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Die überwiegende Mehrzahl der Pro- gnosen geht von einer Zunahme des rea- len BIP im laufenden Jahr aus, der zwi- schen 2,7 und 3 Prozent liegt. Etwas pes- simistischer sind nur das DIW Berlin und das Kieler Institut, die jeweils eine Zunah- me in der Größenordnung von etwa 2,4 – 2,5 Prozent erwarten. Verglichen mit der Entwicklung in den Staaten der EU-11 wird allerdings nur für Italien ein geringe- res Wirtschaftswachstum erwartet. Für die Exporte, die im letzten Jahr um 3,8 Prozent zulegten, wird wieder mit ei- ner größeren Dynamik gerechnet. Aller- dings liegen hier die Erwartungen weit auseinander: Während die beiden priva- ten Banken und das DIW eine Zunahme der Exporte zwischen 9 und 10 Prozent voraussagen, äußern sich die anderen Wirtschaftsinstitute und der Sachver- ständigenrat deutlich zurückhaltender. Einer der Gründe für diese unterschiedli- che Einschätzung ist die Beurteilung der wirtschaftlichen Situation in Südostasi- en. Ob sich insbesondere in Japan die wirtschaftliche Entwicklung wieder gefe- stigt hat und zu einem sich selbst tra- genden Aufschwung führt, wird zur Zeit noch unterschiedlich beurteilt. Aber auch die Entwicklung in den USA ist mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Seit einigen Jahren wird mit einer kon- junkturellen Abschwächung gerechnet, doch die US-Wirtschaft überrascht mit einer Dynamik, die in diesem Ausmaß nicht von den Prognostikern vorgesehen wurde. Ob sich das Wirtschaftswachs- tum in den USA verlangsamen wird, ist somit ebenfalls umstritten. Demgegenü- ber steht die europäische Wirtschaft vor einer Aufschwungphase – für die mei- sten Länder wird mit einer beschleunig- ten Aufwärtsentwicklung gerechnet. Die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland 2000 Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, Mannheim Jahrgang 3 . Nr. 1 . März 2000 Die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Die voraussichtliche Lage in der EWU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 ZEW-Finanzmarkttest: Ergebnisse der Umfrage im Februar 2000 . . . . . . . . . . . 4 Welche Informationen über die Konjunktur liefern Veränderungsraten? . . . 6 Wiedervereinigung: Nachfrageschock und Subventionsförderung . . . . . . . . . . . . . 8 Vorlaufindikatoren für die Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Niederlande: Export stützt Konjunktur . . . . . . . . . . . . . . 12 Die Ausgangsbedingungen für eine spürbare Verbesserung der konjunkturellen Entwicklung sind für das lau- fende Jahr als günstig zu beurteilen. Trotz des schwachen Anstiegs des realen Bruttoinlandsprodukts über das gesamte letzte Jahr von nur 1,5 Prozent zeichnete sich die Belebung bereits in den beiden letzten Quarta- len des Jahres 1999 ab. In dieser Ausgabe Streikende während der Tariflohnverhandlungen.

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■ Die überwiegende Mehrzahl der Pro-gnosen geht von einer Zunahme des rea-len BIP im laufenden Jahr aus, der zwi-schen 2,7 und 3 Prozent liegt. Etwas pes-simistischer sind nur das DIW Berlin unddas Kieler Institut, die jeweils eine Zunah-

me in der Größenordnung von etwa 2,4 –2,5 Prozent erwarten. Verglichen mit derEntwicklung in den Staaten der EU-11wird allerdings nur für Italien ein geringe-res Wirtschaftswachstum erwartet.

Für die Exporte, die im letzten Jahr um3,8 Prozent zulegten, wird wieder mit ei-

ner größeren Dynamik gerechnet. Aller-dings liegen hier die Erwartungen weitauseinander: Während die beiden priva-ten Banken und das DIW eine Zunahmeder Exporte zwischen 9 und 10 Prozentvoraussagen, äußern sich die anderen

Wirtschaftsinstitute und der Sachver-ständigenrat deutlich zurückhaltender.Einer der Gründe für diese unterschiedli-che Einschätzung ist die Beurteilung derwirtschaftlichen Situation in Südostasi-en. Ob sich insbesondere in Japan diewirtschaftliche Entwicklung wieder gefe-

stigt hat und zu einem sich selbst tra-genden Aufschwung führt, wird zur Zeitnoch unterschiedlich beurteilt. Aberauch die Entwicklung in den USA ist miterheblichen Unsicherheiten behaftet.Seit einigen Jahren wird mit einer kon-junkturellen Abschwächung gerechnet,doch die US-Wirtschaft überrascht miteiner Dynamik, die in diesem Ausmaßnicht von den Prognostikern vorgesehenwurde. Ob sich das Wirtschaftswachs-tum in den USA verlangsamen wird, istsomit ebenfalls umstritten. Demgegenü-ber steht die europäische Wirtschaft voreiner Aufschwungphase – für die mei-sten Länder wird mit einer beschleunig-ten Aufwärtsentwicklung gerechnet.

Die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland 2000

Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, Mannheim Jahrgang 3 . Nr. 1 . März 2000

Die konjunkturelle Entwicklung inDeutschland 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

Die voraussichtliche Lagein der EWU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

ZEW-Finanzmarkttest: Ergebnisse der Umfrage im Februar 2000 . . . . . . . . . . . 4

Welche Informationen über die Konjunktur liefern Veränderungsraten? . . . 6

Wiedervereinigung: Nachfrageschockund Subventionsförderung . . . . . . . . . . . . . 8

Vorlaufindikatoren für dieEuropäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

Niederlande: Export stützt Konjunktur . . . . . . . . . . . . . . 12

Die Ausgangsbedingungen für eine spürbare Verbesserung der konjunkturellen Entwicklung sind für das lau-fende Jahr als günstig zu beurteilen. Trotz des schwachen Anstiegs des realen Bruttoinlandsprodukts überdas gesamte letzte Jahr von nur 1,5 Prozent zeichnete sich die Belebung bereits in den beiden letzten Quarta-len des Jahres 1999 ab.

In dieser Ausgabe

Streikende während der Tariflohnverhandlungen.

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ZEW Konjunkturreport . März 20002

Konsum belebt sich

Als zweite wichtige Stütze für die kon-junkturelle Belebung erwiesen sich dieprivaten Konsumausgaben, die im letztenJahr um zwei Prozent stiegen. Für das lau-fende Jahr ist mit einer Fortsetzung derEntwicklung zu rechnen, so dass von ei-ner Zunahme zwischen 2 und 2,3 Prozentausgegangen wird. Neben den steuerli-chen Entlastungen beziehungsweise derErhöhung des Kindergeldes im letztenJahr fielen auch die Lohnabschlüsse deut-lich höher als 1998 aus. Insgesamt stie-gen somit die Realeinkommen der priva-ten Haushalte. Dieser Anstieg der Real-einkommen wurde zwar teilweise durchdie Preiserhöhungen, hier insbesonderefür Energie, aufgezehrt, jedoch lagen diePreissteigerungen unter der Zunahmedes Realeinkommens, so dass sich nettodie Kaufkraft der privaten Haushalte er-höhte. Zusätzlich entsparten die Haushal-te kräftig, was die Sparquote im letztenJahr auf 9,3 Prozent des verfügbaren Ein-kommens senkte. Für das laufende Jahrwerden neben der erwarteten Beschäfti-gungserhöhung auch die Veränderungenin der Einkommensbesteuerung (Sen-kung des Eingangs- und Spitzensteuer-satzes, Anhebung der Grundfreibeträge)die gesamtwirtschaftliche Kaufkraft stei-gern und die wirtschaftliche Lage derHaushalte verbessern. Selbst bei einergeringeren Lohnerhöhung als im letztenJahr dürfte es somit zu einem spürbarenAnstieg des verfügbaren Einkommensund des privaten Verbrauchs kommen.

Bauinvestitionen weiter schwach

Seit fünf Jahren in Folge sinken dieBauinvestitionen, jedoch scheint hier ei-ne leichte Besserung in Sicht zu sein.Nach der starken Abnahme 1998 (um–3,9 Prozent) verringerten sie sich imletzten Jahr nur noch um –0,2 Prozent.Für das laufende Jahr rechnet das ifo-In-stitut wieder mit einem leichten Anstiegder Bautätigkeit (+0,7 Prozent), wobeisich die Belebung im Jahresverlauf et-was beschleunigen wird. Dynamisch ent-wickelten sich die Investitionen in son-stige Anlagen, wobei diese Tendenzauch im Jahr 2000 anhalten wird. Da je-doch die Bauinvestitionen weiterhin we-nig zufriedenstellend verlaufen, werdendie Anlageinvestitionen insgesamt nurum etwa 3 – 4 Prozent zunehmen.

Preise ziehen an

Es herrscht Eindeutigkeit bei der Beur-teilung der Preisentwicklung. Im Ver-gleich zum Vorjahr wird die Preissteige-rungsrate mit 1,1 – 1,7 Prozent etwa dop-pelt so hoch ausfallen. Dies bedeutet je-doch nicht, dass mit einer erneuten Infla-tion zu rechnen ist, da ein derartiger An-stieg keine aktuelle Gefahr für die Preis-stabilität darstellt. Für den Anstieg derLebenshaltungskosten sind vornehmlichdie Preissteigerungen für Rohöl verant-wortlich. Wenn diese Tendenz anhält undes den Unternehmen weiterhin gelingt,diese Verteuerung auf ihre Verkaufsprei-se zu überwälzen, könnte es zu weiteren

Preissteigerungen für die Verbraucherkommen. Sollten die diesjährigen Tarif-abschlüsse zudem nicht deutlich unter-halb des echten Produktivitätswachs-tums bleiben, dann wird sich der Druckauf die Preise im laufenden Jahr erhöhen.

Arbeitsmarkt leicht entspannt

Mit den verbesserten konjunkturellenBedingungen setzt auch eine leichte Ent-spannung auf dem Arbeitsmarkt ein. Nachdem deutlichen Anstieg in der ersten Hälf-te 1998 ließ die Dynamik in der Beschäfti-gungsentwicklung ab dem vierten Quartal1998 wieder nach und hat bis heute nochnicht wieder das Niveau von 1995 er-reicht. Andererseits konnte die Arbeitslo-sigkeit von 4,5 Millionen im Oktober 1997um knapp 600.000 Personen verringertwerden. Allerdings stehen diesem Abbaunur rund 250.000 zusätzliche Beschäfti-gungsverhältnisse gegenüber. Auch fürdas laufende Jahr wird mit keinem nen-nenswerten Anstieg der Beschäftigunggerechnet. Gegenüber den 36,1 MillionenBeschäftigten des Jahres 1999 rechnendie Prognostiker mit einer Erhöhung zwi-schen 70.000 (DIW) und 100.000 Perso-nen. Für die Arbeitslosenquote in der na-tionalen Definition wird ein weiterer Rück-gang erwartet, so dass die Quote knappunter 10 Prozent liegen wird. Netto wirdauch im Jahr 2000 der Aufschwung im we-sentlichen am Arbeitsmarkt vorbei gehen,so dass die bisherigen Probleme auchweiterhin ungelöst bleiben werden. �

Dr. Herbert S. Buscher, [email protected]

Statist.BA SVR GD IfW DIW Ifo IWH RWI Dt.Bank Comm.Bank1999 2000 2000 2000 2000 2000 2000 2000 2000 2000

BIP, real 1,5 2,7 2,7 2,5 2,4 2,7 2,8 2,6 3,0 2,8– Privater Konsum 2,0 2,1 2,1 2,0 2,3 2,3 2,3 2,3 2,2 2,3– Konsumausgaben 0,3 1,1 0,3 1,0 0,1 0,8 0,2 0,0 0,6 0,5

des Staates– Bruttoanlage- 2,2 3,4 4,3 3,4 2,6 2,9 3,3 3,4 3,1 4,0

investitionen– Exporte 3,8 6,6 6,9 6,5 9,0 7,6 7,5 8,5 10,0 10,0– Importe 5,8 5,1 5,3 5,2 7,1 6,0 5,4 7,1 7,6 7,0Erwerbstätige 0,3 0,3 0,3 0,3 0,2 0,4 0,3 0,4 n.v. 0,6

Personen 36103 36116 36230 36213 36170 36250 36209 36250 36200Arbeitslose 4099 3896 3900 3930 3909 3890 3912 3870 3900 3800Arbeitslosenquote 10,5 9,9 9,7 9,8 9,8 9,7 9,8 9,7 9,5 9,9Preisindex der 0,6 1,5 1,2 1,4 1,1 1,2 1,2 1,3 1,7 1,3LebenshaltungMit Ausnahme der Arbeitslosenquote und der Anzahl der Erwerbstätigen alle Angaben als prozentuale Veränderung gegenüber dem Vorjahr. SVR: Jahresgutachten des Sach-verständigenrats, November 1999; GD: Herbstgutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute 1999; IfW: Weltwirtschaft 4/1999; DIW: Grundlinien der Wirtschaftsentwicklung2000; IWH: Konjunkturausblick 2000; Deutsche Bank Research: Perspektiven 1/2000 und telefonische Auskunft; Commerzbank: Konjunkturdaten Deutschland 1/2000 undtelefonische Auskunft; Ifo: ifo Konjunkturanalyse vom Dezember 1999; RWI: http://www.rwi-essen.de und telefonische Auskunft. Veränderungsraten bei den Erwerbstätigenteilweise selbst berechnet (IfW, DIW, IWH, Deutsche Bank, Commerzbank); n.v. = nicht verfügbar.

Tabelle 2: Wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland 1999 und 2000

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ZEW Konjunkturreport . März 2000 3

Die voraussichtliche Lage in der EWU■ Die Konjunktur hat sich innerhalb derEWU seit dem Frühjahr letzten Jahresspürbar erholt. Im zweiten Halbjahr hatsich die Expansion beschleunigt. Für ei-nige Länder wie die Niederlande, Belgi-en und Spanien wurden die Prognosendeutlich angehoben. Den Indikatorenzufolge gewinnt der Aufschwung in Eu-ropa zunehmend an Breite. Für die Eu-rozone erwartet das DIW nun einen An-stieg des BIP in Höhe von 3,0 Prozent.

Getragen wird die Erholung durchdie Exporte, die infolge des schwachenEuros und der günstigen weltwirt-schaftlichen Lage kräftig expandierenwerden. Neben der positiven Entwick-lung im Außenhandel unterstützt auchdie Binnennachfrage den Aufschwung:So hat sich der private Verbrauch zu-letzt wieder beschleunigt, während dieAnlageinvestitionen in unverändertemTempo zunahmen.

Die Zahl der Arbeitslosen sank in-nerhalb des vergangenen Jahres um na-hezu eine Million, die Arbeitslosenratelag Ende 1999 erstmals wieder unterzehn Prozent. Bisherige Zahlen deutennach einer Zunahme der Beschäftigtenim Dienstleistungssektor auch auf eineVerbesserung der Beschäftigungslagein der Industrie hin. Von einer Trend-wende zu sprechen erscheint aber nochverfrüht. Preistreibend wirkten im letz-ten Jahr v.a. die Energiepreise. Die EZBräumte im Rahmen ihrer letzten Zinser-höhung ein, dass von der konjunkturel-len Dynamik Inflationsgefahren ausge-hen könnten. Nachdem die Inflations-rate gegen 2 Prozent klettert, ist im er-sten Halbjahr mit einem weiteren Zins-schritt um mindestens 25 Basispunktezu rechnen. �

Angaben in Prozent gegenüber dem Vor-jahr; Ausnahme: Arbeitslosenquote.

Quellen: EU11: DIW Wochenbericht 1/00;Österreich: Wifo, Wien; Spanien: La Caixa,Barcelona; Belgien: IRES, Brüssel; Arbeits-losenquote, Beschäftigung: Federal Plan-ning Bureau, Brüssel; Niederlande: ABNAMRO Bank, Amsterdam; CPB; Finnland:ETLA, Helsinki; Frankreich: l‘OFCE, Paris;Irland: ESRI, Dublin; Italien: ISAE, Rom; Por-tugal: OECD, Paris.

Anmerkungen zur Tabelle:

EU11 Italien1999 2000 1999 2000

BIP, real 2,1 3,0 1,2 2,4Privater Verbrauch 2,3 2,8 1,5 2,5Investitionen 4,3 4,5 3,2 5,0Exporte 2,6 6,7 -0,2 5,5Importe 4,1 6,1 2,9 7,0Verbraucherpreise 1,3 1,5 1,7 2,0Arbeitslosenquote 10,0 9,5 11,4 11,0Beschäftigung 1,0 1,0 0,8 1,0

Spanien Belgien1999 2000 1999 2000

BIP, real 3,7 4,0 2,2 3,4Privater Verbrauch 4,3 4,2 1,9 2,6Investitionen 9,9 7,8 4,6 3,8Exporte 7,0 7,6 2,2 5,3Importe 11,3 9,3 1,9 4,5Verbraucherpreise 2,3 2,3 1,1 1,6Arbeitslosenquote 15,9 14,7 9,2 8,7Beschäftigung 3,5 2,9 1,1 1,4

Österreich Irland1999 2000 1999 2000

BIP, real 2,2 2,8 7,25 6,25Privater Verbrauch 2,3 2,7 7,75 5,5Investitionen 3,3 3,9 11,75 8,0Exporte 4,5 7,0 14,5 11,5Importe 6,2 6,5 14,5 10,75Verbraucherpreise 0,5 1,1 1,5 2,0Arbeitslosenquote 6,7 6,5 6,5 5,0Beschäftigung 1,2 1,0 4,8 3,5

Niederlande Frankreich1999 2000 1999 2000

BIP, real 3,3 3,7 2,7 3,5Privater Verbrauch 4,0 3,5 2,4 2,5Investitionen 5,0 5,0 5,1 4,6Exporte 4,5 6,5 3,3 7,5Importe 5,2 6,2 3,5 6,8Verbraucherpreise 2,2 2,2 0,9 1,2Arbeitslosenquote 4,1 3,4 11,3 10,7Beschäftigung 2,5 1,5 1,3 1,8

Finnland Portugal1999 2000 1999 2000

BIP, real 3,5 4,0 3,1 3,2Privater Verbrauch 3,5 4,0 3,8 3,1Investitionen 7,0 6,0 6,3 7,0Exporte 3,0 7,0 6,3 7,3Importe 4,0 6,0 7,3 7,7Verbraucherpreise 1,1 1,7 2,5 2,3Arbeitslosenquote 10,2 9,0 5,0 5,0Beschäftigung - - - -

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ZEW-Finanzmarkttest: Ergebnisse der Umfrage im Februar 2000

Euroraum: Inflationsgefahr nimmt zu

■ Euro-Abwertung, Ölpreis, Öko-steuern und Tariferhöhungen trie-ben die Inflationsrate im Euroraumin die Höhe und lassen nun einezwei vor dem Komma erwarten.Über 70 Prozent der Experten rech-nen mit höheren Preissteigerungs-raten. Aus den Umfrageergebnis-sen lässt sich eine Mai-Prognosevon 2,1 Prozent errechnen – damitwäre gemäß der Definition der EZBdas Ende der Preisstabilität er-reicht. Eventuell führen hier aberauch Sondereffekte zu einer Über-bewertung des Preisauftriebs. Vorallem der letztjährige Preisverfall

am Energiemarkt sorgt für einenBasiseffekt, so dass die Preisstei-gerungsraten in den kommendenMonaten dramatischer erscheinen,als sie wirklich sind. Verhältnis-mäßig hohe Tarifabschlüsse könn-ten die Inflationsängste bestätigen.Folglich erwarten die Experten wei-tere Zinsschritte der EZB. Dies zeigtauch ein Vergleich der Antworten,die vor und nach dem 3. Februargegeben wurden. Vor dem Zins-schritt gingen 87 Prozent der Fach-leute von steigenden Geldmarkt-zinsen aus, nach vollzogener Zins-erhöhung waren es 90 Prozent . �

Euroraum: Für den Aufschwung keine Gefahr

■ Im Euroraum wird das Konjunk-turklima von den Finanzmarktex-perten mit 57 Prozent unverändertpositiv beurteilt. Unter den in derBefragung berücksichtigten Teil-nehmern der Europäischen Wirt-schaftsunion konnte Deutschlandwieder aufholen, während Italienauch weiterhin das Schlusslichtbleibt. Dies liegt im wesentlichen an derdeutlich schlechteren Ausgangsla-ge. Während die aktuelle Situationin Frankreich von 38 Prozent und inDeutschland von 20 Prozent derbefragten Finanzexperten als gut

bezeichnet wird, fällt die Beurtei-lung in Italien mit 11 Prozent deut-lich schlechter aus. Im Vergleichzwischen Deutschland, Frankreichund Italien wird für die Bundesre-publik die größte Dynamik erwar-tet. 86 Prozent der Finanzfachleuterechnen mit einer weiteren Verbes-serung der gesamtwirtschaftlichenSituation.Ein Blick auf die Beurteilung derkünftigen Ertragsentwicklung ineinzelnen Sektoren zeigt, dass dieexport- und technologiestarkenBranchen weiterhin Vorreiter seinwerden. �

■ Der ZEW-Finanzmarkttest ist eine seitDezember 1991 durchgeführte Umfrage,in der monatlich die im deutschen Finanzbereich vorherrschenden Erwar-tungen über die Entwicklung an sechsinternationalen Finanzmärkten erhobenwerden. Ingesamt beteiligen sich rund 400 Unter-nehmen an dieser Umfrage, darunter250 Banken, 50 Versicherungen , 50 Ka-pitalanlagegesellschaften, 30 Indu-strieunternehmen und 30 private Anla-

gemanager. Angesprochen werden dieFinanzexperten der Finanz- und Re-searchabteilungen sowie der volkswirt-schaftlichen Abteilungen und die Anla-ge- und Wertpapierabteilungen dieserUnternehmen. Im einzelnen werden die Finanzmarkt-experten nach ihren mittelfristigen Er-wartungen befragt, die sie für wichtigeinternationale Finanzmärkte hinsichtlichder Entwicklung der Konjunktur, der In-flationsrate, der kurz- und langfristigen

Zinsen, der Aktien- und der Wechselkur-se haben. Auf den folgenden beiden Sei-ten werden die wichtigsten Ergebnisseder aktuellen Umfrage, die vom 31. Janu-ar bis 15. Februar 2000 durchgeführtwurde, dargestellt. Weitere Informatio-nen zum ZEW-Finanzmarktest sind inForm einer Kurzinformation und des ak-tuellen ZEW-Finanzmarktreports fürMärz 2000 erhältlich. �

Felix Hüfner, [email protected];Birgit Sasse, [email protected];

Andrea Szczesny, [email protected]

ZEW Konjunkturreport . März 20004

2,4

2,9

3,4

3,9

4,4

4,9

Euribor: Entwicklung und Prognose

* Quelle: Datastream, bis 04.01.99 FIBOR (3M)

Konjunkturklima im Euroraum

Euroraum Deutschland Frankreich Italien0

10

20

30

40

50

60

70

Mittelwert aus der Beurteilung der aktuellen Wirtschaftslage und den Erwar-tungen hinsichtlich der künftigen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

EURIBOR*

PrognosePrognoseintervall

Dez 99 Jan 00 Feb 00

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Euro: Parität zum Dollar?

■ Nachdem die Experten seitMonaten versuchen, den Eurostark zu sehen, geben sie imFebruar zunehmend die Hoffnungauf: Im Januar glaubten noch 73Prozent an einen gegenüber demDollar aufwertenden Euro, imFebruar sind es trotz immer neuerTiefststände und dem letzten Zins-schritt nur noch 62 Prozent. Dieserhöht den Druck auf die Europäi-sche Zentralbank, die bereits inihre Stellungnahme zur jüngstengeldpolitischen Entscheidung dieWechselkursproblematik als indi-rekte Begründung aufgenommen

hat. Die parallelen Schritte durchdie Federal Reseve Bank und dieEuropäische Zentralbank habenbisher zu keiner Verengung derZinsdifferenz geführt und daherden Wechselkurs des Euro nochnicht stützen können. Seine Zukunft hängt maßgeblichvon der wirtschaftlichen Zukunft inden Vereinigten Staaten ab. NachMeinung der Experten wird derZinsabstand unverändert bleiben,das Konjunkturgefälle jedoch ab-nehmen. Damit sollte sich der Eurozumindest wieder auf die andereSeite der Parität begeben. �

Feb 98 Jun 98 Okt 98 Feb 99 Jun 99 Okt 99 Feb 00-30

-20

-10

0

10

20

30

40

■ Steigende Zinsen bedrohen denamerikanischen Aktienmarkt. Etwa85 Prozent der befragten Finanz-marktexperten scheinen zu glau-ben, dass der Konjunktur nur durchein weiteres Anziehen der Zinszü-gel eine sanfte Landung ermöglichtwerden kann. Im Mittel ergibt sich für die Geld-marktzinsen eine Prognose von 6,1Prozent. Das Opfer der Zinsent-wicklung am kurzen Ende wird derAktienmarkt sein, befürchten dieBefragten. Nur noch rund 26 Pro-zent erwarten steigende, 29 Pro-zent dagegen sinkende Kurse. Da-

mit erhält der amerikanische Akti-enmarkt im Februar unter allenMärkten, zu denen die Expertenbefragt wurden, die schlechtesteBeurteilung. Die Prognose für denDow-Jones-Index im Mai beläuftsich auf 10.700 Punkte. Am Bondmarkt ist die Stimmungkonträr. Während die Hälfte der Be-fragten im Januar noch an steigen-de Kapitalmarktzinsen glaubte,verringert sich diese Gruppe nunauf 45 Prozent. Die Renditen 10-jähriger Treasury-Bonds werdendamit im Monat Mai bei 6,9 Pro-zent gesehen. �

Großbritannien: Pessimismus nimmt zu

USA: Auf dem Weg in die inverse Zinsstruktur

Konjunkturklima Gr0ßbritannien

ZEW Konjunkturreport . März 2000 5

Mittelwert aus der Beurteilung der aktuellen Wirtschaftslage und den Erwar-tungen hinsichtlich der künftigen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.Angaben in Prozent. Quelle: ZEW

Dollar: Entwicklung und Prognose

0,95

1,00

1,05

1,10

1,15

1,20

1,25

*Quelle: Datastream

Zinserwartungen USA

Lesebeispiel: Im Februar 00 erwarten per Saldo 83,5 Prozent einen Anstieg der Zinsen am kurzen Ende und per Saldo 27,3 Prozent einen Anstieg der Langfrist-zinsen.

Feb 99 Apr 99 Jun 99 Aug 99 Okt 99 Dez 99 Feb 00-10

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

■ Momentan schätzt mehr als dieHälfte der Finanzmarktexpertendie konjunkturelle Situation inGroßbritannien als gut ein. Dieweiteren Aussichten werden je-doch zunehmend pessimistischergesehen. So glaubt nur nochknapp ein Fünftel der Teilnehmeran eine weiter dynamische engli-sche Wirtschaft. Vielmehr sindüber 70 Prozent der Meinung, dassdie nächsten 6 Monate keine Ver-besserung der Wirtschaftslage mitsich bringen werden. Dies könntein Zusammenhang mit der jüng-sten Zinserhöhung der Bank of

England auf 6 Prozent stehen. DieSorgen der englischen Zentralbankeines Anziehens der Inflationsratewerden von 60 Prozent der Teil-nehmer geteilt. Folgerichtig wirdmehrheitlich mit einem weiterenAnstieg der kurzfristigen Zinsengerechnet. Die Mai-Prognose liegtbei 6,4 Prozent.Für den Aktienmarkt sind dies frei-lich keine guten Nachrichten. Im-mer weniger Marktbeobachterglauben an weiter steigende Kur-se, wobei sich die Prognose für dienächsten 6 Monate auf 6.230Punkte beläuft. �

Dollar/Euro *

PrognosePrognoseintervall

Mai 98 Nov 98 Mai 99 Nov 99 Mai 00

Kurzfristiger Zins

Langfristiger Zins

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■ Folgende Situation: Das StatistischeBundesamt veröffentlicht die Zahlen fürdas reale Bruttoinlandsprodukt (BIP, inkonstanten Preisen) für Deutschland undam folgenden Tag lesen Sie in verschiede-nen Zeitungen, dass das reale BIP im drit-ten Quartal 1999 saisonbereinigt gegenü-ber dem Vorquartal um 0,5 Prozent ges-tiegen sei. Gegenüber der Veränderung

im zweiten Quartal (+0,4 Prozent) zeichnesich eine Belebung des wirtschaftlichenWachstums ab. In einer anderen Zeitunglesen Sie, dass das reale BIP im drittenQuartal gegenüber dem gleichen Vorjah-reszeitraum um 1,2 Prozent zugenommenhabe. Verglichen mit der Veränderungsra-te für das zweite Quartal 1999 (1,2 Pro-zent) zeichne sich weder eine Beschleuni-gung noch eine Verlangsamung der Dyna-mik ab. Eine dritte Zeitung schließlich ver-öffentlicht die annualisierte Verände-rungsrate, die mit 2,1 Prozent gegenüber1,6 Prozent im zweiten Quartal 1999 aufeine Verstärkung der konjunkturellenAuftriebskräfte hinweist. Zusätzlich erhal-

ten Sie die Information, dass jedoch die Jahresverlaufsrate eine leichte Ab-schwächung andeutet (von 1,4 % im zwei-ten Quartal auf 1,2 % im dritten Quartal1999). Die Frage für den Leser ist nun, welcherder vier Raten er „glauben“ soll oder darf.Wie so oft, gibt es auch hier keine eindeu-tige Antwort.

In der Tabelle sind beispielhaft für dasreale Bruttoinlandsprodukt Deutsch-lands verschiedene Veränderungsratendargestellt. Hierbei wird zwischen Ur-sprungswerten und saisonbereinigtenWerten unterschieden. Drei der fünf be-rechneten Veränderungsraten sind in derGraphik abgebildet. Beginnt man mit denUrsprungswerten, dann sollten Verände-rungsraten nur gegenüber dem entspre-chenden Vorjahreszeitraum berechnetwerden, falls die Zeitreihe ein ausgepräg-tes Saisonmuster aufweist. Als Faustre-gel kann aus den Änderungsraten derQuartale die jährliche Änderungsrate alseinfacher Mittelwert berechnet werden.

Korrekterweise müsste hierzu ein geome-trisches Mittel berechnet werden, wobeidie Gewichte jeweils aus dem Verhältnisdes aktuellen Werts zum entsprechendenVorjahreswert bestimmt werden. Sinddiese Gewichte im wesentlichen kon-stant, dann unterscheiden sich arithmeti-sches und geometrisches Mittel nur un-wesentlich. Unterschiede in beidenGrößen können aber insbesondere dannauftreten, wenn in den jeweiligen Quarta-len eine deutlich unterschiedliche Zahlvon Arbeitstagen enthalten ist. Aus die-sem Grunde sollten, unabhängig von ei-ner Saisonbereinigung, die Ursprungs-werte einer Zeitreihe vor der Berechnungarbeitstäglich bereinigt werden. Entspre-chende Bereinigungsfaktoren stellt zumBeispiel das DIW zur Verfügung.

Kann man bei der zugrunde liegendenZeitreihe von einem im Zeitverlauf kon-stanten Saisonmuster ausgehen, dannwerden durch diese Berechnungsart diesaisonalen Effekte eliminiert. Die Nachtei-le dieser Vorgehensweise sind, dass kon-junkturelle Wendepunkte u. U. zu spät er-kannt werden und sogenannte Basisef-fekte die Interpretation der Daten er-schweren können. Letztere treten z. B.auf, wenn im ersten Quartal des Vorjahresein strenger Winter herrschte, nicht je-doch im laufenden Quartal. Die ausgewie-sene Veränderungsrate überzeichnetdann die tatsächliche Entwicklung.

Für die Einschätzung der aktuellenEntwicklung werden deshalb häufig Ver-änderungsraten gegenüber dem Vorquar-tal verwendet. Diese laufenden Ratenkönnen aber nur sinnvoll für saison- undarbeitstäglich bereinigte Reihen verwen-det werden. Gegenüber dem Vorjahres-vergleich ist hier der Vorteil, dass nur dieaktuelle Situation und nicht die zeitlich

Wissenschaft für die Praxis

Welche Informationen über die Konjunktur liefern Veränderungsraten?Welche Veränderungsraten liefern zuverlässige Informationen über die aktuelle Entwicklung einer Zeitreihe,z. B. des realen Bruttoinlandsprodukts? Diese Frage ist insbesondere für die Einschätzung der konjunkturel-len Entwicklung bedeutend. Je nach Wahl der Berechnungsmethode ergeben sich unterschiedliche Werte, diezu entsprechend anderen Interpretationen führen.

ZEW Konjunkturreport . März 20006

Bezeichnet man mit y den Ursprungswert einer Zeitreihe, mit ya die saisonberei-nigten Werte einer Zeitreihe zum Zeitpunkt t und mit –j die zeitliche Verschiebungder Zeitreihe, dann berechnet man die in der Tabelle aufgeführten Veränderungsra-ten nach den folgenden Formeln (für Quartalsdaten):

Veränderungsrate gegenüber dem Vorjahreszeitraum: (y(t) / y(t-4) – 1) · 100(Jahresdurchschnittsrate)

Veränderungsrate gegenüber dem Vorquartal: (ya(t) / ya(t-1) – 1) · 100(laufende Rate)

annualisierte Veränderungsrate: ((ya(t) / ya(t-1))4 – 1) · 100(laufende Jahresrate)

Jahresverlaufsrate: (ya(t) / ya(t-4) – 1) · 100

Halbjahresverlaufsrate: ((ya(t) / ya(t-2))2 – 1) · 100

Die wichtigsten Veränderungsraten im Überblick

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weiter zurückliegende konjunkturelleEntwicklung berücksichtigt wird. Wie imVorjahresvergleich jedoch können hierSondereinflüsse die Interpretation deraktuellen Werte erschweren. Aus derSicht des Anwenders haben Vorperioden-gegenüber Vorjahresvergleichen insbe-sondere den Nachteil, dass ein Saisonbe-reinigungsverfahren anzuwenden ist. Fürdiese Bereinigung gibt es mehrere Ver-fahren, die jeweils zu unterschiedlichensaisonbereinigten Werten führen. Dem-entsprechend ergeben sich auch unter-schiedliche laufende Raten, die sich un-ter Umständen im Hinblick auf ihre aktu-elle Entwicklung widersprechen können.

Die stärkere Abhängigkeit von irre-gulären Einflüssen im Vorquartalsver-gleich kann auch die Kennzahlen beein-flussen, die aus der laufenden Rate abge-leitet werden. Insbesondere im angel-sächsischen Bereich trifft man häufig aufdie sogenannte annualisierte Verände-rungsrate. Diese ergibt sich, wenn beiQuartalsdaten die laufende Rate auf eineJahresrate „hochgerechnet“ wird. Hierbeisteht die Annahme im Vordergrund, dassdie zuletzt ermittelte Veränderungsratefür das ganze Jahr gilt. Von allen in der Ta-belle ausgewiesenen Veränderungsratenzeigt die annualisierte Rate die größte

Volatilität. Wie aus dem grauunterlegtenKasten ersichtlich ist, liegt der Unter-schied in der Berechnung der Jahresver-laufsrate und der Veränderungsrate ge-genüber dem Vorjahresquartal in der Ver-wendung von saisonbereinigten und Ur-sprungsdaten. Mithin liefern beide Ratenim wesentlichen die gleiche Information,wenn die Zeitreihen eine konstante Sai-sonfigur aufweisen und arbeitstäglich be-

dingte Effekte nur geringfügig ins Ge-wicht fallen. Unterliegt die interessieren-de Zeitreihe sich verändernden Saison-mustern oder sind arbeitstägliche Effektequantitativ bedeutend, dann sollte dieJahresverlaufsrate und nicht die Verände-rungsrate gegenüber dem Vorjahresquar-tal verwendet werden. Der Grund hierfürist, dass die Jahresverlaufsrate bei einemgeeignet gewählten Saisonbereinigungs-verfahren der sich verändernden SaisonRechnung trägt.

Eine andere Information bieten dieHalbjahresverlaufsraten. Ihre besondereStellung resultiert aus dem Publikati-onsverhalten der Konjunkturforschungs-institute und des Sachverständigenrats,die Konjunkturprognosen auf einer Jah-res- und Halbjahresbasis erstellen. Ausdem Schaubild ist ersichtlich, dass dieHalbjahresverlaufsrate einen deutlichanderen Verlauf anzeigt als die beiden

anderen Raten. Im Unterschied zur Jah-resverlaufsrate und der Änderungsrategegenüber dem Vorjahr liegt der Halb-jahresverlaufsrate ein halbjährlicher Ab-stand zugrunde, da hier zum Beispiel dieEntwicklung im Winter zu der im Som-mer in Beziehung gesetzt wird, und nichtWinter zu Winter und Sommer zu Som-mer, wie in den beiden anderen Raten.Zusätzlich wurde die Halbjahresverlaufs-rate „annualisiert“, was insgesamt zu ei-nem „unruhigeren“ Verlauf beiträgt.

Zusammenfassend ist zu bemerken,dass alle vorgestellten Änderungsratennützliche Informationen über den aktuel-len Verlauf einer Zeitreihe liefern. Aberder Nutzer muss wissen, welche Vor- undNachteile den einzelnen Raten zuzurech-nen sind, um zu einer korrekten Einschät-zung der Lage zu gelangen. Will man ins-besondere den Einfluss der irregulärenKomponente auf die aktuellen Werte ver-ringern, dann bietet es sich an, anstellevon Quartals- oder Monatswerten auf ge-mittelte Größen zu achten, die entwederaus den Werten von zwei aufeinanderfol-genden Quartalen oder auf mehrerenMonaten aufbauen

Für die Einschätzung der aktuellenkonjunkturellen Lage ist nach Meinungdes Autors die laufende Rate am ehestengeeignet. Im Vergleich mit der Verände-rungsrate gegenüber dem Vorjahresquar-tal hat sie den Vorteil, wirtschaftliche Ver-änderungen schneller anzuzeigen. Je-doch sollte hierbei bedacht werden, dassdiese Raten aus saisonbereinigten Datenermittelt werden und je nach Wahl desBereinigungsverfahrens sich andere lau-fende Raten ergeben können. �

Dr. Herbert S. Buscher, [email protected]

ZEW Konjunkturreport . März 2000 7

-4

-2

0

2

4

6

Halbjahresverlaufsrate

Jahresverlaufsrate

Gegenüber Vorjahreszeitraum

92 93 94 95 96 97 98 99

Veränderungsraten des realen BIP

Quelle: Staristisches Bundesamt; eigene Berechnungen.

97.1 856.0 0.3 888.48 -0.4 -1.4 0.6 -0.3

97.2 905.5 2.3 903.10 1.6 6.7 2.2 2.6

97.3 917.7 1.5 903.28 0.0 0.1 1.5 3.4

97.4 921.9 1.5 907.33 0.4 1.8 1.8 0.9

98.1 888.9 3.8 918.57 1.2 5.0 3.4 3.4

98.2 915.1 1.1 914.77 -0.4 -1.6 1.3 1.6

98.3 935.6 2.0 920.98 0.7 2.7 2.0 0.5

98.4 939.0 1.9 924.62 0.4 1.6 1.9 2.2

99.1 895.5 0.7 923.66 -0.1 -0.4 0.6 0.6

99.2 926.4 1.2 927.37 0.4 1.6 1.4 0.6

99.3 947.2 1.2 932.17 0.5 2.1 1.2 1.91 Jahresdurchschnittsrate; JV = Jahresverlaufsrate; HV = Halbjahresverlaufsrate, auf laufende Jahresrate hoch-

gerechnet. Quelle: Statistisches Bundesamt und eigene Berechnungen.

Zeitraum Ursprungs- gegenüber Saison- gegenüber laufende Jahres-werte Vorjahres- bereinigte Vorquartal Jahresrate verlaufsrate(Mrd. DM) zeitraum1 Werte (laufende Rate)

JV HV

Beispiel für die Berechnung von Veränderungsraten

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ZEW Konjunkturreport . März 20008

■ Der auffälligste Aspekt des vereini-gungsbedingten Booms im Westen warder hohe Zuwachs der Güternachfrageaus Ostdeutschland nach dem Fall derBerliner Mauer. Dieser Nachfrageschubwurde größtenteils durch öffentlicheTransfers finanziert und betrug in den er-sten Jahren nach der Wiedervereinigung150-200 Mrd DM pro Jahr. Er wirkte aufdie westdeutsche Volkswirtschaft wie zu-sätzliche Exporte nach Ostdeutschland.Da sich die westdeutsche Volkswirtschaftbereits im Jahre 1989 in einer prosperie-renden Phase befand, stimulierte die zu-nehmende Nachfrage die privaten Inve-stitionen und verstärkte die konjunktu-relle Hochphase. Der Zusammenbruchder Produktion und der Absatzmärkte imOsten dagegen führte in Ostdeutschlandzu einem Verlust an Arbeitsplätzen undeinem deutlichen Rückgang des gesamt-wirtschaftlichen Outputs. Seit dem Jahre1993 bewegen sich die neuen Bundeslän-der jedoch auf einem langsamen, aberstetigen Anpassungspfad an das west-deutsche Niveau. Hervorzuheben sinddabei die außergewöhnlich hohen Inve-stitionsquoten. Dies ist u.a. auf die mas-sive Förderung privater Investitionendurch Sonderabschreibungen, Investiti-onszuschüsse etc. zurückzuführen. Diebeiden nachfolgenden Simulationen ge-hen nun der Frage nach, was passiertwäre, wenn das Ausmaß des vereini-gungsbedingten Nachfrageschocks imWesten bzw. die öffentlichen Förder-maßnahmen im Osten geringer ausge-fallen wären.

Das Modell

Die Grundlage für die Simulationenbildet ein makroökonometrisches Modelltemporärer Ungleichgewichte, das ur-sprünglich für die westdeutsche Volks-wirtschaft mit Quartalsdaten geschätztwurde. Im vergangenen Jahr wurde es umdie gesamtdeutschen Datenbestände er-

weitert und bildet nun den Zeitraum von1960 bis 1997 ab. Das Modell bietet dieMöglichkeit, für Ungleichgewichte aufeinzelnen Märkten, wie beispielsweisedem Arbeitsmarkt, unterschiedliche Be-stimmungsgründe empirisch zu identifi-zieren. Auf Basis dieser Ergebnisse kön-nen wirtschaftspolitische Strategien ent-wickelt werden, die je nach dominieren-dem “Regime” eher angebots- oder nach-frageorientiert sein können.

„Regime“

Empirisch wurden drei verschiedene„Regime“ beobachtet: das Nachfragere-gime (Rationierung durch die Güternach-frage), das Kapazitätsregime (Rationie-rung durch die bestehenden Kapazitä-ten) und das Arbeitsangebotsregime(Rationierung durch das Arbeitsange-bot). Das Arbeitsangebotsregime spieltesowohl vor als auch nach der Wiederver-einigung nur eine untergeordnete Rolle.

Eine wichtige Unterscheidung ist hin-sichtlich der effektiven und der ge-wünschten Nachfrage zu treffen. Kommtes zum Beispiel zu einem unerwartetenNachfrageanstieg auf dem Gütermarkt,so ist das Güterangebot der Unterneh-men zu gering und die Haushalte werdennicht ihre gewünschte Nachfrage reali-sieren können. Die auf dem Gütermarktgehandelte Menge ist damit geringer alsdie von den Haushalten gewünschteNachfrage. Die nun von den Unterneh-men befriedigte Nachfrage wird als ef-fektive Nachfrage bezeichnet. Sie kannhöher als die inländische Produktionsein, denn es wird unterstellt, dass eineRationierung des Angebots an inländi-schen Gütern (Überschussnachfrage) zueiner Erhöhung der Importe und einemRückgang der Exporte führt. Die Unter-nehmen bedienen die Exportnachfragenicht mehr vollständig, sondern berück-sichtigen zuerst die inländische Nach-frage.

Nachfrageschock aus dem Osten

Die erste Simulation konzentriert sichauf den Nachfrageanstieg nach der Öff-nung der Berliner Mauer. Was wäre ein-getreten, wenn dieser außergewöhnli-che Nachfrageschub geringer ausgefal-len wäre? Zu diesem Zweck wurde derNachfrageanstieg in den Simulationenum 25 Prozentpunkte niedriger ange-setzt.

Die Simulationsperiode reicht von1990/Q3 bis 1994/Q4, da seit dem Jahr1995 vom Statistischen Bundesamt dieVolkswirtschaftliche Gesamtrechnung fürbeide Gebietsstände nicht mehr getrenntausgewiesen wird. Die Simulationsperi-ode enthält überwiegend von 1990/3-92/1 ein Kapazitätsregime und von1992/2-94/4 ein Nachfrageregime.

Im Bild links unten sind die relativenAbweichungen zwischen der Schocksi-mulation und der Kontrollsimulation fürdas BIP Y und die effektive Güternach-frage YD dargestellt. Während dieSchocksimulation das fiktive Alternativ-szenario abbildet, enthält die Kontrollsi-mulation die modellierte tatsächlicheEntwicklung. In einem Kapazitätsregimeist der Effekt des Nachfrageschocks aufdie effektive Güternachfrage wesentlichgrößer als auf das BIP selbst, was aufden geringeren Außenbeitrag infolgehöherer Importe zurückzuführen ist.

Je mehr das Nachfrageregime wäh-rend der Rezession im Jahre 1992 an Bedeutung gewinnt, desto schnellerschließt sich die Lücke zwischen beidenGrößen. Gegeben die niedrigere Nach-frage im Osten wäre das BIP in West-deutschland gegen Ende des Jahres1993 fast 2 Prozent niedriger als beob-achtet gelegen.

Den Kern des Modells bildet der Ar-beitsmarkt, weshalb im rechten unterenBild die relativen Differenzen für die Be-schäftigungsreihen ausgewiesen wer-den. Der Effekt auf die nachfragebe-

Wiedervereinigung: Nachfrageschockund SubventionsförderungIm Zuge der deutschen Wiedervereinigung kam es zu gravierenden Veränderungen auf dem Arbeits- undGütermarkt. Einige Simulationen des makroökonometrischen Ungleichgewichtsmodells des ZEW verdeutli-chen anhand eines Alternativszenarios das Ausmaß des vereinigungsbedingten Nachfrageschocks im Westenund den Einfluss der öffentlichen Fördermaßnahmen auf die Investitionstätigkeit im Osten.

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schränkte Beschäftigung gleicht dem Ef-fekt auf die effektive Güternachfrage. DerGrund dafür ist, dass die Auswirkungenauf die Produktionstechnologie erst übereinen längeren Horizont hinweg erkenn-bar sind. Die nachfragebeschränkte Be-schäftigung sinkt bis zum ersten Quartal1993 und beläuft sich in diesem Quartalbeispielsweise auf 600.000. Dies ent-spricht mehr als 2 Prozent des westdeut-schen Arbeitskräftepotenzials. Im Gegen-satz dazu reagiert die kapazitätsbedingteBeschäftigung erst spät auf den Schockund sinkt allmählich ab 1993/1. Dies liegtzum einen an der zeitlichen Verzögerungbis Investitionsentscheidungen umge-setzt werden, zum anderen vollzieht sichdie Anpassung an das optimale Niveaudes Kapitalstocks sehr langsam. Außer-dem befindet sich die Volkswirtschaft zuBeginn der Simulationsperiode in einemKapazitätsregime. Der simulierte Nach-

fragerückgang gewinnt erst bei demÜbergang in das Nachfrageregime in1992/1 für die Investitionsentscheidun-gen an Bedeutung. Mit dem Rückgangder nachfragebeschränkten gegenüberder kapazitätsbedingten Beschäftigungab dem Jahr 1992 wird der Gesamteffektauf die Beschäftigung L relevant.

Fiskalpolitischer Schock

Die zweite Simulation dient dazu, ei-nen Eindruck von dem Effekt der öffentli-chen Fördermaßnahmen auf die privatenInvestitionen zu bekommen. Daher wur-den die fiskalischen Anreize für privateInvestoren in Ostdeutschland in jedemQuartal nur in halber Höhe angesetzt.Zur besseren Vergleichbarkeit wurde an-genommen, dass der vom Staat einge-sparte Geldbetrag in voller Höhe kon-sumptiv ausgegeben wurde anstatt ihn

zu sparen, was sich dann natürlich ange-boten hätte. Die Simulationsperiodereicht von 1993/2-97/3. Dies implizierteine Konzentration auf das Kapazitätsre-gime, welches ab 1994/2 dominierte.

Die unterstellte Kürzung der öffentli-chen Fördermaßnahmen führt zu einemRückgang des Kapitalstocks um 1,25 Pro-zent bis 1997/3. Dies entspricht über diegesamte Simulationsperiode einem redu-zierten kumulierten Bruttoinvestitionsvo-lumen in Höhe von 86 Mrd DM. SinkendeInvestitionen wirken sich in kleineren Ka-pazitäten aus. Kurzfristig ist der Effekt aufdie aggregierte Nachfrage klein und wirddurch den zusätzlichen Staatsverbrauchüberkompensiert. Aus diesem Grunde istdie simulierte Änderung in der effektivenGüternachfrage YD im linken oberen Pa-nel während der Simulationsperiode po-sitiv. Die in Folge des Kapazitätsrück-gangs sinkenden Investitionen bewirkeneinen weiteren Abbau der Kapazitäten,was sich letztlich in einer Abnahme desBIPs um 0,5 Prozent im Jahre 1997äußert.

Im oberen rechten Bild reduziert sichdie Beschäftigung L im Jahre 1997 um 0,5Prozent. Der Effekt auf die kapazitätsbe-dingte Beschäftigung L(YC) ist nochgrößer und wird nur partiell durch einenAnstieg der nachfragebeschränkten Be-schäftigung L(YD) kompensiert.

Fazit

Die Politiksimulationen innerhalb desmakroökonometrischen Modells verdeut-lichen die Relevanz nachfrageseitigerSchocks auf die Wiedervereinigung unddie Bedeutung des jeweiligen Regimesbeim Auftreten dieser Schocks. Der Effekteines simulierten Nachfrageschocks ausOstdeutschland ist in einem Nachfragere-gime deutlich ausgeprägter als in einemKapazitätsregime. Die öffentlichen För-dermaßnahmen für die neuen Bundes-länder zeigten über den Osten hinaus ih-re Wirkung: Sie erhöhten auch die Anpas-sungsgeschwindigkeiten an den optima-len gesamtdeutschen Kapitalstock signi-fikant und trugen damit im gesamtenBundesgebiet zu einem Aufbau neuer Ka-pazitäten bei. Diese Entwicklung ist ins-besondere vor dem Hintergrund des zuBeginn der 90er Jahre dominierenden Ka-pazitätsregimes zu betrachten, das eineAufstockung des Kapitalbestandes dring-lich werden ließ. �

Daniel Radowski, [email protected]

ZEW Konjunkturreport . März 2000 9

93 94 95 96 97-0,005

-0,003

-0,001

0,001

0,003

0,005

YD

Y

93 94 95 96 97-0,016

-0,012

-0,008

-0,004

0

0,004

L(YC)

L(YD)

L

Fiskalpolitischer Schock

Relative Abweichungen der Schock- von der Kontrollsimulation in Prozent.

90 91 92 93 94-0,025

-0,02

-0,015

-0,01

-0,005

0

0,005

YD

Y

90 91 92 93 94-0,025

-0,02

-0,015

-0,01

-0,005

0

0,005

L(YC)

L

L(YD)

Nachfrageschock aus dem Osten

Relative Abweichungen der Schock- von der Kontrollsimulation in Prozent.

Gesamtdeutschland

Westdeutschland

Nachfrage-regime

Kapazitäts-regime

Nachfrage-regime

Kapazitäts-regime

Nachfrage-regime

Kapazitäts-regime

Nachfrage-regime

Kapazitäts-regime

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ZEW Konjunkturreport . März 200010

Vorlaufindikatoren für die Europäische UnionVerschiedene Institutionen bemühen sich zur Zeit um den Aufbau einer fundierten europäischen Datenbasis.Im folgenden wird untersucht, ob auf Grundlage bisheriger offizieller Datenbestände zuverlässige konjunktu-relle Vorlaufindikatoren ermittelt werden können.

■ Die Europäische Kommission veröf-fentlicht monatlich die Ergebnisse ausBranchen- und Verbraucherumfragen zurKonjunkturentwicklung in der Europä-ischen Union. Diese Daten sind die pro-zentualen Salden aus den positiven undnegativen Antworten und werden sai-sonbereinigt ausgewiesen. Sie habenden Vorteil, schnell verfügbar zu seinund insbesondere Erwartungsgrößen zuenthalten. Einige Größen wie z.B. derKapazitätsauslastungsgrad sind nur aufvierteljährlicher Basis verfügbar. Soweitmöglich wurden für die nachfolgendeAnalyse Daten für den Zeitraum 1980-1999 betrachtet.

Um Scheinkorrellationen durch Trend-überlagerungen auszuschließen, wur-den Tests auf die Stationarität durchge-führt. Vereinfacht gesagt ist eine Reihedann stationär, wenn die Reihe keinemTrend mehr unterliegt. Liegt eine Ein-

heitswurzel vor, so ist die Reihe sta-tionär. Getestet wurde mittels des Aug-mented Dickey Fuller Tests, der autore-gressive Prozesse höherer Ordnungzulässt und als Nullhypothese den Fallder Einheitswurzel unterstellt. Den fol-genden Ausführungen liegen stets sta-tionäre Variablen zugrunde.

Die Ergebnisse einer ersten Betrach-tung sehen vielversprechend aus: Wie inden nebenstehenden Grafiken erkenn-bar, haben im Verarbeitenden Gewerbedie Auftragseingänge gegenüber der Ka-pazitätsauslastung als konjunkturrea-gibler Referenzgröße einen klaren Vor-lauf. Kreuzkorrelationen weisen einenLead von 2 Quartalen und einen Korrela-tionskoeffizienten in Höhe von 0.7104aus. Die Erwartungen über das Export-volumen laufen dem Kapazitätsauslas-tungsgrad um 3 Quartale (Korrelations-koeffizient: 0.6437), das Vertrauen der

Industrie im Verarbeitenden Gewerbeum 1 Quartal (0.8811) und das Vertrauender Verbraucher ebenfalls um 1 Quartalvoraus (0.7827).

An Stelle des vierteljährlichen Kapa-zitätsauslastungsgrades könnte einequantitative Größe wie die monatlichverfügbare Industrieproduktion als Refe-renzgröße dazu beitragen, präzisereAussagen über den konjunkturellen Ver-lauf treffen. Aus diesem Grunde wurdeuntersucht, welche Vorläufe die obigenReihen der Europäischen Kommissiongegenüber der saisonbereinigten Indus-trieproduktion der OECD aufweisen. DieResultate für die Industrieproduktionvon EUROSTAT sind qualitativ sehr ähn-lich. Im folgenden wurden wegen deslänger zurückreichenden Zeitraums dieWerte der OECD verwendet.

In einem ersten Schritt ist der Zusam-menhang zwischen Kapazitätsauslas-

Ausgewählte Indikatoren

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 9976

7778

79

80

81

82

83

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85

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-15-10

-5

0

5

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25

30Kapazitätsauslastungsgrad Auftragseingänge

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 9976

77

78

79

80

8182

83

84

85

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-5

0

5

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25

30Kapazitätsauslastungsgrad Exporterwartungen

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 9976

7778

79

80

81

82

83

84

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-30

-25

-20

-15

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-5

0

5

10Kapazitätsauslastungsgrad Vertrauen der Industrie

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 9976

77

78

79

8081

82

83

84

85

86

-30

-25

-20

-15

-10

-5

0Kapazitätsauslastungsgrad Verbrauchervertrauen

Quelle: Europäische Kommission. Alle Angaben in Prozent.

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tungsgrad und Industrieproduktion zuklären. Für die Betrachtung wird die Ver-änderungsrate der Industrieproduktiongegenüber dem Vorjahresquartal nachTests auf Stationarität als Ausgangsrei-he genommen. Überraschenderweise er-gibt sich hier kein Gleichlauf, sondernvielmehr ein ausgeprägter Vorlauf derIndustrieproduktion von 2 Quartalen ge-genüber der Kapazitätsauslastung (Kor-relationskoeffizient: 0.8968). WeitereBetrachtungen bestätigen, dass dieseDaten der Europäischen Kommissionnicht mit denen der OECD vereinbarsind: So sind Auftragseingänge und In-dustrieproduktion gleichlaufend (0.9253).Auf monatlicher Ebene deutet sich darü-ber hinaus ein Vorlauf der Industriepro-duktion um 1 Quartal gegenüber dem

Vertrauen der Industrie an (0.9417), gegenüber dem Bestand an Auslands-aufträgen hat die Industrieproduktionsogar einen leichten Vorlauf um 2 Quar-tale (0.9230).

Korrelationen messen die Stärke desZusammenhangs zwischen zwei Größen,können aber nichts über ihre Ursache-Wirkung-Beziehung aussagen. Daherwurden Kausalitäts-Tests durchgeführt,die über die Wirkungsrichtung mehr Aus-

kunft geben können. Mittels ökonometri-scher Schätzgleichungen wurde über-prüft, ob ein kausaler Zusammenhangzwischen der Industrieproduktion undden Auftragseingängen besteht. Die Re-sultate verneinen einen Erklärungswertder Auftragseingänge auf die Industrie-produktion. Dies kann zum einen daraufzurückgeführt werden, dass die Auftrags-eingänge als prozentuale Salden aus Um-fragen für das gesamte verarbeitende Ge-werbe erfasst werden, während die Indu-strieproduktion auf Größen der VGR ba-siert. Zum anderen befinden sich dieStaaten der EU z.T. in völlig verschiede-nen konjunkturellen Phasen, so dass derzu erwartende Zusammenhang zwischenAuftragseingängen und Industrieproduk-tion hiervon überlagert werden kann unddaher nicht erkennbar ist.

Da die Industrieproduktion nur einenTeil der gesamten Volkswirtschaft ab-deckt, wurde die Korrelation zwischendem Kapazitätsauslastungsgrad und derVeränderungsrate des BIP gegenüber

dem Vorjahresquartal untersucht. Auchhier wurde die ökonomisch unplausibleRelation festgestellt, der zufolge sichdas BIP gegenüber dem Kapazitätsaus-lastungsgrad um 2 Quartale vorausent-wickelt. Überprüfungen der Kausalitätergaben, dass die Auftragseingänge ge-genüber dem BIP keinen Vorlauf haben.

Diese Analysen mahnen dazu, bisherauf nationaler Ebene vertraute Vorlauf-strukturen nicht für die europäischen

Daten zu unterstellen. Es ist daher erfor-derlich, die bestehenden qualitativenReihen um quantitative Reihen zu ergän-zen. Hierzu ist eine zielgerichtete Koope-ration zwischen den nationalen Statisti-kämtern, offiziellen Institutionen undEUROSTAT erforderlich. Vom wissen-schaftlichen Standpunkt aus ist es wün-schenswert, über längere statt der kur-zen Zeitreihen, die häufig nur für die90er Jahre vorliegen, verfügen zu kön-nen. Den Kern der obigen Betrachtungenbildet das Verarbeitende Gewerbe, dasnur einen kleinen Teil der gesamtenVolkswirtschaft abdeckt. Aufgrund desdynamisch wachsenden Dienstleis-tungssektors ist es notwendig, auch fürdiesen Bereich auf aussagekräftige Zah-len zurückgreifen zu können. Es sei aus-drücklich darauf hingewiesen, dass Da-ten über die konjunkturelle Situation un-ternehmensnaher Dienstleister in der EUbisher weder qualititativ noch quantita-tiv in zuverlässiger Form vorliegen. �

Daniel Radowski, [email protected]

ZEW Konjunkturreport . März 2000 11

Kausalität von Zeitreihen undGranger-Kausalität

Korrelationen messen zwar die Stärkedes Zusammenhangs zwischen denzwei Größen, können aber nichts überihre Ursache-Wirkung-Beziehung aus-sagen. Zudem kann bei der Messungdas Problem der scheinbaren Kausa-lität auftreten. Auch in Regressionenwird der Zusammenhang zwischen denverschiedenen Größen angenommenund nur die Stärke der Beziehung be-rechnet.Granger formalisierte mit Hilfe zweierGrundregeln das Prinzip der Kausalität.Die erste Grundregel besagt, dass dieZukunft nicht die Vergangenheit er-klären kann. Daraus folgt, dass Kausa-lität nur in der Vergangenheit auftretenkann. Die zweite Grundregel besagt,dass es nur sinnvoll ist, Kausalität fürein Gruppe stochastischer Variablen zubetrachten. Eine Variable x wird dannals “verursachend” für die Variable yangesehen, wenn die vergangenenWerte von x es ermöglichen, besserePrognosen für y zu erstellen. DieseForm der Kausalität bezieht sich nurauf das Konzept der Vorhersagbarkeit.Kurz zusammengefasst informieren dieTestergebnisse der Granger-Kausalitätalso darüber, inwieweit die Prognoseeiner Variablen durch Berücksichti-gung der gegenwärtigen und vergan-genen Werte der anderen Variablenverbessert werden kann. Dies ge-schieht statistisch mittels der Betrach-tung des mittleren quadratischen Prog-nosefehlers für die Gleichungen mitund ohne exogener Variable.

Industrieproduktion und Vorlaufindikatoren

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 997677787980818283848586

-6%

-4%

-2%

0%

2%

4%

6%

8%Kapazitätsauslastungsgrad Industrieproduktion

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99-20-15-10

-505

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Quelle: Europäische Kommission und OECD. Alle Angaben in Prozent. Veränderungen der Industriepro-duktion zum Vorjahresquartal.

Auftragseingänge Industrieproduktion

Page 12: Die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland 2000ftp.zew.de/pub/zew-docs/kr/kr0100.pdf · Einer der Gründe für diese unterschiedli- ... Arbeitsmarkt leicht entspannt Mit den verbesserten

■ Die Lage bei den öffentlichen Finanzenwird im laufenden Jahr wie schon 1999günstiger ausfallen als erwartet. Statteines Defizits wurde 1999 ein leichterÜberschuss im Staatsbudget erzielt, dersich im Jahr 2000 noch erhöhen dürfte.Da das Wirtschaftswachstum kräftigerist als im Haushaltsplan angesetzt, ver-bessert sich die Kassenlage trotz dergeringeren Abgabenbelastung der Steu-erzahler auch in diesem Jahr. Die Über-schüsse im Staatshaushalt wird dieRegierung voraussichtlich zur Reduzie-rung der Staatsschuld, aber auch fürzusätzliche Bildungs-, Sicherheits- undGesundheitsmaßnahmen verwenden.

Für das kommende Jahr hat die Regie-rung eine umfangreichere Steuerreformangekündigt. Mit ihr wird nach Einschät-zung der OECD eine vorübergehend ex-pansivere Fiskalpolitik verbunden sein.Die Holländer werden insgesamt schät-zungsweise rund 2,27 Milliarden Euroweniger an Steuern und Abgaben zahlenmüssen. Kernpunkte sind Verschiebun-gen von den direkten zu den indirektenSteuern einschließlich Ökosteuern, eineVerbreiterung der Besteuerungsgrundla-ge sowie eine Entlastung des Faktors Ar-beit. Es ist zu erwarten, dass aufgrundder spürbaren Verringerung der Arbeits-kosten die Unternehmen wettbewerbs-fähiger werden und mehr Spielraum fürInvestitionsausgaben erhalten werden.

Wahrscheinlich erst 2002 wird einekürzlich zwischen den Sozialpartnernund der Regierung von Ministerpräsi-dent Wim Kok ausgehandelte Reformdes Sozialversicherungssystems umge-setzt werden. Mit ihr sollen Missbräuche

der Erwerbsunfähigkeitsversicherungverhindert sowie eine effizientere Wie-dereingliederung von Arbeitslosen undteilweise Erwerbsunfähigen ins Berufs-leben ermöglicht werden. Als weiterewirtschaftspolitische Maßnahmen ste-hen die Neugestaltung des Gesundheits-und Rentensystems an.

Immobilienboom klingt aus

Bei der konjunkturellen Entwicklungverlagert sich das Gewicht vom privatenVerbrauch auf den Export. Für die bishersehr hohe Ausgabeneigung der privatenHaushalte spielten Vermögenseffekte ei-ne wichtige Rolle. Hauseigentümer undAktionäre konnten sich angesichts derboomenden Immobilien- und Aktien-märkte in den neunziger Jahren über einhöheres Vermögen freuen. Das Bedürf-nis zu sparen trat mehr und mehr in denHintergrund. Die Entwicklung auf denImmobilienmärkten dürfte sich nun beihöheren Zinssätzen aber allmählich wie-der normalisieren.

Daher ist für das laufende Jahr mit ei-nem geringeren Konsumzuwachs als1999 zu rechnen. Insbesondere dieNachfrage nach dauerhaften Konsumgü-tern wie PKW dürfte sich abschwächen.Der private Verbrauch insgesamt wirdmit etwa 3,5 % in 2000 aber weiterhinein robustes Wachstum aufweisen, dadie günstige Lage auf dem Arbeitsmarktdie Ausgabebereitschaft der Verbrau-cher nach wie vor stimuliert.

Die Ausfuhr von Gütern und Dienstlei-stungen dürfte mit 6,5 % schneller stei-gen als im Vorjahr (4,5 %). Die zuneh-

mende Belebung der europäischen Wirt-schaft gibt den Exporteuren Auftrieb.Chemie- und Metallprodukte, die dieSchwerpunkte der holländischen Aus-fuhr bilden, werden zum Beginn einesAufschwungs besonders stark nachge-fragt. Der schwache Euro hat bereits inden letzten Monaten für einen deutli-chen Anstieg der Exporte in die USA ge-sorgt. Im verarbeitenden Gewerbe ha-ben die Auftragseingänge aus dem Aus-land seit August deutlich zugenommenund die Exporteure äußerten sich in denletzten Umfragen für die nächsten Mona-te sehr optimistisch.

Mit der Belebung der Industrieproduk-tion beschleunigt sich auch das Wachs-tum der Importe. Vor allem die verstärkteNachfrage nach Rohstoffen und Vorpro-dukten schlägt hier zu Buche. Der Über-schuss in der Leistungsbilanz dürfte sichdaher im Jahr 2000 nicht verbessern undbei knapp 5 % des BIP verharren.

Trotz des im Vergleich zu den meistenanderen EU-Ländern überdurchschnittli-chen Wirtschaftswachstums bleibt diePreissteigerungsrate vorerst noch mode-rat. Entlastend wirkt sich für die Teue-rung insbesondere die Abschaffung derRundfunk- und Fernsehgebühren und ihre Entfernung aus dem Verbraucher-preisindex aus. Aufgrund der Engpässeam Arbeitsmarkt ist aber mit einemhöheren Lohnanstieg als im letzten Jahrzu rechnen. Im Jahre 2001 wird sich die Inflation in den Niederlanden auf-grund der Steuerreform beschleunigen,da der obere Satz der Mehrwertsteuervon 17,5 auf 19 % steigt. �

Barbara Knoth, [email protected]

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ZEW Konjunkturreport . März 200012

Die lebhafte Konsumnachfrage normalisiert sich allmählich. Dagegen sorgt ein Aufschwung der Exportedafür, dass sich das Wirtschaftswachstum im Jahr 2000 beschleunigt.

Niederlande: Export stützt Konjunktur

Wirtschaftsentwicklung in Europa