht aus der Sicht der media agenda zu beschreiben. Die Auswirkungen des EEG wird
mit seinen Verknüpfungen hervorgehoben. Mit der vorgestellten Rating-Skala zur
Wichtigkeit der Komponenten ergibt sich folgendes Bild:
Thema/Akteur Stärke der Verknüpfungen von 1 - 8
EEG (als Auslöser) 8
Energie-Konzerne 7
Landwirt 6
Energie- und Biogasanlagenberatung 5
Anwohner/Kommune 5
technische Innovationen/Forschung 4
Tagungen/Fachkongresse 4
Stadtwerke 4
alle weiteren Themen/Akteure 3 oder weniger
Tab. 3-5: Anzahl von Verknüpfungen der Komponenten des Themas Biogas in der media agenda (Quelle:
Eigene Darstellung)
Die Stakeholder Energiekonzerne und Landwirte besitzen die meisten Verknüpfungen.
Der Ansatz der Bundesregierung mithilfe des EEG die Produktion von Biogas zu
fördern gerät somit zu einen unvermeidlichen Konflikt beider Stakeholder.
(3) Thema Biogas/EE aus der Sicht der Landwirte. Mithilfe der gewonnenen
Informationen aus den geführten Interviews mit Landwirten aus der Region
Brandenburg soll nun eine Diagnose der Abhängigkeiten zwischen den beteiligten
Akteuren sowie den involvierten Themen zum Thema Biogas dargestellt werden.
82
Abb. 3-9: Thema Biogas aus der Sicht der Landwirte. (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an
LIEBL 2000)
Das dargestellte Netz aus Themen und Akteuren aus der Sicht der Landwirte hat in
einigen Punkten Gemeinsamkeiten mit Abb. 3-8. Dabei bilden die Themen Biomasse
und Ackerland mit dem EEG für den Landwirt das elementare Dreieck zum Betreiben
einer Biogasanlage.
Thema/Akteur Stärke von 1 - 8
Landwirt 8
Energie-Konzerne 6
Biomasse und Ackerland 5
EEG 4
Energie- und Biogasanlagenberatung 3
alle weiteren Themen/Akteure 2 oder weniger
Tab. 3-6: Anzahl von Verknüpfungen der Komponenten des Themas Biogas aus der Sicht der Landwirte.
(Quelle: Eigene Darstellung)
Auch hier besitzen die Akteure Landwirt und Energiekonzern die meisten Verknüp-
fungen wie in Abb. 3-8 auf der media agenda dargestellt. Der Konflikt beider
Stakeholder existiert somit im Bild der Medien sowie in den Vorstellungswelten der
Landwirte. Die Akteure Anwohner und Kommune spielen nur eine geringe Rolle zum
83
Thema Biogas und werden daher nicht berücksichtigt. Die Stadtwerke und Themen wie
Tagungen/Fach-Kongresse sowie technische Innovationen und Forschung aus der
media agenda spielen in den Vorstellungswelten der Landwirte nur eine unbedeutende
Rolle. Stattdessen rücken Stakeholder wie Banken, Jäger sowie Kooperationen in Form
von Gesellschaften, Wärmeabnehmer und Zulieferer von Biomasse in den Vordergrund.
Ausgangspunkt der nächsten Analyse soll das herausgearbeitete Issue „Biogas-
Großanlagen“ bilden, da ein erhöhtes Konfliktpotential zwischen Energiekonzernen und
Anwohner bzw. Landwirte wahrgenommen wird. Der diagnostische Deutungsrahmen
dieses Issues wurde sowohl in der Medienanalyse als auch bei den narrativen Interviews
erläutert. Will man nun das Issue im Kontext der strategischen Diskontinuitäten von
ANSOFF (1976) betrachten, so stellt man fest, dass bei diesem Issue der Ungewiss-
heitsgrad (5) vorherrscht (vgl. Tab 2.1). Dabei wird festgestellt, dass der Ansatz nach
ANSOFF aus der Sicht der Investoren bzw. Energiekonzerne als Betreiber von Biogas-
Großanlagen angewendet werden muss. Charakteristisch für Phase (5) ist das Wissen
um das konkrete Ergebnis eines worst case scenario. Man weiß,
a) das Diskontinuitäten bevorstehen: Es existieren konkrete Vorfälle zum Issue "Biogas-
Großanlagen".
b) welcher Bereich bzw. Stakeholder als Ursache der Diskontinuität existiert: Zum
einen gibt es öffentliche Proteste von Landwirten und weiteren Bürgern, zum anderen
haben Anwohner und Kommunen schon erfolgreich geplante Bauten solcher Anlagen
verhindert.
c) welche Merkmale der Bedrohung, welche Art der Wirkung, welcher Wirkungsgrad
bzw. welcher Zeitpunkt des Konflikts besteht: Es existieren mobilisierte und organi-
sierte Protestgruppen auf der einen Seite sowie die Beschlüsse von Kommunen auf der
anderen Seite. Die Beschlüsse einer Kommune geschehen zu einem öffentlichen
bestimmten Zeitpunkt, der vorhersehbar ist und darüber entscheidet, ob eine Anlage
gebaut wird oder nicht.
Man geht davon aus, dass die Investoren sowie Energiekonzerne einen Alternativplan
für die Absage einer geplanten Anlage haben. Daher weiß man im Fall einer Absage,
84
d) welche entsprechenden strategischen Reaktionen in Form von Handlungen,
Programmen oder Budgets existieren.
e) welche Auswirkungen es auf den Gewinn hat und welche Folgen die Reaktionen
besitzen.
Somit ist das Issue als strategische Diskontinuität für Betreiber von Biogas-Großanlagen
nicht als weak signal, sondern als strong signal bekannt. Trotzdem bleibt in diesem
Zusammenhang die Ungewissheit, inwiefern die betroffene Kommune auf solch einen
Bau reagiert. Eine empirische Untersuchung mit sämtlichen geplanten Biogas-
Großanlagen und den tatsächlich realisierten bildet die Grundlage für weitere Untersu-
chungen dieses Issues aus der Sichtweise eines Unternehmens, dass eine Biogas-
Großanlage betreiben will. Die folgende Visualisierung soll die weiteren Interessen-
gruppen des Issue „Biogas-Großanlagen“ aufzeigen.
Abb. 3-10: Involvierte Stakeholder des
Issue „Biogas-Großanlagen“. (Quelle:
Eigene Darstellung in Anlehnung an
MAHON 1989)
Die in Anlehnung an MAHON
dargestellte Abb. 2-14 integrierte
zusätzlich die persönlichen
Interessen, welche hier nicht
berücksichtigt werden. Geht man
weiterhin aus der Sichtweise der
Investoren und Energiekonzerne
aus, so bildet die legitime
Opposition die Interessengruppen der Landwirte, Anwohner/Kommunen und
Stadtwerke. Medien, Öffentlichkeit und politische Akteure bilden wie im agenda
setting-Ansatz eine besondere Stellung in Bezug auf das Issue. Sie sollen im nächsten
Abschnitt im Kontext der Themenkarriere-Analyse näher betrachtet werden. Die
Regierung stellt eine Sonderrolle dar, da sie mithilfe des EEG das Issue hervorgerufen
hat, aber auch beenden kann.
85
Ein Vergleich von Deutungsmustern soll weitere Aufschlüsse über die
Argumente der involvierten Stakeholder zeigen. Die nachfolgende Abbildung soll die
verschiedenen Argumentationsmuster anhand dieses Issue visualisieren.
Abb. 3-11: Entstehung des Issues „Biogas-Großanlagen“: Unterschiedliche Auffassungen zur Nutzung
von Erneuerbaren Energien. (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an RIET 1997)
Die in dieser Abbildung dargestellte graue Fläche zeigt das bestehende Konfliktpo-
tential. Die Optionen zur Förderung von EE werden anhand des verabschiedeten EEG
der Regierung definiert und bilden den Rahmen der involvierten Stakeholder. Die
Argumentationsmuster der jeweiligen Parteien stellen sich anhand der Zahlen wie folgt
dar:
1. Allgemeine Akzeptanz zur Förderung von EE. Der wachsende Bedarf an
Energie sowie die zunehmende Verknappung von fossilen Energieträgern zwang den
Staat zur Neuorientierung in der Energiepolitik. Diese Entwicklung unterliegt nicht der
Kontrolle der Bundesrepublik, da sie global wirkt. Die nationale Fokussierung auf EE
mündete 2000 in das EEG, welches auch den Ausgangspunkt des Issues „Biogas-
Großanlagen“ darstellt. Personen mit diesem Argumentationsmuster befürworten die
Förderung von EE, da sie für sie die einzige sinnvolle nachhaltige Energieproduktion
darstellt. Man ist sich dem Konfliktpotential des Issues „Biogas-Großanlagen“ bewusst,
jedoch steht im Vordergrund die Förderung von EE, da a) eine zunehmende
Verknappung von fossilen Energieträgern herrscht, b) der Ausstieg aus der Kernenergie
Alternativen der Energiegewinnung notwendig macht sowie c) energiepolitische Ziele
im Rahmen der Nutzung von EE existieren. Investitionen im Bereich von EE werden
begrüßt, da es a) die Wirtschaft fördert, b) innovative Technologien hervorruft sowie c)
die Bundesrepublik als globalen Vorreiter im Bereich EE repräsentiert. Somit vertritt
86
man die Meinung der Regierung im energiepolitischen Bereich und nimmt das Issue
„Biogas-Großanlagen“ in Kauf, da keine weiteren Alternativen neben EE existieren.
Stakeholder mit diesem Argumentationsmuster sind die Regierung sowie Teile der
Bevölkerung. Auch die die Biogas-Branche vertritt diese Meinung, da sie davon
profitiert.
2. Eingeschränkte Akzeptanz zur Förderung von EE. Generell befürwortet man
die Förderung von EE wegen den Werten der Nachhaltigkeit und des Umweltbe-
wusstseins. Man versteht auch, das durch eine zunehmende Verknappung von fossilen
Energieträgern alternative Energiequellen benötigt werden. Jedoch sind die entste-
henden Geruchs- und Lärmbelästigungen unzumutbar („Warum sie dagegen sind“,
MAZ 16.02.2009). Außerdem empfindet man überdimensionierte Solardächer,
Windräder sowie Biogas-Großanlagen in näherer Umgebung als störenden Anblick -
man will einen unverbauten Fernblick genießen. Die somit etikettierten „Industrie-
klötze“ gefährden zudem den Tourismus und es besteht die Gefahr einer Gewerbean-
siedlung. Man akzeptiert Biogasanlagen auf dem Hof von Landwirten sowie die
Förderung von EE im hohem Umfang im Off-Shore-Bereich. Gleichzeitig wird den
Betreibern großer EE-Anlagen vorgeworfen, dass sie lediglich profitorientiert handeln –
die EEG-Vergütung „landet in den Taschen“ der Investoren, wovon die Allgemeinheit
nicht profitiert. Auf dem Hof eines Landwirts sei eine Biogasanlage noch vertretbar,
jedoch nicht als Biogas-Großanlage mitten in der Landschaft. Die Förderung von EE
wird befürwortet – jedoch nur, wenn a) die unmittelbare Landschaft nicht verändert
wird sowie b) keine nachteiligen Folgen für die Bevölkerung entstehen. Stakeholder mit
diesem Argumentationsmuster sind Verbraucher, die nicht stark in das Thema EE
involviert sind.
3. Förderung von EE als Möglichkeit der Autarkie für die Gemeinde. Auch hier
wird die Förderung von EE befürwortet. Als Strom- und Wärmeversorger jedoch haben
Stadtwerke aus Kleinstädten sowie kleineren Orten hier eine Schlüsselrolle. Sie sind
befähigt, den Gemeinden eine Energieautarkie zu bieten - unabhängig von den Energie-
konzernen, die ihre bisherigen Strom- und Wärmelieferanten darstellten. Der Vorteil
besteht darin, dass man Energie unabhängig vom bestehenden Marktpreis anbieten
kann. Langfristige Investitionen sind somit erfolgversprechend für die gesamte
Gemeinde. Durch den liberalisierten Energiemarkt kann jedoch auch der einzelne
Bürger seinen Stromlieferanten frei auswählen. Hierbei sind für die Stadtwerke
87
Kooperationen mit Landwirten oder Investoren gefragt, die bereit sind, gemeinsam EE
zu fördern bzw. zu produzieren. Bis dahin befürwortet man jedoch auch fossile Energie-
träger, um eine sichere Energieversorgung zu gewährleisten. Wegen der Gefahr des
Energiemarkt-Verlusts durch autark werdende Gemeinden bildet sich hier ein enormes
Interesse für Energiekonzerne. Es bleibt abzuwarten, ob sich das Modell „Energie-
Autarkie“ bei Stadtwerken als mögliche Unabhängigkeit des Energiemarkts erfolgreich
durchsetzen kann.
4. Biogasproduktion im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes. Vertreter
dieses Argumentationsmusters sehen die Produktion von EE mit Biogasanlagen als
weiteres Standbein in der landwirtschaftlichen Produktion an, wovon Landwirte
Gebrauch machen. Die Nachhaltigkeit steht im Vordergrund. Die intensive Nutzung der
Ackerfläche mit hohem Ertrag an Biomasse sowie die Vergütung durch das EEG stellen
einen hohen Anreiz dar, eine eigene Biogasanlage zu betreiben. Entstehende Lärm-
sowie Geruchsbelästigungen treten nur in seltenen Fällen auf, da solche Anlagen a) nur
eine geringe Leistung im Vergleich zu Großanlagen aufweisen, b) vor der Installation
von staatlichen Ämtern in Bezug auf Geruchs- und Lärmbelästigung geprüft werden
und c) auf eigenem Hof stehen und somit kein störenden Anblick in der Landschaft
darstellen. Den Energiekonzernen als Betreiber von Biogas-Großanlagen wird
vorgeworfen, dass sie a) lediglich profitorientiert handeln, b) einen erhöhten Ausstoß an
CO2 produzieren und sie somit das Prinzip der Nachhaltigkeit nicht berücksichtigen,
c) durch einen erhöhten Bedarf an Biomasse und Ackerfläche den Landwirten zum
Rohstofflieferanten degradieren und d) durch die Überdimensionierung ihrer Anlagen
Vorurteile gegenüber EE entstehen lassen (durch Biogasanlagen entstehen Lärm- und
Geruchsbelästigungen, die Biomasse steht in Konkurrenz zu Lebensmitteln, etc.).
Stakeholder dieses Argumentationsmusters sind Landwirte.
5. Groß-Investitionen in Erneuerbare Energien. Vertreter dieser Interessen-
gruppe sehen die Produktion von EE als Investitionsbereich an. Anreiz stellt das EEG
dar. Biogasanlagen dieser Größenordnung brauchen meist mehr Biomasse als das vor
Ort existierende. Dafür wird zusätzliche Ackerfläche gepachtet oder zusätzliche
Biomasse von Landwirten gekauft. Lkws sowie Traktoren müssen zusätzlich Biomasse
zur Anlage transportieren sowie die Gärrückstände aus der Umwandlung von Biomasse
in Biogas in Form von Dünger zu Ackerflächen oder Ankäufern weiter transportieren.
Konflikte sind daher unvermeidlich wie bei Argumentationsmuster (2) aufgeführt.
88
Geplante Anlagen werden durch Proteste teilweise gar nicht realisiert (vgl. „Keine
Biogasanlage in Lindow“, MAZ 12.04.2008). Neben der Biogasproduktion existieren
Investitionen in den EE-Bereichen Windkraft, Wasserkraft, Photovoltaik sowie
Erdwärme. Außerdem wird in technische Innovationen investiert, was nicht immer im
Rahmen des EEG liegt. Stellvertretend für eine solche Investition ist z.B. der Versuch
von Vattenfall, mithilfe von Algen CO2 in nutzbare Energie umzuwandeln. („Algen
verwandeln CO2-Energie“, MAZ 04.09.2008). Gleichzeitig ist die involvierte Interes-
sengruppe der Energiekonzerne der Meinung, das der Ausstieg aus der Atomenergie
keine sinnvolle Strategie der Energiepolitik darstellt. Stakeholder dieses Argumentati-
onsmusters sind Investoren sowie Energiekonzerne.
Position 1 2 3 4 5
Diagnose
EEG zur Förderung von Biogas
EEG wird ausgenutzt
EE als weitere Option zur Energiegewinnung
Biogasproduktion als Ergänzung des landwirtschaftlichen Betriebs
Biogasproduktion als Investitionsbereich
Y Y Y Y Y
Y Y
Y Y Y
Y Y
Y Y Y
Werthaltungen
EE notwendig für Umweltschutz und Nachhaltigkeit
EE nur im begrenzten Umfang
EE als Möglichkeit einer autarken Versorgung
Energiekosten so gering wie möglich
Ackerfläche als vielfältige Grundlage
Y Y
Y N Y N
Y Y N
Y
Y Y Y
Lösungsvorschläge
Uneingeschränkte Förderung von EE
Förderung von EE nur für Landwirte und im Off-Shore-Bereich
Förderung technologischer Innovationen im Bereich EE
Förderung von EE unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit
Förderung von EE als Investitionsbereich
Y
Y N N
Y Y
Y Y Y
Y Y
Y: Argument wird zugestimmt N: Argument wird nicht zugestimmt
Tab. 3-7: Unterschiedliche Positionen, Werte und Lösungen zum Issue „Biogas-Großanlagen“. (Quelle:
Eigene Darstellung in Anlehnung an RIET 1997)
89
In der Potential-Synthese sollen nun die Möglichkeitsräume erkundet und Analogien zu
weiteren Themen geknüpft werden (vgl. Abschnitt 2.5.2). Im vorliegenden Modell von
KRYSTEK/MÜLLER-STEWENS (1993) werden die möglichen Risiken oder Chancen
in einer Abhängigkeitsbeziehung mit drei unterschiedlichen Ausprägungen anhand einer
Matrixform kategorisiert. Dabei gilt als Beispiel: Der Energie-Import hat eine geringe
Auswirkung auf die Öffentlichkeit, und die Öffentlichkeit besitzt keine Auswirkung auf
den Energie-Import.
Komponenten 1 2 3 4 5 6 7 8 9
1 Atomenergie-Ausstieg x l l l Gemeinsamkeiten
2 Energie-Import x
3 Biomasse x l
4 Interesse Energiekonzerne x l
5 Interesse Landwirte l x
6 begrenzte Acker-Ressourcen l x
7 Klimaschutz-Ziele x l
8 Öffentlichkeit x
9 technologische Innovationen l x
Abhängigkeiten
l hohe Auswirkung mittlere Auswirkung geringe Auswirkung
Tab. 3-8: Gemeinsamkeiten-Abhängigkeiten-Matrix für Komponenten des Themas Biogas. (Quelle: Eige-
ne Darstellung in Anlehnung an KRYSTEK/MÜLLER-STEWENS 1993)
Um die sog. Trendlandschaften (vgl. Abschnitt 2.5.2) zu erkennen, müssen die Kompo-
nenten so lange kombiniert werden, bis Gruppen entstehen, die in sich eine relativ hohe
Abhängigkeit aufweisen und sich gleichzeitig von anderen Gruppen isolieren (vgl.
KRYSTEK/MÜLLER-STEWENS 1993: 196f). Die folgende Abbildung soll dies nach
Tab. 2-2 verdeutlichen:
90
Trend-Landschaften
Komponenten 4 9 2 1 6 7 3 5 8
Neue Methoden der Energie-gewinnung
4 Interesse Energiekonzerne x l Gemein-samkei-ten9 technologische Innovationen l x
zunehmendes Konfliktpotential im Bereich Energiepolitik und Umwelt- bzw. Klimaschutz
2 Energie-Import x
1 Atomenergie-Ausstieg l l l x
6 begrenzte Acker-Ressourcen l x
7 Klimaschutz-Ziele l x
zunehmende regional-ökologische Verantwortung
3 Biomasse x l
5 Interesse Landwirte l x
8 Öffentlichkeit x
Abhängigkeiten
l hohe Auswirkung mittlere Auswirkung geringe Auswirkung
Tab. 3-9: Ableitung von Trendlandschaften zum Thema Biogas. (Quelle: Eigene Darstellung in Anleh-nung an KRYSTEK/MÜLLER-STEWENS 1993)
Anhand dieser Methode haben sich drei neue Trendlandschaften hinsichtlich des The-
mas Biogas gebildet:
Neue Methoden der Energiegewinnung für Energiekonzerne. In dieser Trend-
landschaft sind aus Sicht der strategischen Frühaufklärung für Energiekonzerne ein ho-
hes Erfolgspotential im Bereich neuer innovativer Technologien vorzufinden. Dabei
sind die Anwendungsgebiete vielfältig. Zum einen besteht die Möglichkeit einer effizi-
enteren Energiegewinnung mit geringerem Rohstoffverbrauch, zum anderen kann eine
höhere Schadstoffreduzierung erreicht werden (vgl. MAZ „Algen verwandeln CO2“,
04.09.2008). Da diese Trendlandschaft eine Chance und kein Risiko darstellt, sollten
Energiekonzerne im Forschungsbereich innovative Technologien stärker investieren.
Kooperationen mit Universitäten und Forschungsinstituten im Bereich Erneuerbarer
91
Energien sollten intensiviert werden. Es bedeutet auch, dass bestehende innovative
Technologien, die noch nicht zum Einsatz gekommen sind, anhand von Beispielprojek-
ten gefördert werden sollten. Gleichzeitig besteht die hohe Herausforderung darin, nicht
nur eine Technologie zu fördern, die eine effizientere Energiegewinnung zulässt, son-
dern auch eine damit verbundene gesellschaftliche Akzeptanz zu realisieren. KRYS-
TEK/MÜLLER-STEWENS beschreiben diese Herausforderung als Technologiefolgen-
abschätzung, die insbesondere im Bereich EE eine interessante Stellung einnimmt (vgl.
1993: 209). Ein weiterer Ansatz zur Einschätzung dieser Trendlandschaft bildet die sog.
Delphi-Methode (vgl. LINSTONE 1975).
Zunehmendes Konfliktpotential im Bereich Energiepolitik und Umwelt- bzw.
Klimaschutz. Durch zunehmende Verknappung fossiler Energieträger, Beschluss des
Atomenergie-Ausstiegs sowie die wachsende Fokussierung auf die Förderung Erneuer-
barer Energien werden die involvierten Issues an Salienz zunehmen. Dabei deutet das
Thema begrenzte Acker-Ressourcen auf eine zunehmende Diskussion in Bezug auf eine
sinnvolle Nutzung von Biomasse hin. Es besteht in diesem Kontext die Möglichkeit,
dass die public agenda Biogas-Großanlagen verurteilt. In diesem Szenario würde die
public agenda nach Abb. 3-11 die Auffassung von Typ (3) und (4) vertreten. Gleichzei-
tig ist eine zunehmende Verantwortungsübernahme der Regierung hinsichtlich der ge-
nannten Themen im energiepolitischen Bereich abzusehen. In diesem Zusammenhang
wird es zunehmend schwieriger, aus der Sicht der policy agenda die involvierten Stake-
holder ausgewogen zu behandeln. Im Allgemeinen wird diese Trendlandschaft als Risi-
ko mit hohem Konfliktpotential gedeutet. Als Chance ist die zunehmende Sensibilisie-
rung des Themas EE auf der public agenda zu sehen, wo ein stärkeres Bewusstsein im
Bereich Umwelt- sowie Klimaschutz geschehen kann.
Zunehmende regional-ökologische Verantwortung. Mit den Themen Biomasse,
Landwirte und Öffentlichkeit wird eine zunehmende Salienz des Themas Biogas auf der
public agenda erwartet. Die Öffentlichkeit wird auf die begrenzten regionalen Acker-
Ressourcen sensibilisiert. Es deutet gleichzeitig darauf hin, dass die regionale Landwirt-
schaft mit den darin involvierten Issues eine zunehmende Aufmerksamkeit auf der pu-
blic agenda erlangt. Die Chance in dieser Trendlandschaft besteht somit in einem zu-
nehmenden Verantwortungsbewusstsein für regional produzierte Biomasse, ein zuneh-
mender positiver Stellenwert des Berufs Landwirt sowie das vermehrte Nutzen von Bio-
masse für Biogasanlagen im Rahmen einer nachhaltigen Landwirtschaft.
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3.2.4. THEMENKARRIERE-ANALYSE
Im Folgenden soll eine Analyse des Issues „Biogas-Großanlagen“ anhand seiner The-
menkarriere erfolgen. Die bisherigen besprochenen Karrieren stellen idealtypische Ver-
läufe dar (vgl. DOWNS 1972, MOLITOR 1979, DEARING 1996, LIEBL 2000). Die
bisherigen aufgeführten Fakten zum Thema Biogas machen deutlich, dass die damit ver-
bundenen Issues durch die Verabschiedung des EEG hervorgerufen worden sind. Somit
ist die policy agenda der Auslöser der Themenkarriere, die dem Thema Biogas zu soviel
Salienz verholfen hat, dass es auf der media agenda erschien und seitdem in einem
mehr oder weniger geringem Umfang existiert (vgl. Abschnitt 3.3.1). Eine weitere Un-
tersuchung hinsichtlich veröffentlichter Berichte zum Thema Biogas in den Medien
würde mehr Aufschluss darüber bringen, ob das Thema tatsächlich erst seit der Ankün-
digung zur Verabschiedung des EEG im Jahr 2000 auf der media agenda aufgetaucht
ist. Die unter Abschnitt 2.4. aufgeführten Modelle eines Issue-Lebens-Zyklus gehen alle
davon aus, dass der Ausbruch eines Issues durch die Medien wahrgenommen wird, in
die Öffentlichkeit gelangt und schließlich auf politischer Ebene behandelt wird, um mit
entsprechenden zu verabschiedeten Gesetzen das Konflikt zu lösen. Beim Issue Biogas
verhält es sich anders – hierbei müssen media agenda sowie policy agenda ihre Rollen
tauschen, um seiner Themenkarriere gerecht zu werden. Als Auslöser kann die Energie-
politik genannt werden, die wiederum durch nationale Entscheidungen (z.B. Atomener-
gie-Ausstieg) sowie internationale Ereignisse (z.B. zunehmende Verknappung fossiler
Energieträger) gebildet wurde.
Abb. 3-12: agenda setting-Prozess des Themas Erneuerbare Energien. (Quelle: In Anlehnung an
DEARING 1996)
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