Die Verfahrensgesetze aus einem Guss. · Verwaltung & Management E 21241 Nomos Zeitschrift für...

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Verwaltung & Management E 21241 Nomos Zeitschrift für moderne Verwaltung www.verwaltung-management.de Öffentliche Aufgaben E-Government Finanzen und Rechnungswesen Führung und Strategie Public Governance Organisation Personalmanagement 5 2009 September | Oktober Aus dem Inhalt Manfred Röber Privatisierung adé? Klaus Lenk Organisationsänderung durch Wegsehen Thomas Faust Vom aktivierenden zum aktivierten Staat? Gerhard Schwabe IT-Governance an Universitäten – State of the Art und das Konzept der Universität Zürich

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Verwaltung & Management

E 21241

Nomos

Zeitschrift für moderne Verwaltung

www.verwaltung-management.de

Öffentliche Aufgaben ■ E-Government ■ Finanzen und Rechnungswesen ■ Führung und Strategie ■ Public Governance ■ Organisation ■ Personalmanagement

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Die Verfahrensgesetze aus einem Guss.

VerwaltungsrechtVwVfG • VwGO • NebengesetzeHandkommentarHerausgegeben von Prof. Dr. Michael Fehling, LL.M. und Prof. Dr. Berthold Kastner2. Aufl age 2009, ca. 2.900 S., geb., 98,– €, ISBN 978-3-8329-2981-7Erscheint ca. Oktober 2009

Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrecht hängen untrennbar zusammen. Dem trägt der Fehling/Kastner mit einer modernen Kommentierung Rechnung, die VwVfG, VwGO, VwZG sowie VwVG in einem Band vereint und deren Wechselbezüge prägnant herausarbeitet. Die enge Verzahnung der Erläuterungen bei über-greifenden Materien wie dem Verwaltungsakt vermeidet unnötige Doppelungen und ermöglicht so eine griffi ge, praxisorientierte Kommentierung.

Die Vorteile des Fehling/Kastner auf einen Blick:

Enge ■ Verzahnung von VwVfG, VwGO, VwZG und VwVG.

Enthält eine umfassende Bearbeitung der in das VwVfG ■

eingefügten Vorschriften über das „Verfahren über eine einheitliche Stelle“.

Landesrechtliche Besonderheiten ■ – z.B. bei den zuständigen Widerspruchsbehörden – sind durchgängig berücksichtigt.

Einzelfallbezogene Anwendungsfragen im ■ Besonderen Verwaltungsrecht werden mit kommentiert.

Mit zahlreichen ■ Formulierungshinweisen und Antrags- und Tenorierungsvorschlägen.

Vergütungsfragen ■ werden umfassend erläutert.

»Mit dem Handkommentar ist der berühmte ‚große Wurf‘ gelungen...Ohne Übertreibung lässt sich sagen, dass Herausgeber und Autoren...ein unverzichtbares Hilfsmittel...geschaff en haben.« Ralf Winter, NVwZ 7/07, zur Voraufl age

»echtes Schwergewicht...hervorragender Eindruck.« Harald Geiger, BayVBl. 2/07, zur Voraufl age

»ist das Modell einer verbundenen Kommentierung von VwVfG und VwGO uneingeschränkt positiv zu bewerten.« PD Dr. Michaela Wittinger, VBlBW 11/06, zur Voraufl age

Aktuell: Mit Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie (Verfahren über eine einheitliche Stelle)

5 2009September | Oktober

Aus dem Inhalt

Manfred RöberPrivatisierung adé?

Klaus LenkOrganisationsänderung durch Wegsehen

Thomas Faust Vom aktivierenden zum aktivierten Staat?

Gerhard SchwabeIT-Governance an Universitäten – State of the Artund das Konzept der Universität Zürich

Inhalt

VM 5/2009 225

Auf ein Wort ... 226

Privatisierung adé? 227Manfred Röber

Nach einer längeren Phase der Privatisierung öf-fentlicher Aufgaben überlegen inzwischen im-mer mehr Gebietskörperschaften, einen Teil der privatisierten Aufgaben zu rekommuna-lisieren. Diese Bewegung ist keineswegs neu, weil es in den letzten 150 Jahren immer wieder Pendelbewegungen zwischen Privatisierung und Kommunalisierung gegeben hat. Die Gründe für aktuelle Rekommunalisierungsvorhaben liegen vor allem in Misserfolgen von Privatisierungen, Ängsten der Bevölkerung und Befürchtungen vor ei-ner Aushöhlung der kommunalen Selbstverwaltung. Fraglich ist allerdings, ob die dieser Debatte zu-grunde liegende Eigentumsfrage heutzutage über-haupt noch von Bedeutung ist. Unter Rückgriff auf Überlegungen aus dem Public Management wird gezeigt, dass auf der Grundlage des Gewährleistungsmodells inzwischen geeignete insti-tutionelle Arrangements jenseits von Privatisierung und Kommunalisierung zur Verfügung stehen.

Organisationsänderung durch Wegsehen 241Klaus Lenk

Mit der Einrichtung „einheitlicher Ansprechpartner“ gemäß der EU-Dienstleistungsrichtlinie soll das Modell eines One-Stop-Government für einen grö-ßeren Sektor von Verwaltungstätigkeit verwirklicht werden. Dienstleistungsanbieter können dort alle Formalitäten erledigen, die für Geschäftsaufnahme und -betrieb nötig sind. Obwohl ein von der Informationstechnik ermöglichtes One-Stop-Government seit langem erwünscht und als Konzept auch genügend ausgereift ist, spricht einiges dafür, dass die europäische Initiative zu früh kommt. Denn die grundlegend neuen Verwaltungsarchitekturen, welche das Konzept erst tragfähig machen, sind noch nicht genügend in den Köpfen verankert. Sie setzen Geschäftsprozesse voraus, die Organisationsgrenzen überschreiten sowie die Kompetenz vieler Akteure voraus, in netzförmigen Strukturen zu denken und zu arbeiten. Zusammen mit den üblichen Hürden eines Change Management bei Großprojekten kann dies zu Umsetzungsschwierigkeiten führen, die den nachhaltigen Erfolg dieses Schritts zum One-Stop-Government in Frage stellen.

Vom aktivierenden zum aktivierten Staat? 251Thomas Faust

Lange galt der aktive, gestaltende Rechts- und Wohlfahrtsstaat als Idealbild bezüglich öffent-licher Aufgabenerfüllung. Doch etwa seit der Jahrtausendwende hat der Kooperation anstre-

bende, aktivierende Staat die Funktion einer sol-chen Leitidee übernommen. Aktuell kommen indes Diskussionen auf, ob im aktivierenden Staat fak-tisch nicht bereits andere, teils fragwürdige Ideen auf dem Vormarsch sind. So verweisen Kritiker etwa auf neuartige Formen des Lobbyings, durch welche u.a. Ministerialverwaltungen „aktiviert“ werden. Angesichts dieser neuen Herausforderungen plädiert der Beitrag für konzertierte Problemlösungen – und für eine explizite Verwaltungsethik.

IT-Governance an Universitäten – State of the Art und das Konzept der Universität Zürich 261Gerhard Schwabe

Die zunehmende Durchdringung von Administra-tion, Forschung und Lehre mit IT stellt die Universitäten vor neue Herausforderungen bei der IT-Governance. Im gesamten öffentlichen Sektor und insbesondere an Universitäten fehlt es bisher nicht nur im deutschsprachigen Raum, sondern auch international an belastbarer em-pirischer und konzeptioneller Forschung zur IT-Governance, obwohl die Literatur die Unterschiede in den Anforderungen von der Geschäftswelt be-tont. Der Beitrag fasst die bisherige Literatur zu IT-Governance an Universitäten zusammen und stellt das neue IT-Governance-Konzept der Universität Zürich vor. Der Beitrag ist der erste von zwei Teilen zur IT-Governance an Universitäten. In der nächsten Ausgabe von Verwaltung & Management wird die Situation in Deutschland analysiert und mit der in den USA verglichen.

Strategische Neuausrichtung der IT in der öffentlichen Verwaltung 271Giovanni Groppo/Uwe Heck

Bei der Umsetzung politischer Vorhaben stellt die IT zunehmend einen wesentlichen Treiber und Erfolgsfaktor dar. So umfassen Vorhaben im Zuge der Verwaltungsmodernisierung in der Regel im Kern auch Projekte zur Weiterentwicklung der IT. Diese Weiterentwicklung bedarf einer stra-tegischen IT-Planung, damit bei wachsenden Herausforderungen und gleichzeitig steigender tech-nologischer Komplexität dauerhaft auch wirtschaft-liche und qualitativ hochwertige sowie sichere IT-Lösungen bereitgestellt werden können. Der Beitrag zeigt auf, wie die Stadtverwaltung Zürich vor die-sem Hintergrund und unter Berücksichtigung spezi-fischer organisationsinterner Gegebenheiten ihre IT umfassend neu konzipiert und die für den erfolgrei-chen IT-Einsatz erforderliche (Re-)Organisation von Strukturen, Prozessen und organisationsweiten IT-Architekturen angeht.

Nachrichten 278

Impressum 280

Ihr

Matthias KammerVorstandsvorsitzender von Dataport, Vorstandsvorsitzender des ISPRAT-Instituts

226

»Auf ein Wort …«

VM 5/2009

Deutschland liegt bei der Nutzung von E-Government-Diensten durch

Unternehmen auf dem letzten Platz der Top-Fünf-Länder in Europa. Das

geht aus dem 5. ePerformance Report 2009 – herausgegeben vom Bun-

desministerium für Wirtschaft und Technologie – hervor. Auch die private

Nutzung von E-Government-Diensten in Deutschland ist weiterhin stei-

gerungsfähig. Warum wählen trotz der Vorteile, die E-Government bietet,

viele Menschen den analogen Weg zum Amt?

An einem fehlenden Netzzugang liegt es in der Regel nicht. Denn 70

Prozent der Deutschen sind online. Nach Angaben der Forschungsgruppe

Wahlen treten altersspezifische Unterschiede im Umgang mit dem Internet

mittlerweile nur noch zwischen Bürgern unter und über 50 Jahren auf.

In allen Altersgruppen bis 49 Jahren nutzen mindestens 90 Prozent das

Internet. Kennzeichnend für die aktuellen Internetvorlieben ist die stetig

steigende Nachfrage nach multimedialen Inhalten. Laut der ARD/ZDF-

Onlinestudie 2009 schauen zum Beispiel 62 Prozent aller Internetnut-

zer live oder zeitversetzt Fernsehsendungen im Internet. Die Tagesschau

„nur“ um 20.00 Uhr vor dem Fernseher im Wohnzimmer – diese Zeiten

sind vorbei.

Informationen und Services von überall und jederzeit: Das Internet hat

unser Kommunikationsverhalten nachhaltig verändert. Der Staat hat

sich dieser Erwartungshaltung angepasst. Kommunen, Länder und der

Bund haben zahlreiche E-Government-Angebote entwickelt und ihre IT-

Dienstleister haben sichere IT-Infrastrukturen für Bürger, Wirtschaft und

Verwaltungen geschaffen. E-Government ist schnell, serviceorientiert und

effizient. Es führt zu kürzeren Wegen innerhalb der Verwaltung. Dadurch

werden Bearbeitungszeiten reduziert und Ressourcen gespart. Das ist

nicht nur kundenfreundlich, sondern auch ein wesentlicher Beitrag zum

Bürokratieabbau.

Zurzeit kennen aber noch zu wenige Bürger die Online-Angebote der

Behörden. Hier liegt eine der Ursachen, warum E-Government eher zö-

gerlich im Alltag Fuß fasst. Wie man neue Verwaltungsservices schnell be-

kannt machen kann, zeigt das Beispiel der Einheitlichen Behördenrufnum-

mer 115. Seit März dieses Jahres läuft der Service in den Pilotkommunen.

Die 115 ist beliebt, das Motto „Wir lieben Fragen“ kommt auch bei der

Generation Youtube an. Die Vorteile, die die Bürger haben, wenn sie ihre

Verwaltung über 115 anrufen, werden via Videoclip eingängig vermittelt.

Wohl auch deshalb hält der Erfolg an. Mitte Juli ist der 800.000. Anruf

bei der 115 eingegangen.

Aber es liegt nicht nur an dem Bekanntheitsgrad, dass manche po-

tenzielle Nutzer sich nicht an die E-Government-Angebote heran trauen.

Viele Bürger nutzen E-Government aufgrund von Sicherheitsbedenken

nicht. Die Online-Dienste der Verwaltung unterliegen zwar strengen Si-

cherheitsstandards. Die Grundschwierigkeit besteht aber darin, dass

nur 16 Prozent der Deutschen dem Staat ganz allgemein beim Umgang

mit ihren gespeicherten Daten vertrauen (Allensbach-Umfrage vom Mai

2009) und daneben fast alle (89 Prozent) dem Datenschutz im Web kri-

tisch gegen überstehen (Studie im Auftrag der EU-Kommission aus 2008).

Die Datenpannen

und -skandale

in der Privat-

wirtschaft und

im europäischen

Ausland, zum

Beispiel in Groß-

britannien, ha-

ben viele Bürger

zusätzlich beun-

ruhigt. Die Mischung aus Staat und Internet – E-Government – macht es

den Menschen da nicht leichter.

Umso wichtiger ist es, für die Bürger transparent zu machen, was ge-

nau beim E-Government mit ihren persönlichen Daten passiert. Sie müs-

sen darauf vertrauen können, dass ihre Daten sicher bei der richtigen Be-

hörde ankommen. Es muss für sie nachvollziehbar sein, wofür der Staat

welche Daten erfasst und was er damit machen darf und was nicht. Das

werden wir nicht durch Strategiepapiere, Sicherheitskonzepte oder Fach-

artikel erreichen, die im Zweifel nur von Experten gelesen werden. Was

wir brauchen, ist ein klares, gemeinschaftliches Bekenntnis aller Beteili-

gten zum Datenschutz.

Auch der elektronische Personalausweis kann helfen, die Akzeptanz

für E-Government zu erhöhen. Denn er wird viele Online-Anwendungen

erleichtern und sicherer machen. Und zwar nicht nur im E-Government,

sondern generell im E-Business. Im Jonglieren mit unseren diversen Be-

nutzernamen, Passwörtern, PINs und TANs sind wir zwar mittlerweile

mehr oder minder erprobt. Aber wer hat nicht schon einmal ein Passwort

vergessen? Mit dem elektronischen Personalausweis kann diese Sorge ent-

fallen und es ist sicher, dass man beim Online-Banking mit der richtigen

Stelle korrespondiert. Voraussetzung dafür, dass sich der elektronische

Personalausweis etabliert, ist aber, dass die Bürgerinnen und Bürger seine

Vorteile erkennen und dass sie dem Service vertrauen.

Es kommt deshalb darauf an, die Vorzüge von E-Government bekann-

ter zu machen und die Bevölkerung gleichzeitig davon zu überzeugen,

dass ihre Daten dabei sicher aufgehoben sind. Wir müssen den elektro-

nischen Datenverkehr nicht nur sicher gestalten. Wir müssen diese Sicher-

heit auch vermitteln. Die Glaubwürdigkeit der Botschaft wird zusätzlich

gestärkt, wenn die Verwaltung sich dafür Partner mit ins Boot holt: aus

der Wirtschaft, Wissenschaft und aus der Politik. Schließlich haben wir

alle ein Interesse daran, dass E-Government bekannt und genutzt wird.

E-Government ist Vertrauenssache

Verwaltung und Management15. Jg. (2009), Heft 5, S. 227-240

227

VER W AL TUNG &MANAGEMENT 5/2009

15. Jahrgang, Seiten 225-280Zeitschrift für moderne Verwaltung

Herausgeber: Univ.-Prof. em. Dr. Heinrich Reinermann, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften SpeyerRedaktion: Univ.-Prof. Dr. Veith Mehde, Mag.rer.publ., Leibniz Universität Hannover | Prof. Dr. Tino Schuppan, IfG.CC – Institute for eGovern-ment, Potsdam | Dr. Martin Wind, Institut für Informationsmanagement Bremen GmbH (ifi b) Beirat: Dr. Stephan Articus, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Städtetages, Köln | Dr. Hans Bernhard Beus, Staatssekretär im Bundes-ministerium des Innern und Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik, Berlin | Prof. Dr. Hinrich E.G. Bonin, Universität Lüneburg | Hans Jörg Duppré, Landrat, Präsident des Deutschen Landkreistages, Berlin | Prof. Dr. Dieter Engels, Präsident des Bundesrechnungshofes, Bonn | Univ.-Prof. Dr. Gisela Färber, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften, Speyer | Peter Heesen, Bundesvorsitzender des Deutschen Beamtenbundes, Bonn | Dr. Jürgen Hensen, Präsident des Bundesverwaltungsamtes und des Bundesausgleichsamtes, Köln | Dr. Gerd Landsberg, Geschäftsführendes Präsidialmit-glied des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Berlin | Dr. Johannes Meier, Mitglied des Vorstands der Bertelsmann-Stiftung, Gütersloh | Prof. Dr. Marga Pröhl, Generaldirektorin des European Institute of Public Administration (EIPA), Maastricht | Dr. Thilo Sarrazin, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank | Dr. Sebastian Saxe, Chief Information Offi cer der Hamburg Port Authority Anstalt des öffentlichen Rechts, Hamburg | Prof. Dr. Christina Schäfer, Fachhochschule für Technik und Wirtschaft, Berlin | Dr. Hedda von Wedel, Stellvertretende Vorsitzende von Transparency International Deutschland e.V., Berlin | Dr. Arthur Winter, Sektionschef im Bundesministerium für Finanzen, Wien | Christian Zahn, Mitglied des Bundesvorstands der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Berlin

Prof. Dr. Manfred RöberProfessur für Verwaltungs-management/New Public Management, Wirtschafts-wissen schaftliche Fakultät der Universität Leipzig

Nach einer längeren Phase der Privatisierung öffentlicher Aufgaben überlegen inzwischen immer mehr Gebietskörperschaften, ei-nen Teil der privatisierten Aufgaben zu rekommunalisieren. Diese Bewegung ist – wie ein Blick in die Geschichte der Daseinsvorsorge zeigt – keineswegs neu, weil es in den letzten 150 Jahren immer wieder Pendelbewegungen zwischen Privatisierung und Kommunalisierung gegeben hat. Die Gründe für aktuelle Rekommunalisierungsvorhaben liegen vor allem in Misserfolgen von Privatisierungen, Ängsten der Bevölkerung und Befürchtungen vor einer Aushöhlung der kommunalen Selbstverwaltung. Fraglich ist allerdings, ob die dieser Debatte zugrunde liegende Eigentumsfrage heutzutage überhaupt noch von Bedeutung ist. Im Zuge der Ausdifferenzierung des öffentlichen Sektors kann unter Rückgriff auf Überlegungen aus dem Public Management gezeigt wer-den, dass auf der Grundlage des Gewährleistungsmodells inzwischen geeignete institutionelle Arrangements jenseits von Privatisierung und Kommunalisierung zur Verfügung stehen, um Aufgaben der Daseinsvorsorge effizient und effektiv zu erfüllen.

Privatisierung adé?

cher und kommunaler Aufgaben reagiert worden. In jüngster Zeit ist allerdings eine zunehmende Skepsis zu beobachten, wenn es um die Privatisierung von öf-fentlichen Aufgaben – insbesondere von Aufgaben der Daseinsvorsorge – geht. Es wird verstärkt darüber diskutiert, früher privatisierte Aufgaben in den Bereich der öffentlichen Verfügungsgewalt zurückzu-holen. Das Pendel schwingt offen sichtlich in Richtung „Kommunali sierung“ zurück. Im Folgenden wird es darum gehen zu dis-kutieren, ob diese Pendelbewegung – die im Prinzip auch schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts zu beobachten war – unaus-weichliches Schicksal ist oder ob es beim Thema „Privatisierung“ Alternativen zum Motto „Rein in die Kartoffeln – raus aus den Kartoffeln“ gibt.

Privatisierung versus Kommunalisierung – eine unend-liche Geschichte?

Blickt man in die Geschichte der Daseins-vorsorge, dann ist deutlich zu erkennen, dass private Unternehmen in den Anfän-

Einleitung

Die Produktion öffentlicher Dienstleistun-gen hat im Laufe der Geschichte immer wieder unter dem Generalverdacht der Ineffizienz gestanden. Politisch ist hierauf häufig – wie z.B. gegen Ende der 1980er Jahre – mit der Privatisierung staatli-

www.verwaltung-management.de

Manfred Röber

Rekommunalisierung öffentlicher Dienstleistungen im Lichte des Public Managements

gen der Daseinsvorsorge im 19. Jahrhun-dert eine starke Rolle spielten. Gleichwohl hat es auch schon damals eine gewisse Trägervielfalt einschließlich institutionel-ler Arrangements gegeben, die man heute als Public-Private-Partner ships bezeichnen würde: So existierten in der Wasserver-sorgung – insbesondere in großen Städ-ten – sowohl öffentliche als auch private Unternehmen, und „neben städtischen gab es manchmal staatliche und nicht sel-ten auch genossenschaftliche und sogar gemischt-wirt schaftliche“ Einrichtungen.1 Angesichts von Unzulänglichkeiten in der quantitativen und qualitativen Versorgung mit Wasser erlangten die kommunalen Werke im Laufe der Zeit ein Übergewicht. Ähnlich sah die Entwicklung in der Gas-versorgung aus, wobei der Anteil kommu-naler Betriebe sehr schnell anstieg und am

Anfang des 20. Jahrhunderts schon etwa zwei Drittel aller Gaswerke in Deutsch-land ausmachte.2 In der Elektrizitätswirt-schaft ist die Entwicklung auf Grund der Tatsache, dass die Produktion und Dis-tribution von elektrischer Energie nur ab bestimmten Mindestgrößenordnungen wirtschaftlich zu betreiben ist, etwas an-ders verlaufen. Die Folge hiervon war, dass sich im Jahre 1914 noch 45% aller deutschen Elektrizitätswerke im Privatbe-sitz befanden; 35% dieser Werke gehörten hingegen Städten oder Landgemeinden, 15% gemischt-wirtschaftlichen und 5% staatlichen Unternehmen.3

Die wachsende Bedeutung kommuna-ler und staatlicher Unternehmen gegen Ende des 19. Jahrhunderts resultierte da-raus, dass Aufgaben der Daseinsvorsorge von privaten Unternehmen unter markt-wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nur unzureichend erfüllt wurden – mit der Folge, dass es in diesen Bereichen zu

quantitativen und qualitativen Versor-gungsproblemen kam. Die wesentlichen Ursachen dieses Marktversagens werden in der Vernachlässigung externer Effekte, in den Grenzen der dezentralen Alloka-tion öffentlicher Güter, in der Diskrimi-nierung schwacher Marktteilnehmer auf Grund von Informationsasymmetrien und in Anpassungsmängeln von Märkten mit der Folge von Monopolbildungen gese-hen.4 Insbesondere die Gefahren, die mit der Bildung privater Monopole verbunden sind, haben zur Kommunalisierung vieler Unternehmen im Bereich der Daseinsvor-sorge beigetragen.

In der darauf folgenden Epoche, die in das verwaltungspolitische Leitbild des sorgenden Wohlfahrtsstaates5 mündete, spielten öffentliche Unternehmen – als

Reaktion auf die negativen Folgen des Marktversagens – eine wichtige Rolle. In der Bundesrepublik Deutschland gehör-te auch der sehr stark von der Gewerk-schaftsbewegung geprägte Bereich der frei-gemein wirt schaft li chen Unternehmen zu dieser Gruppe von Unternehmen. Öf-fentliche und frei-gemeinwirtschaftliche Unternehmen waren – als Ausdruck eines umfassenden staatlichen Steuerungsver-ständnisses in Verbindung mit einer an Keynes ausgerichteten Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik – ein wichtiger Be-standteil einer Politik des „Dritten We-ges“ zwischen Kapitalismus und Staatsso-zialismus. Sie sind lange Zeit als integraler (und dominierender) Bestandteil eines um-fassenden wohlfahrtsstaatlichen Systems angesehen worden. Im Laufe der Zeit ge-rieten diese Unternehmen aber ihrerseits immer stärker in die Kritik. Ihre faktische und häufig auch in Bezug auf Gebietszu-ständigkeiten rechtlich abgesicherte Positi-on als Angebotsmonopolist führte zu Mo-

nopolrenten in Form von „organizational slack“ und Privilegien der in diesen Unter-nehmen Beschäftigten. Zusätzlich wurden öffentliche Unternehmen parteipolitisch instrumentalisiert und zu begehrten Ob-jekten parteipolitischer Pa tronagepolitik6 – sowohl der Einfluss- bzw. Herrschafts-patronage als auch der Versorgungspa-tronage.7 Letztlich wurden sie mit dem Schlagwort des Staatsversagens unter den Generalverdacht der Ineffizienz bei der Produktion öffentlicher Leistungen gestellt – wobei zu den Tatbeständen des Staatsversagens vor allem eigennütziges Politikerverhalten, budgetmaximierendes und/oder aufwandsminimierendes Verhal-ten von Bürokraten, Lobbyarbeit einfluss-reicher Interessengruppen und inadäquate Preisgestaltung für öffentliche Leistungen gezählt wurden.8

Dies schlug sich in der Weise nieder, dass die politischen Akteure häufig nicht willens oder in der Lage waren, für „ihre“ Unternehmen klare Ziele zu formulieren, und sich nur auf populistische Ad-hoc-Interventionen beschränkten. Den so ent-standenen Spielraum nutzten viele öffent-liche Unternehmen, um eine an eigenen Interessen orientierte Unternehmenspolitik zu betreiben. Die Folge hiervon war, dass öffentliche Unternehmen in zunehmen-dem Maße in Bezug auf ihre Aufgaben der nachhaltigen Daseinsvorsorge strategisch untersteuert und auf Grund der kleintei-ligen opportunistischen Eingriffe seitens der Politik operativ übersteuert waren. In dem Moment, als die Bürger nicht länger bereit waren, dieses Verhalten, das sich in schlechtem Service zu überhöhten Preisen niederschlug, zu tolerieren, und als andere Subsysteme der Gesellschaft nicht länger fähig waren, die häufig defizitär arbeiten-den öffentlichen Unternehmen zu subven-tionieren, gerieten diese unter einen wach-senden Effizienz- und Legitimationsdruck. Diese Entwicklung führte ab den 1980er Jahren im OECD-Raum – durch eine von

VM 5/2009228

Röber, Privatisierung adé?

»Private Unternehmen spielten in den Anfängen der Daseinsvorsorge im 19. Jahrhundert eine starke Rolle.«

1 Wessel (1995), S. 54.

2 Vgl. Wessel (1995), S. 65.

3 Wessel (1995), S. 88.

4 Vgl. z.B. Haug (2008), S. 166/167.

5 S. zu diesem Begriff und seiner Deutung Vogel (2007), S. 40ff.

6 Vgl. Scheuch/Scheuch (1992) und Röber (2001).

7 Vgl. Eschenburg (1961), S. 14.

8 Vgl. hierzu Haug (2008), S. 167.

der Public-Choice-Theorie begründete und durch pointierte politische Positio-nen beflügelte Politik – zu einer verstärk-ten materiellen Privatisierung öffentlicher Aufgaben.

Die Bundesrepublik Deutschland ge-hörte im internationalen Kontext bis in die 1990er Jahre allerdings eher zu den EU-Ländern, die eine zurückhaltende Pri-vatisierungspolitik betrieben. Im Laufe der Zeit „… erzeugte die Liberalisierungs-politik der Europäischen Kommission (allerdings einen Privatisierungsdruck in den Mitgliedstaaten), sie stärkte die Kon-sumenten-, schwächte die Produzentenori-entierung und reduzierte die Legitimation der öffentlichen Unternehmen in den be-troffenen Sektoren”.9 Hiervon sind auch die öffentlichen Unternehmen in Deutsch-land betroffen gewesen – wie sich sowohl

am zunehmenden Privatisierungsvolu-men10 als auch am Rollenverständnis vie-ler Manager in der öffentlichen Wirtschaft ablesen lässt.11 In jüngster Zeit mehren sich allerdings die Anzeichen, dass gerade die Konsumenten, die natürlich auch Bür-ger ihres Gemeinwesens mit Rechten und Pflichten sind, nicht unbedingt das Gefühl haben, dass ihre Position gestärkt worden sei. Dies korrespondiert mit einer auch in der Politik zunehmenden Skepsis, ob die Privatisierung (in Verbindung mit einer ausgeprägten Liberalisierungs- und Dere-gulierungspolitik) die Ergebnisse gebracht hat, die man sich von ihr versprach – mit der Folge, dass inzwischen verstärkt über eine Rekommunalisierung von Aufgaben der Daseinsvorsorge nachgedacht wird.

Insgesamt zeigt ein Blick in die Praxis, dass auch aktuell kein einheitlicher em-pirischer Gesamttrend zu erkennen ist.

Neben den augenblicklich relativ stark im öffentlichen Blickfeld stehenden Re-kommunalisierungen gibt es auch weiter-hin bedeutende Privatisierungen, und der Bildung großer überregionaler Anbieter öffentlicher Leistungen steht zugleich die Gründung örtlicher Versorgungsunter-nehmen gegenüber.12 Das heißt, dass es offenkundig keinen aus der wirtschaftli-chen und gesellschaftlichen Entwicklung resultierenden „Sachzwang” gibt, sondern dass die politischen Akteure, die über Pri-vatisierungsvorhaben oder Rekommunali-sierungsprojekte entscheiden müssen, über organisationspolitische Optionen verfü-gen, in welcher Form die Trägerstruktur ausgestaltet werden kann.

Welche Träger für ein institutionelles Arrangement in Gebietskörperschaften gewählt werden, hängt – neben anderen

Einflussfaktoren – auch sehr stark vom Typ der öffentlichen Aufgabe ab. Bei sol-chen Entscheidungen wird z.B. zu berück-sichtigen sein, ob es sich bei den Aufgaben um freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben (wie Elektrizität, Gas, Fernwärme, ÖPNV, Wohnungen, Bildung und Kultur, Freizeit-einrichtungen und Wirtschaftsförderung) oder um Pflichtaufgaben im eigenen Wir-kungskreis (wie Wasser, Abwasser, Abfall-beseitigung, Brandschutz, Straßen, Kinder-betreuung und Krankenhäuser) handelt. Da bei den Pflichtaufgaben im eigenen Wirkungskreis die Leistung auf jeden Fall gesichert werden muss und bei der Aus-gliederung dieser Aufgaben Transaktions-kosten anfallen, die deren wirtschaftliche Attraktivität für die Gebietskörperschaft beeinträchtigen, wird hier eine größere Zurückhaltung vorherrschen, privaten Trägern diese Aufgaben zu übertragen. Diese Einschätzung wird in jüngster Zeit

z.B. dadurch bestätigt, dass Kommunen, die Aufgaben in der Abfallwirtschaft vor Jahren auf private Anbieter übertragen haben, solche Auslagerungsentscheidun-gen zu korrigieren versuchen und einen Teil dieser Aufgaben verstärkt auf die Kommune rückübertragen.13

Bei Entscheidungen zur Rekommuna-lisierung können sich die politischen Ak-teure inzwischen auf eine breite Unterstüt-zung der Bevölkerung berufen, die – nach einer Umfrage des dimap-Instituts im Auftrag des Bundesverbandes Öffentliche Dienstleistungen (BVöD) und des Verban-des kommunaler Unternehmen (VKU) – den öffentlichen Unternehmen bei Aufga-ben der Daseinsvorsorge (insbesondere bei Energie und Wasser) wesentlich mehr Ver-trauen als den privaten Unternehmen ent-gegenbringen, wenn es um Kriterien wie „Zuverlässigkeit”, „Sicherheit”, „Nach-haltigkeit”, „Gemeinwohlorientierung” und „Förderung der Region” geht. Der Präsident des BVöD und Hauptgeschäfts-führer des VKU, Hans-Joachim Reck, spricht in diesem Zusammenhang von einer Renaissance der öffentlichen Unter-nehmen und stellt zugleich fest: „Wir se-hen hierin nicht nur ein vorübergehendes Stimmungsbild, sondern einen gesellschaft-lichen Trend.“14 Obgleich es nach wie vor eine große Vielfalt bei den institutionellen Arrangements gibt (und auch in Zukunft geben wird) und obgleich trotz der zuvor angedeuteten Entwicklung nicht von einer völligen Trendumkehr in Richtung „Re-kommunalisierung“ gesprochen werden kann, verschieben sich aber offensichtlich die Gewichte zwischen den Trägern von Aufgaben der Daseinsvorsorge zugunsten staatlicher und kommunaler Institutionen – das Pendel scheint sich wieder in die an-dere Richtung zu bewegen.

VM 5/2009 229

Röber, Privatisierung adé?

»Die Bedeutung kommunaler und staatlicher Unternehmen wuchs gegen Ende des 19. Jahrhunderts, da die Aufgaben der Daseinsvorsorge von privaten Unternehmen nur unzureichend erfüllt wurden.«

9 Vgl. Mayer (2006), S. 268.

10 Lagen die Veräußerungserlöse im öffentlichen Gesamthaushalt (Bund, Länder und Gemeinden) 1970 noch bei rd. 1,9 Mrd. DM und 1980 bei rd. 4,4 Mrd. DM, stiegen sie 1995 auf rd. 31 Mrd. DM und erreichten 1998 mit knapp 53 Mrd. DM ihren Höhepunkt; Quelle: eigene Berechnungen.

11 Siehe Edeling (2002).

12 S. hierzu auch Wessel (1995), S. 51.

13 Vgl. Verbücheln (2009); in die gleiche Richtung geht der Befund der Mannheimer Beratungsgesellschaft TIM Consult, wonach mitt-lerweile rund 100 Städte und Gemeinden ihre Müllabfuhr wieder eingegliedert haben.

14 Pressemitteilung des BVÖD vom 6.11.2008.

»Werden in der Diskussion über die Zukunft der Daseinsvorsorge Fragen des Wettbewerbs und der Regulierung ausgeblendet, wächst die Gefahr, dass letztlich nur ordnungspolitische Glaubensbekenntnisse ausgetauscht werden.«

Privatisierung versus Kommunalisierung eine überhol-te Debatte!Trotz der zuvor beschriebenen Akzent-verlagerung bei den institutionellen Ar-rangements ist deren nach wie vor zu konstatierende Vielfalt aber offenkundig ein Beleg dafür, dass nicht generell gesagt werden kann, „öffentlich“ sei besser als „privat“. Das Gleiche gilt natürlich auch umgekehrt.15 Angesichts nicht eindeutiger empirischer Befunde über Privatisierungs-erfolge und -misser folge ist deshalb zu fra-

gen, ob das Eigentum für ein erfolgreiches Wirtschaften von Unternehmen überhaupt noch von signifikanter Erklärungskraft ist und ob deshalb die in dieser Debatte vor-genommene Fokussierung auf das Eigen-tum nicht längst überholt ist. Im Kontext der Daseinsvorsorge hat das Eigentum – als eine die Ordnungspolitik konstitu-ierende Größe – eine Bedeutung, die ihm bei näherer Untersuchung von Entschei-dungsprozessen in Unternehmen nicht zu-kommt.16 Ordnungspolitisch viel entschei-dender als die Frage nach dem Eigentum - und der daraus folgenden Befürwortung oder Ablehnung von Privatisierungen – ist die Frage, wie Wettbewerbsstrukturen und Regulierungsregimes geschaffen wer-den können, in denen öffentliche und pri-vate Unternehmen bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben zum Wohle der Ge-sellschaft und der Bürger („citizen value“) arbeiten können, ohne dass es dabei zu Fehlallokationen, Effizienzeinbußen oder Machtmissbrauch kommt. Privatisierung ohne Wettbewerb hätte nur private Mo-nopole zur Folge und hieße, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben.

Daraus folgt, dass man private An-bieter, wenn sie öffentliche Aufgaben

übernehmen, nicht sich selbst überlas-sen kann, sondern dass man sie wirksam steuern und regulieren muss. Hierauf hat Yarrow schon frühzeitig hingewiesen und geschlussfolgert, „that competition and regulatory policy are more important de-terminants of economic performance than ownership per se”. 17 In dieselbe Richtung weisen auch andere Untersuchungen, in denen Erfolge von Privatisierungen nur unter der Bedingung ermittelt werden konnten, dass der Staat nicht zurückge-drängt und geschwächt wird, sondern

dass er in der Lage ist, Spielregeln zu set-zen und diese – wenn es sein muss – auch durchzusetzen, und dass er darüber hinaus auch auf soziale Ausgewogenheit achtet.18 Dementsprechend stellt Hoffmann-Riem völlig zu Recht fest, dass die Kombinati-on von Privatisierung und Deregulierung in die falsche Richtung geht und dass es stattdessen neuer Regulierungen („Rere-gulierungen“) bedarf.19 Damit wird zu-gleich zum Ausdruck gebracht, dass die vorgebliche Alternative von Markt oder Staat konzeptionell in die Irre führt, weil es sich beim Markt um ein Steuerungsme-dium und beim Staat um einen „Eigen-tumstitel“ handelt, die nicht miteinander vermengt und in denselben Topf geworfen werden dürfen.20

Wenn in der Diskussion über die Zu-kunft der Daseinsvorsorge Fragen des Wettbewerbs und der Regulierung aus-geblendet werden, dann wächst die Ge-fahr, dass letztlich nur ordnungspoliti-sche Glaubensbekenntnisse in der Weise ausgetauscht werden, dass auf der einen Seite das altbekannte Klischee von der ef-fektiven Privatwirtschaft und den unwirt-schaftlichen öffentlichen Unternehmen aufgewärmt und auf der anderen Seite die

öffentliche Wirtschaft romantisch verklärt wird.

Aus all dem folgt, dass es bei der Re-kommunalisierung nicht darum gehen kann, einfach die „Eigentumsschraube zu-rückzudrehen“. Damit liefe man Gefahr, zu den Zuständen zurückzukehren, die maßgeblich dazu beigetragen haben, dass öffentliche Unternehmen unter Privatisie-rungsdruck geraten sind. Die wahrschein-liche Folge hiervon wäre, dass das Pendel irgendwann wieder genau in die andere Richtung schlüge. Aus dem Grunde muss die Debatte über die Zukunft der Daseins-vorsorge wesentlich differenzierter geführt werden.21

Ursachen der Kommunalisierungs-renaissance

Bevor auf die Frage eingegangen wird, welche Anregungen sich für eine differen-ziertere Rekommunalisierungsdebatte aus dem Public Management gewinnen lassen, sollen zunächst die wesentlichen Ursa-chen der augenblicklich zu beobachtenden Kommunalisierungsre nais sance skizziert werden.

Misserfolge bei der Privatisierung

Einer der wesentlichen Gründe für die zunehmende Attraktivität, kommunale Dienstleistungen in Eigenregie zu erstel-

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15 So kommen etwa Cavaliere und Scabrosetti (2006) bei ihrer Auswertung der theoreti-schen ökonomischen Literatur zum Thema Privatisierung und Effizienz zu keiner eindeutigen Aussage bezüglich der Vorteilhaftigkeit privater gegenüber öffentlicher Produktion – zit. nach Haug (2008), S. 164); siehe auch Mühlenkamp (2006).

16 S. Röber (1996), S. 100f.

17 Yarrow (1986), S. 325.

18 S. hierzu v. Weizsäcker/Young/Finger (2006) mit ihrer aufschlussreichen Studie für den Club of Rome.

19 Vgl. Hoffmann-Riem (1997).

20 Welche konzeptionellen Vorteile mit der sauberen Trennung dieser beiden Dimensionen verbunden sind, wird weiter unten näher ausgeführt wenn es um das Modell der Gewährleistungskommune geht.

21 Einen interessanten und hilfreichen Anstoß hierfür hat z.B. der Deutsche Städte- und Ge-meindebund mit seinen Zukunftskongressen in den Jahren 2007 und 2008 gegeben, auf denen über die Frage „Braucht Deutschland eine (Neu-)De finition der Daseinsvorsorge?“ diskutiert wur-de.

Röber, Privatisierung adé?

len, liegt offensichtlich darin, dass sich die ursprünglichen – mit der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen verbunde-nen – Verheißungen nicht bewahrheitet haben und dass immer deutlicher wird, dass nicht alles Gold ist, was auf diesem Gebiet glänzt. Privatisierungen hatten häufig Preiserhöhungen (mit Gewinnab-schöpfungen privater Monopole oder Oli-gopole) und Qualitätsverschlechterungen zur Folge. Aus der langen Liste von Bei-spielen aus der Bundesrepublik Deutsch-land, privatisierte Aufgaben zu rekommu-

nalisieren, sei hier nur exemplarisch auf die Abfallentsorgung, Stadtreinigung und Abwasserbeseitigung in Saarbrücken22, auf die Müllabfuhr im Rhein-Sieg-Kreis23 und in der Stadt Bergkamen24 sowie auf die Stromversorgung in Nümbrecht25 verwiesen. Dass es sich dabei nicht nur um Bestrebungen im eher politisch links orientierten Lager, sondern um eine Ent-wicklung handelt, die auch von Akteuren aus dem politisch eher konservativ ausge-richteten Spektrum vorangetrieben wird, zeigt das Beispiel Eppelborn im Saarland, in dem die dortige CDU-Mehrheit das Stromnetz rekommunalisieren will.26 In-teressanterweise sind die Rekommunali-sierungen in nahezu allen Fällen damit be-gründet worden, dass die in die Privatisie-rung gesetzten Erwartungen nicht erfüllt wurden oder dass Privatisierungsprojekte sogar komplette Misserfolge waren. Dies wird auch durch die Untersuchung der Rückübertragung operativer Dienstleis-tungen in der Abfallwirtschaft bestätigt, in der die dort präsentierten Fallbeispiele in Bezug auf Kostenersparnisse, regiona-les Marktversagen, Qualität der Leistung, Sicherung der Leistungserstellung, faire Bezahlung der Beschäftigten, regionale Be-

schäftigungswirkungen und ökologische Effizienz analysiert worden sind.27

Die wachsende Skepsis gegenüber dem Erfolg von Privatisierungen ist nicht auf die Bundesrepublik Deutschland be-schränkt. „In Schweden wurde vor zehn Jahren der Bustransport im Personennah-verkehr privatisiert. Zunächst konkurrier-ten viele Unternehmen auf dem Markt. Preise wurden reduziert und neue Linien aufgebaut. Heute gibt es noch zwei Un-ternehmen (aus England und Frankreich),

viele Linien wurden eingestellt und die Preise massiv erhöht.”28 Besondere mediale Aufmerksamkeit hat in der Vergangenheit das britische Eisenbahnsystem erfahren.29 Die Financial Times Deutschland und die Wochenzeitung DIE ZEIT, die beide in ihrer Grundhaltung nicht unbedingt pri-vatisierungskritisch eingestellt sind, wenn es um öffentliche Aufgaben geht, prangern das britische Modell mit deutlichen Wor-ten an. Das fragmentierte und unüber-sichtliche System sei nicht in der Lage, den Interessenkonflikt „zwischen den für den einwandfreien Netzbetrieb erforderli-chen langfristigen Investitionen einerseits und den kurzfristigen Gewinninteressen der Aktionäre andererseits“ zu lösen.30 Daraus wird abgeleitet, dass sich in einer

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zivilen Gesellschaft nicht alle staatlichen Dienstleistungen – vor allem nicht natürli-che Monopole – zur Privatisierung eignen und dass es in der Gesellschaft kommerz-freier Zonen bedarf.

Ängste der Bevölkerung

Vor dem Hintergrund der skizzierten Fehlentwicklungen nehmen die Ängste der Bevölkerung vor einer Privatisierung von Aufgaben der kommunalen Daseinsvor-sorge offenkundig zu. Durch die Möglich-keiten, die mit der Einführung von direkt-demokratischen Entscheidungsformen auf der kommunalen Ebene geschaffen wur-den, können die Bürgerinnen und Bürger ihren Befürchtungen mit Hilfe von Volks-initiativen, Volksbegehren und Volksent-scheiden auch Ausdruck verleihen. So haben im Jahre 2002 bei der Frage „Soll die Stadt Münster alleinige Gesellschaf-terin der Stadtwerke Münster GmbH bleiben?“ 65,4% der Abstimmenden mit „ja“ gestimmt (bei einer Wahlbeteiligung von 31,6%). 2004 hatte in Hamburg eine Mehrheit von 76,8% dafür votiert, dass das Land Hamburg Mehrheitseigner des Landesbetriebes Krankenhäuser (LBK) bleibt.31 In Freiburg hat im Jahre 2006 bei einer Wahlbeteiligung von 39,9% eine große Mehrheit der Bürgerinnen und Bür-ger (70,5%) für den Erhalt der städtischen Wohnungen im Besitz der Stadt Freiburg gestimmt. Schließlich sei noch auf den Bürgerentscheid in Leipzig im Jahre 2008 verwiesen, in dem sich 87,4% der Wähler (bei einer Wahlbeteiligung von immerhin 42%) gegen eine Teilprivatisierung der Leipziger Stadtwerke aussprachen. Diese Abstimmungsergebnisse korrespondie-ren mit einer Reihe von Ergebnissen in Bevölkerungsumfragen. So wird z.B. in einer forsa-Umfrage von Dezember 2007 zusammenfassend festgestellt, dass die Erfahrungen der Bürgerinnen und Bürger

»Es wird zunehmend attraktiver, kommunale Dienstleistungen in Eigenregie zu erstellen, da sich die ursprünglichen – mit der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen verbundenen – Verheißungen nicht bewahrheitet haben.«

22 http://kommunalverwaltung.verdi.de/themen/rekommunalisierung/saarbrücken, Februar 2008.

23 http://www.ask-eu.de/default.asp?Menue=10&KW=o&Bereich=5&SubBereich=o&ShowNews=2273.

24 www.schaefer-bergkamen.de/muellabfuhr-stug-05-07.doc.

25 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23. August 2008.

26 http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printres-sorts/digi-artikel/?ressort=na&dig=2009%2F02%2F03%2 Fa0008&cHash=d09c4c7b30.

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Röber, Privatisierung adé?

27 S. Verbücheln (2009), S. 13f.

28 Verbücheln (2009), S. 6.

29 S. zum Folgenden http://www.kpoenet.at/bund/archiv/antiprivatisierung/greatbritain.htm. (auf-gerufen am 4.5.2009.

30 http://www.ftd.de/ub/di/1275942.html?nv=sl.

31 Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg war an dieses Votum allerdings nicht gebunden, weil in der Verfassung nicht festgelegt war, dass Abstimmungsergebnisse bei Volksentscheiden verbindlich sind, und veräußerte seine Kranken-häuser an die Asklepios Kliniken.

entschieden werden kann, dann wird de-ren Handlungsspielraum eingeschränkt37 und dann droht das Interesse an Kommu-nalpolitik zurückzugehen. Die kommu-nalen Steuerungsverluste treten nach den empirischen Befunden bei Edeling38 vor allem in marktnahen, wettbewerbsinten-siven Sektoren auf – und zwar nicht erst bei der materiellen Privatisierung, sondern auch schon in den Fällen der Agencifica-tion und Corporatization, weil „durch Einführung von Markt und Wettbewerb politisches Handeln durch wirtschaftliches Handeln ersetzt wird.“39 Bei öffentlichen Gütern und Dienstleistungen, die nicht einem strikten Marktregime unterliegen,

könne demgegenüber leichter politisch eingegriffen und gesteuert werden.

Anregungen aus dem Public Management

Bei der Diskussion über die (Neu-)Defi-nition der Daseinsvorsorge und über die Rolle der öffentlichen Wirtschaft kann es sich – wie weiter oben schon angedeutet – nicht darum handeln, eine komplette Kommunalisierung oder Verstaatlichung privatisierter Aufgaben und eine Rück-kehr zu angebotsmonopolistischen Struk-turen in der Daseinsvorsorge anzustreben. Dabei würde man völlig außer Acht las-sen, welche Mängel und Missstände die öffentlich organisierte Daseinsvorsorge

mit Privatisierung eher negativ als positiv sind und dass weitere Privatisierungen zu-nehmend kritisch gesehen werden.32

Die Ängste in der Bevölkerung sind auch literarisch und publizistisch verar-beitet worden. So feierte z.B. David Hare mit seinem Theaterstück „The Permanent Way“ im Jahre 2004 am National The-atre in London einen großen Erfolg. In dem Stück geht es um die Folgen der oben schon erwähnten Privatisierung von Bri-tish Rail – dargestellt als außergewöhn-liche Parabel britischen Privatisierungs-missmanagements. In eher publizistischer Manier thematisiert Rüdiger Liedtke33 in seinem Buch „Wir privatisieren uns zu Tode“ Fehlentwicklungen bei der Privati-sierung. Mit seiner gewollten Assoziation zu Neil Postmans fundamentaler Medien-kritik „Wir amüsieren uns zu Tode“ aus den 1970er Jahren erzeugt er – bei aller Seriosität seiner Recherchen – Konnotati-onen mit apokalyptischen Privatisierungs-abgründen, die überdies mit flotten Zwi-schenüberschriften wie „Privatisieren bis der Arzt kommt“, „Wenn der Müllmann doppelt kostet...“, „Private Monopole kennen kein Pardon“, „Die neuen Paten – Von Sponsoren und Stiftern“ und „Jubel, Trubel, Telecom“ gewürzt und garniert werden. Solche flotten Sprüche mögen durchaus hilfreich sein, auf Defizite, Fehl-entwicklungen und Skandale hinzuweisen. Für eine nüchterne Analyse sind sie aber wegen ihrer Pauschalität nicht sonderlich hilfreich – zumal, im Unterschied zum Postmanschen Szenario, beim Thema „Pri-vatisierung“ überhaupt nicht klar ist, wer mit „wir“ gemeint ist und wer am Ende eigentlich stirbt – die Privatisierer, die öf-fentlichen Unternehmen oder die Bürger.

Gewachsenes Selbstbewusstsein der Kommunen

In der Hochzeit der Deregulierung und Privatisierung war offenkundig die Mei-nung weit verbreitet, dass private Einrich-tungen alles besser, billiger und schneller machen können als öffentliche Institu-tionen, die im öffentlichen Diskurs sehr stark in die Defensive gedrängt wurden. Versuche, sich gegen diesen Eindruck zu wehren und darauf hinzuweisen, dass öf-fentliche Einrichtungen tagtäglich hoch-wertige Leistungen für die Bürger erbrin-gen, stießen zunächst auf wenig Resonanz.

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Mit dem unter dem prägenden Einfluss Gerhard Banners34 und der KGSt35 ent-wickelten „Neuen Steuerungsmodell“ hat sich die Situation aber ganz offensichtlich verändert. Städte und Gemeinden sind – trotz aller (noch) existierenden Unzuläng-lichkeiten dieses Modells – inzwischen in der Lage, mit Hilfe der Informationen aus ihrem Kostenmanagement zu zeigen, dass ihre Leistungen nicht generell teurer sind als die von privaten Anbietern und dass die Behauptung, Private können grund-sätzlich alles besser, billiger und schneller erledigen, nichts als reine Ideologie ist. Hieraus ist auch ein neues Selbstbewusst-sein in der Kommunalpolitik und -ver-

waltung entstanden, dass man den Wett-bewerb mit privaten Konkurrenten nicht scheuen muss. Dies schlägt sich z.B. darin nieder, dass 10% der Städte über 20.000 Einwohner privatisierte Bereiche rekom-munalisieren wollen. „Sie trauen sich bei der Rekommunalisierung durchaus zu, ihre eigenen Betriebe organisatorisch und wirtschaftlich erfolgreich aufzustellen.“36

Aushöhlung kommunaler Selbstverwaltung

Schließlich hat die Kommunalisierungsre-naissance auch mit der wachsenden Sorge zu tun, dass die kommunale Selbstverwal-tung trotz grundgesetzlicher Garantie fak-tisch durch Auslagerung von öffentlichen Aufgaben Schritt für Schritt ausgehöhlt zu werden droht. Dies gilt sowohl für die Bil-dung teilselbstständiger Organisationsein-heiten („Agencification“) und die Schaf-fung verselbstständigter öffentlicher Un-ternehmen („Corporatization“) als auch – natürlich in besonders starkem Maße – für die materielle Privatisierung öffentli-cher Aufgaben. Wenn über immer weniger Angelegenheiten in den Kommunen von den demokratisch legitimierten Organen

»Zehn Prozent der Städte über 20.000 Einwohner wollen privatisierte Bereiche rekommunalisieren.«

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32 Vgl. Güllner (2008), P090.34.

33 Liedtke (2007).

34 Banner (1991).

35 KGSt (1993).

36 Gecon (2008).

37 Vgl. hierzu z.B. Edeling (2008), S. 145.

38 S. Edeling (2008), S. 149.

39 Edeling (2008), S. 160 mit Verweis auf v. Weizsäcker/Young/Finger (2006).

Röber, Privatisierung adé?

vor der „Privatisierungswelle“ aufwies – selbst wenn man in Rechnung stellt, dass Privatisierungen in Ländern wie Großbri-tannien und den USA zum Teil sehr undif-ferenziert und überwiegend aus normativ-ideologischen Gründen vorange trieben wurden. Überdies begäbe man sich mit einem solchen Vorgehen einiger Gestal-tungsmöglichkeiten, die als institutionelle Arrangements im Rahmen des Public Ma-nagement zur Verfügung stehen.

Geht man davon aus, dass die Exis-tenzberechtigung öffentlicher Unterneh-men mit ihrer Instrumentalfunktion für die Gesellschaft begründet wird, dann heißt dies, dass Bund, Länder und Kom-munen die Möglichkeit haben (müssen), öffentliche Aufgaben mit Hilfe eigener Unternehmen so zu erfüllen, dass auch bei

den Aufgaben der Daseinsvorsorge politi-sche Ziele wie z.B. Versorgungssicherheit und Leistungen zu bezahlbaren Preisen erreicht werden können. Bei öffentlichen Unternehmen geht es demzufolge – im Gegensatz zu den in der Privatwirtschaft primär am Shareholder Value ausgerich-teten Entscheidungskriterien – darum, für die Bürgerinnen und Bürger einen Mehr-wert zu erwirtschaften („citizen value“) und damit einen Beitrag zum Gemeinwohl einer Gesellschaft zu leisten.40

Wenn nun durch die Öffnung und De-regulierung des europäischen Marktes für (öffentliche) Dienstleistungen Monopole kommunaler Versorgungsunternehmen aufgebrochen werden und auf Grund des daraus resultierenden Wettbewerbsdrucks auch in öffentlichen Unternehmen eine stärker am Modell des erfolgsorientier-ten Handelns im erwerbswirtschaftlichen Sinne ausgerichtete, marktliche Unterneh-menssteuerung erfolgt, dann kann dies

dazu führen, dass sich öffentliche Mana-ger stärker am Gewinnziel orientieren41 und dass die Instrumentalfunktion öffent-licher Unternehmen geschwächt und ihre Legitimation untergraben wird.42

Daraus folgt aber nicht, dass der mit der Einrichtung öffentlicher Unternehmen ursprünglich verfolgte Zweck, Aufgaben der Daseinsvorsorge zu sichern, aufgege-ben werden muss und die Idee der Instru-mentalfunktion bedeutungslos wird. Dies wäre nur dann der Fall, wenn man davon ausginge, dass der öffentliche Zweck und die angestrebten politischen Wirkungen einzig und allein mit öffentlichen Unter-nehmen erreicht werden können. Diese Schlussfolgerung ist aber alles andere als zwingend. Stattdessen muss gefragt wer-den, welche funktionalen Äquivalente zur

Verfügung stehen, um den Zweck, der mit der Instrumentalfunktion öffentlicher Un-ternehmen angestrebt wird, unter den ver-änderten Rahmenbedingungen der Markt-öffnung und des Wettbewerbs sichern zu können.

Anregungen, die in diesem Zusam-menhang aus dem Public Management gewonnen werden können, beziehen sich zum einen auf Konsequenzen, die aus dem Prozess des sich immer weiter ausdiffe-renzierenden öffentlichen Sektors und aus dem zunehmenden Verschwimmen der Trennungslinie zwischen öffentlichem und privatem Sektor für die Wahrnehmung öf-fentlicher Aufgaben und für die Steuerung der diese Aufgaben ausführenden Ein-richtungen zu ziehen sind. Ein wichtiger Ansatzpunkt hierfür ist, dass die bislang dominierende institutionelle Betrachtungs-weise („öffentliche versus private Unter-nehmen“) zugunsten einer funktionalen Perspektive aufgegeben wird, die an den

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»Bei öffentlichen Unternehmen geht es – im Gegensatz zu den in der Privatwirtschaft primär am Shareholder Value ausgerichteten Entscheidungskriterien – darum, für die Bürger einen Mehrwert zu erwirtschaften.«

öffentlichen Aufgaben ansetzt und bei der die Frage im Mittelpunkt steht, mit wel-chen institutionellen Arrangements und mit welchen Organisations- und Rechts-formen öffentliche Aufgaben am besten gesteuert und erledigt werden können.

Zum anderen beziehen sich die Anre-gungen aus dem Public Management dar-auf, dass ein (partielles) Zurückholen pri-vatisierter Aufgaben und Dienstleistungen nur dann erfolgversprechend sein wird, wenn dies mit einer Managementreform in den betroffenen öffentlichen Einrich-tungen verbunden ist, die das betriebli-che Handeln nicht nur an den Sachzielen der Daseinsvorsorge, sondern auch am Formalziel der Wirtschaftlichkeit ausrich-tet und die damit die Voraussetzungen schafft, vorhandene Ressourcen so wirt-schaftlich wie möglich zu nutzen und Ra-tionalisierungsreserven auszuschöpfen.43 Dieser Ansatz reiht sich in die schon in den 1980er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland unter dem Schlagwort „Zu-kunft durch öffentliche Dienste“44 geführ-te Diskussion zur Modernisierung des öf-fentlichen Sektors ein, die dann im Zuge der Diskussion über das Neue Steuerungs-modell in das Motto „Modernisieren statt Privatisieren“ mündete.45

Privatisierung und Rekommunalisierung im Modell der Gewährleistungskommune

Mit dem Begriff und dem Konzept der Ge-währleistungskommune (im Sinne der leis-tungssichernden Kommune) zeichnet sich ein konzeptioneller Bezugsrahmen ab, der eine im Vergleich zur bisherigen Diskussi-on wesentlich differenziertere Behandlung des Privatisierungs- und des Rekommu-nalisierungsthemas gestattet. Die Grund-

40 Begriffe wie „Gemeinwohl“ oder Allgemein-interesse sind allerdings immer leerformelver-dächtig ist, weil sie inhaltlich sehr unterschiedlich interpretiert und konkretisiert werden können und demzufolge immer im Spannungsfeld poli-tischer Interessen stehen; siehe auch Schuppert (2002).

41 Vgl. Machura (1996, S. 539).

42 Vgl. Edeling 2002, S.160 und Röber 2008, S.66.

43 Siehe hierzu ver.di (2008).

44 Vgl. Wulf-Mathies (1991).

45 Vgl. z.B. Andersen/Beck/Selle (2005).

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Röber, Privatisierung adé?

idee des Gewährleistungsmodells46 besteht darin, dass die Kommune die Erfüllung eines bestimmten Angebots an öffentli-chen Leistungen sicherstellt, ohne dass diese notwendigerweise von kommuna-len Einrichtungen selber erbracht werden müssen. Daraus folgt, dass die Kommune nicht mehr als monolithische Einheit be-trachtet werden kann, sondern in ihren unterschiedlichen Rollen als Auftragge-ber bzw. Besteller und als Auftragnehmer bzw. Produzent öffentlicher Aufgaben und Leistungen gesehen werden muss. Hieraus ergeben sich für die kommunalen Akteure im Vergleich mit dem traditionellen Ver-

waltungsmodell zum Teil gänzlich neue Anforderungen.

Bei den Aufgaben, die von der Kom-mune gewährleistet werden und damit als öffentliche Aufgaben anerkannt werden sollen, wird – analog zur Diskussion über die Kernkompetenzen privatwirtschaft-licher Unternehmungen – auch von den Kernaufgaben der Kommune gesprochen. Im Prinzip geht es um die Frage der Brei-te des öffentlichen Leistungsprogramms, das heißt um das, was zum Aufgaben-portfolio der Kommune gehören soll. Hierfür gibt es keine „objektiven“ Krite-rien, die gleichsam naturrechtlich aus dem Gemeinwohl abgeleitet werden können (nach dem Motto: „Kindergärten sind grundsätzlich wichtiger als Wirtschafts-förderung oder Sozialhilfe.“). Was zum Kanon öffentlicher Aufgaben gehört, muss im demokratischen Diskurs und Willens-bildungsprozess geklärt und letztlich von politisch legitimierten Mehrheiten in Be-zug auf politische Ziele (wie zum Beispiel demokratische, rechtsstaatliche, wirt-schaftliche, sozialstaatliche oder ökologi-sche Ziele) entschieden werden. Bei die-sen Entscheidungen geht es – analog zur

Zweckkritik47 – um die Sinnhaftigkeit und die Effektivität öffentlicher Programme und Leistungen („doing the right things“). Dabei können dann – im Umkehrschluss – solche Aufgaben identifiziert werden, die überflüssig sind, weil es für sie keinen gesellschaftlichen Bedarf mehr gibt. Dass dies nur dann funktionieren kann, wenn solche Entscheidungen von den Bürgern – abgesehen von Kritik aus individueller Betroffenheit – im Prinzip akzeptiert wer-den, liegt auf der Hand.48 Überdies hat die kritische Durchleuchtung des öffentlichen Aufgabenportfolios den zusätzlichen Ef-fekt, dass jene Pro gramme und Leistungen

herausgefiltert werden können, die von anderen Anbietern – seien es öffentliche oder gemeinwirtschaftliche oder auch pri-vate – ohnehin schon angeboten werden.

Erst wenn über die Breite des öffent-lichen Aufgabenspektrums entschieden wurde, kann diskutiert werden, mit wel-chen institutionellen Arrangements ein-zelne dieser Aufgaben am besten wahr-genommen werden können, weil es nicht sinnvoll wäre, über eine Optimierung von Aufgaben nachzudenken, die ohnehin überflüssig sind oder die nach einer ma-teriellen Privatisierung von privaten Ein-richtungen auf eigenes Risiko und auf ei-gene Rechnung angeboten bzw. bearbeitet werden.49

Wenn die Entscheidung über die Brei-te des kommunalen Aufgabenspektrums gefallen ist, kann im nächsten Schritt da-rüber diskutiert werden, welche organi-sationspolitischen Optionen50 einer Kom-mune zur Verfügung stehen, das heißt, mit welchen institutionellen Arrangements einzelne Aufgaben am besten wahrgenom-men werden können. Bei der Entschei-dung über mögliche institutionelle Arran-

»Die Grundidee des Gewährleistungsmodells besteht darin, dass die Kommune die Erfüllung eines bestimmten Angebots an öffentlichen Leistungen sicherstellt, ohne diese notwendigerweise selbst erbringen zu müssen.«

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gements geht es primär um die Effizienz bei der Aufgabenerfüllung („doing the things right“). Hierbei greift man – unter dem Stichwort der Leistungstiefenpolitik – auf Kategorien der ökonomischen In-stitutionentheorie zurück. Leistungstiefe heißt, dass jede öffentliche Aufgabe aus einer Wertschöpfungskette mit einer mehr oder weniger großen Zahl von vor- und nachgelagerten Teilprozessen besteht.51 Für jeden dieser Teilprozesse kann geprüft und entschieden werden, wer die Leistung erstellen und die Verantwortung hierfür übernehmen soll. Generell werden die fol-genden vier Typen von Verantwortung un-terschieden:

Gewährleistungsverantwortung : dau-erhafte Sicherstellung der Leistungser-bringung zu politisch gewollten Stan-dards und Kosten durch die KommuneVollzugsverantwortung : korrekte Aus-führung („Produktion“) der gewähr-leisteten Aufgaben durch einen öffent-lichen, gemeinwirtschaftlichen oder privaten TrägerFinanzierungsverantwortung : Bereit-stellung der für die Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Finanzmittel (in der Regel durch die Kommune)Auffang- bzw. Rückholverantwortung : Garantie der Kommune, dass die ge-währleisteten Aufgaben auch im Kon-kursfall eines Leistungsanbieters oder im Falle des Auftragsentzugs (wegen nicht-vertragsgemäßer Leistungserbrin-gung) angeboten werden.

Mit einem solchen Konzept der Verant-wortungsstufung und Verantwortungs-

46 Vgl. hierzu die grundlegenden und stilbildenden Arbeiten von Schuppert; exemplarisch sei hier nur hingewiesen auf Schuppert (2005).

47 Siehe KGSt (1974).

48 Dabei ist die Einsicht der Bevölkerung in die Notwendigkeit solcher Entscheidungen häufig viel größer als viele Politiker annehmen.

49 Diese Systematik entspricht im Prinzip dem von der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung in den 1970er Jahren entwickelten Konzept der Aufgabenkritik, in dem in Zweck- und Vollzugskritik unterschieden wird; vgl. hierzu KGSt (1974).

50 Siehe hierzu auch die demnächst erscheinenden KGSt-Berichte – Kommunale Organisationspolitik – Teil I – Entwicklungslinien, Konzepte, Er schei-nungs formen 2009a) und Teil II – Auswahl, Ge-staltung und Einführung organisationspoliti-scher Lösungen(2009b), an deren Erstellung der Verfasser mitgearbeitet hat.

51 Siehe Brüggemeier (2004) und (2007).

Röber, Privatisierung adé?

teilung besteht die Möglichkeit, auf die in der Bevölkerung vorherrschenden Be-fürchtungen über eine zunehmende Pri-vatisierung differenziert zu reagieren, weil Aufgaben der Daseinsvorsorge im Ge-währleistungsmodell nicht in toto infrage gestellt und komplett aus der öffentlichen Verantwortung entlassen werden. Die Kommune bleibt in der Pflicht zu gewähr-leisten, dass öffentliche Aufgaben ord-nungsgemäß erfüllt werden, ohne jedoch bei allen Teilprozessen zugleich auch für die Durchführung (und ggf. auch für die Finanzierung) zuständig und verantwort-lich zu sein. Lediglich bei nicht ordnungs-

gemäßer Erfüllung der Leistung durch Dritte ist die Kommune verpflichtet, sub-sidiär einzuspringen und diese Leistung selber zu erbringen.

Für die Kommunen besteht die ent-scheidende Herausforderung darin, die-jenigen Leistungserbringer (z.B. mit Hilfe von Wettbewerbsmechanismen in Form von Ausschreibungen) zu finden, die ein-zelne – strategisch nicht relevante – Leis-tungen oder Leistungspakete in Bezug auf klar definierte Qualitätsstandards am kos-tengünstigsten bereitstellen können. Die Entscheidung hierüber unterscheidet sich gravierend von der über eine materielle Privatisierung, bei der die inhaltliche Ver-antwortung und das wirtschaftliche Risi-ko vollständig auf private Akteure über-gehen. Aus dem Grunde bezieht sich die Diskussion über die Rekommunalisierung in den meisten Fällen auf die Dimension der Vollzugsverantwortung und darauf, frühere „funktionale Privatisierung(en) der operativen Leistung“52 rückgängig zu machen. Die Gesamtverantwortung für Aufgaben der Daseinsvorsorge (im Sinne der Gewährleistungsverantwortung) ist

bei den meisten Privatisierungen der letz-ten Jahre nicht tangiert gewesen, weil sie ohnehin bei den demokratisch legitimier-ten politischen Repräsentanten der Kom-mune verblieben ist.

Die Gegner einer Rekommunalisierung operativer Leistungen verweisen in der ak-tuellen Diskussion unter Hinweis auf Kos-tenvergleichsrechnungen immer wieder darauf, dass viele Leistungen von Priva-ten wesentlich billiger angeboten werden können. Die solchen Aussagen zugrunde gelegten Rechnungen weisen in der Regel bei den öffentlichen Anbietern erheblich

höhere „Stückkosten“ als bei den pri-vaten Anbietern aus. Insofern scheint es unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten – insbesondere natürlich aus der Sicht der unter zunehmendem finanziellen Druck stehenden Kämmerer – sinnvoll, solche Leistungen und Aufgaben auszulagern. In vielen Fällen zeigt sich aber, dass eine ausschließlich auf die Produktionskosten bezogene Betrachtung zu verzerrten Er-gebnissen bei den Wirtschaftlichkeitsver-gleichen führt, weil in der Regel die mit der Transaktion dieser Leistungen verbun-denen Kosten völlig außer Acht gelassen werden. Hierzu gehören zum Beispiel jene Kosten, die bei den Vertragsverhandlun-gen mit potentiellen Anbietern auftreten (Ex-ante-Transaktionskosten) und die nach Vertragsabschluss für die Kontrolle der Einhaltung der Verträge einschließlich der Kosten für mögliche Rechtsstreite ent-stehen (Ex-post-Transaktionskosten).

Aber selbst wenn unter Einbeziehung der Transaktionskosten ein Fremdbezug von Leistungen wesentlich kostengüns-tiger als die Eigenfertigung wäre, kann es gute Gründe geben, solche Leistungen

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nicht von Anderen erstellen zu lassen. Ein solcher Grund liegt zum Beispiel in der Spezifität – das heißt, dass für die Erbrin-gung einzelner Leistungen sehr spezielle Ressourcen eingesetzt werden (müssen), für die es abgesehen von der Erstellung dieser Leistungen keine Verwendungs-möglichkeiten gäbe. Dies gilt beispielswei-se im Bereich der Daseinsvorsorge – und insbesondere im Falle von natürlichen Monopolen – für das Vorhalten von Inf-rastrukturausstattungen53, die überdies für die Kommunen und ihre Selbstverwal-tung auch strategisch bzw. politisch rele-vant sind. Würde man solche Ressourcen und die damit verbundene Erstellung von Leistungen nicht in Eigenregie betreiben, bestünde die Gefahr, dass sich die Kom-munen in die Abhängigkeit von privaten Monopolanbietern begeben. Im Interesse eines möglichst großen Spielraumes bei den organisatorischen Gestaltungsoptio-nen und einer wirksamen Steuerung der Leistungsprozesse sollte es deshalb das Ziel jeder Kommune sein, solche Situatio-nen zu vermeiden. Daraus folgt allerdings auch, dass in allen Fällen, in denen wir es nicht mit strategisch relevanten Leistungen und spezifischen Ressourcen zu tun ha-ben, die gesamte Bandbreite institutionel-ler Arrangements zur Verfügung steht und dass Kommunen nicht gezwungen sind, den Weg in die komplette Rekommuna-lisierung anzutreten und neue öffentliche angebotsmonopolistische Strukturen zu schaffen.

Management öffentlicher Aufgaben und Leistungen

Beim Management öffentlicher Aufgaben und Leistungen geht es um die Frage, in welchen institutionellen Arrangements die operative Leistungserstellung erfolgen kann. Die Bandbreite dieser Arrangements als organisationspolitische Optionen reicht – in Bezug auf die Steuerungsmöglichkei-ten der Kommune – von der Erbringung öffentlicher Leistungen in kommunalen Gesellschaften über die interkommunale Kooperation bis hin zu komplexen Netz-werkstrukturen unter Einbeziehung priva-ter Akteure.

»Die Kommunen müssen Leistungserbringer finden, die einzelne – strategisch nicht relevante – Leistungen oder Leistungspakete in Bezug auf klar definierte Qualitätsstandards am kostengünstigsten bereitstellen können.«

52 Verbücheln (2009), S. 5.

53 Siehe Naschold u.a. (1996),S.72ff.

Röber, Privatisierung adé?

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Management kommunaler Gesellschaften

Eine organisationspolitische Option be-steht darin, rekommunalisierte Leistungen von Ämtern der Kommunalverwaltung als teilselbstständige Organisationseinheiten („Agencification“) oder von öffentlichen Unternehmen, die entweder in der Form des öffentlichen Rechts (wie z.B. Eigen-betriebe) oder in der Form des privaten Rechts (wie z.B. GmbHs) verfasst sein können, als verselbständigte Organisati-onseinheiten („Corporatization“) erbrin-

gen zu lassen. Dies eröffnet die Möglich-keit, öffentliche Aufgaben und Leistungen effizienter, effektiver und bürgernäher auszuführen, weil die verselbständigten Durchführungsorganisationen von den zum Teil engen Fesseln des öffentlichen Haushalts- und Dienstrechts befreit arbei-ten können und damit über eine größere Autonomie verfügen. Zugleich haben die Gebietskörperschaften vor allem bei den Formen des öffentlichen Rechts die Mög-lichkeit, die ausge gliederten Organisati-onseinheiten in Bezug auf die Interessen der Bürgerinnen und Bürger („citizen va-lue“) politisch zu steuern. Insofern ist es auch nicht überraschend, dass die Kom-munen in den letzten Jahren bei einer Rei-he von Aufgaben der klassischen kommu-nalen Kernverwaltung von dieser organi-sationspolitischen Option regen Gebrauch gemacht haben,54 so dass die Zahl der öf-fentlichen Unternehmen auf der kommu-nalen Ebene inzwischen bei etwa 3.000 liegt.55 Dass in diesem Zusammenhang in einigen Fällen auch – unausgesprochen – andere Ziele verfolgt worden sind wie die „heimliche“ Bildung von Schattenhaushal-ten oder Gehaltszahlungen für Führungs-kräfte, die sich am Niveau der Privat-wirtschaft orientieren und sich zum Teil weit oberhalb der im öffentlichen Dienst üblichen Vergütungen bewegen, ist weit-

54 Siehe Killian/Richter/Trapp (2006).

55 Siehe Reichard (2009).

56 Vgl. hierzu auch Schaefer (2005).

57 Vgl. Budäus (2005), S.18.

58 Wessel (1995), S.66.

59 Vgl. Reichard (2006), S.70.

gehend unstrittig. Es ändert aber nichts an der Einschätzung, dass sowohl „Agencifi-cation“ als auch „Corporatization“ sinn-volle institutionelle Arrangements für die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben sein können.

Angesichts angespannter öffentlicher Haushalte und anhaltenden Wettbewerbs-drucks wird ein solcher Ansatz aber nur dann erfolgreich sein, wenn die Qualität des öffentlichen Managements verbessert wird und nicht die Zustände wieder ein-

reißen, die maßgeblich mit zu den Priva-tisierungsforderungen beigetragen haben. Hier werden seit einiger Zeit Hoffnungen in Corporate-Governance-Konzepte für öffentliche Unternehmen gesetzt, deren handlungsleitende Maximen sowohl zu einer besseren internen Führung als auch zu einer besseren externen Steuerung und Kontrolle dieser Unternehmen durch die Gebietskörperschaften führen sollen.

Eine weitere wichtige Voraussetzung für den Erfolg dieser organisationspoliti-schen Option liegt darin, dass die Gebiets-körperschaften ihre öffentlichen Unterneh-men besser steuern und kontrollieren und dass sie ihrer Eigentümerfunktion besser gerecht werden, indem sie ihre Beteili-gungen nicht nur verwalten, sondern im Rahmen eines Beteiligungsmanagements, das diesen Namen verdient, politisch-stra-tegisch steuern.56 Hier kommt es darauf an, nach der richtigen Balance zwischen politischer Steuerung und unternehmeri-scher Autonomie zu suchen, um Fehlent-wicklungen in Form der operativen Über-steuerung und der politisch-strategischen Untersteuerung öffentlicher Unternehmen durch politische Akteure zu vermeiden. Dabei darf nicht aus dem Auge verloren werden, dass Politik und Management un-

terschiedliche Ziele verfolgen und sich in Bezug auf diese Ziele rational verhalten.57

Die Tatsache, dass die politischen Ak-teure und die Manager öffentlicher Unter-nehmen zum Teil differierende Ziele und Interessen haben, ist nicht neu. Diese Si-tuation gab es schon im 19. Jahrhundert, wie Wessel z.B. in Bezug auf die Gasver-sorgung der Stadt Köln feststellte: „Das Verhältnis zwischen Stadt und Gasgesell-schaft war selten entspannt; städtische An sprüche und Vorstellungen deckten sich fast nie mit der Leistungsbereitschaft des Unternehmens“.58

Da das Management öffentlicher Un-ternehmen im Verhältnis zu den politi-schen und administrativen Akteuren in der Regel über eine relativ starke Position verfügt, besteht immer die Gefahr, dass es sein Handeln an eigenen Interessen aus-richtet und sich – institutionenökono-misch interpretiert – als Agent dem politi-schen Prinzipal gegenüber opportunistisch verhält. Die Kommune als Gewährleister und Auftraggeber öffentlicher Aufgaben bzw. Leistungen muss deshalb dafür sor-gen, dass

strategische Vorgaben für den Leis- tungserbringer bzw. Auftragnehmer formuliert werden,klare Zielvorstellungen und Planungen festgelegt werden,diese Ziele in konkrete Aufträge umfor- muliert werden,hinreichende Freiräume für die Auf- tragnehmer in Bezug auf den unterneh-merischen Erfolg geschaffen werden, die Leistungserbringung kontrolliert und überwacht wird undim Fall eingestellter Leistungserbrin- gung durch den Anbieter die Auffang-verantwortung übernommen werden kann.59

Interkommunale Zusammenarbeit

Selbst wenn es den Kommunen gelingt, in ihren Verwaltungen und in ihren ausgela-

Röber, Privatisierung adé?

»Agencification und Corporatization eröffnen die Möglichkeit, öffentliche Aufgaben und Leistungen effizienter, effektiver und bürgernäher auszuführen.«

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gerten Organisationseinheiten leistungs-fähige Managementstrukturen zu etab-lieren, ist nicht auszuschließen, dass viele Gebietskörperschaften mit der Wahrneh-mung rekommunalisierter Aufgaben der Daseinsvorsorge konzeptionell, technolo-gisch, finanziell und personell überfordert sind. Aus dem Grunde bietet es sich an, bei Rekommunalisierungs vorhaben von vornherein zu prüfen, ob es bei den zu er-ledigenden Aufgaben und den zu erbrin-genden Leistungen Kooperationsmöglich-keiten mit anderen Städten und Gemein-den gibt.

Die Zusammenarbeit bei der Leistungs-erstellung ist für Kommunen beileibe kein

neues Thema. Die in der Praxis vorkom-menden Kooperationsformen reichen von der gemeinsamen Aufgabenerledigung (z.B. in Form von Shared Service Centers) über die Wahrnehmung von Aufgaben durch gemeinsame Einrichtungen (wie z.B. Zweckverbände) bis zu kommunal in-itiierten freiwilligen Zusammenschlüssen von Gemeinden.60

Die interkommunale Zusammenarbeit bietet eine Reihe von erheblichen Vor-teilen.61 Diese liegen zunächst in Einspa-rungen und Effizienzgewinnen, die dar-aus resultieren, dass einzelne Gemeinden häufig nur über relativ kleine öffentliche Unternehmen verfügen, in denen keine Skaleneffekte („economies of scale“) er-zielt werden können. Die Schaffung grö-ßerer Betriebseinheiten in einer Gemeinde rechnet sich in der Regel nicht, weil die-se Kapazitäten nicht ausgelastet werden können. Die Folge sind in beiden Fällen zu hohe Stückkosten, die zu Lasten der Bürger – entweder in ihrer Rolle als Ver-braucher oder in ihrer Rolle als Steuer-zahler – gehen. Eine Kooperation von Ge-

»Rekommunalisierungsvorhaben sollten daraufhin geprüft werden, ob es bei den zu erledigenden Aufgaben und den zu erbringenden Leistungen Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Städten und Gemeinden gibt.«

meinden ermöglicht dagegen wirtschaftli-che Betriebsgrößen, in denen es sich lohnt, teure Spezialisten einzustellen, die man auslasten kann, und teure Maschinen an-zuschaffen, die gemeinsam kostengünstig genutzt werden können. Auf diese Weise kann die Produktivität in der Daseinsvor-sorge gesteigert werden. Dabei ist aller-dings zu beachten, dass die zwischen den Gemeinden notwendigerweise entstehen-den Schnittstellen professionell gemanagt werden und dass die Transaktionskosten solcher Arrangements minimiert werden. Zudem wird es wichtig sein, die finanzi-ellen Anreize der Kooperation so zu ge-stalten und die Risiken so zu verteilen, dass sich keiner der Kooperationspartner

„über den Tisch gezogen“ fühlt und dass die finanziellen Vor- und Nachteile für alle Beteiligten gerecht verteilt sind.

Ein weiterer Vorteil der Zusammenar-beit von Kommunen besteht darin, Dop-pelarbeiten abzubauen. Hierdurch werden Kapazitäten freigesetzt, mit deren Hilfe den Bürgern bessere oder zusätzliche Leis-tungen angeboten werden können, die sich positiv auf die Kundenzufriedenheit auswirken werden. Neben den damit zu erzielenden Qualitätsverbesserungen kann die wechselseitige Inanspruchnahme von öffentlichen Leistungen auch dazu beitra-gen, dass sich eine über Gemeindegrenzen hinausgehende regionale Identität entwi-ckelt.

Schließlich wird es im Zuge der Ent-wicklung liberalisierter europäischer Märkte immer wichtiger werden, strate-gische Allianzen zu bilden, um Innova-tions- und Synergiepotenziale besser aus-schöpfen zu können. Hierzu bedarf es in den interkommunalen Beziehungen eines intensiven Informationsaustausches sowie

einer gemeinsamen Planung, Abstimmung, Ressourcennutzung und ggf. auch gemein-samer Organisationen.62

Die interkommunale Zusammenarbeit wird allerdings nur dann erfolgreich sein, wenn es unter den beteiligten Gemeinden einen fairen Interessenausgleich gibt, der verhindert, dass die einen Kommunen dauerhaft zu den Gewinnern, die anderen hingegen zu den Verlierern gehören. Dies erfordert ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen und die Bereitschaft, auf kurz-fristig zu realisierende Vorteile zu Lasten anderer Kommunen zu verzichten. Unter Umständen wird auch darüber nachge-dacht werden müssen, den langfristigen Interessenausgleich zwischen den an der Kooperation beteiligten Kommunen mit Hilfe von Ausgleichszahlungen und Kop-pelgeschäften zu erreichen. Schließlich ist noch wichtig, dass die Kommunen in ih-ren kommunalen Selbstverwaltungsrech-ten nicht eingeschränkt werden und dass die Entscheidungen über Kooperations-formen durch die Bürger der Kommunen demokratisch legitimiert werden.

Entwicklung eines Netzwerkmanagements

Wenn Kommunen bei der Erledigung öf-fentlicher Aufgaben verstärkt mit Dritten – insbesondere auch aus dem gemeinwirt-schaftlichen und dem privatwirtschaftli-chen Sektor – kooperieren sollen und da-bei in zunehmendem Maße unterschied-liche Interessen berücksichtigen und ggf. ausgleichen müssen, dann steigen die An-forderungen an die Managementfähigkeit der kommunalpolitischen Akteure im Ver-gleich zum Management kommunaler Ge-sellschaften und zur interkommunalen Zu-sammenarbeit noch einmal beträchtlich. In diesem Kontext geht es um Steuerungs-modelle für institutionelle Arrangements mit formal gleichberechtigten Netzwerk-partnern. In der Privatwirtschaft haben viele Unternehmen gezeigt, dass sie in der Lage sind, ein erfolgreiches Netzwerk-management zu praktizieren. Im öffentli-chen Sektor gibt es ebenfalls schon lange Netzwerkstrukturen; es fehlt allerdings

60 Siehe auch KGSt (2009a).

61 Vgl. zum Folgenden auch Innovators Club (2005).

62 Siehe Innovators Club (2005), S. 14.

Röber, Privatisierung adé?

weitgehend an einem korrespondierenden Netzwerkmanagement. Existierende Netz-werke sind allenfalls mit den Mitteln der klassischen hierarchisch-bürokratischen Organisation verwaltet worden.

Bei Netzwerken in der Daseinsvorsor-ge fungiert die Kommune in der Regel als Fokalorganisation. Von ihr als zentralem Auftraggeber entwickelt sich eine Vielzahl mehrstufiger Auftraggeber-Auftragneh-merverhältnisse, welche ein nicht-hierar-chisch organisiertes Netz bilden63. Die Ko-ordination der Leistungsnetzwerke über-nimmt die Kommune in ihrer Rolle als

Gewährleister. Da solche Netzwerke mit einem komplexen Geflecht unterschiedli-cher Akteure nicht mehr per Anordnung über die Hierarchie oder per Austausch über den Markt gesteuert werden kön-nen, muss die Kommune über Steuerungs-kompetenzen jenseits von Hierarchie und Markt verfügen, zu denen vor allem Ver-handlungen, Motivation, Führung, Medi-ation und Kommunikation gehören. Diese Art der Steuerung kommunaler Leistungs-netzwerke führt letztlich dazu, dass eine klare Grenzziehung zwischen marktlicher und hierarchischer Steuerung nicht mehr möglich ist64 und dass die Anforderungen an die Steuerung und Kontrolle kommu-naler Leistungsnetzwerke erheblich stei-gen werden. Deshalb müssen bei allen Entscheidungen über Netzwerkorgani-sationen bestimmte steuerungsrelevante Strukturmerkmale beachtet werden.65

Diese beziehen sich zunächst auf Un-terschiede zwischen den Netzwerkpart-nern, welche sich – sofern Non profit-Organisationen und erwerbswirtschaftli-che Unternehmen zum Netzwerk gehören – in ihren Zielen und der Komplexität ihres Zielsystems, in ihren Handlungslo-

giken und Entscheidungskriterien, in ih-ren Organisationskulturen und schließlich auch in ihren Kernkompetenzen erheblich unterscheiden können.

Ein zweites steuerungsrelevantes Struk-turmerkmal, das für Netzwerke konstitu-tiv ist, besteht in der Freiwilligkeit. Das heißt, dass Netzwerkpartner jederzeit die Möglichkeit haben, ihre Teilnahme infra-ge zu stellen und sich aus dem Netzwerk zurückzuziehen. Daraus folgt die Notwen-digkeit gemeinsamer Interessen der Netz-werkpartner, die darüber hinaus über ein hinreichendes Ausmaß an Autonomie ver-

fügen müssen, welches ihnen – auch wenn sie als integraler Bestandteil in das Netz-werk eingebunden sind – die für ihren Er-folg notwendigen Handlungsspielräume sichert.

Bei nicht-hierarchischen Netzwerken entstehen als drittes steuerungsrelevan-tes Strukturmerkmal Schnittstellen, die im Interesse von Spezialisierungsvorteilen bewusst geschaffen werden. Demzufol-ge kann es nicht darum gehen, unbedingt die Zahl der Schnittstellen zu reduzieren, sondern sie intelligent zu gestalten. Da an Schnittstellen organisationsübergreifender arbeitsteiliger Leistungsprozesse häufig Ungewissheitszonen entstehen, aus denen strategische Interdependenzen resultieren, die sich negativ auf die Machtbalance zwi-schen den Netzwerkpartnern auswirken können, muss das Netzwerkmanagement diesen „Übergabepunkten“ besondere Auf merksamtkeit widmen.

Schließlich gehört zu den steuerungs-relevanten Strukturmerkmalen von Netz-werkorganisationen die längerfristige Perspektive der Akteure. Diese ist deshalb wichtig, weil die Netzwerkpartner in ge-

meinsame materielle Ressourcen und in Sozialkapital investieren, von denen kein schneller „return on investment“ erwar-tet werden kann. Hieraus resultiert aber nicht nur eine längerfristige Bindung an das Netzwerk, sondern auch ein erhöhter Erwartungsdruck in Bezug auf eine relativ verbindliche Kooperation. Dies geht in der Regel im Rahmen des Gewährleistungs-modells zu Lasten von institutionellen Ar-rangements, in denen der Wettbewerb eine größere Rolle spielt.66

Vor diesem Hintergrund ist über die Gestaltung von kommunalen Leistungs-netzwerken in Bezug auf konkrete Auf-gaben im Bereich der Daseinsvorsorge zu entscheiden. Bei diesen Entscheidungen sind diverse Gestaltungsparameter zu be-rücksichtigen, zu denen beispielsweise der Zweck (Produktionsnetzwerk oder Distri-butionsnetzwerk), die territoriale Reich-weite (lokales bzw. regionales oder überre-gionales Netzwerk), die Steuerungsform in Bezug auf die Führung (hierarchisch oder heterarchisch geführtes Netzwerk) und die Form der netzwerkinternen Koordination (Netzwerk mit wettbewerbskoordinierter oder mit hierarchisch-koordinierter Ar-beitsverteilung) gehören.

Fazit

Diese institutionellen Arrangements für das Management öffentlicher Aufgaben und Leistungen, mit deren Hilfe die simple Dichotomie von Privatisierung und Kom-munalisierung überwunden werden kann, sind ohne Zweifel mit großen Herausfor-derungen für die Kommunen verbunden. Zur Bewältigung dieser Herausforde-rungen gehört, dass für die kommunalen Gesellschaften ein leistungsfähiges Betei-ligungsmanagement entwickelt wird und dass bei der interkommunalen Zusammen-

63 Vgl. Reichard (2004), S. 58.

64 Vgl. hierzu Reichard (2004), S. 59 f.

65 Fragen der Gestaltung und Steuerung öffentlicher Netzwerke im Kontext des Public Management sind in den letzten Jahren insbesondere von Brüggemeier systematisch analysiert worden. Die folgenden Ausführungen basieren weitgehend auf seinen Untersuchungen; siehe hierzu – auch mit weiteren Literaturhinweisen – Brüggemeier (2004).

66 Siehe zum Verhältnis von Kooperation und Wettbewerb Mühlenkamp (2009).

»Im öffentlichen Sektor gibt es schon lange Netzwerkstrukturen; es fehlt allerdings weitgehend an einem korrespondierenden Netzwerkmanagement.«

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Röber, Privatisierung adé?

arbeit und beim Netzwerkmanagement der Auswahl der richtigen Netzwerkpart-ner, der Transparenz und Rechenschafts-pflicht (ins besondere dann, wenn private Partner zum Netzwerk gehören), der Re-gelung der Beziehungen zum Bürger, der Ergebnis- und Qualitätsverantwortung, dem Umgang mit „Kooperationsrenten“ und der Personalführung in einem System interorganisationaler Beziehungen be-sondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Stellen sich die Kommunen diesen Heraus-forderungen nicht, dann laufen sie Gefahr, dass ihre öffentlichen Einrichtungen auch in Zukunft immer wieder unter den Gene-ralverdacht der Ineffizienz gestellt werden und dass die materielle Privatisierung als Drohung – wie das an einem Rosshaar über Damokles hängende Schwert – über ihren öffentlichen Unternehmen schweben wird. Deshalb sollten sie sich – wie Damo-kles – rechtzeitig bewegen, weil nicht aus-zuschließen ist, dass der dünne politische Faden jederzeit reißen kann.

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Verwaltung und Management15. Jg. (2009), Heft 5, S. 241-250

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Prof. em. Dr. Klaus LenkUniversität Oldenburg

Mit der Einrichtung „einheitlicher Ansprechpartner“ gemäß der EU-Dienstleistungsrichtlinie vom 12. 12. 2006 soll das Modell eines One-Stop-Government für einen größeren Sektor von Verwaltungstätigkeit verwirklicht werden. Dienstleistungsanbieter können dort alle Formalitäten erledigen, die für Geschäftsaufnahme und -betrieb nötig sind. Obwohl ein von der Informationstechnik ermöglichtes One-Stop-Government seit langem erwünscht und als Konzept auch genügend ausgereift ist, spricht einiges dafür, dass die europäische Initiative zu früh kommt. Denn die grundlegend neuen Verwaltungsarchitekturen, welche das Konzept erst tragfähig machen, sind noch nicht genügend in den Köpfen verankert. Sie setzen Geschäftsprozesse voraus, die Organisationsgrenzen überschreiten. Sie setzen weiter die Kompetenz vieler Akteure voraus, in netzförmigen Strukturen zu denken und zu arbeiten. Also muss man bei vielen von der Umsetzung betroffenen Akteuren mit unzureichender gedanklicher Vorbereitung rechnen. Zusammen mit den üblichen Hürden eines Change Management bei Großprojekten kann dies zu Umsetzungsschwierigkeiten führen, die den nachhaltigen Erfolg dieses Schritts zum One-Stop-Government in Frage stellen.

Organisationsänderung durch Wegsehen

Klaus Lenk

Die Richtlinie des Europäischen Parla-ments und des Rates über Dienstleistun-gen im Binnenmarkt [DLR] (Richtlinie 2006/123/EG vom 12.12.2006) wurde nicht nur von Befürwortern einer Libe-ralisierung des Dienstleistungsmarktes begrüßt. Sie ist nicht weniger als ein ge-meinschaftsrechtlicher Anstoß zu einer grundlegenden Verwaltungsreform1, der das kontinentaleuropäische Verwaltungs-denken auf den Prüfstand stellt. Neben Forderungen nach Vereinfachung und Entrümpelung von Genehmigungsverfah-

Wenn diese Form von Verfahrenskon-zentration in der öffentliche Verwaltung Wirklichkeit werden soll, dann erfordert dies mehr als nur die Anpassung des Ver-waltungsverfahrensrechts und die Schaf-fung der nötigen technischen Infrastruk-turen. Abhängig von der im Einzelfall ge-wählten Organisationsform begeben wir uns auf den Weg einer Umgestaltung der Gesamtorganisation aller Verwaltungsebe-nen und Verwaltungsträger in Richtung auf eine intensiv vernetzte öffentliche Ver-waltung. E-Government ermöglicht diese „E-Transformation“, denn es treibt derzeit über einzelne Projekte der Technisierung von Verwaltungsarbeit hinaus.

Im Ansatz findet sich das Organisati-onskonzept des One-Stop-Government bereits in kommunalen Bürgerämtern. Hier kann man viele Leistungen an einer Stelle erhalten. Aber es geht im Regelfall nur um die Leistungen, die die Kommune selbst erstellt. Bildlich gesprochen hat man es mit einem Fabrik-Outlet zu tun, und noch nicht mit einem „Dienstleistungsein-zelhandel“, der auch die „Waren“ anderer Produzenten (z.B. des Landes oder des Bundes) gleich mit anbietet.

Inzwischen ist es aber schon längst möglich, nicht nur die Eigenleistungen der Kommunen, sondern alle in einer Ge-schäftssituation oder Lebenslage nötigen Leistungen in solchen Strukturen anzubie-ten. Pionierleistungen wie das australische „Centrelink“, die über Jahre hinweg auf-gebaut wurden, geben einen Eindruck von den Möglichkeiten.2 Eine über Organisa-tionsgrenzen und Entfernungen hinweg vernetzte Verwaltung stellt Bewilligun-

ren enthält sie eine Vorgabe, mit der der Verwaltungsvollzug in seiner gegenwär-tigen Form in Frage gestellt wird. Dienst-leistungserbringer sollen alle Formalitäten und Verfahren bei der Aufnahme einer Dienstleistung und deren Ausübung an ei-ner Stelle, beim sogenannten einheitlichen Ansprechpartner erledigen können.

Das ermöglicht einen Verwaltungsser-vice aus einer Hand, im Sinne eines One Stop Shop. Es gilt der Grundsatz „no wrong door“: Wohin sich Privatpersonen oder Unternehmen auch wenden, sie er-halten alles an einer Stelle, was sie an öf-fentlichen Bewilligungen und Leistungen zum Leben und zum Wirtschaften brau-chen, gleichviel, wer dafür zuständig ist. Sie können dies nutzen, müssen es aber nicht, wenn sie es vorziehen, sich unmit-telbar mit der zuständigen Stelle in Ver-bindung zu setzen.

Der riskante Einstieg in One-Stop-Government mit der Dienstleistungsrichtlinie

1 Schliesky 2007, S. 110.

2 Müller 2005, Halligan 2007.

»Haben die hochgesteckten Erwartungen so viel Triebkraft, dass sie gleichsam wie ein Tragflächenboot über raue See hinwegtragen?«

gen, Bescheinigungen, Geldleistungen und anderes bereit, ohne dass die Bürger und Unternehmen beim „Produzenten“ dieser Leistungen selbst vorsprechen oder dessen eigenes Portal ausfindig machen müssen.

Eine neue Verwaltungsarchitektur, in der die Zugangs- bzw. Vertriebswege von der eigentlichen „Produktion“, im Sin-ne von Bescheiderstellung und Registrie-rungsvorgängen, abgekoppelt sind, ist die Voraussetzung hierfür. Weniger die „Gebäude“ in der neuen Landschaft als vielmehr die „Verkehrsverbindungen“ zwischen diesen Gebäuden und mit ihren

Nutzern kennzeichnen diese Architektur. Rein äußerlich sieht man, wie bei Centre-link, über das ganze Land verstreute kör-perlich vorhandene oder auch telefonisch bzw. über das Internet erreichbare „Front Offices“, die quer über alle Verwaltungs-einheiten hinweg nicht nur Informationen anbieten, sondern auch Zugang eröffnen, Auskünfte erteilen, Vorgangsverfolgung ermöglichen, Entscheidungen zustellen und Beschwerdewege aufzeigen.

Diese Architektur ähnelt in ihrer Struk-tur der „serviceorientierten“ Informatik-Architektur (SOA), die sich gegenwärtig breit durchsetzt. Sie mag daher als ein von der Technik getriebener Selbstläu-fer erscheinen. Aber dieser Eindruck lässt Wesentliches übersehen. Möglich wird die Erledigung von Verwaltungsgeschäften bei einem einzigen einheitlichen Ansprech-partner nur dann, wenn alle beteiligten Verwaltungsträger auf allen staatlichen und kommunalen Ebenen zusammenar-beiten, nicht nur mit ihren automatisier-ten Verfahren, sondern durch die Men-schen, die bei ihnen tätig sind. Wie diese Zusammenarbeit im Einzelnen aussieht, wie sie gesteuert und beherrscht werden

kann, ist noch keineswegs klar. Es ist ein mutiger Schritt der Dienstleistungsrichtli-nie, eine solche Kooperation einzufordern, ohne dass die dafür erforderlichen Gover-nance-Strukturen geklärt sind. Denn nicht die einheitlichen Ansprechpartner an sich, sondern das Gesamtnetz ihrer Verbindun-gen untereinander und mit den die Leis-tung erstellenden Back Offices stellt die eigentliche Herausforderung dar.

Die bisherige Erörterung hat diese Perspektiven in ihrer organisatorischen Tragweite nicht genügend gewürdigt, sie vielmehr als primär technisches Problem

behandelt. Davon losgelöst kam eine an Trägerschaft und Ausgestaltung der ein-heitlichen Ansprechpartner ausgerichtete Diskussion in Gang3, so wie vor ein bis zwei Jahrzehnten bei den kommunalen Bürgerämtern vornehmlich die Raumfra-gen und die Öffnungszeiten im Vorder-grund standen, nicht jedoch die möglichen Varianten ihrer Anbindung an die Gesam-torganisation.

Eine Idee und erste Schritte zu ih-rer Verwirklichung

Das Grundmodell des „einheitlichen An-sprechpartners“ und der es ermöglichen-den Vernetzung ist als Idee nicht neu.4 Je-doch trat es jahrelang in den Hintergrund, angesichts der Fixierung von E-Govern-ment auf einzelne schnell realisierbare Projekte. Modelle des One-Stop-Govern-ment wurden z.B. in den Niederlanden be-reits 1996 ausformuliert mit dem Modell „Overheidsloket 2000“. Dieses Konzept, das einen Bürgerservice „alles aus einer Hand“ ermöglicht, ist in dieser Zeitschrift mehrfach geschildert bzw. praktischen Überlegungen zugrunde gelegt worden.5 Daher werden seine Grundlagen hier

nicht noch einmal ausführlich dargestellt.6 Vielmehr soll gefragt werden, wie eine „E-Transformation“ über das nächste Jahr-zehnt hinweg aussehen kann, in der diese Idee eine tragende Rolle einnimmt. Kann sie tatsächlich einen Neubau der Verwal-tung einleiten?

Wenn man mit vielen euphorischen Stimmen aus Kreisen der Verwaltungsin-formatik und des E-Government die Ein-richtung einheitlicher Ansprechpartner als den ersten größeren Schritt zur Verwirk-lichung des One-Stop-Government wahr-nimmt, dann sollte genauer als bislang üblich bestimmt werden, wie weit dieser erste Schritt ausgreifen sollte und wie vorsichtig er auf schwierigem Gelände ge-gangen werden muss. Erfahrene Praktiker warnen zu Recht vor einer Herangehens-weise, welche die zahlreichen Stolperstei-ne bei der Umsetzung nicht genügend in Rechnung stellt. Haben die hochgesteck-ten Erwartungen so viel Triebkraft, dass sie gleichsam wie ein Tragflächenboot über raue See hinwegtragen?

Das muss bezweifelt werden und hie-raus folgt das Programm der folgenden Ausführungen. Sie beginnen mit einer Be-sinnung auf den möglichen Nutzen von One-Stop-Government für eine weniger bürokratische Verwaltung. Auch müssen unterschiedliche organisatorische Aus-prägungen bedacht werden. Wie der Weg zur Realisierung des Konzepts aussieht, welche Stolpersteine und Hindernisse auf ihm zu erwarten sind, muss sodann viel gründlicher als bisher zum Thema ge-macht werden. Denn es könnte sein, dass der Gesamtaufwand sehr hoch ist und dass der vor uns liegende erste Schritt vor allem im Hinblick auf Aufwandsmi-nimierung geplant werden muss. Sind die Organisationsänderungen zu umfangreich und ziehen die beteiligten Menschen nicht mit, weil sie den Nutzen der Veranstaltung nicht einsehen, dann entstehen bestenfalls gute technische Infrastrukturen, die auf spätere Nutzung warten.

VM 5/2009242

Lenk, Organisationsänderung durch Wegsehen

3 Ziekow u.a. 2006.

4 Klee-Kruse und Lenk 1995.

5 Lenk 1997, 2002, 2007, Winter 1998, Kammer 2003, Siegfried 2007, Brüggemeier 2007, Schulz 2009.

6 Lenk 2002.

Es reicht also nicht, von der techni-schen Infrastruktur neuer Verbindungswe-ge her zu planen und allein die rechtlichen Implikationen zu behandeln. Allzu sehr prägt gegenwärtig eine auf die grundle-gende – und gewiss wichtige – informa-tionstechnische Infrastruktur gerichtete Betrachtungsweise die Umsetzung des „einheitlichen Ansprechpartners“. Die organisationsbezogene Betrachtung hat das Nachsehen. Sie soll im Folgenden im Mittelpunkt stehen. Nur ein gleichzeitiges Einnehmen von technischen, organisato-rischen und mitarbeiterbezogenen Stand-punkten verhilft uns zu einer realistischen Sicht der vor uns liegenden Umsetzungs-fragen und der Chancen der Förderung des One-Stop-Government.

Denn die hoffnungsfrohe Grundstim-mung wird von wesentlichen Akteursgrup-

pen nicht geteilt. Es ist nicht zu erwarten, dass die Grundidee eines Services aus ei-ner Hand die Köpfe mit ähnlicher Intensi-tät ergreifen wird wie seinerzeit das Neue Steuerungsmodell mit seinen gebündelten Versprechen von besserem Management, Effizienzgewinnen und Einsparungs-chancen. Die Attraktivität von One Stop Shops ist beschränkt, vor allem für die Modernisierer innerhalb der Verwaltung, aber auch in der Politik. Die Idee ist von außen her an die Verwaltung herangetra-gen worden, als ein mit den Fortschritten der Technik eröffneter Weg zu besserem Service für die Bürger und die Wirtschaft. Sie ist zudem belastet mit dem Wunsch, aus Gründen der IT-Förderung ein dem E-Commerce nachempfundenes E-Govern-ment durchzusetzen in einer Zeit, in der das Staatsverständnis in die Krise geriet. One-Stop-Government greift einerseits ältere Ansätze einer Verbesserung der Be-

Lenk, Organisationsänderung durch Wegsehen

ziehungen zwischen Bürger und Verwal-tung7 auf, mit dem Ziel einer Abschaf-fung der lästigen Aspekte von Bürokratie. Andererseits ist es aber deutlich geprägt von einem Verständnis von öffentlicher Verwaltung, welches diese auf die Erbrin-gung von Dienstleistungen für benennbare „Kunden“ reduziert. Das darin liegende minimalistische Staatsverständnis kam ei-ner Übertragung von Lösungsansätzen des E-Commerce auf den öffentlichen Sektor sehr entgegen.

Aber nicht nur und nicht in erster Li-nie das Misstrauen gegen solche Importe dürfte die Verwaltungspraxis zur Vorsicht mahnen. Angesichts der sich immer weiter öffnenden Schere zwischen den Anforde-rungen an die Verwaltung und den für sie bewilligten Ressourcen hat sie andere und viel handgreiflichere Sorgen. Daher liegt

One-Stop-Government nicht auf dem bis-herigen Modernisierungspfad, auch wenn seine erste noch bescheidene Ausprägung in den kommunalen Bürgerämtern – nach den Pionierleistungen der Städte Unna und Bielefeld mit gehöriger Verspätung – in den deutschen Stadtverwaltungen auf-gegriffen und diese Bürgerämter gleichsam zum Bestandteil des Neuen Steuerungs-modells ernannt wurden. Der wesentliche Unterschied zwischen One-Stop-Service und Neuem Steuerungsmodell liegt aus der Sicht eines Bürgermeisters darin, dass es hier nur um einen kleinen Teil des Ge-schäfts geht. Wie viel Prozent des kommu-nalen Personals würden von entsprechen-den Umgestaltungen bzw. Vernetzungen berührt? Um wie viel Prozent des kommu-nalen Haushalts geht es? Einsparchancen und Effizienzgewinne in der eigenen Or-ganisation sind auf den ersten Blick nicht ersichtlich.

»Es ist nicht zu erwarten, dass die Grundidee eines Services aus einer Hand die Köpfe mit ähnlicher Intensität ergreifen wird wie seinerzeit das Neue Steuerungsmodell.«

Nicht alles, was eine kommunale Kör-perschaft oder eine der so zahlreichen Einzelbehörden in einer historisch ge-wachsenen Gesamtstruktur tut, lässt sich in ein einfaches Schema von Front und Back Offices pressen. Das grundlegen-de Organisationskonzept einer vernetz-ten Verwaltung erfordert Augenmaß und die Berücksichtigung der Besonderheiten einzelner Verwaltungszweige. Wo liegen seine Grenzen? Für einige große Verwal-tungszweige wie z.B. die Polizei muss es sicher modifiziert werden. Ein einziges Ar-chitekturmodell, so attraktiv es auch sein mag, reicht nicht aus, um eine klare Vor-stellung von der Verwaltung der Zukunft in die Köpfe zu bringen. Somit ist noch nicht klar, ob One-Stop-Government dem ins Stottern geratenen Motor der Verwal-tungsmodernisierung neue Energie in der Weise zuführen kann, wie dies das „Neue Steuerungsmodell“ vermochte.

Der erwartete Nutzen

Wenn das Modell „Alles aus einer Hand“ auch nicht ausreicht, um die Strukturen einer künftigen Verwaltung umfassend zu bestimmen, so verspricht es doch einen ganz erheblichen Nutzen. Mit einem Ser-vice aus einer Hand können bürokratische Lasten und Belästigungen für die Unter-nehmen, aber auch für Privatpersonen erheblich reduziert werden.8 Denn nicht so sehr die Vielzahl und Unübersichtlich-keit der Rechtsvorschriften, sondern die Art und Weise ihres Vollzugs bestimmt die Wahrnehmung administrativer Las-ten durch Bürger und Wirtschaft. Auch ist der verwaltungsinterne Nutzen nicht zu unterschätzen. Viel Doppelarbeit kann vermieden werden, wenn z.B. bestimmte Grunddaten nicht mehrfach erhoben zu werden brauchen und wenn allgemein die eine Hand künftig besser weiß, was die andere tut.

Der zu erwartende Nutzen bewegt die Gemüter aber nur in Ausnahmefäl-len. Die Nutzenperspektive ist durchweg längerfristig und der Nutzen wird in der Regel nicht an den Stellen anfallen, die die Last der Umsetzung tragen. Die einzel-

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7 Hoffmann-Riem 1980, Klages 2006.

8 Lenk 2007.

»Die einzelnen Ebenen und Zweige der öffentlichen Verwaltung müssen sich jetzt schon einer neuen Sicht verschreiben, ohne dass für sie ersichtlich ist, dass sie davon letzten Endes auch selbst Vorteile haben werden.«

nen Ebenen und Zweige der öffentlichen Verwaltung müssen sich jetzt schon einer neuen Sicht verschreiben, ohne dass für sie ersichtlich ist, dass sie davon letzten Endes auch selbst Vorteile haben werden. Zunächst einmal sollen sie Vorleistungen erbringen für den nationalen Standortvor-teil des One-Stop-Verwaltungsservices, der inzwischen nicht nur in der EU, sondern weltweit als Zielvorstellung formuliert wird.

Auch bei den Kennern des IT-Potentials mag sich die Unterstützung von One-Stop-Government in Grenzen halten, kann sich doch eine vernetzte Verwaltung auch in

anderer, einfacher zu realisierender Wei-se ausprägen. Zu nennen ist hier vor al-lem die Einrichtung neuer organisations-übergreifender Prozessketten.9 Sie kann an bewährte Muster des Supply Chain Management aus der Wirtschaft anknüp-fen, stiftet letztlich aber nur für gewisse Dauerbeziehungen mit der öffentlichen Verwaltung Nutzen. Weitere Möglichkei-ten, die nicht nur für Dauerbeziehungen mit bestimmten Sektoren der Verwaltung, sondern auch für Erstkontakte Entlas-tung versprechen, sind denkbar. In der Entscheidung zum Aufbau eines Systems für den Einkommensnachweis von Arbeit-nehmern („ELENA“) haben sie eine erste, allerdings mit Blick auf unnötige Zentra-lisierung sehr problematische Ausprägung gefunden, die neben den Bemühungen um ein One-Stop-Government steht und diese möglicherweise für einen großen, aber po-litisch weniger umsorgten Teil der Gesell-schaft konterkariert. 10

Damit erscheint die von maßgebenden Akteuren der Verwaltungsmodernisierung wahrgenommene Kosten-Nutzen-Bilanz

unklar. Auf die Umsetzung des einheitli-chen Ansprechpartners dürfte dies – gera-de in den noch vor uns liegenden Phasen der organisatorischen Implementierung und der Überführung in den Routinebe-trieb – erhebliche Auswirkungen haben. Dies sollte jetzt in Betracht gezogen wer-den, um unliebsame Überraschungen in den nächsten Jahren nach Möglichkeit zu vermeiden.

Die Wahrnehmung des zu erwartenden Nutzens ist weiterhin dadurch beeinträch-tigt, dass es vielen Akteuren der Verwal-tungsmodernisierung nach wie vor schwer fällt, in Geschäftsprozessen statt in Auf-

baustrukturen zu denken. Das behindert die Wahl zwischen den organisatorischen Ausprägungen, die das Netz der einheitli-chen Ansprechpartner annehmen kann.

Organisation muss gestaltet wer-den

Die Vorteile neuer von E-Government ermöglichter Verwaltungsarchitekturen erschließen sich erst, wenn man konse-quent von den Geschäftsprozessen auf der Arbeitsebene der Verwaltung ausgeht, anstatt die Aufbaustrukturen in den Vor-dergrund zu rücken, innerhalb derer diese Prozesse ablaufen. Das Zusammenspiel der einzelnen Akteure, die im Verbund eine Verwaltungsleistung erbringen, zeigt sich in den Geschäftsprozessen, mit denen die Verwaltung ihre Leistungen erstellt. Diese können innerhalb einer Behörde ablaufen. Sie können sich aber auch über mehrere Stellen erstrecken und sie müs-sen das tun, wenn Front Offices in diese Prozesse eingeschaltet werden. Diese Ge-schäftsprozesse sind künftig nicht mehr fest „einbetoniert“, sondern aus Modu-

len bzw. Teilleistungen zusammengesetzt. Das ist für das herkömmliche Denken, auch im New Public Management, noch sehr ungewohnt. Anders als bisher darf man jetzt nicht mehr nur in ganzen Auf-gaben denken, die es zu erfüllen gilt. Wer einsieht, dass es im Regelfall nur Teilleis-tungen aus dem Prozessganzen sind, wel-che in ein Front Office verlagert werden, erspart sich viele unnütze Debatten über Aufweichungen der Zuständigkeitsord-nung, welche das Organisationskonzept angeblich nach sich zieht. Insbesondere die Modularisierung von Prozessen11 ist der eigentliche Schlüssel zum Verständnis der neuen Möglichkeiten.

Die nachfolgend nicht abschließend be-handelten organisatorischen Gestaltungs-möglichkeiten werden nur ausschnittweise wahrgenommen. Viele Alternativen sind denkbar. Diese betreffen nicht nur den ein-heitlichen Ansprechpartner, sondern das vernetzte Gesamtsystem, welches hinter diesem steht und sein Arbeiten erst ermög-licht. Die Ausgestaltung der in diese ver-netzte Struktur eingebetteten einheitlichen Ansprechpartner kann sehr unterschied-lich sein. Der vermutliche Bedarf der Ad-ressaten ebenso wie die voraussichtlichen Mühen der Einführung sollten bei der Wahl („institutional choice“) leitend sein. So können die einheitlichen Ansprechpart-ner einerseits eng im Verwaltungssystem eingebunden sein, womit sie dann tenden-ziell als eine Art gemeinsamer Vertriebsbe-auftragter der wichtigsten beteiligten Back Offices erscheinen. Sie können aber an-dererseits auch sehr nah an die künftigen Nutzer heranrücken und sich damit als ihr „Behördengänger“ darstellen. Letzteres würde die Einrichtung privatwirtschaft-lich betriebener oder genossenschaftlicher einheitlicher Ansprechpartner nahe legen, aber auch Modelle einer Verwaltungs-agentur, die sich an Reisebüros orientie-ren. Beide Formen, die verwaltungs- und die adressatenbezogene, können auch ne-

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9 Wolf und Krcmar 2007.

10 Gesetz über das Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises (ELENA-Verfahrensgesetz) vom 28. März 2009, Bundesgesetzblatt I 2009, S. 634ff. Es ist unklar, ob mit der hier festgeschrie-benen Lösung nicht letztlich bürokratische Lasten bei den Unternehmen abgebaut und dafür bei den Betroffenen neu erzeugt werden.

11 Brüggemeier u.a. 2006, S. 66.ff, 201ff.

beneinander bestehen. Und sie können zu einer doppelten Bindung in beide Rich-tungen verschmelzen, so wie dies für be-rufsständische Kammern typisch ist.

Weitere Gestaltungsalternativen erge-ben sich aus der unterschiedlichen Beto-nung einzelner Rollen, die im einheitlichen Ansprechpartner vereint sein können. Der einheitliche Ansprechpartner nimmt un-terschiedliche Funktionen wahr: Infor-mationsabgabe, Antragsannahme, Leis-tungsabgabe, ferner Lotsenfunktionen, Beratung sowie Steuerungsleistungen als Verfahrensmanager. Bislang überwiegen Lösungsansätze, die dies alles zusammen an einer Stelle haben wollen.

Der allzu lange andauernde Streit um die Ansiedlung der einheitlichen An-sprechpartner hat mit unausgesprochenen Vorstellungen darüber zu tun, wie wichtig die einzelnen Rollen sind. Die Alterna-tiven wurden bislang nicht hinreichend ausgelotet. Man könnte auch an Trenn-modelle denken, also z.B. die routinemä-ßige Antragsbearbeitung einerseits und die individuelle Kundenberatung im Sinne ei-nes Customer Relationship Management andererseits unterschiedlichen Stellen zu-weisen.12 Letzteres könnte dabei in eige-nen Geschäftsprozessen verselbständigt und der Interaktion mit den Leistungen der Back Offices vorgeschaltet werden, so wie dies bei Beratungsprozessen im Banksektor der Fall ist.13 Und es wäre auch denkbar, eher technisch zu erfüllende Teilfunktionen wie Antragsannahme und Weiterleitung sehr nah an die Kunden zu legen14, während anspruchsvolle Lotsen- und Beratungsfunktionen im öffentlichen Sektor verbleiben.

So können erfahrene Organisationen als Träger der einheitlichen Ansprechpart-ner (z.B. Kammern) ganz anders agieren als neu geschaffene Organisationen oder Stellen, die die Aufgabe „nebenbei“ mit erledigen. Hier ist auch an die Übertra-gung auf private Träger zu denken. Ihr Ausschluss aus der Diskussion um die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie ist voreilig. Sie dürften in der Regel Anreize haben, schnell die Bedürfnisse ihrer Adres-saten zu erforschen und damit die Gefah-ren zu umschiffen, die in der Präsentation eines wohlgemeinten Angebots liegen, das aber an den Bedürfnissen der Kundschaft

vorbeigeht. Allgemein könnte Wettbe-werb zwischen einheitlichen Ansprech-partnern dazu führen, dass deren Leistung sich rasch an den Kundenbedürfnissen ausrichtet. Aber selbst öffentliche Quasi-Monopolisten können sich auf eine solche Form von Wettbewerb einstellen, wie das Beispiel von „Centrelink“ beweist.15

Zu gestalten ist auch der Umfang der Tätigkeiten, die in einem Front Office aus-geführt werden. Die Verteilung einzelner Arbeitsschritte auf Front und Back Offices ist variabel – im Rahmen der Wahrung der Zuständigkeit der entscheidenden Stelle und ihrer Verantwortung für das Ender-gebnis. Im Front Office kann man sich auf Antragsannahme und Identitätsprüfung beschränken, aber auch weitere Prozess-schritte können dort ausgeführt werden.

Wenn man von modularisierbaren Ge-schäftsprozessen ausgeht, ist es abwegig zu vermuten, dass in solchen Fällen dop-pelte oder „verzahnte“ Zuständigkeiten eingerichtet werden müssen.16

Weitere Alternativen ergeben sich, wenn man von einzelnen Zielgruppen her denkt. Für Unternehmen kann man diese nach Branchen und nach Größenklassen bilden. So können branchenspezifische Lösungen bevorzugt werden. Je nach Größenklasse der zu bedienenden Unter-nehmen können zudem unterschiedliche Erfahrungskurven dieser Unternehmen angenommen werden, so dass die persön-liche Betreuung mehr oder weniger inten-siv ausgestaltet sein kann.

Gestaltungsfragen liegen nicht zuletzt auch in der Verteilung der Aufgaben des einheitlichen Ansprechpartners auf Men-schen und auf technische Systeme. Spie-len Menschen nur eine ergänzende Rolle,

wenn z.B. eine Gewerbeanmeldung über ein Portal nicht klappt, oder sind sie die primären Träger des einheitlichen An-sprechpartners? Obwohl in der deutschen Diskussion die Bedeutung der Menschen im Großen und Ganzen zutreffend einge-schätzt wird, insbesondere in Bezug auf die Rolle des Verfahrensmanagers, ver-führt die Konzentration auf technische Lösungsansätze doch immer wieder dazu, den menschlichen Tätigkeitsanteil gedank-lich zu vernachlässigen.

Man sollte sich vor allem mehr auf den Verstand der arbeitenden Menschen ver-lassen. Nicht jeder Schritt sollte ihnen fest vorgegeben oder gar automatisiert wer-den. Die nachhaltige Rückkopplung mit Nutzerbedürfnissen war für den Erfolg von Centrelink mit ursächlich. Sie war

möglich, weil man mit menschlicher Tätig-keit in Field Offices begann und erst sehr viel später den Online-Zugang ausbaute. Es kann in die Irre führen, in perfektionis-tischer Weise jeden denkbaren Geschäfts-prozess elektronisch und medienbruchfrei gestalten zu wollen, ohne abschätzen zu können, wie der künftige Bedarf aussehen wird. Das Bestreben, möglichst gleich al-les, und nicht nur die 20% Aufwand, die 80% des Erfolgs bringen, technisch zu un-terstützen oder zu automatisieren, hat die Geschichte der deutschen Verwaltungsin-formatik über Jahrzehnte geprägt. Es ist nach wie vor stark.

Lenk, Organisationsänderung durch Wegsehen

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12 Brisch 2007.

13 Walser 2006.

14 Rost 2008.

15 Halligan 2007.

16 Eifert 2006, S. 248ff., Lenk 2007.

»Man könnte auch an Trennmodelle denken: d.h. die routinemäßige Antragsbearbeitung und die individuelle Kundenberatung im Sinne eines Customer Relationship Management unterschiedlichen Stellen zuweisen.«

17 Bay. Staatsmin. d. Innern 2005.

18 Layne und Lee 2001.

19 Eifert 2006, S. 327.

20 Brüggemeier u.a. 2006, S. 75ff.

21 Wind 2008.

22 Lemke 2008.

23 Gerstlberger u.a. 1999.

Damit sind nur einige wichtige Gestal-tungsfragen angedeutet. Es müsste jetzt schon zahlreiche Handreichungen für die Gestaltung im Einzelnen geben, so wie dies Bayern, ohne auf die Dienstleistungs-richtlinie zu warten, mit einem Leitfaden „Zentrale Anlaufstelle für Antragsteller bei Genehmigungsbehörden – Verfahrens-manager“ vormachte.17

Allgemein muss sich die Einsicht durchsetzen, dass die Etablierung und das Einüben neuer Kooperationsformen we-sentlich schwieriger und vor allem zeitrau-

bender sind als der Aufbau der informati-onstechnischen Infrastrukturen und Basis-komponenten. Vernetzte Verwaltung als Leitbild legt es nahe, möglichst detaillierte neue Strukturen der Zusammenarbeit ein-zurichten. Das kann aber verfänglich sein. Kooperation zwischen einer Vielzahl von Akteuren ist eine so voraussetzungsvolle Sache, dass man im ersten Zugriff mög-lichst wenige Stellen einbeziehen sollte. Es ist relativ einfach, eine Fabrik mit ihren Zulieferbetrieben zu vernetzen; man ver-ständigt sich untereinander in der gleichen Fachsprache. Anders im Gemischtwaren-konzern „öffentliche Verwaltung“: Es ist schon seit langem bekannt, dass vor allem horizontale Vernetzung über Fachgrenzen hinweg ihre Tücken hat und dass vertika-le Vernetzung verhältnismäßig leichter zu haben ist.18 Ja, vertikale Fachbruderschaf-ten (etwa ein Fachamt und sein Brücken-kopf im zuständigen Ministerium) können sogar regelrecht „Sperrkartelle“ gegen die horizontale Vernetzung errichten.19

Aus diesem Grund muss auch der Versuchung widerstanden werden, die Einrichtung der einheitlichen Ansprech-partner mit der Realisierung noch wei-

tergehender Möglichkeiten eines integ-rierten E-Government zu befrachten. Nur angedeutet werden soll daher an dieser Stelle die Möglichkeit, die einzelnen im One Stop Shop zusammenlaufenden An-gelegenheiten bereits im Hintergrund zu bündeln, durch gemeinsame Informations-nutzung der beteiligten Stellen, aber auch durch Reorganisation einzelner Geschäfts-prozesse. Ein über die Informationsnut-zung oder über die Prozesse integriertes E-Government bietet zahlreiche Vorteile, besonders im Hinblick auf verwaltungsin-terne Effizienz.20 Die Unverbundenheit der

in einer Lebenslage erforderlichen Verwal-tungstätigkeiten wird damit zur Dispo-sition gestellt, und statt eines One-Stop-Government könnte öfter auch ein „No-Stop-Government“ realisiert werden. Aber es wäre verfänglich, den zweiten Schritt vor dem ersten zu tun.

Den Aufwand für eine bedarfsge-rechte Einführung minimieren

Denn die Modernisierungschance kann nicht nur durch phantasieloses Abarbeiten der Vorgaben und durch Minimallösungen verspielt werden, mit denen man einem Vertragsverletzungsverfahren entgehen kann. Vielmehr haben gerade ambitiöse Umsetzungsprojekte, wie sie in Deutsch-land verfolgt werden, ihre Risiken.21 Auf diese muss rechtzeitig hingewiesen wer-den. Und selbst wenn sie gut bewältigt werden, wird das Ergebnis in einigen Jah-ren anders aussehen als wir es uns heute vorstellen.

Die eindringliche Warnung, die der da-malige CIO des Bundeslandes Hessen, Ha-rald Lemke, im Februar 2008 formulierte, sei daher wörtlich zitiert. „Kein Zweifel“,

so Lemke, „die Fachbruderschaft der Ver-waltungsinformatiker begrüßt die Richt-linie als Treibsatz für die Etablierung ebenenübergreifender IT-Infrastrukturen und überschlägt sich in Ankündigungen. ... Wir brauchen an dieser Baustelle auch, aber nicht nur Enthusiasmus, sondern vor allem realistische und nachhaltige Umset-zungsstrategien., die die komplexen Risi-ken auf dem Weg zur ‚One-Stop-Agency’ angemessen berücksichtigen.“22

Realismus ist leider noch nicht über-all eingekehrt. Der nunmehr in Gang ge-kommene Veränderungsprozess wird in wesentlichen Aspekten unterschätzt, wenn immer nur die Fragen diskutiert werden, die im Aufmerksamkeitsraster der beteilig-ten wissenschaftlichen Disziplinen liegen. Wie schwer es ist, einen auf die Adressaten ausgerichteten Neubau der Verwaltung zu realisieren, war den Urhebern der Richtli-nie vermutlich nicht klar.

Alle Fachkundigen sind sich darüber einig, dass die Umsetzung eine Herkule-saufgabe ist. Aber die organisatorischen und personellen Voraussetzungen dieser Umsetzung blieben merkwürdig unter-belichtet. Man könnte aus den Fehlern und den Erfolgen vergangener Projekte viel lernen23, aber solange man diese Feh-ler und Erfolge der jeweiligen, mehr oder weniger reifen Technik zuschreibt, bleiben die Lerneffekte aus. Über die Stolperstei-ne bei einfachen, abgrenzbaren Projekten wissen wir recht viel. Schwieriger wird es bei Großprojekten, aus deren Scheitern wir erst allmählich lernen.

Das Change Management wurde und wird in zahlreichen Projekten unter-schätzt. Aber es ist möglich, Hürden der organisatorischen Implementation vorab zu erkennen. Ebenso wissen wir einiges über die Schwierigkeiten der Überführung von mehr oder weniger gelungenen Pro-jekten in die Routine des Arbeitsalltags. Große Veränderungsprozesse erfordern

Lenk, Organisationsänderung durch Wegsehen

»Das Einüben neuer Kooperationsformen ist wesentlich schwieriger und vor allem zeitraubender als der Aufbau der informationstechnischen Infrastrukturen und Basiskomponenten.«

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Lenk, Organisationsänderung durch Wegsehen

einerseits Druck von außen, andererseits das Wissen darüber, was man tun kann, um diesen Druck zu mildern. Und selbst wenn beides zusammenkommt, können Widerstände diese Prozesse zum Scheitern bringen.

So muss man nach der Stärke und der Dauerhaftigkeit des Rückenwinds fragen, den jede Veränderung braucht. Das Ver-halten der Akteure in den einzelnen Are-nen der Projektdurchführung wird geprägt durch politische Großwetterlagen, also auch durch den Ankündigungsrückenwind für One-Stop-Government. Aber man soll-te die Persistenz dieser Großwetterlage nicht überschätzen. Politiker wenden sich

auf Zuruf neuen Fragen zu und Verwal-tungspolitik war bekanntlich seit Gene-rationen bestenfalls Zweiter auf den Auf-merksamkeitslisten. Projekte können auch erfolgreich scheitern, so dass alle Beteilig-ten ihr Gesicht wahren, die ursprünglich verfolgten Intentionen aber nicht mehr erreicht werden.

Auf den Druck aus Brüssel sollte man sich nicht zu sehr verlassen, zumal diese Ebene aus Wettbewerbsgründen in gera-dezu schizophrener Weise Hürden für die reibungslose Zusammenarbeit in einer vernetzten Verwaltung aufbaut. Wie stark ist dieser Druck? Welche Mitgliedstaaten haben ihn aufgebaut? Wie wirkt er im Machtspiel zwischen Kommission einer-seits und großen, mittleren und kleinen Mitgliedstaaten andererseits? Der Hebel, an dem die Kommission sitzt, erscheint auf den ersten Blick nicht sehr stark. Die Richtlinie kennt zahlreiche Ausnahmen, so gilt sie nicht für Gesundheitsdienste, Finanzdienstleistungen, Leiharbeit, Steu-erberatung, Verkehr und einige mehr. Und im Bewusstsein der meisten Dienst-

leistungsbetriebe ist das Ausland weit weg, abgesehen von Grenzregionen. „All business is local“ gilt hier in besonderer Weise und das wird sich auch so schnell nicht ändern. Die Sprachbarrieren kom-men hinzu. Auf einen der vielgenannten portugiesischen Fliesenleger kommen hunderte Dienstleister aus der heimischen Wirtschaft. So ist es nur konsequent, alle Adressaten von den Diensten eines ein-heitlichen Ansprechpartners profitieren zu lassen, also auch die heimische Wirtschaft und warum nicht auch die Bürger. Aber das ist dann eine nationale Entscheidung und sie wird in Europa sehr unterschied-lich ausfallen. Man könnte also sagen, dass die nationalen Nebeneffekte einer

Umsetzung der Richtlinie viel stärker wie-gen als ihre Bedeutung für die Öffnung des Binnenmarkts.

Auf der nationalen Ebene ist es für Deutschland ein gutes Zeichen, dass in diesem Jahr mehrere Kongresse mit den Themen „One-Stop-Government“, „Al-les aus einer Hand“ stattgefunden haben. Aber wie wirkt deren Botschaft über die engeren Fachkreise hinaus? Laufen die Befürworter des One-Stop-Government nicht Gefahr, ihren Rückhalt zu über-schätzen und dann zu viel auf einmal zu wollen? Und leider mehren sich die An-zeichen, dass sich in der nationalen E-Go-vernment-Gesamtstrategie24 andere Fragen wie z.B. „Web 2.0“ und Identitätsmanage-ment nach vorn drängen. Diese sind einem technikzentrierten Denken vertrauter und sie bereiten geringeren organisatorischen Umstellungsaufwand.

Das „Gewusst wie“ und damit das Ge-spür für die Umrisse tragfähiger Lösungen bezeichnet weitere Engpässe. Denn dieses Wissen steckt nicht in gleicher Form in al-

»Ohne vorbildliches Handeln in den Spitzenpositionen, ohne offene Information der Beteiligten, ohne Rückkopplung mit ihrer Sichtweise gerät jede Umstellung schnell in ein schwieriges Fahrwasser.«

24 Hill 2008.

25 Schuppan 2009.

len Köpfen. Prozessorientiertes Denken ist neu und gewöhnungsbedürftig, nicht nur im öffentlichen Sektor. Erst wenn die ver-netzte Verwaltung der Zukunft vor dem geistigen Auge der Praxis steht, steigen die Chancen der erfolgreichen Umsetzung. Es ist verständlich, dass die Verwaltungspra-xis von ihren institutionellen Basislagern her denkt und agiert und es erst allmäh-lich lernt, prozessorientiert statt aufbau-orientiert zu denken. Hier zeigen sich aber schon schnelle Lernprozesse, die in Aus- und Fortbildung noch stärker unterstützt werden sollten.25 Weniger verständlich ist das Zögern von Teilen der Verwaltungs-wissenschaft, sich hier zu engagieren.

Hinzu kommen die „gewöhnlichen“ Probleme des Change Managements. Die menschliche Bereitschaft zur Hinnahme von Veränderungen wird oft überschätzt. Ohne vorbildliches Handeln in den Spit-zenpositionen, ohne offene Information der Beteiligten, ohne Rückkopplung mit ihrer Sichtweise gerät jede Umstellung schnell in ein schwieriges Fahrwasser.

Für das Umgehen mit diesen „gewöhn-lichen“ Problemen ist es günstig, wenn Projektverantwortliche es gelernt haben, in unterschiedlichen Perspektiven gleich-zeitig zu denken. So muss die Perspekti-ve des Projektmanagements mindestens ergänzt werden um eine kulturelle Per-spektive, um Denkweisen und kulturelle Voraussetzungen bei den Gruppen von am Umstellungsprozess Beteiligten zu erfas-sen.

Das alles wissen erfahrene Berater schon seit langem. Statt weiterer Aus-führungen soll daher ein Berater zu Wort kommen, der das Geschäft gut kannte: Heribert Huber, ehemals bei Diebold in Wien. In einem Vortrag mit dem Titel „Die Informatik als Lokomotive für eine prozessorientierte Verwaltung“ führte er schon vor 15 Jahren aus:

„An der Sinnhaftigkeit einer prozeßori-entierten Organisation der Öffentlichen Verwaltung zweifelt heute kaum noch jemand. Jahrzehntelange Erfahrungen zeigen aber, daß bei solchen Vorhaben

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»Verwaltungen müssen sich in ihr Gegenüber hineindenken, sie müssen sich die Kundenbrille aufsetzen und ihr eigenes Angebot von der anderen Seite her betrachten, um es richtig zu positionieren.«

ein hoher Prozentsatz der eingesetzten Energie verloren geht – und die Projek-te auf der Strecke bleiben. Offensicht-lich überwiegen die Ereignisse, welche Impulse für die vertikale Ausrichtung der Organisation setzen, bei weitem. ...Nicht nur das Ziel muss attraktiv sein, sondern auch der Weg dorthin. Eine verstärkt prozeßorientierte Aus-richtung der Verwaltung birgt nämlich die Gefahr in sich, dass die Betroffe-nen lange darüber im Unklaren blei-ben, was dabei herauskommen wird. ... Den...Betroffenen muss die Sicherheit

vermittelt werden, dass sie auch im schwierigen Gelände sicher an ein er-strebenswertes Ziel kommen.“26.

Am wichtigsten ist aber eine Leitlinie, die Huber in einem anderen Vortrag formu-lierte27:

„Eine schlichte, aber wirksame Leitli-nie: Potentiale durch IT-Einsatz können nur ausgeschöpft werden, wenn sich die Projektträger so verhalten wie ein Autofahrer, der beim Reifenwechsel ein Rad zu seinem Fahrzeug rollt. Er muss mit der richtigen Stärke und Frequenz Abweichungen von der ge-wünschten Laufrichtung erkennen und nachsteuern, aber auch bis zum Ende seines Weges konsequent und nachhal-tig Energie zuführen.“

Neue Akteure im Implementationsgeschehen

Angesichts der Laufzeit vieler Projek-te und des erheblichen Zeitbedarfs für durchgreifenden Wandel wird gerade die-ses ständige Zuführen von Energie in die Umstellungsprozesse nicht immer beher-

zigt. Unterschätzt wird oftmals, dass die Projektphasen „Implementation“ und „Überführung in den Alltag“ viel län-ger dauern als die konzeptionelle Phase. In jeder Projektphase treten zudem neue Akteure auf den Plan, mit eigenen Vor-stellungen und Wünschen.28 Wenn es an die Phase der technischen und vor allem organisatorischen Implementation geht, sind neue Akteure aus der IT-Branche, aus der Politik, aus den Back Offices und von den Arbeitnehmervertretungen mit dabei. Gut studieren ließen sich – wenn es hier eine geeignete Begleitforschung gäbe –

die daraus resultierende Komplexität und das Akteursgeflecht an dem einschlägigen Deutschland-Online-Projekt „Dienstleis-tungs richtlinie“, das als Großprojekt ge-wissermaßen vor die Klammer der ein-zelnen Umsetzungsbemühungen gezogen wurde. Neu eintretende Akteure, die mit der technischen und organisatorischen Umsetzung beauftragt sind, können noch in der Umsetzungsphase Verfeinerungen in ein solches Projekt hineintragen. Das mag sinnvoll sein, könnte aber auch die Um-setzungschancen vermindern. Ein Beispiel sind hochgesteckte Sicherheitsanforde-rungen und die Wünsche, anspruchsvolle Authentisierungsverfahren über elektro-nische Signaturen zu verwirklichen. Oft sind Allianzen mit solchen Akteuren erfor-derlich, da ihre Fachkenntnis gebraucht wird. Aber die Gefahren sollten gesehen werden.

Weitere Akteure werden in die orga-nisatorische Umsetzung in Ländern und Kommunen einbezogen. Wenn sie von der Sinnhaftigkeit des jeweiligen Projekts nicht überzeugt sind, können sie nicht nur bremsend wirken, sondern das Vorhaben gar zum Scheitern bringen. Die zahllosen

Missverständnisse über die Rolle des ein-heitlichen Ansprechpartners, selbst bei wohlgesonnenen Akteuren, sollten zu den-ken geben. Wer es nicht gewohnt ist, in Prozessen zu denken, sondern sich an das aufbauorganisatorische Erscheinungsbild klammert, wird die künftige Wirklichkeit anders konstruieren als Akteure, die sich in virtuelle Unternehmensstrukturen hi-neindenken können. Ihnen fällt es nicht leicht sich vorzustellen, dass einzelne Mo-dule eines Geschäftsprozesses von der be-arbeitenden Instanz ausgelagert werden können, z.B. auf private Zulieferer oder auf den einheitlichen Ansprechpartner, ohne dass der bearbeitenden Instanz da-mit irgendetwas an Zuständigkeit verloren geht oder gar der hoheitliche Charakter ihrer Tätigkeit in Zweifel gezogen wird.

Diffuser Aufwand für die Routinisierung

Besonders kritisch entwickeln sich viele Transformationsprozesse in ihrer letzten Phase, dem Einsickern in die tägliche Pra-xis. Leitende Akteure lehnen sich zurück oder feiern den Erfolg. Aber kann es ge-lingen, ein Organisationskonzept einfach als Angebot in die Landschaft zu stellen, ohne zu wissen, wie die Nachfrage der „Kunden“ nach Verwaltungsleistungen aussieht? Die Dienstleistungsrichtlinie scheint eine solche Angebotspolitik zu implizieren. Aber ein wichtiger und auf-strebender Zweig der Betriebswirtschafts-lehre, das Dienstleistungsmarketing, lehrt uns Anderes. Verwaltungen müssen sich in ihr Gegenüber hineindenken, sie müs-sen sich die Kundenbrille aufsetzen und ihr eigenes Angebot von der anderen Seite her betrachten, um es richtig zu positio-nieren. Selbst bei gelungener Umsetzung ist nicht sicher, ob die Idee des One-Stop-Government in der Routinisierungsphase einzelner Leitprojekte nicht empfindliche Rückschläge erleidet. So könnte es sein, dass die Kunden ausbleiben, weil ihnen der Weg über die mühsam aufgebauten „einheitlichen“, aber voraussichtlich nur selten mehrsprachigen Ansprechpartner wenig Nutzen verspricht.

26 Huber 1994.

27 Huber 1996.

28 Brüggemeier u.a. 2005.

Lenk, Organisationsänderung durch Wegsehen

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Der Umstellungsaufwand endet mithin nicht mit der gelungenen Einführung. Die Nachfrage nach Leistungen der einheitli-chen Ansprechpartner muss laufend eva-luiert und gefördert werden. Das setzt auf viele Jahre eine nicht nachlassende An-strengung, politische Unterstützung und Finanzierung voraus.

Weil ihr Erfolg aus heutiger Sicht frag-lich ist, sollten daher die ersten Schritte so unternommen werden, dass möglichst vie-le Akteure, nicht zuletzt bei den Beschäf-tigten in der Verwaltung selbst, den Sinn der Umorganisationen einsehen können und sie befürworten. In Aus- und Fortbil-dung muss dies vermittelt werden.29 Für das Gelingen von One-Stop-Government sind die mentalen Veränderungsprozes-se in der Verwaltung selbst entscheidend, auch wenn sich herausstellen sollte, dass bestimmte Lösungswege im ersten Zu-griff noch nicht allzu viel bewirken. Die Investition in die Köpfe ist in keinem Fall verloren. Auch dies spricht dafür, dass die Einrichtung einheitlicher Ansprechpartner, ebenso wie auch das Projekt eines natio-nalen Call Center (Telefonnummer 115 für Deutschland) nicht überladen und le-diglich als Etappe auf dem Weg zum One-Stop-Government betrachtet werden soll-te.

Breites Experimentieren sollte gerade in den späten Phasen ermutigt werden. Man sollte offen bleiben für Verände-rungen, die sich während der Umstellung und anschließend ergeben mögen. Dar-aus können interessante Innovationen im Detail entstehen, welche die Umsetzung von One-Stop-Government insgesamt vo-ranbringen; die Wissenschaft spricht von Opportunity-based Change30.

Resümee

One-Stop-Government bringt lang-fristig erheblichen Nutzen, vor allem in Hinblick auf Bürokratieabbau. Ob-wohl es im weltweiten Trend von „Con-nected Governance“31 und „Joined-up Government“32 liegt, sollte es in seiner Tragweite aber nicht überschätzt werden. Es blickt von außen auf die öffentliche Verwaltung und ergreift nicht deren ge-samte Tätigkeit. Seine möglichen Organi-sationsformen sind noch nicht voll ausge-lotet. Insbesondere der Grad der Vernet-

zung aller Verwaltungszweige und -ebenen muss am organisatorisch und menschlich Sinnvollen ausgerichtet werden, die tech-nischen Möglichkeiten nutzend, aber dem Druck zu ihrer Ausschöpfung wenn nötig auch widerstehend.

Der Aufwand für Umsetzung und Überführung in den Alltag der Verwaltung ist sehr hoch, so dass der Erfolg eines ein-zelnen Schrittes auf dem Spiel steht. Ers-te Schritte sollten daher behutsam unter-nommen werden, ohne zuviel auf einmal erreichen zu wollen. Synergien sind zu suchen. Vor allem darf nicht nur ein An-gebot in die Landschaft gestellt werden. Die Nachfrage nach Leistungen der ein-heitlichen Ansprechpartner muss laufend evaluiert und gefördert werden. Und For-men vernetzten Lernens müssen für stetige Weiterentwicklung der Praxis sorgen. Nur ein breites Experimentieren mit unter-schiedlichen Lösungen des „einheitlichen Ansprechpartners“ kann Gewähr dafür bieten, dass uns der Impuls der Dienstleis-tungsrichtlinie tatsächlich auf dem Weg zu einem One-Stop-Government voran bringt.

Werden die organisatorischen und personellen Aspekte des One-Stop-Go-vernment genügend bedacht, dann kann erwartet werden, dass in Deutschland er-folgreicher agiert wird als in vielen ande-ren Staaten, in denen eine Bewältigungs-haltung vorherrscht.

Literaturverzeichnis

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VM 5/2009 249

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Lenk, Organisationsänderung durch Wegsehen

Schriften zum Migrationsrecht

Der Schutz sozialer Bindungen von AusländernEine Untersuchung zu Artikel 8 EMRKVon ORR Dr. Falk Fritzsch2009, Band 2, 246 S., brosch., 56,– €, ISBN 978-3-8329-4975-4Erscheint ca. Oktober 2009

Die Bedeutung des Schutzes der sozialen Bindungen (Verwurzelung) von Ausländern durch Art. 8 EMRK hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Der Autor begründet die Begrenzung des Schutzes auf rechtmäßige Auf-enthalte und führt damit die vom EGMR bisher offen gelassene Frage einer Lösung zu.

Nach der umfassenden Erörterung des Verhältnisses von EMRK und inner-staatlichem Recht bezieht der Verfasser zur Verdeutlichung der Interessen-lage zwischen dem Ausländer und der staatlichen Souveränität des Ver-tragsstaates die Kantsche Unterscheidung zwischen Besuchs- und Gastrecht in die Auslegung des Art. 8 I EMRK ein. Das Ergebnis der Auslegung wird anhand von einzelnen praktisch relevanten Fallgruppen erläutert.

Zusätzlich gibt er einen Überblick über die sich aus Art. 8 EMRK in aufent-haltsrechtlicher Hinsicht ergebenden Rechtsfolgen und nimmt hierbei auch die Vorschriften des deutschen Aufenthaltsgesetzes und aktuelle Entwick-lungen der Rechtsprechung in den Blick.

Abschließend empfiehlt der Autor, die derzeit bestehende Unsicherheit mittels einer Auslegungsvereinbarung der Vertragsstaaten zu beseitigen.

Bitte bestellen Sie im Buchhandel oder versandkostenfrei unter www.nomos-shop.de

Der Schutz sozialer Bindungen von Ausländern

Falk Fritzsch

Schriften zum Migrationsrecht

Eine Untersuchung zu Artikel 8 EMRK

Nomos

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Verwaltung und Management15. Jg. (2009), Heft 5, S. 251-260

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Dr. Thomas FaustBetriebswirt und Sozialökonom (Schwerpunkt Verwaltungswissenschaft),FernUniversität in Hagen.

Lange galt der aktive, gestaltende Rechts- und Wohlfahrtsstaat als Idealbild bezüglich öffentlicher Aufgabenerfüllung. Doch etwa seit der Jahrtausendwende hat der Kooperation anstrebende, aktivierende Staat die Funktion einer solchen Leitidee übernommen.Aktuell kommen indes Diskussionen auf, ob im aktivierenden Staat fak-tisch nicht bereits andere, teils fragwürdige Ideen auf dem Vormarsch sind. So verweisen Kritiker etwa auf neuartige Formen des Lobbyings, durch welche u.a. Ministerialverwaltungen „aktiviert“ werden. An ge-sichts dieser neuen Herausforderungen plädiert der Beitrag für konzer-tierte Problemlösungen – und für eine explizite Verwaltungsethik.

Vom aktivierenden zum aktivierten Staat?

Thomas Faust

Merkmale des aktivierenden Staats

Die Idee des aktivierenden Staats hat sich innerhalb vieler, separierter Diskurse in Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Ge-sellschaft verbreitet.1 So ist Manches an dieser Konzeption nach wie vor schillernd und ein Gegenstand von Kontroversen. In einer holzschnittartigen Betrachtung kön-nen jedoch einige Hauptcharakteristika der Leitidee destilliert werden. So fokus-siert sie auf gesellschaftlich legitimierte Problemlösungen in einer strategisch-langfristigen Arbeits- und Verantwor-tungsteilung. Der aktivierende Staat trägt dabei prinzipiell (nur noch) eine Gewähr-leistungsverantwortung – statt einer Erfül-lungsverantwortung, wie es die Idee des aktiven Staats lange Zeit postuliert hatte. Das hierarchische Government des aktiven Staats wird durch eine diskursive Gover-nance substituiert – etwa bei Bürgerhaus-halten, wo prinzipiell eine Mitgestaltung in kommunalen Belangen ermöglicht ist.

Es liegt somit auf der Hand, dass die Idee des aktivierenden Staats durch den moralaffinen Kommunitarismus inspi-riert wurde. So orientiert sich die öffent-liche Meinung immer mehr an Kriterien der Moralität, Mitmenschlichkeit und Legitimität.7 Mit der Public Governance ist somit vor allem auch ein wertemäßi-ger Paradigmenwechsel verbunden. Die diskursiv-aktivierende Koordination stellt insbesondere auch für viele Bedienstete eine beachtliche (kulturelle) Herausforde-rung dar. Denn die gewohnte schriftlich-aktenmäßige Bürokratie wird oft durch die elektronische bzw. mündlich-informel-le Kommunikation substituiert. Und das kurzfristig-ergebnisorientierte NPM wird durch den langfristig-strategischen Fokus der Governance abgelöst.

Die vernetzten Akteure der Politik, Ver-waltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft begegnen sich nun grundsätzlich partner-schaftlich und auf Augenhöhe. Empirische Beispiele solcher Netzwerke finden sich bei Projekten im Naturschutz und in der Logistik (etwa bei der Erhebung von Au-tobahnmaut), bei Kooperationen im Ge-sundheitswesen sowie bei Sicherheits- und Ordnungspartnerschaften. Und Netzwerke haben sich zunehmend auch innerhalb des Public Sector gebildet: z. B. temporäre Ko-operationen öffentlich-rechtlicher Medien, kommunale Verbundrechenzentren und Shared Service Centers. Solche Verbindun-

Im Fokus des aktivierenden Staats stehen die Partizipation, die Koordinie-rung durch Soft law und Informationen2 sowie die Impacts und Outcomes des Handelns. Verbunden ist die Governance-Leitidee mit vertrauensvollen Kooperati-onen und Verhandlungen innerhalb von Netzwerkarrangements,3 die zusehends globale Ausmaße annehmen. Die Netz-werkpartner des Staats sind z. B. Vereine, Verbände, Wissenschaftsinstitutionen, Stif-tungen, supranationale Akteure, Bürgerin-itiativen und andere Non Governmental Organizations (NGOs). Kurz: Es wird ein Weniger an Staat und ein Mehr an Politik angestrebt.4

Das bürgerschaftliche Engagement wird vom Staat einerseits gefördert, aber andererseits auch explizit eingefordert.5 Der aktivierende Staat versteht sich nicht mehr als dominierendes Machtzentrum – wie dies etwa noch in der Ära des New Public Management (NPM) der Fall war. Und es steht nun nicht mehr die Idee eines großen Ganzen im Vordergrund – genau-so wenig wie der Fokus auf das einzelne Individuum gelegt ist. Sondern es geht nun, metaphorisch ausgedrückt, um den Blick auf das gemeinsame Lagerfeuer. So wird die gemeinschaftliche Problemlösung gegenüber einer liberal-individualistischen Perspektive, und das gemeinsame Gute wird gegenüber dem individuell Gerechten bevorzugt.6

1 Vgl. Blanke (2009), S. 115.

2 Vgl. Hill (2006b).

3 Governance wird hier also in einem engen Sinne verstanden; zu näheren Einzelheiten vgl. etwa Bogumil/ Jann (2009), S. 52.

4 Vgl. Jann (2006a) sowie Jann (2006b).

5 Vgl. Blanke et al. (2005) sowie Beck/ Stember (2008).

6 Vgl. Rosa (2006), S. 218.

7 Vgl. Schwan (2004), S. 36; so werden derzeit etwa – rechtlich einwandfreie – Fälle von Abfindungs- und Bonuszahlungen an Topmanager vor allem unter ethisch-moralischen Aspekten diskutiert.

Lobbying zwischen Korruption und Kooperation

gen münden aktuell immer öfter auch in fusionsartige Konstellationen, etwa den Public Merger.8 Aber auch das Mehrebe-nensystem der Europäischen Union kann als eine solche (formelle und informelle) Vernetzung rekonstruiert werden. Seit län-gerem sind beispielsweise die 16 Bundes-länder stetig im Umfeld der Berliner und Brüsseler Entscheidungsinstanzen präsent. So hatte mit dem Hanse Office der Bun-desländer Hamburg und Schleswig-Hol-stein bereits vor geraumer Zeit das erste Länder-Verbindungsbüro in Brüssel seine Pforten geöffnet.9

Auch in DV-technischer Hinsicht ist in letzter Zeit ein grundlegender Wandel festzustellen. Denn der aktivierende Staat fokussiert auf neue, partizipativ ausge-richtete Instrumentarien der Electronic Governance; dies oft unter Zuhilfenah-me innovativer, Teilhabe ermöglichender Web 2.0-Konzepte.10 Demzufolge sind als Personal im aktivierenden Staat vor allem (IT-)Networker, darüber hinaus aber auch Soziologen und Politikwissenschaftler gefragt. Multikulturalität und exzellen-te Fremdsprachenkenntnisse runden das Anforderungsprofil ab.11 So haben sich im Zuge der Governance offenkundig auch Änderungen in der Bildungslandschaft vollzogen. Denn hierzulande stagniert die Zahl der verwaltungswissenschaftlichen Lehrstühle an staatlichen Hochschulen.12 Und der Trend geht hin zur Gründung neuer, oft in bürgerschaftlicher bzw. pri-vatwirtschaftlicher Regie stehender Gover-nance-Schools – Gründungen, bei denen der Staat allenfalls noch als (Anschub-)Finanzierer gefragt ist.

Licht und Luft im aktivierenden Staat

In jüngerer Zeit werden die Implikationen des aktivierenden Staats zunehmend auch präskriptiv beleuchtet. So führen Befür-worter der Leitidee ins Feld, Public Go-vernance unterstütze die Fortentwicklung

und Innovation von Staat und Gesell-schaft. Denn der kommunitarische Gover-nance-Fokus hat offenbar die Sensibilität und Aktivität breiterer Gesellschaftskreise gefördert. So sind hierzulande laut Frei-willigensurvey 2004 immerhin rund 23 Millionen Menschen im Bereich bürger-schaftlicher Organisationen engagiert.

Und tatsächlich scheint eine politisch-gesellschaftliche Koordination unab-weisbar angesichts von Symptomen einer Überforderung des Staates. So wurde spä-testens seit den 1980er Jahren deutlich, dass Politik und Verwaltung mit Phäno-menen wachsender Komplexität nicht sel-ten überfordert sind.13 Beziehungspotenzi-ale im aktivierenden Staat können somit wertvolle Governance-Ressourcen gene-rieren, was im formellen Weisungsgang der Politik und Verwaltung nicht (mehr) fruchtet. Insbesondere die Schaffung und Vernetzung gesellschaftlicher Wissens-ressourcen wird als eine essenzielle Zu-kunftsaufgabe eingeschätzt.14 Demzufolge scheint tatsächlich die Aktivierung nicht-staatlicher Governance-Akteure angezeigt; beispielsweise können NGOs und Wissen-schaftsinstitutionen auf diese Weise ihr Know-how und ihre Expertise einbringen. Und in der Tat ist weitgehend unumstrit-ten, dass der Staat bereits seit einigen De-kaden dringend auf externes Fachwissen angewiesen ist.15

Herrschaftsfreie Governance-Diskurse sind prinzipiell also in der Lage, Koope-rationen und Win-Win-Konstellationen zu ermöglichen. Insoweit geht es vor allem um einen Tausch von Wissen und Informa-tionen, von dem alle Beteiligten profitie-ren.16 Angesprochen hierbei ist insbeson-dere die technische, rechtliche, wirtschaft-liche und wissenschaftliche Fachexpertise. Analog haben sich etwa Round Tables als geeignet zur Bewältigung schwieriger politisch-gesellschaftlicher Problemlagen erwiesen. Überhaupt wird eine Vielfalt an Korporationen und Interessengruppen

oft als Ausdruck einer lebendigen, bürger scha f t l i ch geprägten Demo-kratie gewertet. Die produktive Konkur-renz zwischen Ver-bänden, Meinungen und Einzelinteres-

sen kann im Ergebnis als ein Garant für Gemeinwohl fungieren.17 Diese Plurali-tät wird oft als geeignet angesehen, eine nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung zu unterstützen.18 Und immerhin sind die Meinungs- und die Koalitionsfreiheit durch die Artikel 5 bzw. 9 des Grundge-setzes garantiert.

Zudem verweisen Befürworter auf Möglichkeiten der behördenübergreifen-den Zusammenarbeit. Denn in solchen Public-Public-Netzwerken lassen sich oft wirkungsvolle Innovationsimpulse setzen – einige Praxisexempel wurden bereits angeführt. Und auch Wissenschaftsakteu-re vernetzen sich zusehends und erzielen dabei oft konzeptionelle, praxisbezogene Erkenntnisgewinne. Als empirisches Bei-spiel hierfür werden die Aktivitäten so genannter Think Tanks angeführt. Die-ser Begriff stammt ursprünglich aus dem Militärjargon und bezeichnet dort einen abgesicherten Raum, in dem Einsatzstra-tegien entworfen werden. Etwa seit den 1960er Jahren werden, insbesondere in den USA, auch politische bzw. zivilgesell-schaftliche (Wissenschafts-)Einrichtungen in diese Begrifflichkeit einbezogen.19 Ak-tuell nimmt weltweit die Zahl der Think Tanks rasch zu; allein in den USA wird sie mittlerweile auf über 1.000 geschätzt. Think Tanks verstehen sich selbst i. d. R.

VM 5/2009252

Faust, Vom aktivierenden zum aktivierten Staat?

8 Vgl. Huber/Priddat (2008) sowie Brendel (2008), S. 10 f.

9 Vgl. Stein (2007), S. 137 f.

10 Vgl. Löhr (2008), S. 39.

11 Vgl. Bogumil/Jann (2009), S. 301 sowie Schulz (2007), S. 21.

12 Vgl. Heiling (2008).

13 Vgl. Humborg (2005), S. 116.

14 Vgl. Priddat (2008) sowie Hohn et al. (2009), S. 17.

15 Vgl. Humborg (2005), S. 116.

16 Vgl. Dagger (2007), S. 15.

17 Vgl. Thurnherr (2000), Speth (2005) sowie von Alemann/ Eckert (2006), S. 4 f.

18 Vgl. Lösche (2007), S. 100 ff.

19 Vgl. Gehlen (2005), S. 20.

Abb. 1: Think Tanks zwischen Wissenschaft und Praxis Quelle: Wessels/Schäfer (2007), S. 200.

als gemeinwohlorientierte Einrichtungen, die verfügbares Fachwissen für den poli-tischen Betrieb aufbereiten und es durch eigene Arbeiten ergänzen; regelmäßig be-steht ihre Zielsetzung darin, das Niveau öffentlicher Debatten zu heben, der Politik Orientierung zu geben und zu aufgeklär-ten Lösungen gesellschaftlicher Proble-me beizutragen.20 Abb. 1 veranschaulicht diese Mittlerfunktion von Think Tanks zwischen der akademischen Welt und der praktischen Politik.

Nicht zuletzt argumentieren Gover-nance-Befürworter, gerade der internatio-nale, diskursive Fokus des aktivierenden Staats passe zu der Erschließung neuer, zu-nehmend globaler (Wissens-)Ressourcen. Die innovative Electronic Governance und beschleunigte Interaktionen via Web 2.0 können die Effektivität und Durchsich-tigkeit der Diskurse fördern; dies etwa innerhalb von Blogs, Wikis und Diskussi-onsforen im Internet.21 So betrachtet kann gewissermaßen „frische Luft“ in die Insti-tutionen hinein geholt werden – eine Basis für wirksame, gemeinschaftlich getragene Innovationen.

Faust, Vom aktivierenden zum aktivierten Staat?

Auf dem Weg zum aktivierten Staat?

Aber es mehren sich Stimmen, die auf Schattenseiten der Idee des aktivierenden Staats hinweisen – etwa bezüglich der gravierenden öffentlichen Haushaltspro-bleme, die im Rahmen der Governance-Diskurse marginalisiert werden.22 Und auch die klassische Forderung, dass Auf-gabe, Kompetenz und Verantwortung in einer Hand liegen sollten, findet in der abstrakten, multilateralen Governance wenig Widerhall.23 Im Gegenteil: es droht eine problematische Diffusion von Ver-antwortlichkeit. Und paradoxerweise will der aktivierende Staat komplexe Probleme offenbar durch eine weitere Komplexitäts-steigerung lösen.

Insbesondere werden manche Interes-senkoordinationsprozesse und (Politik-)Beratungsaktivitäten zunehmend kritisch betrachtet. Bei solchen Konstellationen sind staatliche Akteure regelmäßig mit Lobbyisten unterschiedlichster Provenienz vernetzt. Der Begriff „Lobby“ stammt ab vom lateinischen labium, und dies bezeich-net eine Vor- bzw. Wandelhalle wie sie in

Parlamentsgebäuden üblich ist. Lobbying entzieht sich einer allgemein anerkannten Definition; oft wird die systematische Ein-flussnahme von wirtschaftlichen, gesell-schaftlichen, sozialen oder auch kulturel-len Interessengruppen auf den politischen Entscheidungsprozess subsumiert.24 Und Lobbyismus ist keineswegs ein neues Phä-nomen: Einige Prominenz erreichte bereits im 16. Jahrhundert die Central Lobby der britischen Houses of Parliament. Denn dort wurden die Parlamentarier beider Kammern, die diese Wandelhalle durch-queren mussten, zwecks Kontakt- und Ge-sprächsanbahnung abgepasst.25 Und dies war eine Domäne der Vertreter bestimm-ter Interessengruppen – also Akteuren, die das Verhalten Anderer im Sinne spezifi-scher politischer Zielsetzungen zu beein-flussen versuchten.26

Eine Lobby ist prinzipiell ein exklu-siver, nicht-öffentlicher Raum; dennoch taucht diese Metaphorik im Kontext des aktivierenden Staats zunehmend auf.27 Denn neben den einschlägigen Interessen-verbänden agieren aktuell z. B. auch Kom-munikationsagenturen, Anwaltssozietäten, Think Tanks, professionelle (Politik-)Be-rater und viele Großunternehmen auch in eigener Regie.28 So bewegt sich mittlerwei-le eine stattliche Zahl an Lobbyisten im Umfeld des Deutschen Bundestags, wobei schätzungsweise ca. 70 % hiervon wirt-schaftliche Interessen verfolgen.29 Und ein besonders virulentes Thema ist das Lobby-ing in Brüssel, Straßburg und Luxemburg. Denn immer mehr politische Verantwor-tung hat sich in den letzten Jahrzehnten auf die europäische Ebene verlagert, und viele der hier verabschiedeten Gesetze strahlen direkt auf die EU-Mitgliedsstaa-ten aus.30 So verwundert es kaum, dass

VM 5/2009 253

20 Vgl. Gehlen (2005), S. 353.

21 Vgl. Löhr (2009), S. 38 sowie Faust (2008), S. 247.

22 Vgl. Budäus (2006).

23 Vgl. Hill (2006b).

24 Vgl. von Alemann/ Eckert (2006), S. 4 sowie Lösche (2007).

25 Vgl. Galbraith (2007), S. 165.

26 Vgl. Kraft (2006), S. 11.

27 Vgl. von Arnim (2005).

28 Vgl. Speth (2005) sowie von Arnim (2005).

29 Vgl. Riss (2007), S. 124; zum Problem einer exakten Quantifizierung vgl. etwa Koch-Mehrin (2007), S. 35.

30 Stellvertretend für viele vgl. Stein (2007), Schulz (2007) sowie Lösche (2007).

Art der InteressenvertretungAnzahl

1990 1995 2000 2005

Unternehmensvertretungen 189 329 349 303

Europäische Dachverbände 527 632 704 827

Gemeinnützige Interessengruppen 147 187 267 426

Handelskammern 19 34 29 30

Nationale Arbeitgeber-/Industrieverbände 19 22 33 36

Think Tanks 5 14 27 71

Gewerkschaften 15 20 27 21

Auf EG/EU spezialisierte Anwaltskanzleien 87 159 145 117

Politikberatungen 56 85 91

Wirtschafts-/Managementberatungen 15 39 39 148

PR-Beratungen 14 18 14

Nationale Interessenverbände 177 109 126 127

Presseagenturen 40 48 49 40

Medienvertretungen 419 358 313 346

Regionalvertretungen 48 106 165 197

Vertretungen von Drittstaaten 177 177 186 154

Gesamt 1.954 2.337 2.564 2.843

Abb. 2: Politisch relevante Mitspieler auf der EU-Ebene, 1990 bis 2005 (Auszug) Quelle: Wessels/ Schäfer (2007), S. 206

»Unter diesen Vorzeichen ist die Gemeinwohl-Orientierung von Politik- und Diskursakteuren zumindest anzuzweifeln.«

die Zahl und Vielfalt politischer Player im Umfeld der Europäischen Union rasch wachsen; einen Überblick über die zuneh-mende Pluralität von Interessenvertretern zeigt Abb. 2.

Kritiker führen an, der aktivierende Staat laufe durch die zunehmenden Ver-netzungen und Außenkontakte Gefahr, das Heft aus der Hand zu geben. Denn er verliere dabei (zu) viel Wissen und Ein-fluss an die Lobbyisten. Vor diesem Hin-tergrund droht die öffentliche Hand in die Rolle eines fremdgesteuerten, „aktivier-ten“ Staats abzugleiten. So warnte Niklas Luhmann bereits Mitte der 1990er Jahre vor Entwicklungen, die zu dubiosen Kon-takt- und Reziprozitätsstrukturen füh-ren.31 Fragwürdige Formen des Lobbyings tragen ähnliche Züge wie Korruption, die ebenfalls auf ein reziprokes Win-Win un-ter den Tauschpartnern abzielt. Und ana-log versteht die Systemtheorie korruptiven Lobbyismus als ein verborgenes Netzwerk, das wesentlich auf reziproken Diensten beruht. Dabei erfolgt ein kommunikativ induzierter Missbrauch für einen fremden Kontext, wodurch eine fremde Funktions-logik in einer Organisation Platz greift.32 Ein Beispiel hierfür sind Behörden, die mit systemfremden Einflüssen in Kontakt kommen und daraufhin mit ihrer ange-stammten rechtlichen Funktionslogik bre-chen.

So merken kritische Stimmen an, dass tatsächlich die Zahl der Fälle größer geworden ist, der zumindest der Beige-schmack korruptiven Lobbyings anhaf-tet.33 Analog zur gesellschaftlichen Vielfalt findet offenbar eine durchgreifende Plura-lisierung und Beschleunigung des Lobby-ings statt.34 Aus Netzwerken werden allzu oft unheilvolle Verstrickungen und Seil-schaften, in denen teilweise gar mit poli-tischer Pression gearbeitet wird. Dieser Art des Lobbyismus wird zuweilen bereits die fragwürdige Funktion einer Fünften Staatsgewalt attestiert.35 Und es wird da-rauf hingewiesen, dass empirische Auswir-kungen des Political Turn aktuell auch im Global Corruption Barometer36 ablesbar seien. Denn bei der Wahrnehmung von Bestechungen liegen Parlamente und po-litische Parteien nicht nur in Westeuropa, sondern auch weltweit auf vordersten Rängen.

Unter diesen Vorzeichen ist die Ge-meinwohl-Orientierung von Politik- und Diskursakteuren zumindest anzuzweifeln. Für diejenigen, die sich zum einen auf um-sichtiges Informationsmanagement, zum anderen auf verborgenes Agenda Setting verstehen, hat sich im angelsächsischen Raum der Begriff „Spin Doctor” einge-bürgert. Diese Akteure sind häufig nur mit unzureichender Handlungslegitimation ausgestattet.37 Die Beeinflussungen, so Be-obachter, nehmen zunehmend diffuse, län-gerfristige Formen an: Patronage, Rent-seeking und die Inaussichtnahme von Post Public Employment sind hier als Beispiele zu nennen. Und es nehmen – so Kritiker – Ränkespiele, unauffälliges Agenda Set-ting und Händel brisanter Informationen einen ungeahnten Aufschwung. Neben po-litischer Unterstützung und der langfristi-

gen Aussicht auf Vorteile spielen vor allem der Wissens- und Informationserwerb eine entscheidende Rolle.38 Oft steht hierbei nicht der unmittelbare monetäre Erfolg im Fokus – vor allem der Erwerb und die Er-haltung „weicher“ Faktoren wie Prestige und Reputation ist ausschlaggebend.

Auf diese Weise öffnen sich mit dem Political Turn zum aktivierenden Staat Türen, die zu ungerechtfertigten Privile-gien hinführen. In den Zirkeln exklusiver Kommunikation droht damit eine ähn-liche Günstlingswirtschaft wie an den Fürstenhöfen des 17. und 18. Jahrhun-derts. Wegen schlechter Nachweisbarkeit

und geänderter Machtkonstellationen ist die politisch-systemische Unterwande-rung nur schwer sanktionierbar. Als eine Hauptursache hierfür führt Luhmann an, solche Netzwerke seien in der Lage, sich permanent selbst zu stabilisieren.39 Und innerhalb eines derart „aktivierten“ Staats sind, wie angedeutet, Schmiergelder offen-bar auf dem Rückzug. Dies belegen etwa aktuelle Trends aus den USA, wo monetä-re Bestechungen zudem mit drakonischen Strafen belegt sind.40

In einer Längsschnittbetrachtung ist somit ein frappierender Wandel zu kons-tatieren: In früheren Zeiten wurde poli-tischer Einfluss ausgeübt, indem auf auf-wändige Weise einige, wenige Interessen-verbände bemüht wurden. Aktuell jedoch sind diese simpel strukturierten Informa-

tionsströme zu multilateralen, netzwerk-förmigen Tauschbeziehungen mutiert. Verschärft wird diese Problematik durch Missbrauchsgefahren innerhalb der global und in Echtzeit vernetzten IT-Architektu-ren. Beispielsweise werden immer mehr fragwürdige (politische) Kampagnen via Blogs und Mailings im Internet lanciert. Und zudem wachsen weltweit die Begehr-lichkeiten, Zugriff auf Datenbanksysteme mit vertraulichen Inhalten zu erlangen.41

Beobachter konstatieren, dass außer-dem das Lobbying innerhalb des Public Sector zunimmt – beispielsweise im Um-feld von EU-Institutionen. Zwar haben

Faust, Vom aktivierenden zum aktivierten Staat?

VM 5/2009254

31 Vgl. Luhmann (1995).

32 Vgl. Hiller (2005).

33 Vgl. Humborg (2005), S. 116.

34 Vgl. Woll (2006), S. 33.

35 Vgl. Leif/Speth (2006).

36 Vgl. Transparency International (2009).

37 Vgl. Mayntz (2008).

38 Vgl. Humborg (2005), S. 124 f.

39 Vgl. Luhmann (1995).

40 Vgl. Leyendecker (2009); in diesem Kontext be-zeichnend sind die drastischen Geldstrafen, die jüngst in den USA gegen einen korruptionsauf-fälligen deutschen Elektrokonzern verhängt wur-den.

41 Insoweit ist aktuell etwa das S.W.I.F.T.-Netzwerk einschlägig; hier ist ein bedeutender Teil der welt-weiten Transaktionen auf Bankkonten abgebil-det.

etwa viele öffentlich-rechtliche Körper-schaften in Brüssel lediglich einen infor-mellen Status inne, ähnlich wie beispiels-weise Initiativ- und Interessengruppen. Gleichwohl sind etwa zunehmend auch Städte und Gemeinden in Brüssel prä-sent42 – entweder über ihre Verbände oder einige Großstädte und (Metropol-)Regi-onen auch in eigener Regie.43 So ist etwa das Europabüro des Deutschen Städte- und Gemeindebundes seit dem Jahr 2002 in Brüssel installiert. Es hat die Aufgabe der „gehobenen“ Information über die Vorhaben der Europäischen Union sowie insbesondere auch deren direkte Beein-flussung.44

Zwischenfazit: Einerseits kann der akti-vierende Staat Positivwirkungen wie Kon-sultation, Pluralisierung und Wissenstrans-fer ermöglichen. Andererseits drohen aber eine Reihe problematischer Konsequenzen – etwa der Missbrauch vernetzter Daten-welten und der korruptive Lobbyismus. Generell jedoch erscheint Lobbying, etwa im Gegensatz zu einer monetären Beste-chung, in einer pluralen Gesellschaft zu-mindest als teilweise legitim.45 In diesem Sinne zeigt Abb. 3 die spannungsgelade-ne Ambivalenz sowie die unerforschten Grenzbereiche zwischen dem legitimen und dem illegitimen Lobbying.

Lobbyismus in der (Ministerial-)Verwaltung

Ferner weisen Kritiker darauf hin, dass in den neuen, pluralisierten Lobbyismus nicht nur Politiker und Parlamentarier in-volviert sind. Sondern zunehmend werden auch (Ministerial-)Bedienstete ins Visier genommen und somit ebenfalls auf spezi-fische Weise „aktiviert“. Ausgangspunkt ist insoweit die Überlegung, dass in Minis-terialreferaten gefertigte Gesetzentwürfe

von den Parlamenten oft ohne substan-zielle Änderungen verabschiedet werden.46 So sind Lobby-Aktivitäten offenbar im-mer dann besonders erfolgversprechend, wenn bereits im Frühstadium von Gesetz-gebungsverfahren angesetzt wird.47 Folge-richtig streben viele Lobbyisten danach, direkten Einfluss auf Ministerialverwal-tungen zu gewinnen. Dies zeigten jüngst Enthüllungen eines Politikmagazins der ARD:48 Verschiedene Bundesministerien hatten ein Personalaustauschprogramm in Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft initiiert. Denn durch einen Erfahrungs-austausch sollten Lern- und Personalent-wicklungseffekte auf beiden Seiten gene-riert werden. Es zeigte sich indes, dass das Interesse von Bediensteten eher begrenzt war, temporär in die Privatwirtschaft zu wechseln. Doch umgekehrt war das Be-streben der Finanz- und Industriekonzerne beträchtlich, unmittelbaren Einblick in die Ministerien zu erhalten.49 Kritiker mer-ken an, dass die Unternehmensmitarbeiter temporär zu einer besonderen Spezies von „Leihbeamten“ mutierten. Denn teilweise wurde ihnen in den Ministerien sogar ge-stattet, Leitungsvorlagen zu erstellen bzw. aktiv an Gesetzesvorhaben des jeweiligen Interessen- und Lobbygebiets mitzuwir-ken.50 Hierin wird ein typisches Beispiel gesehen, wie die rechtliche Funktionslogik im Zuge einer Netzwerkbildung untergra-

ben werden kann. Klug organisierte und vernetzte In-teressen können somit eine illegi-time Vorrangstel-lung gewinnen. Und was unzurei-chend organisiert ist, bleibt daher weitgehend un-berücksichtigt – etwa die Interes-

sen zukünftiger Generationen. So können sich zumeist nur die speziellen, nicht aber die allgemeinen Interessen einer Lobby si-cher sein.51 Die Vielfalt der spezifischen, eigennützigen Zielsetzungen wird daher zunehmend kritisch gesehen, denn oft geht es um

günstigere Wettbewerbsbedingungen, eine moderatere Wirtschaftspolitik durch eine Lockerung staatlicher Regu-lierungen,Informationsvorteile gegenüber Kon- kurrenten sowiebessere Rahmenumstände für Auftrag- nehmer der öffentlichen Hand.52

Mahnende Stimmen weisen darauf hin, dass fragwürdige Beeinflussungen auf die-se Weise den Status von Rechtsnormen er-reichen können. Und in der Folge bleiben den Lobbyisten oft aufwändige, einzelfall-orientierte Einflussnahmen erspart. Mög-licherweise ist dies u. a. durch ein Kalkül hinsichtlich der anfallenden Transaktions-kosten begründet. Denn die Institutionen-ökonomik lehrt, dass stetige „kleine“ Be-einflussungsaktivitäten sowohl riskant als auch auf Dauer sehr transaktionskosten-trächtig sein können.53 Aber auch (Minis-terial-)Verwaltungen haben möglicherwei-se eine unheilvolle Lehre aus den Kalkülen der Ökonomik gezogen. Denn die Trans-aktionskosten bei Eigenerstellung juristi-

Faust, Vom aktivierenden zum aktivierten Staat?

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42 Vgl. Nutzenberger (2007), S. 146.

43 Vgl. Langguth (2007), S. 186.

44 Vgl. Nutzenberger (2007), S. 146 f.

45 Vgl. Eckert (2005), S. 284.

46 Vgl. Eckert (2005), S. 279 sowie von Alemann/ Eckert (2006), S. 5.

47 Vgl. Lösche (2007).

48 Der Bundesrechnungshof stellte analog in seinem Bericht „Mitarbeit von Beschäftigten aus Verbänden und Unternehmen in obers-ten Bundesbehörden“ fest, dass zumindest

Abb. 3: Lobbyismus im Spannungsfeld von Legitimität und IllegitimitätQuelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Eckert (2005) und Humborg (2005)

in einigen Bereichen erhöhte Risiken von Interessenkonflikten bestanden und die Risiken künftig auf ein Mindestmaß zurückzuführen sind; vgl. Leif (2009), S. 14.

49 Vgl. Maras (2009), S. 34.

50 Vgl. Adamek/ Otto (2009), S. 12 f. sowie Leif (2009), S. 15.

51 Vgl. von Arnim (2005), S. 23.

52 Vgl. Maras (2009), S. 36.

53 Vgl. Lambsdorff/ Nell (2005).

54 Vgl. Adamek/ Otto (2009), S. 93 f.

55 Vgl. Maras (2009), S. 35.

56 Vgl. Großkurth (2008), S. 87.

57 Stellvertretend für viele vgl. Töller (2008), S. 309.

58 Vgl. Schuppert (2006).

59 Vgl. Großkurth (2008), S. 86; anzuführen ist inso-weit vor allem der Lobbying Disclosure Act aus dem Jahr 1995.

60 Vgl. Faust (2009), S. 23 f.

61 Vgl. Humborg (2005), S. 121 sowie Humborg (2009), S. 84.

62 Vgl. Humborg (2005), S. 124.

63 Vgl. von Alemann/ Eckert (2006), S. 9 f.

64 Vgl. Lösche (2007), S. 134.

scher Produkte sind regelmäßig höher als bei einer Anlieferung „frei Ministerium“.

Nur sporadisch und temporär waren einst die Kontakte in den parlamentari-schen Wandelhallen. Stetig und verfestigt jedoch droht der Lobbyismus innerhalb öffentlicher Verwaltungen zu werden. Denn Enthüllungen zeigen, dass teilweise die Industrie- und Finanzkonzerne bereits längerfristig mit eigenen Büros innerhalb der Ministerien vertreten waren.54 Aber es geht, so Beobachter, nicht nur um ein solch fragwürdiges „Insourcing“. Denn neuerdings sind offenbar auch lobbyisti-sche „Outsourcing“-Varianten auf dem Vormarsch: Etwa dann, wenn externe Anwaltssozietäten den Auftrag erhalten, die Entwürfe neuer Gesetze auszuarbeiten – eine Angelegenheit also, bei welcher der Bürger bislang stets davon ausging, dass sie nicht in der Gewährleistungs-, sondern in der ureigensten Erfüllungsverantwor-tung von Staat und Politik liegt. Auf die-se Weise können Ministerialverwaltungen also ihren Einfluss auf wesentliche Kom-ponenten der Gesetzentwurfsverfahren verlieren. Kritiker merken an, dass diese Komponenten somit in den Einflussbe-reich partikularer Interessen gelangen, ohne den Anschein demokratischer Ratio-nalität einzubüßen.55

Im Zeitalter der Governance hat of-fenbar die klingende Münze als Schmier-mittel in vielen Fällen ausgedient. Statt-dessen werden die kluge Kommunikation und Akkumulation von Wissen sowie die Lancierung von Informationen56 zuneh-mend wichtig. Im Zuge aktueller Ent-wicklungen bewahrheitet sich somit die alte Erkenntnis, dass Wissen gleichzeitig eben auch Macht bedeutet. So sind die möglichen (Neben-)Wirkungen der Public Governance also durchaus nicht unpro-blematisch. Denn es entstehen nicht we-nige intransparente Gemengelagen und lobbyistische Grauzonen zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Und die-se können zu einer Orientierungslosigkeit der öffentlichen Hand führen, so dass sie Gefahr läuft, im Sinne von Partikularinte-ressen „aktiviert“ zu werden.

Remeduren

Die aufgezeigten mannigfaltigen Ambiva-lenzen der Public Governance sind aktu-

ell also von steigendem Interesse. Daher wären, gerade angesichts der rasch wach-senden Komplexität und Diversifizierung, eingehende empirische Risikoanalysen er-forderlich. Hierbei sind Legitimitätskrite-rien für das Handeln von (Politik-)Akteu-ren von wachsender Relevanz. Essenziell wichtig ist daher zunächst, hinreichende Transparenz bei Interaktionen und beste-henden Interessenkonflikten herzustellen. Denn erwünschte Kooperation von uner-wünschter Unterwanderung zu unterschei-

den wird einerseits zunehmend relevant, aber andererseits zunehmend schwierig.

Vor diesem Hintergrund erscheint es als sinnvoll, vermehrt über Möglichkeiten zur Stärkung des Schattens der Hierarchie57 nachzudenken. Unter den geänderten Vor-zeichen könnten rechtliche Regulierungen eine Renaissance als wichtige Steuerungs-ressource erleben.58 So ist – insbesondere in den USA – bereits seit geraumer Zeit eine engmaschige Lobbying-Gesetzgebung in Kraft.59 Hierzulande ist beispielsweise nunmehr im Zuge aktueller Gesetzesno-vellen (vgl. § 67 Bundesbeamtengesetz bzw. § 37 Beamtenstatusgesetz) das so genannte Whistleblowing vorgesehen: Bei durch Tatsachen begründetem Verdacht auf Bestechung können Beamte sich jetzt direkt an Ermittlungsbehörden wenden, ohne den internen Dienstweg einzuhal-ten. Insoweit versucht der Gesetzgeber offenbar nicht nur, internationale Rechts-entwicklungen nachzuvollziehen; sondern im personalen Ethos einzelner Insider liegt nicht selten auch ein Ansatzpunkt, gegen unheilvolle Netzwerkaktivitäten vorzu-gehen.60 Eine weitere rechtliche Option könnte eine Strafrechtsnovelle bezüglich der Abgeordnetenbestechung (§ 108 e Strafgesetzbuch) sein. Beobachter mer-ken nämlich an, dass diese Norm sich als weitgehend wirkungslos gegen den kor-ruptiven Lobbyismus erwiesen habe und

sie zudem mit der UN-Konvention gegen Korruption kollidiere.61 Und auch auf In-formationsfreiheitsrechte des Bürgers ist insoweit hinzuweisen. Auf Bundesebene sind sie hierzulande seit dem Jahr 2006 gewährleistet. In vielen Bundesländern und Gemeinden stehen indes solche, die Transparenz fördernde Regelungen bis dato noch aus.

Defizite bestehen aktuell wohl auch im Hinblick auf hergebrachte, so genannte

„Lobbylisten“. Eine solche wird beispiels-weise im Deutschen Bundestag schon seit dem Jahr 1972 geführt. Doch faktisch lässt ihre Wirksamkeit derzeit offenbar zu wünschen übrig. Dies u. a. deswegen, weil sie auf die hergebrachten Aktivitäten der Interessenverbände, aber weniger auf den neuen, pluralisierten Lobbyismus fokus-siert ist.62 Ein Desiderat ist hierzulande daher ein vollständiges Lobbyisten-Regis-ter, das auch die Finanzquellen und die Auftraggeber offen legt.63

Auf Ebene der Europäischen Union wird in den letzten Jahren zunehmend versucht, Transparenzgebote und ethische Verhaltensregeln für die verschiedenen Political Player aufzustellen.64 Ein wichti-ger Ausgangspunkt war die Europäische

Faust, Vom aktivierenden zum aktivierten Staat?

»Essenziell wichtig ist daher zunächst, hinreichende Transparenz bei Interaktionen und bestehenden Interessenkonflikten herzustellen.«

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Faust, Vom aktivierenden zum aktivierten Staat?

Transparenzinitiative (ETI), die im Jahr 2005 maßgeblich durch EU-Kommissar Siim Kallas initiiert wurde. Die ETI zielt, neben der Offenlegung von Agrarsubven-tionen, vor allem auf verbesserte Transpa-renz- und Verhaltensregeln für Lobbyis-ten.65 Allerdings erst im Juni 2008 startete die EU-Kommission ein Lobbyistenregis-ter, das zudem lediglich auf Freiwilligkeit basiert. So verwundert es kaum, dass die Registrierung der Lobbyisten schleppend anlief und viele der einflussreichen Think Tanks, Public Affairs-Agenturen und An-waltssozietäten bis dato fehlen.66

Aber auch auf Seiten der Lobbyisten, so Kritiker, mangelt es bislang oft an adäqua-ten, selbstverpflichtenden Konzepten – bei-spielsweise an professionellen Verhaltens-standards, die sich explizit gegen unseriöse Aktivitäten richten. Offenbar wächst aber derzeit auch bei einigen Lobby-Akteuren das entsprechende Problembewusstsein.

Mit wachsender Sorge beobachten sie das enorme Empörungspotenzial, das dem Lobbyismus in der öffentlichen Meinung entgegen schlägt.67 So forderte jüngst eine Politikberatungsgesellschaft ein verpflich-tendes Lobbyisten-Register, klare Rege-lungen bei Interessenkonflikten und einen umfassenden Verhaltenskodex. Aktuell werden zudem Karenzzeiten zwischen ei-ner Tätigkeit als Amts- bzw. Mandatsträ-ger und einer solchen als Lobbyist ange-regt.68 Insgesamt jedoch stecken Konzep-te, welche die Lobbyisten explizit auf die Demokratieverträglichkeit ihres Handelns verpflichten, hierzulande oft noch in den Kinderschuhen.69

Eher zögernd agieren bislang auch viele Medien in diesem Themenfeld. Ihre Watchdog-Funktion in Bezug auf den Lobbyismus erfüllen sie häufig nur unzu-reichend. Allzu oft gilt die Thematik noch

immer als eine heikle Tabuzone. Einige Kritiker vermuten gar, dass manche Me-dienakteure selbst allzu sehr in Lobbying-Aktivitäten verstrickt sind.70 Ein solcher Rollenkonflikt dürfte prinzipiell auch bei anderen gesellschaftlichen Akteuren vor-liegen. Jedenfalls könnte eine offene, un-abhängige Medienberichterstattung zu ei-nem allgemeinen Problembewusstsein und zu einer Entmystifizierung des Lobbyings beitragen.

Eine ähnliche Zurückhaltung gegen-über der Thematik zeigen auch manche Akteure im Bereich des Wissenschaftsbe-triebs. Oft genug herrschen daher noch erhebliche (empirische) Erkenntnisdefizite bezüglich der unterschiedlichen Lobbying-Phänomene. Aktuell sind indes Tendenzen erkennbar, dass die Thematik zunehmend zum Bestandteil der politischen Bildung wird; auch wächst hierzulande die Zahl der wissenschaftlichen Publikationen zum

Thema Lobbying.71 Und in diesem Kon-text offenbart sich auch für die neuen Go-vernance Schools ein lohnendes Aufgaben-feld: Es liegt in der Aus- und Fortbildung moralisch-integrer Interessenvertreter.

Nicht zuletzt haben auch zivilgesell-schaftliche Akteure in jüngerer Zeit be-gonnen, sich intensiver dem Lobbying-Thema zu widmen – zumal im Umfeld der Europäischen Union. So wurde im Juli 2005 die Alliance for Lobby Transparen-cy and Ethics Regulation (ALTER-EU) gegründet. Diese Initiative engagiert sich beispielsweise für verpflichtende Transpa-renzregeln für Lobbyisten, für verschärfte ethische Standards und für die Abschaf-fung von Privilegien einzelner Lobbygrup-pen.72 Es bleibt abzuwarten, ob diese und ähnliche Initiativen zu einem heilsamen, nachhaltigen (Selbst-)Reinigungsprozess

»Angesichts der Anzeichen fragwürdigen Lobbyings in Ministerien liegt nicht zuletzt die Notwendigkeit einer expliziten Verwaltungsethik auf der Hand.«

65 Vgl. Müller (2009), S. 48.

66 Vgl. Müller (2009), S. 51.

67 Vgl. Delhaes (2008).

68 Vgl. Humborg (2009). S. 85 f.

69 Vgl. Riss (2007), S. 133.

70 Vgl. Leif (2009).

71 Vgl. Leif (2009), S. 21.

72 Vgl. Müller (2009), S. 48.

73 Vgl. Rath (2000), S. 35, Gmeiner (2007), S. 26 f. so-wie Faust (2007), S. 329 f.

74 Vgl. Faust (2009), S. 24.

in Wirtschaft und Gesellschaft beitragen können.

Verwaltungsethik

Angesichts der Anzeichen fragwürdigen Lobbyings in Ministerien liegt nicht zu-letzt die Notwendigkeit einer expliziten Verwaltungsethik73 auf der Hand. Denn Staatlichkeit ist offenbar dringend ange-wiesen auf die Moralität der öffentlichen Akteure – eine Moralität indes, die Staat-lichkeit selbst nicht unmittelbar und lü-ckenlos gewährleisten kann.

Explizite Verwaltungsethik-Konzepte sind etwa aus dem angelsächsischen und dem skandinavischen Raum seit länge-rem bekannt. Angesprochen sind zunächst praxisorientierte Aus- und Fortbildungen, welche die Bediensteten hinsichtlich mora-lischer Expertise und Sensibilität fördern. So etwa bezüglich der Erkenntnis, dass eine vertrauliche Information für Dritte einen ähnlichen ökonomischen Wert dar-stellen kann wie der Zuschlag bei einer öffentlichen Auftragsvergabe. Somit sind Kenntnisse im ethischen Informationsma-nagement sowie speziell über die Chancen und Risiken der Internet-Kommunikation bedeutsam. Aktuell ist von Bediensteten zudem ein hohes Maß an Mut und Sen-sibilität gefordert, um mit der neuen, ge-setzlich verankerten Whistleblowing-Opti-on verantwortungsbewusst umzugehen.74 Und überhaupt ist die ethische Expertise öffentlicher Akteure in (mündlicher) Kom-munikation zunehmend wichtig. Denn im Rahmen der Public Governance wird vie-les – im Guten wie im Schlechten – bei in-formellen Gesprächen und Unterredungen besiegelt.

Verwaltungsethik beschränkt sich aber nicht allein auf das persönliche Ethos von Bediensteten. Sondern es sind zusätzlich

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auch institutionelle Ansatzpunkte in den Blick zu nehmen. Beispielsweise können periodische Job-Rotationen segensreich wirken; dies mit der Zielrichtung, un-durchsichtige, längerfristige Kollusionen wirkungsvoll zu unterbinden. Grundle-gender institutionell-moralischer Wandel wird sinnvollerweise im Rahmen einer umfassenden Organisationsentwicklung gefördert. Eine essenzielle Zielsetzung hierbei sind zweckmäßige, transparen-te Verwaltungsabläufe und -strukturen. Ethik-Hotlines und Integrity Committees können die ethisch-kulturelle Organisati-onsentwicklung unterstützen.

Mehr Transparenz wird seit kurzem of-fenbar auch bezüglich des Einsatzes exter-ner Personen in der Bundesverwaltung an-gestrebt. Denn seit Ende 2008 publiziert das Bundesinnenministerium federführend entsprechende Berichte, welche auch via Internet verfügbar sind. Inhaltlich sind diese Berichte fokussiert auf die Zahl der externen Personen, die Dauer ihrer Einsät-ze, Vergütungsfragen sowie die Nennung der entsendenden Stellen. Ob diese Berich-te hinreichend geeignet sind, den Anschein fragwürdigen Lobbyings in Ministerien zu überwinden, bleibt vorerst abzuwarten.

Spiegelbildlich zu den selbstverpflich-tenden Ansätzen der Lobbyisten sind bei-spielsweise Ethik-Aktivitäten des Gene-ralsekretariats des EU-Rates zu sehen. So erarbeitete das Generalsekretariat bereits vor längerem ein selbstverpflichtendes Leitbild sowie einen Wertekanon (vgl. Abb. 4). Auch wenn viele der Formulie-rungen als eher vage erscheinen: Bemer-

kenswert ist immerhin, dass in dem Wer-tekanon offen und explizit die notwendige Unparteilichkeit des Generalsekretariats thematisiert wird. Der Fortentwicklungs-bedarf ist gleichwohl offenkundig: So haben Selbstverpflichtungen regelmäßig dann eine höhere Wirksamkeit, wenn sie überwacht und sanktionsbewehrt sind. Und ideal ist zudem, wenn selbstverpflich-tende Konzepte so ausgestaltet sind, dass sie nicht zu einer bloßen Bürokratisierung führen.

Fazit: Im hier verhandelten Kontext zielt Verwaltungsethik vor allem darauf ab, dass Bedienstete das jeweils richtige Maß an Nähe bzw. Distanz zu den Lob-byisten finden. Dies ist oft leichter gesagt als getan. Denn es geht hierbei um einen dialektischen, sehr anspruchsvollen Ba-lanceakt: Einerseits ist kooperative Nähe anzustreben, die nicht in Bestechung und Konditionierung münden darf. Und an-dererseits ist wohlverstandene Distanz zu halten, die ihrerseits wiederum nicht in Abschottung und Selbstreferenzialität en-det.

Ausblick

Immer offenkundiger wird, dass die Zahl und Reichweite informeller Einflussnah-men auf Politik und (Ministerial-)Verwal-tung bislang oft unterschätzt wurden. Vor diesem Hintergrund erhalten künftig ver-mutlich Fragen des Gemeinwohls wieder einen höheren Stellenwert. So verwundert es nicht, dass sich im angelsächsischen Raum seit einiger Zeit ein Public Value Management entwickelt. Aktuell findet

dieser Ansatz offenbar auch hierzulande zunehmend Beachtung.75 Im Zuge von Pu-blic Value Management wäre vom öffent-lichen Sektor und seinen Führungskräften (wieder) mehr verantwortungsbewusste Leadership bei Gemeinwohlbelangen ge-fordert.76 Dies insbesondere in strategi-schen Kernbereichen von Staatlichkeit, wo jüngst die öffentliche Hand offenbar teils durch Partikularinteressen geleitet wur-de. Dieser insoweit „aktivierte“ Staat tut ergo gut daran, verstärkt wieder aktiv und aktivierend im Sinne des Gemeinwohls zu wirken.

75 Vgl. Pitschas (2006), Hill (2007) sowie Meynhardt (2008).

76 Vgl. Hill (2006a) sowie Holzrichter (2008), S. 14.

Abb. 4: Leitbild und Wertekanon des Generalsekretariats des EU-RatesQuelle: Bauer (2007), S. 92 f.

Leitbild

Als permanenter und unabhängiger europä-ischer öffentlicher Dienst gewährleistet das Generalsekretariat des Rates das reibungs-lose Funktio nieren des Rates der Europäi-schen Union und leistet diesem jede nötige Hilfestellung bei der Erfüllung der Aufgaben, die ihm von den Verträgen im Interesse der Weiter entwicklung der Union übertragen sind. Das Generalsekretariat unter stützt die Mitglieder des Rates, den Vorsitz und den Generalsekretär/Hohen Vertreter in allen Tätig keitsbereichen des Rates und des Euro-päischen Rates sowie bei Tagungen auf Mi-nisterebene und Regierungskonferenzen.

Unsere Werte

Das Generalsekretariat als Organisation sowie seine einzelnen Bediensteten lassen sich bei der Erfüllung ihrer Aufgaben von folgenden Grundwerten leiten:

Professionalität: In unserer Arbeit beweisen wir Integrität, berufl iche Kompetenz, Effi zienz und Engagement. Wir sind aktiv und aufgeschlossen bei der Suche nach Lösungen. Wir sind für unsere Arbeit verantwortlich und legen darüber Rechenschaft ab.Teamgeist: Wir arbeiten zusammen und kommunizieren miteinander, damit das Generalsekretariat seine Aufgabe wirksam und kohärent erfüllen kann.Unparteilichkeit: Wir sind objektiv bei der Erfüllung unserer Pfl ichten und behandeln alle Ratsmitglieder unparteiisch, unter Beachtung unserer Verpfl ichtung zur Loyalität gegenüber dem Rat. In unserer multikulturellen Umgebung behandeln wir alle Personen mit dem gleichen Respekt.

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Faust, Vom aktivierenden zum aktivierten Staat?

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Faust, Vom aktivierenden zum aktivierten Staat?

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Faust, Vom aktivierenden zum aktivierten Staat?

Das Nachschlagewerk für alle Konnexitätsfragen

Das Konnexitätsprinzip im LandesverfassungsrechtDie Kommunen und Aufgabenüber-tragungen durch die LänderZugleich Kommentierung des neuge-fassten Art. 71 Abs. 3 der Verfassung des Landes Baden-WürttembergVon MinR a.D. Dr. Klaas Engelken2009, 152 S., brosch., 39,– €, ISBN 978-3-8329-5029-3Erscheint ca. Oktober 2009

Viele finanzielle Erwartungen der Kommunen richten sich auf die Konne-xitätsregelungen in den Landesverfassungen. Noch mehr, seit dem Bund in der Föderalismusreform 2006 verboten wurde, den Kommunen künftig noch Aufgaben zu übertragen (Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG). Wieweit können die Landesverfassungen solche Erwartungen erfüllen? Nützt es zum Bei-spiel den Kommunen finanziell, wenn der Bund seine bisherigen Übertra-gungsregelungen streicht und an ihre Stelle inhaltsgleiche Landesrege-lungen treten, wie dies aktuell geschieht?

Solche und alle anderen Konnexitätsfragen werden in diesem Werk behandelt. Der Autor verdeutlicht die gemeinsamen Strukturmerkmale des Konnexitätsprinzips im Landesverfassungsrecht. Die sorgfältige, vom Verfassungswortlaut ausgehende Auslegung wirkt sich in vielen Fällen zugunsten der Kommunen aus, zeigt aber auch die Begrenzungen.

Mit den länderübergreifenden Fragen verbindet sich eine gründliche Kom-mentierung der seit 2008 neugefassten baden-württembergischen Kon-nexitätsregelung. Hier wurden bedeutsame Erweiterungen und Präzisie-rungen vorgenommen. Die Neufassung stellt sich als erste Landesverfassung auf die Grundgesetzänderung von 2006 ein. So gibt sie auch Antwort auf die umstrittene Frage, ob die Länder den Kommunen Erweiterungen des Bundes bei Aufgaben erstatten müssen, die den Kom-munen bereits übertragen sind.

Zusammenfassungen sowie ausführliche Register für Stichworte, Recht-sprechung und Literatur machen das Buch zu einem Nachschlagewerk.

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Das Konnexitätsprinzip im Landesverfassungsrecht

Klaas Engelken

Die Kommunen und Aufgabenübertragungen durch die Länder

Zugleich Kommentierung des neugefassten Art. 71 Abs. 3 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg

Nomos

Verwaltung und Management15. Jg. (2009), Heft 5, S. 261-270

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Prof. Dr. Gerhard Schwabe Leiter der Arbeitsgruppe Informationsmanagement der Universität Zürich

Die zunehmende Durchdringung von Administration, Forschung und Lehre mit IT stellt die Universitäten vor neue Herausforderungen bei der IT-Governance. Im gesamten öffentlichen Sektor und insbesondere an Universitäten fehlt es bisher nicht nur im deutschsprachigen Raum, son-dern auch international an belastbarer empirischer und konzeptionel-ler Forschung zur IT-Governance, obwohl die Literatur die Unterschiede in den Anforderungen von der Geschäftswelt betont. Der Beitrag fasst die bisherige Literatur zu IT-Governance an Universitäten zusammen und stellt das neue IT-Governance-Konzept der Universität Zürich vor. Aufbauend auf dem Konzept von Ward/Peppard wird dort ein Ausgleich zwischen Kompetenz, Verantwortung und zeitlichem Aufwand gesucht, indem Angebot und Nachfrage in verschiedenen Gremien behandelt werden. Der Beitrag ist der erste von zwei Teilen zur IT-Governance an Universitäten. In der nächsten Ausgabe von Verwaltung & Management wird die Situation in Deutschland analysiert und mit der in den USA ver-glichen.

IT-Governance an Universitäten – State of the Art und

das Konzept der Universität ZürichGerhard Schwabe*

Einleitung

Mit der Einführung des Bologna-Systems, der zunehmenden Verbreitung von E-Learning und den höheren Steuerungs-bedürfnissen der Universitätsleitungen durchdringt IT Universitäten in einem bisher nicht gekannten Maße. Informatik ist nicht mehr nur das Höchstleistungsre-chenzentrum oder die Netzinfrastruktur, sondern sie stellt auch Anwendungen zur Planung, Administration und Controlling des Studiums zur Verfügung. Damit kom-men Hochschulen in eine Situation, in der Unternehmen aus der Privatwirtschaft seit Jahrzehnten sind. Die vorhandene IT be-stimmt wesentlich, wie sie ihr Geschäft (=

Herausforderung für einen CIO angese-hen (so z.B. die Studie der Society for In-formation Management von 2008)1. Sie reagieren darauf durch den Aufbau von IT-Governance-Strukturen, welche den betroffenen „Kunden“ (= Entscheidungs-trägern aus dem Geschäft) und „Nutzern“ (= direkt betroffene Anwender) nicht nur Anhörungsrechte, sondern auch Mitent-scheidungsrechte einräumen.

Wie sieht eine gute IT-Governance aus? Hier trägt der Autor seine persönli-chen Erfahrungen bei der Gestaltung der IT-Governance an der Universität Zürich in den Jahren von 2006 bis 2008 bei und entwickelt nach dem Vorbild von Unter-nehmen eine IT-Governance-Struktur für Universitäten. Vor der Vorstellung des Konzeptes folgt ein Überblick über die bisherige Forschung.

IT-Governance

Grundlagen und Stand der IT-Governance Forschung

Unter IT-Governance verstehen Weill/Ross „die Festlegung von Entscheidungsbefug-nissen und Verantwortungsbereichen, um ein erwünschtes Verhalten im Umgang

Forschung und Lehre) durchführen kön-nen. Studiengänge und Prüfungsordnun-gen müssen darauf geprüft werden, ob sie „Campus-Management-kompatibel“ sind und die Logik der in den Anwendungen abgelegten Geschäftsprozesse strukturiert den Semesterablauf und bestimmt die Pla-nungszyklen. Die Einführung eines Cam-pus-Management-Systems greift so stark in die Arbeitsweisen von Lehrstühlen, Instituten und Fakultäten ein und ist so komplex, dass eine gute Gestaltung ohne Beteiligung der Nutzer kaum erfolgver-sprechend ist.

Campus-Management-Systeme (wie auch E-Learning-Systeme und Steuerungs-systeme) sind als technische Systeme und als organisatorisch-soziale Systeme Dau-erbaustellen. Das heißt, dass ein Einbezug der Fakultäten und sonstiger betroffener Stakeholder dauerhaft erforderlich ist. In Unternehmen wurde die dauerhafte Aus-richtung der IT auf den Bedarf des Ge-schäfts unter dem Stichwort „IT-Business-Alignment“ schon seit Jahren als ein sehr schwieriges Thema und als die wichtigste

* Dieser Beitrag wäre ohne das Engagement des CIOs der Universität Zürich, Herr Pascal Bachmann, nicht möglich gewesen. Ihm, und den beiden anderen Mitgliedern der Geschäftsleitung der Informatikdienste, Herrn Christian Waldvogel und Herrn Dr. Alexander Godknecht, danke ich weiterhin für die langen und intensiven Diskussionen, ohne die das Konzept zur IT-Governance nie die jetzt vorliegende Reife er-reicht hätte. Und der Universitätsleitung der Universität Zürich gebührt Dank dafür, dass sie nicht nur dafür sorgt, dass Zürich ein wundervol-ler Platz für Forschung und Lehre ist, sondern dass sie in diesem Projekt sogar auf die Kompetenz der bei ihr angestellten Forscher vertraut hat.

1 McGee 2008.

mit IT zu fördern.“2 Das IT Governance Institute definiert: „IT-Governance ist die Verantwortung von Führungskräften und Aufsichtsräten und besteht aus Führung, Organisationsstrukturen und Prozessen, die sicherstellen, dass die Unternehmens-IT dazu beiträgt, die Organisations-strategie und -ziele zu erreichen und zu erweitern“.3 Es geht also nicht um kon-krete IT-Managemententscheidungen, son-dern darum, wer entscheidet, wer Input liefert und Probleme analysiert und wer einen Dissens auflöst.4 Klassisch wird zwi-schen zentralisierten, dezentralisierten und föderalistischen Modellen unterschieden. Die konkrete Ausgestaltung in Organisati-onen ist von vielen Faktoren abhängig, die auch noch in Wechselwirkungen stehen.5 Während in den letzen Jahren ausreichend wissenschaftliche und praktische Rahmen-

werke für IT-Governance erarbeitet wur-den, stößt die Implementierung in Unter-nehmen auf große Schwierigkeiten.6

In der Praxis dominieren Frameworks und Standards aus Beratungsunterneh-men die Gestaltung der IT-Governance. So enthält ITIL in seiner neuesten Fas-sung IT-Governance-Ansätze.7 Besonders Cobit ist in Wissenschaft und Praxis weit verbreitet8 und erlaubt eine sehr detaillier-te Ermittlung der Reife von IT-Prozessen in Organisationen. Die IT-Governance schafft gemäß Cobit geeignete Strukturen, die sich

um das strategische Alignment von Ge-1. schäft und IT, das Schaffen von Wert durch IT, 2. das Risikomanagement der IT, 3. das Management der IT-Ressourcen 4. und die Leistungsmessung der IT kümmert. 5.

In ihrem umfassenden Review der IT-Governance-Literatur analysieren Buckby et al. diese fünf Faktoren.9 Von den 41

untersuchten wissenschaftlichen Quellen im Bereich der Strategischen Alignments untersucht die Mehrzahl die Anwendbar-keit von Frameworks und Modelle wie dem Strategic Alignment Framework von Henderson/Venkatraman und Luftman oder vertieft einzelne Aspekte des strate-gischen Alignments in Fallstudien.10 Als empirische Grundlage dominieren Finanz-unternehmen, während die öffentliche Verwaltung nur in zwei Publikationen explizit behandelt wird (einer Fallstudie eines Krankenhauses11 und sechs Fallstu-dien zu sozialen Aspekten in Behörden12). Auch die 22 Publikationen im Bereich des Wertbeitrags von IT, die 28 Beiträge zur Governance des Riskmanagements, die 31 Publikationen zur Governance des Managements von Ressourcen und die 52 Beiträge zur Performance-Messung von

IT-Systemen zeigen das gleiche Bild: Buck-by et al. identifizieren keine weiteren Un-tersuchungen von IT-Governance in der öffentlichen Verwaltung. Öffentliche Ver-waltungen spielen somit bisher keine nen-nenswerte Rolle bei der Diskussion von IT-Governance.

IT-Governance im Öffentlichen Sektor und in Universitäten

Im Unterschied zu Privatunternehmen verfolgen öffentliche Verwaltungen meh-rere Ziele gleichzeitig13, die im politischen

Diskurs ausgehandelt werden. Dies macht jede Entscheidungsfindung – auch zur IT – schwieriger. Öffentliche Verwaltun-gen haben häufig sehr vielfältige und nur lose verbundene Geschäftsprozesse14 (man denke nur an eine Kommune, die Bürger von der Schule über das Standesamt bis zum Friedhofsamt begleitet). Weiterhin ist die Beziehung zwischen Bürgern und der Verwaltung grundsätzlich anderer Na-tur als die zwischen einem Kunden und einem Unternehmen15, steht der Bürger doch einem Monopol gegenüber, das ei-nen viel umfassenderen Einfluss auf sein Leben nehmen kann. Zum Ausgleich be-sitzt der Bürger sehr viel weitergehende demokratische Einflussrechte und auch Schutzrechte. Nicht zuletzt deshalb sind die Entscheidungsprozesse in öffentlichen Verwaltungen häufig formaler und bü-rokratischer als in Privatunternehmen16, müssen viele unterschiedliche Perspekti-ven berücksichtigt werden und müssen sich öffentliche Verwaltungen in höherem Maße als Privatunternehmen rechtferti-gen.17 Die vielfältigen Ziele und Aufga-ben, die Schutzrechte der Bürger und ein traditionelles Zögern bei Veränderungen führen zu einer Fragmentierung der Struk-tur der öffentlichen Verwaltung.18 Diese Fragmentierung macht IT-Governance im öffentlichen Sektor zu einer besonders herausfordernden Aufgabe.19 Angesicht der Unterschiede beklagen Sethibe et al. einen Mangel an empirischer Forschung zu IT-Governance in der öffentlichen Ver-waltung.20 Ähnlich argumentieren Lawry/Waddell für den umfassenderen Bereich des „IT-Managements“.21

Universitäten sind (im deutschen Sprachraum) ein besonderer Organisati-onstypus einer öffentlichen Verwaltung mit einer besonderen Organisationsstruk-tur, Organisationsprozessen und Organi-sationskultur. Schönwald schlägt in ihrer

VM 5/2009262

Schwabe, IT-Governance an Universitäten

2 Weill/Ross 2004, S. 8.

3 IT Governance Institute 2005, S. 5.

4 Yanosky/McCredie 2008, S. 12.

5 Sambamurthy/Zmud 1999.

6 Brown 1997; Weill/Ross 2005.

7 OGC 2007.

8 IT Governance Institute 2005.

9 Buckby et al. 2009.

10 Henderson/Venkatraman 1993; Luftman 2003.

11 Henderson & Thomas 1992.

»Öffentliche Verwaltungen spielen bisher keine nennenswerte Rolle bei der Diskussion von IT-Governance.«

12 Martin et al. 2005.

13 Cave et al. 1990, Reinermann 2000.

14 Algermissen et al. 2005.

15 Mintzberg 1996, Ciborra 2003.

16 Boyne 2002.

17 Sethibe et al. 2007.

18 March/McNiven 2003.

19 Davison et al. 2005, Janssen/Joha 2007.

20 Sethibe et al. 2007.

21 Lawry/Waddell 2008.

exzellenten Analyse der Hochschulorga-nisation vor, dass Hochschulen die Eigen-schaften lose gekoppelter Systeme, Profi-bürokratien und organisierter Anarchie in der Typologie von Morgan vereinen.22 Selbst wenn in jüngster Zeit die Stellung der zentralen Leitung verstärkt wurde, sind die Leitungs- und Entscheidungs-strukturen noch weitgehend dezentral und kollegial und Gremien spielen eine bedeu-tende Rolle.23 Das Mitwirken in Gremien wird von vielen Mitgliedern nur als läs-tige Pflicht angesehen und deshalb wird ihnen nur beschränkte Aufmerksamkeit geschenkt.24 Viele Professoren haben auch

kein Interesse daran, Leitungsfunktionen zu übernehmen.25 Angesichts dieser Rah-menbedingungen fällt es vielen Verant-wortlichen schwer, proaktiv zu managen.26 Genau ein solches proaktives Manage-ment ist aber erforderlich, wenn sich mit der Einführung des Bologna-Systems die Leistungsstrukturen grundlegend ändern und die Bedeutung der IT für das opera-tive Geschäft deutlich zunimmt.27 Gerade Campus-Management-Systeme sind gro-ße Systeme, deren Einführung erhebliche organisatorische Auswirkungen hat28 und eine enge Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Fakultäten (Dozenten, Admi-nistrativpersonal und Studenten) und der IT-Abteilung erfordert.29 Zu diesen Anfor-derungen kommen zunehmende Heraus-forderungen an die IT der Hochschulen bei der Erzeugung, Verbreitung und Ar-chivierung von (digitalen) Wissensbestän-den.30

Schon für kommerzielle Unternehmen fällt es Weill/Ross schwer, klare Empfeh-lungen über eine geeignete IT-Governance aus den vorliegenden empirischen Daten abzuleiten. Im Non-Profit-Sektor fällt dies noch schwerer, fehlt ihnen doch eine klare

Schwabe, IT-Governance an Universitäten

Zielfunktion, und der Mehrwert öffentli-cher Leistungen ist schwerer zu messen. Entsprechend ist es schwieriger, Investiti-onen in IT zu rechtfertigen. Auf der Basis eines allgemeineren Frameworks zur Wert-schöpfung in Non-Profit-Organisationen (incl. öffentliche Verwaltung und Dienst-leistungen) analysieren sie erfolgreiche Non-Profit-Organisationen und kommen u.a. zu folgenden Empfehlungen:

Nutze gemeinsame Entscheidungen von 1. Geschäft und IT für IT-Prinzipien! Sieh Grundprinzipien der IT-Infrastruk-2. turentscheidungen als strategische Ge-schäftsentscheidungen an!

Verwende gemeinsame Entscheidungs-3. findung für IT-Investitionen!31

In den USA ist insbesondere das auf Initia-tive der University of California (Berkley) gegründete Educause Center for Applied Research im Bereich der IT-Governance in Universitäten aktiv. Eine empirische Studie mit 121 amerikanischen forschungsorien-tierten Universitäten sowie 176 Colleges von McCredie führt zu folgender Bewer-tung, wie die meisten Universitäten die große und sich rasch ausbreitende IT „go-vern“: Es gibt normalerweise eine kom-plexe Gremienstruktur und eine Mischung aus dezentralisierten, unabhängigen Ent-scheidungsträgern, die für die meisten lokalen Themen zuständig sind und die Verantwortung für bestimmte größere Ak-tivitäten wie Daten und Telefonnetz sind einer campusweiten IT-Organisation zu-geordnet. Sie seien „ineffizient, ineffektiv und nicht so gut, wie sie sein sollten“32. Das liege daran, dass die IT-Governance an den meisten großen Universitäten nicht bewusst gestaltet wurde, sondern über die Zeit langsam wuchs. Die IT-Governance ist den Akteuren meist nicht bewusst und die IT nicht ausreichend in der Universi-

»Selbst wenn in jüngster Zeit die Stellung der zentralen Leitung verstärkt wurde, sind die Leitungs- und Entscheidungsstrukturen noch weitgehend dezentral und kollegial und Gremien spielen eine bedeutende Rolle.«

tätsleitung repräsentiert. Gremien werden als geeignetes Instrument zur Konsens-bildung angesehen, verlieren aber über die Zeit an Wert und neigen zur Zeitver-schwendung. Ein Überblick über die Ge-samtinvestitionen in IT einer Universität fehlt häufig, und technische Standards können kaum durchgesetzt werden.

In seinem Konzept für eine dezentrale IT-Governance an Universitäten betont Krueger, dass die IT-Governance-Struktur von der allgemeinen Strategie und Kul-tur einer Universität abhängt.33 In jedem Fall müsse IT-Governance aber einfach, gut kommunizierend und reif sein. In ei-ner Untersuchung von zwei Fallstudien in Australien nehmen auch die betroffenen Universitäten34 zunehmende Anforderun-gen an die IT-Governance wegen der zu-nehmenden Durchdringung mit wahr. Als Weg zu einer verbesserten IT-Governance wird die Übernahme von Standards wie Cobit gesehen. Deshalb wird ein Bedarf an einer institutionalisierten und zentrali-sierten IT-Governance gesehen. Aus dem Text wird aber auch deutlich, dass diese Strukturen noch nicht existieren.

Wegen der unterschiedlichen Entschei-dungskulturen und finanziellen Ausstat-tung mögen die Erkenntnisse aus dem angloamerikanischen Sprachraum nur begrenzt auf die Situation im deutsch-sprachigen Universitätsraum übertragbar sein. Die Literatur zu IT-Governance an Universitäten im deutschen Sprachraum ist aber sehr spärlich. Moog weist darauf hin, dass Integration von Informationen für Hochschulen eine wesentliche Bedeu-tung hat und eine tiefgreifende Reorgani-

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22 Morgan 2002.

23 Schädler 1999, S. 135.

24 Pellert 1999, S. 171.

25 Thom/Tholen S. 357.

26 Senge 2000, S. 31; Hanft 2004, S. 133.

27 Degenhardt et al. 2009.

28 Jannek et al. 2009.

29 Brune et al. 2009.

30 Katz/Gandel 2008.

31 Weill/Ross 2004, S. 204ff.

32 McCredie 2006, S. 2 (Übersetzung durch den Autor)

33 Krueger 2009.

34 Bhattacharjya/Chang 2009; im Originaltext „Institutions of Higher Eduction“.

»Wichtige Stakeholder einer Universität sind beispielsweise die Fakultäten, die Studierenden, akademische Dienste wie die Bibliothek oder Verwaltungseinheiten.«

sation erfordert.35 Degwitz und Schirmba-cher konstatieren einen Rückstand von 20 Jahren für die deutschen Universitäten im Vergleich zu angelsächsischen Unterneh-men im Bereich der strategischen Planung der IT.36 Schon 1998 wurde von Standes-organisationen ein integriertes Informati-onsmanagement sowie eine dazu passen-de Organisationsentwicklung gefordert.37 Konkrete Vorschläge für eine Gestaltung der IT-Governance an Hochschulen feh-len. Man hat den Eindruck, dass viele experimentieren, ohne den Entscheidungs-raum zu kennen und ohne die Möglich-keit, voneinander zu lernen. Im Folgenden wird deshalb über ein IT-Governance-Pilotprojekt an der Universität Zürich berichtet, an dem der Autor maßgeblich beteiligt war. Er gibt eine exemplarische Antwort auf die Forschungsfrage: Wie soll das „Geschäft“ der Universitäten an den IT-Entscheidungsprozessen beteiligt wer-den? In einem nachfolgenden Beitrag in dieser Zeitschrift wird dann die allgemei-ne Situation in Deutschland analysiert und mit der Situation in den USA verglichen.

Einführung einer neuen IT-Governance an der Universität Zürich

Ausgangssituation und Vorgehensweise beim Pilotprojekt

Der Autor war von Sommer 2005 bis zu ihrer Auflösung im Frühjahr 2009 Mit-glied der Geschäftsleitung der Informatik-dienste (kurz ID-GL) der Universität Zü-rich. An der Universität Zürich stieß 2006 die bisher praktizierte IT-Governance an ihre Grenze. Deshalb wurde der Autor von der Universitätsleitung gebeten, einen Vor-schlag für ein besseres IT-Governance aus-zuarbeiten. Dieser Vorschlag wurde dann von der Universitätsleitung angenommen und seit 2007 arbeitet die gesamte Ge-schäftsleitung der Informatikdienste an der Umsetzung. Die Gremien arbeiten seit 2007 in den vorgeschlagenen Strukturen und 2007 wurde auch ein erster verkürz-ter Probelauf für die Jahresplanung 2008 durchgeführt. Im Herbst 2008 wurde die Jahresplanung 2009 in der vollen Aus-baustufe in den neuen Gremienstrukturen durchgeführt.

Die IT-Governance-Diskussion prägte die meisten der wöchentlichen Sitzungen

der ID-GL in diesen Jahren. Sowohl die Ausgestaltung der Konzepte als auch die bisherigen Erfahrungen wurden intensiv diskutiert. Vor der Verabschiedung wurde sie mit den einzelnen Fakultäten und den akademischen Diensten sowie der erwei-terten Universitätsleitung (= Universitäts-leitung plus Dekane und Ständevertreter) diskutiert und von der Universitätsleitung beschlossen.

Methodisch ist die Beteiligung des Forschers am Forschungsgegenstand um-stritten. Als gravierender Nachteil wird die fehlende Neutralität des Forschers an-gesehen. Seine eigenen Interessen können die Ergebnisse verfälschen. Der Vorteil ei-ner direkten Beteiligung sind die tieferen Einsichten, die man so gewinnen kann, insbesondere weil man einen direkteren

Zugang zu Informationen hat. Deshalb hält die Aktionsforschung38 eine direkte Beteiligung eines Forschers für akzeptabel, wenn es um genau diese tieferen Einsich-ten geht. Vielfach hat der Forscher auch keine Alternative dazu, neue organisato-rische Ansätze zu untersuchen, ohne sich bei der Etablierung dieser Ansätze selbst im Untersuchungsfeld zu engagieren. Die Aktionsforschung schlägt dann vor, wie ein Höchstmaß an intersubjektiver Nach-vollziehbarkeit dennoch erreicht werden kann. Besonders wichtig sind regelmäßi-ge Reflektionsphasen, in der der Wissen-schaftler seine Rolle als Beteiligter verlässt und die Rolle eines neutralen Beobachters einnimmt. Weiterhin wird eine saubere Datenerhebung und Codierung vorge-schlagen. Dies alles konnte in dem vor-liegenden Fall nicht vollständig gewähr-leistet werden, schlicht deshalb, weil die Mitarbeit des Autors ursprünglich als ein Beitrag zu einer Problemlösung gedacht

war und nicht als ein wissenschaftliches Projekt. Dem Autor liegen jedoch die im Laufe der Zeit erstellten Dokumente und Sitzungsprotokolle vor und die regelmäßi-gen Diskussionen im Rahmen der ID-GL-Sitzung erfüllen das Kriterium einer kriti-schen Reflektion, wie sie von der Aktions-forschung vorgesehen ist.

Dem konkreten Konzept seien ein paar grundsätzliche Überlegungen vorange-stellt, wie das „Geschäft“ der Universi-täten an den Entscheidungsprozessen zu beteiligen ist.

Wichtige Stakeholder einer Universität sind beispielsweise die Fakultäten, die Stu-dierenden, akademische Dienste wie die Bibliothek oder Verwaltungseinheiten. Sie machen das „Geschäft“ der Universität

aus. In deutschsprachigen Universitäten gibt es eine Tradition, diese Stakeholder dadurch in Entscheidungen einzubeziehen, dass Gremien gebildet werden, in welchen die Stakeholder vertreten sind. In Fach-themen, insbesondere zu Lehrfragen, sind diese Gremien derzeit noch sehr stark; in Finanzfragen ist ihre Entscheidungsmacht aber im Zuge der Universitätsreformen deutlich gesunken. Wie soll nun mit The-men umgegangen werden, die beide Be-reiche integrieren? Dies ist insbesondere bei einigen IT-Entscheidungen der Fall. Die Entmachtung von Gremien hat aber auch mit ihrer Ineffizienz zu tun. Hierfür sind IT-Gremien ein treffendes Beispiel:

Schwabe, IT-Governance an Universitäten

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35 Moog 2005, S. 119.

36 Degwitz und Schirmbacher 2007.

37 ZKI et al. 1998.

38 Vgl. z.B. Wood-Harper 1985; Baskerville/Wood-Harper 1985.

In den meisten deutschsprachigen Uni-versitäten, in denen IT-Entscheidungen in Gremien vorbereitet oder entschieden wurden, gibt es genau ein für die IT zu-ständiges Gremium. Aus Sicht der IT und einer Universitätsleitung ist das effizient, denn beide haben für IT-Entscheidungen genau einen Ansprechpartner. Es erhebt sich aber die Frage, ob das für die betei-ligten Stakeholder – zur Vereinfachung sei einmal von einem eine Fakultät vertreten-den Professor ausgegangen – effizient und für das Gremium als Ganzes effektiv ist. Die Effektivität der Entscheidungen lei-det unter der enormen Breite der in den Gremien zu fällenden Entscheidungen. Sie reicht von technischen Entscheidungen für Höchstleistungsrechenzentren bis hin zur Frage, welche Funktionen eines Campus-Management-Systems aus Sicht der un-terstützten Lehre Priorität haben. Kein einzelner Professor kann diese Breite an Themen seriös abdecken. Entscheidungen außerhalb seines Kompetenzbereichs kann er nicht gut fällen und es besteht die Ge-fahr, dass das Gremium als Ganzes keine guten Entscheidungen fällt.

Für das einzelne Mitglied eines Len-kungsausschusses sind die langen Sit-zungen auch ineffizient. Entweder ihn langweilen die Technikthemen (wenn er für einzelne Fachthemen wie Lehrbedarf kompetent ist) oder es langweilen ihnen die Fachthemen. Wenn dann Entschei-dungsvorlagen noch schlecht verständlich aufbereitet sind, verabschieden sich qua-lifizierte Mitglieder schnell aus dem Gre-mium und schicken einen Stellvertreter. Und hat sich dieses Verhalten einmal ein-gependelt, finden sich in den IT-Gremien nur noch „verdiente“ Kollegen kurz vor dem Ruhestand, junge unerfahrene Kol-legen sowie ein paar Wirtschaftsinforma-tiker/Informatiker, die so nahe an dem Thema sind, dass sie nicht ablehnen kön-nen. Allen ist gemeinsam, dass sie keinen wirklichen Rückhalt in den Fakultäten ge-nießen. Die Universitätsleitung sowie die Informatikdienste merken das und passen sich an: Die wichtigen Entscheidungen werden am Gremium vorbei entschieden und das Gremium verkommt zur Placebo-Veranstaltung. Man gratuliert sich, dass das Gremium „glücklicherweise“ nur eine beratende Rolle hatte. Die betroffenen Universitäten stehen dann trotz Gremien-struktur vor der gleichen Situation wie die

Universitäten, bei denen die Universitäts-leitung zusammen mit der IT-Leitung alle IT-Entscheide fällt. Damit fällt die univer-sitäre IT-Governance trotz eigentlich guter Voraussetzungen39 hinter die Praxis in der Wirtschaft zurück. Die Kombination von nicht funktionierenden Gremien und einer durch IT-Themen überlasteten Universi-tätsspitze mag in den Zeiten funktioniert haben, in der IT für das Kerngeschäft der meisten Professoren keine wesentliche Rolle gespielt hat und reichlich Geld vor-handen war. Wenn aber die Kernaufgaben der Fakultäten durch Großvorhaben wie die Einführung eines Campus-Manage-ment-Systems oder umfassender E-Lear-

ning-Systeme betroffen sind, dann gerät ein solches System schnell an seine Grenze und eine effiziente Zusammenarbeit zwi-schen „Kunden“, „Anwendern“ und IT wird zentral. Hierzu braucht es effiziente Gremienstrukturen mit kompetentem Per-sonal.

Kernanforderung ist:Die wichtigsten IT-Themen müssen in funktionierenden Gremien behandelt wer-den. Dies gilt insbesondere für IT-Themen mit starker Organisationswirkung. Der Engpass ist in Hochschulen genauso wie in der Wirtschaft die Bereitschaft des obe-ren Managements (in den Fakultäten z.B. die Prodekane), in Gremien mitzuarbeiten. Das obere Management ist hierzu nur be-reit, wenn ihr Input auch ausreichend Ge-wicht hat und die Gremiensitzungen sich auf die Themen konzentrieren, in denen sie kompetent sind. Dies hat zwangsläufig die Verteilung von IT-Entscheidungen auf mehrere Gremien zur Folge.

Im nachfolgenden Abschnitt wird vor-gestellt, wie die Universität Zürich diese

Anforderung nach einem Vorbild aus der Wirtschaft40 umgesetzt hat.

IT-Governance an der Universität Zürich

Schon Anfang des Jahrtausends hatte die Universitätsleitung festgestellt, dass die Einführung von Bachelor-/Master-Studi-engängen nur dann erfolgreich wird, wenn ein neues Campus-Management-System eingeführt würde und sie entschied sich, als ein Pilotanwender für den deutschspra-chigen Raum SAP Campus Management einzuführen. Aufbauend auf der üblichen Vorgehensweise bei SAP-Einführungen in Unternehmen wurde für dieses Vorhaben

eine eigene Projekt-Governance-Struktur aufgesetzt, die alle wesentlichen Entschei-dungen bei der Universitätsleitung kon-zentrierte. Dies führte über mehrere Jah-re hinweg zu monatlichen Sitzungen der Universitätsleitung mit der Projektleitung. Trotz dieses hohen zeitlichen Engagements fällte die Universitätsleitung umstrittene Entscheidungen mit erheblichen Wirkun-gen für die Gestaltung von Studiengängen. Die Fakultäten warfen der Universitätslei-tung gleichzeitig eine zu starke Standardi-sierung und mangelnde Performance des SAP-Systems vor. Entscheidend war, dass sich die Dekane erst bei der Einführung des Systems um diese Probleme kümmer-ten. Gleichzeitig überfluteten die aufge-wachten Anwender die Projektleitung mit neuen Anforderungen. Es wurde deutlich, dass die Situation für alle Beteiligten so

Schwabe, IT-Governance an Universitäten

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»Die Effektivität der Entscheidungen leidet unter der enormen Breite der in den Gremien zu fällenden Entscheidungen.«

39 Demokratie und Gremien sind traditio-nell in Universitäten besser verankert als in Unternehmen; Entscheidungen über Prü fungs-ordnungen zeigen auch, dass Gremien gut funkti-onieren können.

40 Ward/Peppard 2003, S. 374ff.

41 Ward/Peppard 2003.

nicht tragbar war und es für die Zukunft anderer Entscheidungsmechanismen be-durfte, welche die Prioritäten der Fakultä-ten besser berücksichtigte und gleichzeitig die Universitätsleistung entlastete. Da die existierenden IT-Gremien nicht gut funkti-onierten und kein weiterer Bedarf für eine isolierte SAP-Governance gesehen wurde, wurde eine integrierte neue IT-Governance entwickelt. Als Kernanforderungen wur-den definiert:

„Grundprinzip: Jeder macht, was er kann: Geschäft macht Geschäft; In-formatik macht Informatik (und nicht umgekehrt!)“

Basisanforderungen Klare Aufgaben Entscheidungskompetenz incl. (ab- gestufte) Ressourcenkompetenz Fachliche Kompetenz Vertretungsmandat durch Vertretene (z.B. Fakultät)

Umsetzung Gremienlandschaft und Management Gremien:

Unterscheidung Kunde vs. Anwen- der (= strategisch und operativ)Gremien und Projekte unterscheiden Einhaltung von „Dienstwegen“ – GremienwegRouting von IT-Entscheidungen in GremienFormulierung von entscheidungsrei- fen VorlagenAdäquate Formulierung Keine „Details“ und „Absicherungs- entscheidungen“

Das Grundprinzip war in der damaligen Situation der Universität Zürich begrün-det. Wegen der Unzufriedenheit mit den zentralen Lösungen hatten einzelne Fa-kultäten selbständig technische Entschei-dungen gefällt; z.B. wurden dezentrale Alternativsysteme für die Modulbuchung entwickelt und Fakultätsleitungen strit-ten sich mit der IT-Leitung, ob und wie diese dezentralen Systeme mit den zentra-len Systemen verbunden werden sollten. Gleichzeitig fällte eine isolierte IT-Leitung mangels Input aus den Fakultäten wich-tige Entscheidungen über die Gestaltung von Geschäftsprozessen und organisatori-sche Rahmenentscheidungen für Studien-ordnungen.

Basisanforderung war deshalb eine kla-re Aufgabenverteilung zwischen allen Be-

teiligten. Weiterhin wurde eine möglichst weitgehende Entscheidungskompetenz der Gremien gefordert, um die führenden Mit-glieder der Fakultäten für die engagierte Mitarbeit an den Gremien zu gewinnen und damit echte fachliche Kompetenz zu erhalten. Die Gremienmitarbeiter sollten auch ein breit abgestütztes Vertretungs-mandat durch die vertretenen Geschäfts-bereiche erhalten.

Die Umsetzung der Gremienlandschaft zielte dann auf Effizienz ab. Um die Ent-

scheidungsgremien nicht mit Details zu überlasten und um einen breit abgestütz-ten Input zu erhalten, wurden in Anleh-nung an ITIL zwischen „Kunden“ und „Nutzern“ unterschieden: Kunden sind die Entscheidungsträger eines Bereichs; Anwender sind die direkt von einer An-wendung Betroffenen. Auch die Nutzer sollten auf möglichst produktive Weise in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Um die Entscheidungsträger in den Gremien nicht zu sehr zu belasten, sollten die Gremien ausdrücklich nicht die Aufgabe von Steering Commitees für einzelne Projekte übernehmen. Um die Glaubwürdigkeit der Gremien nicht durch Ad-hoc-Einzelentscheidungen der Uni-versitätsleitung zu gefährden, wurde eine Einhaltung von Dienstwegen durch die Gremien gefordert. Ein passendes Routing von IT-Entscheidungen wurde als abgelei-tete Anforderung festgelegt. Die IT wurde zur Formulierung von lesbaren entschei-dungsreifen Vorlagen unter Verzicht auf unnötige Details und reine Absicherungs-entscheidungen verpflichtet.

Sodann wurden zwei Modelle disku-tiert: Das Modell eines zentralen großen Informatikgremiums nach dem Vorbild der TU München wurde verworfen, weil

Ineffizienz der Entscheidungsprozesse in einem großen und breiten Gremium und die daraus folgende Ineffektivität der Entscheidungen befürchtet wurde. Statt-dessen wurde ein Vorschlag auf der Basis des Lehrbuchs von Ward/Peppard aufge-griffen.41 Die Autoren unterscheiden zwi-schen IT-Nachfrage und IT-Angebot. Bei der IT-Nachfrage geht es darum, welche Anwendungen das Geschäft benötigt und das IT-Angebot kümmert sich darum, wie die IT-Nachfrage befriedigt wird (z.B. durch Auswahl einer passenden Software,

Entwicklung einer passenden Architektur etc.). Für jeden Bereich gibt es Gremien, an denen IT und Geschäft beteiligt sind. Bei der Nachfrage ist das Geschäft feder-führend, beim Angebot die IT-Leitung. Übergreifende Konflikte werden durch ein zentrales Gremium auf Geschäftsleitungs-ebene entschieden. Weiterhin schlagen die Autoren vor, den Entscheidungsgremien operative Gremien mit Nutzern vorzu-schalten, die ihre Entscheidungen vorbe-reiten. Dies ergibt dann die in Abbildung 1 dargestellte Governance-Struktur.

Die Rolle des leitenden Steuerungs-ausschusses übernahm die Universitäts-leitung; als Kunden-Gremien (also für die Fachfragen) wurden die Lehrkommission der Universität (in der Prodekane die Fa-kultäten vertreten) und ein neugegründe-tes Gremium der Verwaltung eingesetzt. Diese Gremien definieren für ihren Be-reich die Geschäftsanforderungen und sind auch für ihr Budget zuständig.

Für die Definition des Angebots (also die technischen Fragen) wurde ein neu-es IT-Strategiegremium mit Vertretern

Schwabe, IT-Governance an Universitäten

»Die Rolle des leitenden Steuerungsausschusses übernahm die Universitätsleitung; als Kunden-Gremien wurden die Lehrkommission der Universität und ein neugegründetes Gremium der Verwaltung eingesetzt.«

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Schwabe, IT-Governance an Universitäten

aus den Fakultäten, der Verwaltung und der IT gegründet. Hier werden Entschei-dungen für die IT-Prinzipien, Architektur und Infrastruktur gefällt. Da nur wenige IT-Entscheidungen zur Forschung zentral gefällt werden und diese meist Infrastruk-turentscheidungen sind, wurde diesem Gremium auch die Entscheidung für den Bereich Forschung übertragen.

Alle drei Gremien werden durch ein Mitglied der Universitätsleitung geführt. Da die Verfassung der Universität Zürich eine Delegation von Finanzfragen an Gre-mien nicht zulässt, haben diese leitenden Prorektoren in den Gremien ein Veto-recht. Den einzelnen IS-Gremien arbeiten Nutzergruppen zu, indem sie Geschäfts-anforderungen sammeln, vorselektieren und vorpriorisieren. Die Gremien werden durch eine Geschäftstelle unter dem IT-Leiter koordiniert.

In den Gremien werden die Bereiche Geschäftsanforderungen und Investitionen im Rahmen der Jahresplanung gemeinsam behandelt. Dabei werden die Zuständig-keiten wie folgt verteilt: Für funktionale Erweiterungen sind die Kundengremien zuständig. Sie priorisieren auf der Basis

einer funktionalen Spezifikation und eines „Angebotspreises“ der Informatikdienste. Die meisten funktionalen Erweiterungen betreffen SAP-Anwendungen für Lehre und Verwaltung, aber auch Erweiterungen des E-Learning-Angebots spielen eine be-deutende Rolle. Im Sinne des Ansatzes ei-ner „Managed Evolution“42 eines IT-Leis-tungsangebots sind die Kundengremien damit für die Verbesserung der Effektivität der IT-Leistung verantwortlich (mit Aus-nahme der übergreifenden Anwendungen). Die Verbesserung der Effizienz ist Aufgabe der IT-Steuerungsgruppe. Die Effizienz-vorhaben werden unter dem Stichpunkt der Betriebsoptimierung zusammengefasst. Zur Betriebsoptimierung gehören bei-spielsweise Architekturvorhaben oder eine Verbesserung der Netzbandbreite. Weiter-hin verantwortet die IT-Steue rungsgruppe übergreifende Leistungen der Universi-tät und den Forschungsbereich. Zu den übergreifenden Leistungen gehört bei-spielsweise die Einführung einer Group-wareplattform, zum Forschungsbereich die Beschaffung eines Höchstleistungs-clusters. Die Geschäftsleitung der IT bzw. der für IT zuständige Prorektor bestimmt selbst über ein Budget zur Betriebssiche-rung. Hierunter fallen alle Investitionen, 42 Murer et al. 2008; Barthmann et al. 2003, S. 102.

die zur Sicherstellung des Betriebs in der derzeitigen Qualität notwendig sind, z.B. das Ersetzen defekter oder veralteter Rou-ter. Weiterhin verwaltet der Prorektor eine globale Reserve. Die Universitätslei-tung legt in Rahmenentscheidungen nach Vorschlag der Informatikdienste fest, wie viele Mittel in jeden Bereich fallen; insbe-sondere beschließt sie einen Schlüssel, wie viele Personal- und Finanzressourcen den einzelnen Kundengremien zur Verfügung stehen (vgl. Abbildung 2).

Der Vorteil dieser Aufgabenteilung be-steht darin, dass jedes Gremium dort In-put gibt, wo es kompetent ist. Eine Uni-versitätsleitung kann aus strategischer Sicht festlegen, wie wichtig die Leistungen der Informatikdienste insgesamt sind (= Festlegung des Gesamtbudgets), wie viel Geld für die Sicherung des Betriebs, für Effizienz- und Effektivitätsvorhaben ver-wendet werden soll und wie sich Effektivi-tätsvorhaben auf die Bereiche Forschung, Lehre und zentrale Dienste verteilen sol-len. Da jeder Bereich und jedes Gremium durch ein Mitglied der Universitätsleitung geleitet wird, ist eine gute Transmission von Information zwischen Gremium, In-formatikdiensten und Universitätsleitung sichergestellt. Die Kundengremien ver-dichten und priorisieren die Effektivitäts-anforderungen in dem Bereich, in dem sie kompetent sind. IT-affine Mitglieder der IT-Steuerungsgruppe stellen in Zusam-menarbeit mit der Geschäftsleitung der Informatikdienste sicher, dass auch tech-niknahe Entscheidungen mit den Kunden gemeinsam gelöst werden. Weiterhin fun-giert diese Gruppe als Auffangbecken für Vorhaben, die keinen anderen Gremien zugeordnet werden können. Mit dem (in der Regel unstrittigen) Aufrechterhalten des derzeitigen Betriebs muss sich kein Gremium beschäftigten. Der Preis für eine fokussierte Einbeziehung von Kunden und Nutzern ist eine recht aufwändige Logistik bei der Vorbereitung der Gremienarbeit sowie der Logistik der Entscheidungen.

Der eigentliche Planungsprozess steht in einem Spannungsfeld zwischen einer möglichst breiten Nutzerbeteiligung und einem Umgehen mit einer Flut an An-

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Abb. 1: IT-Gremien nach dem Vorbild von Ward/Peppard 2008, S. 374.

Abb. 2: Zuständigkeiten bei der Planung (Quelle: Bachmann 2008)

forderungen. Mit hunderten von Anfor-derungen können weder Gremien noch Informatikdienste umgehen. So kann ein Bereich der Informatikdienste für eine solide Planungsgrundlage nicht hunderte von Vorhaben so weit ausplanen, dass er für jedes Vorhaben Kosten/Nutzen, Risi-ko, Strategie-Fit und Architekturfit ausar-beitet.43 Auch ist eine saubere Analyse der Wechselwirkungen zwischen einer großen Zahl von Projekten nicht möglich. Des-halb wird die Planung – ähnlich wie in der Produktionsplanung so aufgebaut,44 dass die Anzahl der Projekte schrittweise verkleinert und für diese Projekte dann zunehmend präzisere Planungsgrundlagen bereitgestellt werden (vgl. Abbildung 3).

Es werden die drei Schritte „Auswahl und Priorisierung“, „Grobplanung“ und „Detailplanung“ unterschieden. Diesen Schritten ist eine intensive Arbeit mit den Nutzergruppen vorgeschaltet, in denen der Bedarf aus Nutzersicht gesammelt und vorpriorisiert wird. Im Schritt „Auswahl und Priorisierung“ beschäftigen sich die Entscheidungsgremien zum ersten Mal mit den geplanten Vorhaben, setzen Schwer-punkte für das kommende Jahr und pri-orisieren – basierend auf einem Vorschlag der Informatikdienste – die einzelnen Vor-haben. Als Entscheidungsgrundlage erhal-ten sie eine Kurzbeschreibung für jedes Vorhaben sowie eine Grobschätzung des Aufwands. Die Informatikdienste fassen die Vorschläge der einzelnen Entschei-dungsgremien sowie der Informatikdiens-

te (für den Bereich der Betriebssicherung) zu einem Gesamtvorschlag zusammen und legen sie der Universitätsleitung vor. Auf dieser Basis entscheidet die Universitätslei-tung über das Gesamtbudget der Informa-tikdienste sowie über einen Ressourcen-schlüssel für die einzelnen Bereiche.

Für die hoch priorisierten Projekte wird nun eine detaillierte Ressourcenpla-nung erstellt, die Abhängigkeiten zwi-schen den Projekten analysiert und in eine Gesamtplanung integriert. Diese wird in der Grobplanungsrunde den Gremien zur Überarbeitung, ggf. Priorisierung und zum Beschluss vorgelegt. Neben einer Grup-pe von fest eingeplanten Projekten gibt es eine Reserveliste, die dann abgearbei-tet wird, wenn im Laufe des Jahres kei-ne neuen, höher priorisierten Vorhaben dazukommen und die fest eingeplanten Projekte mit ihren Ressourcen auskom-men. Die gesamte Jahresplanung wird dann abschließend durch die Universitäts-leitung beschlossen. Damit ist die Portfo-lioplanung abgeschlossen und die weitere Detailplanung geschieht auf Einzelprojek-tebene.

Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels ist die Jahresplanung für 2009 abgeschlossen. Die Zusammenarbeit in den Gremien lief erstaunlich harmonisch. Die Mitglieder der Gremien sind dazu be-reit, sich auf den strukturierten Arbeits-prozess einzulassen, sich in erheblichem Maße zeitlich zu engagieren und auch

harte Priorisierungsentschei-dungen zu fällen. Hier be-währen sich die Transparenz und die breite Abstützung der Entscheidungen. Auch der intensivere Kontakt zwi-schen der Leitung der In-formatikdienste und ihren Kunden (= Mitglieder der Entscheidungsgremien) sowie der Universitätsleitung ist ein willkommener Nebeneffekt der neuen IT-Governance. Erste Anzeichen deuten aber darauf hin, dass das Pla-nungsergebnis dennoch bei den Nutzern keine uneinge-schränkte Akzeptanz findet, weil viele ihrer Bedürfnisse nicht berücksichtigt werden konnten. Es wird versucht,

über politische Kanäle vorbei an den ver-antwortlichen Gremien Entscheidungen zu fällen und die Entscheidungsrechte in den Gremien zu ihren Gunsten beeinflus-sen (z.B. „Sollte die größte Fakultät nicht mehr Entscheidungsrecht haben als die anderen Fakultäten?“).

Das neue Modell führt auch zu Anpas-sungsschwierigkeiten. Neugewählte Pro-rektoren müssen sich an die Moderation von Priorisierungssitzungen gewöhnen und alte Reflexe können noch nicht ganz abgelegt werden. So reservierte die Univer-sitätsleitung 10 % der knappsten Ressour-cen (Entwicklerzeit für SAP-Entwicklung) für sich als Reserve, über die sie im Laufe des Jahres selbst verfügen möchte.

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Obwohl IT-Governance in Privatunter-nehmen seit Jahren intensiv diskutiert wird, wurde sie bisher in der öffentli-chen Verwaltung und insbesondere in Hochschulen kaum diskutiert. Der Prob-lemdruck, Fachkompetenz jenseits der IT in IT-Entscheidungen einzubeziehen, ist mit der zunehmenden Bedeutung der IT für das „Geschäft“ der Hochschulen aber deutlich gestiegen. Einzelne Universitäten haben ihre IT-Governance in den letzten

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Schwabe, IT-Governance an Universitäten

Abb. 3: Planungsablauf (Quelle: Bachmann 2008)

43 Krcmar 2003, S. 157.

44 Scheer 1997.

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Schwabe, IT-Governance an Universitäten

Jahren grundlegend erneuert und erregen dadurch auch Aufmerksamkeit. Hier sei beispielsweise Karlsruhe mit seinen aus-geklügelten Mechanismen zur Beteiligung von Kunden und (!) Nutzern genannt; Karlsruhe glänzt auch durch sehr gut do-kumentierte Prozesse. Ein weiteres Bei-spiel für eine interessante Universität wur-de in diesem Beitrag vorgestellt. Es wird aufgezeigt, wie an der Universität Zürich durch eine Verteilung von Aufgaben an Subgruppen von Kunden insgesamt ein hohes Maß an Kundenbeteiligung effizient umgesetzt wird. Es besteht die Hoffnung, dass dadurch die Effektivität der gefällten Entscheidungen steigt.

Eine grundlegende Frage ist, wie Hoch-schulen zu einer guten IT-Governance-Struktur gelangen können. Bisher hat jede Universität dabei weitgehend für sich selbst gewirtschaftet. Jetzt gilt es, die Er-fahrungen auszutauschen und auf dieser Basis gemeinsam zwei bis drei Modelle der IT-Governance für unterschiedliche Universitätstypen zu entwickeln. Nur so kann auf ökonomische Weise die Phase der Improvisation und des Experimentie-rens durch eine gezielte Gestaltung der IT-Governance abgelöst werden.

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Verwaltung und Management15. Jg. (2009), Heft 5, S. 271-277

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Giovanni GroppoDipl. Informatik-Ing. ETH, seit mehreren Jahren für die Stadtverwaltung Zürich tä-tig. Seit 2006 wirkt er als ICT-Architekt bei der Konzeption und Umsetzung der neuen IT-Strategie mit.

Bei der Umsetzung politischer Vorhaben stellt die IT zunehmend einen wesentlichen Treiber und Erfolgsfaktor dar. So umfassen Vorhaben im Zuge der Verwaltungsmodernisierung in der Regel im Kern auch Projekte zur Weiterentwicklung der IT. Diese Weiterentwicklung bedarf einer strategischen IT-Planung, damit bei wachsenden Herausforderungen und gleichzeitig steigender technologischer Komplexität dauer-haft auch wirtschaftliche und qualitativ hochwertige sowie sichere IT-Lösungen bereitgestellt werden können. Unser Beitrag zeigt auf, wie die Stadtverwaltung Zürich vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung spezifischer organisationsinterner Gegebenheiten ihre IT umfassend neu konzipiert und die für den erfolgreichen IT-Einsatz er-forderliche (Re-)Organisation von Strukturen, Prozessen und organisati-onsweiten IT-Architekturen angeht.

Strategische Neuausrichtung der IT in der öffentlichen Verwaltung

Giovanni Groppo und Uwe Heck

Einleitung

Die Stadtverwaltung Zürich

Zürich hat im schweizerischen Kontext eine starke Stellung. Als größte Schweizer Stadt ist Zürich Standort eines internatio-nal bedeutenden Finanzplatzes, Zentrum und Aushängeschild eines Wirtschafts-raumes, der als „Motor der Schweiz“ fungiert und neben Genf das wichtigste Tor der Schweiz zur Welt ist. Zürich ist der Hauptort des gleichnamigen Kan-tons und ein überregionales Zentrum mit rund 1,7 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern1. Die Stadt ist bekannt für ihre bevorzugte Lage am See. Des Weite-ren verfügt die Stadt Zürich über eine der größten und komplexesten öffentlichen Verwaltungsorganisationen der Schweiz.

hörigen Dienstabteilungen zusammen. Sie setzen die Beschlüsse des Gemeinderates als gesetzgebende Behörde um. Jedes Mit-glied des Stadtrats steht einem Departe-ment vor.

Die IT-Organisation in der Stadtverwaltung

Die Dienstabteilung OIZ (Organisation und Informatik, Stadt Zürich) ist die zen-trale Informatik-Leistungsanbieterin der Stadtverwaltung und dem Finanzdepar-tement zugeordnet. Als Querschnittsamt ist sie Ansprechpartnerin für die Departe-mente und Dienstabteilungen in allen Be-langen der Organisation und Informatik. Die jeweiligen Departemente und Dienst-abteilungen nehmen in Koordination mit der OIZ entsprechende IT-Aufgaben auf ihrer Ebene wahr.

Strategische IT-Planung bei der Stadt Zürich

Ausgangslage

Eine öffentliche Verwaltung wie jene der Stadt Zürich mit Departementen (D) und Dienstabteilungen (DA) – und damit mit unterschiedlichen Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für öffentliche Be-lange – stellt eine dezentrale Organisati-onsstruktur dar. Die Geschäfte der Stadt-verwaltung sind damit arbeitsteilig und vielfältig. Jedes Departement/jede Dienst-abteilung erbringt gemäß ihrem organisa-torischen Auftrag entsprechende Leistun-gen für die Verwaltung resp. den Kunden (Einwohner, Firmen). Sowohl auf Ebene D/DA als auch departementübergreifend/stadtweit besteht damit die unternehme-

Neben den in jeder Gemeinde anstehen-den Verwaltungsaufgaben in den Berei-chen Kultur, Schule, Finanzen, Schutz und Sicherheit, Soziales, Bauten sowie Energie und Entsorgung führt die Stadt Zürich mehrere größere Betriebe resp. Organisa-tionen, welche Leistungen erbringen, die die meisten kleineren und mittelgroßen Gemeinden von Dritten beziehen. Dazu zählen insbesondere zwei Spitäler, ein Ver-kehrsunternehmen, ein Energieunterneh-men, ein Entsorgungsunternehmen, eine eigene Polizei, eine Berufsfeuerwehr sowie eine Berufssanität. Der Stadtrat bildet die Regierung der Stadt Zürich und arbeitet als Kollegialbehörde. Seine neun Mitglie-der sind vollamtlich tätig. Die Stadtver-waltung ist entsprechend der Zahl der Ratsmitglieder gegliedert und setzt sich aus neun Departementen und den dazuge-

Dr. Uwe Heckhat die Neuausrichtung der IT in der Stadtverwaltung Zürich in den Jahren 2006-2008 als Consultant für strategische IT-Entwicklung mitgestaltet und ist derzeit Dozent im Fachbereich Wirtschaft der FHSG St. Gallen.

Ein Erfolgsfaktor zur Umsetzung der Verwaltungsmodernisierung

1 siehe: http://www.stadt-zuerich.ch.

rische Notwendigkeit zur fortlaufenden und wirtschaftlichen Anpassung, Weiter-entwicklung, Optimierung bzw. Rationali-sierung der Leistungserbringung resp. der Geschäftsprozesse – nicht zuletzt durch den Einsatz geeigneter IT. Dies spiegelt sich auch im Rollenverständnis und der konsequenten Umsetzung von Stadtratsbe-schlüssen im Bereich der Informatik wider. Mit Ausnahme der Kommunikationsinfra-struktur, welche gesamtstädtisch von der OIZ betrieben wird, gibt es quer über alle D/DA eine Vielzahl von dezentralen Infor-matik-Leistungserbringenden mit teilweise redundanten Aufgaben. Ein solch gelebter dezentraler Ansatz sichert den D/DA eine große Flexibilität, erfordert jedoch eine koordinierte und gelenkte Informatikent-wicklung für die gesamte Stadtverwaltung. Dieser wachsenden Bedeutung einer koor-dinierten IT bewusst, hat der Stadtrat per 2005 entschieden, die aus den neunziger Jahren stammende IT-Strategie umfassend zu überarbeiten und neu festzulegen. Die-se IT-Strategie soll u.a. der zunehmenden Bedeutung in der Erbringung von wirt-schaftlichen Informatikdienstleistungen für die Gesamtorganisation – welche eine koordinierte und gelenkte Informatikent-wicklung in der gesamten Stadtverwaltung erfordert – umfassend und nachhaltig ge-recht werden.

Vorgehen und Ablauf

Um die heterogenen Rahmenbedingun-gen für die IT in der Stadt zu reflektie-ren, erfolgte der Ablauf der strategischen IT-Planung (vgl. Abb. 1) ausgehend von übergeordneten – organisatorisch breit abgestützten – Grundsätzen und strategi-schen IT-Zielen, welche dementsprechend auf Ebene Gesamtorganisation erarbeitet wurden.

Damit deren Umsetzung gewährleistet werden konnte, wurde in einem nächsten Schritt eine entsprechende IT-Steuerung/IT-Organisation festgelegt und in Kraft gesetzt. Im nachfolgenden sind dann eine entsprechende IT-Basis-Infrastruktur (IT-Architektur) konzipiert und entsprechende Maßnahmen und Initiativen zu deren Um-setzung festgelegt worden. Diese IT-Basis-Infrastruktur umfasst primär Plattformen & Netzwerke (technische Architektur) und Anwendungen (Anwendungsarchitek-tur).

Festlegung von IT-Grundsätzen und strategischen IT-Zielen

Zur Festlegung von IT-Grundsätzen und strategischen IT-Zielen waren in einem dreitägigen Syntegrationworkshop2 ver-schiedene Teilnehmer (darunter Dienst-chefs, Departementssekretäre und IT-Vertreter aus allen Departementen) damit beauftragt, Handlungsempfehlungen zu diskutieren und daraus resultierende stra-tegische Maßnahmen abzuleiten und zu erarbeiten. Als Ergebnis stand nach die-sem Workshop ein konkreter Maßnah-menkatalog fest, welcher zur Umsetzung und Verarbeitung in eine IT-Strategie ab-gegeben wurde. Die Komponenten die-ser IT-Strategie sind dabei übergeordnete Grundsätze sowie strategische IT-Ziele resp. Teil-Strategien, die aufzeigen, wie die strategischen Ziele erreicht werden sollen. Bespiele für solche – gemeinsam verein-barten – IT-Grundsätze sind:

Die IT ist nach wirtschaftlichen Grund- sätzen unter Berücksichtigung der ge-setzlichen und politischen Rahmenbe-dingungen service- resp. kundenorien-tiert zu führen; Lösungen sind so zentral wie möglich und so dezentral wie nötig zu realisie-ren; die Stadt verfolgt eine leistungsstarke zentrale Informatik (OIZ), die eng mit den Departementen/Dienstabteilungen zusammenarbeitet; branchenspezifische IT-Fachkenntnisse sind in den Departementen/Dienstab-teilungen zu verankern; die Stadt Zürich realisiert innovative IT-Lösungen, jedoch keine Pionierlö-sungen mit hohen Risiken; Datensicherheit und Datenschutz ha- ben hohe Priorität und sind mit aner-kannten Standards und organisatori-schen Maßnahmen sicherzustellen.

Diese Grundsätze spiegeln bereits die Grundrichtung der IT-Strategie – eine Strategie im Sinne einer Konsolidierung und Standardisierung – wider. Ein we-sentlicher Effektivitäts- und Effizienzge-winn wird u.a. dadurch erwartet, dass die dezentralen IT-Einheiten sich auf die Geschäftsprozessumsetzung fokussieren können, während die OIZ als zentrale IT sich auf die (zentrale) Leistungserbringung konzentriert.

Basierend auf diesen Grundsätzen wur-den strategische IT-Ziele erarbeitet. Diese definieren die langfristigen Ziele und Leit-planken für die Nutzung und Entwick-lung der Informatik. Sie richten sich kon-sequent an ausgewiesenen Bedürfnissen und politischen Prioritäten und – davon abgeleitet – an den Erfordernissen der Ge-schäftsprozesse aus.

Folgende strategischen IT-Ziele wurden gesetzt:

Neudefinition der IT-Steuerung: Aufgrund der gesamtorganisatorischen Tragweite resp. stadtweiten Bedeutung der (Neu-)Ausrichtung der Informatik muss eine entsprechende „IT-Steue-rung“ der Stadt Zürich vom Stadtrat getragen und von allen aktiv gelebt werden. Hierzu sind alle relevanten Funktionen (Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten) festzulegen und alle relevanten Instrumente (z.B. Projekt-Portfolio-Management, Risk-Management) zur wirksamen Steue-rung der IT zu definieren.

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Groppo/Heck, Strategische Neuausrichtung der IT in der öffentlichen Verwaltung

2 Zur Methodik der Syntegration: siehe Malik Management Zentrum St. Gallen AG (www.malik-mzsg.ch).

Abb. 1: Grober Ablauf der strategischen IT-Planung

Festlegung von IT-Grundsätzen und strategischen IT-Zielen (IT-Strategie)

Neukonzeption Umsetzung der IT-Basis-Infrastruktur(Prozesse, Anwendungen, Infrastruktur)

Neuausrichtung der IT-Steuerung / IT-Organisation

Stadtweit einheitliche IT-Basis-Infra- struktur: Derzeit werden viele Insellösungen auf einer Vielzahl von Plattformen mit entsprechend hohem Betriebsaufwand betrieben, weil die D/DA eigene Vor-stellungen über die einzusetzenden In-formatikprodukte haben und sich der gesamtstädtischen betrieblichen Kon-sequenzen nicht bewusst sind. Ziel ist der gezielte und sukzessive Aufbau ei-ner stadtweit einheitlichen IT-Basis-In-frastruktur, welche sicherstellt, dass die Informatik in der Gesamtheit effizient betrieben und flexibel weiterentwickelt werden kann. Diese IT-Basis-Infra-struktur umfasst primär die Schichten Plattformen & Netzwerke (technische Architektur) und Anwendungen (An-

wendungsarchitektur) sowie die zur nachhaltigen Umsetzung notwendigen organisatorischen Maßnahmen.Stadtweit standardisierte Betriebs-, Support- und Beschaffungsprozesse in der IT: Aufgrund der dezentralen Informa-tikorganisation in der Stadt Zürich existieren zahlreiche unterschiedliche Prozesse. Schnittstellen sind zum Teil unklar oder gar nicht definiert; dies er-schwert die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Organisationseinheiten. In Zusammenhang mit der Zentralisie-rung von Dienstleistungen müssen auch die Betriebs- und Supportprozesse ver-einheitlicht und klare, allgemeingültige Service Levels definiert und entspre-chende organisatorische Maßnahmen umgesetzt werden (z.B. Zentralisierung Service Desk). Ziel ist die Definition standardisierter und am Kunden (An-wendern in den D/DA) orientierte Be-triebs-, Support- und Beschaffungspro-zesse.

Groppo/Heck, Strategische Neuausrichtung der IT in der öffentlichen Verwaltung

Einheitliches ERP-System für sämtliche Supportprozesse: Für klassische Supportprozesse (Fi-nanz- und Rechnungswesen, Personal-verwaltung, Materialwirtschaft etc.) sind unterschiedliche Prozesse und Systeme implementiert. Diese Hetero-genität auf Prozess- und Systemebe-ne führt u.a. zu hohen Kosten für die Gesamtorganisation. Ziel ist daher für die Support-Prozesse innerhalb der Ge-samtorganisation: a) harmonisierte und standardisierte Prozesse als Grundlage für eine effizientere und wirtschaftli-chere Verwaltungstätigkeit in diesen Querschnittsfunktionen anzustreben; b) die Ablösung der bestehenden Systeme, welche den fachlichen Anforderungen nicht mehr genügen, voranzutreiben

und c) damit eine bessere Integration der bereichsspezifischen sowie bereichs-übergreifenden Prozesse dank einer einheitlichen ERP-Systemplattform zu gewähren. Hierdurch wird eine subs-tanzielle Reduktion der Systemvielfalt und der damit verbundenen Betriebs- und Wartungskosten ermöglicht.Einheitlicher IT-Büroarbeitsplatz: Bis heute wird nur ein kleiner Teil der rund 11.000 Clients in der Stadtver-waltung zentral von der OIZ betrie-ben. Selbiges gilt für generelle Dienste eines typischen IT-Büroarbeitsplatzes. So existiert beispielsweise bislang kein einheitliches, übergreifendes, städti-sches Drucker-Konzept. Teilweise or-ganisieren die D/DA sowohl ihre File- und Print-Dienste selber als auch den Support und den Helpdesk. Ziel ist die Definition eines einheitlichen IT-Büroarbeitsplatzes in der Stadtverwal-tung mit der Richtgröße, dass 90% der Arbeitsplätze diesem einheitlichen IT-Büroarbeitsplatz entsprechen und dass dieser IT-Büroarbeitsplatz zentral von

»Organisationsweite Neuausrichtung der IT braucht korrespondierende IT-Steuerung.«

der OIZ für die Gesamtorganisation betrieben wird.Reduktion der Betriebszentren 3: Eine Ist-Analyse hat ergeben, dass in der Stadtverwaltung über 60, meist kleinere Betriebszentren betrieben wer-den. Die hohe Anzahl an Betriebszen-tren führt zu Nachteilen, wie: a) hohe Anzahl an Systemen, Technologien und Werkzeugen mit gleichen Funktionali-täten, jedoch unterschiedlichen Verfah-ren für gleiche Vorgänge; b) Doppelar-beiten in den IT-Abteilungen; c) mehr-facher Auslegung von „Recovery and Backup“; d) ungenügender Nutzung freier Kapazitäten (Verarbeitung, Spei-cherung, Bandbreite) und e) redundant vorhanden Systemen, welche oft unge-nügend ausgelastet sind. Eine physische Konsolidierung ist notwendig, weil so die oben beschriebenen Nachteile beho-ben werden können, ein hoher Grad an Organisation und Automation sich auf-grund der kritischen Masse lohnt und somit operative Risiken gesenkt wer-den können. Mit Hilfe durchgängiger Prozesse, Konzentration von Ressour-cen und Automation kann schlussend-lich die Servicequalität gesteigert und trotzdem die Kosten gesenkt werden, was zu einem besseren Kosten-Nutzen-Verhältnis führt. Der Kunde erfährt die optimalen Servicelevels durch die höhe-re Serververfügbarkeit, die kürzere Re-aktionszeit und durch ein verbessertes Service-Reporting. Ziel ist, nur noch zwei zentrale Betriebszentren für den Betrieb der „IT-Basis-Infrastruktur“ und der Fachapplikationen zu unter-halten und dementsprechend die dezen-tralen Betriebszentren in diese zwei zu überführen.Vernehmlassung von Investitions-, Ver- rechnungs- und Preismodellen: Herausforderung für die IT ist, ihre Kosten transparent und produktorien-tiert nachzuweisen. Damit soll in erster Linie die Basis für einen Service-Kata-log der angebotenen Leistungen und für ein entsprechendes Service-Level- Management geschaffen werden. Die derzeit bestehenden Instrumente lassen eine produktorientierte Kostenberech-nung nur bedingt zu. Eine Kostenop-

VM 5/2009 273

3 Unter Betriebszentren werden hier (dezentrale) Rechenzentren und Serverräume verstanden.

timierung kann daher nur mittels auf-wändigen Einzeluntersuchungen oder auf Basis von Grobschätzungen erfol-gen. Die Verbesserung der Finanzsteu-erung ist daher eine permanente Auf-gabe. Nur so lassen sich auch mögliche Alternativen zur Erbringung von IT-Dienstleistungen sowohl in organisato-rischer (z.B. Outsourcing, ASP-Modelle o.ä.) als auch in finanzierungstechni-scher Sicht (Leasing, Miete, Kauf) auf deren Umsetzbarkeit und Wirkungs-weise prüfen. Ziel ist daher, geeignete Investitions-, Verrechnungs- und Preis-modelle, welche die Standardisierungs- und Konsolidierungsziele der IT-Strate-gie unterstützten, einzuführen.

Exemplarische Umsetzung strate-gischer IT-Ziele

Im nachfolgenden soll exemplarisch die Umsetzung einiger erwähnter strategischer IT-Ziele aufgeführt werden. Wir fokussie-ren uns in diesem Beitrag auf das Aufzei-gen der Umsetzung organisatorischer Zie-le (IT-Steuerung, IT-Organisation) sowie auf die Skizzierung der Umsetzung einer zielführenden IT-Basis-Infrastruktur (IT-Architektur) für die Gesamtorganisation.

Neudefinition und Etablierung der IT-Steuerung

Anstoß für die Bildung neuer Strukturen der IT-Steuerung war das Projekt „Füh-rungsmodell Stadtrat Zürich“. Als dessen Projektziel gilt, die Führung des Stadtrats

über die gesamte Verwaltung durch Schaf-fung klarer und eindeutiger Führungs-prozesse (Strategien, Strukturen, Prozesse sowie Planungs- und Führungsinstrumen-te) zu stärken. Dies bedeutet eine Neuaus-richtung des Führungsmodells insbeson-dere auch für den Bereich der IT und so-mit eine Abkehr vom bisherigen, eher als föderalistisch zu bezeichnenden Modell. IT ist nicht mehr nur eine Angelegenheit der einzelnen D/DA, sondern der Stadtrat erhebt den Anspruch, die IT zu führen und somit auch steuern zu können. Die bisherige Steuerung der IT wurde primär von einem Informatikausschuss als bera-tendes Gremium des Stadtrates innerhalb des Finanzdepartements wahrgenommen und dementsprechend als zu stark an das Finanzdepartement gebunden wahrge-nommen. Es entstanden ferner Probleme daraus, dass die OIZ einerseits mit ihrem Mandat als bedeutendes Mitglied im In-formatikausschuss Einsitz hatte und an-dererseits gleichzeitig auch als Anbietende von IT-Dienstleistungen in zwei gegen-sätzlichen Rollen für die D/DA ihre Auf-gaben erfüllte. Aufgrund der Vermischung verschiedener Rollen und des Fehlens eines unabhängigen IT-Controllings war die bisherige IT-Steuerung zur Umsetzung der neuen strategischen IT-Ziele nicht ge-eignet. Daher wurden die Anforderungen an die neue IT-Steuerung grundsätzlich überdacht und neu definiert. Folgende An-forderungen an die IT-Steuerung wurden festgelegt:

unterstützt die Umsetzung der strategi- schen IT-Ziele;

trennt die Ebenen Planung und Durch- führung von Entscheidung, Steuerung und Kontrolle;gewährleistet den Einbezug des Stadt- rats (im Sinne eines Board of Direc-tors);erlaubt die angemessene Vertretung der Departemente und Dienstabteilungen;ermöglicht schnelle Entscheidungs- und Eskalationswege;definiert eine einfache und transparente Struktur mit klarer Zuteilung von Auf-gaben, Kompetenzen und Verantwort-lichkeiten undmuss einfach umsetzbar sein.

Es wurde eine IT-Delegation des Stadt-rats bestehend aus dem Vorstehenden des Finanzdepartementes und zwei weiteren Stadträten gebildet, welcher der Direktor der OIZ und mindestens drei Direkto-ren oder Geschäftsleitungsmitglieder von Dienstabteilungen angehören.

Der IT-Delegation des Stadtrats wurde eine Geschäftsstelle (IT-Controlling & Se-kretariat) angegliedert. Die Geschäftsstelle „IT-Controlling & Sekretariat“ ist in das Departementssekretariat des Finanzde-partements integriert. Die Führung der IT-Bereiche in den D/DA bleibt dezentral bei den entsprechenden Departementen bzw. Dienstabteilungen. Fachlich arbeiten die-se Bereiche über die IT-Leiter-Konferenz (ITLK) eng mit der OIZ zusammen, wo-bei die OIZ die erforderlichen Koordina-tionsaufgaben mit der ITLK sicherstellt. Die neue IT-Steuerung (vgl. Abb. 2) hat den Vorteil, dass der Stadtrat in der IT-Delegation angemessen involviert ist und dass mehrere Departemente in der IT-De-legation vertreten sind. Ein weiterer Vor-teil ist die Etablierung eines von der OIZ unabhängigen IT-Controllings.

Nachfolgend sei dargelegt, wie die neue IT-Steuerung beispielsweise über den Bud-getprozess und über die Führung eines IT-Projektregisters (Projektportfolio) Einfluss auf die Entwicklung der städtischen IT nimmt.

Steuerung über das IT-Budget: Im Rahmen des Budget-Prozesses der Stadtverwaltung wird das IT-Budget als Ressourcen- oder Querschnittsbud-get speziell behandelt. Das IT-Budget ist früher, gesamtstädtisch gesehen, über die Jahre konstant angewachsen,

Groppo/Heck, Strategische Neuausrichtung der IT in der öffentlichen Verwaltung

Abb. 2: Organisation der IT-Steuerung

VM 5/2009274

OIZ

IT-Controlling& Sekretariat

Dept./DA

Dept./DA

Dept./DA

Dept./DA

Dept./DA

ITLK

StadtratFV

IT-Delegation

Mitglied StadtratDirektorIn DADirektorIn OIZIT LeiterInnen Dept./DA

FV

3 StadträteDirektor OIZ3 GL-Mitglieder von DAs

ohne dass die Gründe dafür wirklich transparent wurden. Zudem wurde es oft nur partiell ausgeschöpft. Dies hat-te zur Folge, dass an dem Prozess, der zum IT-Budget führte, zwingend Ände-rungen vorgenommen werden mussten. Diese Änderungen haben zum Ziel, die Entwicklung des IT-Budgets kontrol-liert, koordiniert und transparent vor-zunehmen und somit dem Anspruch der IT-Steuerung zu entsprechen. Das IT-Budget jeder Dienstabteilung wird jährlich anlässlich der Budget-Erstel-lung in zwei logischen Teilen betrach-tet:

IT-Betriebsbudget: umfasst die Mit-tel, die unabdingbar und ohne sub-stantiellen Entscheidungsspielraum für den Betrieb der bestehenden Systeme gebraucht werden. Zusätz-lich gehören zum IT-Betriebsbudget die Mittel für kleinere Projekte in der Kompetenz der Dienstchefin resp. des Dienstchefs (Ausgaben < 200.000 CHF).IT-Projektbudget: umfasst die Mittel zur Durchführung von Projekten mit Ausgaben > 200.000 CHF (in der Kompetenz des Stadtrates oder der zuständigen Vorsteherin resp. des zuständigen Vorstehers). Mittel für das IT-Projektbudget einer Dienst-abteilung werden ausschließlich für Projekte zur Verfügung gestellt, die im städtischen IT-Projektregister (siehe unten) verzeichnet sind und im entsprechenden Jahr noch laufen.

Die zwei logischen Teile ergeben zusam-men das gesamte IT-Budget einer Dienst-

abteilung. Die Betrachtung dieser beiden logischen Budgetteile entspricht der Er-stellung von zwei Kennzahlen, die die ge-samtstädtische Koordination des IT-Bud-gets ermöglicht.

Steuerung über das IT-Projektregister: Das IT-Controlling führt das IT-Pro-jektregister. In diesem sind alle rele-vanten, einem übergeordneten Bewil-ligungsprozess unterworfenen IT-Pro-jekte verzeichnet, die zusammen das IT-Projektportfolio der Stadt Zürich ausmachen. Mit dem Begriff „überge-ordneter Bewilligungsprozess“ ist der-jenige gemeint, der eine Bewilligung einer Instanz außerhalb der auftragge-benden Dienstabteilung benötigt. Ein solcher Prozess ist unabdingbar für IT-Vorhaben, die:

einmalige IT-Ausgaben ab 200.000 CHF verursachen,die IT-Infrastruktur in einer Wei- se betreffen, die durch die neue IT-Strategie geregelt ist undAusgaben für wiederkehrende Fol- gekosten verursachen, die eine Er-höhung des IT-Betriebsbudgets um mehr als 200.000 CHF erzwingen.

Alle IT-Vorhaben, die den übergeordneten Bewilligungsprozess durchlaufen, müssen von der IT-Delegation beurteilt werden. Die IT-Delegation hat für bestimmte Fälle die Kompetenz an das IT-Controlling de-legiert. In bestimmten Fällen werden bei der Beurteilung auch Mitberichte der OIZ betreffend Einhaltung der Richtlinien der IT-Security und Architekturkonformität berücksichtigt. Die IT-Vorhaben werden dabei grundsätzlich nach den Kriterien

Notwendigkeit, mögliche Alternativen, Wirtschaftlichkeit und Strategiekonformi-tät beurteilt.

Neukonzeption der IT-Basis-Infrastruktur (IT-Architektur)

Die IT-Basis-Infrastruktur (IT-Architektur) stellt den konzeptionellen Kern zur Umset-zung der strategischen IT-Ziele dar. Sie lie-fert den stabilen Rahmen, der allen in die Planungs- und Umsetzungsprozesse invol-vierten Organisationseinheiten und Perso-nen Orientierungshilfen für ihre Entschei-de bietet. Angesichts einer wachsenden Anzahl heterogener Applikationsplattfor-men, Betriebssystemen, Integrationsinfra-strukturen und Entwicklungswerkzeugen sowie meist historisch gewachsenen IT-Anwendungslandschaften mit hoher Schnittstellenkomplexität verfolgen viele Organisationen das Ziel, durch eine ge-eignete IT-Basis-Infrastruktur resp. einem geeigneten IT-Architektur-Ansatz die Inte-gration bestehender Anwendungssysteme zu standardisieren und dazu eine platt-formübergreifende Integrationsinfrastruk-tur aufzubauen.

Eine zurzeit stark diskutierte Architek-tur, die ein solches Vorhaben ermöglicht, ist die so genannte serviceorientierte Ar-chitektur. Dieser Ansatz verfolgt das Ziel, die Anwendungslandschaft eines Unter-nehmens zu entflechten und zu straffen und eine Harmonisierung zwischen Ge-schäft/Kunden (Prozesse) und IT (Inf-rastruktur) herbeizuführen. Eine solche Architektur stiftet direkten wirtschaftli-chen Nutzen dank Standardisierung und Konsolidierung, sie erhöht die Agilität des Unternehmens im sich verändernden Marktumfeld und verbessert die Qualität der erbrachten Services. Ein solch umfas-sender Ansatz wird in der Stadtverwal-tung verfolgt (vgl. Abb. 3) und führt zu den notwendigen und gewünschten Trans-formationen auf den Ebenen: Prozesse, Anwendungen, technische IT-Infrastruktur und IT-Organisation.

Innerhalb der Neukonzeption der IT-Basis-Infrastruktur (IT-Architektur) in der Stadt Zürich werden derzeit verschiedene Aktivitäten auf den Ebenen technische IT-Infrastruktur, Anwendungsarchitektur, Prozesse und Organisation wahrgenom-men. Nachfolgend werden einige wesent-

Groppo/Heck, Strategische Neuausrichtung der IT in der öffentlichen Verwaltung

Abb. 3: Notwendige Transformationen zur Neukonzeption der IT-Basisinfrastruktur

VM 5/2009 275

VerwaltungStadt-ZH

Organisation

Organisations-struktur

Geschäfts-prozesse

Informatik

Anwendungen/Systeme

Organisations-struktur

IT-/Business-Alignment (Harmonisierung)

Transformation der IT-Anwendungsarchitektur

und der technischen IT-Infrastruktur

Transformationauf der Prozessebene:

„applikationszentrische“ Auslegung„geschäftsprozess-fokussierten“ Ansatz

strategische Gesamt-anforderungen

an die IT

Transformationder Organisation

4 itSMF e.V.: ITIL in der Öffentlichen Verwaltung Planung, Einführung und Steuerung von IT-Service-Prozessen Symposion Publishing 2007.

liche Handlungsfelder im Bereich Anwen-dungsarchitektur vorgestellt:

Konsolidierung der IT-Anwendungs- landschaft: Die erwähnte historisch gewachsene Anwendungslandschaft erschwert eine gezielte Fortentwicklung häufig durch eine enge Kopplung von Systemen, sowie einer unklaren Verteilung von Zuständigkeiten (z.B. Verwaltung von Stammdaten) und Mehrfachlösungen (funktionale Überlappungen). Die Kon-solidierung einer IT-Anwendungsland-schaft ist daher oft der erste Schritt hin zu einer serviceorientierten Architektur. Diese kann in einzelnen Bereichen der Anwendungslandschaft erfolgen, so dass eine service-basierte IT-Konsoli-

dierung schrittweise zu klar definierten Zuständigkeiten führt und dadurch eine entkoppelte Weiterentwicklung und Wiederverwendung der Anwen-dungen beispielsweise mittels einer Service-Plattform gewährleistet resp. forciert wird. Im ERP-Umfeld ist in der Stadtverwaltung die Konsolidierung im Rahmen der Umsetzung der neuen IT-Strategie bereits erfolgt. So wird für die Unterstützung der klassischen Sup-portprozesse wie HR, FRW und Logis-tik ausschließlich SAP eingesetzt. Die entsprechende IT-Infrastruktur wird zentral von der OIZ betrieben, welche ferner ein SAP-Competence-Center als Anlaufstelle für alle Vorhaben rund um SAP aufgebaut hat.Vereinheitlichung der Verwaltung/Be- wirtschaftung gemeinsamer Daten: Eine häufig anzutreffende Situation in großen und bedingt koordiniert ge-wachsenen Anwendungslandschaften ist die uneinheitliche und redundan-te Verwaltung gemeinsam benötigter (Stamm-) Daten. Oft bringt beispiels-

weise – gerade beim Zukauf resp. Ein-satz von Standard-Software – ein Sys-tem eine eigene (Stamm-)Datenhaltung mit und verfügt dementsprechend über eigene Funktionen, eine solche aufzu-bauen. Dies führt zu Inkonsistenzen, zusätzlichen Aufwänden für den (Da-ten-)Abgleich zwischen Systemen, funk-tionalen Redundanzen (Bewirtschaf-tung der Daten) sowie Qualitätsverlus-ten im Bereich gemeinsamer (Stamm-)Daten. Hier gilt es, einem Weg zu fol-gen, der die an der Verwaltung gemein-samer Daten beteiligten Systeme über Services interagieren lässt (Services zur Bewirtschaftung von gemeinsamen Da-ten) resp. diese Services auch anderen – an (Stamm-)Daten interessierten –

Systemen zur Verfügung stellt. Die OIZ hat im Rahmen der Umsetzung der IT-Strategie eine auf dem SOA-Ansatz ba-sierende, zentrale Integrationsplattform aufgebaut, welche von allen Dienstab-teilungen genutzt werden kann. Derzeit werden Services im Bereich der Gebäu-dedaten angeboten. Eine Erweiterung dieser Plattform um Services zu Ein-wohnerdaten steht unmittelbar bevor. Gewährleistung der nahtlosen/einfa- chen Integration neuer Anwendungen: Eine nahtlose Integration von Standard-Produkten (z.B. ERP-System) und/oder Neuentwicklungen in die jeweiligen zu unterstützenden Geschäftsabläufe setzt eine einfache Integration/Einbindung des jeweiligen Systems in die Anwen-dungslandschaft voraus. Oftmals ist dies nicht gewährleistet, was wiederum zu Insellösungen und/oder Aufwänden für die Implementierung von Schnitt-stellen führt. Mit der anvisierten IT-Basis-Infrastruktur und einer entspre-chenden Anwendungsarchitektur lässt sich hier Abhilfe schaffen. Hier gilt es,

einem Weg zu folgen, der die Integrati-on/Einbindung über Services resp. über die Anbindung an die Service-Plattform gewährleistet. Durch diese Anbindung kann eine gezielte fachliche und tech-nische Einbindung in den gesamten Systemverbund erreicht werden, um die jeweiligen zu unterstützenden Ge-schäftsabläufe abzubilden. Dies setzt voraus, dass künftige Systeme (Stan-dard oder Neuentwicklung) eine gewis-se Konformität zur skizzierten IT-Basis-Infrastruktur haben. Die Dokumenta-tion der IT-Basis-Infrastruktur, welche auch als Grundlage für die Erstellung von Anforderungskatalogen genutzt werden kann, erfolgt in der Abteilung Architektur-Management der OIZ. Der Aufbau einer zentralen Koordinations-stelle bei der OIZ, welche Anliegen der Dienststellen betreffend Anwendungs-integration entgegennimmt und für eine geordnete Weiterentwicklung der Service-Plattform sorgt, ist vorgesehen.Etablierung und Institutionalisierung eines Architektur-Managements: Um sicherzustellen, dass die Erwartun-gen an die IT erfüllt werden, benötigt u.a. die IT-Steuerung Informationen über die vorhandene IT-Landschaft, d.h. über IT-Systeme, Abhängigkeiten, Kostentreiber, Heterogenität, Komple-xität, Redundanzen, Lücken etc. Diese Informationen werden typischerweise vom Architektur-Management aufbe-reitet. Während der Umsetzung der neuen IT-Strategie wurde bei der OIZ die Abteilung Architektur-Management geschaffen, welche IT-Architekturen plant, gestaltet und hinsichtlich Um-setzbarkeit, Qualität, Wirtschaftlichkeit und Strategiekonformität überprüft. Sie untersucht proaktiv neuartige Architek-tur- und Technologietrends, beurteilt reaktiv bereits eingeführte Lösungen und bearbeitet in aktuellen IT-Projek-ten architekturrelevante Fragestellun-gen und hat ferner die Aufgabe, die von der IT-Steuerung benötigten Infor-mationen zur IT-Landschaft periodisch aufzubereiten und zu präsentieren.

Groppo/Heck, Strategische Neuausrichtung der IT in der öffentlichen Verwaltung

»Architekturmanagement als Garant für zielführende Umsetzung notwendig.«

VM 5/2009276

Groppo/Heck, Strategische Neuausrichtung der IT in der öffentlichen Verwaltung

Neuausrichtung der IT-Organisation

Durch eine prozess- bzw. serviceorientierte Neuausrichtung der IT-Organisation wird ein effizienterer Einsatz der IT verfolgt und die Umsetzung der strategischen IT-Ziele der Stadt gewährleistet. Gesamtor-ganisatorisch wurde die Stellung der OIZ als zentraler IT-Dienstleister aufgewertet. Intern wurde die zentrale IT (OIZ) in die Hauptbereiche Planung, Engineering und Betrieb eingeteilt. Des Weiteren wurden für die verwaltungsinternen Kunden ein zentraler Service-Desk und ein entspre-chendes Service-Level-Management ein-gerichtet, welche die Leistungsbezüger der OIZ „betreuen“. Insgesamt wurden wich-tige Ansätze des IT-Service-Managements4 initiiert und aufbau- und ablauforganisa-torisch verankert. Die OIZ übernimmt im

Prozess der IT-Leistungserstellung nun die Rolle des Partners der Bedarfsträger (D/DA), des Koordinators und des Produ-zenten ein. Mit dieser Aufwertung ging auch eine entsprechende Konzentration der Ressourcen für die Wahrnehmung der Aufgaben im IT-Bereich einher. Diese Neuausrichtung und die immer stärkere Notwendigkeit von vernetztem Denken über Abteilungsgrenzen hinweg erfordert Qualifizierungsmaßnahmen für die Mit-arbeitenden, um die Potenziale von Infor-mationstechnologie besser zu erschließen. Ein solch fortwährender Veränderungs-prozess muss mit internen Begleitmaß-nahmen unterstützt werden. Innerhalb der Stadtverwaltung ist daher die Kom-petenzbildung ein wichtiger Erfolgsfaktor, da die strategische Neuausrichtung der IT bzw. die Umsetzung der IT-Strategie viel-fältige Auswirkungen auf die Menschen in der Verwaltung hat und mitunter neue Anforderungen an die Beschäftigten stellt. Daher ist es wichtig, sich rechtzeitig damit auseinanderzusetzen, mit welchen Mög-

lichkeiten des Personalmanagements (z.B. Personalentwicklung, Personalgewinnung) die Veränderungsprozesse unterstützt wer-den können. Benötigt werden Methoden, um neue Veränderungsprozesse anzusto-ßen und eine kontinuierliche Weiterent-wicklung der Verwaltung zu ermöglichen.

Ausblick und Erfahrungen

Die IT bildet eine wesentliche Basis für die Verwaltungsmodernisierung in der Stadt-verwaltung Zürich und hat auf oberster Führungsebene (Stadtrat, Departements-leitung) die entsprechende „Awareness“ erhalten – was zu einer strategischen Neu-ausrichtung der IT, sowohl auf organisa-torischer als auch auf architektonischer bzw. technischer Ebene, geführt hat. Die zielführende Steuerung einer verwaltungs-

weiten IT wurde dementsprechend auch zur Aufgabe der „Gesamtorganisation“ erklärt, was entsprechende organisato-rische Maßnahmen mit sich brachte. Die Stellung einer zentralen IT in der dezent-ralen Struktur der Stadtverwaltung wur-de gestärkt. Konsolidierungsmaßnahmen – mit der Zielsetzung einer signifikanten Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und Planbarkeit – bringen bereits entsprechen-de Synergieeffekte mit sich. Die Notwen-digkeit einer stadtweiten IT-Architektur mit klaren Vorgaben und Konzepten für die Weiterentwicklung ist erkannt und derzeit organisatorisch und technisch in der Umsetzung. Insgesamt ist zu erwäh-nen, dass die Neuausrichtung der IT ein Veränderungsprozess darstellt, der recht-zeitig durch geeignete Change-Manage-ment-Instrumente (Kommunikation, Per-sonalentwicklung u.ä.) unterstützt werden muss. Die Anlehnung an bzw. Adaption von etablierten Standards im IT-Manage-ment (z.B. IT-Servicemanagement nach dem ITIL-Modell oder die Verwendung

»Neuausrichtung ist ein Veränderungsprozess und braucht geeignete Begleitmaßnahmen.«

5 TOGAF The Open Group Architecture Framework: www.opengroup.org/architecture/togaf..

von TOGAF5 im Bereich IT-Architektur) vermitteln und gewähren in dieser Verän-derungsphase eine gewisse Sicherheit – so dass die Ausrichtung an diesen Modellen auch für die Verwaltung äußerst nutzbrin-gend ist.

VM 5/2009 277

Nachrichten

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Gewinner des eGovernment-Wettbewerb 2009 gekürt Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das Ministerium des Innern Brandenburg, das Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz, die Stadt Coburg, das Projekt D115, die Finanzbehörde Hamburg in Zusammenarbeit mit dem Finanzministerium Schleswig-Holstein sowie das Hessische Ministerium des Innern und für Sport sind die Gewinner des 9. eGovernment-Wettbe-werbs.

Der Wettbewerb, der von der Management- und Technologieberatung BearingPoint und dem Technologieanbieter Cisco ausgerichtet wird, kürt jährlich in mehreren Kategorien die innovativsten IT-Projekte in der Verwaltung. Zudem wurden ein Jury- und ein Publikumspreis vergeben.

Folgende Projekte wurden ausgezeichnet:

Kategorie „Zukunftsmodell Verwaltung 2030“: eGovernment- Strategie Teilhabe (Bundesministerium für Arbeit und Soziales): Über ein barrierefreies Online-Portal ermöglicht dieses Projekt behinderten Menschen den vereinfachten Zugang zu einer Vielzahl gebündelter Informationen wie Ansprechpartner, Zuständigkeiten und Adressen. Im Fokus steht dabei die syste-matische Einbindung benachteiligter Menschen.

Kategorie „IT-Strategie der Verwaltung“: Einführung eines lan- deseinheitlichen elektronischen Systems für Zusammenarbeit (EL.ZA) (Ministerium des Innern Brandenburg): EL.ZA er-möglicht den Nutzern der Ministerialverwaltung eine weitge-hende elektronische Bearbeitung ihrer Prozesse, Dokumente und Akten auf einer Plattform. Diese medienbruchfreie „All-in-one-Lösung“ wird dank modernster webbasierter Kommunikationsmittel möglich.

Kategorie „eCollaboration“: Medienbruchfreie DNA- Datenerfassung und -übermittlung (Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz): Über ein einheitliches, schnelles, sicheres und vor allem gerichtsfestes Erfassungs- und Übermittlungssystem gewährleistet die neue Datenerfassung und -übermittlung die medienbruchfreie Bereitstellung von Laborinformationen und DNA-Analysen.

Kategorie „Next Generation Services“: Digitales Stadtgedächtnis (Stadt Coburg): Mittels E-Government wird den Bürgern der Stadt Coburg die direkte Mitgestaltung des neuen Stadtarchives ermöglicht.

Kategorie „Innovation“: D115 Einheitliche Behördennummer (Bundesministerium des Innern): Die D115 ermöglicht den Zugang zu Auskünften über die Leistungen der Öffentlichen Verwaltung unabhängig von der jeweils betroffenen Verwaltungsebene (Kommune, Land, Bund).

Publikumspreis „Beste E-Government-Anwendung für den Bürger“: E-Government Infrastruktur 2.0 (Finanzbehörde Hamburg/Finanzministerium Schleswig-Holstein): Aufbau einer gemeinsamen, umfassenden Infrastruktur auf Kommunal- und Landesebene für die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein, u.a. zur verinfachten Nutzung moderner Identitätslösungen.

Jurypreis „Beste E-Government-Anwendung für die Wirtschaft“: IT-Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie (Hessisches Ministerium des Innern und für Sport): verbunden werden alle elektronische Systeme jeder Genehmigungsinstanz (Land, Kommunen, Kammern) und damit gleichzeitig die ein-heitliche Behördennummer D115 für die Antragsteller ange-bunden.

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Aktuelle NeuerscheinungSponsoring der öffentlichen HandRechtsrahmen, Empirie, RegelungsvorschlägeHerausgegeben von Prof. Dr. Martin Burgi2009, ca. 450 S., geb., Subskriptionspeis 59,90 € (bis 15.10.2009, danach 74,– €), ISBN 978-3-8329-4254-0Erscheint Oktober 2009

Das Werk bietet zahlreiche Entscheidungshilfen beim Umgang mit Sponsoring-projekten. Aufgearbeitet wird der Rechtsrahmen im Verfassungs- und Verwal-tungsrecht, im Steuer- und im Strafrecht. Abschließend werden auf der Basis einer umfangreichen empirischen Analyse Bausteine eines zukunftsfähigen Regelungs-konzeptes zusammengestellt.

Neuerscheinung „Bürokratie-entlastung des Dritten Sektors und des bürgerschaftlichen Engagements“

„Dokumentation der Sitzungen des AWV-Arbeitskreises Bürokratieentlastung des Dritten Sektors und des bürger-schaftlichen Engagements“

Die Dokumentation ist im Rahmen der „AWV-Informationen Special“ im September 2009 erschienen. Der Sonderdruck macht die wesent lichen Zielsetzungen des Arbeitskreises deutlich.

So werden Arbeitsgrundlagen und Hintergrundinformationen dargestellt, beispielsweise zur statistischen Erfassung des Dritten Sektors und Prognosen künftiger Entwicklung für den Ehrenamtsbereich und den Dritten Sektor.

Darüber hinaus werden konkrete Projekte und Ansätze zur Entbürokratisierung im Bereich des Dritten Sektors und des Ehrenamtes vorgestellt, wobei die vorgestellten Reformkonzepte in den Kontext der augenblicklichen Entbürokratisierungsdebatte gestellt werden.

Angesprochen sind ehrenamtlich Engagierte, Praktiker und Verwaltungsmitarbeiter aus Vereinen, Verbänden und Drittsektororganisationen, die sich über die aktuelle Entbürokratisierungsdiskussion für ihren Bereich informieren möchten.

Das AWV-Informationen-Special IV ist kostenlos und kann bei der AWV-Geschäftsstelle angefordert oder online bestellt werden.Weitere Informationen: http://www.awv-net.de/cms/index-b-138-542.html

Seminar „Informatisation of Public Administration/E-Government“

7.-9. 12.2009, Hertie School of Governance, Berlin

Der Masterkurs findet im Rahmen des Executive Master of Public Management (EMPM) an der HSoG statt und wird von Prof. Dr. Tino Schuppan, Leiter des IfG.CC – The Potsdam E-Government Competence Centre, als ein dreitägiges Seminar durchgeführt. An dem Kurs können aber auch Interessenten außerhalb des EMPM teilnehmen. Das Seminar findet in englischer Sprache statt.

Das Seminar geht weit über das Thema Online-Services im en-geren Sinne hinaus. Im Zentrum steht die Bedeutung von Informationstechnologien für die Modernisierung des öffent-lichen Sektors. Die Teilnehmer dieses Seminars werden in die Grundbegriffe und Konzepte des E-Government eingeführt. Sie betrachten nicht nur die Vorteile des E-Government, sondern analysieren auch einschlägige Grenzen und Herausforderungen. Die Integration von ICT in öffentliche Verwaltungsprozesse so-wie die notwendigen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Einführung und das Steuerungspotential von E-Government ste-hen im Zentrum dieses Kurses.

Der EMPM wird seit September 2008 von der Hertie School of Governance und der Universität Potsdam als ein gemeinsamer

Weiterbildungsstudiengang für Führungskräfte des öffent-lichen und des privaten Sektors angeboten. Der englischspra-chige Studiengang, der von KPMG mit einer Stiftungsprofessur unterstützt wird, vermittelt jene Zusatzqualifikationen, die für die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung und für die Zusammenarbeit des privaten, öffentlichen und NPO-Sektors benötigt werden. Behandelt werden Managementthemen im Kontext öffentlicher wie privater Organisationen und insbeson-dere die komplexen Governance- und Regulierungsstrukturen zwischen den Sektoren.

45 Berufserfahrene aus dem In- und Ausland nehmen der-zeit am EMPM teil. Gemäß einem Rahmenvertrag mit der Bundesregierung kommen jährlich 10 Beschäftigte aus der Bundesverwaltung. Der Teilnehmerkreis wird abgerundet durch Mitarbeiter von regionalen Verwaltungen, von Unternehmen und Beratungsfirmen, durch Experten aus europäischen und internati-onalen Organisationen sowie durch Mitarbeiter aus dem Bereich der NGOs/NPOs. Der EMPM kann sowohl intensiv (innerhalb eines Jahres), als auch berufsbegleitend (in 2 Jahren) absolviert werden. Der Unterricht findet in Blöcken statt, so dass auch eine berufsbegleitende Teilnahme möglich ist.

Für weitere Informationen über das Seminar „Informatisation of Public Administration/E-Government“, über andere offene Seminare sowie über den EMPM kontaktieren Sie bitte Hanneli Ebding, Head of the Executive Master of Public Management Programme ([email protected] / Tel: 030-259-219-317) oder besuchen Sie unsere Website: http://www.hertie-school.org/empm.

Nachrichten

VM 5/2009 279

Redaktionsanschrift: Prof. Dr. Veith Mehde (V.i.S.d.P.), Juristische Fakultät der Leibniz Universität HannoverKönigsworther Platz 1 | 30167 HannoverTel. (0511) 762 - 8206 | Fax (0511) 762 - 19106E-Mail: [email protected] | www: http://www.verwaltung-management.de

Redaktionsassistentin (Satz und Layout):Heidrun Müller, IfG.CC – Institute for eGovernment, Potsdam

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* Preis inkl. MwSt., zzgl. Vertriebs-/Direktbeorderungsgebühren Inland (7,70 Euro/2,14 Euro) 9,84 Euro.

Nachrichten

VM 4/2009280

Führung in der öffentlichen Verwaltung – Innovative Ansätze der Führung und des Personal managements in der öffentlichen Verwaltung

27. bis 28. Oktober 2009, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften, Speyer

Ständige Veränderungen der Organisationsstruktur so-wie stetige Reformbemühungen innerhalb der öffentlichen Verwaltung bedingen heute mehr denn je, das gesamte humane Problemlösungspotential der Organisation abzurufen. Daher ist es für leitende Verwaltungsmitarbeiter unabdingbar, sich mit neu-eren integrativen Ansätzen der Führung auseinanderzusetzen und die Anwendung anhand von Praxisbeispielen zu verstehen und zu erlernen. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen bietet dieses Seminar, aufbauend auf Expertenvorträge renommierter Institutionen, die Möglichkeit, sich auf hohem Niveau mit der veränderten Führungssituation vertraut zu machen und vorhan-dene Potenziale zu erschließen. Die wissenschaftliche Leitung hat Univ.-Prof. Dr. Bernd W. Wirtz.

Vorträge gibt es u.a. zu folgenden Themen:

COACHING – Grenzen und Möglichkeiten eines Führungs- instruments

Aspekte zum Personalmanagement im Bundesministerium des Innern

Führung und Personalmanagement bei der Bilfinger Berger AG – Von der Bauaktiengesellschaft zur Multi Service Group

Strategie für eine zukunftsbezogene Personal- und Organisa- tions entwicklung

Verstärkte Leistungsorientierung und ein effizienteres Führungssystem – Das Beispiel der GTZ-Tarifreform

Kommunales Personalmanagement und demographischer Wandel am Beispiel der Stadt Mannheim

Führung von dezentralen Einheiten – Herausforderungen und Führungsinstrumente

Weitere Informationen: http://www.dhv-speyer.de/Weiterbildung/wbdbdetail.asp?id=450

Call for Paper: 14th IRSPM Conference 2010 in Bern, Schweiz

Vom 7. bis 09. April 2010 findet in Bern das 14. Forschungssymposium der „International Research Society for Public Management“ (IRSPM) zum Thema „The Crisis: Challenges for Public Management“ statt.

Auf der IRSPM 2010 wird es u.a. Panel Tracks zu den Themen Civil Servants in the 21st Century: Motivations, Identities and Ethical Behaviour, Future Issues for Network Research, Global Finance, Public Ownership and Regulation, How do we know what we know? Evaluating and Developing Research Methods in Public Management, If leadership is the answer what is the problem? und Local Governance geben.

Der E-Government-Panel-Track wird von Prof. Dr. Tino Schuppan (IfG.CC, Potsdam) zusammen mit Prof. Miriam Lips (Professor für eGovernment, Victoria University of Wellington, Neuseeland) geleitet und steht unter der Überschrift „Managing e-Government in Times of Crisis“. Beiträge für die-sen Panel Track können zu folgenden Themenbereichen einge-reicht werden: Strategic Development, Public Decision Making and Governance of e-Government; Managing e-Government; Measuring Outcomes of e-Government.

Abstracts für alle Konferenzbeiträge in englischer Sprache sind für alle Panel Tracks bis zum 20. Oktober 2009 an per eMail einzureichen: [email protected].

Weitere Informationen: www.irspm2010.com.