Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte … · Im Speziellen wird die GKV zudem durch...

25
1 Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte aus Sicht der Kostenträger – Chancen, Herausforderungen und zentrale Erfolgsfaktoren 1 Autoren: Alexander Gessner und Torsten Müller Warum eine neue Karte? Frühere Gesundheitsreformen konnten die andauernde Beitragssatzsteigerung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht nachhaltig aufhalten. In den letzten zwanzig Jahren haben wir nahezu eine Verdopplung der Beitragssätze und eine Verdreifachung der Beitragsbemessungsgrenze erlebt. Diese Entwicklung resultiert – wie bei allen umlagefinanzierten sozialen Sicherungssystemen – im Wesentlichen aus der demografischen Entwicklung in Deutschland. Verschärft wird die Situation unter anderem durch die Reduzierung der Beitragsbasis aufgrund der hohen Arbeits- losigkeit. Im Speziellen wird die GKV zudem durch den medizinischen Fortschritt be- lastet: Eine überproportionale Preissteigerung im Gesundheitswesen, die etwa 1% über dem allgemeinen Preisindex liegt. Frühere Reformversuche fokussierten primär den Bereich der Verwaltungskosten bei den Kostenträgern. In Abbildung 1 sind diese Initiativen unschwer an den kurzfristig realisierten Beitragssatzsenkungen zu erkennen – die stets innerhalb kurzer Zeit ü- berkompensiert wurden. 1 Der vorliegende Beitrag basiert auf einem Vortrag von Alexander Gessner am 4.3.2005 beim Fach- kreis BO/EDV

Transcript of Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte … · Im Speziellen wird die GKV zudem durch...

1

Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte aus Sicht der Kostenträger – Chancen, Herausforderungen und zentrale Erfolgsfaktoren1

Autoren: Alexander Gessner und Torsten Müller

Warum eine neue Karte?

Frühere Gesundheitsreformen konnten die andauernde Beitragssatzsteigerung in der

gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht nachhaltig aufhalten. In den letzten

zwanzig Jahren haben wir nahezu eine Verdopplung der Beitragssätze und eine

Verdreifachung der Beitragsbemessungsgrenze erlebt. Diese Entwicklung resultiert –

wie bei allen umlagefinanzierten sozialen Sicherungssystemen – im Wesentlichen

aus der demografischen Entwicklung in Deutschland. Verschärft wird die Situation

unter anderem durch die Reduzierung der Beitragsbasis aufgrund der hohen Arbeits-

losigkeit. Im Speziellen wird die GKV zudem durch den medizinischen Fortschritt be-

lastet: Eine überproportionale Preissteigerung im Gesundheitswesen, die etwa 1%

über dem allgemeinen Preisindex liegt.

Frühere Reformversuche fokussierten primär den Bereich der Verwaltungskosten bei

den Kostenträgern. In Abbildung 1 sind diese Initiativen unschwer an den kurzfristig

realisierten Beitragssatzsenkungen zu erkennen – die stets innerhalb kurzer Zeit ü-

berkompensiert wurden.

1 Der vorliegende Beitrag basiert auf einem Vortrag von Alexander Gessner am 4.3.2005 beim Fach-kreis BO/EDV

2

Abbildung 1: Entwicklung des durchschnittlichen Beitragssatzes zur gesetzlichen Krankenversiche-rung von 1970 bis 2000 in Prozent

Dabei kann mit der Beschränkung auf den Bereich der Verwaltungskosten keine

nachhaltige Entlastung des Gesamtsystems erzielt werden: Der Anteil der Verwal-

tungskosten an den Gesamtaufwänden bietet dafür zu wenig Spiel.

Mit der jüngsten Reforminitiative ist der Versuch unternommen worden, neben rein

monetären Steuerungsansätzen unter anderem Wettbewerbselemente und Anreiz-

systeme in Anlehnung an die private Krankenversicherung (PKV) zu etablieren. We-

sentliche Elemente und Ergebnisse dieser jüngsten Gesundheitsreform sind:

• Steuerfinanzierung von versicherungsfremden Leistungen (Mutterschaftsgeld)

• Ende der paritätischen Finanzierung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer

(Krankengeld)

• Erleichterung des Wechsels zwischen Krankenkassen bzw. Stärkung des

Wettbewerbs

• Zusatzbeitrag für Zahnersatz ab Juli diesen Jahres

• Kooperationsmodelle zwischen PKV und GKV im Bereich der Zusatzversiche-

rungen

Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Informationen des Statistischen Bundesamtes

15

14

13

12

11

10

9

8 Fr ü heres

Bundesgebiet Deutschlandinsgesamt

1970 1980 1990 2000

Durchschnittlicher Beitragssatz in Prozent

8,2

12,4

14,415

14

13

12

11

10

9

8 Fr ü heres

Bundesgebiet Deutschlandinsgesamt

1970 1980 1990 2000

Durchschnittlicher Beitragssatz in Prozent

8,2

12,4

14,4

3

• Neue tarifliche Merkmale in der GKV (Selbstbehalte, Kostenerstattung vs.

Sachleistungsprinzip, Beitragsrückgewähr)

• Stärkung bzw. Ermöglichung von Hausarztsystemen, Chroniker- bzw. DMP -

Programmen und individualvertraglichen Regelungen zur Integrierten Versor-

gung sowie Medizinischen Versorgungszentren

Flankiert werden all diese Elemente durch die Initiative zur Einführung telematischer

Elemente im Gesundheitswesen – diese Initiative ist besser bekannt als die „neue

elektronische Gesundheitskarte“ oder „eGK“.

Bezogen auf die Zielsetzung und den Anspruch der Telematik im Gesundheitswesen

sind insbesondere zu nennen:

• Steigerung der Transparenz für alle Beteiligten

• Kostenreduktion und

• Qualitätsverbesserung

Die Steigerung der Transparenz soll insbesondere durch eine zeitnahe Steuerung

der Abrechnungsprozesse, Verringerung von Missbrauch und die Steigerung der Ei-

genverantwortlichkeit der Patienten realisiert werden. Diese Ziele werden unter ande-

rem gestützt durch eine weitergehende Digitalisierung im Bereich der Leistungsab-

rechnung (eRezept). Das Lichtbild auf der Karte stellt ein Element dar, über mehr

Transparenz Missbrauch zu erschweren. Die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit

und Transparenz gegenüber den Patienten soll durch die Möglichkeit der Einsicht-

nahme in die (auf freiwilliger Basis) gespeicherten medizinischen Daten erzielt wer-

den.

Kostenreduktion kann – wie bereits eingangs dargestellt – nur sekundär im Bereich

der Verwaltungskosten erreicht werden (in diesem Zusammenhang ist primär das

eRezept zu erwähnen; vgl. nachfolgende Detailbetrachtung). Der hinsichtlich des

Wirkungsgrads wesentlich aussichtsreichere Ansatz zur Kostenreduktion ist dagegen

im Bereich der Leistungskosten zu sehen. Durch die Verfügbarkeit der Notfalldaten

auf der Karte und der Behandlungshistorie bei der Überweisung zu Fachärzten sollen

gezielte Maßnahmen in Notfällen eingeleitet bzw. Doppeluntersuchungen vermieden

und so direkt Einsparungen bei den Leistungskosten erzielt werden. Den so genann-

ten „Freiwilligen Anwendungen“ kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Die Stichworte

sind: ePatientenakte und eArztbrief sowie Arzneimitteldokumentation mit Wechsel-

4

wirkungsprüfung. Bezüglich des Ausmaßes der auf diesen Wegen zu erzielenden

Entlastungen gibt es noch keine verlässlichen wissenschaftlichen Untersuchungen.

Wesentliche Faktoren für den Erfolg dieser Maßnahmen werden sein:

• Die Bereitschaft der Versicherten ihre medizinischen Daten auf freiwilliger Ba-

sis auf der Karte bzw. der Telematik Infrastruktur vorzuhalten.

• Die Bereitschaft der Leistungserbringer beispielsweise auf Doppeluntersu-

chungen zu verzichten falls die Qualität der Voruntersuchungsergebnisse (z.B.

Röntgenbilder) diese nicht unbedingt erforderlich machen.

Ein ganz zentraler Punkt für den wirtschaftlichen Erfolg der neuen elektronischen

Gesundheitskarte ist daher Marketing, Akzeptanzförderung und die Schaffung geziel-

ter Anreizsysteme. In diesem Zusammenhang wird es nicht ausreichen, sich auf die

seitens der Verbände der Selbstverwaltung oder des BMGS zu leistenden Maßnah-

men zu verlassen. Die Kostenträger werden über eigene Aktivitäten versuchen müs-

sen, einen Großteil des eigenen Bestandes zu mobilisieren um das Potenzial zu-

gunsten der eigenen Versicherten – und damit auch zugunsten des eigenen Unter-

nehmens – auszuschöpfen (dazu mehr im Folgenden).

Die Qualitätsverbesserung bezieht sich analog zur Kostenreduktion primär auf den

Bereich der „Freiwilligen Anwendungen“: Über die Notfalldaten, die Vermeidung von

Doppeluntersuchungen und besonders über die Verfügbarkeit einer Behandlungshis-

torie und die Vermeidung von negativen Wechselwirkungen bei der Medikation ver-

spricht man sich wesentliche Qualitätsverbesserungen und eine Erhöhung der Effi-

zienz der Versorgung.

5

Anspruchsvolles Vorhaben

Die Einführung einer Telematik Infrastruktur in Deutschland bedingt neben dem Auf-

bau von neuen Kommunikationsplattformen und der Ausgabe der elektronischen Ge-

sundheitskarte und des Heilberufeausweises tiefgreifende Änderungen in den tech-

nischen und organisatorischen Schnittstellen bei allen Beteiligten der Selbstverwal-

tung.

Vorhaben dieser Größenordnung sind nur durch ein stufenweises Vorgehen zu

handhaben. Dabei ist es erforderlich, die Bestandteile der Lösung mit den zahlrei-

chen Beteiligten schrittweise zu konkretisieren als auch in der konkreten Umsetzung

die erforderliche technische und organisatorische Komplexität kontinuierlich aufzu-

bauen. Allerdings ist von Anbeginn an die Erarbeitung einer erweiterungsfähigen und

nachhaltigen Gesamt-Architektur erforderlich.

Die erste Festlegung der Bestandteile der Lösung erfolgte nach der Verabschiedung

des GKV-Modernisierungsgesetzes, indem durch das BMGS innerhalb des

bIT4health Projektes der Rahmen der Lösung abgesteckt wurde. Darauf aufbauend

lag und liegt es im Verantwortungsbereich der Selbstverwaltung die konkrete Lösung

festzuschreiben. Die hierbei erstellte Lösungsarchitektur gibt den Beteiligten eine ge-

naue Beschreibung der Bestandteile und Schnittstellen zur Telematik Infrastruktur

vor. Abbildung 2 gibt eine grobe Übersicht über die unterschiedlichen Sichten und

Änderungsanforderungen bei den Beteiligten.

Telematik-infrastruktur

Versicherte,Patienten

KostenträgerGKV/PKV

Kammern/Verbände

Krankenhäuser

KVen/ KZVen

- Neue eGK- Neue Anwendungen- Stärkung Eigenverantwortung

Änderung derAbrechnungs-prozesseSchnittstellen

Prozesse

- Kartenausgabe- Kartenmanagement- Stammdatenmanagement- Änderung Abrechnungsprozesse

Ausgabe HPC -LE-Verzeichn. -

Sonstige LE

- Neue Infrastruktur- Anpassung Anwendungen- Anpassung Prozesse

Apotheken

Ärzte/Zahnärzte

Telematik-infrastruktur

Versicherte,Patienten

KostenträgerGKV/PKV

Kammern/Verbände

Krankenhäuser

KVen/ KZVen

- Neue eGK- Neue Anwendungen- Stärkung Eigenverantwortung

Änderung derAbrechnungs-prozesseSchnittstellen

Prozesse

- Kartenausgabe- Kartenmanagement- Stammdatenmanagement- Änderung Abrechnungsprozesse

Ausgabe HPC -LE-Verzeichn. -

Sonstige LE

- Neue Infrastruktur- Anpassung Anwendungen- Anpassung Prozesse

Apotheken

Ärzte/Zahnärzte

6

Abbildung 2: Unterschiedliche Sichten und Änderungsanforderungen bei den Beteiligten

Mit der gematik, der Betriebsorganisation zur Einführung der Telematik Infrastruktur,

wurde Anfang des Jahres durch die Selbstverwaltung eine Organisation geschaffen,

welche eine genaue Beschreibung der Komponenten, Schnittstellen und übergrei-

fenden Abläufe in einer Lösungsarchitektur erstellt und eine zentrale Koordination

der Umsetzungsschritte gewährleistet. Unterstützt wird die Einführung durch Testre-

gionen, die in ausgewählten Gebieten mit ca. 100.000 Versicherten die Infrastruktur

aufbauen, Karten ausgeben und die Anwendungen testen. Bei den Anwendungen

werden beginnend die Pflichtanwendungen wie Stammdatenmanagement und elekt-

ronisches Rezept umgesetzt. In einem weiteren Ausbau erfolgt die Einführung von

Anwendungen wie Arzneimittelprüfung und klinischer Basisdatensatz (Notfallaus-

weis). Innerhalb verschiedener Modellregionen werden bereits unabhängig von Vor-

gaben einer Lösungsarchitektur entwickelte Mehrwertanwendungen wie z.B. die e-

lektronische Patientenakte getestet. Mit der Einführung der Telematik Infrastruktur

können Erfahrungen aus diesen Lösungen übernommen und Mehrwertanwendungen

unter Nutzung der neu geschaffenen Sicherheitsmechanismen allen Beteiligten, bzw.

Berechtigten angeboten werden.

Für eine erfolgreiche Einführung der Telematik Infrastruktur ist es erforderlich, dass

die Änderungsanforderungen bei den Leistungserbringern keine unüberwindbaren

Hürden aufbauen. Zur Begrenzung der technischen Komplexität sollen die dort ein-

zusetzenden technischen Komponenten einen hohen Standardisierungsgrad aufwei-

sen. Der Lösungsansatz sieht bei den Leistungserbringern so genannte Konnektoren

vor, die ähnlich der bekannten ISDN-Boxen, aber unter Nutzung starker Sicherheits-

und Verschlüsselungsverfahren in die vorhandenen Systeme integriert werden. Die

dafür notwendigen Anpassungen der vorhandenen Primärsysteme (wie z.B. Praxis-

systeme bzw. Apothekensysteme) sowie Umstellungen im Arbeitsablauf der Leis-

tungserbringer machen es zwingend erforderlich, dass die neuen Lösungen im Detail

getestet und optimiert werden. Daraus leitet sich auch das allgemeine Verständnis

ab, dass eine konsequente Einführungsunterstützung und das Management der Ak-

zeptanz die entscheidenden Erfolgsfaktoren für die Einführung der eGK und der not-

wendigen technischen Infrastruktur bei den Leistungserbringern und Versicherten

sind.

Die verschiedenen Anforderungen, die sich seitens der Kostenträger ergeben, wer-

den im nachfolgenden Abschnitt detaillierter erläutert.

7

Die privaten Versicherer haben ein hohes Interesse, die geschaffene Infrastruktur zur

optimierten Abwicklung eigener Verfahren zu nutzen, bzw. den Versicherten eben-

falls Mehrwertanwendungen zur Gesundheitsfürsorge anzubieten. Die derzeitige Lö-

sungsdefinition und Umsetzungsplanung in den Testregionen fokussiert sich auf die

Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung.

Zurzeit stehen wesentliche Lösungsdefinitionen aus, die für eine erfolgreiche Weiter-

führung des Vorhabens eGK erforderlich sind. Unter der Annahme, dass bis Jahres-

ende die ersten Tests in den Regionen gestartet werden sollen, ist es zwingend er-

forderlich, dass durch die gematik eine genaue Spezifikation der Schnittstellen zwi-

schen der Telematik Infrastruktur und den Leistungserbringern (Konnektor) sowie

zwischen der Telematik Infrastruktur und den Kostenträgern (Kartenmanagement

und Stammdatendienst) vorgelegt wird. Die detaillierte Beschreibung der Schnittstel-

len ist die Voraussetzung dafür, dass die entsprechenden Komponenten wie eGK

und Konnektoren produziert werden und die Beteiligten ihre Verfahren zur Einbin-

dung der Komponenten anpassen können. Neben der erwähnten ausstehenden

Spezifikation der Lösungsarchitektur wird die gematik in einem nächsten Schritt die

Testregionen auswählen. Seitens der gematik werden mit den Testregionen Verträge

geschlossen, die eine gezielte und abgestimmte Erprobung der eGK gewährleisten

sollen. Bis zum Herbst werden in Laborversuchen erste Lösungen getestet, welche

danach in den Testregionen zum Einsatz kommen. Zahlreiche Beteiligte der Selbst-

verwaltung und der Industrie stehen in den Startlöchern bereit, um die Einführung der

Telematik Infrastruktur und Ausgabe der eGK mit Kräften voran zu treiben.

8

Chancen und Herausforderungen für die Versicherer

Mit Inkrafttreten des GMG hat der Gesetzgeber die Ausgabe der Karten in den Ver-

antwortungsbereich der GKV gestellt und ihnen gleichzeitig über § 291a (3) SGB V

umfassende Informationspflichten auferlegt. Nach heutigem Stand ist die Teilnahme

der privaten Krankenversicherer an der Gesamtinitiative „eGK“ nicht gesetzlich gere-

gelt, sondern erfolgt auf freiwilliger Basis. Im Zuge der intensiven Zusammenarbeit

und des Informationsaustauschs mit PKV-Unternehmen hat sich mittlerweile eine

Teilnahme der PKV – insbesondere aus Imagegesichtspunkten – herauskristallisiert.

Die Aufgaben, Pflichten aber auch die Chancen der PKV-Unternehmen die sich aus

der eGK Einführung ergeben, sind daher sehr ähnlich gelagert, wenngleich keine

Verpflichtung zur Partizipation im Sinne des Gesetzes besteht. Im Folgenden werden

Besonderheiten der PKV daher als Ergänzung zum „allgemeinen Fall“ dargestellt.

Als Herausforderung bei der Einführung der eGK ist die Beherrschung der Komplexi-

tät anzusehen, welche sich direkt oder mittelbar auf einen Großteil der Kernprozesse,

Anwendungen und Infrastrukturkomponenten auswirkt. Die Komplexität ergibt sich

insbesondere aus dem notwendigen Zusammenspiel einer Vielzahl von Einzelmaß-

nahmen. Gleichzeitig sind Wechselwirkungen bzw. die Konformität mit der Unter-

nehmensstrategie und anderen laufenden und geplanten Projekten im jeweiligen Un-

ternehmen zu berücksichtigen. Die folgenden Punkte sollen einen Überblick über die

wichtigsten zu berücksichtigen Aspekte liefern, die als Grundvoraussetzung für die

„Lauffähigkeit“ der Karte anzusehen sind.

Detailbetrachtung einheitliche Krankenversichertennummer (EKVNR)

Paragraph 290 SGB V enthält die Regelungen zur bundeseinheitlichen Krankenver-

sichertennummer (EKVNR). Die Nummer ist als Voraussetzung für die flächende-

ckende Einführung der eGK anzusehen. Das Verfahren zur Vergabe der EKVNR

wurde durch die Spitzenverbände der Krankenkassen gemeinsam und einheitlich

durch Richtlinien geregelt. Das Gesetz sieht vor, dass für alle Versicherten (also

auch mitversicherte Familienangehörige, Selbständige, usw.) eine eigene EKVNR zu

vergeben ist. Die Nummer basiert auf der Rentenversicherungsnummer, wird aber

durch die so genannte „Vertrauensstelle“ verschlüsselt. Die Konsequenzen für die

Leistungsträger stellen sich wie folgt dar:

9

• Für den gesamten Versichertenbestand muss eine Rentenversiche-

rungsnummer (RV-Nummer) als Basis für die EKVNR vorliegen.

o In der GKV ist diese Voraussetzung bei rund 60% der Versicher-

ten gegeben (Beitragszahlung über den Arbeitgeber)

o In der PKV liegt diese in der Regel nur für einen zu vernachläs-

sigen Bruchteil des Bestandes vor (z.B. Pflegepersonen in der

Pflegeversicherung)

Die Information muss demnach für große Teile oder den Gesamtbe-

stand (PKV) über die Versicherten in Erfahrung gebracht werden.

• Liegt keine Rentenversicherungsnummer vor, muss diese gemäß einer

Vereinbarung zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und

den Rentenversicherungsträgern über die Kassen bei den Rentenversi-

cherungsträgern beantragt werden. Eine Adaption der Regelungen für

die PKV ist in Vorbereitung.

• Die RV-Nummer wird der eigens eingerichteten Vertrauensstelle über-

mittelt. Sie ist die Basis für den unveränderbaren Teil der EKVNR (erste

zehn Stellen). Ergänzt um die bundeseinheitlichen Angaben zur Kas-

sen- / Versicherungszugehörigkeit und den Bezug zu den Mitversicher-

ten (Stellen 11 bis 30) ergibt sich dann einem bestimmten Algorithmus

folgend die EKVNR.

• Die EKVNR wird von der Vertrauensstelle an die Kostenträger zurück-

gemeldet.

GKV / PKV

RV-Träger

Vertrauens-stelle

RV-Nr. Bean-

tragung RV-Nr.

RV-Nr. Rück-meldung

EVNR

GKV / PKV

RV-Träger

Vertrauens-stelle

RV-Nr. Bean-

tragung RV-Nr.

RV-Nr. Rück-meldung

EVNR

10

Abbildung 3: Skizze des Verfahrens zur Generierung der EKVNR

Neben der Einholung der RV-Nummer sind demnach Schnittstellen zu den Renten-

versicherungsträgern und der Vertrauensstelle einzurichten bzw. zu erweitern (GKV).

Die Abläufe und Prozesse in der Bestandsführung sind entsprechend anzupassen.

So ist die Kommunikation mit den genannten externen Partnern dem Kartenherstel-

lungsprozess vorzuschalten. Das Datenmodell ist ggf. um die zusätzlichen Schlüssel

zu erweitern und dies in einer Vielzahl der Anwendungen des Kerngeschäfts umzu-

setzen. Bei PKV-Unternehmen stellt sich dies exemplarisch wie folgt dar:

• Angebot und Antrag (Grund: Zugang von Versicherten mit EKVNR)

• Bestand (Grund: Auftrag Kartenerstellung)

• Leistung (Grund: Kommunikation mit den Leistungserbringern)

• Workflow (Grund: Kontaktaufnahme während des Leistungsabrechnungspro-

zesses über die EKVNR als Referenz)

• Statistik

• Partner (Es handelt sich primär um eine Partnerinformation – da diese aus-

schließlich für die KV-Sparte benötigt wird, wäre auch die KV-

Bestandsanwendung als Quellsystem denkbar)

Die meisten Unternehmen sehen die Beibehaltung der bisherigen Schlüssel in der

internen Kommunikation und ein Mapping zwischen alter VSNR- bzw. VP-Nummer

mit der neuen EKVNR in der Außenkommunikation vor.

Detailbetrachtung eRezept

Das eRezept stellt eines der wenigen Elemente der neuen eGK dar, über welches

direkt eine Entlastung im Bereich der Administration der Kostenträger zu erzielen ist.

Gleichwohl sind die Auswirkungen auf PKV- und GKV-Unternehmen aufgrund der

Strukturunterschiede sehr unterschiedlich und erfordern abweichende Verfahren und

Komponenten auf Seiten der Telematik Infrastruktur.

Zum derzeit innerhalb von GKV Unternehmen häufig als Arbeitshypothese diskutier-

ten Verfahren: Die eGK fungiert im Rahmen einer Verordnung als Pointer; das be-

deutet, dass beispielsweise in der Praxis eines Arztes über die Kombination der eGK

des Patienten mit der Health Professional Card (HPC) des Arztes die Verordnungs-

daten (Wirkstoffkombination oder Produkt sowie ggf. Packungsgrößen) an einen Da-

11

tenpool der Telematik Infrastruktur in verschlüsselter Form übertragen und dort abge-

legt werden. Der Versicherte kann das Rezept in einer beliebigen Apotheke seiner

Wahl einlösen, indem mittels seiner eGK und der HPC des Apothekers die Verord-

nungsdaten abgerufen werden. Nach erfolgter Abrechnung (ggf. unter Berücksichti-

gung von Zuzahlungen) werden die Verordnungs- und Abrechnungsdaten unmittel-

bar an das jeweilige Apothekenabrechnungszentrum weitergeleitet.

Um den speziellen Erfordernissen der PKV Rechnung zu tragen, muss seitens der

Infrastruktur ein unternehmensunabhängiger Zwischenspeicher (Schwebeserver)

eingerichtet werden. Auf diese Weise können die Versicherten unter Berücksichti-

gung von Selbstbehalten und der Beitragsrückerstattung weiterhin die Einreichung

der Leistungsbelege an die jeweilige PKV individuell steuern. Um den steuerlichen

Anforderungen zu genügen, ist zudem weiterhin ein Papierbeleg vorzusehen. Zur

gleichzeitigen Erleichterung der Belegverarbeitung im Rahmen der Leistungsabrech-

nung bei der PKV, wird auf den Apothekenabrechnungsbeleg eine Transaktions-

nummer (TAN) aufgedruckt.

Die durch die Verfahrensänderung bedingten Anpassungen in der GKV skizzieren

sich wie folgt:

• Die Sichtprüfung der durch die Apothekenabrechnungsverbände übermittelten

Images kann durch eine automatische Prüfung auf Basis der übermittelten

einheitlichen Datensätze weitgehend ersetzt werden (Prozessänderungen).

• Der Wegfall der Images bedingt Anpassungen in den Anwendungen: Bereit-

stellung von Rezeptinformationen in den Datenmasken, die zur Anzeige ge-

bracht werden können (Anpassung der Anwendungen).

• Der Abgleich zwischen den übermittelten Images und den Datensätzen sowie

die Auflösung der Abweichungen kann entfallen (Prozessänderungen).

• Durch den Entfall der Images reduzieren sich der Speicherbedarf und damit

die Anforderungen an die Infrastruktur (infrastrukturelle Anpassungen).

Bei der Umsetzung des eRezepts sind zudem Wechselwirkungen mit weiteren aus

dem GMG resultierenden Änderungen zu berücksichtigen (Retaxierung, Veränderte

Abrechnungszyklen insbesondere im ambulanten Bereich, IV, DMP, Hausarzt zent-

rierte Versorgung, etc.).

12

Bei PKV-Unternehmen sind durch die Aufbringung der TAN auf die Apothekenab-

rechnungen große Erleichterungen hinsichtlich einer automatischen Belegverarbei-

tung zu erwarten. Folgende Abbildung zeigt bezogen auf ein idealtypisches Leis-

tungsabrechnungssystem2 notwendige Anpassungen (rote Felder) und aus dem e-

Rezept resultierende Verfahrensvereinfachungen (blaue Felder).

InputMgmt.

Output Mgmt.

medizinisch-abrechnungs-

techn. Prüfungen

mathematisch-formale

PrüfungenAbrechnung

Höherer Automatisierungsgrad (Dunkelverarbeitung) durch weniger negative Prüfergebnisse

Keine Erfassungs- / Erkennungsfehler

Legende: Anpassungsbedarfe Auswirkungen

keine Einreichung „artfremder“ Belege (Missbrauch)

Schnittstelle zum PKV-Abrechnungsserver:Abruf der Abrechnungsinformationen

Einlesen der eingereichten Transaktionsschlüssel(Post, Telefon, Fax, e-mail, Kundenportal, etc.)

Neue Inputkanäle

erschwerter Missbrauch durchnicht berechtigte Personen

Formale Prüfung der Abrechnungsdaten: Stimmt Versichertennummer mit denen der Abrechnungsdaten überein, etc.

vertraglich-historischePrüfungen

Bessere medizinische Prüfungdurch das Vorliegen von Daten,die sonst nicht erfasst würden

Leistungs-berechnung

Vereinfachte Leistungsberechnung durch bessere Datenqualität

keine Doppelteinreichungen möglich

InputMgmt.

Output Mgmt.

medizinisch-abrechnungs-

techn. Prüfungen

mathematisch-formale

PrüfungenAbrechnung

Höherer Automatisierungsgrad (Dunkelverarbeitung) durch weniger negative Prüfergebnisse

Keine Erfassungs- / Erkennungsfehler

Legende: Anpassungsbedarfe Auswirkungen

keine Einreichung „artfremder“ Belege (Missbrauch)

Schnittstelle zum PKV-Abrechnungsserver:Abruf der Abrechnungsinformationen

Einlesen der eingereichten Transaktionsschlüssel(Post, Telefon, Fax, e-mail, Kundenportal, etc.)

Neue Inputkanäle

erschwerter Missbrauch durchnicht berechtigte Personen

Formale Prüfung der Abrechnungsdaten: Stimmt Versichertennummer mit denen der Abrechnungsdaten überein, etc.

vertraglich-historischePrüfungen

Bessere medizinische Prüfungdurch das Vorliegen von Daten,die sonst nicht erfasst würden

Leistungs-berechnung

Vereinfachte Leistungsberechnung durch bessere Datenqualität

keine Doppelteinreichungen möglich

Abbildung 4: Anpassungsbedarfe und Verfahrenserleichterungen in der idealtypischen Leistungsab-rechnung einer PKV unter Einbeziehung des eRezepts

Wie die nachfolgende Abbildung Nr. 5 verdeutlicht, ist das Resultat eine Auflösung

des Dilemmas der Entscheidung zwischen Belegerfassungs- und Missbrauchskos-

ten.

Eingangs wurde auf mögliche Wechselwirkungen der eGK Einführung mit der Unter-

nehmensstrategie verwiesen. Das eRezept stellt für die PKV Unternehmen einen

solchen Fall dar: Die erweiterten Prüfmöglichkeiten entfalten ihr Einsparungspotenzi-

al nur bei entsprechender Positionierung gegenüber den Versicherten. Wurde in der

Vergangenheit wenig geprüft, ließe sich eine schlagartige Richtungsänderung in der

„Genehmigungspolitik“ den Versicherten kaum vermitteln. Soll ein Imagewandel her-

beigeführt werden, so gibt es direkte Wechselwirkungen mit der Kommunikationspoli-

2 Es wird von einem idealtypischen Leistungsabrechnungssystem mit Integration von entsprechenden Vorprüfsystemen ausgegangen, welches eine hochgradige Automation der Belegverarbeitung ermög-

13

tik des Unternehmens, die dann mit den umfassenden Informationspflichtungen im

Zuge der eGK Einführung in Einklang zu bringen sind (dazu mehr im Folgenden).

! Ein hoher Erfassungsgrad verursacht hohe Aufwände

! Ein niedriger Erfassungsgrad führt zu hohen Missbrauchskosten

! Handlungsoption bei der LA von Rezepten besteht hinsichtlich des Grades der Erfassung (Tiefe und Breite)

- Automatisierung durch Scannen&Erkennen- Nacherfassung von Belegen- Prüfung ab Schwellenwert- Teilerfassung der Daten

"Nahezu vollständige Reduzierung der Gesamtkosten bei eRezepten!

"Die Reduzierung der Gesamtkosten hängt damit vom Anteil der eRezepte am Gesamtaufkommen ab

Erfassungskosten

Missbrauchskosten

Tatsächliche Kosten (Summe)

Grad der Erfassung(bzgl. Tiefe und Breite)

lfd. KostenSkizze

eRezept

! Ein hoher Erfassungsgrad verursacht hohe Aufwände

! Ein niedriger Erfassungsgrad führt zu hohen Missbrauchskosten

! Handlungsoption bei der LA von Rezepten besteht hinsichtlich des Grades der Erfassung (Tiefe und Breite)

- Automatisierung durch Scannen&Erkennen- Nacherfassung von Belegen- Prüfung ab Schwellenwert- Teilerfassung der Daten

"Nahezu vollständige Reduzierung der Gesamtkosten bei eRezepten!

"Die Reduzierung der Gesamtkosten hängt damit vom Anteil der eRezepte am Gesamtaufkommen ab

Erfassungskosten

Missbrauchskosten

Tatsächliche Kosten (Summe)

Grad der Erfassung(bzgl. Tiefe und Breite)

lfd. KostenSkizze

eRezept

Abbildung 5: Skizze der Kostenkurven für die Handlungsoptionen im Rahmen der Leistungsabrech-nung von Rezeptbelegen in der PKV

Detailbetrachtung Schnittstelle

Neben den bereits erwähnten anzupassenden bzw. neu einzurichtenden Schnittstel-

len zur Vertrauensstelle und den Rentenversicherungsträgern ist eine Vielzahl weite-

rer Modifikationen bei internen und externen Schnittstellen erforderlich. Die internen

Schnittstellen beziehen sich auf die unternehmensinternen Anpassungsbedarfe und

dabei primär auf die Zusammenführung und Konsolidierung des Datenkranzes, der

für die Erstellung der eGK unabdingbar ist.

licht.

14

Datenkranz-Basis

eGK

Name, GeburtsdatumAnschrift

GeschlechtEinheitliche Versichertennummer

LichtbildStatus für Rückseite: (E-111)

VersichertenstatusZuzahlungsstatus

Ausstellende KrankenkasseKässenärztliche Vereinigung

Beginns VersichertenschutzSicherheitsinformationen

Datenkranz-Basis

eGK

Name, GeburtsdatumAnschrift

GeschlechtEinheitliche Versichertennummer

LichtbildStatus für Rückseite: (E-111)

VersichertenstatusZuzahlungsstatus

Ausstellende KrankenkasseKässenärztliche Vereinigung

Beginns VersichertenschutzSicherheitsinformationen

Abbildung 6: Auszug aus dem Datenkranz der eGK

Die Herausforderung besteht darin, die oftmals über mehrere Teilanwendungen ver-

streuten Daten zusammen zu führen und die Informationen tagesaktuell an den Kar-

tenhersteller bzw. an die Telematik Infrastruktur in ein Bewirtschaftungs-/ Betriebs-

konzept zu übergeben.

Die Übergabe der Informationen erfolgt über externe Schnittstellen. Da die Kranken-

versicherer verantwortlich für die Ausgabe der elektronischen Gesundheitskarte sind,

liegt es in ihrer Verantwortung, die eGK zu produzieren, ordnungsgemäß in die Te-

lematik Infrastruktur einzubetten und deren Lebenszyklus bis zum Einzug bzw. einem

Wechsel des Versicherers zu managen.

Zusätzliche Anforderungen und damit eine Nutzung der externen und internen

Schnittstellen entstehen aus dem Angebot von Mehrwertlösungen durch den Kran-

kenversicherer (wie z.B. spezifische Bonussysteme) mittels denen sich die Kosten-

träger über individuelle Angebote an ihre Versicherten am Markt differenzieren kön-

nen. In diesem Fall sind die Anwendungen durch den Versicherer bzw. dessen Be-

auftragten zu managen und in die Kernsysteme des Versicherers sowie die Telema-

tik Infrastruktur einzubinden.

Weiterhin ist zu beachten, dass sich Schnittstellen zu Dritten mit der Einführung der

eGK ändern können (Integration von Leistungserbringerverzeichnis, Kommunikation

mit sonstigen Leistungserbringern, Abrechnung von Apothekendaten, etc.). Um die

Übersicht hinsichtlich der zahlreichen Schnittstellen zu erhalten, sind in Abbildung 6

die wesentlichen Komponenten der eGK und Telematik Infrastruktur aus Sicht des

15

Krankenversicherers dargestellt. Die Schnittstellen ergeben sich aus der Kommuni-

kation zwischen den Komponenten.

Fachanwendungen, Kernsysteme(Beitrag, Leistung, Stammdaten, etc.)

Datenaustausch mit Dritten(KV, KZV, Apo-RZ, sonstige LE, etc.)

Stammdatendienst

Karten und Karten-anwendungsmanagement

Kartenkonfiguration und Herstellung

Telematikinfrastruktur

! Anwendungsdienste! Infrastrukturdienste! Plattformen! Sichere Netzwerke! Verzeichnisse

Leistungs-erbringer

Konnektor

Primär-systeme LE

eGK

Versicherter

WeitereBeteiligte

Konnektor

Legende: Komponenten in Verantwortung bzw. im Fokus der Versicherer

HPC

Fachanwendungen, Kernsysteme(Beitrag, Leistung, Stammdaten, etc.)

Datenaustausch mit Dritten(KV, KZV, Apo-RZ, sonstige LE, etc.)

Stammdatendienst

Karten und Karten-anwendungsmanagement

Kartenkonfiguration und Herstellung

Telematikinfrastruktur

! Anwendungsdienste! Infrastrukturdienste! Plattformen! Sichere Netzwerke! Verzeichnisse

Leistungs-erbringer

Konnektor

Primär-systeme LE

eGK

Versicherter

WeitereBeteiligte

Konnektor

Legende: Komponenten in Verantwortung bzw. im Fokus der Versicherer

HPC

Abbildung 7: Skizze der in der im Interessenbereich der Versicherer liegenden Schnittstellen, die im Zuge der eGK Einführung zu untersuchen sind

Der Betrieb und der Aufbau der dargestellten Komponenten kann sowohl durch den

Krankenversicherer als auch durch Partner aus dem Gesundheitswesen und der In-

dustrie erfolgen.

Die konkrete Ausgestaltung der Schnittstellen und der sich dahinter verbergenden

Prozesse und Verfahren hängt damit maßgeblich davon ab, welche der Komponen-

ten im eigenen Haus bzw. durch Drittanbieter betrieben werden.

Wesentliche Komponenten zur Anbindung an die Telematik Infrastruktur sind der

Stammdatendienst und das Karten- und Kartenanwendungsmanagement.

Der Stammdatendienst ist dafür verantwortlich, dass die Stammdaten der Versicher-

ten zwischen der eGK und dem Versicherer ausgetauscht und verifiziert werden kön-

nen. In § 291, Absatz 2 SGB V ist der Inhalt der Stammdaten gesetzlich geregelt.

Neben den bisher auf der Krankenversichertenkarte verwendeten Stammdaten, wie

beispielsweise Name und Geburtsdatum, erfordern neue Stammdateninformationen,

16

wie Zuzahlungsstatus und Versichertenstatus, eine direkte Weitergabe der Informati-

onen an die Telematik Infrastruktur Die Anbindung der technischen Schnittstelle des

Stammdatendienstes an die Kernsysteme ist stark abhängig von der vorhandenen

Systemlandschaft. Da es sich bei dem Stammdatendienst um eine neue Anwendung

handelt, die ggf. außerhalb der etablierten Plattform und Sicherheitszonen läuft, sind

hier geeignete technische Verfahren zur gesicherten und nachvollziehbaren Daten-

übertragung zwischen Stammdatendienst und Kernsystemen zu etablieren.

In engem Zusammenhang mit dem Stammdatendienst steht das Karten- und Karten-

anwendungsmanagement. Aufgabe des Karten- und Kartenanwendungsmanage-

mentsystems, kurz ausgedrückt KAMS, ist es, den genauen Status der elektroni-

schen Gesundheitskarte in der Telematik Infrastruktur und der auf ihr befindlichen

Anwendungen zu managen. Jede eGK ist einem KAMS eindeutig zugeordnet. Das

KAMS kennt und verwaltet nur Status und die Struktur der Karte ohne Zugriff auf die

Inhalte zu besitzen. Dies erfolgt ähnlich einem Paketdienstleister, der zahlreiche Pa-

kete managen muss, ohne deren Inhalt zu kennen.

Die Einbindung des KAMS erfolgt über verschiedene Ausbaustufen. Eine abschlie-

ßende Definition der Aufgaben des KAMS erfolgt mit der Verabschiedung der Lö-

sungsarchitektur. Am Beginn des Lebenszyklus einer Karte verwaltet es den Daten-

kranz zur Erstellung der eGK und macht diese in der Telematik Infrastruktur bekannt.

Im weiteren Leben der eGK nutzt der Krankenversicherer das KAMS zum aktiven

Management der eGK. So werden mittels des KAMS Karten gesperrt , neue Anwen-

dungen freigegeben und ggf. Informationen bei einem Kassenwechsel übertragen.

Die Sicherstellung der Auskunftsfähigkeit gegenüber den Versicherten erfordert, dass

der Kostenträger stets aktuelle Informationen über den Zustand der eGK erhält.

In Abhängigkeit dieser verschiedenen Gesichtspunkte ist es erforderlich zu entschei-

den, ob ein KAMS direkt in die Anwendungslandschaft integriert oder über eine ex-

plizite Schnittstelle zum Informationsaustausch eingebunden wird.

Eine weitere Komponente ist die Kartenherstellung. Bei diesem, im Lebenszyklus ei-

ner eGK einmaligen Vorgangs, bringt der Kartenhersteller auf die vorgefertigten Kar-

tenrohlinge die eGK-, versicherungs- und versichertenspezifischen Merkmale auf

(Grundfunktionen, Datenstrukturen, Lichtbild, Beschriftung, etc.). Die eGK ist außer in

der Form in ihrem Inneren völlig anders gestaltet als die bisherige Krankenversicher-

tenkarte (KVK). Für die Kartenhersteller bedeutet dieses völlig neue Verfahren der

17

Kartenherstellung und für die Krankenversicherungen eine Anpassung des Daten-

austausches zum Kartenhersteller. Neben der Übertragung der neuen Stammdaten

(inkl. Lichtbild) ist es erforderlich, dass bei unterschiedlichen Kartenherstellern die

Informationen entsprechend den unterschiedlichen Produktionsverfahren aufbereitet

werden müssen.

Detailbetrachtung Lichtbild

Als ein wesentliches Element zur „Missbrauchsbekämpfung“ soll die Aufbringung von

Lichtbildern auf der eGK dienen. Diese ist für die GKV nach § 291 (2) SGB V ver-

pflichtend. Dazu folgende Anmerkungen:

• Leistungserbringer sind auch weiterhin nicht gesetzlich gezwungen eine Iden-

titätsüberprüfung vorzunehmen – im Zweifelsfall wird das Lichtbild also seine

gewünschte Wirkung nicht ganz erreichen. Die Leistungserbringer dürfen

gleichzeitig nicht wissentlich Betrug fördern. Vielerorts wird die Vermutung ge-

äußert, dass der gewünschte Effekt gegebenenfalls bereits durch die Erhö-

hung der Hemmschwelle bei den (nicht) Versicherten erreicht wird – das ist

aber rein spekulativ.

• Der tatsächliche Missbrauch über die heute eingesetzte KVK kann nur bedingt

quantifiziert werden. Fakt ist, dass es immer wieder zu Skandalen im Zusam-

menhang mit Kartenmissbrauch kommt, gleichzeitig aber auch Fehler bei ein-

schlägigen Erhebungen gemacht wurden, sodass verlässliche Informationen

über den dadurch entstehenden Gesamtschaden fehlen.

Für die gesamte Administration und den Erstellungsprozess der eGK stellen sich

die Auswirkungen in der GKV wie folgt dar:

• Für den wesentlichen Teil des Bestandes sind Lichtbilder einzuholen und zu

verwalten (Mindestens ist eine Verknüpfung zum Versicherten in den Anwen-

dungssystemen erforderlich)

• Hinsichtlich der Lichtbildeinholung wird neben der kompletten Vergabe an

Dienstleister teilweise auch die Einholung über das hauseigene Geschäftsstel-

lennetz nachgedacht. Parameter für die Wahl des Umsetzungsweges sind u.a.

die Versichertenstruktur, die Größe der Gesellschaft und die regionale Prä-

senz.

18

• Unabhängig von der Wahl des Weges der Lichtbildeinholung ist eine Vielzahl

von Wechselwirkungen zu berücksichtigen, die wiederum Auswirkungen auf

das Verfahren haben und die Komplexität des Prozesses erhöhen. Stichworte

sind hier: Portooptimierung (in einem Haushalt lebende mitversicherte Famili-

enangehörige), Kopplung mit der Einholung der Rentenversichertennummer

sowie mit Akzeptanzförderungsmaßnahmen.

• Bei der Entscheidungsfindung muss auch die eigene Leistungsfähigkeit des

jeweiligen Kostenträgers vor dem Hintergrund der Organisationsstruktur be-

rücksichtigt werden: Sollen die Lichtbilder digitalisiert werden, um bei Verlust

oder Erneuerung der eGK unmittelbar verfügbar zu sein, so ist eine spezielle

technische Infrastruktur und die Anbindung an ein Content-Management-

System erforderlich. Das Content-Management-System muss wiederum mit

der Verwaltung der Versichertenstammdaten gekoppelt sein. Gegen den Auf-

bau einer solchen Infrastruktur in der Fläche sprechen die Kosten – in der Re-

gel stünde jedoch nur dort die erforderliche Anzahl an Mitarbeiter zur Verfü-

gung (bei adäquater Struktur dezentraler Geschäftsstellen).

• Bei der Beauftragung eines Kartenproduzenten sind neben den Personalisie-

rungsinformationen auch die Lichtbilder zu übermitteln. Gegebenenfalls be-

reits vorhandene Schnittstellen sind zu modifizieren oder neu einzurichten.

Durch die großen Bestände in der GKV hat die Wahl des Verfahrens und die Berück-

sichtigung von Optimierungspotenzialen (s.o.) eine gewaltige Auswirkung auf die ab-

soluten Kosten. Es wird nachdrücklich empfohlen, diese Entscheidung auf Basis ei-

ner fundierten Analyse zu fällen. Um den eGK Einführungszeitplan nicht zu gefähr-

den, ist diese Analyse als eine der dringendsten Aktivitäten anzusehen.

Für die PKV stellt sich das Problem des Kartenmissbrauchs durch die Rechnungs-

stellung an den Versicherten nicht. Aufgrund dieses Umstandes wird im Bereich der

privaten Krankenversicherungen die Frage diskutiert, ob das Aufbringen von Lichtbil-

dern für PKV Vollversicherte als sinnvolle Maßnahme angesehen werden soll. Im

Zuge der jüngsten Debatten zur Partizipation der PKV Unternehmen an der eGK

zeichnet sich jedoch aus reinen Imagegesichtspunkten auch eine Adaption des

Lichtbildes ab.

19

Detailbetrachtung Marketing, Kommunikation und Akzeptanz, strategischer Mehrwert durch freiwillige Anwendungen

Der Gesetzgeber hat die gesetzlichen Krankenkassen zu Aufklärungs- und Akzep-

tanzförderungsmaßnahmen im Zuge der eGK Einführung verpflichtet. Flankiert wer-

den diese Aktivitäten durch Marketing- und Aufklärungskampagnen des Bundes und

der Länder. Eingangs wurde bereits darauf verwiesen, dass die Kostenträger über

eigene Aktivitäten versuchen müssen, einen Großteil des eigenen Bestandes zu mo-

tivieren, ihre medizinischen Daten über die eGK zugänglich zu machen um das Po-

tenzial der neuen Karte ausschöpfen zu können. Fast alle bis zu diesem Punkt skiz-

zierten Maßnahmen dienen ausschließlich dazu, die eGK überhaupt herstellen, aus-

geben und verwalten zu können – damit ist noch keinerlei positiver Effekt hinsichtlich

Transparenz und Qualitätssteigerung zu erzielen (ggf. mit Ausnahme des eRezepts)!

Die zentrale Frage wird daher sein: Wie sind die Versicherten zur Teilnahme zu moti-

vieren? Die folgenden Gedanken sollen ein Gefühl für die Bandbreite dieses Aspekts

vermitteln:

• Die Versicherten müssen Vertrauen in die neue Technologie und die Datensi-

cherheit bekommen. Es ist ein umfassendes Kommunikationskonzept zu ent-

wickeln. Dieses ist u.a. mit den Maßnahmen zur Einholung der Rentenversi-

cherungsnummer und den Lichtbildern in Einklang zu bringen. Die Mitarbeiter

mit Kundenkontakt müssen zu den verschiedenen Fragen zur eGK auskunfts-

fähig sein und „mit einer Stimme“ sprechen. Weitere Stichworte sind: Portoop-

timierung, Mediamix und die Anpassung der technischen Kommunikationsinf-

rastruktur (Call-Center, etc.).

• Motivation ist insbesondere in der PKV über finanzielle Anreize zu schaffen:

Die Einführung von speziellen Tarifen ist zu erwägen. Bei GKV und PKV ist

aber mindestens das bestehende Bonusprogramm neu zu gewichten und um

Anreize für die Speicherung der medizinischen Daten zu erweitern3. Entspre-

chend muss dann auch neu über die Gewichtung der Boni nachgedacht wer-

den: Was soll mehr gefördert werden – eine Vorsorgeuntersuchung oder die

vollständige Nutzung der Möglichkeiten der eGK? Auch bei der Umsetzung

sind Besonderheiten in der Verwaltung zu berücksichtigen: Es wird schwer

20

vermittelbar sein, die Versicherten zur Ermittlung und Speicherung der Notfall-

daten auf der eGK zu motivieren und anschließend die Beitragsrückerstattung/

Beitragsrückgewähr mit dem Hinweis auf eine Leistungsinanspruchnahme zu

verweigern! Entsprechende Kennzeichnungen und Prüfungen sind in der Leis-

tungsabrechnung der PKV bzw. bei der Bearbeitung der Anträge auf Beitrags-

rückgewähr in der GKV vorzusehen.

• Zudem bietet die eGK auch neue Möglichkeiten der „Bonusgewährung“: Die

Möglichkeit und der Anreiz der kostenfreien Bereitstellung einer qualifizierten

elektronischen Signaturkarte ist nicht zu unterschätzen. Soll dieses Instrumen-

tarium gezielt für „gute Risiken“ eingesetzt werden, müssen die Möglichkeiten

einer Bestandssegmentierung vorliegen.

Neben den zukünftig allgemein zur Verfügung stehenden so genannten „freiwilligen

Anwendungen“ wie ePatientenakte und eArztbrief wird es für jede PKV/GKV außer-

dem möglich sein, individuelle Anwendungen für die eigene Klientel zur Verfügung zu

stellen. Insbesondere im GKV-Markt, der durch geringe Differenzierungsmöglichkei-

ten hinsichtlich des Leistungskatalogs und nahezu identische Beitragssätze gekenn-

zeichnet ist, werden individuelle Anwendungen ein nicht zu unterschätzendes In-

strumentarium sein, Versicherte zu binden oder gar anzuwerben! Vor dem Hinter-

grund der möglichen strategischen Bedeutung solcher Anwendungen ist nachzuvoll-

ziehen, dass diese teilweise ein wohl gehütetes Betriebsgeheimnis darstellen wer-

den.

Es liegt jedoch auf der Hand, dass insbesondere in den Bereichen, in welchen neue

Freiheitsgrade bezüglich der Leistungskostensteuerung geschaffen wurden, ein Va-

kuum hinsichtlich der organisatorischen Abwicklung entsteht (in der GKV betrifft dies

insbesondere die „Umgehung“ der Kassenärztlichen Vereinigungen durch direkte in-

dividualvertragliche Vereinbarungen mit Leistungserbringern). Seitens der gesetzli-

chen Krankenversicherer besteht daher ein großes Interesse daran, zukünftig über

individuelle Anwendungen der eGK, eine Steuerungsfunktion hinsichtlich der Einhal-

tung solcher individualvertraglichen Regelungen auszuüben. Heute ist es in den we-

nigsten Fällen möglich, Disease Management Programme, Programme zur integrier-

ten oder Hausarzt zentrierten Versorgung in Bezug auf die Einhaltung der vertragli-

3 Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich aus der Ablehnung freiwilliger Anwendungen laut Gesetz kein Nachteil für den betreffenden Versicherten ergeben darf.

21

chen Vereinbarungen zu überprüfen. Außerdem ist die Koordination der Programm-

inhalte und die Kommunikation zwischen den Leistungserbringern mit großen Rei-

bungsverlusten in der Administration verbunden. Über individuelle Anwendungen der

eGK können neben inhaltlichen Informationen (beispielsweise die Liste der im Rah-

men von DMP verordnungsfähigen Arzneimittel) auch Steuerungsdaten gespeichert

werden (beispielsweise der Bezug von bestimmten, im Rahmen von DMP verordne-

ten Arzneimittel über dezidierte Vertragsapotheken ohne finanzielle Nachteile).

Die Palette der Spielarten wird sehr groß sein – die eG bietet in Verbindung mit der

Telematik Infrastruktur die technische Basis um inhaltliche Themen vor dem Hinter-

grund der neuen, durch den Gesetzgeber geschaffenen Gestaltungsmöglichkeiten,

effizient und effektiv umzusetzen.

Zentrale Erfolgsfaktoren

Umsetzungsplanung der eGK Einführung

Die bisherigen Ausführungen können mit Sicherheit nur einen Teil der erforderlichen

Maßnahmen zur eGK Einführung und zu den Nutzungs- und Differenzierungsmög-

lichkeiten streifen. Eines wird jedoch deutlich: Die eGK unterscheidet sich elementar

von der bekannten PKV-Karte bzw. der KVK. Dies gilt insbesondere für die jetzt not-

wendige interdisziplinarische Zusammenarbeit innerhalb der Organisationen der Kos-

tenträger! Betroffene Bereiche sind nicht nur die Unternehmenssteuerung und die

Fachabteilungen „Beitrag“ und „Leistung“, sondern insbesondere auch die Betriebs-

organisation, die Anwendungsentwicklung und das Marketing. Die Auswirkungen der

eGK Einführung erstrecken sich von unternehmensstrategischen Aspekten über alle

wesentlichen Prozesse des Kerngeschäfts, einen Großteil der Anwendungen und

Teile der Infrastruktur.

Obwohl die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte und die damit verbund-

nen technischen, organisatorischen und prozessualen Veränderungen auch für den

Bereich der PKV eine große Herausforderung darstellen, ist diese Aufgabe zu meis-

tern, wenn die technischen und politischen Rahmenbedingungen stabil sind.

Die geschilderte Vielschichtigkeit und Komplexität der Thematik erfordert eine detail-

lierte Umsetzungsplanung zur Einführung der eGK. IBM Business Consulting Servi-

ces hat derartige Planungen in mehreren Häusern durchgeführt und in diesem Be-

reich ein Alleinstellungsmerkmal unter den Beratungshäusern aufgebaut. Die Pla-

22

nungen können schnell und effizient durchgeführt werden, ohne dabei den Anspruch

an eine umfassende Beleuchtung aller relevanten Aspekte zu verlieren. Ergebnis

solcher Analysen sind detaillierte Projekt-, Maßnahmen- und Ressourcenpläne sowie

umfangreiche Detailinformationen, die in konsolidierter Form die Grundlage für haus-

interne Projektanträge zu den Teilprojekten darstellen.

Gesamtsteuerung des Vorhabens

Die Strukturierung und Eingliederung eines eGK Gesamtprojekts in die bestehende

Organisationsstruktur unter Berücksichtigung der Vielzahl neu anzugehender Maß-

nahmen hat sich aus unserer Erfahrung heraus als ein weiterer zentraler Erfolgsfak-

tor erwiesen. Insbesondere in Bezug auf zukünftige Nutzungsmöglichkeiten (Stich-

wort Steuerungswirkung für DMP, Integrierte- und Hausarzt zentrierte Versorgung

sowie Medizinische Versorgungszentren) ist eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen

über das gesamte Unternehmen mit all seinen Funktionen zu koordinieren. Ein klas-

sischer Fall für Programm-Management! Neben einem für die Einführung der Karte

aufzusetzenden eGK Projekt ist zudem die kontinuierliche Verfolgung der strategi-

schen und fachlichen Schnittstellen organisatorisch sicherzustellen.

Partnereinbindung

Die eGK ist keine Geheimwissenschaft die in einem Elfenbeinturm stattfindet! Sie

dient als technische Basis für die inhaltliche und administrative Steuerung von Vor-

gängen im Kontext des gesamten Gesundheitswesens. Im Mittelpunkt soll der Pati-

ent stehen und als mündiges Individuum eigenverantwortlich agieren. Ein Erfolg wird

die eGK daher nur unter Einbeziehung aller Beteiligten. Insbesondere gilt das für die

Versicherten und die Leistungserbringer (Stichwort Akzeptanzförderung). Partner-

schaften sind daher ebenfalls als ein zentraler Erfolgsfaktor anzusehen. Das gilt auch

für die Umsetzung der eGK bei den Kostenträgern. Neue Technologien werden in

das Gesundheitswesen hineingetragen. Temporär sind daher auch Spezialisten zur

Anreicherung der eigenen Kompetenz in die Umsetzung einzubeziehen. Bei be-

stimmten Themen wird es vor dem Hintergrund der hausinternen Mitarbeiterkapazität

und des vorhandenen Know-hows erforderlich werden, ganze Teilpakete auszula-

gern und neue dauerhafte Partnerschaften einzugehen. Diese ermöglichen es, effi-

zienter zu wirtschaften und sich strategisch auf die Kernkompetenzen zu fokussieren.

23

Teilnahme Testregion

Eine Umsetzung kann – wie bei allen umfangreichen und komplexen Vorhaben mit

Beteiligung zahlreicher Partner – nicht über Nacht erwartet werden. So werden im

Vorfeld der flächendeckenden Einführung der eGK und der dazu erforderlichen Te-

lematik Infrastruktur in abgegrenzten Regionen Deutschlands ausgiebige Tests statt-

finden. Neben dem Test der technischen Lösung liegt der Fokus der Testregionen in

der Verifizierung der Schnittstellen und erforderlichen Anpassung der Prozesse bei

allen beteiligten Partnern. Da die Gesundheitskarte zahlreiche Fragestellungen bei

Versicherten und Leistungserbringern aufwirft, sind die Testregion erste Prüfsteine

der Wirksamkeit von Akzeptanz- und Supportmaßnahmen.

Zur effizienten Vorbereitung der Einführung der Gesundheitskarte ist die Beteiligung

der Krankenversicherer an der Testregion zwingend erforderlich. Die frühzeitige

Lernkurve, der direkte Informationsfluss und die Möglichkeit der kontinuierlichen Op-

timierung der notwendigen Verfahren sind nur einige Aspekte, die aufzeigen, dass

die in einer Beteiligung liegenden Vorteile den nicht unerheblichen zusätzlichen Auf-

wand rechtfertigen.

Gerade mit dem in einer Testregion gewonnenen Wissen, ist die kontinuierliche Aus-

lastung begrenzter Ressourcen besser zur steuern.

Sollte sich die Krankenversicherung noch nicht für eine Beteiligung in einer oder

mehrerer Testregionen entschieden haben, ist im ersten Schritt die Strategie der Be-

teiligung festzulegen. Diese hängt von einer Bewertung der Ziele und Strukturen der

Testregion sowie maßgeblich von der vorgefundenen Versicherten- und Betreuungs-

struktur der Region sowie von den konkreten Testzielen der Krankenversicherung ab.

Die eGK als Chance für Versicherte und das eigene Unternehmen begreifen

Die Einführung der eGK steht außer Frage – auch wenn bisweilen über den Zeitplan

spekuliert wird: Für die GKV ist sie gesetzlich vorgeschrieben und die PKV wird sich

in weiten Teilen daran beteiligen müssen, wenn sie mit der technischen Entwicklung

Schritt halten will.

Mit Einführung der Karte sind Investitionen verbunden – Investitionen in den Aufbau

einer völlig neuen Infrastruktur. Eines muss allen Beteiligten klar werden: Mit der Inf-

rastruktur alleine ist keinerlei zusätzlicher Nutzen verbunden. Um einen plastischen

24

Vergleich herzustellen: Auch mit der reinen Einführung des UMTS-Netzes ist noch

kein Zusatznutzen generiert worden. Erst mit dem Verfügbarmachen des UMTS-

Netzes durch entsprechende Endgeräte, Zusatzdienste und Mehrwertanwendungen

(beispielsweise der verbesserten Möglichkeit der Datenübertragung) wird ein Nutzen

für den Verbraucher sichtbar.

Der Nutzwert jeder Infrastruktur-Investition steht und fällt bekanntermaßen mit den

Anwendungen. Mit der Telematik Infrastruktur und der eGK verhält es sich völlig ana-

log: Nur wenn die beteiligten Player es schaffen, zusätzlich zu den Anstrengungen im

Zusammenhang mit dem Aufbau der Infrastruktur auch über Mehrwertdienste nach-

zudenken, wird von der neuen Karte ein positiver Nutzen für die Beteiligten ausge-

hen. Das bedeutet, dass auf fachlicher Ebene so frühzeitig wie möglich über die Po-

tenziale nachgedacht werden muss, die sich durch die neuen technischen Möglich-

keiten ergeben. Von primärem Interesse wird dabei die Verknüpfung von neuen in-

haltlichen Gestaltungsmöglichkeiten in Verbindung mit der neuen Technologie ste-

hen: Integrierte und Hausarzt zentrierte Versorgung, DMP, DRG und Co.

Durch Neuerungen auf fachlicher und technischer Ebene werden die ohnehin oftmals

knappen Ressourcen bei den Versicherern über die Maßen strapaziert. Da sich die

Branche in Summe zur selben Zeit um dasselbe Thema kümmern muss, sind zwar

Engpässe im Personal vorprogrammiert; es wird aber auch unter Einbindung exter-

ner Unterstützung Chancen für Synergien geben. Es gilt, nicht das Rad neu zu erfin-

den, sondern Erfahrungswerte zu nutzen und die Kraft auf eigene, neue Ideen zu

konzentrieren.

25

Die Autoren:

Alexander Gessner

IBM Insurance Business Solutions

BCS Insurance, Financial Services Sector Central Region

Torsten Müller

IBM Business Consulting Services

Strategy & Change, Public Sector Central Region