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Die Schalensteine am Pfitscher Sattel - Ein jungsteinzeitliches Bergheiligtum mit astronomischer Orientierung – Bitte schützen Sie die Anlage Die Umfassungsmauer Am Pfitscher Sattel ist eine der größten Ansammlungen von sogenannten Schalensteinen in ganz Südtirol. Sie werden zum großen Teil von einer Umfassungsmauer aus geschichteten Glimmerschieferplatten umrahmt. Das unregelmäßige Fünfeck der Umfassungsmauer lässt sich durch mehrere pythagoreische Dreiecke (rechtwinkelige Dreiecke mit ganzzahligen Seiten in megalithischen Ellen) konstruieren. Die megalithische Elle ist ein Einheitsmaß aus der Steinzeit, das in ganz Mitteleuropa gültig war. Die Art der Konstruktion deuten auf die Megalithkultur. Die Hauptachse der Anlage zeigt fast genau nach Osten. Kritische Stimmen, interpretieren die Anlage als neuzeitliche Viehpferche und Hirtenhütten. Die Schalensteine Innerhalb der Mauer sind auf etwa 25 Platten aus Glimmerschiefer meist runde Vertiefungen, die sogenannten Schalen sichtbar. Besonders am frühen Morgen, bei schrägem Lichteinfall, sind diese mit unterschiedlicher Form, Tiefe, Größe und Anzahl gut zu erkennen. Auf einigen Platten sind mäanderförmige Linien auffällig. Drei besonders schöne Platten haben (moderne) Namen: Die Archiv- oder Kultplatte“ (Nr.38) ist ein ca. 2x 2m großer Felsen, mit vielen halbmond- und kreisförmigen Schalen, die teilweise durch Rinnen verbunden sind. Zwei Schalen, an einer Seite durch auffällige Markierung gekennzeichnet, liegen genau zwei megalithische Ellen auseinander. Die „Sonnenplatte“ (Nr. 4), ein glänzender Felsen mit mehr als 100 Schalen. Bemerkenswert sind die konzentrischen Kreise. Sie wurden in frühen Kulturen häufig der Sonne zugeschrieben. Die Sternplatte(Nr.37) im Westen, mit zahlreichen Schalen und mäanderförmigen Linien, ist nach den bisherigen Erkenntnissen der wichtigste Schalenstein. Vorkommen von Schalensteinen Schalensteine kommen im gesamten Alpenbogen und z.B. auf Großsteingräbern in Nordeuropa vor. Manche Felsen tragen neben den Schalen Felszeichnungen. Vermutlich sind die Schalen älter als die Zeichnungen. Entstehung und Bedeutung der Schalen Über die Entstehung der Schalen herrscht Uneinigkeit. Als Möglichkeiten werden z.B. diskutiert: Natürlicher Ursprung durch Verwitterung Zeitvertreib gelangweilter Hirten Erzeugung durch bohren, schaben oder klopfen. Vieles spricht dafür, dass die Schalen künstlich erzeugt wurden, sehr alt sind und kultischen Zwecken gedient haben. Damit stellt sich die Frage nach deren Bedeutung. Als Alternativen werden z.B. genannt: „Urschrift“ zur Kennzeichnung von Wegen und Grenzen Kalenderfunktion oder Darstellung von Sternbildern Erzeugung von Steinstaub für kultische Zwecke Schalen dienten als Lichtträger bzw. Totenlichter Zumindest ein Teil der Schalen deuten auf astronomische Aussagen hin. Dies schließt weitere Informationen durch die Schalen nicht aus. Die unterschiedlichen Schalenformen können als Himmelskarte oder als Peilungen nach Sonnen-, Mond- und Sternaufgängen gedeutet werden. Astronomische Peilungen und Alter der Schalen Bei frühzeitlichen Sonnenobservatorien, wie z.B. Goseck in Sachsen Anhalt oder Stonehenge in Südengland wurde durch bauliche Maßnahmen eine Ausrichtung, z.B. zur Wintersonnenwende, erreicht. Schalensymbole für Sonne, Mond und Sterne Am Pfitscher Sattel ergeben spezielle Schalen und Gravierungen Hinweise auf entsprechende Peilungen am Horizont. Sie können so der „Merker“ für eine bestimmte Auf- oder Untergangsposition eines Himmelsobjektes sein, vergleichbar mit Panoramatafeln auf Aussichtspunkten. Da mehrere Peilungen auf einer Platte vorhanden sind, müssen diese durch geeignete Hinweise differenziert und kenntlich gemacht werden. Beispiele für je eine Mond-, Sonnen- und Sternvisur. Während für Sonne und Mond die Auf- und Untergangspunkte am Horizont im Laufe der Jahrtausende nur geringen Schwankungen unterliegen, ist dies bei den Sternen aufgrund der Präzession der Erde nicht der Fall. Die Sternpeilung ist daher nur für einen bestimmten Zeitpunkt genau gültig. Der Vergleich der Aufgänge der 18 hellsten Sterne zu verschiedener Zeit ergab 2450 v. Chr. als wahrscheinlichen Zeitpunkt der Entstehung der Sternpeilungen und damit der betreffenden Schalen auf den Platten. Peilungen der Sternplatte mit Großem und kleinen Wagen (rot) Welche Bedeutung die Sterne und deren Aufgangspunkte in der Frühzeit der Menschen gehabt haben, wissen wir nicht. Daher sind die vielen Hinweise auf die Sterne eine Besonderheit der Kultstätte auf dem Pfitscher Sattel. Die nähere Umgebung bietet Hinweise für eine sehr frühe Anwesenheit von Menschen am Sattel. Ein mittelsteinzeitlicher Jägerrastplatz nahe der Oberkaser ca. 5. Jahrtausend v.Chr. und ein urzeitlicher Brandopferplatz neben der Archivplatte ist für 1200 v.Chr. archäologisch dokumentiert. Peilungen über den gesamten Kultplatz Sternbilder auf den Felsplatten Neben den Peilungen sind auch Sternbilder durch Schalen dargestellt. So sind auf der „Archivplatte“ die Plejaden erkennbar und auf der „Sternplatte“ der Große und der Kleine Wagen mit dem heutigen Polarstern zu finden. Möglicherweise ist hier die besondere Beobachtung des ruhenden Himmelspols dokumentiert. Dieser galt in der Mythologie vieler alter Kulturen als besonders bedeutungsvoll und heilig, da alle Sterne um ihn kreisten. Die ständig sichtbaren Zirkumpolarsterne waren seit frühester Zeit Hilfsmittel zur nächtlichen Zeitmessung und zur Beobachtung der Jahreszeiten. Sie wurden daher besonders beobachtet. Warum nicht auch am Pfitscher Sattel? Bedeutung der Kultstätte am Pfitscher-Sattel Die Schalensteine am Pfitscher-Sattel sind „die eindrucksvollsten Steindenkmäler Südtirols“ (Menara) und enthalten zahlreiche astronomische Informationen und Erkenntnisse der Menschen der Frühzeit (Egen). Sie sind daher von überregionaler Bedeutung und erfordern einen erhöhten Schutz vor Veränderung und Zerstörung. Die Schalensteine sollten daher nicht betreten und nicht bemalt und deren Lage nicht verändert werden. Roland Gröber Literatur Franz Haller: Die Welt der Felsbilder in Südtirol. Schalen- und Zeichensteine. Hornung Verlag Viktor Lang, München, 1978. Darin: Die Sonnenkultstätte am Pfitschersattel nördlich Meran, Seite 94 - 106. Aribert Egen: Das Spronser Bergheiligtum bei Meran. Die älteste Sternwarte der Menschheit in situ? in: Richter, Peter (Hrsg.): Sterne, Mond, Kometen. Bremen und die Astronomie. Bremen, 1995.

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Die Schalensteine am Pfitscher Sattel - Ein jungsteinzeitliches Bergheiligtum mit astronomischer Orientierung – Bitte schützen Sie die Anlage

Die Umfassungsmauer

Am Pfitscher Sattel ist eine der größten Ansammlungen vonsogenannten Schalensteinen in ganz Südtirol. Sie werdenzum großen Teil von einer Umfassungsmauer ausgeschichteten Glimmerschieferplatten umrahmt.

Das unregelmäßige Fünfeck der Umfassungsmauer lässtsich durch mehrere pythagoreische Dreiecke (rechtwinkeligeDreiecke mit ganzzahligen Seiten in megalithischen Ellen)konstruieren. Die megalithische Elle ist ein Einheitsmaß ausder Steinzeit, das in ganz Mitteleuropa gültig war. Die Artder Konstruktion deuten auf die Megalithkultur. DieHauptachse der Anlage zeigt fast genau nach Osten.

Kritische Stimmen, interpretieren die Anlage alsneuzeitliche Viehpferche und Hirtenhütten.

Die Schalensteine

Innerhalb der Mauer sind auf etwa 25 Platten ausGlimmerschiefer meist runde Vertiefungen, die sogenanntenSchalen sichtbar. Besonders am frühen Morgen, beischrägem Lichteinfall, sind diese mit unterschiedlicherForm, Tiefe, Größe und Anzahl gut zu erkennen. Aufeinigen Platten sind mäanderförmige Linien auffällig.

Drei besonders schöne Platten haben (moderne) Namen:

Die „Archiv- oderKultplatte“ (Nr.38) ist einca. 2x 2m großer Felsen, mitvielen halbmond- undkreisförmigen Schalen, dieteilweise durch Rinnenverbunden sind. ZweiSchalen, an einer Seitedurch auffällige Markierung

gekennzeichnet, liegen genau zwei megalithische Ellenauseinander.

Die „Sonnenplatte“ (Nr. 4),ein glänzender Felsen mitmehr als 100 Schalen.Bemerkenswert sind diekonzentrischen Kreise. Siewurden in frühen Kulturenhäufig der Sonnezugeschrieben.

Die „Sternplatte“ (Nr.37) im Westen, mit zahlreichenSchalen und mäanderförmigen Linien, ist nach denbisherigen Erkenntnissen der wichtigste Schalenstein.

Vorkommen von Schalensteinen

Schalensteine kommen im gesamten Alpenbogen und z.B.auf Großsteingräbern in Nordeuropa vor. Manche Felsentragen neben den Schalen Felszeichnungen. Vermutlich sinddie Schalen älter als die Zeichnungen.

Entstehung und Bedeutung der Schalen

Über die Entstehung der Schalen herrscht Uneinigkeit. AlsMöglichkeiten werden z.B. diskutiert: Natürlicher Ursprung durch Verwitterung Zeitvertreib gelangweilter Hirten Erzeugung durch bohren, schaben oder klopfen.Vieles spricht dafür, dass die Schalen künstlich erzeugtwurden, sehr alt sind und kultischen Zwecken gedienthaben. Damit stellt sich die Frage nach deren Bedeutung.Als Alternativen werden z.B. genannt: „Urschrift“ zur Kennzeichnung von Wegen und Grenzen Kalenderfunktion oder Darstellung von Sternbildern Erzeugung von Steinstaub für kultische Zwecke Schalen dienten als Lichtträger bzw. Totenlichter

Zumindest ein Teil der Schalen deuten auf astronomischeAussagen hin. Dies schließt weitere Informationen durch dieSchalen nicht aus. Die unterschiedlichen Schalenformenkönnen als Himmelskarte oder als Peilungen nach Sonnen-,Mond- und Sternaufgängen gedeutet werden.

Astronomische Peilungen und Alter der Schalen

Bei frühzeitlichen Sonnenobservatorien, wie z.B. Goseck inSachsen Anhalt oder Stonehenge in Südengland wurdedurch bauliche Maßnahmen eine Ausrichtung, z.B. zurWintersonnenwende, erreicht.

Schalensymbole für Sonne, Mondund Sterne

Am Pfitscher Sattel ergebenspezielle Schalen undGravierungen Hinweise aufentsprechende Peilungen amHorizont. Sie können so der„Merker“ für eine bestimmteAuf- oderUntergangsposition eines

Himmelsobjektes sein, vergleichbar mit Panoramatafeln aufAussichtspunkten.

Da mehrerePeilungen aufeiner Plattevorhanden sind,müssen diesedurch geeignete

Hinweisedifferenziert undkenntlich gemacht

werden.

Beispiele für je eine Mond-, Sonnen- und Sternvisur.

Während für Sonne und Mond die Auf- undUntergangspunkte am Horizont im Laufe der Jahrtausendenur geringen Schwankungen unterliegen, ist dies bei denSternen aufgrund der Präzession der Erde nicht der Fall. DieSternpeilung ist daher nur für einen bestimmten Zeitpunktgenau gültig. Der Vergleich der Aufgänge der 18 hellstenSterne zu verschiedener Zeit ergab 2450 v. Chr. alswahrscheinlichen Zeitpunkt der Entstehung derSternpeilungen und damit der betreffenden Schalen auf denPlatten.

Peilungen der Sternplatte mit Großem und kleinen Wagen (rot)

Welche Bedeutung die Sterne und deren Aufgangspunkte inder Frühzeit der Menschen gehabt haben, wissen wir nicht.

Daher sind die vielen Hinweise auf die Sterne eineBesonderheit der Kultstätte auf dem Pfitscher Sattel.

Die nähere Umgebung bietet Hinweise für eine sehr früheAnwesenheit von Menschen am Sattel. Einmittelsteinzeitlicher Jägerrastplatz nahe der Oberkaser ca. 5.Jahrtausend v.Chr. und ein urzeitlicher Brandopferplatzneben der Archivplatte ist für 1200 v.Chr. archäologischdokumentiert.

Peilungen über den gesamten Kultplatz

Sternbilder auf den Felsplatten

Neben den Peilungen sind auch Sternbilder durch Schalendargestellt. So sind auf der „Archivplatte“ die Plejadenerkennbar und auf der „Sternplatte“ der Große und derKleine Wagen mit dem heutigen Polarstern zu finden.

Möglicherweise ist hier die besondere Beobachtung desruhenden Himmelspols dokumentiert. Dieser galt in derMythologie vieler alter Kulturen als besondersbedeutungsvoll und heilig, da alle Sterne um ihn kreisten.Die ständig sichtbaren Zirkumpolarsterne waren seitfrühester Zeit Hilfsmittel zur nächtlichen Zeitmessung undzur Beobachtung der Jahreszeiten. Sie wurden daherbesonders beobachtet. Warum nicht auch am PfitscherSattel?

Bedeutung der Kultstätte am Pfitscher-Sattel

Die Schalensteine am Pfitscher-Sattel sind „dieeindrucksvollsten Steindenkmäler Südtirols“ (Menara) undenthalten zahlreiche astronomische Informationen undErkenntnisse der Menschen der Frühzeit (Egen). Sie sinddaher von überregionaler Bedeutung und erfordern einenerhöhten Schutz vor Veränderung und Zerstörung. DieSchalensteine sollten daher nicht betreten und nicht bemaltund deren Lage nicht verändert werden.

Roland Gröber

LiteraturFranz Haller: Die Welt der Felsbilder in Südtirol. Schalen- undZeichensteine. Hornung Verlag Viktor Lang, München, 1978. Darin:Die Sonnenkultstätte am Pfitschersattel nördlich Meran, Seite 94 -106.

Aribert Egen: Das Spronser Bergheiligtum bei Meran. Die ältesteSternwarte der Menschheit in situ? in: Richter, Peter (Hrsg.): Sterne,Mond, Kometen. Bremen und die Astronomie. Bremen, 1995.

Roland Gröber: Schalensteine am Pfitscher Sattel oberhalb vonMeran. In Jahreschronik 2010 der Volkssternwarte Köln. Seite 18 –27.

Hanspaul Menara: Südtiroler Urwege. Ein Bildwanderbuch. Athesia.Bozen 1984. Darin: Die Bildsteine von Sprons bei Meran.

Paul Gleirscher: Ein urzeitliches Bergheiligtum am Pfitscher Jöchlüber Dorf Tirol? In: Der Schlern 67 Heft 6/ 1993 Seite 407 - 435.Athesia, Bozen.