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NIEDERÖ SIERREICHISCHE IANDESAUSSIELLTING DER HEILIGE, LEOPOLD LA}.IDE,SFÜRST UND STAV\T'S- SYIVTBOL STIFT KIOSTERNETJBURG 30. MÄRZ-3. NOVEMBER 1985

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NIEDERÖ SIERREICHISCHE IANDESAUSSIELLTING

DER HEILIGE,LEOPOLD

LA}.IDE,SFÜRST UND STAV\T'S-SYIVTBOL

STIFT KIOSTERNETJBURG30. MÄRZ-3. NOVEMBER 1985

trlisabeth Kovács

Der heilige Leopold und die Staatsmystik der Habsburger

Am 30. November 1465 wünschte auf demLandtag von Korneuburg Kaiser Friedrich III.von den Österreichischen Ständen, sie mögen

,,unserm allerheiligisten vatern, dem pabst,schreiben und sein heiligkeit pitten . . ., denselben heyligen leichnam [des BabenbergersLeopold III.I zu erheben; und so möcht dannder almechtig got dem lannd Osterreich durchdenn nevn himelritter frid, glück und seligkaitgeben".

Der Kaiser selbst datierte mit 1. Februar1466 seinen Brief an Paul II. Er ersuchte darin,daß der Heiligsprechungsprozeß des frommenMarkgrafen, dessen Blut in ihm, dem Kaiser,fließe (,,Nos vero, qui de eiusdem Leopoldi san-guine trahimus originem"), wieder aufge-nommen werde. Die verzögerte Kanonisation

- Herzog Rudolf IV. hatte schon 1358 darumgebeten - hätte die Ehre Leopolds III. gemin-dert; deshalb sei das Land von Kriegen, feind-lichen Einfällen und Fehden in Unruhe ver-setzt. Das von Papst Paul II. wiederaufgenom-mene Kanonisationsverfahren dauerte bis zuseinem positiven Abschluß, der feierlichenHeiligsprechung Leopolds III., beinahe 20

Jahre. Innerhalb dieser Zeit wandte sich auchder Klosterneuburger Propst JohannesHechtel mit einem Gesuch an Papst Sixtus IV.Er hoffte, die Heiligsprechung Leopolds III.werde ,dern ganzen lanndt frid, ainikeit undwider all des heyligen kristenlichen glaubenund unsere veind vberwindung und alles gelükauch unsere zeitliche narung . . . und nach demausgang dieser wellt die ewige glory"schenken.

Schließlich wurde am 6. Jänner 1485, amFest der Heiligen Drei Könige, dem Mark-

grafen Leopold III. die Ehre der Altäre zuteil.Dieses Ereignis, meist nur an den Rändern po-Iitischer und kirchlicher Historiographie no-tiert, stellte den Abschluß eines beinahe 200

Jahre währenden Ringens der Habsburgerdar, ihre Herrschaft in Österreich zu verwur-zelrt, zu mehren und zu behaupten. Der 1485heiliggesprochene Babenberger repräsentierteim Kleid mittelalterlicher Fürsten oder an-tiker Götter den Aufstieg der Habsburget z..rnRömischen König- und Kaisertum. Durch undmit ihm behaupteten sie ihren Zusammen-hang mit den staufischen Kaisern, den franzö-sischen Königen und den luxemburgischenHerrschern, als deren Nachkommen undErben sie sich jetzt betrachteten. Zusammenmit der Dynastie stieg der heilige ,,Blutsver-wandte" vom frommen Markgrafen über denheiligen Herzog und Erzherzog

^)rn heiligen

König, zum ,,Rex perpetuus Austriae" auf,indem er identisch mit dem jeweiligen Landes-fürsten in ihm und durch ihn regierte. Solchesbehaupteten immerhin die barocken Prediger,wenn sie am 15. November in der zweitenHälfte des 17. Jahrhunderts vor Kaiser Leo-pold I. in Klosterneuburg ihre Lobrede hielten.Um diese Vorstellungen vom heiligen Königverständlich zu machen, müssen zuerst diegermanischen Auffassungen von Königsheilund Königsheiligkeit behandelt und ihre Über-höhungen, die sie im christlichen Mittelaltererfahren haben, skizziert werden.

Unter Karl dem Großen (768-814) wurdedie Idee des ,,Rex Dei gratia", das Gottesgna-dentum der Könige, ausgeprägt. Germanischeund antike Traditionen von Königsheil undKönigsheiligkeit wurden im Licht des Chri-

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stentums neu interpretiert. Das Charisma, dasder germanische König - so die verschie-denen Mythen - in sich trug, offenbarte sichin seinem Schlachtenglück: es wurde in derKönigswahl anerkannt und bestätigt, es über-trug sich auf die königliche Sippe und vererbtesich in ihr. Es bewirkte Fruchtbarkeit fürStämme und Völkerschaften, es brachte ihnenSegen und Heil, es bannte Unglück und Dä-monie. Der germanische Held, der in derSchlacht fiel, lebte bei und mit den Göttern.Seinen glücklichen Zustand erwies er Sippen,Stämmen und Völkerschaften durch seinenSchutz und seine Hilfe. Solche vorchristlichenVorstellungen von Königsheil und Königshei-Iigkeit wurden seit der Christianisierung derGermanen, die zwischen 300 und 1000 n. Chr.erfolgte, vertieft; sie wurde mit dem Begriffdes christlichen Heiligen verbunden.

Der christliche Heilige, der Märtyrer oderBekenner, bezeugte seine Gottesnähe in derabsoluten Hingabe seines Lebens, in dem ihmgewaltsam zugefügten Tod oder durch einLeben in Askese und Streben nach Tugend.Sein himmlisches Dasein erwies der Heilige inseiner Hilfe für die auf Erden noch Lebendenals Wundertäter, Schutzpatron und Nothelfer.Schließlich formten am christlichen Begriffdes heiligen Königs auch antike Traditionender Herrschervergottung, die vom byzantini-schen Kaisertum im 10. Jahrhundert über-nommen worden waren. So sehen wir in einerDarstellung aus dem 10. Jahrhundert KaiserOtto II. (973-gB3) in Typus und Ikonographieidentisch mit Christus als Pantokrator. Dievon Sagen und Legenden umwobene GestaltKarls des Großen wurde sehr bald als Heiligerverehrt. Seine Herrscherkraft und seinSchlachtenglück veranlaßten nachfolgendeKönigsgeschlechter Deutschlands und Frank-reichs, ihre Stammbäume auf Karl denGroßen zurückzufihren und sich ihrer Ver-wandtschaft mit ihm zu nihmen. Die beidenStaufenkaiser Konrad III. (1138-1152) und

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Friedrich I. Barbarossa (1152- 1190) erreichtenschließlich für Kaiser Heinrich II. (1002- 1024)

und KarI den Großen die päpstliche Kanonisa-tion. Der Erzbischof von Köln und KanzlerFriedrich Barbarossas, Reinald von Dassel,hatte die vom Gegenpapst Paschaiis III. vorge-nommene Heiligsprechung Karls des Großeneingeleitet. Reinaldvon Dassel brachte die ReIi-quien der sogenannten Heiligen Drei Königenach Köln, die seither dortverehrtwerden. Poli-tisch gesehen, standen die Deutschen Königeund Römischen Kaiser in der Spannung zu denPäpsten, die ihrerseits ihre Heiligkeit vom hei-Iigen Petrus und von den heiligen Päpsten ablei-teten. Mit dem heiligen König stellten Königeund Kaiser ihre Unabhängigkeit von derpäpstlichen Macht dar. Die heiligen Königeschmückten deshalb Glasfenster von Königska-thedralen, Reliquienschreine und Reliquiare.Kaiser Friedrich II. (121.2-1250) nahm am1. Mai 1236 an der Erhebung der Gebeine derheiligen Elisabeth, der Landgräfin von Thü-ringen, teil, um trotz seiner Konflikte mit denPäpsten seine königliche Verwandtschaft mitder Heiligen öffentlich dazustellen.

Der christliche Begriff vom Landes- bzw.Schutzpatron - auch im germanischen undantiken Mythos präfiguriert - ist historischseit dem 11. Jahrhundert nachweisbar. DerSchutzheilige nahm den ihm Geweihten anKindes Statt an, er adoptierte ihn mit seinemSchutzmantel, er lenkte und leitete ihn. DerKönig, der die Großen seines Landes mit derFahne belehnte, betrachtete sich selbst als,,signifer", als Träger der Fahnenlanze Christi,oder als,,vicarius" des jeweiligen heiligen Lan-despatrons. Wir finden solche Machtauffas-sungen in Deutschland, in F rankreich und Ka-stilien. In der dichtesten Verbindung von ger-manischem Mythos und christlicher Spiritu-alität war die Gestalt des Landespatrons inNorwegen ausgeformt. König Magnus Er-lingsson weihte 1176 sein Reich dem heiligenOlaf, dem ersten König und Märtyrer Norwe-

gens. Magnus Erlingsson selbst verstand sichals vicarius des heiligen Olaf, ohne dessen Re-liquien keine norwegische Königswahl mehrstattfinden konnte. Erst in Anwesenheit derdas Charisma ausstrahlenden Gebeine des

,,Rex perpetuus Norwegiae" wurde sein Nach-folger gewählt. Seit dem 12. Jahrhundert be-trachtete sich auch der französische König alsFahnenträger des heiligen Dionysius (S.

Denis), der König von Kastilien fühlte sich alssignifer des heiligen Jacobus von Santiago deCompostella. Eine Handschrift des 12. Jahr-hunderts zeigt auch den kreuzfahrendenKaiser Friedrich I. Barbarossa als ,,signifer in-victus coelorum regis amicus", als F ahnen-träger und Freund des unbesiegbaren Him-melskönigs, was den Rangunterschied zwi-schen dem Kaiser und den europäischen Kö-nigen sehr eindringlich verdeutlicht.

Während des 13. Jahrhunderts, als das Stau-fenkaisertum erlosch, wurde Ludwig IX. diemaßgebende Gestalt der Könige von Frank-reich. Jetzt behaupteten sie ihre Verwandt-schaft mit Karl dem Großen. Als Erben undTräger seines Königscharismas setzten sie dieKanonisation Ludwigs IX. 1297 in Rom durch.

Mit Rudolf I. hatten die Habsburger 1273 diedeutsche Königswürde erreicht. Die Wahl zumKönig bedeutete auch die öffentliche Anerken-nung des Königscharismas. Die Feudalisie-rung des Königtums, wie sie für das Hochmit-telalter spezifisch ist, war jetzt im anbre-chenden Spätmittelalter nicht durchzusetzen.In den kommenden Zeiten des Hausmachtkö-nigtums rivalisierten verschiedene Dynastienum die Deutsche Königs- und um die Römi-sche Kaiserwürde. Noch vor seinem Sieg überAdolf von Nassau in der Reiterschlacht beiGöllheim (12.7.1298) behauptete die GattinKönig Albrechts L, Elisabeth von Görz, ihreAbstammung vom Babenberger MarkgrafenLeopold III.

Diese Verwandtschaft, von den Historikernzuerst als ideologische Konstruktion der

frühen Habsburger vermutet, um die Herr-schaftskontinuität im babenbergischen Erbeherzustellen, hat sich inzwischen als eine tat-sächliche Ansippung in der weiblichen Linieerwiesen. Die Habsburger, die den Schwer-punkt ihrer Hausmacht von den SchweizerTerritorien in die babenbergischen Herzog-tümer verlegten, reflektierten auch auf das ba-benbergische Königscharisma, um sich poli-tisch zu legitimieren und leichter durchzu-setzen. Mit Leopold IIL, der die KaisertochterAgnes (1106) geheiratet hatte, war auch das sa-lische Königsheil in die Dynastie übertragenworden. Leopold III. selbst wurde als Königs-kandidat (1125) aufgestellt; rr^¡ar er aus KIug-heit oder aus Demut vor der Wahl zurückge-treten? Jedenfalls erfolgte unter seinenSöhnen der Aufstieg der Babenberger zu Her-zoge:n, der Aufstieg der Mark Ostarrîchi zumHerzogtum Austria (1147, 1156).

Mit der Fixierung der habsburgischen Kö-nigsmacht unter Albrecht I. sind auch Ten-denzen der Dynastie festzustellen, ihren Ur-sprung auf stadtrömische Geschlechter, vor-nehmlich auf die Colonna, zurückzuführen.Obwohl die Habsburger in der ersten HäIftedes 14. Jahrhunderts die Königswüde an Wit-telsbacher und Luxemburger verloren,pflegten sie ihr Bewußtsein von der Auserwäh-lung der Dynastie und ihre Abstammung vonrömischen Gottheiten. Damit nahmen sie At-tribute Friedrich Barbarossas für sich in An-spruch, dessen Historiograph, Kaplan undNotar Gottfried von Viterbo, bereits irn 12.Jahrhundert allen Ernstes behauptet hatte,Barbarossa würde von Jupiter und Saturn ab-stammen. Eine Herkunft übrigens, auf dieauch der Luxemburger KarI IV. (1346-1376)Wert legte. Karl IV., in Frankreich erzogenund ausgebildet, hatte nach dem Sieg überLudwig den Bayern Q3a6/a7) den KuIt KaiserKarls des Großen in Prag installiert, seine ge-

nealogischen Beziehungen zu den Staufernhergestellt, die Verehrung seiner böhmischen

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Ahnen, des heiligen Wenzel und der heiligenLudmilla, gepflegt. Er hatte die Reliquien desBurgunderkönigs Sigismund nach Pragbringen und in den großen Fresken des Lu-xemburgerstammbaums auf Karlstein auchseine Abkunft von den Trojanern verewigenIassen. Während sich Karl IV. so in seinen ge-

nealogischen Apotheosen sonnte, wallfahrteteder habsburgische Herzog Albrecht II. derLahme (1330-1358) mit seiner französischenGattin Johanna von Pfirt 1337 zu den ReIi-quien Karls des Großen nach Aachen und zujenen der Heiligen Drei Könige nach Köln.Der an Armen und Beinen gelähmte Herzog,der 1330 auf habsburgische Königsansprücheverzichtet hatte, flehte nun an heiliger Stättezusammen mit seiner Gattin um Nach-kommen. Nach der Geburt seines erstenSohnes Rudolf IV. (1339) wallfahrtete Her-zogin Johanna meist am 15. November alleinoder zusammen mit Albrecht II. zum Grab desfrommen Markgrafen nach Klosterneuburg.Seit 1320 waren nämlich hier große Wundergeschehen und im Stift aufgezeichnet worden.AIs Herzogin Johanna am 15. November 1351,

vermutlich an einer Frühgeburt, verstarb,hatte sie eine stattliche Nachkommenschafthinterlassen. Sie hatte vier Söhnen und zweiTöchtern das Leben geschenkt. Unter diesenAspekten ist es durchaus denkbar, daß HerzogAlbrecht II. bereits 1355 die Heiligsprechungdes frommen Markgrafen Leopold III. hatteeinleiten wollen. Noch zu Lebzeiten desIahmen Herzogs entstand ein lateinischerHymnus, worin dem Schöpfer der WeIt dieBitte um die Heiligsprechung Leopold IIL vor-getragen wurde.

Unter diesen Voraussetzungen ist es nichtzu verwundern, daß Rudolf IV., der nach der\Ä/'allfahrt seiner Eltern zu den heiligen Kö-nigen geboren wurde und mit der TochterKarls IV., Katharina von Luxemburg, verhei-ratet war, die königlichen ;Ansprüche der Dy-nastie im Privilegium Maius formulierte. In

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dieser FäIschung der Österreichischen Frei-heitsbriefe von 1358 sollte der königliche Rangvon Dynastie und Land nachgewiesen werden.Der Herzog forderte von Karl IV. für sich undfür seine Familie Erzherzogstitel und Erzher-zogshut, Herrschaftszeichen, die jene der Kur-fürsten überragten. Rudolf IV. selbst maßtesich königliche Kleider und Insignien an, ersetzte auf den Herzogshut eine antikisierendeStrahlenkrone und versah sie mit einemBügel, der mit dem Kronenbügel Karls IV.übereinstimmte. Im Privilegium Maius,dessen Entstehung von der Goldenen BulleKarls IV. (1356) provoziert worden war, istauch der bezeichnende Satz zu finden, der dieBeziehung Österreichs mit dem Heiligen Rö-mischen Reich ausdrücktei ,, . . . erga terramAustrie quae clippeus et cor Sacro Romani im-perii" - Österreich ist der Schild und dasHerz des Heiligen Römischen Reiches.

Die Gründung der Wiener Universität, dieGrundsteinlegung für den Neubau der WienerStephanskirche mit einem Westwerk, das Kö-nigskirchen und Kathedralen kennzeichnete,die Versuche, den Heiltumsschatz des Hausesösterreich zu vergrößern und in St. Stephanzu konzentrieren, sowie die Bemühungen, inWien ein Bistum zu gründen, sind Anstren-gungen, die im engen Zusammenhang mit denAbsichten stehen, einen habsburgischen Ge-blütsheiligen zum österreichischen Landespa-tron zu erheben.

Die Babenberger hatten mit der Übertra-gung der Reliquien des heiligen Koloman inihre Burg MeIk (um 1014) einen heiligen Mär-tyrer zum Landespatron erwählt. Der irischePilger, der Sage nach ein Königssohn, \ /ar1012 während seiner Wallfahrt ins HeiligeLand bei Stockerau irrtümlich als Spion ge-fangen, gemartert und getötet worden. Manhatte ihn entweder auf einem Holunderbaumerhängt oder erschlagen. Jedenfalls ließ Ru-dolf IV. jenen Stein, der mit dem Blut des hei-Iigen Koloman bespritzt worden war, nach

Wien bringen und in das rechte Seitentor vonSt. Stephan (heutiges Bischofstor) einmauern.Schon 1245 hatte man beim Versuch, öster-reich zum Königreich zu erheben, die ReIi-quien des heiligen Koloman von Melk nach\Ã/ien übertragen wollen.

Die Wirren von abendländischem Schismaund ,,Zweyung der Päbste" sowie die innerenKonflikte der habsburgischen Brüder, die inErbteilung ausarteten, minderten keineswegsdas Selbstbewußtsein der Dynastie. LeopoldSteinreuther, Augustinereremit und Hofka-plan Albrechts III., dichtete nach der Grün-dung der Wiener Theologischen tr'akultät um13Bb ein emphatisches Lobgedicht auf Wien.Darin wurde der Herzog, der sich sehr gerndie Abwandlung des französischen Königsti-tels ,,Rex christianissimus" auf ,,Dux christia-nissimus" gefallen ließ, mit Theodosius demGroßen, mit Konstantin dem Großen und mitKönig David verglichen. Leopold Steinreutherversetzte Albrecht III. schon zu Lebzeiten indie Glorie der allerheiligsten Dreifaltigkeit.SchließIich vermochte Kaiser Friedrich III.nach seiner Krönung zum Römischen Kaiser(1452) die Pläne Rudolfs IV. des Stifters ztrver-wirklichen. Er bestätigte das PrivilegiumMaius als Haus- und Staatsgesetz, er erreichtein Rom die Kanonisation des frommen Baben-bergers und die Gründung des Bistums Wien.

Kaum ein Jahrzehnt nach dem Tod Ru-dolfs IV. war die Vita des heiligen Leopold ab-geschlossen. Die spärliche Nachricht Ottosvon Freising, sein Vater sei ein ,,vir christia-nissimus ac clericorum et pauperum pater",ein sehr christlicher Mann und Vater desKlerus und der Armen gewesen, der durchseinen politischen Positionswechsel im KampfKaiser Heinrichs V. gegen seinen Vater Hein-rich IV. die Königstochter Agnes zur Frau be-kommen hatte, wurde mit nachträglichen Er-eignissen kombiniert. So mit einer Stelle ausdem Brief Papst Inrtozenz'II. an MarkgräfinAgnes, in dem der verstorbene Markgraf

,,Sohn des heiligen Petrus" genannt wurde.Das bedeutete die Adoption Leopolds IILdurch den ersten Papst und erhöhte seine ei-gene Heiligkeit. trs gehörte auch zum Typusdes mittelalterlichen heiligen Königs, daß ersich dem Papst unterordnete, die Kirche för-derte, Klöster gründete, ein tugendhaftesLeben führte, Schlachtenglück hatte undWunder wirkte. Tatsächlich gehen die Stif-tungen von Klosterneuburg, Heiligenkreuzund Kleinmaúazell sowie die Erweiterung desBenediktinerklosters Melk auf Leopold III. zu-rück. Schließlich wurden die seit 1320 in Klo-sterneuburg aufgezeichneten Wunder Leo-polds III. und nachträgliche Legenden, wiejene Gründungsgeschichte von Klosterneu-burg mit dem verlorenen Schleier der Mark-gräfin Agnes, der auf einer Holunderstaudegefunden wurde, in die Vita aufgenommen.

Hatte die Kanonisation Leopolds III. vom 6.

Jänner 1485 den österreichischen Ländern tat-sächlich Frieden gebracht und sie vor feindli-chen trinfäIlen bewahrt? Im Konflikt mit denStänden Böhmens und Ungarns hatte KaiserFriedrich III. in diesen beiden KönigreichenNationalkönigen die Herrschaft überlassenund sich mit ihnen arrangieren müssen. 1485hielt der ungarische Nationalkönig MatthiasCorvinus, der auch die Heiligsprechung Leo-polds III. befürwortet hatte, als wäre dieserein ungarischer König gewesen, einen Teil derSteiermark und Österreichs besetzt, er hieltHof in der Burg zu \Ã/'ien. Aber wandte sich dasSchicksal Österreichs nicht doch zum Bes-seren? Noch ztJ Lebzeiten F riedrichs III.konnte Maximilian L nach dem Tod des Corvi-ners die von den Ungarn besetzten TeileÖsterreichs und der Steiermark 7490 ganzIeicht zurückerobern und in Wien wieder seineResidenz aufschlagen. Es gelang ihm auch,den Ausverkauf Tirols durch seinen Onkel Si-gismund den Münzreichen zu stoppen und diebis dahin geteilten trrblande wieder in seinerHand zu vereinigen. Seine Behauptung in

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Burgund und im Imperium Romanum sowiedie Bewahrung der Erblande erfüllte Maximi-lian I. mit einem großen SeIbst- und Sendungs-bewußtsein. Deshalb ließ er den Aufstieg desHauses Österreich vielfach versinnbildlichenund darstellen. Maximilian L betrachtete sichals den Erben antiker und mittelalterlicherHerrscherdynastien. In ihm - so glaubte er -konzentrierte sich das heilige BIut und dasCharisma sämtlicher Königs- und Herrscher-familien, aller einst Vornehmen und vielerHeiligen. Es entstanden Stammbäume, derenZweige biblische Könige, antike Helden, ger-manische Herrscher, Römische Kaiser nebenHabsburgern und Habsburgerinnen und derenHaus-, Schutz- und Landesheiligen trugen.Unter ihnen ist auch der heilige Markgraf Leo-pold III. zu finden. Noch zu Lebzeiten KaiserFriedrichs III. forschten habsburgische Haus-historiker nach den Ahnen des Geschlechtes.In Klosterneuburg konzipierte Ladislaus Sunt-haym die Geschichte der Babenberger, die aufacht große Pergamentblätter geschrieben undilluminiert wurde. Nach diesem Text entstandl4B9-92 der berühmte Babenbergerstamm-baum.

Die Wirren und Unruhen der Zeit hatten die,,translatio" der Gebeine Leopolds III. nachseiner Kanonisation verhindert. trrst am 15.

Februar 1506 konnten die Reliquien aus ihremGrab in der alten Klosterneuburger Nikolaus-kapelle genommen und in den Silbersarg, denMaximilian I. schon 1495 beauftragt hatte, ge-

legt werden. Bei dieser Zeremonie der Erhe-bung der Gebeine war Maximilian I. anwe-send. Er war in der Tracht eines Österreichi-schen Erzherzogs mit dem ,,Etzherzogshuetel"auf dem Kopf erschienen, in der Hand hielt erein rot-weiß-rotes Windlicht.

Vielfach zeigen Stammbäume, Triumph-zige, Triumph- und Ehrenpforten, Holz-schnitte und Miniaturen Maximilians den hei-ligen Leopold zusammen mi.t anderen HeiligenÖsterreichs in der ,,Sipp-, Mag- und Schwäger-

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schaft" des Kaisers. Jakob Kölderer hatte dasBronzestandbild Leopolds III. für den großenTrauerzug, der das Maximiliangrab in Inns-bruck umgeben sollte, gegossen. Der Heiligesteht in der illustren Gesellschaft vonChlodwig und Theoderich, von König Artusund KarI dem Großen.

Der Tod des Kaisers Maximilian I. bedeu-tete für die Kultgeschichte des heiligen Leo-pold auch eine Zäsur. Die Übertragung derösterreichischen Erblande an Erzlterzog Fer-dinand, den späteren König und Kaiser Ferdi-nand I. (1521122-1564), der Einbruch der Re-formation und die Auseinandersetzung mitden Türken drängte die habsburgische Leo-poldverehrung ganz in den Hintergrund. DerSilbersarkophag des Heiligen wude 1529 fürKriegszwecke eingeschmolzen. Erst 1549 ließKönig Ferdinand L einen neuen Silbersarg an-fertigen, der 1554 aus der Werkstatt des Gold-schmiedes kam. Die Ikonographie auf diesemReliquiensarg war streng religiös konzipiert.Man sah Christus als Weltheiland, an denbeiden Längsseiten die zwölf Apostel und ander Stirnseite die Madonna und den heiligenLeopold in Silber getrieben.

Die Belebung der Leopoldverehrung in derhabsburgischen Dynastie dürfte auf den Ein-fluß der Jesuiten zurückzuführen sein. KönigFerdinand I. ersuchte 1551 Ignatius vonLoyola, er möge ihm die Dispens zum Bau vonzwei Leopoldskirchen, einer in WeIs und einerin Innsbruck, die Kaiser Maximilian testa-mentarisch verfügt hatte, erwirken, denn dieunruhigen Zeiten würden solche geistlichenStiftungen nicht ermöglichen. Erst nach demTod von Maximilian II. (1564-1578), jenesHabsburgers, dessen Religiosität sich aufeinem Terrain zwischen Katholizismus undProtestantismus bewegte, wurde in der begin-nenden Gegenreformation die Leopoldvereh-rung in der Habsburgerfamilie neu gepflegt.Erzllerzog Karl II., der Regent von Inneröster-reich, und seine Gattin Maria von Bavern

wählten den heiligen Leopold zum Namenspa-tron für ihren zweitgeborenen Sohn. Die Erz-herzogin ließ die Vita des Heiligen, die derKlosterneuburger Stiftspropst Balthasar Polz-mann um 1590 neu gefaßte hatte, in einer ver-kürzten Ausgabe für ihre Kinder ins Deutscheübersetzen. Polzmann orientierte seine Vitaan den traditionellen Elementen von kaiserli-chem Geschlecht, Schlachtensieg, Papsttreue,Tugendkatalog, Auswirkung und Vererbungder Heilkraft auf Dynastie und Land. Er nahmin sie die Wunder und Legenden auf. Polz-mann verglich den heiligen Leopold mit Kon-stantin dem Großen und übertrug auf ihn denEhrentitel des römischen Kaisers Augustus,,Pater Patriae", ,,Vater des Vaterlandes".

Der Wiener Bischof Johann CasparNeube(ö)ck (1574-1594) nahm die traditio-nellen Wallfahrten am 15. November nach Klo-sterneuburg wieder auf. In seinen Predigtenstellte Neube(ö)ck den heiligen Babenbergerals Gegentyp zurn Protestanten dar. EinenBand mit sechs Leopoldspredigten widmeteder Bischof Erzherzog trrnst von Österreich,einen zweiten Erzherzogin Maria von Innerö-sterreich. F-rzl:.erzog Ernst regierte für seinenBruder Rudolf II. als österreichischer Statt-halter in W'ien. In der Widmung von BischofNeube(ö)ck an den Erzherzog ist die Identitätdes Landespatrons mit dem Landesfürstenwiederhergestellt und hervorgehoben, in derPredigt selbst die Gestalt des heiligen Landes-fürsten theologisch vertieft. Der Heilige warein heiliger König oder ein heiliger Fürst, weiler zusammen mit Christus im ewigen König-reich herrschte.

Als großer Reliquiensammler erbat Erz-herzog Ernst mehrmals in Klosterneuburg Re-liquien des heiligen Leopold. Er schenktesolche auch seiner Schwester Elisabeth, derKöniginwitwe Karls IX. von tr'rankreich, diesich in das Königinnenkloster nahe derWiener Burg zurückgezogen hatte. KöniginElisabeth ließ auch ein besonderes Reliquiar

für die Gebeine des heiligen Leopold anfer-tigen. Die Mitte eines Stammbaumes habsbur-gischer Heiligen wird von der Reliquienkapselgebildet.

Auch die anderen Geschwister Kaiser Ru-dolfs II., Elzl::rzog Mathias und ErzherzogMaximilian III., verehrten den heiligen Lan-despatron. ErzL'erzog Maximilian IIL, Hoch-und Deutschmeister des Deutschen Ritteror-dens, wurde nach seiner Niederlage im Kampfum die polnische Thronfolge Gubernator in In-nerösterreich von 1593 bis 1595. Nach dem Todseines Onkels Karl II. hatte er eine Art vonVaterstelle an dem jungen Erzlterzog Ferdi-nand, dem späteren Kaiser Ferdinand II., zuversehen. Damals dürfte er in Graz in denBannkreis der innerösterreichischen Leopold-verehrung gezogen worden sein. Maximi-lian III. machte 1600 einen Besuch in Kloster-neuburg, bevor er von 1600 bis 1618 Regentvon Tirol wurde. In diesen Jahren erreichtedie Krankheit Kaiser Rudolfs II. ein solchesStadium, daß der Papst, der Kölner Nuntiusund der König von Spanien die Absetzung desKaisers durch die Kurfürsten befürchteten.Die Zeit des protestantischen Kaisertums, dasdie evangelischen Fürsten seit 1530 an-strebten, schien angebrochen. Sächsische undpfälzische Dynastien konnten bei einer Neu-wahl geeignete Persönlichkeiten präsentieren.Vor dieser Szenerie im Reich kam es zum Aus-bruch des Bruderzwistes in Habsburg. KaiserRudolf IL verlor zuerst seine Stellung als Fa-milienoberhaupt, dann die Krone Ungarns. Erwurde schließlich von seinem Bruder Matthiasin Prag besiegt und zur Abdankung ge-zwungen. Der Wiener Bischof Melchior Khlesl(1598-1630), Geheimer Rat und Berater desErzherzogs Matthias, half mit seiner Diplo-matie des Ausgleichs die Römische Königs-und Kaiserkrone für die habsburgische Dyna-stie zu sichern. Nachdem Erzherzog Maximi-Iian III., auch in der Diskussion für die Römi-sche Königs- und Kaiserkrone stehend, zu-

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rückgetreten war, konnte Erzlrcrzog Matthias1612 zurn Römischen König gewählt werden'Vermutlich hatte sich damals, um 1613, Maxi-milian III. entschlossen, einen sakralen öster-reichischen Erzherzogshut - Corona seu Dia-dema - zu stiften und ihn in Klosterneuburgbewahren zu lassen. Der Österreichische Erz-herzogshut sollte vornehmlich bei der Öster-reichischen Erbhuldigung verwendet werden'Der seit dem Mittelalter übliche Huldigungs-akt, bei dem zuerst der Landesfürst denStänden Freiheiten und Privilegien bestätigteund den Schutz des Landes gelobte, wonachsich die Stände in Treue und Gehorsam an ihnbanden, dürfte um 15?7 zeremoniell neu fest-gelegt worden sein. Die Niederösterreichi-schen Stände ersuchten nämlich damalsKaiser Maximilian II., bei der Erbhuldigungfür Rudolf II. zusammen mit den Herrschafts-zeichen des Landes den Österreichischen Erz-herzogshut vorantragen zu lassen. Dieses Be-

gehren scheint ihren Wunsch ausgedrückt zu

haben, analog zu den heiligen Kronen Böh-mens und Ungarns ein österreichisches Herr-schaftszeichen zu besitzen, das die Zeitlosig-keit der Herrschaft im Wechsel der Genera-tionen darstellte und im Symbol das Land re-präsentierte. Solche Vorstellungen, die manauch in England und Frankreich überlieferte,dürften die Stiftung des Österreichischen Etz-herzogshutes während der Krise der Dynastiein Hausbesitz und Reich mitbewirkt haben'Wahrscheinlich ließ Maximilian III. nach demMuster des Tiroler Erzherzogshutes - einerGebrauchs- oder Funeralkrone der TirolerLandesfürsten des 16. Jahrhunderts, die im\Mallfahrtsort Mariastein sakral bewahrtwurde - den Österreichischen Erzherzogshutvon einem uns unbekannten Goldschmied an-

fertigen. Am 15. November 1616 wurde wäh-rend einer feierlichen kirchlichen Zeremonieder Erzherzogshut,,Corona seu Diadema" demPropst des Stiftes Klosterneuburg übergeben.Erzherzog Maximilian verfügte, daß der Öster-

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reichische Erzherzogshut, sofern der Landes-fürst es wolle, ausschließlich für seine Beleh-nung durch den Römischen König und Kaiserund für die österreichische Erbhuldigunglängstens 30 Tage aus Klosterneuburg wegge-bracht werden durfte. Der Stiftungsbrief des

Erzherzogs wurde vom Kaiser, vom Papstsowie vom Propst des Stiftes Klosterneuburg,Andreas Mosmüller (Mosmyller), bestätigt. In-teressanterweise hatte Papst Paul V. in seinerConfirmatio auch festgehalten, daß der öster-reichische Landesfürst den Erzherzogshutnicht nur bei Regalienverleihung und Erbhul-digung aus dem Stift wegbringen lassen dürfe,er dürfte ihn auch dann entfernen, wenn erihn selbst in Anwesenheit des Römischen Kai-sers tragen wollte. Der sakrale Charakterdieses Herrschaftszeichens steht außer Dis-kussion. Maximilian III. hatte nicht nur denErzherzogshut, sondern auch eine Reliquien-büste mit den Z:.jgen des heiligen Babenber-gers gestiftet, in die die Schädelreliquie Leo-polds III. eingefügt werden konnte. Vor derfeierlichen Übergabe des Erzherzogshuteshatte Maximilian III. die Schädelreliquie ge-

küßt und sie mit dem Hut gekrönt. Die Über-tragung der Heilkräfte von der Reliquie aufdie Krone war damit vollzogen. Die Übertra-gung des an der Krone haftenden Charismasauf den Landesfürsten erfolgte dann, wenn erbei der Regalienverleihung zum erstenmalden Erzherzogshut aufsetzte.,¿i.frnlictr demSchmuck der W'enzelskrone ziert den österrei-chischen Erzherzogshut am Zusammenstoßder beiden Kronenbügel ein Saphir, auf demdas goldene Kreuz angebracht ist. Die Bezie-hung zum Saphir der Rudolfinischen Reichs-krone, der den Stein der Weisen symbolisiert,ist kaum zu übersehen, ebenso wie das zeit-Iiche Zusammenfallen der Stiftung mit bri-santen Ereignissen im Reich.

Der zlJrn Kardinal aufgestiegene ,,Yize-kaiser" Melchior Khlesl wollte 1616 die Nach-folgefrage im Reich, die sich mit der Kinderlo-

sigkeit von Kaiser Matthias stellte, nur sehrzögernd lösen. Maximilian III. war damalsauch wieder bereit, zugunsten eines F amilien-mitgliedes, seines Neffen F-rzllerzog Ferdi-nand von Innerösterreich, auf die eigene Kan-didatur bei der Römischen Königs- und Kai-serwahl zu verzichten. Dagegen wollte Khlesldie WahI des von den Jesuiten erzogenen, zu-tiefst katholischen Erzherzogs hinauszögern.Maximilian III. war über das VerhaltenKhlesls mehr als erbittert und erzürnt. Erplante, eine Theologenkommission zusam-mentreten und beraten zu lassen, als er seineStiftung in Klosterneuburg übergab. DieseTheologenkommission sollte entscheiden, obes moralisch vertretbar wäre, Khlesl hinzu-richten oder durch Mord zu beseitigen. DieWiedergewinnung der Römischen Kaiser-krone durch die Habsburger war mehr als inFrage gestellt. Bei der GefangennahmeKhlesls im Jahr 1ô18 spielte dann auch Maxi-milian III. eine Hauptrolle. Er verwahrteschließlich den Kardinal im Tiroler SchloßAmbras, bis er ihn an den Papst auslieferte.Die Nachfolge Ferdinands II. im Reich war ge-

sichert, obwohl die böhmische Rebellion aus-gebrochen und der protestantische Pfälzer,Friedrich V., für kurze Zeit zum König vonBöhmen gewählt worden war.

Von 1620 bis 1835 wurde der ÖsterreichischeErzherzogshut in einer feierlichen Kavalkade,die seinen mystischen Charakter öffentlichausdrückte, zur Erbhuldigung von Klosterneu-burg in die kaiserlichen Räume der WienerBurg gebracht und nach Anweisung seinesStifters auch wieder innerhalb eines Monatskorrekt zurückgestellt.

Die Chroniken von Klosterneuburg ver-zeichnen vereinzelte Besuche von habsburgi-schen Familienmitgliedern am Leopoldsfest,auch den von Kaiser Matthias und seiner Ge-mahlin Kaiserin Anna im Jahr 1613. DieQuellen schweigen über die BeziehungenKaiser Ferdinands II. (1619-1637) und Ferdi-

nands III. (1637-1657) zu dem alten Baben-bergerstift, wenngleich in dieser Zeit der hei-lige Landespatron mehr und mehr verehrtwurde. Sein Bild begann F assaden von Kir-chen, Altäre, lIäuser und Brunnen, Säulenund Kapellen vielerorts zu schmücken.

In erster Linie waren es die geistlichen Erz-herzoge des 17. Jahrhunderts, Maximilian IIL(gest. 1618) und Leopold Wilhelm (1615-1662)sowie Kaiser LeopoldI. (1658-1705), die dieEntfaltung und Hochblüte der barocken Leo-poldverehrung hervorriefen. MaximilianIII.hatte mit dem sakralen Erzherzogshut die Bin-dung von Ständen und Dynastie in der Sphäredes Numinosen und Heiligen symbolisch aus-gedrückt und zu festigen gesucht. Der ,,Her-cules von Belgien", Erzlterzog Leopold Wil-helm, Bischof verschiedener Diözesen des Rei-ches und Hochmeister des Deutschen Ritteror-dens, regte die Verehrung seines Namenspa-trons in den Spanischen Niederlanden an, dieer von 1647 bis 1656 als Statthalter regierte.Kaiser Leopold I., der letztgeborene Sohn tr'er-dinands III., war für den geistlichen Stand be-stimmt und erzogen. Nach dem Tod seinesBruders Ferdinand IV. (1654) wurde er Thron-folger, um die Dynastie und ihre politischeFunktion in der damaligen Welt zu erhalten.Sprachenbegabt, vielseitig gebildet und außer-ordentlich musikalisch, war Leopold I. eingroßer Verehrer seines Namensheiligen.Dieser Kaiser versuchte mehr mit geistlichenWaffen, mit außerordentlicher Frömmigkeitund Religiosität, als mit militärisch-politi-schen Talenten die Probleme seiner Zeit zumeistern. Sie war fast zur Gänze von Kriegengegen Ost und West erfüIlt. Kriege gegen dieTürken, in die sich ungarische Aufstände ver-flochten. Seit dem Entsatz von Wien am 12.September 1683 waren die Türkenkriege ausDefensivkriegen in Angriffskriege verwandeltund von großen Siegen bekrönt. Die Konflikteim Westen, in denen sich das Ringen um dieNachfolge im spanischen Weltreich ankün-

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digte, waren kaum zu lösen. Als 1705 KaiserLeopold in Wien verstarb, hatte der SpanischeErbfolgekrieg begonnen (1701- 17 13l 14).

Kriege, Türkennot und Pest überzogen denHintergrund, vor dem sich die habsburgischeStaatsmystik im barocken Kult des heiligenLeopold, des Schützers vor den Häresien, desNothelfers in Krankheit und Zerstörung, Hun-gersnot und Tod ausbreitete. Seit dem 15. No-vember 1661 watlfahrtete Kaiser Leopold I.fast jährlich an seinem Namenstag nach KIo-sterneuburg. Am Nachmittag des Vigiltages,dem 14. November, feierte der Kaiser zu-sammen mit den Chorherren des Stiftes dieVesper, für die er selbst die Musik komponierthatte. Am eigentlichen Festtag nahm er anden meisten kirchlichen Feierlichkeiten, diedie Chorherren zu Ehren ihres Stifters ab-hielten, bis gegen 3 Uhr nachmittags teil. Derkaiserliche Besuch im Stift, in den erstenJahren noch mit der privaten Erholung Leo-polds I., mit Jagden und Schiffahrten ver-bunden, wurde in dem letzten Drittel des 17.

Jahrhunderts zu einer großen kirchlichen Ze-

remonie des Wiener Hofes, nachdem derKaiser 1663 seinen Namenspatron zum Patronaller österreichischen Länder erhoben hatte.An dieser ,,Staatswallfahrt" orientierte sich bisins späte 18. Jahrhundert die Gestaltung desLeopoldsfestes in Klosterneuburg in Liturgie,Predigt, künstlerischer Dekoration undBrauchtum. Sie wurde auch für den Umbauder Stiftskirche im frühen 18. Jahrhundertmaßgebend. Merkwürdigerweise verzeichnendie kaiserlichen Zerernonialprotokolle nichtden gesamten Verlauf dieser ,,österreichi-schen Staatswallfahrt". Wir können sie nuraus einer Klosterneuburger Chronik rekon-struieren. Ihr Verfasser hatte am Ende des 18.

Jahrhunderts die Details aus den Traditionenim Stift und aus Erzählungen älterer Mit-brüder zusammengefaßt. Der Klosterneu-burger Prälat,,,Diadematis austriaci custos",fuhr jährlich nach Allerseelen in die Wiener

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Burg, um Kaiser und Kaiserin zurn Leo-poldsfest einzuladen. Sobald festgelegt war, obder Kaiser allein oder zusammen mit seinerGemahlin die Wallfahrt nach Klosterneuburgunternehmen würde, erhielt der Küchenprä-fekt des Stiftes sämtliche Mengen von Natura-lien und Wein angegeben, die zur Bewirtungdes Hofes benötigt wurden. Da sich das kaiser-Iiche Kontrollamt sehr großzügig an den Vor-bereitungen z:urr, Leopoldsfest beteiligte,fuhren Wagen um Wagen mit Lebensmittelnund Wein, mit kaiserlichen Möbeln, Tapeten,Tapisserien und Damasten nach Klosterneu-burg. Nicht nur die Küche, sondern auch dieStiftskirche und die Kaiserzimmer sollten ent-sprechend für den Besuch des Kaisers vorbe-reitet sein. Vororte und Wiener Magistrat ver-anlaßten Zurichtung und Reparaturen derWege und Straßen vom Schottentor über dieLinie bis nach Klosterneuburg. Man repa-rierte, man putzte, man erneuerte die Vergla-sungen in Zimrnern, Kirche und Oratorium,man heizte tagelang die Kaiserzimmer vor.

Die Kirche war zum Fest besonders ge-

schmückt: Auf dem Hochaltar konnte manzwischen großen Silberleuchtern und einemSilberkreuz a.uf einer dreistufigen PyramideReliquien verehren. Unter dem Tabernakelstand die Silberbüste des heiligen Leopold, dieErzherzog Maximilian III. 1616 gestiftet hatte.Dieses Reliquiar krönte der ÖsterreichischeErzherzogsltut. Zu beiden Seiten des Hochal-tares, wie auch an allen Toren der Kirche,hielten kaiserliche Soldaten Wache. In derMitte des Chores, zwischen den Chorstallen,stand der Reisealtar des heiligen Leopold, indessen Vitrine der angebliche und sagenum-wobene Schleier der Markgräfin Agnes bisheute aufbewahrt ist. Am Kreuzungspunktvon Hauptschiff, Querschiff und Chor war aufdem sogenannten,,Frühaltar" der Silbersarko-phag des Heiligen ausgestellt. Er stand aufeiner mit rotem Damast bezogenen Stufe. Aufeiner zweiten Stufe lag die Schädelreliquie des

heiligen Leopold in der rotsamtenen, perlenbe-stickten Hülle, mit einem eigenen Erzher-zogshut bedeckt. Daneben waren Reliquienmit drei Dornen aus der Dornenkrone und einStück des Rohrstabes Christi zur Verehrungaufgestellt. Die Verbindung von Schädelreli-quie und Passionsreliquien ähnlich wie beimittelalterlichen Königskrönungen, versinn-bildlichte den Charakter des Heiligen, denman in Klosterneuburg verehrte. Man hul-digte dem heiligen König, dessen Bild auch ba-rocke Kuppelfresken im Kreis der heiligen Kö-nige Heinrich II., Ludwig IX., Wenzel, Kasimirund Ferdinand von Spanien zeigten.

Die Majestäten wurden am 14. Novembergegen 3 Uhr nachmittags zur Vesper erwartet.Kaiserliche W'achen umgaben Stift undKirche. Auf dem Platz vor dem Seitenportalder Stiftskirche standen im Karree um die go-tische Lichtsäule Stadtmagistrat, Bürgerwehrund kaiserliches Militär. Beim Seitenportalder Kirche wartete der KlosterneuburgerPrälat, begleitet von zwei Priestern, im be-rühmten Markgrafenornat. Sobald sich diekaiserlichen Kavalkade, mit der sechsspän-nigen Kutsche von Kaiser und Kaiserin in derMitte, bedeckt von Garden und begleitet vonTrompetern beim Stadttor formiert hatte, läu-teten sämtliche Glocken. Nachdem der Propstden Majestäten Weihwasser mit dem sil-bernen Aspergil gereicht hatte, zoge:n sieunter den Klängen der großen Orgel bis in dieMitte der Kirche. Nach kurzem Gebet vor denReliquien des Heiligen geleitete man sie in dasOratorium, von wo aus sie die Sicht auf denHochaltar mit seinen Königsgestalten und aufdas Reliquiar mit dem Österreichischen Erz-herzogshut hatten. Der Abt von Melk, Präsesdes Prälatenstandes, begann mit der Vesper,die die Hofsänger und die kaiserliche Musikaufführten. Diese drei Stunden dauerndeKomposition Kaiser Leopolds I. wurde auchunter KarI VI., der den öffentlichen Gottes-dienst besonders sorgfältig und feierlich ge-

stalten ließ, ungekürzt gesungen. Erst MariaTheresia, die die Verkürzung der kirchlichenZeremonien befahl, bestimmte, daß abwech-selnd entweder ein Psalm oder das Salve Re-gina in der Vertonung ihres Großvaters vorge-tragen wurden. Nach der Vesper zogen Kaiserund Kaiserin, bedeckt von Garden, in denFürstentrakt, der für ihren Besuch entspre-chend adaptiert worden war. Die PräIaten vonKlosterneuburg und Melk, später auch einigeKavaliere und Damen, speisten mit ihnen. DerArmstuhl des Kaisers war von einem Balda-chin überdeckt. Am 15. November begann um1/z B Uhr morgens vor der Tumba des heiligenLeopold das feierliche Hochamt mit Paukenund Trompeten. Kaiser und Kaiserin gingen,begleitet von Ministern, Hofstaat und Garden,in die Leopoldkapelle. Dort zelebrierte der kai-serliche Beichtvater eine Privatmesse, bei dersie die heilige Kommunion empfingen. Nachdem Frühstück in den Kaiserzimmern zogensie zum Oratorium der Stiftskirche. Der Hof-fourier kündigte mit seinem Stab den Beginnder Predigt an: Der Festprediger, vom Kloster-neuburger Prälaten empfohlen und vom kai-serlichen Beichtvater bestimmt, bestieg ge-genüber dem Kaiseroratorium die Kanzel. Indiesen Predigten - ein Teil von ihnen liegt biszum Ende des 18. Jahrhunderts gedruckt vor

- wurde das Lob des heiligen Leopold mitdem Lob des Hauses und des Landes öster-reich verbunden. Der Heilige wurde mit denVorzügen Österreichs und Österreich mit denVorzügen des Heiligen gepriesen. Die Predigtfür den heiligen Leopold war auch eine Pre-digt für Österreich. Auf sie folgte ein zweitesHochamt. Nach dem Evangelium wurdenEvangelienbuch und Schädelreliquie ins kai-serliche Oratorium gebracht und den Maje-stäten zum Kuß gereicht, daran schloß sich dieReliquienverehrung von Hofstaat und Volk.Vor der Mittagstafel überreichte nach alterTradition der Klosterneuburger Prälat demKaiserpaar und seiner Begleitung goldene und

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rsilberne Leopoldipfennige, die das Stift jähr-Iich zur Erinnerung an den heiligen Leopoldals ,,Pater Pauperum" prägen ließ. Sie warenam Morgen des 15. November geweiht worden.Jetzt verteilte man sie an das VoIk und warfsie beim großen Andrang in die zusammenge-laufene Menge. Zum Abschluß ihrer Wallfahrtnach Klosterneuburg nahmen die Majestätennoch an der nachmittägigen Vesper teil undnach einem kurzen Gebet vor der Tumba des

heiligen Leopold zogen sie, begleitet vom Klo-sterneuburger Propst, unter Orgel- und GIok-kenklängen aus dem Seitentor der Kirche.Wieder formierte sich die Kavalkade und manfuhr entweder im Wagen oder per Schiff nachWien zurück. Maria Theresia liebte es in ihrenjungen Jahren, zu Pferd über Hietzing nachSchönbrunn zu reiten.

Die Staatsmystik jener Leopoldpredigten,die in Anwesenheit von Leopold L, Joseph Lund Karl VI. in Klosterneuburg gehaltenwurden, waren von mittelalterlichen Tradi-tionen bestimmt und gesättigt. Der heiligeFürst und Landespatron wurde in barockerAdjustierung vorgestellt und mit biblischenPropheten und Königen, mit antiken Heroenund Göttern verglichen. Die historiographi-schen Grundlagen der barocken Vita warendie österreichischen Freiheitsbriefe (Privile-gium Maius) von 1358, die Kanonisationsaktevon 1465-1485, österreichische Chronikenund Historien von Thomas Ebendorfer undCuspinian sowie die Leopoldsbiographien derKlosterneuburger Pröpste Balthasar Polz-mann (1590) und Adam Scharrer (1670).

Die Symbole, mit denen Kanzelredner wieAbraham a Sancta Clara arbeiteten, stimmtenmit jenen überein, die barocke Maler für dieProgramme ihrer Deckenfresken entwarfen.Damit stellten sie die Apotheose des HausesÖsterreich in Stiegenhäusern und Biblio-theken, in Kaisersälen und Kuppeln vonStiften und Klöstern dar. Man findet solcheSymbole auch in den großen Ruhmes- und trh-

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renwerken des späten 17. Jahrhunderts, dieHistoriker und Genealogen für das Hausösterreich verfaßt hatten.

Die symbolische Darstellung will das Ei-gentliche, das Wesen des Objekts enthüIlen.Die barocken Künstler, Historiker und Pre-diger zeigten ihr Thema in der Übergangszonevom lrdischen ins Himmlische, wo es im göttli-chen Licht erstrahlt, das die einzig legitimeApotheose ermöglicht.

So entwarfen die barocken Festprediger dasösterreichische Firmament, den österreichi-schen Himmel, von dem der heilige Leopoldentweder als Sonne allein oder als zweiteSonne neben Christus strahlte. Er beleuchtetedas Land, er erwärmte es. Aber er flog auchals trngel über diesen Himmel, um die ,,miß-günstigen Cometen zum besseren Glück zumotiviren". Er wachte als Cherubim jederzeitvor dem,,österreichischen Paradeißgarten",und vertrieb ,,von denselben aIIe Feind undMißgönner Sieghafft . . .". Er wuchs als Baumdes Lebens im österreichischen Paradies, vondem alle Fruchtbarkeit ausging. AIs rot-weiß-rotes Herz schlug er im österreichischen Leibfür den gemeinen Wohlstand, als Beschützerschwebender Landrechte und als Pater Pa-triae arbeitend.

Sankt Leopold war der österreichischeSchild, der rot-weiß-rote Bindenschild und dasWappen Alt-österreichs mit den fünf goldenenAdlern (oder Lerchen) auf blauem Grund. Ersei nicht nur weiß in der Unschuld und rot inseiner Liebe zu Gott und zu den Menschen ge-

wesen. Er trug auch die Farben von Wasserund Blut, die aus der Herzwunde Christiflossen und mit denen Österreich ausge-zeichnet worden war. In den damals gängigenund üblichen Spielen mit Wappenelementenverglich man den heiligen Leopold mit der gol-

denen Lerche, die sich in ihrem Lob Gottesrasch zum Himmel erhob, oder mit dem Herz-schild, den der Reichsadler trug. ,,Österreichist der Schild und das Herz des Heiligen Römi-

schen Reiches", hatte Rudolf IV. im Privile-gium Maius schreiben lassen. ,,AAA - AustriaArmabit Aquilam", Österreich wird den römi-schen Adler wappnen und schützen, ,,AAA -Austria Angebit Aquilam", Österreich wird dieRömischen Kaiser vermehren, ,,AAA - Aus-tria Accepit Aureolos", Österreich wird könig-liche Kronen empfangen, das verkündete derDominikaner Thomas Bucellini 1698, zweiJahre vor dem Ausbruch des Spanischen Erb-folgekrieges vor Leopold I. in Klosterneuburg.

Der heilige Leopold wurde auch als wach-samer Beschützer aller Königreiche, als Schildund Szepter der Kronen gepriesen. Er war dieKraft des allzeit siegreichen Hauses öster-reich und er mehrte und erhielt seine Welt-macht. Ihm war es zu verdanken, daß öster-reich allen christlichen Ländern als ,,Rüsthausder Tugenden" und ,,Richtschnur der Herr-schenden" galt, nachdem er - wie die Dyna-stie und die Menschen in österreich - eingroßer Marienverehrer war.

Der heilige Leopold hatte dem Haus öster-reich seine Frömmigkeit und Heiligkeit, die,,Pietas Austriaca", vererbt, die in jedem Glieddes Hauses weiterlebte. Als heiliger Königwar er mit allen Königen und Kaisern desHauses Österreich identisch, von Rudolf I. bisLeopold L, der als ,,filius Sancti Leopoldi", alssein ,,wahrer Abriß" gepriesen und in Em-blemen auch dargestellt wurde. In Kaiser Leo-pold I. schlief er selig. Er sagte: ,,Ego dormio etcor meum vigilat", ich schlafe, aber mein Herzwacht (in ihm). Deshalb konnte die Sonne dieTaten Leopolds L ,,durch die Erfahrenheitselbstens vor Augen bringen".

Die Tugenden des Heiligen stimmten nichtnur mit jenen der Tugendkataloge von Mittel-alter und Barock überein, sie standen in derdirekten Beziehung zu den habsburgischenHerrschertugenden von pietas (Frömmigkeit),clementia (Milde) und iustitia (Gerechtigkeit).

Der heilige Leopold wurde auch mit demAEIOU, jener geheimnisvollen Chiffre, die

Kaiser Friedrich III. erfunden hatte, identifi-ziert. Denn er wäre der Garant, daß das Hausösterreich alle anderen Herrscherge-schlechter überleben und als letztes sterbenwürde: ,,Austria erit in orbe ultima". An derW'ende vom 17. zum 18. Jahrhundert, als diebarocke Illusion rationaler Wissenschaftlich-keit und der Moralität des phitosophischenJahrhunderts zu weichen begann, wurden dieTugenden des heiligen Leopold mit den Herr-schertugenden und Herrscherdevisen, vor-nehmlich Leopolds I. ,,consilio et industria",Josephs I. ,,amore et timore", und Karls VI.,,fortitudo et constantia", in Übereinstimmunggebracht. Man identifizierte ihn aber auchnoch mit jenen Heiligen, die in österreich be-sonders verehrt wurden und mit den heiligenKönigen Europas.

Als nach dem Tod Karls VI. der österreichi-sche Erbfolgekrieg in das Stadium getretenwar, daß der Kurfürst von Bayern, Karl AIb-recht, der für die Erbrechte seiner Gattinkämpfte, sich in Linz huldigen ließ, als Erz-herzog von österreich signierte, und als fran-zösische Truppen vor St. Pölten standen, flüch-tete sich Maria Theresia zusammen mit ihrerMutter, mit Ihrer Tante Wilhelmine Amalieund den Hofdamen nach Klosterneuburg(1741).

In Zeiten der schwersten Krise von Dyna-stie und Herrschaft suchte die junge Erbin desHabsburgerreiches Zuflucht und Schutz, Hilfeund Recht beim Patron und Heiligen ihresHauses. Nachdem sie das Erbe erhaltenkonnte, die Reichskronen für Franz Stephanvon Lothringen zurückgewonnen hatte unddas Land befriedet war, entschloß sich diejunge Herrscherin, die österreichische Monar-chie mit Reformen zu verändern. Die Kräftedes Jahrhunderts mußten genützt werden, umdas Habsburgerreich zum souveränen Staatauszuformen. Mit der,,HerausentwicklungÖsterreichs aus dem Heiligen RömischenReich" lockerte und löste sich auch die Bin-

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7 -fdung der Dynastie an den heiligen Baben-berger. Hatten sich nicht seit einigen Jahr-zehnten die Genealogien des Hauses Öster-reich im Licht der historischen Kritik alsPhantasieprodukte und Fabeleien erwiesen?Noch Karl VI. beauftragte einen der prominen-testen Historiographen der Zeit, MarquartHerrgott von St. Blasien im Schwarzwald,einen historisch getreuen Habsburgerstamm-baum zu erforschen.

Reform war das Reizwort des 18. Jahrhun-derts: Im Wandel von Machtauffassung undHerrscherbild, von Gottesgnadentum zu Ge-

sellschaftsvertrag und Volkssouveränität,suchte man nach den ursprünglichen, den

,,ächten" Herrschaftszeichen. Der Erzher-zogshut Rudolf IV. des Stifters wurde rekon-struiert, und der Maximilianische Erz}¡,er-zogshut in Klosterneuburg für dessen barockeVerfälschung, die aus Unwissenheit ge-

schehen war, gehalten. Maria Theresia be-

stimmte, den österreichischen Erzherzogshutin seiner ursprünglichen Form wiederherzu-stellen. Diese schmückte schon 1761 die Sarko-phage ihrer Kinder Karl und Johanna Ga-briele. Auch Josef II. trug bei seinem Einzugzur Römischen Königskrönung in Frankfurt7764 den ,,ächten Österreichischen Erzher-zogshut". Denn die sonst zu diesem AnIaß ver-wendete St. Wenzels-Krone, die auch KarI VLbei seiner Krönung getragen hatte, schmücktenoch das Haupt Maria Theresias.

In diesen Prozessen der beginnenden Säku-larisation des Staates betrachteten die öster-reichischen Staatsjuristen den ErzherzogshutMaximilians III. als Reliquienkrone (alsOpfer), die weder formal noch in ihrer Sym-bolik als eigentliches Hauskleinod der Dyna-stie zu gelten hatte. Sie meinten, Maximi-lian III. hätte den Erzherzogshut, ,,Corona seu

Diadema", nur gestiftet, um die Reliquien-büste des heiligen Leopold zn zieren.(Scheinbar leitete man diese Ansicht von derExposition der Reliquienbüste zur,,Staatswall-

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fahrt" am 15. November ab und übersah, daßzum Silberreliquiar Maximilians III. ein ei-gener Kronenschmuck gehörte.)

Als ein Jahr vor ihrem Tode Maria Theresiawieder mit der Frage nach dem ,,ächten Öster-reichischen Erzherzogshut" konfrontiertwurde, entschied sie, aus ihren Juwelen einneues Herrschaftszeichen, einen,,Theresiani-schen Erzherzogshut" anfertigen zu lassen.Der Staatskanzler Fürst Wenzel Anton Kau-nitz-Rietberg konnte Maria Theresia be-stimmen, den Maximilianischen Erz}¡,er-zogshut ungebrochen als Reliquienkrone inKlosterneuburg zu belassen. Ein neues Haus-kleinod sollte als ,,eigentümlicher Haupt-schmuck des Erzhauses" entstehen und ,,ausbesonderer allerhöchster Gnad" dem Stift KIo-sterneuburg ebenfalls,,zur Verwahrung" über-geben werden.

Diese PIäne wurden vom Tod der Kaiserinzerstört.

Josef II., der weder die Österreichische Erb-huldigung abnahm, noch sich zum König vonBöhmen und zum König von Ungarn krönenließ, verfügte, sämtliche sakrale Herrschafts-zeichen den Österreichischen Erzher-zogshut, die heilige Wenzels- und die heiligeStephanskrone in der Wiener Schatz-kammer zu verwahren. Auch hatte er des öf-teren seine Ansichten geäußert, die Kronendes Heiligen Römischen Reiches, die er, ähn-lich Friedrich II. als ,,leeren Hut" einschätzte,abzulegen. In Zeiten des wissenschaftlichenAufbruches und der Veränderung emotionalenEmpfindens hatten der Österreichische Erz-herzogshut als sakrales Herrschaftszeichen,das an das Heilige gebunden worden war,Sinn, Aussagekraft und Bedeutung verloren,ebenso wie die barocken Heiligenstatuen, dieman damals ihres Schmuckes entledigte und,,entkrönte". Reliquienverehrung und Heili-genkult waren - zr;.rrr Teil zu Recht, zum Teilzu Unrecht - des Mißbrauchs und Aberglau-bens verdächtigt.

Maria Theresia selbst hielt an der \Mallfahrtnach Klosterneuburg am 15. November fest,wenn sie auch seit 1753 diese auf einen Tagverkürzte. Sie fuhr um g Uhr morgens insStift, blieb zum Hochamt um elf und kehrtenach kurzer Mittagstafel und Vesper am Nach-mittag wieder nach Wien zurück. Nach der Ge-burt ihres Sohnes Leopold hatte die Kaiserinein goldenes Kind als Weihegabe für den hei-ligen Leopold nach Klosterneuburg gestiftet.1770 stellte sie in die Schatzkammer ein Reli-quiar mit Gebeinen des heiligen Leopold zu-rück. Nach dem Tod Franz Stephans beglei-teten Joseph II. und jene Kinder, die zur Zeitam Wiener Hof lebten oder zu Besuch waren,Maria Theresia auf die Wallfahrt. In denletzen Jahren bis 1775 fuhren jene zum geistli-chen Stand bestimmten, die ErzherzoginnenMaria Anna und Maria Elisabeth sowie Erz-herzog Maximilian Franz - er wurde späterauch Hoch- und Deutschmeister des Deut-schen Ritterordens - mit ihr zum Leopolds-fest nach Klosterneuburg.

Seit 1770 konnte Maria Theresia die Venera-tion vor der silbernen Tumba des heiligen Leo-pold nicht mehr ausführen. Zu unbeweglichund krank, wählte sie bis 1775 ihren Platz inder Nähe des Hochaltars und stieg nicht mehrdie Treppen ztrm Oratorium hinauf. Am 15.

November 1776 feierte der Wiener Hof zumletzten Mal offiziell das Fest des heiligen Leo-

pold in der Kammerkapelle der Wiener Burg.Die Verehrung des Landespatrons durchKlerus und Volk dauerte an. Wie verhieltensich die Festprediger, denen schon seit einigenJahrzehnten das Lob des Heiligen Mühe be-reitet hatte, da sie sich an den neuen Macht-und Staatsauffassungen orientieren mußten?Jetzt faßten sie sich historisch und meinten,wie der theologische Doktor und \Ã/eltpriesterFranz Hald am 15. November 1779: WeiI Gottösterreich liebt, hat er ,,den heiligen Leopotddemselben zum Fürsten gegeben . . ., welcherdurch seine vortreffliche Regierung die Glück-seligkeit dieses Volkes befördert hat." Imzweiten TeiI seiner Predigt führte er dann aus,,,daß Gott, weil er Österreich erhalten will,durch den heiligen Leopold demselben ein Bei-spiel gegeben habe, daß diese Glückseligkeitdes Volkes durch die Religionen festgestellt(befestiget) werden müsse . . .". In diesenSätzen spiegelte sich bereits das Herrscher-bild Josephs II. und der kommenden Genera-tionen.

Jetzt, in den Jahrzehnten der Säkularisa-tion, flehte man zum heiligen Leopold, daß erden Österreichern den Glauben erhalte unddurch die Religion das Volk stärke.

Verkürzte Fassung des Aufsatzes: Der heilige Leopold

- Rex Perpetuus Austriae?, in: Jahrbuch des Stiftes Klo-sterneuburg N. F. 13 (1985), in dem die wissenschaftlichenBelege zu finden sind.

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