Die Mollusken des Greifensees: und Häufigkeit der Arten in ... · ser ArteH könHeH vermullich in...
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Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich (1998) 143/3: 85-96
Die Mollusken des Greifensees:Iry=^^:^% und Häufigkeit der Arten in Abh«agigkA:
von StandortsfaktorcnPascale Steiner, Endingen & Hans Turner, Rovio
Zusammenfassung
Mit 6400 m Länge, 1750 m Breite und 32 m Tiefe gehört
der Greifensee zu den Seen mittlerer Grösse im Schwei-
zer Mittelland. Subfossile Belege der Molluskenfauna
seit Beginn des Postglazials sowie Aufsammlungen
1916, 1928, 1936 und die vorliegende Untersuchung
widerspiegeln eine beschleunigte Eutrophierung seit
etwa 1900. Von Mai bis August 1996 wurden regelmäs-
sig an sieben Stellen (2 und 5 m Tiefe) und einmalig an
Heun weiteren Slationen (Uferzone bis in 14 m Tiefe)
Proben gesammelt. Dabei konnten in den Uferzonen bis
5 m Tiefe 15 Schnecken- und 13 Muschelarten festge-
stellt werden, aber nur wenige Arten in grösserer Häu-figkeit. An einer 11,8 m tiefen Stelle fanden sich als
einzige Mollusken vier Erbsenmuschelarten (Pisidium
casertanum, P henslowanum, P. hibernicum und P.
nitidum). Die noch tieferen Seebereiche sind wegen
Sauerstoffmangels und erhöhter Konzentrationen von
löslichen Phosphat-Eisen-Verbindungen heute mollus-
kenleer. Unter den 28 gefundenen Arten sind vier Arten
für den Greifensee seil 1928 bzw. 1936 neu: Neusee-
l and-Zwergdeckelschnecke Potamopyrgus antipoda-
rum, Spitze Blasenschnecke Physella acuta, Wander-
muschel Dreissena polymorpha uHd Glänzende Erb-
senmuschel Pisidium nitidum. Hingegen konnten 15
Arten und eine Unterart nicht mehr entdeckt werdeH,
die frühere Autoren noch registriert hatten. Einige die-
ser ArteH könHeH vermullich in nicht speziell besam-
melten wasserpflanzenreichen Uferzonen heute noch
gefunden werden, aber mindestens sechs Arten und
eine Unterart scheinen im ganzen See ausgeslorben zu
sein: Bauchige Schnauzenschnecke Bithynia leachii,
Alpen-Federkiemenschnecke Valvata piscinalis al-
pestris, Quell-Blasenschnecke Physa fontinalis, Lin-
senförmige Tellerschnecke Hippeutis complanatus,
Posthornschnecke Planorbarius corneus, Grosse Erb-
senmuschel Pisidium amnicum und See-Erbsenmu-
schel Pisidium conventus (Tafeln 1 uHd 2).
The Mollusca of Lake Greifensee: Inventoryand abundance of species in relation to sitefactors
Lake Greifensee, canton Zurich, Switzerland, is a me-
dium-sized lake measuring up to 6400 m long, by 1750
m wide, and reaching 32 m depth. Subfossil and modern
molluscan material collected in 1916, 1928, 1936 and
for the present study shows that accelerated eutrophi-
cation has taken place since c. 1900. Between May and
August 1996 samples were taken regularly at seven
points at 2 m and 5 m depth, and at a further nine
locations from the littoral zone down to 14 m depth. 15
species of gastropod and 13 species of bivalve could be
found in shallower water down to 5 m depth, though
only a few species were present in significant numbers.
At one location four species, all bivalves (Pisidium
casertaHum, P. henslowanum, P. hibernicum and P. ni-
tidum), were still present at 11.8 m depth, but below
c. 13 m depth, within the hypolimnion, molluscs are
presently entirely absent due to oxygen deficiency and
elevated amounts of soluble phosphate-iron com-
pounds. Of the 28 species recorded, four are new to the
Greifensee since 1928 and/or 1936: Potamopyrgus an-
tipodarum, Physella acuta, Dreissena polymorpha, andPisidium nitidum. 15 species and one subspecies
(V. pisciHalis alpestris) collected by former authors
could no longer be found, though some of these species
might still be living among water plants near the lake
margin or in supralittoral marshes as the present study
did not focus on such habitats. At least six of these
species and one subspecies appear to have become
extinct in the lake: Bithynia leachii, Valvata piscinalis
alpestris, Physa fontinalis, Hippeutis complanatus, Pla-
norbarius corneus, Pisidium amnicum and Pisidium
conventus (Plates 1 and 2).
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Pascale Steiner & Hans Turner
1 EINLEITUNG
Der Greifensee als Lebensraum für Mollusken hat sich im
Laufe der Zeit verändert. Die Wasser- und Abwasserwirt-
schaft hat in den letzten Jahren einen nicht unwesentlichen
Wandel erfahren. Vor allem die Landwirtschaft und die Be-
völkerungszunahme haben zum Nährstoffeintrag beigetra-
gen und den See beschleunigt zu einem eutrophen Gewässer
werden lassen. Seit einiger Zeit versucht man den Nährstoff-
eintrag mittels Kläranlagen und Vorschriften – wie das seit 10
Jahren bestehende Phosphat-Verbot in den Waschmitteln – zu
vermindern. Der See gilt aber mit einem durchschnittlichen
Gesamtphosphor-Gehalt von 100 mg/m 3 (Zirkulationswerte
1993, pers. Mitt. Frau SILKE MEYNS, EAWAG, siehe auch
Tab. lb) immer noch als eutroph. Zudem ist die Nutzung des
Sees als Erholungsgebiet (vor allem Wassersport und Fische-rei) sehr populär geworden.
Die meisten Mollusken reagieren wegen ihrer spezifi-
schen Anpassungen an ökologische Nischen sehr empfind-
lich auf Umweltveränderungen. Sie können sich wegen ihrer
eingeschränkten Mobilität nicht den sich verschlechternden
Biotopbedingungen entziehen. Muscheln, die durch ihre Fil-
teraktivität auch Toxine akkumulieren, werden als massge-
bende Indikatoren für loxische Belastung von Gewässern
gebraucht (JOERGENSEN, 1990; STEINBERG et al ., 1992).CLARKE (1979a,b) und COLLING (1993) konnlen Zusammen-
hänge zwischen Weichtiergemeinschaften und den trophi-
schen Verhältnissen der Gewässer aufzeigen. ARTER (1986)stellte in den aargauischen Gewässern einen durch Überdün-
gung verursachten Rückgang der Grossmuschelarten (Naja-
den, Unionidae) fest, wobei er mit früheren Befunden von
STERKI (1883), HOFER (1898) und SCHNITTER (1922) ver-
glich.
Ein Problem im Entwicklungszyklus sowie in der Verbrei-
tungsmöglichkeit stellt sich heute den Fluss- und Teichmu-
scheln Unionidae, denn die Glochidien (Larven der Mu-
scheln) entwickeln sich während einiger Wochen an den
Flossen oder in den Kiemen von Fischen (ohne dabei wesent-
lich an Gewicht zuzunehmen oder den Fisch zu schädigen).
Die durch die Gewässerverschmutzung beschleunigte Eutro-
phierung hat aber die Zusammensetzung der Fischfauna und
die Nutzung der Lebensräume durch die Fische grundlegend
verändert. Der Grund der Gewässer wird zunehmend an-aerob; die Fische suchen ihre Nahrung nicht mehr am GruHd,sondern ernähren sich vom Plankton des Freiwassers. Die
Infektionswahrscheinlichkeit durch Glochidien ist gesunken
(ARTER, 1986). Die Fische können nicht mehr ungehindert in
Flüsse und Bäche wandern. Die Verbreitungsmöglichkeit der
Muscheln ist dadurch stark eingeschränkt. Stellen, an denen
Muscheln lokal ausgestorben sind, werden nicht wieder be-
siedelt. Flussmuscheln können bis zu 80 Jahre alt werden
(FOECKLER, 1990), was zu einem falschen Bild der Mollus-
kenfauna führen könnte. Denn wo alte Muscheln noch vor-
kommen, ist die Ansiedlung von neuen Generationen keines-
wegs gesichert.
Die Frühgeschichte der Mollusken im Greifensee hat
HANS W. ZIMMERMANN (1966) untersucht. Anhand zweier
Bohrprofile konnte er eine quantitative Analyse der fossilen
Mollusken vom Beginn des Postglazials (ca. 8000 v. Chr.) bis
in die geologische Gegenwart vornehmen. Er hat nachgewie-
sen, dass die Individuen- und Artenzahlen der Mollusken
mehrmals stark schwankten: Insbesondere während der Ei-
chenmischwaldzeit (um 4000 v. Chr.) herrschte eine ausge-
sprochene Molluskenarmut, die gefolgt wurde vom Mollus-
kenmaximum zwischen 3500 und 3000 v. Chr., als das Wald-
bild von der Buche dominiert wurde. Am häufigsteH und
konstantesten vertreten waren euryöke Mollusken (Weichtie-
re, die mit einer Vielzahl von Habitaten unserer Gewässer
vorliebnehmen): Flache Federkiemenschnecke Valvata cri-stata (29%), Gemeine Schnauzenschnecke Bithynia tentacu-lata (22,5%), Federkiemenschnecke Valvata div. sp. (22%),in grösserem Abstand gefolgt von der Eiförmigen
Schlammschnecke Radix ovata (11%) und arllich nicht unter-
schiedenen Vertretern der Kugelmuscheln Sphaeriidae ausden Gattungen Sphaeriurn, Musculium und Pisidium (11%).
Rezente Mollusken des Greifensees wurden eIstmals 1886
durch den Zürcher Malakologen HEINRICH SUTER gesam-
melt (SUTER, 1898). Um 1916 folgte eine eingehendere Auf-
nahme durch JOHANN PETER WOLF (t 1974); seine hinterlas-senen Belege (Bündner Nalurmuseum Chur und Zoologi-
sches Museum der Universität Zürich) umfassen 12 Wasser-
mollusken-Arten. JOHANNES LUNDBECK hat im Jahr 1928 imGreifensee wie auch in vielen anderen Schweizer Seen Mol-
lusken mit Schleppnetz gesammelt (LUNDBECK, 1936); seine
Belege der Kugel- und Erbsemnuscheln (Sphaeriidae) umfas-
sen sieben Arten aus dem Greifensee (3 bis 30 m Tiefe)
(Naturhistorisches Museum Wien, gemäss pers. Mitt. von
JOHANNES G. J. KUIPER von ihm im Jahre 1970 bestimmt;unveröff.). Die bisher umfangreichsten Aufsammlnngen ge-
langen WALTER BIESE, der in den Jahren 1935-1936 nach
heutiger Taxonomie nicht weniger als 38 Arten von Wasser-
mollusken im Greifensee feststellen konnte, darunter erst-
mals Vertreter der grossen Fluss- und Teichmuscheln Unio-
nidae: Unio tumidus («Unio pictorum platyrhynchus
ROSSM.»), Anodonta cygnea und Anodonta anatina (BIESE,
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Die Mollusken des Greifensees
1937; Belege im Zoologischen Museum der Universität Zü-
rich, Sphaeriidae ebenfalls von J. G. J. KUIPER bestimmt).
Da von kaum einem anderen Schweizer See über so lange
Zeit Daten vorliegen, ist es von besonderem Interesse, dessen
Molluskenfauna heute nachzuprüfen und mit früheren Daten
zu vergleichen.Die Nomenklatur der Mollusken folgt dem Bestimmungs-
werk von GLÖER & MEIER-BROOK (1994).
2 DAS UNTERSUCHUNGSGEBIET
Der im Zürcher Oberland liegende Greifensee wurde wäh-
rend der Wurmeiszeit durch Gletscheraktivitäten gebildet.
Die Gletscher kamen aus südöstlicher Richtung und bedeck-
ten das Gebiet während rund 70 000 Jahren. Tektonische
Verwerfungen und Gräben in SSE-NNW-Richtung und das
Relief der Risseiszeit wiesen den Wurmgletschern im Vor-
stoss den Weg. Einerseits formte die Glazialerosion
FelsIundbuckel und Drumlins zwischen Uster und Wetzikon,
anderseits kolkte sie die Seewannen des Greifensees und des
Pfäffikersees aus. Nach dem Rückzug der Wurmgletscher
füllten sich die von ihnen hinterlassenen Wannen mit Wasser.
Während der folgenden 1000 Jahre floss viel Schmelzwasser
in die Seen und brachte eine beträchtliche Menge an Schweb-
stoffen mit sich. Es wurden mehrere Meter Seebodenlehm
mit zwischengeschalteten Chara'-Seekreiden, Mollusken-
brekzien und Torfschichten abgelagert (JUNG, 1990; ZIMMER-
MANN, 1966). An den Seebeckenrändern ist das Gestein des
Untergrundes (mittelländische Molasse) durch Moränen
überdeckt.Mit einer Fläche von 8,6 km 2 (6400 m Länge, 1750 m
Breite) und einer maximalen Tiefe von 32 m gehört der
Greifensee zu den Seen mittlerer Grösse im Schweizer Mit-
telland.In eutrophen Seen wie dem Greifensee kann es im oberen
Epilimnion durch höhe Produktion zu Sauersloffübersätti-
gung kommen. Durch den saueIstoffzehrenden Abbau der
absinkenden Planktonorganismen geht mit zunehmender
Tiefe der Sauerstoffgehalt rasch zurück, was im Laufe des
SommeIs zu anaeroben Bedingungen führt. Im Greifensee
Tab. la. Sauerstoffwerte des Greifensees (mg 02/1). Daten: peIsönliche MiIteilung von S. MEYNS und H. BUEHRER, Limnologische Abt. derEAWAG/ETH Zürich in Dübendorf.Tab. la. Concentrations of dissolved oxygen in Lake Greifensee (mg 02/1). Data: personal communication by S. MEYNS and H. BUEHRER,Dept. of Limnology, Swiss Federal Institute of Environmental Science and Technology/ETH Zurich in Dübendorf
Tiefe (m) 0.0 1.0 2.5 5.0 7.5 10.0 12.5 15.0 17.5 20.0 22.5 25.0 27.5 30.0depth (m)-
. Datumisampling date
6.2.95 8.6 8.6 8.6 8.6 8.6 8.6 8.6 8.6 8.6 8.6 8.5 8.9 9.0 7.96.3.95 10.0 10.1 10.1 10.l 10.l 10.0 10.1 10.0 10.0 10.1 10.l 10.0 10.0 9.63.4.95 13.2 13.4 13.1 12.2 12.l 11.9 11.4 11.7 11.7 11.6 11.6 11.6 11.6 11.62.5.95 11.4 11.8 11.8 11.8 10.5 10.l 9.7 9.9 9.6 9.5 9.6 9.l 7.9 6.930.5.95 12.8 13.2 14.l 14.2 8.4 7.7 7.3 6.8 6.6 6.5 6.6 6.l 3.9 l.426.6.95 13.9 13.9 13.8 11.5 5.7 5.2 5.2 5.3 5.2 5.2 4.l 3.9 l.4 0.426.7.95 14.0 13.7 13.7 6.9 l.l 0.2 l.7 2.6 2.7 l.9 l.9 0.8 0.3 0.221.8.95 9.8 10.0 10.0 l.2 0.3 0.2 0.l 0.4 0.2 0.3 0.l 0.l 0.2 0.l18.9.95 10.0 10.1 10.l 8.3 3.l 0.l 0.1 0.l 0.l 0.1 0.l 0.l 0.1 0.l16.10.95 12.3 12.3 12.3 10.l 6.2 0.2 0.1 0.l 0.l 0.l 0.l 0.l 0.l 0.l13.11.95 7.3 7.7 7.7 7.8 7.7 7.6 0.3 0.l 0.l 0.l 0.l 0.l 0.l 0.013.12.95 4.6 4.6 4.5 4.6 4.6 4.6 4.6 4.6 4.6 4.6 4.5 4.4 4.6 0.510.l.96 5.9 6.0 6.0 5.9 5.9 5.9 5.9 5.8 5.7 5.7 5.7 5.6 5.6 5.75.2.96 7.7 7.9 7.8 7.7 7.7 7.8 7.7 7.6 7.6 7.5 6.9 6.3 6.l 5.64.3.96 11.9 11.8 11.6 10.9 10.9 10.9 10.8 10.9 10.8 10.5 9.4 9.0 7.8 6.4l.4.96 13.3 13.3 13.3 13.3 12.8 12.6 12.6 12.6 12.6 12.5 12.4 12.l 11.6 11.529.4.96 18.4 18.0 18.l 12.7 11.7 11.4 11.0 11.l 11.l 11.0 10.9 10.6 10.3 8.929.5.96 10.2 10.2 10.2 9.7 7.5 7.5 7.8 8.2 7.8 8.2 7.2 6.4 5.7 4.424.6.96 11.3 11.3 11.3 11.2 8.9 4.3 4.5 4.9 5.3 4.9 4.8 3.5 l.9 0.522.7.96 13.8 14.0 14.l 13.5 3.8 l.5 2.l 3.5 3.0 3.4 2.7 l.9 0.2 0.319.8.96 10.5 10.6 10.5 4.8 0.l 0.l 0.l 0.2 0.2 0.6 l.0 l.l 0.l 0.l
Armleuchteralgen (Charales), eine Ordnung schachtelhalmähnlicher Grünalgen, die mit wurzelähnlichen Fortsätzen im Boden verankertsind, dem Wasser Kohlensäure entziehen und Kalk abscheiden.
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Pascale Steiner & Hans Turner
werden im August bereits ab einer Tiefe von 5 m Werte von
nur 0 bis 1 mg 02 / 1 gemessen (Tab. la). Für viele im See
lebenden Organismen, insbesondere Mollusken (LODGE etal., 1987), werden dadurch die tieferen Regionen des Sees
unbesiedelbar.
Obwohl ein Rückgang der Phosphatwerte seit dem Phos-
phatverbot in Waschmitteln zu verzeichnen ist, hat der See
noch lange nicht den gewünschten Trophiegrad erreicht (Tab.
lb). Die anaeroben Bedingungen während des Sommers füh-
ren dazu, dass schwerlösliches Fe1 ' zu leicht löslichem Fe"
reduziert wird. Es bilden sich Phosphat-Eisenkomplexe, wel-
che in Lösung gehen. Durch diese Freisetzung von zusätzli-
chem Phosphat düngt sich der See selbst, es findet sogenannte
Autotrophierung statt.
Der See ist von verschiedener Vegetation umgeben. Eingrosser Teil ist durch Schilfgürtel (Phragmites communis)eingenommen, welche von Baum-, Strauch- und Wiesenbe-
ständen unterbrochen werden.
Abb. 1 gibt einen topographischen Überblick über den
Greifensee und die Probenahmestellen.
Die Stelle 1 fällt mit einem Böschungswinkel von 27%
anfänglich steil ab. Das Substrat zeichnet sich durch groben
Sand und feine Kieselsteine aus. Der Hauptanteil liegt bei
einer Grösse von 2-8 mm. Die Stelle 2 ist mit einem Gefälle
von 11% relativ flach. Das Substrat ist inhomogen, es liegen
Sand, Kies und grobe Steine vor. Stelle 3 ist mit 7% Gefälle
die flachste Stelle. Das Substrat besteht vorwiegend aus
feinem Material von einer durchschnittlichen Grösse von 63
bis 250 pm. Stelle 4 weist ein Gefälle von 20% auf. Es liegen
grober Kies und grosse Steine vor. Stelle 5 fällt anfänglich
mit einer Neigung von 15% ab, ab 6 m Tiefe herrscht bereits
ein Gefälle von 30%. Es liegt hauptsächlich grober Kies vor.
- Die Makrophyten (höhere Wasserpflanzen), Makroinverle-
braten (wirbellose Tiere mit Körpergrösse > 2 mm) und die
Ufervegetation der Probenahmestellen 1 bis 5 sind in Tab. 2
in Übersicht gebracht.
Tab. lb. S = Gesamtstickstoff im Rohwasser (mg/m3) und P = Gesamtphosphor im Rohwasser (mg/m 3). Daten: persönliche Mitteilung vonS. MEYNS und H. BUEHRER, Limnologische Abt. der EAWAG/ETH Zürich in Dübendorf.
Tab. 1 b. S = total nitrogen in unfiltered water (mg/m3) and P = total phosphate in unfiltered water (mg/m3). Data: personal communicationby S. MEYNS and H. BUEHRER, Dept. ofLimnology, Swiss Federal Institute of Environmental Science & Technology/ETH Zurich in Dübendorf.
Tiefe (in) -* 0-5depth (m) ->
SubstaDz -3 Ssubstance ->
Datumisampling date
5-10 10-15 15-32.3
6.2.95 2522 89.59 2539 90.06 2544 90.00 2566 89.066.3.95 2686 80.15 2640 82.21 2644 81.50 2618 79.653.4.95 2659 71.92 2632 67.08 2612 68.00 2593 66.402.5.95 2645 45.26 2564 47.67 2477 67.00 2438 80.0630.5.95 2472 33.22 2512 37.92 2443 67.22 2341 94.2426.6.95 2402 31.16 2529 30.73 2367 58.61 2358 119.6826.7.95 2485 25.11 2308 23.53 2202 36.11 2236 130.5921.8.95 2364 21.47 2164 23.83 2040 24.77 2046 147.3518.9.95 2522 20.36 2300 18.12 2048 44.55 2092 177.3116.10.95 2243 8.41 2228 8.71 1985 72.89 1968 187.4913.11.95 1993 12.46 1994 18.53 2009 66.11 2003 236.2313.12.95 2383 78.74 2376 79.26 2428 80.28 2423 101.5210.l.96 2455 92.17 2447 93.8 2474 91.00 2512 90.465.2.96 2453 91.41 2396 86.23 2422 87.76 2422 86.854.3.96 2531 87.06 2514 85.03 2484 85.44 2480 83.03l.4.96 2481 75.76 2569 72.47 2528 70.11 2471 66.2029.4.96 2333 68.57 2363 44.74 2402 35.77 2339 59.0729.5.96 2558 27.08 2588 33.35 2530 43.78 2505 68.8024.6.96 2394 31.09 2541 36.13 2467 22.22 2355 73.9522.7.96 2314 23.11 2366 28.89 2207 17.61 2226 106.0819.8.96 19.63 21.09 24.50 89.74
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Die Mollusken des Greifensees
Schwerzenbache
Abb. l. Der Greifensee mit den Probenahmestellen.
Fig. 1. Lake Greifensee with the sampling areas.
3 MATERIAL UND METHODEN
Es wurden fünf Probenahmestellen so ausgewählt, dass
verschiedene UfeIstrukturen berücksichtigt wurden. Diese
Stellen wurden vom 5. Mai bis 20. August 1996 regelmässig
in 2wöchigen Intervallen beprobt. Die einmalig beprobten
Stellen A bis K waren zufällig über den ganzen See verteilt.
Die Koordinaten sind der Landeskarte der Schweiz 1: 25 000,
Blatt 1092 Uster, entnommen, in Tab. 2 angegeben und in
Abb. 1 eingezeichnet.
Die Topographie der Probeorte wurde mittels Echolot
aufgezeichnet. Das Echolot befand sich auf einem Motor-
boot, mit welchem bei konstanter Geschwindigkeil vom See
Richtung Ufer im rechten Winkel zur Uferlinie gefahren
wurde. Um die Länge der gefahrenen Strecke ermitteln zu
können, wurde eine Referenzstrecke bekannter Länge mit
derselben Fahrtgeschwindigkeit aufgenommen. Es wurde ein
Echolotgerät vom Typ LOWRANCE X-16 verwendet.
An den Probeorten 1 bis 5 wurdeH zur Bestimmung der
Häufigkeit und Diversität der Mollusken, der Korngrösse und
des partikulären organischen Materials (POM) Sedimentpro-
ben entnommen. Die Proben wurden tauchend mit Hilfe eines
Unterwassersauggerätes auf einer Fläche von 0,5 m 2 entnom-
men. Die abgesaugte Schichtdicke betrug ca. 2 cm. Die
Fläche wurde mit einem Metallrahmen begrenzt, der in einer
Tiefe von 2 bzw. 5 m versenkt wurde. Um den Metallrahmen
zufällig zu legen, wurde er vom Boot aus ins Wasser geworfen
und danach auf der Linie senkrecht zum Ufer in die jeweilige
Tiefe verschoben.
Die Mollusken wurden aus den Substratproben gelesen,
in 60% Ethanol konserviert und werden in der Sammlung des
Zweitautors (H. T.) aufbewahrt. Die Pisidien wurden zur
Bestimmung nach Abtötung in 60% Ethanol mit einer Zahn-
bürste unter dem Binokular von Aufwuchs und anderem
organischem Material befreit und während eines halben Ta-
ges getrocknet.
4 ERGEBNISSE UND DISKUSSION
An den regelmässig beprobten Stellen wurden lebende Indi-
viduen von 25 Arten (12 Schnecken- und 13 Muschelarten)
gefunden (Tab. 3).
Es fällt auf, dass nur die zwei Arten Dreissena polymor-
pha und Pisidium subtruncatum an allen Stellen gefunden
werden konnten. Bei D. polymorpha handelt es sich um die
Wandermuschel, die erst anfangs der 1960er Jahre in die
Schweiz gelangte. Sie wurde aus dem kaspischen Raum vor
allem via die Binnenschiffahrt in den europäischen Raum
eingeschleppt. Die holarktische Schiefe Erbsenmuschel P.
subtruncatum ist im Litoral von Seen und in langsam strö-
menden Gewässern der Schweiz allgemein verbreitet (TUR-
NER et al., 1998).
Fast ebenso konstant vertreten (an 6 von 7 Stellen) waren
die vier Arten Potamopyrgus antipodaruin, Valvata piscinalis
piscinalis, Pisidium casertanum und P. nitidum. Die Neusee-
land-Zwergdeckelschnecke Potamopyrgus antipodarum
stamml ursprünglich aus Neuseeland und konnte 1977 erst-
mals im Greifensee festgestellt werden. Während der gesam-
ten Probezeit konnten an den Stellen I bis 5 lediglich 67
Individuen gezählt werden. Im Vergleich zu früheren Jahren,
als während Dredschzügen im Litoral des Greifensees jeweils
einige hundert Individuen gefunden wurden (pers. Mitt. B.
AKERET, EAWAG), hat die Anzahl stark abgenommen.
Die Glänzende Erbsenmuschel Pisidium nitidum wurde
1996 erstmals und sogar ziemlich häufig im Greifensee ent-
deckt. Diese Art ist in Schweizer Seen allgemein verbreitet
und fossil schon in postglazialen Seekreiden nachweisbar.
Vielleicht ist sie erst in neuerer Zeit durch Wasservögel in den
Greifensee gelangt, aber nicht ganz auszuschliessen ist, dass
sie bei früheren Untersuchungen übersehen wurde. (BIESEs
Belege von «P nitidum» wurden von KUIPER, gemäss per-
sönlicher Mitteilung, im Jahre 1978 als fünf andere Pisidium-
Arten bestimmt.)
Fällanden
Riedikon
Aabach
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Pascale Steiner & Hans Turner
Tab. 2. Topographische, botanische und faunistische Verhältnisse der Probenahmestellen. Für die Ufervegetation sind nor die jeweilsdominanten Arten angegeben.
Tab. 2. Topographic, floral and faunal data for the sampling areas. For the shore vegetation only the dominant species are listed.
Stelle Koordinaten Tiefe Makrophyten Ufervegetation MakroiDvertebratenarea coordinates depth macrophytes shore vegetation macro-invertebrates
1 694225/ 2/5m Alnus glutinosa Athripsodes sp.243450 Salix alba Helobdella stagnalis
Salix nigricans Hydra sp.Mystacides sp.
2 694338/ 2 m Chara aspera Carex elata Asellus aquaticus242988 Najas marina Filipendula ulmaria Cloeon simile
Potamogeton pectinatus Phragmites communis Caenis sp.Potamogeton perfoliatus Viburnum opulus Lestes macrostigma
Libellula fluvaSialis sp.Mystacides sp.Anabolia sp.Tinodes unicolorOligotricha striataChironomidaeTipulidae
3 695250/ 2 m Ceratophyllum demersum Phragmites communis Piscicola geometra242375 Chara sp. Phragmites communis Sialis sp.
Myriophyllum spicatum Salix pentandra Cyrnus flavidusNajas marina ChironomidaePotamogeton pectinatus
4 695250/ 2 / 5 m Acanthus Convolvulus sepium Asellus aquaticus243600 Astramoeba Cornussanguinea Lestes viridis
Chlorophyta Dactylis glomerata Libellula quadrimaculataCocconeis Fraxinus excelsior Platycnemis pennipesCymbella Poa annua Sialis sp.Chara sp. Prunus avium Scarodytes halensisMyriophyllum spicatum Rubus sp. Athripsodes aterrimusNajas marina Salix caprea Mystacides sp.Potamogeton perfoliatus Urtica dioeca Anabolia sp.
Molanna tinctus
5 695175/ 2 m Ceratophyllum demersum Corpus sanguinea Asellus aquaticus243650 Najas marina Salix nigricans Caenis horaria
Potamogeton pectinatus Salix purpurea Scarodytes halensisViburnum opulus Athripsodes bilineatus
Chironomidae
A 694500/245300 4 mB 694100/246125 5 mC 691975/247525 4 mD 691725/246875 6 mE 694325/244100 22 mF 693275/246775 13 mG 693925/243850 5 mH 693625/244475 11.8 mK 693850/246400 Litoral
Jeweils nur an einer oder zwei Stellen konnten die folgen- Liste der gefährdeten Weichtiere der Schweiz (TURNER et al.,
den sieben Arten gefunden werden, für die gemäss der Roten 1994) der Gefährdungsgrad beigefügt isl:
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Tab. 3. Anzahl Exemplare von Molluskenarten, die während derProbenahmezeit an den Stellen 1 bis 5 gefunden wurden.Tab. 3. Numbers of individuals of molluscan species collected atsampling areas 1 to 5.
1 1 2 3 4 4 52m 5m tin t in tin 5m 2m
Bithynia tentaculata 1 0 1 1 48 3 48Gyraulus albus 0 0 3 0 3 0 1Gyraulus laevis 0 0 2 16 20 10 10Physella acuta 1 0 0 2 1 0 0Planorbis carinatus 0 0 0 0 0 0 1Potamopyrgus antipodarum 1 0 2 7 11 37 19Radix auricularia 0 0 0 2 2 0 1Radix ovata 0 1 3 1 4 1 0Segmentina nitida 1 0 0 0 1 0 0Valvata cristata 0 0 0 0 4 0 0Valvata piscinalis 0 3 1 27 12 24 6Viviparus ater 1 0 0 0 4 1 0
Anodonta cygnea 1 0 2 1 1 0 1Dreissena polymorpha 7 10 22 3 278 96 164Musculium lacustre 0 0 1 1 0 0 0Pisidium casertanum 0 1 2 I 2 5 2Pisidium henslowamma 0 0 1 2 0 4 0Pisidium. hibernicum 0 1 1 1 0 16.5 0Pisidium milium 0 5 0 0 11 33 15Pisidium moitessierianum 0 0 0 1 0 0 0Pisidium nitidum 0 2 14 24 36 18 31.5Pisidium personatum 2 0 0 2 0 0 0Pisidium subtrunctum 2 7 19 34.5 31 13 30.5Sphaerium corneum 0 0 0 0 4 1 0Unio tumidus 1 0 1 0 0 1 1
Die+'Mollusken des Greifensees
Gekielte Tellerschnecke Planorbis carincctus: gefährdet
(Taf. 3: H). — Glänzende Tellerschnecke Segmentina nitida:stark gefährdet (Taf. 3: I). — Flache Federkiemenschnecke
Valvata cristata: gefährdet (Taf. 3: J). — Gemeine Kugelmu-schel Sphaerium corneum: kein Eintrag (Taf. 3: K). — Häub-chenmuschel Musculium lacustre: gefährdet (Taf. 3: L). —Winzige Falten-Erbsenmuschel Pisidium moitessierianum:
potentiell gefährdet (Taf. 3: M). — Quell-ErbsenmuschelPisidium personatum: kein Eintrag.
An den zusätzlich mit Schleppnetz beprobten Stellen A
bis H (Abb. 1, Tab. 4) wurden keine Arten gefunden, die nicht
schon an den Stellen 1 bis 5 gesammelt werden konnten.
Bezüglich der Anzahl der Pisidien gibt es aber Unterschiede:
Es fällt sofort auf, dass an den Stellen E und F keine Mollus-
ken gefunden wurden. Diese beiden Stellen liegen mit E: 22
m und F: 13 m zu tief. Der Greifensee hat in diesen Tiefensehr wenig SaueIstoff (Tab. la). An der nicht ganz so tiefen
Stelle H (11,8 m) fanden sich überraschend 4 Arten mit 15
Individuen, vielleicht, weil hier der wenig nördlich einmün-
Tafel l. Im Greifensee vermutlich ausgestorbene Molluskenarten.
Plate 1. Mollusc species which appear to have become extinct inthe Lake Greifensee.
A: Bauchige Schnauzenschnecke Bithynia leachii (SHEPPARD1823), 3.8 x 3.0 mm.B: Quell-Blasenschnecke Physa fontinalis (LINNAEUS 1758), 6.5 x3.9 mm.C: Linsenförmige Tellerschnecke Hippeutis complanatus (LIN-NAEUS 1758), 0 4.0 mm.D: Posthornschnecke Planorbarius corneus (LINNAEUS 1758), 033.7 mm.
dende Tobelbach sauerstoffreiches Wasser in den See bringt.
An Stelle D (6 m) wurden ebenfalls 4 verschiedene Arten
gefunden, aber nur 10 Individuen. Auch an den Stellen B (5
m), wo ein steiniges Ufer vorliegt, und C (4 m), welche direkt
vor dem Ausfluss der Glatt aus dem Greifensee liegt, waren
sehr wenige Pisidien zu finden. Die durch sehr feines Substrat
ausgezeichnete Stelle A (4 m) war am reichsten durch Pisidi-
en besiedelt.
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Pascale Steiner & Hans Turner
Tab. 4. Anzahl Exemplare von Molluskenarten, die während der Probenahmezeit an den Stellen A bis K gefunden wurden.
Tab. 4. Numbers of individuals by species collected at sampling areas A to K.
A ß C H E F G H K4m 5m 4m 6m 14m 13 in 5m 11.8 m Litoral
Acroloxus lacustris 0 0 0 0 0 0 0 0 2Lymnaea stagnalis 0 0 0 0 0 0 0 0 1Planorbis carinatus 0 0 0 0 0 0 0 0 XRadix auricularia 0 0 0 0 0 0 0 0 XStagnicola cf. fuscus 0 0 0 0 0 0 0 0 1
Pisidium casertanum 12 1 2 1 0 0 0 8 0Pisidium henslowanum 1 0 0 3 0 0 0 1 0Pisidium hibernicum 2 0 0 2 0 0 2 2 0Pisidium milium 2 0 0 0 0 0 0 0 0Pisidium nitidum 1 1 2 0 0 0 1 4 0Pisidium subtruncatum 18.5 2 4 4 0 0 3 0 0
An der Stelle K (Litoral), wo verschiedene Wasserpflan-
zen nach Schnecken abgesucht wurden, konnte das bisherige
Arteninventar um drei weitere Arten bereichert werden, näm-
lich Teichnapfschnecke Acroloxus lacustris, Spitzhorn-
schnecke Lymnaea stagnalis und Rötliche Sumpfschnecke
Stagnicola cf. fuscus.
Tab. 5 zeigt im Überblick die Molluskenfunde von 8000
v. Chr. bis heute. Es sind einige Unterschiede bezüglich der
Artenvielfalt festzustellen, wobei ein direkter Vergleich der
verschiedenen Arbeiten nur bedingt möglich ist. Die Daten
von ZIMMERMANN beruhen auf der Auswertung von Bohr-
kernen, also auf subfossilen Exemplaren, wobei in der Gat-
tung Valvata ausser V. cristata alles andere als Valvata sp.
indet. ausgesondert wurde und die Kugelmuscheln Sphaerii-dae nicht in Sphaerium-, Musculiutn- und Pisidium-Arten
unterschieden wurden. Die Funde der anderen Autoren wur-
den mit verschiedenen Sammelmethoden und in verschiede-
nen Tiefen des Greifensees gemacht.
15 Arten und eine Unterart (Valvata piscinalis alpestris,
Taf. 2: E), welche bei früheren Untersuchungen im Greifen-
see nachgewiesen wurden, konnten 1996 nicht mehr entdeckt
werden. Für das Verschwinden einiger dieser Arten sind unter
anderem die Eutrophierung des Sees und die damit verbun-
dene Abnahme des Sauerstoffgehaltes verantwortlich. Die
folgende Aufzählung dieser 16 Taxa mit einer Erwähnung
ihrer Habitatsansprüche soll zeigen, weshalb sie zum Teil
nicht mehr im Greifensee gefunden werden können.
Flache Teichmuschel Anodonta anatina: 1936 im Glatt-Altwasser bei Schwerzenbach («A. piscinalis NILSS.»: BIESE
1937: 18); dieser Fundorl entspricht nicht ganz dem bevor-
zugten Lebensraum: schlammig-sandige Böden ruhig flies-sender Gewässer. Im eigentlichen Greifensee anscheinendnoch nie gefunden. Nach BLESS (1980) erträgt diese Mu-
schelart Eutrophierung weniger gut als die Grosse Teichmu-
schel Anodonta cygnea.
Grosse Erbsenmuschel Pisidium amnicum (Taf. 2: F):
bevorzugt sandige Böden der Uferzonen von Flüssen und
Seen. BIESE (1937: 18) hat diese Art im Greifensee in mehr
Tafel 2. Weitere Molluskenarten, die im Greifensee vermutlich aus-gestorben sind.
Plate 2. Further molluscs species which appear to have becomeextinct in the Lake Greifensee.
E: Alpen-Federkiemenschnecke Valvata piscinalis alpestris (Kü-STER 1853), 4.2 x 5.l mm.F: Grosse Erbsenmuschel Pisidium amnicum (0. F. MÜLLER 1774),8.7 x 7.2 mm.G: See-Erbsenmuschel Pisidium conventus (CLESsIN 1877), 2.8 x2.l mm.
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Die Mollusken des Greifensees
Tab. 5. Überblick über die Wassermolluskenfauna des Greifensees vom Beginn des Postglazials bis zur Gegenwart.
Tab. 5. Review of Lake Greifensee molluscs from the beginning of the Holocene until the present.
8000 v. Chr. bis 1000 n. Chr.: ZIMMERMANN (1966). – 1916: leg. J. P. WOLF. — 1928: leg. J. LUNDBECK. — 1936: BIESE (1937). –1996: STEINER (1996).
Spccics 8000 5000 3000 1000 1000 1916 1928 1936 1996v. Chr. v. Chr. v. Chr. v. Chr. n. Chr. n. Chr. n. Chr. n. Chr. n. Chr.
Acroloxus lacustris x xAnisus leucostoma xBathyomphalus contortus x x xBithynia leachii xBithynia tentaculata x x x x x x x xGalba truncatula x xGyraulus albus x x xGyraulus crista x xGyraulus laevis x xHippeutis complanatus x xLymnaea stagnalis x x xPhysa fontinalis xPhysella acuta xPlanorbarius corneus x xPlanorbis carinatus x x x x xPlanorbis planorbis xPotamopyrgus antipodarum xRadix auricularia x xRadix ovata x x x x x xRadix peregra xSegmentina nitida x xStagnicola corvus xStagnicola cf. fuscus (x) (x)Valvata cristata x x x x x x x xValvata p. piscinalis x x xValvata p. alpestris xValvata sp. indet. x x x x xViviparus ater x x
Anodonta anatina xAnodonta cygnea x xDreissena polymorpha xMusculium lacustre x xPisidium amnicum xPisidium casertanum x x x xPisidium conventus xPisidium henslowanum x x xPisidium hibernicum x xPisidium milium x x xPisidium moitessierianum xPisidium nitidum x xPisidium obtusale xPisidium personatum x x xPisidium subtruncatum x x xSphaerium corneum x x xSphaeriidae sp. indet. x x x x xUnio tumidus x x
als 30 Exemplaren gefunden, ohne aber genauere Fundstellen Gewässern der Schweiz ist diese Art keineswegs selten. Im
anzugeben. In wenig verschmutzten, oligo- bis mesotrophen ___ Greifensee muss mit ihrem Aussterben gerechnet werden.
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Pascale Steiner & Hans Turner
See-Erbsenmuschel Pisidium conventus (Taf. 2: G): von
J. LUNDBECK 1928 gesammelt (1 Ex. in –16 m, 2 Ex. in
–17 m), von J. G. J. KUIPER 1970 bestimmt. Diese Art bevor-
zugt tiefe, kühle, sauerstoffreiche Seebereiche, kommt in
Seen des Mittellandes nicht in der Uferzone vor und dürfte
im tieferen Wasser des Greifensees durch anthropogene Eu-
trophierung ausgerottet worden sein.
Stumpfe Erbsenmuschel Pisidium obtusale: 1936 (2 Ex.).
In der Nordschweiz sehr zeIstreut verbreitet und auf höhere
Wasser- und Sumpfpflanzen angewiesen. Es ist nicht auszu-
schliessen, dass die Art in entsprechenden Uferzonen des
Greifensees noch gefunden werden könnte.
Bauchige Schnauzenschnecke Bithynia leachii (Taf. 1: A):
von BIESE (1937) als im Greifensee in der Häufigkeitsstufe
«l» (sehr selten) vorkommend bezeichnet. Die Art ist in der
Schweiz nur sehr lokal (Zürichsee, Hochrhein) verbreitet,
wird selten in Uferzonen unter Steinen bis in 3 m Tiefe
gefunden, scheint gegen Gewässerverschmutzung ziemlich
empfindlich zu sein und dürfte im Greifensee ausgestorben
sein.
Alpen-Federkiemenschnecke Valvata piscinalis alpestris
(Taf. 2: E): von BIESE (1937: 18) noch als häufig bezeichnet,
war dieser sauerstoffbedürftige Detritusfresser, der auf
Schlammgrund klarer Gewässer lebt, jetzt nicht mehr anzu-
treffen.
Kleine Sumpfschnecke Galba truncatula: 1916 (14 Ex.
bei Maur); 1936 (10 Ex.); in geeigneten Habitaten (Uferzone
und Kleingewässer) sicherlich auch heute noch am Greifen-
see zu finden.
Raben-Sumpfschnecke Stagnicola corvus: 1936 (5 Ex.);
in seichten, pflanzenreichen Uferzonen wahrscheinlich auch
heute noch zu finden.Gemeine Schlammschnecke Radix peregra: 1936 (7 Ex.);
in Kleingewässern in Ufernähe wahrscheinlich auch heute
noch zu finden.
Quell-Blasenschnecke Physa fontinalis (Taf. 1: B): 1936
(1 Ex.). Wurde noch 1987 in der Glatt bei der Brücke Fällan-
den-Schwerzenbach von RUTH BEUTLER gesammelt und be-
stimmt. Diese Art geht allgemein stark zurück und ist im
Greifensee vermutlich ausgestorben.
Gemeine Tellerschnecke Planorbis planorbis: 1936 (sehr
selten). Nochmals nach 1950 gefunden. Eine Art, die schlam-
mige Habitate seichter Gewässer (bis 1 m Tiefe) bevorzugt,
die also im Greifensee gezielt in solchen Habitaten gesucht
werden müsste.
Weissmündige Tellerschnecke Anisus leucostoma: 1936
(2 Ex.). Bevorzugt stehende Kleingewässer und war deshalb
an den 1996 regelmässig beprobten Stellen des Greifensees
nicht zu erwarten.
Tafel 3. Im Greifensee selten gewordene, hier vom Aussterbenbedrohte Molluskenarten.
Plate 3. Mollusc species which have become rare and are conside-red to be in danger of extinction in the Lake Greifensee.
H: Gekielte Tellerschnecke Planorbis carinatus (0. F. MÜLLER1774), 0 13.0 mm.I: Glänzende Tellerschnecke Segmentina nitida (0. F. MÜLLER1774), 0 4.4 mm.J: Flache Federkiemenschnecke Valvata cristata (0. E MÜLLER1774), 0 3.2 mm.K: Gemeine Kugelmuschel Sphaerium corneum (LINNAEUS 1758),11.9 x 12.7 mm.L: Häubchenmuschel Musculium lacustre (0. F. MÜLLER 1774), 7.6x 5.8 mm.M: Winzige Falten-Erbsenmuschel Pisidium moitessierianum (PA-LADILHE 1866), l.6 x l.4 mm.
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Die Mollusken des Greifensees
Riemen-Tellerschnecke Bathyomphalus contortus: von
ca. 3400 bis 1000 v. Chr. (49 Ex. subfossil); 1936 (2 Ex.);1993 (in der Glatt vom Greifensee bis Dübendorf); in pflan-zenreichen Uferzonen wahrscheinlich auch heute noch zu
finden.
Zwergposthörnchen Gyraulus (Armiger) crista: von ca.
3400 bis 3000 v. Chr. (215 Ex. subfossil); 1936 (2 Ex.); inpflanzenreichen, schattigen Uferzonen vielleicht auch heute
noch zu fmden.
Linsenförmige Tellerschnecke Hippeutis complanatus
(Taf. 1: C): ca. 1916 von J. P. WOLF, 1936 von W. BIESE und1964 von H. JUNGEN gefunden. Diese Art bevorzugt pflan-zenreiche seichte Gewässer und wird in der Schweiz als
gefährdet eingestuft. Es überrascht, dass sie 1996 auch impflanzenreichen Litoral des Greifensees (Stelle K) nicht mehr
auffindbar war.
Posthornschnecke Planorbarius corneus (Taf. 1: D): wur-
de bis 1936 mehrmals im oder am Greifensee nachgewiesen:1897 von HARTWICH; ohne genaues Datum (vermutlich um1900) von FRÜH und O. STOLL; 1904 beim Glatt-Ausflnss vonDÜGGELI; 1916 von J. P. WOLF; 1936 im Glatt-Altwasser beiSchwerzenbach (einzelne Stücke auch bei Maur) von W.
BIESE. — Diese weitgehend anthropochore (vom MeHschen
verbreitete) Art kann in der Schweiz anscheinend nirgends
beständige Populationen aufbauen. Es überrascht daher nicht
sonderlich, dass keine neuen Nachweise aus dem Greifensee
vorliegen.
5 AUSBLICK UND DANK
Noch sind viele Fragen bezüglich der Mollusken unserer
Flüsse und Seen offen. Die hier vorgelegte Arbeit könnte
ausgedehnt werden, indem die Sauerstofftoleranz und die
Verträglichkeit der Eutrophierung der hier gefundenen Mol-
lusken experimentell untersucht würde. Beides sind Parame-
ter, die im Greifensee vermullich schon für einige Arten den
Grenzwert erreicht haben. Die Mollusken machen solche
Untersuchungen besonders deshalb iHteressant, da sich diese
Tiere nicht oder nur sehr langsam den sich verschlechternden
Umweltbedingungen entziehen können. Ein Weiterführen
der Bestandsaufnahme des Greifensees und anderer Seen als
Vergleichswerte könnte von vielseitigem Interesse sein.Wir danken der EAWAG Dübendorf, welche Räumlichkeiten
und Material sowie diverse Wassergüte-Daten vom Greifensee zurVerfügung gestellt hat, und den Herren F. STÖSSEL und Dr. B.AKERET für die Betreuung und Mithilfe bei den Probenahmen. HerrDr. J. G. J. KUIPER (Garches bei Paris) hat trotz vielseitiger Inan-spruchnahme in gewohnt zuverlässiger Weise und mit Vorrang die
Greifensee-Pisidien bestimmt. Ferner danken wir Frau T. MEIER(Zoologisches Museum der Universität Zürich) für einen Ausdruckaus der Datenbank ihres Museums betreffend Greifensee-Mollus-ken und Herrn NIGEL THEW (Service d'Archéologie Neuchâtel) fürdie sprachliche Bereinigung der englischen Zusammenfassung.
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Pascale Steiner, Hörnliweg 3, CH-5304 Endingen;derzeit: Rookery Bay Research Reserve, Goodlandhouse, 300 Tower Road, Naples, FL 34113, USA;e-mail: [email protected]
Dr. Hans Turner, Casa La Conchiglia, CH-6821 Rovio (Anfragen für Sonderdrucke an H. Turner).
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