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Beitr. Geol. Thüringen N. F. 14 85 - 112, 23 Abb. Jena 2007 Die Evolution der Biospezies „Ceratites nodosus- Vom typologischen Art-Konzept zum Biospezies-Konzept SIEGFRIED REIN Es zeugt vor allem von geistiger Entwicklung, wenn sich in der chronologischen Folge von Argumenten, deren jedes zu seiner Zeit schlüssig ist, etwas ändert. ST. J. GOULD Stichworte: Trias, Oberer Muschelkalk, Ceratites, Biospezies, Chronospezies, Speziation, Phylogenie Kurzfassung Der Erkenntnisprozess von der Ablehnung der traditionell allein typologischen Sichtweise der Ceratiten-Taxonomie bis zu einem neuen Biospezies-Konzept erstreckt sich nun über zwanzig Jahre. Die in dieser Zeit auf biologisch-analytischer Herangehensweise basierenden Befunde aus drei Populations- und vier Biozonen-Analysen mit insgesamt 4 850 Individuen werden zusammen- fassend dokumentiert. Die Zusammensetzung der Immigranten-Populationen im neu entstandenen Lebensraum Muschelkalkmeer war heterogen. Trotzdem kam es nach erfolgter reproduktiver Isolation in einem komplexen Integrationsprozess zur Bildung der Biospezies Ceratites nodosus. Ihre evolutive Entwicklung als biologische Art erfolgte in einer durchgehenden Formenreihe ohne weitere Aufspaltung in Tochterarten und endet mit dem nachkommenlosen Aussterben. Durch die Dimorphen „E“ und „P“ ist sie als Formenreihe einer in sich geschlossenen Organismengruppe durchgängig zweigeteilt. Alle sich zeitlich in ihr einander ablösenden Chronospezies sind subjektiv definierte „Zeitformen“ und keine biologischen Arten. Die markanten morphologischen Wechsel in der Zeit reflektieren offensichtlich Reaktionen auf ökologische Veränderungen. Die Anpassungen äußern sich sowohl morphologisch als auch physiologisch jeweils mit der Vorverlegung der Geschlechtsreife vom nodosen Ontogeniestadium in frühontogenetische Entwicklungsstufen. Auffallend ist die jeweils parallel erfolgte Angleichung mit Ökophänotypen von Coenothyris vulgaris. Abstract The evolution of the biospecies “Ceratites nodosus” - From typological species-concept towards a biospecies-concept The progress of recognition as to the taxonomy of the genus Ceratites now extends over a period of more than twenty years, starting with the rejection of the traditional exclusively typological view

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Beitr. Geol. Thüringen N. F. 14 85 - 112, 23 Abb. Jena 2007

Die Evolution der Biospezies „Ceratites nodosus“ -

Vom typologischen Art-Konzept zum Biospezies-Konzept

SIEGFRIED REIN

Es zeugt vor allem von geistiger Entwicklung, wenn sich in der chronologischen Folge von Argumenten, deren jedes zu seiner Zeit schlüssig ist, etwas ändert.

ST. J. GOULD

Stichworte: Trias, Oberer Muschelkalk, Ceratites, Biospezies, Chronospezies, Speziation, Phylogenie

Kurzfassung Der Erkenntnisprozess von der Ablehnung der traditionell allein typologischen Sichtweise der Ceratiten-Taxonomie bis zu einem neuen Biospezies-Konzept erstreckt sich nun über zwanzig Jahre. Die in dieser Zeit auf biologisch-analytischer Herangehensweise basierenden Befunde aus drei Populations- und vier Biozonen-Analysen mit insgesamt 4 850 Individuen werden zusammen-fassend dokumentiert. Die Zusammensetzung der Immigranten-Populationen im neu entstandenen Lebensraum Muschelkalkmeer war heterogen. Trotzdem kam es nach erfolgter reproduktiver Isolation in einem komplexen Integrationsprozess zur Bildung der Biospezies Ceratites nodosus. Ihre evolutive Entwicklung als biologische Art erfolgte in einer durchgehenden Formenreihe ohne weitere Aufspaltung in Tochterarten und endet mit dem nachkommenlosen Aussterben. Durch die Dimorphen „E“ und „P“ ist sie als Formenreihe einer in sich geschlossenen Organismengruppe durchgängig zweigeteilt. Alle sich zeitlich in ihr einander ablösenden Chronospezies sind subjektiv definierte „Zeitformen“ und keine biologischen Arten. Die markanten morphologischen Wechsel in der Zeit reflektieren offensichtlich Reaktionen auf ökologische Veränderungen. Die Anpassungen äußern sich sowohl morphologisch als auch physiologisch jeweils mit der Vorverlegung der Geschlechtsreife vom nodosen Ontogeniestadium in frühontogenetische Entwicklungsstufen. Auffallend ist die jeweils parallel erfolgte Angleichung mit Ökophänotypen von Coenothyris vulgaris.

Abstract The evolution of the biospecies “Ceratites nodosus” - From typological species-concept towards a biospecies-concept The progress of recognition as to the taxonomy of the genus Ceratites now extends over a period of more than twenty years, starting with the rejection of the traditional exclusively typological view

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and a later advancement to a new biospecific conception. The findings during this time concerning the analyses of three ceratitic populations and four biozones with a total of 4 850 individuals, based on biological-analytical methods, are documented and summarized. The composition of immigrant populations of the newly emerging environment of the Muschelkalk-sea was heterogeneous. Nevertheless, following a reproductive isolation the biospecies Ceratites nodosus originated from a complex process of integration. The evolution of this biological species is documented by a continuous line of types without a further split into daughter species, and it comes to an end by complete extinction without successors. The line of types as a self-contained group of organisms is continuously bipartite by the “E” and “P” dimorphs. All of the chronospecies following one another in time are subjectively defined “time types”, but no biological species. Obviously, the characteristic morphological changes in the lapse of time reflect reactions to ecological fluctuations. Adaptations find their expression in an advance of full development from the respective nodose ontogenetic stage to early ontogenetic stages, morphologically as well as physiologically. The respective parallel assimilation with eco-phaenotypes of Coenothyris vulgaris is striking.

1. Einleitung

Die bisherigen Vorstellungen von der Ceratiten-Phylogenese beruhen auf der Anwendung eines eng gefassten typologischen Artkonzeptes. Dabei bezieht sich die Taxonomie auf die Beschreibung der Morphologie von Einzelindividuen ohne frühontogenetische Entwicklungsstadien sowie die natürliche Variabilität gebührend zu berücksichtigen. Diese Form der Bearbeitung führte in den vergangenen 50 Jahren zu einer ständig wechselnden willkürlichen Untergliederung der germanischen Ceratiten in 2 Gattungen und 7 Untergattungen mit über 50 Arten und Unterarten. Am ständig veränderten Ceratitenstammbaum-Schema wird die verwirrende Vorstellung bei den aufgeführten Autoren von einer evolutiven Entwicklung sichtbar. Kernpunkt des auf WENGER (1957) zurückgehenden Stammbaumes war seine Vorstellung von einer ab der atavus-Zone bis in die enodis-Zone durchgehenden Untergattung Progonoceratites. In diese stellte er alle dichotomen Formen, die schließlich ab der compressus-Zone in der Großart C. (Progonoceratites) armatus armatus zusammengefasst wurden. Aus den Individuen dieser Großart entsteht im Hangenden der cycloides-Bank die Stammform der Gattung Ceratites. Die in der compressus-Zone von der dichotomen Linie abzweigenden, einfach berippten Formen der Untergattung Acanthoceratites sterben im Liegenden der enodis-Zone nachfahrenlos aus. Im Unterschied dazu stellte KOZUR (1974) alle dichotom skulpturierten Ceratiten zur Gattung Paraceratites und die unvermittelt im Liegenden der cycloides-Bank erscheinenden Ceratites enodis in die neue Untergattung Gymnoceratites. Als Reaktion auf die Einteilung von KOZUR führen URLICHS & MUNDLOS (1980) die Herkunft der Gattung Ceratites auf Paraceratites abichi zurück und lassen an den Zweigenden ihres „Stammstrauches“ alle frühen Formen als Paraceratites (Progonoceratites) aussterben. Inzwischen stellten TATZREITER & BALINI (1993) Ceratites (Paraceratites?) abichi zu einer neuen Gattung Schreyerites. Mit zwei weiteren Untergattungen (Doloceratites, Opheoceratites) und der zweimaligen Umbenennung der WENGER`schen Großart C. (Progonoceratites) armatus armatus in C. (Doloceratites)

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armatus muensteri und wenig später in C. (Doloceratites) muensteri muensteri veränderten URLICHS & MUNDLOS (1980, 1987) das Stammbaum-Schema erneut. Dabei werden die Morphen der dichotomen Stammreihe von C. primitivus bis C. laevigatus zu Doloceratites gestellt, zu der ab der compressus-Zone alle Morphen der Großart C. (Doloceratites) muensteri muensteri gehören. Die nodos skulpturierten Acanthoceratites erhalten mit C. (Acanthoceratites) armatus eine neue Stammart. Zusätzlich wird noch eine weitere Untergattung Opheoceratites mit der Stammart C. compressus compressus ausgeschieden. Die kurze Stammesgeschichte der Individuen dieser beiden Untergattungen endet im Liegenden der enodis/posseckeri-Zone. Letztendlich kommt mit Cycloceratites (URLICHS 1997) eine weitere Untergattung im Bereich der enodis/posseckeri-Zone hinzu, wobei u. a. aus dem C. (Doloceratites) laevigatus schließlich ein aus der Provence eingewanderter C. (Cycloceratites) laevigatus wird. Bei dieser Zusammenstellung des permanenten Wechsels der jeweiligen Gattungs- bzw. Untergattungszugehörigkeit wurden die noch häufiger veränderten taxonomischen Zuordnungen der „Arten“ und „Unterarten“ zur Wahrung der Übersicht nicht berücksichtigt.

2. Ceratites nodosus - ein paläontologisches Biospezies-Modellbeispiel

2.1. Das Biospezies-Konzept

Auf den ersten Blick beeindruckt der Ceratiten-Stammbaum mit seinen imposanten Verzweigungen und seiner nomenklatorischen Vielfalt. Diese Artenfülle ist das Ergebnis der praktizierten typologischen Arbeitsmethode weil das „typologische Artkonzept“ sich auf das Individuum konzentriert und faktisch keine Variabilität akzeptiert. Die Paläontologie als vorrangig biologische Wissenschaft hat jedoch die Zielstellung im Rahmen der Evolutionsforschung stammesgeschichtliche Abläufe offen zu legen. Das gelingt aber nur mit der Beweisführung des Wandels der Variationsbreiten in zeitlich aufeinander folgenden Fortpflanzungsgemeinschaften. Als ideales Beispiel für eine inzwischen lückenlose evolutive Formenreihe steht die Kenntnis der Merkmalsänderungen in den Ceratiten-Populationen von ihrer Immigration in den neu entstandenen Lebensraum Muschelkalkmeer bis zu ihrem Aussterben. Derartig geschlossene Fortpflanzungsgemeinschaften werden in der Neontologie als „Arten im Sinne des Biospezies-Konzeptes“ begriffen. Untereinander sind verschiedene Biospezies durch im Organismus liegende Mechanismen durch Fortpflanzungsisolation getrennt. Sie verhindern die Erzeugung fruchtbarer Bastarde zwischen zwei Arten. Von außen herbeigeführte Fortpflanzungsisolation, z. B. geographische Isolation von Populationen, führt zur phylogenetischen Aufspaltung. Die auf diese Weise erlangte „reproduktive Isolation“ ist Voraussetzung für die Artbildung. Nur eine solche Gruppe von Populationen, die fortpflanzungsmäßig von anderen solchen Gruppen isoliert ist, bildet im Sinne des biologischen Art-Konzeptes eine Biospezies. „Wenn aber solche „Biospezies“ reale und objektiv bestehende Naturgegebenheiten sind, dann muss das entsprechende Konzept zwangsläufig auch für die Paläontologie verbindlich sein“ (WILLMANN 1985).

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Die biologisch basierte Darstellung der Evolution einer geschlossenen Organismengruppe wie Ceratites besitzt Modellcharakter in der paläontologischen Forschung. Deshalb kann es nicht gleichgültig sein, dass sie willkürlich in mehrere typologische „Arten“, „Unterarten“, „Gattungen“ und „Untergattungen“ zersplittert wird (Abb. 1). Vielmehr ist auch in der paläontologischen Taxonomie zu berücksichtigen, dass die von ihr bearbeiteten Objekte evolutionäre Bildungen in der Zeit sind. Darum geht es nicht lediglich um Namen für Steinkerne mit einer subjektiv-charakteristischen Form, sondern um objektiv evolutionäres Beweismaterial einst lebender Organismen.

Abb. 1: Ceratiten-Stammbaum und typologisches Artkonzept.

Der neu entstandene Lebensraum „Oberes Muschelkalkmeer“ ermöglichte Populationen der Stammart „A“ die Immigration in das neue Milieu. Das hatte die geographische Trennung

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von den anderen Populationen der Stammart A zur Folge. Nach WILLMANN (1985) entspricht das der phylogenetischen Aufspaltung einer Stammart in zwei Tochterarten und hat immer das Erlöschen der Stammart zur Folge. Es kann sich also nicht eine Art von einer Stammart abspalten, welche danach fortexistiert. Nach zeitlich erfolgter reproduktiver Isolation verhalten sich die Individuen der geographisch voneinander getrennten Populationen der Tochterarten „B“ und „C“ wie Biospezies zueinander (Abb. 2). Zur „exogenen“ Fortpflanzungsisolation kommt somit zeitlich limitiert auch eine „endogene“ Fortpflanzungsisolation. Damit wird verdeutlicht, dass der Begriff „reproduktive Isolation“ als Artkriterium nur im Zeitquerschnitt Gültigkeit haben kann (WILLMANN 1985). Die Vorstellung von der Möglichkeit eines beliebigen zwischenzeitlichen „Aus- und/oder Einwanderns“ (URLICHS 1997, 1999, KLUG et al. 2005) der gleichen Art ist unbiologisch und deshalb unrealistisch. Arten im Sinne des Biospezies-Konzeptes entstehen durch phylogenetische Aufspaltung. Sie existieren vom Zeitpunkt jener Speziation bis zu ihrer erneuten Aufspaltung in getrennte Tochterarten oder sie sterben, wie die Ceratiten, am Ende nachkommenlos aus.

Abb. 2: Phylogenetisches Speziationskonzept.

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Eine zeitliche Abfolge von Populationen, bei denen wie bei der Ceratiten-Phylogenese ein deutlich gegliederter morphologischer Wandel erkennbar ist, bezeichnet man als Formenreihe. Die Individuen solcher Formenreihen lassen sich in mehrere, zeitlich einander ablösende „Zeitformen = Chronospezies“ untergliedern. Die willkürliche Grenzziehung zwischen zwei solchen „Zeitformen“ ist in jeder Beziehung „unbiologisch“, denn ihre Position wird beliebig festgelegt. Die auf diese Weise morphologisch determinierten „Chronospezies-Begriffe“ in einer Formenreihe sind subjektive Definitionen auf der Grundlage naturgegebener Analogien. Die immer künstlich gezogene Linie am Beginn einer Chronospezies kennzeichnet gleichzeitig das Ende der vorherigen „Zeitform“. Dabei handelt es sich weder um einen Artbildungsvorgang noch um ein Aussterbeereignis, sondern lediglich um einen normalen Übergang zwischen zwei Generationen ein und derselben evolutionären Einheit. Deshalb sind „Chronospezies“ keine real-objektiven Einheiten und damit ohne Anspruch auf einen biologischen Artstatus (ICZN). Der alleinige Artentstehungsmodus einer „Biospezies“ ist die phylogenetische Aufspaltung einer Stammart - die Speziation.

2.2. Etappen des Erkenntnisgewinns

Der auf dieser theoretischen Basis initiierte Erkenntnisprozess vom Negieren der traditionell typologischen Sichtweise der Ceratiten-Taxonomie bis zum Biospezies-Konzept erstreckt sich über zwanzig Jahre (REIN 1988 - 2007). Die dabei erfolgte Schwerpunktverlagerung der Merkmalserfassung vom Einzelindividuum auf die Variabilität der Populationsebene machte die Unvereinbarkeit mit der typologischen Zergliederung der Ceratitenfolge in Gattungen, Untergattungen, Arten und Unterarten mit Stammsträuchern und Stammbäumen (WENGER 1957, KOZUR 1974, URLICHS & MUNDLOS 1980, 1987, KLUG et al. 2005) deutlich. Der in dieser Zeit auf biologisch-analytischer Herangehensweise basierende graduelle Erkenntniszuwachs wird im Folgenden nochmals zusammenfassend dokumentiert.

2.2.1. Die Typen „Enodis“ und „Posseckeri“ (REIN 1988a)

Beim Betrachten des „Stammbaumes“ wird die grundsätzliche evolutionsbiologische Bedeutung der Morphen aus dem Liegenden der cycloides-Bank erkennbar (vgl. auch Abb. 5). Allein aus diesem geringmächtigen Horizont waren mit C. riedeli, C. hofmanni, C. postlaevis, C. posseckeri, C. posseckeri asper, C. enodis und C. laevigatus sieben „Arten“ in drei verschiedenen „Untergattungen“ beschrieben. Material der ersten Biozonen-Analyse: 540 Belegstücke aus der Ton-Mergel-Lage im Liegenden der cycloides-Bank und 80 Vergleichsstücke der benachbarten Biozonen lagen vor. Bei dieser Materialmenge wäre eine leichte Zuordnung in Gruppen mit gleichen Artmerkmalen zu erwarten gewesen. Wegen der ungewöhnlich großen Variabilität der Individuen war das Gegenteil der Fall. Um sich nicht von den typologisch basierten taxonomischen Zuordnungen festlegen zu lassen wurde nach gemeinsamen morphologischen Merkmalen gesucht, die für möglichst große Gruppen zutreffen. Als

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einzige boten sich zwei frühontogenetisch geformte unterschiedliche Besonderheiten bei der Ausbildung der frühontogenetischen Lateralskulptur an (Abb. 3). • Erste Gruppe: Die Lateralseite der Innenwindungen ist zunächst von innen her glatt.

Bei der Bildung einer Skulptur werden sofort Fältchen bzw. Falten gebildet.

• Zweite Gruppe: Die Skulpturbildung auf der Lateralseite verläuft von innen heraus über dichotome Lateralknoten.

Abb. 3: Die Dimorphen „E“ (C. enodis) und „P“ (C. posseckeri). Jeder Ceratit durchläuft während seiner Individualentwicklung entweder das Ontogenie-Stadium des „E“ oder des „P“-Typs.

Im Folgenden wurden alle Formen mit den Eigenschaften der ersten Gruppe in Gruppe „E“ (abgeleitet von C. enodis) und alle Formen mit den Merkmalen der zweiten Gruppe in Gruppe „P“ (abgeleitet von C. posseckeri) zusammengefasst und getrennt statistisch ausgewertet. Erkenntnisse: 1. Trotz großer morphologischer Unterschiede stimmen alle Ceratitenformen der

enodis/laevigatus-Zone in den wichtigsten Parametern überein. Sie nehmen als selbständige Gruppe mit gemeinsamen spezifischen Eigenschaften eine Sonderstellung ein und werden als geschlechtsreife Jugendformen der Acanthoceratites mit neotenem Charakter gedeutet.

2. Mit erstmals entwickelten Ontogenie-Parametern („Wohnkammer-Index“, „Drängungs-Index“ und „Anzahl der Septen“) kann gleichzeitig auch der juvenile Status der „armatus-Morphen“ aus der spinosus-Zone eindeutig belegt werden. Theoretisch wird damit bereits die durchgehende Entwicklung der Ceratiten in zwei Stammreihen antizipiert.

2.2.2. Durchgehende Stammreihenentwicklung (REIN 1988b)

Zur Ermittlung objektiver Vergleichswerte der Ceratiten aus der pulcher/robustus-Zone mit denen aus der enodis/laevigatus-Zone werden identische Parameter verwendet (große Formengruppen, Berücksichtigung ontogenetischer Merkmalsparameter).

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Material: Zur Verfügung standen 600 Belegstücke der atavus- und pulcher/robustus-Zone. Von insgesamt 511 wurden Messwerte genommen. Davon waren 414 exakt horizontierte Belegstücke aus einem Horizont der Fundstelle Tiefurt (robustus-Zone) bei Weimar.

Abb. 4: Mit der lückenlos durchgängigen Ceratitenfolge von der pulcher/robustus-Zone, über den Liegendbereich der cycloides-Bank („E“ = postspinosus - enodis und „P“ = penndorfi - posseckeri) bis in die nodosus-Zone war die Formenreihe der Dimorphen im Ansatz bereits erkannt. Unklar blieben die Verhältnisse der Immigranten und der in Thüringen seltenen Morphen im Hangenden der Glaukonitbank.

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Anders als bei den Morphen der enodis/laevigatus-Zone („E“ und „P“) kam bei den Ceratiten der pulcher/robustus-Zone vorübergehend eine dritte mit „K“ bezeichnete Formengruppe (die Lateralskulptur geht von innen heraus über winzige Lateralknötchen in Fältchen über) dazu, die jedoch in späteren Analysen zu Form „E“ gestellt wird. Der Konsens beim Vergleich der Gehäuse- und Ontogenie-Parameter beider Biozonen bestätigte die vermuteten gemeinsamen phylogenetischen Beziehungen. Damit war offenkundig, dass die Ceratiten der armatus/muensteri-Reihe (vgl. Stammbaum) in der spinosus-Zone wegen geringer Septenzahl und fehlender Septendrängung lediglich juvenile Morphen verkörpern. Mit dem Nachweis grundsätzlicher morphogenetischer Gemeinsamkeiten der Ceratiten aus der pulcher/robustus-Zone mit denen der enodis/posseckeri-Zone ergaben sich für die Ceratiten-Phylogenese neue Aspekte (Abb. 4): 1. Der Stammstrauch (URLICHS & MUNDLOS 1980) mit seinen Blindendungen erweist sich

als Fehldeutung. 2. Eine durchgehende Stammreihenentwicklung mit zwei (?drei) Spezies ohne Aussterbe-

ereignisse erscheint plausibel. Der Stammbaumcharakter wird damit hinfällig und gleichzeitig entstehen Zweifel an der berechtigten Existenz von Untergattungen.

3. Die Ceratiten der neuen von URLICHS & MUNDLOS (1987) ausgeschiedenen „Großart“ Ceratites (Doloceratites) muensteri muensteri aus der spinosus-Zone sind lediglich juvenile Individuen und besitzen deshalb keinen Artstatus.

2.2.3. Variationsbreite (REIN 1996)

Die fließenden Übergänge der Formen an den Biozonengrenzen bereiten den Sammlern immer wieder schier unlösbare Probleme beim Versuch einer exakten Zuordnung in taxonomische Einheiten. Es ist bezeichnend, dass sich dieses Dilemma mit wachsender Menge an Belegmaterial nicht verringert sondern noch vergrößert. Das zeigen Funde in Populationsgröße von Erkeln, Isseroda und die Ceratiten des Aufschlusses Troistedt. Hier ist es vor allem das stratigraphisch lückenlose Belegmaterial von den Immigranten im Hangenden der Tetractinella-Bank bis zu den Progenese-Dimorphen im Liegenden der cycloides-Bank. Die enorme Variabilität der Phänotypen in der jeweiligen Biozone wird am Erfurter Ceratiten-Phylogenesemodell bewusst dargestellt (Abb. 5). Sie macht den qualitativen Unterschied zwischen der Bewertung von Einzelindividuen und der Bedeutung von Populationsanalysen verständlich. Die taxonomische Ansprache beschränkt sich deshalb auf den jeweiligen „Artbegriff“ des namengebenden Zonenceratiten. Als „Biozonen-Merkmal“ umfasst er alle zeitgleich auftretenden Formen. Der Nachweis, ob die Variationsbreite der Biozone auch gleichzeitig der Population entspricht, bleibt geplanten Analysen vorbehalten. In dem durch „E“ und „P“-Morphen zweigeteilten Evolutionsmodell vermitteln an der Basis die bereits bis 10 cm großen flexuosen Ceratiten aus Troistedt eine neue Vorstellung von den Immigranten. Am Übergang der spinosus- zur enodis/posseckeri-Zone wird der abrupte Wechsel der Gehäusegröße eindrucksvoll sichtbar. Ursprünglich als Neotenie gedeutet

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(REIN 1988a) wird dafür künftig der Begriff Progenese als Zeichen ökologisch bedingter

Abb. 5: Das Ceratiten-Phylogenese-Modell im Erfu

Vorverlegung der Geschlechtsreife verwendet.

rter Naturkunde-Museum vermittelt optisch die Variationsbreite (von „E“ nach „P“) der jeweiligen Biozone von den bereits bis zu 10cm großen Morphen der Immigranten (flexuosus) über den deutlichen Größenwechsel zwischen der Gänheim- und cycloides-Bank (Progenese-Phase) bis zu den größten Formen (dorsoplanus/alticella) in Thüringen. Deshalb befinden sich semipartitus und meissnerianus als „Fremdlinge“ außerhalb der thüringischen Ceratitenfolge.

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2.2

hen bei

Nami niler „E“-Typ von Ceratites spinosus seinen eigenständigen

als Zwillingsarten oder

r Gänheim-Bank bis zum

.4. „armatus & muensteri“ - ein dimorphes juveniles Ceratiten-Paar (REIN 1999)

Mit der Untersuchung frühontogenetischer Gehäusemerkmale von 264 jugendlicIndividuen einer Großpopulation wird der exakte Nachweis von Dimorphismus Ceratites erbracht. Zu diesem Ergebnis führten zwar schon vorangegangene Bearbeitungen adulter Individuen (REIN 1988a/b). Doch erst die gezielte Analyse des frühontogenetischen Verhaltens einer entsprechend großen Individuenzahl auf Populationsebene machte präzisere Aussagen zum Dimorphismus möglich (Abb. 6).

Abb. 6: Phänotypisch unterscheiden sich die juvenilen spinosen Ceratiten armatus („E“) und muensteri („P“) mit verschiedenartiger Ausbildung dichotomer Skulptursequenzen. Diese frühontogenetische Besonderheit wird graphisch beispielhaft mit zwei übergangslosen Normalverteilungen sichtbar.

ch dem „P“-Typ „Ceratites muensteri“ (REIN 1988a/b) verliert auch „Ceratites armatus“ t dem Nachweis als juve

Artstatus. Diese spinose Jugendform war zuvor von URLICHS & MUNDLOS (1987) zur Stammart der Untergattung Acanthoceratites erhoben worden. Mit der Offenlegung des Dimorphismus-Verhaltens beider Morphen stellte sich die prinzipielle Frage nach der biologischen Deutung Geschlechtsdimorphismus. Die Antwort auf die Fragestellung, wie das permanente gemeinsame Nebeneinander zweier verschiedener Formen in allen Biozonen interpretiert werden kann, blieb weiteren Untersuchungen vorbehalten.

2.2.5. Die geteilte Progenese-Phase (REIN & OCKERT 1999)

die Chance exakt horizontiert geborgener Kurzzeitig günstige Aufschlussbedingungen botenCeratiten-Nachweise im Profilabschnitt vom Liegenden deHangenden der cycloides-Bank (Abb. 7). Diese stratigraphisch im Zentimeterbereich korrekte Zuordnung fehlte dem Material aus der enodis/posseckeri-Zone (REIN 1988a). Ergebnis: Im Hangendbereich der Gänheim-Bank verharren die vorher bis 26 cm großen spinosen

m Wachstum plötzlich in einem frühen Ontogenie-Stadium mit Gehäusegrößen Ceratiten izwischen 5 - 8 cm (vgl. Abb. 5). Phänotypische Gemeinsamkeiten mit armatus und muensteri sind die Regel.

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Abb. 7: Feinstratigraphische Profilaufnahmen und exakt horizontierte Fossilsuche ermöglichen den Nachweis lückenloser Belegketten für Anpassungsstrategien verschiedener Organismengruppen an sich ändernde ökologische Bedingungen.

De n die r

ermöglichten erstmalig e mit der Analyse

r Übergang dieser kleinen, den juvenilen spinosen Formen noch ähnelnden Ceratiten, i um 20% größeren typischen enodis/posseckeri-Morphen erfolgt im Liegenden de

Schellroda-Bank. Die Progenese-Phase ist demnach zweigeteilt. Ähnlich reagiert durch ständigen Wechsel der Gehäusegröße auch Hoernesia socialis und Coenothyris auf die Milieuänderungen (Ökophänotyp „cycloides“). Mit dieser vollständigen Belegkette wurde das vom Autor (REIN 1988b) vorgestellte Phylogenese-Modell weiter präzisiert und die These von einem kurzzeitigen Verschwinden und Wiederauftauchen der germanischen Ceratiten (URLICHS 1997, 1999) eindeutig widerlegt.

2.2.6. „E“ und „P“ stehen für Geschlechtsdimorphismus (REIN 2003)

1 500 Belegstücke aus einer 3 - 5 cm mächtigen Ton/Mergel-Lagedie umfassende Bearbeitung spinoser Ceratiten auf Populationsebene. Dijuveniler spinoser Morphen nachgewiesene unterschiedliche Strategie im Gehäusebau (REIN 1999) erlaubte die Trennung in die Morphospezies „E“ und „P“ von Anfang an. Besonders wertvolle Rückschlüsse auf die Individualentwicklung konnten mit verbesserten statistischen Methoden bei der Analyse des Septenbaues gezogen werden (vgl. Abb. 8). Dafür wurde das ontogenetische Verhaltensmuster dieser Dimorphen in acht aufeinander

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folgenden Größenklassen getrennt erfasst. Die Ergebnisse der Bearbeitung revidieren das bisherige Bild von Biologie und Taxonomie der germanischen Ceratiten erheblich.

Abb. 8: Messschema Ceratites. Gehäuseparameter sind phänotypische Merkmale: Außenspirale (As = D2/D1); Nabelweite (N = [Nw/D]*100); Gehäusequerschnitt (Q = [b / h] * 100); Scheibenzunahme (S = [h/D] * 100) und Windungszunahme (W = [h3/h1]*100).

erkmale: Anzahl der Septen (A), Drängungs-Index (DI)

hase eines Individuums ermittelt. Dieser Drängungs-Index

So zeigen die Gauß´schen VertIss d (v ass die

Phragmokonparameter sind ontogenetische Mund Wachstums-Index (WI). Mit den Werten „a“, der gemittelten Röhrenhöhe auf diesem finalen Phragmokonabschnitt „h5“ [= (h2+h2+h3)/3] und der Formel (a/h5)/3 wird der relativierte Anteil eines Septums in der letzten Lebenspobjektiviert den subjektiven Begriff „sekundäre Lobendrängung“. Mit den Werten „A“, der mittleren Röhrenhöhe auf diesem Phragmokonabschnitt „h6 (= h2+h3+h4)/3“, dem Wert „G“ und der Formel (A/h6)/G erhält man den relativierten Anteil eines Septums des letzten halben Umlaufes. Die Phragmokonparameter ermöglichen Aussagen und Vergleiche zum Verlauf der Ontogenie eines Individuums und die statistischen Mittelwerte aller Individuen einer Population den evolutiven Trend einer Chronospezies. Mit diesen dynamischen Indikatoren wird der Steinkern zu einem fossilen Lebewesen. Genotypische Merkmale der Immigranten sind phänotypisch sichtbare gruppenspezifische Bildungen. Sie ermöglichen mit dem Faktor Zeit Rückschlüsse auf Rekombinations-Vorgänge im Genpool.

eilungen der Gehäuseparameter, dass alle Individuen der erodaer Population trotz heterogener phänotypischer Gestalt Vertreter einer Spezies sin

gl. Abb. 10) und die neuartigen Ontogenie-Diagramme offenbaren erneut, dMorphospezies „E“ und „P“ innerhalb der Population zwei genetisch eindeutig abgrenzbare Individuengruppen bilden (vgl. Abb. 9e). Dieses ontogenetische Verhaltensmuster der Dimorphen gleicht dem Verhalten weiblicher und männlicher Individuen in rezenten Fortpflanzungsgemeinschaften. Die verwendeten Begriffe „E“ und „P“ stehen deshalb bei Ceratiten für Sexual-Dimorphismus. Ihr vorstellbarer Status als Zwillingsarten (REIN 1999) ist damit auszuschließen.

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Abb. 9: Der Drängungsindex DI ist unabhängig von der Gehäusegröße. Er ermöglicht den Vergleich der Individuen aller Alterstufen und Ceratitenzonen. Die Morphen „E“ erreichen immer zwei Größenklassen vor den „P“-Morphen die Geschlechtsreife. Diese von rezenten Organismengruppen bekannte Strategie wird deshalb auch bei Ceratites als Beleg für Geschlechtsdimorphismus definiert.

Damit fallen alle von WENGER (1957) zu C. (Acanthoceratites) spinosus gestellten und in der ReVa -DiDi ies

Biospezies erstmals

Organisation. Ein ständiger Abgleich mit den Ergebnissen der gleichartigen Populationsana-

vision (URLICHS & MUNDLOS 1987) aufgeführten höheren und niederen Taxa in die riationsbreite der Isserodaer Population. Sie verlieren mit dem Nachweis des Sexualmorphismus einer Spezies ihren bisherigen Gattungs- und Artstatus. e heterogenen Ceratiten der Isserodaer Population gehören zu einer Chronospez

Ceratites spinosus. Ihr phänotypisches Erscheinungsbild wird durch zwei Morphospezies geprägt. Dieses Dimorphismusphänomen führt in zwei parallelen Entwicklungslinien durch die gesamte Ceratiten-Phylogenese. Mit dem Nachweis von Sexual-Dimorphismus wird der bislang vermutete evolutive Wandel der Gattung Ceratites mit einer statistisch belegt (REIN 2001). 2.2.7. Chronospezies und Biospezies (REIN 2006)

Die umfangreiche statistische Erfassung biologisch relevanter Daten von 1 300 Individuen einer compressus-Population ermöglichte weitere Rückschlüsse auf ihre biologische

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philippii/robustus-Zone zu immer stabileren Normalverteilungen. Sie sind ein Beleg für das Anpassungsvermögen der variabel bleibenden Biospezies Ceratites nodosus.

Abb. 10: Vom anfangs deutlich heterogenen Verhalten entwickeln sich die Gehäuseparameter ab der

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lyse mit Ceratiten der spinosus-Zone (REIN 2003) legalisiert Aussagen zu Gemeinsamkeiten ihrer evolutionären Entwicklung. Zur Untersuchung des ontogenetischen Verhaltensmusters erfolgte bei den kleineren C. compressus die Gruppierung in fünf Größenklassen und der erneuten Trennung in die Dimorphen „E“ und „P“. Mit dem Phragmokon-Messschema (Abb. 8) konnten aus den beim Septenbau gespeicherten Informationen vergleichbare analoge ontogenetische Daten gewonnen werden. Sie belegen die Übereinstimmung der Individualentwicklung der dimorphen Ceratiten der compressus- und der spinosus-Zone. Die verwendeten Bezeichnungen „E“ und „P“ stehen deshalb bei germanischen Ceratiten generell für Sexual-Dimorphismus. Mit dem prozentual abgestuften allmählichen Merkmalswechsel (Abb. 11) von Generation zu Generation kann die Existenz einer biologischen Art in dieser Übergangsphase überzeugend dargestellt werden. Ceratites compressus ist danach die aufgrund ihrer Morphologie beliebig benannte Zeitform (= Chronospezies) der Biospezies Ceratites nodosus in der compressus-Zone. Damit werden von Rechts wegen auch alle weiteren Taxa der germanischen Ceratiten zu Chronospezies und unterliegen als künstliche Arten nicht mehr den biologischen ICZN-Regeln.

-Zone von Erkeln zeigt beispielhaft den allmählichen Merkmalswechsel in den Generationen-Folgen. (robustus - compressus - evolutus).

Unabhängig von der eindeutigen begrifflichen Trennung in Biospezies und Chronospezies bleiben für Geologen und Stratigraphen selbstverständlich die Chronospezies-Begriffe als paläontologisches Hilfsmittel erhalten. Mit ihrem isochronen Verhalten ermöglichen sie als Chronospezies eine lückenlose chronostratigraphische Schichtverfolgung im Oberen Muschelkalk.

2.2.8. Speziation und Aussterben der Biospezies Ceratites nodosus (REIN 2007)

Der mit seiner Fossilführung im Oberen Muschelkalk einzigartige Aufschluss Troistedt lieferte lückenloses Belegmaterial der Ceratiten der flexuosus- und sequens/pulcher-Zone (Abb. 12). Das Profil zeigt den für die Analyse der Immigranten wichtigen Ausschnitt von der Tetractinella-Bank bis zur Spiriferina-Bank. Dazwischen liegen mit Döllstedt-, Marolterode- und Arnstadt-Bank drei deutlich sichtbare Sequenzen mit Schillkalklagen. Bei diesen Neubezeichnungen handelt de

Abb. 11: Die Skulpturmerkmalsverteilung in der compressus-Population der mittleren compressus

es sich um jeweils ca. zwei Meter mächtige Horizonte in nen die Skulptur-Merkmalsänderung der Biozonen-Ceratiten erfolgt. Der stets exakte Be-

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Abb. 12: Profil Troistedt.

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zug auf diese Horizonte und die Zwischenschichten war Voraussetzung für das systematische Sammeln, Sichern und Registrieren aller Belegstücke. Die Analyse des Integrationsverhaltens der Immigranten im neu entstandenen Lebensraum basiert auf Parametern von 726 Individuen in vier Entwicklungsphasen im Zeitraum von zwei Biozonen.

Abb. 14: Graphische Darstellung des heterogenen Speziationsvorganges am Beispiel des Gehäuse-parameters Windungszunahme.

Die Phänotypen der Immigrationsphase „a“ sind mit gruppenspezifischen Merkmalenauffallend heterogen (Abb. 13). Dazu zählen Morphen mit ammonitischer und ceratitischer Sutur, Fadenkiel und Ventralskulptur. Als einzige Gemeinsamkeit besitzen sie ein bis 10 cm großes Gehäuse mit sichelförmig nodos skulpturierter Wohnkammer und unterschiedlich stark dichotom beknotetem Phragmokon. Beim Integrationsprozess dieser verschiedenartigen Immigranten-Morphen kommt es zur größten genetischen Vielfalt in der Ceratiten-Phylogenese (Abb. 14).

Abb. 13: Variationsbreite der Chronospezies Ceratites flexuosus.

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Abb. 15: Entwicklung der Gehäusemorphologie der Chronospezies C. flexuosus bis C. philippii/robustus. Die bis 10cm großen Gehäuse der nodosen Immigranten entwickeln sich zu 10%

Phase „d“. Damit verliert C. atavus als Chronospezies der sequens/pulcher-Zone seinen Status als Immigrant (Zeichnung: Sebastian Brandt).

kleineren dichotom skulpturierten Morphen. Zu ihnen gehört die von PHILIPPI (1901) als Ceratites atavus beschriebene Form in

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Mit dem Vergleich der statistisch erfassten morphologisch/physiologischen Veränderungen in der Zeit zwischen Phase „a“ und „b“ gelingt der Nachweis, dass diese gemischten Individuengruppen untereinander sexuell fortpflanzungsfähig waren (Abb. 16). Alle zu dieser Fortpflanzungsgemeinschaft gehörenden Individuen bilden damit eine von ihrer Stammart in der ?Tethys reproduktiv isolierte Tochterart, die Biospezies Ceratites nodosus (Abb.2).

Rekombinationsvorgänge beim Integrationsprozess belegt die Fähigkeit gemeinsamer sexueller Reproduktion. Die gruppenspezifischen Merkmale bleiben rezessiv bis zum Aussterben Bestandteil des Genpools.

Die morphologisch anhaltend heterogenen Immigranten-Individuen der Phasen „a“ und „b“ gehören als erste Zeitform zur Chronospezies Ceratites flexuosus in der flexuosus-Biozone. Zwei genetisch basierte Aspekte dominieren die evolutiven Veränderungen in Phase „c“. Die Zunahme des Dichotomieanteils auf der Wohnkammer mit >50% (Abb. 16) und die Verringerung der Gehäusegröße haben eine deutliche Veränderung des phänotypischen Erscheinungsbildes zur Folge (Abb. 15). Noch bedeutender sind jedoch die Modifikationen der ontogenetischen Parameter und der Immigranten-Merkmale bei den Dimorphen „E“ und „P“. Obwohl die phänotypische Variationsbreite noch sehr groß bleibt, hat die Maximierung der Dichotomieanteile auf der Wohnkammer bereits in Phase „d“ eine gewisse Stabilisierung der Gehäuseparameter zur Folge (Abb. 14/16). Ceratites pulcher („P“) und Ceratites sequens („E“) sind willkürliche Begriffe für die Chronospezies der immer noch heAn ls au ph ttleneck“) erreicht

Abb. 16: Die phasenweise Entfaltung und Vermischung genotypischer Merkmale durch

terogenen Individuen der Zeitphasen „c“ und „d“. der sequens/pulcher-Biozonengrenze haben sowohl die ontogenetischen Parameter a

ch die rezessiven Immigranten-Merkmale (Abb. 16) das Niveau der Individuen derilippii/robustus-Zone und damit den genetischen Flaschenhals („bo

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(Abb. 17). Mit der Bildung eines beständigen Genpools ist der langwierige Speziationsprozess der Biospezies Ceratites nodosus vollzogen. Die Dimorphen Ceratites robustus und Ceratites philippii sind die ersten Ceratiten-Chronospezies mit einer für die Normalverteilung der Gehäuseparameter bedingt optimierten Variationsbreite.

Abb. 17: Das Schema links zeigt die Artentstehung nach URLICHS&MUNDLOS 1980. Aus einer Art entstehen nebeneinander verschiedene Gattungen, Untergattungen, Arten und Unterarten. Im rechten Schema wird die Immigration heterogener Populationen mit dem diffizilen genetischen Integrationsprozess dargestellt. Dieser komplexe Speziationsvorgang der Biospezies Ceratites nodosus

Da s Ende der Ceratiten-Phylogenese zu verfolgen (Abb. 9, 10, 19). Seit der Bildung der „Bank

m ie

isse. Obwohl die quantitativ/qualitative

konsolidiert sich am genetischen Flaschenhals („bottleneck“).

s konstant nachweisbare Dimorphismus-Verhalten ist lückenlos und gleichartig bis an

der kleinen Terebrateln“ veränderten sich die Lebensbedingungen durch die kontinuierlich von Nordosten vorrückende Keuperfazies (Abb. 18). Die letzten Dimorphen sind dieChronospezies Ceratites semipartitus („E“) und Ceratites meissnerianus („P“). VoZeitpunkt der Immigration bis zu den Individuen der letzten Biozone vervierfachte sich dGehäusegröße. Im gleichen Zeitraum erfolgte in der Wohnkammer die Verlagerung des apikalen Weichkörpers von einer aszendenten in eine deszendente Position. Die Gehäusemorphologie der letzten Dimorphen verharrt auf den frühontogentischen Merkmalsstrukturen, die auch bei den Gehäuseparametern wieder denen der Immigranten ähneln (Abb. 20). 2.2.9. Resümee

Die Merkmalsinformationen von 4 850 Ceratiten aus drei Populations- und vier Biozonen-Analysen erbrachten umfassende neuartige ErkenntnBearbeitung der Ceratiten der fünf fehlenden Biozonen und die Überarbeitung der Progenese-Phasen in der enodis/posseckeri-Zone noch aussteht, kann rückblickend bereits ein repräsentatives Evolutionsmodell erstellt werden (Abb. 21).

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Abb. 18: Der Rückzugsweg von C. semipartitus/meissnerianus zeigt, wie die von NE vorrückende Keuperfazies den Lebensraum der letzten Ceratiten immer mehr einengte.

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Abb. 19: Juve „E“, D2 = 76mm (Slg.

Abb. 20: Vergleich des Gehäusebauplanes adulter Individuen mit Details rezessiver Merkmale der Immigranten. Sichelrippen, ventrale skulpturelle Bildungen und alternierende laterale Skulptur sind nicht selten, jedoch nur auf gut erhaltenen Steinkernen überliefert.

nile Ceratites meissnerianus „P“, D2 = 81mm und Ceratites semipartitusH. Klein).

Ceratites semipartitus „E“, DE = 23cm und Ceratites meissnerianus „P“, DE = 17,4cm aus Reiffenhausen (Slg. A. Rosenthal, Zeichnung: Sebastian Brandt).

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Abb. 21: Evolution der Biospezies Ceratites nodosus.

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Die Zusammensetzung der Immigranten-Populationen im neu entstandenen Lebensraum Muschelkalkmeer war überaus heterogen. Trotzdem kam es nach erfolgter reproduktiver Isolation in einem komplexen Integrationsprozess zur Bildung der Biospezies Ceratites nodosus. Ihre evolutive Entwicklung als Biospezies erfolgt in einer durchgehenden Formenreihe ohne Aufspaltung in Tochterarten und endet mit dem nachkommenlosen Aussterben. Durch die Dimorphen „E“ und „P“ ist sie als Formenreihe durchgängig zweigeteilt. Alle sich zeitlich in ihr einander ablösenden Chronospezies sind subjektiv definierte „Zeitformen“ und keine eigenen Arten. Die markanten morphologischen Wechsel in der Zeit reflektieren offensichtlich Reaktionen auf ökologische Veränderungen. Die Anpassungen äußern sich sowohl morphologisch als auch physiologisch jeweils mit der Vorverlegung der Geschlechtsreife vom nodosen Ontogeniestadium in frühontogenetische Entwicklungsstufen (= dichotome Phasen) mit Vergrößerung der Septenanzahl und damit verbundenem veränderten Drängungsindex (Abb. 9). Diese Umstellung erfolgt jeweils beim Biozonen-/Fazieswechsel von der flexuosus- zur sequens/pulcher-Zone (Schillkalk-Sequenz, Abb. 12), von der spinosus- zur enodis/posseckeri-Zone (Gänheim-Bank, Abb. 7) und von der nodosus- zur weyeri/levalloisi-Zone (Bank der kleinen Terebrateln). In diesen Biozonen mit vorverlegter Geschlechtsreife sind die Dimorphen „E“ und „P“ phänotypisch klar als Chronospezies zu unterscheiden (Abb. 3, 19, 21). Dabei kommt es in den ersten beiden Progenese-Wechseln (Abb 21, Ph 2/Ph 4) zu einer Verringerung der Gehäusegrößen und an der „Bank der kleinen Terebrateln“ (Abb. 21, Ph 6) mit der nachfolgenden kontinuierlichen Größenzunahme zu einer Umkehr der Anpassungsstrategie. Auffallend ist die jeweils parallel erfolgte Angleichung mit Ökophänotypen von Coenothyris vulgaris durch jeweils kleiner werdende Individuen.

3. Reaktionen auf die biologische Sichtweise der Ceratiten-Phylogenese

Allgemein wird die phylogenetische Systematik in der Ceratitenforschung ignoriert, da sie mit dem dominierenden typologischen Artkonzept unvereinbar ist. So beschreibt HAGDORN (2004) die Evolution der Ceratiten wie von URLICHS & MUNDLOS (1980, 1987) dargestellt. Auch bei KLUG et al. (2004) platzieren die Autoren die Ceratiten noch in zwei verschiedene Gattungen und vier Untergattungen. Nur ein Jahr später (KLUG et al. 2005) wird daraus schon wieder eine veränderte Mischung aus drei Gattungen mit 53 Arten und Unterarten. Neu hinzu kommen Immigrations-Events jeweils in den Phylogenese-Abschnitten in denen kausal ökologisch bedingte Morphologieänderungen (z. B. Progenesis) mit dem typologischen Artkonzept nicht zu erklären sind. Auch die Frage, wie sich die Autoren die Entstehung und das Nebeneinander der „Arten“ ihrer phylogenetischen Entwicklungsreihe vorstellen, wird gar nicht erst gestellt. Immerhin handelt es sich um Individuen verschiedener Gattungen, diverser Arten und zusätzlich fremder Einwanderer die sich geeint kontinuierlich vom kleinen Paraceratites atavus atavus bis zum großen Discoceratites semipartitus entwickeln sollen. Diese Herangehensweise en RLICHS & MUNDLOS (1980, 1987). tspricht gleichfalls dem Erkenntnisstand von U

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URLICHS (2006) geht da schon konsequent einen Schritt weiter wenn er schreibt: „Die bisherigen Untergattungen von Ceratites werden als Synonyme aufgegeben“.

Zu was sich die Untergattungen synonym verhalten haben und warum er so plötzlich das Fundament seiner 26-jährigen Ceratitenforschung (Abb. 1) in einem Nebensatz ad acta legt, wird von ihm nicht dargelegt. Die typologische Arbeitsweise bleibt unverändert. So zitiert URLICHS (2006) für den Artbildungsprozess WILLMANN (1985), verwendet jedoch die Begriffe Stammart und Tochterart sinnwidrig für das typologische Artkonzept (Abb. 22).

Abb. 22: Ein phylogenetischer Speziationsprozess beginnt mit der Aufspaltung der Stammart „A“ in die Tochterarten „B“ und „C“ (WILLMANN 1985). Die von URLICHS (2006) angewandte typologisch basierte Artbildung verbietet deshalb jeden Bezug auf WILLMANN.

Unvereinbar mit der Diagenese der Muschelkalk-Ceratiten ist auch die Möglichkeit der fossilen Erhaltung organischer Weichkörperreste in der Wohnkammer eines Ceratitensteinkerns und der daraus von URLICHS (2006) abgeleitete Nachweis von Geschlechtdimorphismus bei Ceratites (Abb. 23): „Bei dem von MÜLLER (1969) beschriebenen Ceratites evolutus mit einem „Eierbeutel“ in der Wohnkammerfüllung handelt es sich um einen Makrokonch, wie durch einen Vergleich adulter Makro- und Mikrokonche mit diesem Exemplar nachgewiesen wurde. Somit sind die Makrokonche die Weibchen und die Mikrokonche die Männchen.“

Danksagung Die Ergebnisse zwanzigjähriger Arbeit beruhen auf der Auswertung von 4 850 Ceratiten aus sieben Biozonen. Die Bereitstellung dieses umfangreichen Materials verdanke ich vielen Sammlern und der guten Zusammenarbeit mit dem Erfurter Naturkunde-Museum und dem Naturhistorischen Museum Schleusingen. Besonderen Dank schulde ich den Mitgliedern des Trias-Vereins Thüringen sowie den Herren Peter Gensel (Weimar) und Klaus Ebel (Markdorf).

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Die Evolution der Biospezies „Ceratites nodosus“ 111

Abb. 23: Ein postmortal in die Wohnkammer gelangter Fremdkörper ist selbstverständlich kein Bestandteil des ursprünglichen Weichkörpers (Original zu MÜLLER 1969, Sammlung TU Bergakademie Freiberg Nr.130/1).

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Autorenanschrift: SIEGFRIED REIN

Hubertusstraße 69, D-99094 Erfurt-Rhoda e-mail: [email protected]