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Demographischer Wandel und Arbeitsmarkt des öffentlichen Sektors Reinhold Sackmann/Walter Bartl/Bernadette Jonda/ Katarzyna Kopycka/Dominika Pawleta/Christian Rademacher Inhalt: 1. Einleitung .................................................................................................................... 2 2. Konzepte gesellschaftlicher Bewältigung................................................................... 3 2.1 Das Challenge-Response-Konzept ........................................................................ 6 2.2 Sozialpsychologische Bewältigungstheorien .......................................................... 7 2.2.1 Konzept diskrepanter Entwicklung von Aspirationen und Ressourcen .......... 8 2.2.2 Konzept der Einschätzung der Situation (appraisal) und von Verhalten (coping) ........................................................................................... 8 2.2.3 Ansatz des flexiblen Selbst .............................................................................. 9 2.3 Soziologische Konzepte....................................................................................... 10 2.3.1 Institutionentheorie ........................................................................................ 10 2.3.2 Theorie der Pfadabhängigkeit ........................................................................ 11 2.4 Neo-institutionalistische Ansätze der Stanford Schule ....................................... 12 2.5 Konzept der Arbeitsmarktflexibilität ................................................................... 13 3. Rahmenbedingungen: Demographischer Wandel und Flexibilität des öffentlichen Dienstes in Deutschland und Polen ...................................................... 14 3.1 Rahmenbedingung demographischer Wandel ..................................................... 15 3.1.1 Demographie und Demographisierung sozialer Probleme ............................ 15 3.1.2 Demographischer Wandel in Deutschland und Polen ................................... 18 3.1.3 Demographischer Wandel als Rahmenveränderung des öffentlichen Dienstes ..................................................................................... 24 4. Methoden .................................................................................................................. 34 5. Demographischer Wandel und seine Bewältigung auf der Ebene von Kommunen. 37 5.1 Demographischer Wandel als Problem? .............................................................. 37 5.2 Personalpolitische Bewältigungsstrategien ......................................................... 45 5.2.1 Ein idealtypisches Problem der personalpolitischen Bewältigung demographischen Wandels ............................................................................ 45 5.2.2 Möglichkeitsraum kommunaler Bewältigungsstrategien von Schrumpfung 47 5.2.3 Formen empirischer personalpolitischer Bewältigungsstrategien ................. 49 5.2.3.1 Personalpolitik ......................................................................................... 52 5.2.3.2 Governancepolitik ................................................................................... 65 5.2.3.3 Programmpolitik ...................................................................................... 70 5.3 Folgen der Bewältigungsstrategien...................................................................... 74 Literatur......................................................................................................................... 84 Halle, Juli 2009

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Demographischer Wandel und Arbeitsmarkt des öffentlichen Sektors

Reinhold Sackmann/Walter Bartl/Bernadette Jonda/ Katarzyna Kopycka/Dominika Pawleta/Christian Rademacher

Inhalt:

1. Einleitung.................................................................................................................... 2 2. Konzepte gesellschaftlicher Bewältigung................................................................... 3

2.1 Das Challenge-Response-Konzept ........................................................................ 6 2.2 Sozialpsychologische Bewältigungstheorien.......................................................... 7

2.2.1 Konzept diskrepanter Entwicklung von Aspirationen und Ressourcen .......... 8 2.2.2 Konzept der Einschätzung der Situation (appraisal) und von Verhalten (coping) ........................................................................................... 8 2.2.3 Ansatz des flexiblen Selbst.............................................................................. 9

2.3 Soziologische Konzepte....................................................................................... 10 2.3.1 Institutionentheorie ........................................................................................ 10 2.3.2 Theorie der Pfadabhängigkeit........................................................................ 11

2.4 Neo-institutionalistische Ansätze der Stanford Schule ....................................... 12 2.5 Konzept der Arbeitsmarktflexibilität ................................................................... 13

3. Rahmenbedingungen: Demographischer Wandel und Flexibilität des öffentlichen Dienstes in Deutschland und Polen ...................................................... 14

3.1 Rahmenbedingung demographischer Wandel ..................................................... 15 3.1.1 Demographie und Demographisierung sozialer Probleme............................ 15 3.1.2 Demographischer Wandel in Deutschland und Polen ................................... 18 3.1.3 Demographischer Wandel als Rahmenveränderung des öffentlichen Dienstes ..................................................................................... 24

4. Methoden .................................................................................................................. 34 5. Demographischer Wandel und seine Bewältigung auf der Ebene von Kommunen. 37

5.1 Demographischer Wandel als Problem?.............................................................. 37 5.2 Personalpolitische Bewältigungsstrategien ......................................................... 45

5.2.1 Ein idealtypisches Problem der personalpolitischen Bewältigung demographischen Wandels ............................................................................ 45 5.2.2 Möglichkeitsraum kommunaler Bewältigungsstrategien von Schrumpfung 47 5.2.3 Formen empirischer personalpolitischer Bewältigungsstrategien................. 49

5.2.3.1 Personalpolitik ......................................................................................... 52 5.2.3.2 Governancepolitik ................................................................................... 65 5.2.3.3 Programmpolitik ...................................................................................... 70

5.3 Folgen der Bewältigungsstrategien...................................................................... 74 Literatur......................................................................................................................... 84 Halle, Juli 2009

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1. Einleitung

Der demographische Wandel stellt ein zentrales Zukunftsproblem europäischer Gesellschaften dar und droht insbesondere die Entwicklung von Transformati-onsgesellschaften negativ zu beeinflussen. Für den Bereich staatlicher Gemein-wesen wird als Folge demographischer Veränderungen ein schleichender Kollaps prognostiziert. Heftige Diskussionen entfacht die Frage, ob es wirklich immer zu diesen dramatischen Folgen kommt.

Der Gegenstand des Forschungsprojektes B8 am SFB 580 war der gesellschaftli-che Umgang mit dem Problem der demographischen Alterung und Schrumpfung in einem exemplarischen Feld: dem Personalwesen des öffentlichen Sektors.

Die Grundhypothese des Projekts lautete: Die Folgen demographischer Heraus-forderungen werden durch akteurspezifische Bewältigungsstrategien und institu-tionelle Rahmenbedingungen maßgeblich beeinflusst. Demzufolge bestand das Hauptziel des Forschungsprojektes darin, jene Rahmenbedingungen zu beleuch-ten und die Art der personalrelevanten Bewältigungsstrategien des öffentlichen Sektors aufgrund des demographischen Wandels sowie deren Folgen zu unter-suchen.

Das ursprünglich zugrunde liegende theoretische Modell ging davon aus, dass die Art der Folgen demographischer Veränderungen für Arbeitsmärkte maßgeb-lich von den Bewältigungsstrategien der beteiligten Akteure abhängt (siehe Abb. 1). Eine zu prüfende Leithypothese war, dass insbesondere Art und Umfang der in diesem Bereich praktizierten Flexibilität dabei entscheidend sind. Die Untersu-chung konzentrierte sich deshalb auf verschiedene Transformationsländer, von denen anzunehmen war, dass sie jeweils unterschiedliche Mechanismen zur Be-wältigung der anstehenden und zukünftigen Probleme entwickelt haben könnten. Infolge der in der empirischen Forschung gewonnenen Erkenntnissen wurde ein modifiziertes Modell des Untersuchungsgegenstandes entwickelt (siehe Abb. 2), in dem die Bewältigungsstrategien der beteiligten Akteure als Reaktion auf den demographischen Wandel weiterhin eine Rolle spielen. Doch die Wahl jener Strategien hängt sowohl von der Problemwahrnehmung bzw. -definition, die die beteiligten Akteure vornehmen, wie auch von institutionalisierten Rahmenbe-dingungen (z.B. rechtliche Aspekte oder Zuständigkeitsfragen) ab, die darüber hinaus auch Einfluss auf die Problemwahrnehmung bzw. -definition ausüben (können).

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Um empirisch die Bedeutung von einzelnen institutionellen Vorgaben und ak-teursspezifischen Handlungsstrategien bestimmen zu können, sah das empiri-sche Design des Projektes in erster Linie eine qualitative Untersuchung der Be-wältigungsstrategien auf der kommunalen Ebene in zwei Transformationslän-dern (Ostdeutschland, Polen) und in einem Referenzland (Westdeutschland) vor. Sekundärdatenanalysen von Individual- sowie Aggregatdatensätzen wurden als ergänzende Informationsquellen herangezogen.

Der im Projekt fokussierte öffentliche Sektor war besonders geeignet für eine Untersuchung der Krise interner Arbeitsmärkte, weil er historisch über eine aus-geprägte, auch institutionell verfestigte Struktur interner Arbeitsmärkte verfügt. Gleichzeitig ist der öffentliche Sektor besonders starken Turbulenzen ausgesetzt, die sich durch die demographische Entwicklung weiter zuspitzen werden.

2. Konzepte gesellschaftlicher Bewältigung

Die Bewältigung eines gravierenden demographischen Wandels macht – so die Leitthese des Projekts – eine hohe Flexibilität des Arbeitsmarktes des öffentli-chen Sektors erforderlich. Dabei wurde Flexibilität als die Bedingung definiert, wonach Entscheidungen über die Beschäftigung von Personen, insbesondere ob und wie sie beschäftigt werden, leicht verändert oder angepasst werden können, um die Bedürfnisse der Nachfrager nach Produkten und/oder Dienstleistungen zu erfüllen oder um auf veränderte Situationsumstände reagieren zu können (vgl. Farnham/Horton 2000: 3). Arbeitsmarktflexibilität ist demzufolge abhän-gig von institutionellen Rahmenbedingungen und Ressourcen, die den Hand-lungsspielraum von Personalentscheidern ermöglichen und begrenzen. Ein Hauptziel des empirischen Projektes war es, die Bedeutung institutioneller Fak-toren für den Grad an praktizierter Flexibilität zu bestimmen.1

Die Abbildung 1 zeigt ein Modell des Untersuchungsgegenstandes zu Beginn der Forschung:

1 Der zwischenstaatliche Vergleich wurde durchgeführt, um die untersuchte institutionelle

Varianz zu erweitern.

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Abb.1 Erstes Modell des Untersuchungsgegenstandes

Nach diesem Modell verursacht demographischer Wandel nicht direkt Folgen für das verfasste Gemeinwesen, sondern nur vermittelt durch personalrelevante Bewältigungsstrategien des öffentlichen Sektors. Unter Bewältigungsstrategien des öffentlichen Sektors sind problembezogene Handlungsmuster öffentlich-rechtlich verfasster Akteure zu verstehen, d.h. situationsbezogene Handlungen, die wiederholt auftreten und eine Selektionsleistung enthalten. Im Vordergrund des Interesses des Projektes standen die Art der Bewältigungsstrategien und ihre Ursachen. Referenzpunkt des Handelns der Akteure waren dabei institu-tionalisierte Arbeitsmärkte des öffentlichen Sektors.

Ausgangspunkt für die theoretische Betrachtung bildet das Challenge-Response-Modell,2 das den grundlegenden heuristischen Rahmen im SFB 580 darstellt. Vor diesem Hintergrund prüften die Projektmitarbeiter die Verwendbarkeit wei-terer theoretischer Konzepte auf ihre Eignung, die Interdependenz zwischen den infolge des demographischen Wandels in den Kommunen entstandenen bzw. entstehenden Problemen und den angewendeten Bewältigungsstrategien zu er-klären. Im Speziellen handelt es sich um theoretische Konzepte, die in verschie-denen Disziplinen verankert sind, und die für die in der Feldphase des Projekts B8 beobachteten Phänomene brauchbare Erklärungsansätze bieten. Neben dem Challenge-Response-Konzept gehörten dazu sozialpsychologische Bewälti-gungstheorien und eine Reihe soziologischer Konzepte wie zum Beispiel Institu-

2 In Anlehnung an das Konzept von Arnold Toynbee (1979a; 1979b).

Personalrelevante Bewäl-tigungsstrategien des öffentlichen Sektors

Folgen des demogra-phischen Wandels

Demographischer

Wandel

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tionentheorien und die Theorie der Pfadabhängigkeit. Das Konzept der Arbeits-marktflexibilität stellt weitere Theoriekomponenten des Projekts B8 dar.

Jene Konzepte und Theorien, die im Projekt herangezogen worden sind und auf die im Weiteren näher eingegangen wird, einerseits und die Ergebnisse der em-pirischen Forschungsphase andererseits führten im Laufe der Studie zur Modifi-zierung des ursprünglichen Modells des Untersuchungsgegenstandes (siehe Abb.1): Die Abbildung Nr. 2 stellt das Modell des Forschungsgegenstandes als Ergebnis der theoretischen Auseinandersetzung und der Auswertung der empiri-schen Untersuchung dar. Der Aufbau dieses Berichts orientiert sich an diesem Grundmodell.

Es wurde zu Beginn der Forschung davon ausgegangen, dass die meisten staatlichen Gebilde in Transformationsländern von Veränderungen der demographischen Zusammensetzung betroffen sind; viele davon sind mit Formen der demographi-schen Alterung und mit Abwanderung arbeitsfähiger Bevölkerungsgruppen kon-frontiert. Der öffentliche Sektor ist dabei doppelt von demographischem Wandel betroffen: In seiner Funktion als Leistungserbringer findet eine schnelle Ver-schiebung von Nachfragestrukturen statt (z.B. vom Bildungs- in den Gesund-heitsbereich), während gleichzeitig finanzielle Einnahmen zurückgehen. In seiner Funktion als Beschäftiger ist er mit einer Alterung seiner Beschäftigten konfron-tiert, die sich eventuell gegen Änderungen der Aufgabenzuordnung sperren. Die Verletzbarkeit des öffentlichen Sektors durch diese doppelte Betroffenheit ist

Bewältigungs -strategien

Institutionalisierte Rahmenbedingungen

Gesellschaftliche Folgen

Problemdefinition/- wahrnehmung

Rahmenbedingung: Demographischer Wandel

Abb.2: Revidiertes Modell des Untersuchungsgegenstandes

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auf einzelnen Ebenen besonders stark ausgeprägt: Bundesländer, deren Ausga-benstruktur von Personalausgaben im Bildungsbereich geprägt sind, werden z.B. schnell massiv beeinträchtigt. Die Schließung von Schulen ist inzwischen bei-spielsweise ein häufiges Ereignis in Ostdeutschland und anderen Transformati-onsländern. Weitere mögliche Folgen des demographischen Wandels für den öffentlichen Sektor bestehen aus einer Überalterung der Beschäftigten des öf-fentlichen Sektors, einem Fachkräftemangel in expandierenden Bereichen, einer allgemeinen Reduzierung des Angebots staatlicher Dienstleistungen und aus ei-ner durch überproportionale Personalausgaben verursachten Verschlechterung der Finanzausstattung der Gemeinwesen. Große interne Arbeitsmärkte sind an-fällig für derartige Negativspiralen durch externe Schocks. Eine wichtige An-nahme des Projektes besagte jedoch, dass gleiche demographische Ursachen nicht zu gleichen Folgen für verfasste Gemeinwesen führen müssen, da perso-nalrelevante Bewältigungsstrategien des öffentlichen Sektors zwischen beiden vermitteln.

Bei der Prüfung dieser Annahme erwies sich das Challenge-Response-Konzept als besonders nützlich.

2.1 Das Challenge-Response-Konzept

Das Projekt B8 ging von einem institutionengestützten Challenge-Response-Modell aus (Bartl 2009; Sackmann/Bartl 2007). Danach setzen Institutionen wie z.B. Rechtsordnungen, aber auch durch internationale Organisationen legitimier-te kulturelle Modelle wie das Neue Steuerungsmodell (NSM) einen Rahmen, der Organisationen als korporativen Akteuren Handlungen ermöglicht, aber sie auch beschränkt (vgl. Esser 2000). Ein neues Gleichgewicht beinhaltet deshalb – so es nachhaltig wirksam sein sollte – in der Regel immer auch eine neue stabile Institutionenstruktur. Organisationen sind in ihrem Handeln immer wieder mit neuen Situationen konfrontiert, die sie in der Regel im Rahmen ihrer Institutio-nenordnung bearbeiten. Lernprozesse in Organisationen vollziehen sich deshalb im Normalfall in den Bahnen einer gegebenen Institutionenstruktur. Je mehr Au-tonomie die Institutionenordnung den korporativen Akteuren gewährt, desto größer ist die Varianz der Reaktionen auf gegebene Herausforderungen. Je größer die Autonomie ist, desto stärker kommt es mittelfristig über Selbstwirksamkeits-erfahrungen zu stabilen Lernraten.

Die Projektmitarbeiter setzten sich intensiv in erster Linie mit dem Challenge-Response-Konzept von Arnold Toynbee (1979a; 1979b) auseinander, das er vor

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dem Hintergrund seiner Beobachtung von Regelmäßigkeiten in der Geschichte entwickelte, die sich in Aufstiegen und Niedergängen von Kulturen äußern. Theoretisches Destillat von Toynbees Rekonstruktion dieser Regelmäßigkeiten war die Vorstellung eines Lebenszyklus von Kulturen, dessen Verlauf entschei-dend durch eine Sequenz von Challenges und Responses bestimmt wird. Dabei sorgt eine veränderliche Umwelt für stets neue Herausforderungen. Je nachdem, ob es in einer Gesellschaft Minderheiten gibt, die kreative Antworten auf aktuel-le Herausforderungen finden und die Mehrheit von ihren Lösungen überzeugen können, wird eine Kultur wachsen, stagnieren oder untergehen. Entscheidend für das hier vorgebrachte Argument ist, dass Toynbee davon ausgeht, dass es eher schwierige Umweltbedingungen sind, die zu kreativen Kulturleistungen und damit zu sozialem Wandel führen (Bartl 2009).

Eine wichtige Leistung von Arnold Toynbee besteht darin, dass er das Modell einer linearen, evolutionären historischen Entwicklung durch den Entwurf eher zyklischer, multilinearer und diskontinuierlicher Wandlungsprozesse abgelöst hatte (Best 2004: 10). Darüber hinaus nahm Toynbee eine handlungstheoretische Perspektive ein. Der agierende Akteur wird hier zum „Beweger historischer Prozesse“ (ebd.). Mit seinem Challenge-Response-Modell verweist Toynbee auf den teilweise chaotischen und erratischen Charakter des sozialen Wandels, der von den unendlichen Ketten von Challenges und Responses geprägt ist. Denn ein Response auf einen Challenge in einem Teil des sozialen Gefüges wird sich in einem anderen Teil als eine neue Herausforderung ergeben, auf die entspre-chend geantwortet werden muss. Das wiederum bringt an einer noch anderen Stelle weitere Challenges hervor. Diese nicht intendierten Folgen des Response, die sich in den anderen Teilsystemen zeigen, sind auf die weitgehenden Interde-pendenzen und Vernetzungen zwischen den Systemen zurückzuführen. Eine weitere Ursache dessen, warum ein Response in einem Teil der sozialen Struktur eine turbulente Wirkung auf die anderen Teile haben kann, liegt im unvollstän-digen Wissen der agierenden Akteure und der Unmöglichkeit, die faktischen Folgen ihrer Handlungen vorherzusehen (Kopycka 2009).

2.2 Sozialpsychologische Bewältigungstheorien

Einen ähnlichen Zusammenhang, wie ihn Toynbees Begriffe Challenge und Response für die Gesellschaftsebene ausdrücken, formuliert die sozialpsycholo-gische Bewältigungsforschung für Personen (Sackmann/Bartl 2007). In dieser Forschungsrichtung ist eine Vorstellung krisenhafter Bedingungen prägend für

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die Annahmen bezüglich der Anpassungsleistungen von Person und Umwelt. Die zentralen Fragestellungen von Bewältigungstheorien haben ihre Wurzeln in der Stressforschung (Abbott 1990).

2.2.1 Konzept diskrepanter Entwicklung von Aspirationen und Ressourcen Als eine gängige Definition von Bedingungen, die Toynbee als Challenge be-zeichnete, gilt eine Diskrepanz zwischen dem persönlichen Aspirationsniveau und darauf bezogenen Ressourcen (Elder/Caspi 1990). Eine solche Diskrepanz zwischen Soll und Ist, die das involvierte System zu überwinden trachtet (Gre-ve/Strobl 2004), kann durch einen Ressourcenverfall oder ein steigendes An-spruchsniveau (oder durch beides gleichzeitig) ausgelöst werden. Der Definition liegt die Annahme zugrunde, dass Personen in sozialen Situationen eine affek-tive Bindung zu einem gegebenen Anspruchsniveau aufweisen, so dass sie es anstreben, eine Diskrepanz zwischen Aspirationen und Ressourcen zu überwin-den. Das Erleben von Erfolgen oder Misserfolgen setzt ein Anspruchsniveau voraus und wirkt sich auf dessen Beibehaltung oder Veränderung aus (Lewin u.a. 1944).

2.2.2 Konzept der Einschätzung der Situation (appraisal) und von Verhal-ten (coping)

Bezüglich der Überwindung von Problemen unterscheiden Lazarus und Folk-man (1984) zwischen der Einschätzung der Situation (appraisal) und dem Ver-halten (coping), das darauf zielt, die Diskrepanz zu überwinden. Das Konzept des Appraisal weist deutliche Gemeinsamkeiten mit dem pragmatistischen Kon-zept der Definition der Situation in der Soziologie auf (Esser 1996). In beiden Fällen sind die Bindung an das hergebrachte Anspruchsniveau sowie die Erwar-tungen3 bezüglich der erfolgreichen Problembewältigung, die bei der Situa-tionseinschätzung gebildet werden, entscheidend für das weitere Verhalten. Wie im Pragmatismus wird die Situationseinschätzung im Hinblick auf die Möglich-keit erfolgreicher Problemlösungen getroffen (Mead 1987). Die Einschätzung der Situation eröffnet ein bestimmtes Handlungsspektrum bezüglich der Prob-lembewältigung.4

3 Albert Bandura (1977) hat diesbezüglich den Begriff der Selbstwirksamkeitserwartung

geprägt. Das Konzept der Selbstwirksamkeit wird mittlerweile auch für die Untersuchung kollektiver Erwartungen empirisch fruchtbar gemacht (vgl. Sampson/Raudenbush 1999).

4 Die Definition der Situation kann dazu führen, dass eine aus Beobachterperspektive ob-jektiv gegebene Diskrepanz zwischen Aspirationen und Ressourcen gar nicht als proble-matisch eingeschätzt wird, weil sie außerhalb der „Grenzzone der eigenen Leistungsfä-

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Die sozialpsychologische Coping-Forschung betont die aktive Rolle der Betrof-fenen bei der Einschätzung von Problemen. Der Prozess der Einschätzung von Aspirationsniveau und Ressourcenlage wurde von Lazarus und Folkman (1984: 31ff) als „cognitive appraisal“ bezeichnet. Die Einschätzung lässt sich analytisch trennen in die Bewertung der Situation und in die Frage nach den Handlungsal-ternativen. Die Bewertung einer Situation kann diese als irrelevant, positiv oder Verlust, Gefahr bzw. Herausforderung klassifizieren. Nur die Einschätzung als Verlust, Gefahr bzw. Herausforderung stellt ein Problem im Sinne dieses Ansat-zes dar. Die Coping-Forschung betont, dass die Umgangsweise mit Problemen entscheidend für deren Folgen ist. Wenn sich in der Einschätzung der Situation ein Problem etabliert, unterscheiden Lazarus und Folkman (1984) problem- und emotionszentriertes Coping. Im Kontext von korporativen Akteuren, die Hand-lungen ihrer Mitglieder über Organisationsziele koordinieren, erschien es jedoch sinnvoller, stattdessen assimilative und akkommodative Bewältigungsprozesse unterscheiden (Brandtstädter 2007).

2.2.3 Ansatz des flexiblen Selbst Konzipiert man Bewältigungsprozesse als eingebettet in persönliche Routinen statt als ein relativ einmaliges strategisches Verhalten (Greve 1997), so ergeben sich daraus fruchtbare Anschlussmöglichkeiten für eine institutionentheoretisch argumentierende Soziologie der Problembewältigung. Instruktiv hierfür ist der Ansatz des flexiblen Selbst von Brandstädter (2007). Er unterscheidet assimila-tive und akkommodative Bewältigungsprozesse. Assimilative Bewältigung meint dabei eine Beibehaltung oder Steigerung des Aspirationsniveaus, um eine Erfolg versprechende Mobilisierung von Ressourcen zu motivieren. Akkomoda-tive Bewältigung weist auf eine Senkung des Aspirationsniveaus aufgrund von befürchteten Misserfolgen hin. Brandstädter hat seine Theorie der hartnäckigen Zielverfolgung und der flexiblen Zielanpassung vor dem Hintergrund lebens-laufbezogener empirischer Beobachtungen generiert. Die erfolgreiche Bewälti-gung von Entwicklungszielen im Lebenslauf führt demnach zu einer Reifung der Persönlichkeit. Das Ausmaß der Selbstkomplexität ist eng mit der Ausdifferen-zierung von Bewältigungsmöglichkeiten gekoppelt. Während in frühen Lebens-phasen vorwiegend Strategien der hartnäckigen Zielverfolgung zu beobachten sind, dominieren in späteren Lebensphasen Prozesse der flexiblen Zielanpas-

higkeit“ liegt (vgl. Hoppe 1930). In der Literatur wird dieser Sachverhalt als Problem-vermeidung (defence/avoidance) beschrieben (vgl. Greve/Strobl 2004) und ist deshalb nicht als Problembewältigung im engeren Sinn zu betrachten.

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sung. Angesichts der schwindenden Ressource Lebenszeit passen Personen ihr Anspruchsniveau nach unten an. Da beide Modi der Handlungsregulierung5 im Ergebnis zu einem hohen Wohlbefinden führen, wurden sie theoretisch als funk-tional äquivalente Möglichkeiten der Problembewältigung interpretiert (Brandtstädter 2007; Greve/Strobl 2004).

Die konsultierten sozialpsychologischen Ansätzen haben gemein, dass sie eine akteursspezifische Lerndynamik unterstellen (Bartl 2009).

2.3 Soziologische Konzepte

Die bisherigen Erörterungen des Zusammenhangs von Problem und Bewälti-gung haben zu einer Betonung von Gemeinsamkeiten bei der Präzisierung von Toynbees Konzepten des Challenge (als diskrepante Entwicklung von Aspirati-onen und Ressourcen) und des Response (nach assimilativer oder akkomodati-ver Informationsverarbeitung) geführt. Gleichwohl stößt die zugrunde liegende Vorstellung eines individuellen Lebenslaufs bei der Übertragung auf gesell-schaftliche Zusammenhänge an ihre Grenzen. Während die Verfügbarkeit von Kognitionen in der Bewältigungsforschung häufig der sequenziellen Entwick-lung von Persönlichkeitsstrukturen zugeschrieben wird, sind aus soziologischer Perspektive gesellschaftliche Institutionalisierungsprozesse für die kognitive Verfügbarkeit selbstverständlicher Hintergrundannahmen in einer gegebenen Situation verantwortlich (Berger/Luckmann 2001; Douglas 1991).

2.3.1 Institutionentheorie Fragt man also nach Äquivalenten individuell habitualisierter Bewältigungska-pazitäten auf gesellschaftlicher Ebene so lautet die Antwort: Institutionen. Der gesellschaftliche Generationenaustausch sorgt im Prozess der Institutionalisie-rung für die soziale Objektivierung interaktiv erzeugter Deutungsmuster, die durch ihre typisierte Weitergabe an eine neue Generation unabhängig von ihrem Entstehungszusammenhang kulturell auf Dauer gestellt werden (Zucker 1977). Mit anderen Worten weist die Institutionentheorie darauf hin, dass sowohl die Definition von Problemen als auch die Entwicklung von Bewältigungsstrategien soziologisch als institutionell vorgeprägt zu konzipieren ist.

5 Ein Regulierungskonflikt besteht dann, wenn mangelnde Ressourcen eine Anpassung

der Aspirationen nahe legen, aber gleichzeitig an einer Strategie der hartnäckigen Ziel-verfolgung festgehalten wird (vgl. Bak/Brandstetter 1998). Eine depressive Phase grüb-lerischen Denkens kann diesen Regulierungskonflikt in assimilativer oder akkomodativer Weise auflösen.

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Die gesellschaftliche Präformierung von Kognitionen durch Institutionen ist jedoch nicht als Determinismus zu verstehen, wie er der Institutionentheorie klassisch vorgeworfen wird (Wrong 1961) sondern als eine notwendige Voraus-setzung der Handlungsfähigkeit von Personen.6 Mary Douglas (1991: 179ff) be-tont, dass Institutionen in krisenhaften Situationen rationales Handeln erst er-möglichen, da sie Zuständigkeit für Probleme und ihre Bewältigung sowie deren Kosten gesellschaftlich auf unterschiedliche Rollen verteilen. Gemäß anthropo-logischer Annahmen bezüglich der beschränkten Informationsverarbeitungska-pazität des Menschen entlasten Institutionen (Gehlen 1986: 96) und ermöglichen eine situative Priorisierung konkurrierender Ansprüche unter wechselnden Be-wertungsgesichtspunkten (Luhmann 1973).

2.3.2 Theorie der Pfadabhängigkeit Institutionalisierte Praktiken weisen Beharrungstendenzen auf. Sie sind nur inso-fern durch bewusste Entscheidungen veränderbar, als sie zu formalen Regelun-gen geronnen sind. Kulturelle Selbstverständlichkeiten fungieren im institutio-nellen Wandel als blinder Fleck, der von Beobachtern als der Entscheidung zugrunde liegende Hintergrundannahme rekonstruiert werden kann. Gleichzeitig sind Institutionen untereinander vernetzt, so dass selten alle Regelungen gleich-zeitig geändert werden können. Entscheidungsprozesse zur Änderung formaler Regeln erfordern einen politischen Aushandlungsprozess, in dem bestehende Machtverhältnisse meist lediglich inkrementellen Wandel erlauben. North (1992) hat in diesem Zusammenhang das Theorem der Pfadabhängigkeit von der Entwicklung von Technologien und Produkten auf den Wandel gesellschaftli-cher Institutionen verallgemeinert. Auch im Hinblick auf sozialen Wandel gilt, dass der Entwicklungspfad einer Gesellschaft zwar historisch spezifische Vor-aussetzungen für die Wahrnehmung von Problemen und Bewältigungsmöglich-keiten schafft, ohne den weiteren Verlauf des institutionellen Wandels jedoch zu determinieren (Beyer 2006). Bezogen auf Organisationen wurde gezeigt, dass problematische Umweltveränderungen Deinstitutionalisierungsprozesse auslö-sen können (Oliver 1992).

6 Auch wenn sie als juristisch legitimierte Vertreter von Organisationen handeln.

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Der bisher verfolgte Pfad öffentlicher Beschäftigungsstrategien7 wurde zu einem Teil durch politisch entscheidbare Regeln konstituiert. Zum Teil entsprechen die bisher verfolgten Beschäftigungsstrategien aber auch kulturell selbstverständli-chen Annahmen darüber, was einen „guten“ Beschäftiger ausmacht. In jedem Fall stellen die Merkmale „interner Arbeitsmärkte“ bzw. das Modell des so ge-nannten „Normalarbeitsverhältnisses“ Entscheidungsprämissen für weitere Per-sonalentscheidungen in neuen Situationen dar. Veränderungen dieses Beschäfti-gungsmusters lassen sich sowohl bewältigungstheoretisch als auch institutio-nentheoretisch eher in kleinen Schritten erwarten. Damit kann die These formu-liert werden, dass auch bei demographischen Veränderungen internalisierende Beschäftigungsstrategien die Personalpolitik von Kommunen dominieren. Die Höhe des kommunalen Anspruchsniveaus wird über die intern vorgehaltene Per-sonalkapazität operationalisiert. Bei einem Rückgang finanzieller Ressourcen durch Demographie entspricht ein Festhalten an internen Personalkapazitäten auf dem gleichen Niveau einer assimilativen Bewältigungsstrategie.

2.4 Neo-institutionalistische Ansätze der Stanford Schule

Anders als in den sozialpsychologischen Bewältigungstheorien, die im Umgang mit Problemen eigene Leistung in den Vordergrund stellen, wird in neo-institutionalistischen Ansätzen der Stanford Schule von außengesteuerten Über-nahmen ausgegangen. Organisationen folgen z.B. mimetisch neuen Modellvor-stellungen, die im internationalen Diskurs Legitimität für sich in Anspruch neh-men. Im Verwaltungsbereich kommt z.B. der New Public Management-Literatur eine hervorgehobene Bedeutung zu. Im Unterschied zur internationalen New Public Management-Bewegung wird in Deutschland das Neue Steuerungsmo-dell (NSM vgl. KGSt 1993) in erster Linie als eine Alternative zu Privatisierun-gen und neo-liberalem Minimalstaat gesehen (Kuhlmann 2006: 88), da es viel-mehr auf Binnenreformen denn etwa auf Outsourcing abzielt (Jann 2006). Das Hauptziel des NSM liegt darin, die „klassisch-bürokratische“ Verwaltungsorga-nisation durch eine an betriebswirtschaftliche Modelle orientierte Organisations- und Steuerungsform abzulösen (Kuhlmann 2006). Beide Modelle dürften jedoch eine mimetische Orientierung des öffentlichen Sektors an externen Beschäfti-gungsstrategien des privaten Sektors befördern.

7 Der Begriff der Strategie wird hier als retrospektiv identifiziertes Muster im Unterschied

zu einem prospektiven Plan und seiner zweifelhaften Realisierung verwendet. Der Begriff bezeichnet demnach realisierte Strategien und umfasst sowohl beabsichtigte als auch un-beabsichtigte (emergente) Strategien (vgl. Mintzberg/Ahlstrand/Lampel 1999).

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2.5 Konzept der Arbeitsmarktflexibilität

Das Konzept der Arbeitsmarktflexibilität erwies sich besonders hilfreich bei der Analyse der Beschäftigungsverhältnisse auf dem polnischen Lehrerarbeitsmarkt, auch wenn die Mehrdeutigkeit des Konzeptes und daraus resultierende Mess-probleme des Flexibilitätsgrades eines bestimmten Arbeitsmarktes bedacht wer-den müssen. Es wurde eine mögliche Vorgehensweise bei der Bestimmung des Flexibilitätsausmaßes erarbeitet (Kopycka/Reinhold 2008): Über den Flexibili-tätsgrad eines Arbeitsmarktes entscheiden in erster Linie die gesetzlichen Rah-menbedingungen der sich auf dem Arbeitsmarkt vollziehenden Transaktionen. Dazu gehören alle Regulierungen bezüglich des Kündigungsschutzes, des Ent-gelts, der Arbeitszeit und der verlangten Qualifikation. Diese Zusammenhänge scheinen im Falle des Arbeitsmarktes des öffentlichen Dienstes von besonderer Bedeutung zu sein, da er eine hochinstitutionalisierte Struktur aufweist. Die ge-setzlichen bzw. tarifrechtlichen Vorschriften und Bestimmungen entscheiden dabei über den Spielraum, das Potenzial, das den auf diesem Feld agierenden Personen zur Verfügung steht und sie möglicherweise hindert. Dabei muss je-doch Rücksicht auf die faktische Kraft der gesetzlichen Normen genommen werden (vgl. die Unterscheidung zwischen Flexibilität und Permissivität eines Rechtssystems bei Bluhm 2006). Gleichzeitig ist die handlungsorientierte Per-spektive zu beachten. Bei der Bestimmung des Flexibilitätsgrades eines konkre-ten Arbeitsmarktes müssen die Reaktionsweisen und Strategien der an den Be-schäftigungsprozessen beteiligten Akteure entsprechend berücksichtigt werden. Dabei muss zwischen Arbeitnehmern und ihren spezifischen Interessenlagen und Arbeitgebern und deren Handlungsperspektiven unterschieden werden. Eine solche mehrdimensionale Betrachtungsweise dürfte sich als aussagekräftiger als bis dato übliche Analysen erweisen. Diese Vorgehensweise wurde am Beispiel des polnischen öffentlichen Lehrerarbeitsmarktes exemplarisch eingesetzt (Ko-pycka 2009).

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3. Rahmenbedingungen: Demographischer Wandel und Flexibilität des öffentlichen Dienstes in Deutschland und Polen

Für die Bewältigung des demographischen Wandels sei in den von ihm besonders betroffenen Transformationsländern Ostdeutschland und Polen eine flexible Per-sonalpolitik erforderlich, so lautet die zu prüfende Annahme des Forschungspro-jektes. Bevor die Praktiken der Kommunen als die der handelnden Akteure em-pirisch zu analysieren sind, ist es nützlich sich ihres Handlungsrahmens zu ver-gewissern. Insbesondere die Natur und der Umfang des demographischen Wan-dels in Deutschland und Polen sind hierfür genauer zu charakterisieren. Eine zweite Rahmenbedingung des Handelns stellen die (arbeits-)rechtlichen Be-schränkungen der Flexibilität von kommunalen Arbeitgebern in Deutschland und Polen dar. Da in der Literatur und im öffentlichen Diskurs durchaus um-stritten ist, inwiefern der demographische Wandel für Kommunen relevant ist und ob er ein Problem darstellt, sollen vor den subjektiven Problemsichten der handelnden Akteure auch die Grundzüge der Relevanz von demographischen Prozessen für Kommunen dargestellt werden, um Elemente einer intersubjektiv gültigen demographischen Problematik für Kommunen umreißen zu können.

Aufgrund der Doppelnatur von Sozialstruktur (Giddens 1988) interessiert in die-sem Kapitel zuerst Sozialstruktur als beschränkende und ermöglichende Rah-menbedingung sozialen Handelns. Einige der hier angesprochenen Themen wie der Problemgehalt von demographischen Entwicklungen für Kommunen oder auch die institutionellen Änderungen und Anwendungen von Bildungspolitik oder Arbeitsmarktflexibilität werden in späteren Kapiteln des Berichtes als Teil-elemente von Strukturierung und Agency, also als Bearbeitungsformen von Her-ausforderungen, wieder aufgegriffen.

Der Aufbau des folgenden Kapitels orientiert sich am Grundmodell des hier ver-folgten Ansatzes (Abb. 3):

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Abb. 3: Modell des Untersuchungsgegenstandes

Es wird zuerst auf den demographischen Wandel in Deutschland und Polen ein-gegangen. Da kontrovers diskutiert wird, inwiefern es sich bei diesen „demogra-phischen“ Rahmenbedingungen um Fakten handelt oder ob hier bereits eine „Demographisierung“ von sozialen Problemen vorgenommen wird, sind dieser Darstellung Vorbemerkungen über den Stellenwert der Profession Demographie vorgeschaltet. Nach der allgemeinen Charakterisierung der demographischen Entwicklung in den beiden Ländern wird versucht, die damit in Zusammenhang stehenden möglichen Probleme für Kommunen genauer zu beschreiben und da-mit auch den Stellenwert von Personalpolitik in der Bearbeitung dieses Prob-lems zu bestimmen. Im letzten Abschnitt wird auf rechtliche und gesellschaftli-che Rahmenbedingungen von Arbeitsmarktflexibilität eingegangen, exempla-risch vertieft am Beispiel von polnischen Lehrern.

3.1 Rahmenbedingung demographischer Wandel

3.1.1 Demographie und Demographisierung sozialer Probleme In der Literatur wird widerstreitend erörtert, welchen Stellenwert demographi-sche Probleme für die Gegenwartsgesellschaft aufweisen. Einige prominente Autoren wie Birg (2001) oder Kaufmann (2005), die wir im Folgenden als Prob-lemnaturalisten bezeichnen möchten, gehen davon aus, dass der in Mitteleuropa besonders ausgeprägte Bevölkerungsrückgang ein zentrales Problem der Ge-

Bewältigungs -strategien

Institutionalisierte Rahmenbedingungen

Gesellschaftliche Folgen

Problemdefinition/- wahrnehmung

Rahmenbedingung: Demographischer Wandel

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genwart sei, während andere Gesellschaftswissenschaftler wie Hondrich (2007) dagegen sogar positive Aspekte darin erblicken. Neben einem Diskurs über de-mographischen Wandel hat sich deshalb ein konstruktivistischer Diskurs über die „Demographisierung“ sozialer Probleme entwickelt (Barlösius/Schiek 2007). Vertreter dieser Perspektive bezeichnen wir im Folgenden als Problemkonstruk-tivisten.

Zur Analyse dieser Kontroverse zwischen Problemnaturalismus und Problem-konstruktivismus wurde im Projekt dem Vorschlag von Abbott (2001) eines gemäßigten Realismus gefolgt, d.h. es wird davon ausgegangen, dass demogra-phische Probleme real Schwierigkeiten für Kommunen aufwerfen können. In diesem Zusammenhang wird die demographische Lage im herkömmlichen Sinne als Bevölkerungsstruktur und damit als Objekt der Analyse aufgefasst. Es wird aber auch geprüft, inwiefern und wie die Profession der Demographie Probleme sozial konstruiert. Bevor deshalb der Verlauf der demographischen Entwicklung in Deutschland und Polen erläutert wird, soll kurz dargestellt werden, wie die Demographie – verstanden als Bevölkerungswissenschaft – Sachverhalte sozial konstruiert.

Die Analyse der Konstruktion sozialer Probleme durch Professionen folgt der komplexen Professionstheorie von Abbott (1988), der drei Kernbestände des Wissens von Professionen unterscheidet: Diagnose, Inferenz und Intervention. Bartl (2009) zeigt, dass sich die Demographie in der Neuzeit als eine der ersten Sozialwissenschaften um den Begriff Bevölkerung konstituiert, aber zugleich immer verbunden ist mit Praktiken der Bevölkerungspolitik. Über die Jahrhun-derte ergibt sich daraus für die Bevölkerungswissenschaft eine Kernkompetenz in Fragen der statistischen Problemdiagnose (vgl. Desrosières 2005), für die the-oretische Inferenz und die praktische Intervention wird allerdings in der Regel auf andere Professionen und ihre Wissensbestände zurückgegriffen. Im 17. Jahr-hundert verbindet sich z.B. die demographische Analyse von Mortalitätsdaten mit von Medizinern geprägten Interventionsvorschlägen der public health Be-wegung (Szreter 2003). In Deutschland wirkt noch heute – trotz einer durchaus breiten, theoretisch pluralistischen Demographie des 18., 19. und frühen 20. Jahrhunderts – die Zusammenarbeit von Demographie und biologisch-medizini-scher „Rassenhygiene“ negativ nach, da sie im Nationalsozialismus eng mit mörderischen Bevölkerungspolitiken liiert war (Mackensen 2006; Macken-sen/Reulecke 2005).

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Gegenwärtig kann die Demographie in Deutschland als eine seit den 1970er Jah-ren an Bedeutung und Ressourcen gewinnende Profession charakterisiert wer-den, die allerdings im Kreis der Sozialwissenschaften als eher ressourcenarm gelten kann mit bundesweit etwa sechs Lehrstühlen, einem Studiengang, einem Max-Planck-Institut und einem Bundesinstitut. Eine detaillierte Analyse von wirkmächtigen „demographischen“ Dokumenten des gegenwärtigen Problem-diskurses wie den Praxisbeispielen der Bertelsmann-Stiftung8 (Sackmann/Bartl 2008) bestätigt die schwache Position der Demographie innerhalb dieses Dis-kurses. Die Bevölkerungswissenschaft kann in diesen Dokumenten für sich in Anspruch nehmen, relativ weitgehend Diagnosen zur Gesellschaft zu erstellen, die statistisch belegt werden, bei den sie begleitenden Interventionskonzepten muss sie allerdings mangels Expertise anderen Wissenschaften, v.a. der Ökono-mie (strategisches Management), den Vorrang lassen. Es zeigt sich folglich eine unvollständige Demographisierung sozialer Probleme im Bereich der Themati-sierung von Problemen in Kommunen.

Trotz eines unterschiedlichen Grades der Ressourcenausstattung der Demogra-phie kann auch auf internationaler Ebene ein Ungleichgewicht der professionel-len Wissensbestände der Demographie festgestellt werden: Relativ hoch entwi-ckelt sind die diagnostischen Wissensbestände der Demographie, insbesondere ihre methodischen und statistischen Fertigkeiten (Morgan/Lynch 2001). Eine Besonderheit ist hier, dass Prognosen eine wichtige Rolle spielen, d.h. dass in der Vergangenheit beobachtete Entwicklungen in die Zukunft projiziert werden. Dies ist theoretisch nicht unproblematisch, da manchmal ohne Explizierung the-oretischer Annahmen davon ausgegangen wird, dass die Zukunft so sein wird wie die (mathematisch systematisierte) Vergangenheit. Eine sehr viel geringere Bedeutung weist die Ausarbeitung theoretischer Inferenz auf. Nicht selten wer-den Theorien aus der Soziologie oder Ökonomie importiert; inwieweit es sich bei zentralen theoretischen Konzepten wie dem des demographischen Über-gangs um erklärende Theorien handelt, ist umstritten (Szreter 1993); innerhalb der Demographie werden Theoriedefizite beklagt (Greenhalgh 1996). Die relativ geringe Entwicklung von Interventionswissen in der Demographie ist ein weite-res Kennzeichen dieser Disziplin, was sowohl in der starken Präsenz von Nach-bardisziplinen bei vorgeschlagenen Interventionskonzepten seinen Ausdruck findet, als auch in der geringen Anzahl ausgebildeter „angewandter“ Demogra-phen. Die empirisch festgestellte unvollständige Demographisierung sozialer 8 http://demographiekonkret.de/Kommunen.15.0.html [23.05.2009]

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Probleme beruht in hohem Maß neben der Ressourcenschwäche dieser Disziplin auf der Struktur ihres professionellen Wissensbestandes, die eine „Zuständig-keitseroberung“ über diagnostische Kompetenzen sehr viel leichter macht als eine „Zuständigkeitsverteidigung“ durch ein Monopol an komplexen Erklärun-gen (Inferenz) oder über praktische Problemlösungsroutinen der Intervention.

Zusammenfassend kann hier festgehalten werden, dass im Bereich der Konstruk-tion von kommunalen Problemen eine unvollständige Demographisierung sozia-ler Probleme konstatiert werden kann, derart, dass demographische Beschrei-bungen sozialer Probleme zunehmen, ohne dass sie eingebettet wären in demo-graphisch konzipierte Erklärungs- und Interventionskonzepte. Verantwortlich ist hier neben der geringen Ressourcenausstattung der deutschen Demographie die professionelle Wissensstruktur auch der internationalen Demographie, die di-agnosestark, aber inferenz- und interventionsschwach ist.

3.1.2 Demographischer Wandel in Deutschland und Polen In einer gemäßigt realistischen Sicht der sozialen Welt gilt als gesichert, dass professionelle Wissensysteme wie die Demographie, als Wissenschaft, und de-ren Konkurrenz mit anderen Wissenssystemen Weltbilder beeinflussen. In einer realistischen Sicht weist die soziale Welt darüber hinaus auch eine Naturprozes-se mitumfassende Eigendynamik an nicht-intendierten Folgen auf, die sorgfältig als Handlungsbedingung analysiert werden sollte. In diesem Sinne werden im Folgenden die Grundzüge der demographischen Entwicklung in Deutschland und Polen dargestellt.

Die demographische Entwicklung einer politischen Einheit (Staat, Kommune) ergibt sich aus einer Kombination der drei Prozesse Fertilität, Mortalität und grenzüberschreitende Migration. Für die kombinierte Betrachtung von Fertilität und Mortalität hat sich der Begriff der natürlichen Bevölkerungsentwicklung etabliert. Fertilitäts- und Mortalitätsprozesse gelten in der Regel als „klebrige“ Entwicklungen, d.h. ihr Verlauf ist außerhalb von sozialen Katastrophen wie Kriegen eher stetig. Migrationsprozesse sind dagegen eher volatil und folgen in modernen Gesellschaften prozyklisch der Konjunktur (wenn die politischen Grenzöffnungsregime konstant sind). Für die Betrachtung der Folgen demogra-phischen Wandels in Transformationsgesellschaften ist von besonderem Interes-se, a) wie sich das Bevölkerungsvolumen insgesamt entwickelt, b) welche Al-tersstruktur in einer gegebenen Verteilung zu beobachten ist und c) mit welcher Geschwindigkeit und in welcher zeitlichen Form sich Volumen und Verteilung

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verändern. Die anschließende Analyse des demographischen Wandels fasst die komplexeren Ausführungen in Gołata/Jonda (2008) und Kopycka (2009) zu-sammen und folgt dabei vergleichend nach der Darstellung der „Bevölkerungs-pyramide“ den Prozessen Fertilität, Mortalität und Migration. Alltagsweltlich könnte man annehmen, dass primär kulturelle Unterschiede ausschlaggebend für Differenzen in Gestalt und Verlauf des demographischen Wandels in Polen und Deutschland sind. Die größten Differenzen würde man dabei zwischen dem hypothetisch angenommen fertileren katholischen Polen und der extrem säkula-ren Region Ostdeutschland vermuten.

Folgt man der klassischen Unterscheidung von visualisierten Bevölkerungs-strukturen in Pagoden-, Dreiecks-, Glocken- und Urnenform (Höpflinger 1997: 183), so unterscheiden sich die Bevölkerungspyramiden zu Beginn des Transfor-mationsprozesses 1990 noch strukturell voneinander, während sie 2005 dagegen dem gleichen Typus angehören (Gołata/Jonda 2008: 28f.): Die polnische Bevöl-kerungsstruktur weist 1990 noch eine Glockenform auf, ist also noch nicht ein-deutig vom zweiten demographischen Übergang erfasst, während dagegen die deutsche Bevölkerungsstruktur in West- und Ostdeutschland bereits eine Urnen-form von deutlich schmaleren Balken jüngerer im Vergleich zu mittelalten Ge-burtskohorten aufweist. 15 Jahre später haben sich die Bevölkerungsstrukturen trotz einiger Unterschiede der Besetzung im mittleren und oberen Altersbereich so weit angeglichen, dass nun beide Länder eine klare Urnenform aufweisen. Welche Prozesse verursachen diese demographische Altersstruktur und deren Veränderung?

Betrachtet man die Fertilitätsentwicklung Polens in den 1980er Jahren so finden sich durchaus Belege für eine „katholische“ Besonderheit des Landes im Kon-text der europäischen Entwicklung jener Jahre. Mit einer zusammengefassten Geburtenziffer von 2,42 im Jahr 1984 (und einer auch aufgrund eines „Echos des Baby-Booms“ der Nachkriegszeit auch vom Volumen stark steigenden Neu-geborenenkohorte vom Ende der 1970er bis 1983) nimmt die polnische Bevöl-kerung im Unterschied zu vielen west- und osteuropäischen Gesellschaften jener Jahre noch aufgrund eines natürlichen Bevölkerungsprozesses deutlich zu. Eine kulturalistische Erklärung der demographischen Entwicklung kann allerdings nur unzureichend die darauf folgende Entwicklung eines rapiden Geburtenrück-gangs auch in Polen erklären (Tab. 1).

Obwohl das Ausgangsniveau der zusammengefassten Geburtenziffer 1990 in Polen noch 0,5 über dem deutschen Niveau liegt, unterschreitet seit 2000 die

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polnische Geburtenziffer die deutsche und weist mit 1,27 Kindern 2006 einen der niedrigsten Werte in ganz Europa auf. Beide Gesellschaften weisen also ein Geburtenniveau auf, das dem Muster des zweiten demographischen Übergangs folgt, also einer Fertilitätsrate, die deutlich unter dem Bestandserhaltungsniveau angesiedelt ist.

In fast allen europäischen Gesellschaften und zunehmend auch in anderen OECD-Ländern kann dieses Muster gefunden werden. Auf einer deskriptiven Ebene kann man sagen, dass durchschnittlich weniger Kinder pro Frau geboren werden und dass gleichzeitig lebenszeitlich später Kinder geboren werden. Der Transformationsprozess hat dieses Muster insofern beschleunigt als Fertilitäts-verläufe in kommunistischen Ländern aufgrund von grundlegenden Unterschie-den in der Lebenslaufpolitik anders strukturiert waren: Dort war es üblich (häu-fig aus Gründen der Zuteilung von Wohnungen) Kinder in einem recht frühen Alter von Anfang zwanzig zu bekommen, ebenso wie aufgrund einer staatlich betriebenen Vereinbarungspolitik von Familie und Erwerb (die politökonomisch durch Arbeitskräfteknappheit motiviert war) die Anzahl kinderloser Paare relativ gering war (vgl. ausführlicher zur Veränderung von Fertilitätsmustern im Trans-formationsverlauf: Sackmann 1999, 2000; Dornseiff/Sackmann 2002, 2003; Kreyenfeld 2001; Lechner 1998, 2001). In beiden Dimensionen gibt es in fast allen europäischen Transformationsländern eine Angleichung an mittel- und westeuropäische Muster, die auch, aber nicht nur aufgrund von Timing-Verschiebungen zu einem starken Rückgang der zusammengefassten Geburten-ziffer führt. In Transformationsländern mit einer starken organisationsökologi-schen Dynamik in Form einer hohen Zahl von Betriebsschließungen und -grün-dungen zu Beginn des Transformationsprozesses, wie z.B. Ostdeutschland (Windzio 2003), setzt die post-transformatorische Veränderung des Fertilitäts-verhaltens schneller ein als in Ländern mit einer langsameren Dynamik des Wandels der Organisationsökologie.

Tab. 1 zeigt, dass die Geburtenrate in Ostdeutschland sehr schnell und massiv einbricht, bereits ab 1994 nimmt sie dann langsam zu und erreicht 2006 einen Wert, der fast äquivalent zum westdeutschen Geburtenniveau ist (das auf der Ebene der zusammengefassten Geburtenziffer seit Mitte der 1970er Jahre um 1,4 schwankt). Obwohl durch eine Veränderung lebenslaufpolitischer Impulse eine weitreichende Angleichung ostdeutschen Fertilitätsverhaltens an westdeut-sche Muster stattgefunden hat, gibt es bei einzelnen Elementen wie der niedri-gen Kinderlosenrate und der geringeren Anzahl von Familien mit zwei und mehr

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Kindern Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland (Kunze/Sackmann 2008). Tab. 1: Zusammengefasste Geburtenziffer in Polen und in Deutschland 1990 1991 1993 1995 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006

Polen 1,99 1,99 1,77 1,55 1,51 1,44 1,37 1,37 1,31 1,25 1,22 1,23 1,24 1,27Früheres Bundesgebiet 1,45 1,42 1,35 1,34 1,44 1,41 1,41 1,41 1,38 1,37 1,36 1,37 1,36 1,34

Neue Bun-desländer 1,52 0,98 0,77 0,84 1,04 1,09 1,15 1,21 1,23 1,24 1,26 1,31 1,30 1,30

Deutschland insgesamt 1,45 1,33 1,24 1,25 1,37 1,36 1,36 1,38 1,35 1,34 1,34 1,36 1,34 1,33

Quelle: Gołata/Jonda (2008), S. 30

Im Vergleich dazu vollzog sich die Veränderung der Fertilitätsrate in Polen nach der Wende etwas gleichmäßiger, wie Tab. 1 zeigt. In komparativer Sicht der Transformationsländer beschleunigt sich dieser Prozess in Polen zwar später als in Ostdeutschland ist aber doch schneller als in graduelleren Transformations-ländern, indem zwischen 1991 und 1998 ein starker Rückgang der zusammenge-fassten Geburtenziffer um 0,5 erfolgt. Auch danach fällt die Geburtenziffer und steigt erst 2003 (inzwischen auf einem sehr niedrigen Niveau) erstmals wieder leicht an. In der Gesamtschau kann man konstatieren, dass auch aufgrund des sehr viel höheren Ausgangsniveaus zu Beginn der 1980er Jahre sowohl in Vo-lumen und Verhaltensänderung das Ausmaß des Geburtenrückgangs in Polen umfangreicher als in Ostdeutschland ist, aber sich um einige Jahre zeitversetzt vollzieht. Die vorher geäußerte Vermutung, dass kulturelle Prägungen wie die tief verankerte Katholizität diesen Prozess moderiert haben könnten, bestätigt sich nicht. Im Vergleich beider Länder zeigt sich ein starker Einfluss der Religi-on und religiösen Kultur eines Landes auf die Abkehr von der Ehe und ihre Er-setzung durch nichteheliche Lebensgemeinschaften, die in Ostdeutschland sehr viel weiter fortgeschritten ist als in Polen (Gołata/Jonda 2008), nicht aber bei Prozessen der Fertilität.

Nicht unwichtig für die „Demographisierung“ sozialer Probleme ist, dass die polnische Profession Demographie, obgleich normaler Teil der internationalen Community, andere Erwartungsstrukturen bezogen auf die Daten entwickelt hat als in Ostdeutschland, die zu einer verzögerten Thematisierung demographi-schen Wandels in Polen beitrugen. Die Zyklizität von geburtenstarken Jahr gängen der 1950er und im Übergang von den 1970er zu den 1980er Jahren, die

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jeweils große Volumenverschiebungen bewirkten, führten zu der Vermutung, dass auch an der Jahrtausendwende ein entsprechendes „Echo des Baby-Booms“ sich vollziehen sollte. Erst als dieses ausblieb, setzte eine intensive Debatte über „negative Entwicklungstendenzen“ ein (Instytut Problemów Współczesnej Cy-wilizacji 2000; Okólski 2004; Frąckiewicz 2003).

Betrachtet man die Entwicklung der Mortalität in Deutschland und in Polen, so ist in beiden Ländern – der Entwicklung in den meisten westlichen Ländern in den letzten 40 Jahren folgend – ein Altern von der Spitze her zu beobachten, d.h. die Lebenserwartung nach Erreichen von Alter 60 steigt an. Ost und West glei-chen sich an (Vaupel/von Kistowski 2007). In Deutschland ist seit der Wende die in den 1970er Jahren erfolgte zunehmende Auseinanderentwicklung der Mortalität in Ost und West wieder in einen sich annähernden Prozess umgekehrt worden. Die 1990 noch 3 Jahre betragende Differenz der Lebenserwartung zwi-schen Ost- und Westdeutschland hatte sich bereits 1999 auf 0,5 Jahre bei Frauen und 1,6 Jahre bei Männern reduziert. Eine genauere Analyse der diese Geschlech-terdifferenzen verursachenden Morbiditätsprofile zeigt eher verhaltens-, denn arbeitsbezogene Ursachen (Luy 2004). In Polen sind die Geschlechterdifferen-zen bei der Mortalität noch ausgeprägter als in Deutschland: Die durchschnittli-che Lebenserwartung differierte zwischen Deutschland und Polen 1990 bei Frauen nur um 3 Jahre und verkürzte sich im Jahr 2005 auf 2 Jahre, während dagegen die Differenz bei Männern 1990 noch 6 Jahre betrug und auch dabei geblieben ist. Aufgrund dieser nach wie vor starken Unterschiede in der Lebens-erwartung ist der Anteil von über 65jährigen an der Gesamtbevölkerung in Polen zwar steigend, beträgt aber 2005 noch immer nur 13%, während er in Deutschland aufgrund der schwächeren Kriegskohorten seit den 1970er Jahren fast konstant blieb, aber seit der Jahrtausendwende schnell auf inzwischen 19% angestiegen ist (Gołata/Jonda 2008).

Bezogen auf die dritte Dimension der demographischen Entwicklung, Migrati-on, kann man feststellen, dass Ostdeutschland zwischen 1991 und 2004 einen Abwanderungsüberschuss nach Westdeutschland in Höhe von 0,9 Mio. Einwoh-nern aufweist, bei einer Ost-West-Wanderung von 2,18 Mio. Einwohnern (Sta-tistisches Bundesamt 2005; vgl. Mai 2004). Der Verlauf des Abwanderungssaldos ist wellenförmig insofern als die 1990 und 1991 noch sehr hohe Abwanderungs-zahl bis 1994 einhergehend mit Grenzöffnung und starker Lohnangleichung deutlich zurückgeht, sodass zwischen 1994 und 1998 fast ein neutraler Saldo erreicht wird. Bis 2001 steigen die Abwanderungen wieder an und gehen seither

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wieder zurück. Für Gesamtdeutschland verzeichnet die Bundesrepublik einen Wanderungsgewinn, der allerdings seit 1993 aufgrund rigiderer institutioneller Zuwanderungsbeschränkungen stark rückläufig ist. Bis 2003 kompensierte der Wanderungsgewinn Deutschlands die seit den 1970er Jahren zu verzeichnende negative Bilanz des natürlichen Bevölkerungsprozesses, seither schrumpft Deutschland um jährlich 30.000 Menschen.

Wanderungsbewegungen sind in Polen deutlich weniger wichtig für den demo-graphischen Wandel als in Ostdeutschland. Die stark negativen Wanderungssal-den in den 1980er Jahren (u.a. „Aussiedler“) gehen in den 1990er Jahren zurück und steigen auch nach dem EU-Beitritt nicht kontinuierlich an. Im Vergleich zu Vor-Transformationszeiten hat die statistisch schwerer zu erfassende zeitlich befristete Pendelmigration zugenommen in Relation zu dauerhaften Wande-rungsprojekten. 2006 wies die Wanderungsbilanz 36.100 mehr Abwanderer als Zuwanderer aus. Aufgrund der ebenfalls negativen Bilanz des natürlichen Be-völkerungsprozesses schrumpft Polen seit 1996 um jährlich 17.000 Menschen.

Mit Blick auf für Kommunen besonders relevante demographische Rahmenbe-dingungen sollen die bisherigen Ergebnisse zu den demographischen Struktur-veränderungen zusammengefasst werden:

a) Die beiden Transformationsländer Ostdeutschland und Polen weisen ähnli-che, durch die Transformation forcierte demographische Verschiebungen auf: Besonders einschneidend sind dabei die Veränderungen der Altersstruktur durch ein rapides Absinken der Geburtenzahlen deutlich unter das Bestandser-haltungsniveau, sowie eine Zunahme älterer Menschen durch eine deutliche Verlängerung der Lebenserwartung. In beiden Ländern verstärken negative Migrationssalden die im Trend negativ angelegte Entwicklung der natürlichen Bevölkerungsbewegung, sodass die Bevölkerungszahl insgesamt auch im Volu-men sinkt. In Westdeutschland verlaufen demgegenüber die Entwicklungen kon-tinuierlicher, hier moderiert insbesondere die häufig lokal noch positive Wande-rungsbilanz die Entwicklung des Volumens.

b) Spezifisch an der ostdeutschen demographischen Entwicklung ist, dass sie mit hoher zeitlicher Dynamik einsetzt. Deshalb hat der radikale Geburteneinbruch zu Beginn der 1990er Jahre inzwischen schon fast alle Bildungseinrichtungen erreicht: Kindergarten (ab Mitte der 1990er Jahre), Schulen (ab Ende der 1990er Jahre), Universitäten (ab 2010er Jahre). Da in Ostdeutschland (zyklisch unterschiedlich) teilweise umfangreiche negative Migrationssalden hinzukamen,

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charakterisieren hier auch häufig umfangreiche Volumenreduktionen den Pro-zess. Die im Vergleich zu Polen höheren Altersquotienten, die besonders im letz-ten Jahrzehnt angestiegen sind, reduzieren die demographischen Spielräume für Frühverrentungen.

c) Spezifisch an der polnischen demographischen Entwicklung ist, dass das Ge-samtvolumen des Geburtenrückgangs in den letzten 25 Jahren sehr viel größer ist als in Ostdeutschland, weswegen die demographischen Herausforderungen der Volumenanpassungen im Bildungsbereich größer sind. Im Vergleich zu Ost-deutschland vollzieht sich die Fertilitätsänderung nach der Wende etwas später und wenngleich massiv so doch stetiger. Die vergleichsweise geringeren Alters-quotienten bieten mehr Spielraum für eine laxe Regulierung des Übertritts in die Rente. Weniger umfangreiche Migrationsprozesse lassen die Volumeneffekte weniger stark aufscheinen.

d) Die demographische Entwicklung Westdeutschlands folgt dem gleichen Typus der Veränderung, der in den Transformationsländern registriert wurde, vollzieht sich aber vorhersehbar „klebriger“. Wanderungsgewinne bieten die Möglich-keit einer Kompensation.

3.1.3 Demographischer Wandel als Rahmenveränderung des öffentlichen Dienstes

Wie übersetzen sich demographische Veränderungen in Handlungs- und Struk-turprobleme für Kommunen? Im demographischen Diskurs wird aufgrund der weit ausgereiften Prognosetechniken häufig eine Ableitung von spezifischen Problemen in der Zukunft aus Bevölkerungsvorausberechnungen heraus vorge-nommen, z.B. indem aus steigenden Altersquotienten zunehmende Rentenbei-tragslasten mittlerer Jahrgänge abgeleitet werden. Dies ist nicht unproble-matisch, da den Reaktionen auf diese Herausforderungen zu wenig Gewicht bei-gemessen wird und stillschweigend in der Prognose die Annahme enthalten ist, dass eine Strukturkonstanz gegeben ist. So ergeben sich z.B. nur bei gleichblei-benden Renteneintrittsaltern aus steigenden Altersquotienten höhere Rentenbei-träge. Im Sinne des Challenge-Response-Modells postulieren wir deshalb im Folgenden nur befürchtete Folgen des demographischen Wandels für Kommu-nen, d.h. Folgen, die wahrscheinlich sind, wenn Strukturen und Handlungswei-sen nicht geändert werden. Diese sind als Befürchtungen bezogen auf das Mo-dell (Abb. 3) aber Teil der Problemwahrnehmung. Realisierte Folgen hängen dagegen in hohem Maß von den Bewältigungsstrategien der Kommunen ab, die

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in späteren Kapiteln genauer analysiert werden. Bei der Folgenabschätzung kon-zentrieren wir uns im Weiteren auf die in Transformationsprozessen besonders prägnant auftretenden Elemente der Veränderung der Altersstruktur (beschleu-nigte demographische Alterung) und die Reduktion des Volumens („Schrump-fung“).

Die Beschäftigung mit den Folgen des demographischen Wandels für den öf-fentlichen Sektor hat in der Forschungsliteratur eine kurze Tradition und besteht zu erheblichen Teilen aus Prognosen über künftige Entwicklungen. Im Folgen-den wird insbesondere auf die Relevanz demographischen Wandels für den Arbeitsmarkt des öffentlichen Sektors eingegangen. Demographischer Wandel wirkt sich v.a. auf zwei Aspekte des diesbezüglichen Handelns von Kommunen als Gefahrenpotential aus: Erstens geraten die kommunalen Finanzen zuneh-mend in eine Krise, weil Kommunen die materiellen Voraussetzungen ihres Handelns nur in Teilen selbst beeinflussen können (Junkernheinrich 2003: 425). Der demographische Wandel verschärft diese Ressourcenkrise. Zweitens verän-dert der demographische Wandel die Zusammensetzung des Erwerbspersonen-potentials und damit auch die personellen Voraussetzungen kommunalen Han-delns (Kistler/Hilpert 2001).

Bezogen auf die Auswirkungen demographischen Wandels auf kommunale Haushalte sind die Prognosen bezüglich der Volumenauswirkungen sehr viel eindeutiger als bezogen auf die Folgen einer Altersstrukturverschiebung. Trotz methodischer Schwierigkeiten einer isolierten Betrachtung demographischer Ursachenkomponenten von Einnahmen (Mäding 2004: 88ff.) kann man bezogen auf den Bevölkerungsrückgang auf einen proportionalen Einnahmerückgang schließen, da die Einwohnerzahl ein zentraler Verteilungsindikator im kommu-nalen Finanzausgleichssystem ist. Wichtige Einnahmequellen von Kommunen sind indirekte Steuern wie die Umsatzsteuer, die anteilig nach Bevölkerungszahl an die Kommunen weitergereicht werden, Einnahmen aus der Einkommenssteu-er ergeben sich aus dem gemeldeten Wohnort der Personen, nur direkte Steuern wie die Gewerbesteuer sind von Schrumpfung nicht unmittelbar betroffen. Die Auswirkungen der Altersstrukturveränderung auf das Steueraufkommen sind demgegenüber komplex (Seitz 2004; vgl. Bach/Bork/Krimmer u.a. 2002).

Auf der Ausgabenseite kommt es im Schrumpfungsfall bei Infrastrukturberei-chen mit hohem Fixkostenanteil zu steigenden Pro-Kopf-Ausgaben durch so ge-nannte Remanenzkosten (Seitz 2004; vgl. Junkernheinrich/Micosatt 2005). Be-zogen auf die Ausgabenseite für Dienstleistungen deuten erste Untersuchungen

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zu ihren Altersstrukturprofilen gesamtstaatlich einen u-förmigen Kostenverlauf an (Baum/Seitz/Worobjew 2002). Mit relativer Sicherheit lässt sich sagen, dass die Altersstrukturprofile der Ausgaben für Dienstleistungen auf Länder- und Gemeindeebene jeweils einen Jugendbias aufweisen (Seitz 2005). In „demogra-phisch sensitiven“ Ausgabenbereichen wie Bildung und Erziehung, sowie im Bereich öffentliche Sicherheit sind die Ausgaben für jüngere Altersgruppen hö-her als für ältere. Unter der kontrafaktischen Bedingung hoher Personalflexibili-tät ergäben sich hier aufgrund des hohen Personalanteils an den kommunalen Ausgaben (Andel 1998) und eines ausgeprägten Kinder- und Jugendbias um-fangreiche Ausgabenverringerungen im Gefolge der demographischen Alterung (Freigang/Kempkes 2008).

Ein zweiter wichtiger Folgenkomplex betrifft die Veränderung des Erwerbsper-sonenpotentials. Veränderungen wirken hier über eine Volumenreduktion, Al-tersstrukturverschiebungen und über Probleme des Austauschs. Eine Volumen-reduktion der Erwerbspersonen hat bisher noch nicht stattgefunden. Ihr kann durch eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit und eine Erhöhung der Frauen-erwerbsquote begegnet werden. Sehr viel präsenter ist die Veränderung der Al-tersstruktur der Beschäftigten (Hoj/Toly 2005). Der Anteil der über 55jährigen Er-werbstätigen ist in Ostdeutschland heute mit über 20% europaweit am höchsten, während er in Polen mit 12% europaweit am niedrigsten ist (Kotowska 2003). Dies ist auch Resultat vorhergehender bzw. gegenwärtiger Frühverren-tungspolitiken. Problematisch daran ist, dass alternden Belegschaften defizitäre Fähigkeiten zugeschrieben werden, wie mangelnde Leistungs- und Innovations-fähigkeit. Die Beteiligung an organisierter Weiterbildung ist nach vielen Jahren des Anstiegs jüngst rückläufig (Kuwan/Bilger/Gnahs u.a. 2006; Kuwan/Thebis 2006). Austauschprobleme ergeben sich z.T. aus den Folgen von Frühverren-tungspolitiken und Einstellungspraktiken der letzten Dekaden. Wenn daraus homogene Altersstrukturen entstanden sind, was in Ostdeutschland nicht selten der Fall ist, ergibt sich das Problem eines blockierten Generationsaustausches (Grünert 2002; Lutz/Grünert 2001), wonach Betriebe ab etwa 2010-2015 mit einem akuten Fachkräftemangel konfrontiert sein könnten, da das Ausscheiden großer Erwerbskohorten mit dem Eintritt kleiner Berufseintrittskohorten zusammenfällt. Weitere Austauschprobleme ergeben sich in Organisationen durch die demographisch bedingte altersstrukturelle Nachfrageverschiebung nach öffentlichen Dienstleistungen, da sie nicht immer durch eine Personalver-schiebung nachvollzogen werden kann, wenn z.B. im Bildungssystem durch die

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sinkende Kinder- und Jugendquote Personalüberhänge entstehen, während im Gesundheitssystem durch die steigende Altersquote Expansionsbedarf vorhan-den ist.

Zusammenfassend kann man sagen, dass demographischer Wandel in hohem Maße eine unmittelbare Relevanz für Kommunen hat, insofern sowohl Verände-rungen des demographischen Volumens als auch der Altersstruktur direkt Finanz- und Erwerbspersonenressourcen beeinflussen. Gleichzeitig zeigt sich bereits an dieser Stelle, dass einfache Prognosen der Wirkungen von Demogra-phie auf Kommunen nur sehr schwer möglich sind, da die bisher einschnei-dendsten Wirkungen durch institutionelle Verknüpfungen von demographischem Wandel und Ressourcenströmen erzeugt werden. So bewirken schrumpfende Einwohnerzahlen eine Abnahme der Steuereinnahmen, die durch Remanenzkos-ten per Saldo verstärkt werden. Ob sich allerdings kompensierend Prognosen einer finanziellen Ausgabenentlastung durch Verschiebungen der Altersstruktur (Kinder- und Jugendbias der Ausgaben) realisieren, hängt in hohem Maß von praktizierten Formen der Personalflexibilität ab. Bezüglich der organisations-demographischen Auswirkungen demographischen Wandels sind bisher die Folgen von Fehlern vergangener Flexibilitätsmaßnahmen für Austausch-prozesse (blockierter Generationsaustausch) bedeutsamer als Volumeneffekte. Allerdings wird hier künftig die Altersstrukturverschiebung (und deren Bewälti-gung) an Gewicht gewinnen.

3.2. Rahmenbedingung rechtliche Regelungen der Arbeitsmarktflexibilität

Der demographische Wandel beeinflusst das Handeln der Kommunen einerseits als möglicher Handlungsgegenstand andererseits indem, wie dargestellt wurde, damit auch Ressourcenströme für Kommunen sowohl durch Volumenänderun-gen und Veränderungen der Altersstruktur beeinflusst werden. Im Folgenden wird zu betrachten sein, inwieweit das Reaktionspotential der Kommunen durch institutionelle Regelungen beeinflusst wird, hier insbesondere durch rechtliche Regulierungen der Arbeitsmarktflexibilität. Hierzu sollen zuerst Formen von Flexibilität unterschieden werden, dann Grundzüge rechtlicher Regelungen von Beschäftigungsverhältnissen in deutschen und polnischen Kommunen darge-stellt werden, um am Ende – am Beispiel des polnischen Lehrergesetzes – Ent-wicklungslinien zu bestimmen.

Veränderungen der Arbeitmarktflexibilität wurden in den letzten Jahrzehnten durch zwei internationale hegemoniale Diskurse mit Bedeutung belegt. Zum ei-

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nen gilt die institutionell rechtliche Deregulierung von Beschäftigungsverhält-nissen als eine Voraussetzung zum Abbau von Arbeitslosigkeit im neoliberalen Diskurs (OECD 1994; Sackmann 2001). Zum anderen kommt dem Umbau des Selbstverständnisses von Aufgabenerfüllung eine wichtige Rolle im New Public Management Diskurs zu, der in verknappter Form als eine Umstellung von lega-listischer zu managerialistischer Verwaltungskultur charakterisiert werden kann (König 2003; Lane 2005). Beide Tendenzen finden sich in Deutschland und Polen in deutlich geringerer Durchsetzung als z.B. in angelsächsischen Ländern.

Flexibilität interessiert in diesem Kapitel, Kopycka/Reinhold (2008) zusammen-fassend, als institutionell gegebenes Potenzial eines Handlungsspielraums für Unternehmer (projektrelevant Kommunen), unabhängig von der Ausschöpfung dieses Potentials. Flexibilität ist ein mehrdimensionales Konzept, das sich einer-seits auf die drei numerischen Anpassungsmöglichkeiten im Sinne der klassischen Ökonomie bezieht: Arbeitszeit; Einstellungen/Entlassungen und Lohnkosten; an-dererseits den drei spiegelbildlichen funktionalen Flexibilitätsbereichen von Qualifizierung/Arbeitsorganisation; Eingliederung/Auslagerung von Ausgaben und Variabilität der Lohnbestandteile.

Der öffentliche Dienst gilt rechtlich als inflexibel. Er stellt einen hierarchischen, von der Außenwelt abgeschotteten und hoch institutionalisierten Arbeitsmarkt dar, der nach einer eigenen Logik der langfristigen (und zum Teil sogar lebens-langen) Beschäftigung, des Laufbahnprinzips und von internen Aufstiegen strukturiert ist (Henneberger 1997; Keller 1985). Sichtbaren Ausdruck findet die „Andersartigkeit“ des öffentlichen Sektors in spezifischen Beschäftigungsver-hältnissen.

In Deutschland werden rechtlich zwei Statusgruppen der Beschäftigten im öf-fentlichen Sektor unterschieden: Beamte und Arbeitnehmer. Konstitutiv sind Beamte. Für Berufsbeamte gilt das öffentliche Dienstrecht, das diese Status-gruppe entsprechend der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums in ein lebenslanges Dienst- und Treueverhältnis mit ihrem Dienstherrn stellt. Um sich die Loyalität der Beamten und ihre Unabhängigkeit gegenüber Privatinte-ressen dauerhaft zu sichern, wird die Besoldung nicht als Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung interpretiert, sondern als Alimentation zur Sicherung einer angemessenen Lebensführung. Trotz kleinerer Änderungen – wie der Einführung von Leistungsentlohnungskomponenten im seit 2006 geltenden ein-heitlichen Tarifvertrag für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes (TVöD) –

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konzentrierten sich Flexibilisierungen im öffentlichen Dienst auf funktionale Elemente.

Der öffentliche Dienst ist deshalb inzwischen Vorreiter in der Befristungs- und Teilzeitpraxis: die Anzahl der (überwiegend weiblichen) Teilzeitbeschäftigten und die Anzahl der befristet Beschäftigten ist im öffentlichen Dienst höher als in der Privatwirtschaft (Keller/Henneberger 1999: 247; Derlien 2004; Gieseke 2006). Die Übergänge zwischen Struktur und Strukturierung, zwischen Rah-menbedingung und Agency werden an diesem Punkt flüssig, da bereits Keller (1993: 72) früh darauf hingewiesen hat, dass die Erosion des Normalarbeitsver-hältnisses im öffentlichen Dienst keineswegs das Ergebnis einer rechtlichen De-regulierungspolitik sei. Beide seien eher Resultat der Strategien von Beschäfti-gern. Inwiefern diese selbst allerdings Getriebene des engen Dienstrechtes sind, das sie umgehen möchten, wird im fünften Kapitel genauer zu prüfen sein.

Zu den klassischen numerischen Flexibilitätselementen gehören auch die Lohn-kosten. Eine Studie von Heitmüller und Mavromas (2005; 2007) zeigt, dass sich die Lohndifferenz zwischen öffentlichem und privatem Sektor in den 1990er Jahren in Ost- und Westdeutschland unterschiedlich entwickelte: im Westen blieb der Lohn im öffentlichen Sektor geringfügig und konstant unter dem priva-ten Sektor, während in Ostdeutschland Entgeltvorteile im öffentlichen Dienst lagen, die im Zeitverlauf zunahmen.

In Polen regelt das Gesetz über die Angestellten der kommunalen Selbstverwal-tung vom 22.3.1990 die rechtlichen Bedingungen für die Beschäftigung von Angestellten in der kommunalen Selbstverwaltung, sofern sie nicht die später noch genauer beschriebenen Lehrer betreffen. Danach wurde dieser Bereich als Teil des Personals der öffentlichen Verwaltung angesehen, aber es wurden (fast) keine Staatsbeamten eingerichtet. (Insgesamt ist in Polen auf allen Ebenen des Staates die Anzahl der Beamten nach der während der kommunistischen Zeit fast vollkommenen Marginalisierung dieses Status nach wie vor recht gering.) Das Gesetz unterscheidet vier Beschäftigungsgruppen nach ihrer Beschäfti-gungsgrundlage: Wahl, Nominierung, Ernennung und Arbeitsvertrag. Die Spitze der Verwaltung bilden die gewählten Bürgermeister und die nominierten Lei-tungspositionen. Je nach Kategorie gelten spezifische Regeln für Rekrutierung und Entlassung (Regulski 2003: 166). Das polnische Arbeitsrecht wurde in einer rechtsvergleichenden Untersuchung des Kündigungsschutzes als sehr liberal eingeschätzt (Kiedrowski 2007).

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Da ein Ausbildungssystem für den öffentlichen Dienst in Polen erst nach der Wende aufgebaut wurde, besteht noch ein deutlicher Professionalisierungsbedarf (Kowalczyk 2000: 239). Die Macht der Gewerkschaften wird als relativ gering eingeschätzt (Kubicek 2004: 71-102), die Löhne im öffentlichen Sektor liegen unter dem privaten. Durch Anreize zur Frühverrentung gibt es in Polen eine ge-ringere Beschäftigtenquote Älterer (55-64), der Übertritt in den Ruhestand findet mit durchschnittlich 58 Jahren ca. drei Jahre vor dem Übertritt in Deutschland statt (Moraal/Schönfeld 2007: 25).

In einer Fallstudie (Kopycka 2009) wurde im Projekt die Entwicklung des polni-schen Lehrergesetzes in den letzten Jahrzehnten verfolgt. Zum einen handelt es sich bei Lehrern um eine der größten Beschäftigtengruppe des öffentlichen Dienstes überhaupt, die zugleich in einem besonders demographiesensiblen Be-reich angesiedelt ist. Zum anderen gibt es in Polen die ungewöhnliche Konstel-lation eines berufsgruppenspezifischen Gesetzes, das in relativ detaillierter Wei-se zentralstaatlich einen Flexibilitätsrahmen setzt, der sich – und dem gilt unsere Aufmerksamkeit – über die Zeit verändert.

Das Arbeitsverhältnis des Lehrers gilt im polnischen Recht als (potentielles) Dienstverhältnis, weswegen es ein spezifisches Gesetz für diese Gruppe seit 1982 gibt, das seither zwanzigmal wesentlich geändert wurde (Komorowski 2005: 37).

Im Gefolge der Bildungsreform 1999 wurde im Lehrergesetz 2000 eine neue Regulierung der Aufstiegsfolge festgelegt: Danach beginnt man in der Regel als Lehrer-Praktikant meist für ein Jahr, wird dann Kontraktlehrer. Nach etwa 3 Jahren kann man im Falle einer positiven Begutachtung durch Schulleiter und Kommission in den Status eines ernannten Lehrers wechseln, nach etwa weite-ren 3 Jahren kann man bei Bewährung und dem Durchlaufen einer weiteren Be-gutachtung den höchsten Status eines diplomierten Lehrers erreichen. Von die-sen Laufbahnstufen unabhängig ist die Frage des Beschäftigungsverhältnisses. Das polnische Lehrergesetz unterscheidet hier zwischen einem Arbeitsvertrag und einem Dienstverhältnis, wobei letzteres immer unbefristet ist.

Ein befristeter Arbeitsvertrag kann nur unter den im Lehrergesetz genannten Gründen abgeschlossen werden: Seit 1982 bei Vertretungen oder organisatori-schen Umstrukturierungen. Seit 2000 gilt dies auch für Berufseinsteiger bis ein-schließlich der Stufe des Kontraktlehrers. Seit 2001 wurde dies bezüglich der Kontraktlehrer wieder zurückgenommen, die in der Regel unbefristet eingestellt

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werden, allerdings wird ihr Vertrag beendet, wenn sie nach vier Jahren nicht zum ernannten Lehrer aufgestiegen sind. Die letzte Regel wurde 2004 wieder aufgehoben. Seit 2004 gilt, dass mit dem Wechsel zum ernannten Lehrer auch eine Umwandlung seines Beschäftigungsverhältnisses in ein Dienstverhältnis erfolgt. Letzteres ist nicht äquivalent mit einem polnischen Staatsbeamten. Eine Entlassung ist schwieriger als bei einem Arbeitsverhältnis, eine Versetzung ohne Zustimmung ist möglich. Bei Teilauflösungen und vollständiger Schließung ei-ner Schule sind auch Entlassungen von Lehrern in einem Dienstverhältnis mög-lich.

Die Löhne polnischer Lehrer sind niedrig, seit 2000 gibt es zudem eine regiona-le und lokale Varianz, da die Lohnverhandlungen nicht mehr ausschließlich zentralstaatlich geführt werden9. Bezahlte Überstunden sind üblich und begehrt (zumal die tarifliche jährliche Unterrichtszeit neben Lettland und Litauen am geringsten in der EU ist).

Für die numerische Flexibilität ist auch wichtig, dass die Möglichkeiten für die Frühverrentung von Lehrern in Polen sehr günstig sind: sie konnten schon 5 Jah-re vor den anderen Beschäftigten in Rente gehen. Nach der Rentenreform 1998 konnten nur noch vor 1948 Geborene bereits mit 55 Jahren (Frauen) bzw. 60 Jahren (Männer) in Rente gehen, so sie vorher 20 bzw. 25 Jahre gearbeitet haben und davon zumindest 15 Jahre in der öffentlichen Bildung. Ab Geburtskohorte 1968 erfolgte dann die Angleichung an die übrigen Beschäftigten Polens, Rente mit 60 (Frauen) und 65 (Männer).10 In Folge eines Bestandsschutzes wurde der nach günstigerem altem Recht frühere Übertritt bis zum Jahr 2006 erlaubt. Diese Übergangsfrist wurde später noch auf Ende 2008 verlängert.

Die Änderungen des Lehrergesetzes seit den 1990er Jahren zeigen zwei große Entwicklungslinien: Eine Verschiebung des Gewichtes zwischen Beschäftigten im öffentlichen und privaten Sektor und eine Verschiebung in der Relation zwi-schen Arbeit und Kapital.

In der Relation zwischen den Beschäftigungsverhältnissen im öffentlichen und privaten Sektor lässt sich anhand der Änderungen des Lehrergesetzes ein Trend 9 Über die Höhe der zum Teil erheblichen Lohnzuschüsse wird auf kommunaler Ebene in

Verhandlungsrunden zwischen Kommunen und regionalen Repräsentanten der Gewerk-schaftsorganisationen bestimmt.

10 Im Einklang mit EU-Recht wurde diese Geschlechtsdiskriminierung vom polnischen Ver-fassungsgericht beanstandet, wonach Frauen nicht vor dem Erreichen des 65. Lebensjah-res altersbedingt entlassen werden dürfen, aber freiwillig bereits mit 60 Jahren in den Ru-hestand gehen können (Gesetz von 2001).

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in Richtung auf eine Angleichung der Beschäftigungsverhältnisse feststellen. Dies gilt z.B. für die Beseitigung von Privilegien des öffentlichen Sektors wie der Angleichung von Verrentungsmöglichkeiten oder auch für die vermehrte Einführung von „Kundenorientierung“ im Sinne der Berücksichtigung von Elternurteilen bei den Begutachtungen der Laufbahnübergänge. Da auch private Bildungseinrichtungen vermehrt auftreten, die weniger im Schulbereich, aber durchaus zahlreich im Bereich der Hochschulen und vorschulischen Einrichtun-gen an Gewicht gewonnen haben, ist ebenfalls wichtig, dass im Lauf der Zeit im Lehrergesetz auch die rechtlichen Qualitätsanforderungen des privaten Schul-personals an diejenigen des öffentlichen Sektors angeglichen wurden.

Zum zweiten gibt es in der Relation zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern eine leichte Verschiebung zugunsten der letzteren. Zum einen konnten sie eine leichte Flexibilisierung der Beschäftigungsverhältnisse durchsetzen, die die Möglichkeiten der befristeten Beschäftigung ausgeweitet hat, und zum anderen konnten die Gewerkschaften in ihrem Einfluss reduziert werden durch die Ein-führung dezentraler Lohnverhandlungen.

Beide Verschiebungen sind allerdings im Umfang moderat.

Zusammenfassend kann man bezüglich der Rahmenbedingungen der Arbeits-marktflexibilität in Deutschland und Polen festhalten, wenn man sowohl die all-gemeinen Änderungen im öffentlichen Dienst und auch im Spezialfall des Leh-rergesetzes berücksichtigt, dass in beiden Ländern der (arbeits-)rechtliche Rahmen weitgehend konstant geblieben ist in den letzten zwei Jahrzehnten. In beiden Ländern gibt es nach wie vor starke Einschränkungen der Möglichkei-ten numerischer Flexibilität im öffentlichen Sektor. Besonders deutlich ist dies einerseits bei der Leitbildfunktion des Beamtenverhältnisses im öffentlichen Dienst in Deutschland und den starken Beschränkungen der Entlassungsmög-lichkeiten auch für Arbeitnehmer in diesem Sektor. Ähnliche Tendenzen konnten in Polen anhand des Dienstverhältnisses bei Lehrern festgestellt werden, auch wenn sie nicht Beamten gleich gestellt sind. Tendenziell sind die allgemeinen Beschränkungen von Kündigungsmöglichkeiten im öffentlichen Dienst in Deutschland etwas stärker ausgeprägt als in Polen. In beiden Ländern gibt es in den letzten zwei Jahrzehnten mehr Veränderungen im Bereich einer Erweite-rung der Möglichkeiten der Abkehr von „Normalarbeitsverhältnissen“. In Deutschland ist der öffentliche Sektor inzwischen führend im Umfang befristeter Arbeitsverhältnisse und von Teilzeitbeschäftigungen. In geringerem Ausmaß kann man derartige Verschiebungen in Richtung auf befristete Beschäftigungen

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auch in Polen registrieren. Tendenziell kann man konstatieren, dass die rechtli-chen Möglichkeiten von atypischen Verträgen in Polen nach wie vor stärker be-schränkt sind als in Deutschland. Fragen der Ermöglichung qualifikatorischer Flexibilität spielen in Polen eine größere Rolle als in Deutschland, da einerseits die Entwicklung der Professionalisierung in der öffentlichen Verwaltung nach-hinkt, andererseits auf dem Lehrerarbeitsmarkt das lange vorherrschende Ein-Fach-Lehrer-Prinzip die innerorganisatorische Flexibilität behindert. Bezogen auf numerische Formen der Flexibilität ist auch zu registrieren, dass das Lohn-niveau im öffentlichen Sektor divergent in den Ländern bzw. Landesteilen vom privaten Sektor abweicht: während das Niveau von Löhnen im öffentlichen Sek-tor in Westdeutschland nahe am Niveau des privaten Sektors liegt, weicht es in Ostdeutschland zunehmend positiv nach oben ab, während es sich in Polen deut-lich unter dem privaten Sektor bewegt. Eine weitere Differenz zwischen den Ländern ergibt sich für Polen in den größeren Möglichkeiten zur Frühverren-tung im öffentlichen Sektor, insbesondere bei Lehrern.

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4. Methoden

Im Projekt B8 kam eine Methodentriangulation zum Einsatz. Neben qualitativen Erhebungsmethoden fanden auch Sekundärdatenanalysen von Individual- sowie Aggregatdatensätzen ihre Anwendung. Im Mittelpunkt standen jedoch leitfaden-gestützte Interviews mit den lokalen Experten und Intermediären.

Das Instrument des Experteninterviews für die Untersuchung von personalrele-vanten Bewältigungsstrategien des öffentlichen Sektors einzusetzen bot sich deswegen an, da es besonders gut geeignet ist, die Sichtweisen und den Hand-lungsspielraum von Personalverantwortlichen zu erschließen. Im Flexibilitäts-konzept wird angenommen, dass Personalverantwortliche qua Macht ihre Ent-scheidungen für den korporativen Akteur in unterschiedlichem Umfang verbind-lich machen können. Unabhängig davon, wie hoch ihre überwiegend institutio-nell zugewiesene Flexibilitätsmacht ist, werden Personalverantwortliche valide über den Umfang dieses Dispositionsspielraums berichten können. Mit anderen Worten: Mittels der Interviews lässt sich das handlungsleitende Wissen der kol-lektiven Akteure erschließen. Dazu wurden die Interviewpartner retrospektiv, gegenwartsbezogen und prospektiv nach ihren praktizierten Bewältigungsstrate-gien, Veränderungsimpulsen, Gründen für entwickelte Bewältigungsstrategien sowie deren Tragweite bzw. damit verbundenen Problemen befragt. Aus den Aussagen der Experten wurden konkrete Handlungsmuster rekonstruiert, die anhand objektiver Kenndaten der Kommunen überprüft worden sind. Auf dieser Grundlage wurde das theoretische Modell empirisch fundiert zu einer Typologie von Bewältigungsstrategien und ihren Ursachen weiterentwickelt.

Insgesamt wurden 109 leitfadengestützte Experteninterviews in jeweils sieben nach bestimmten Kriterien ausgewählten ostdeutschen, polnischen und west-deutschen Kommunen sowie mit intermediären Experten (Vertreter von Ge-werkschaften und kommunalen Verbänden) geführt (vgl. Tab. 2). In jeder Ge-meinde wurden Bürgermeister, Hauptamtsleiter und Verantwortliche für Schu-len (in Polen) und Kindergärten (in Deutschland), sowie – nur in Polen – die Leiter von je zwei ausgewählten Schulen befragt, um die generelle Steuerung der Kommunalverwaltung und die besonderen Bewältigungsstrategien in demo-graphiesensiblen Aufgabenbereichen zu erkunden. Die Experteninterviews wur-

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den inhaltsanalytisch ausgewertet. Zu den Gemeinden wurden auch Kenndaten eingeholt.11

Tab. 2: Datenerhebung durch Experteninterviews

Polen Ostdeutschland Westdeutschland InsgesamtIntermediäre 15 8 10 33 Kommunen (Bürger-meister, Personalver-antwortliche, Bildung/Soziales)

24 18 20 62

Schulen 14 14 Insgesamt 53 26 30 109

In Ostdeutschland fand die Untersuchung in den Bundesländern Brandenburg (BB) und Sachsen-Anhalt (ST), in Westdeutschland in Rheinland-Pfalz (RP) und in Polen in den Woiwodschaften Mazowieckie (MW) und Śląskie (ŚL) statt. Um in Deutschland institutionalisierte Formen interkommunaler Kooperation zu berücksichtigen, wurden jeweils drei Gemeinden und drei Gemeindeverbände ausgewählt. In Brandenburg bestehen Gemeindeämter und in Sachsen-Anhalt Verwaltungsgemeinschaften (vgl. Däumer 1997). Lediglich bei den Verbands-gemeinden in Rheinland-Pfalz handelt es sich dabei um eigenständige politische Einheiten mit eigenem Verbandsgemeinderat. In Polen gibt es derartige Ge-meindeverbände nicht.

Zentrales Auswahlkriterium war die lokale Bevölkerungsentwicklung zwischen 1994 und 2005. So wurden jeweils zwei besonders wachsende und zwei schrumpfende Kommunen sowie zwei Gemeinden mit einer konstanten Bevöl-kerungszahl ausgewählt. Zudem wurde in dem jeweiligen Untersuchungsgebiet ein Oberzentrum in die Untersuchung einbezogen. Weil Gemeinden, die ihre Einwohnerzahl nur durch Eingemeindung ausbauen bzw. stabilisieren konnten, nicht bevorzugt werden sollten, wurde diese Verteilung anhand der Entwicklung der Bevölkerungsdichte kontrolliert (vgl. Rademacher 2007).

Bei der Auswertung wurden sowohl die Namen der Städte und Gemeinden wie auch die der einzelnen Interviewpartner aus Datenschutzgründen anonymisiert, um zu verhindern, dass die Aussagen in den Interviews einzelnen Befragten in-

11 Diese bilden die lokale demographische Entwicklung (Bevölkerungsfortschreibung und

Medianalter) sowie finanzielle und personalpolitische Entscheidungen (Kommunale Haushalte und Personalstandsstatistik) ab.

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dividuell zugeschrieben werden könnten. Für ein besseres Verständnis des fol-genden Berichtskapitels ist die Kenntnis folgender Abkürzungen und Anonymi-sierungen förderlich:

BM – die interviewte Person hatte die Funktion des Bürgermeisters inne,

PER – bei der interviewten Person handelte es sich um die Leiterin/den Leiter der Personalabteilung,

SOZ – die interviewte Person war in der untersuchten Kommune entweder für Soziales (z.B. Kindergärten in Deutschland) oder für Bildungsangelegenheiten (in Polen) zuständig

SCHL – die interviewte Person war Schulleiter/-in in polnischen Gemeinden

ExpXY – Hinweis darauf, dass die befragte Person als Intermediär einen Exper-tenstatus besaß und keiner der untersuchten Kommunen zuzuordnen war (die zwei letzten Buchstaben sind Initialen der Interviewpartner).

Folgende anonymisierte Namen geben Hinweis auf einen Befragungsort in Ost-deutschland: Stechwitz, Bautenbach-Feldow, Pötzberg, Bolfin, Linten. Hinter den Namen Kaulshafen, Dahrenberg, Streelenau, Wabental verbergen sich west-deutsche Kommunen. Die Bezeichnungen: Bracewo, Dobroniec, Buciszewo, Starów, Kołowina, Sierowice, Goromierz, Mielcz stehen für untersuchte polni-sche Kommunen.

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5. Demographischer Wandel und seine Bewältigung auf der Ebene von Kommunen

Demographischer Wandel wirkt normalerweise nicht direkt auf die Handlungen der Kommune ein, sondern in einer aus der Sicht der Akteure vermittelten Art. Um dieses Modell anhand der Aussagen von Experten aus den untersuchten Kommunen zu prüfen, wird der in der Praxis ineinander übergehende Prozess von Challenge und Response analytisch in drei Elemente zerlegt. Zuerst soll hierzu beschrieben werden, in welcher Form Kommunen überhaupt demogra-phischen Wandel wahrnehmen, welche Beobachtungssensorien sie hierfür ent-wickeln, aber auch in welche Deutungsmuster sie ihre Wahrnehmung einbetten. In die Wahrnehmung fließt eine Selektivität der Beobachtung ebenso ein wie eine erste deutende Integration in intendierte Handlungsreaktionen auf den Chal-lenge. Umstritten ist hier vor allem, ob überhaupt demographische Veränderun-gen wahrgenommen werden und ob extreme Veränderungen wie z.B. ein starker Rückgang der Einwohnerzahl demographischen Ursachen zugerechnet werden.

In einem zweiten Schritt soll geprüft werden, wie die Kommunen in ihrer Perso-nalpolitik auf diese Herausforderung reagieren. Von besonderem Interesse ist hier, wie flexibel das Arbeitsangebot an die veränderte Situation angepasst wird. Neben einer defensiven Reaktion kommt hier auch zum Tragen, ob nicht auch offensivere Reaktionsweisen, die z.B. eine Qualitätsverbesserung statt einer Quantitätsanpassung anstreben, von einigen Kommunen beabsichtigt und reali-siert werden.

Im letzten Analyseschritt wird es um quantitative Folgen der gewählten Reakti-onsstrategien gehen. Die Sekundärdatenanalysen konzentrieren sich auf die finanziellen Auswirkungen von demographischen Veränderungen und auf die Untersuchung von Veränderungen der Beschäftigungsverhältnisse anhand einer exemplarischen Analyse des polnischen Lehrerarbeitsmarktes, sowie eine ver-gleichende Analyse von generationsspezifischer Prekarisierung.

5.1 Demographischer Wandel als Problem?

Wie bereits in Kapitel drei angesprochen stehen sich in der wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Debatte der Bundesrepublik zwei konträre Ansichten zur Natur des demographischen Problems staatlicher Einheiten (wie z.B. Kommu-nen) gegenüber. Auf der einen Seite stehen „Problemnaturalisten“, die davon ausgehen, dass der demographische Wandel unmittelbar Probleme auslöst.

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Demgegenüber postulieren „Problemkonstruktivisten“, dass es sich bei der Zu-schreibung von kommunalen Problemen auf demographische Zusammenhänge um eine ideologisch durch makrosoziale Diskurse verzerrte soziale Konstruktion handelt.

Der Ansatz der Problemnaturalisten wird in der zu prüfenden Hypothese zu-sammengefasst: Je stärker der demographische Wandel in einer Kommune aus-geprägt ist, desto stärker bestimmt eine demographische Deutung die Hand-lungssituationsdefinition einer Kommune (Demographiethese). Der Ansatz der Problemkonstruktivisten wird in der Hypothese konkretisiert, dass bei gleicher Ausgesetztheit eines nationalen Problemdiskurses auch bei unterschiedlicher demographischer Situation ähnliche „Demographisierungen“ der Problemlage von Kommunen vorgenommen werden (Diskursthese). In Deutschland hat der öffentliche demographische Problemdiskurs – so die Annahme – seit den Dis-kussionen um das Stadtumbau Ost-Programm Ende der 1990er Jahre, die in ei-nem staatlich geförderten Abrissprogramm mündeten, hegemoniale Dominanz erlangt.

Es gibt bisher nur einige empirische Untersuchungen zur Wahrnehmung demo-graphischen Wandels durch Kommunen. Diese wenigen Studien scheinen bisher beide Positionen nicht zu bestätigen. Gegen die Demographiethese sprechen die Ergebnisse der Studie von Glock (2006), die zeigen konnte, dass sich bei einem ähnlichen Umfang der demographischen Schrumpfung die Städte Leipzig und Duisburg in ihrer Situationsdeutung unterscheiden. Während im ostdeutschen Leipzig seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre verstärkt Demographie als Problem thematisiert und damit als Deutung dominant wurde, überwog im west-deutschen Duisburg nach wie vor eine Deutung von Schrumpfung als Produkt zyklischer Wirtschaftskonjunktur. Gegen die Diskursthese lässt sich die auf Ex-perteninterviews und Dokumentenanalysen beruhende Untersuchung von Grossmann (2007) anführen, die in der schrumpfenden ostdeutschen Stadt Chemnitz anhand einer Analyse der Deutungsmuster zur Stadtentwicklung zei-gen konnte, das keines der fünf von der Autorin herausgearbeiteten Deutungs-muster Demographie im engeren Sinn als bestimmende Größe anspricht. Da es sich bei diesen Arbeiten nur um auf Deutschland beschränkte Untersuchungen mit kleiner Fallzahl handelt, lohnt u.E. dennoch eine genauere Prüfung der bei-den Thesen, die allerdings durch konkurrierende Thesen zu ergänzen sind.

Nach konzeptionellen Vorarbeiten (Sackmann/Bartl 2008) konzentrierte sich die Datenanalyse der Experteninterviews in unserer Untersuchung auf eine präzise

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handlungstheoretische Rekonstruktion der Problematisierung demographischer Entwicklungen in Kommunen (ausführlicher zum Folgenden Bartl 2009). Hier-zu wird davon ausgegangen, dass die bisherigen Ansätze zu sehr vor- bzw. mak-rosoziologisch orientiert waren. Im Unterschied dazu, wird hier in einer „prob-lemrealistischen Sicht“ von einer organisationalen Wahrnehmung ausgegangen, die in Deutungsmustern zu Handlungszwecken verdichtet wird. In Hypothesen zugespitzt lautet die zu prüfende Annahme: Wenn es sich bei Akteuren um Kommunen – verstanden als korporative Akteure des öffentlichen Sektors – handelt, dann nehmen sie demographische Entwicklungen als Teil der bedarfs-wirtschaftlichen Planung der Organisation wahr (Organisationsthese). Wenn Kommunen schrumpfen, dann deuten sie dieses Phänomen im Rahmen ihrer ü-bergreifenden Handlungsziele (Deutungsmusterthese).

Demographisch beobachtbare Phänomene gehen nur dann in kommunale Ent-scheidungsprozesse ein, wenn deren Entscheidungsprämissen (Luhmann 1981: 112ff.) dies vorsehen. Einwohnerkennzahlen sind derartige Entscheidungsprä-missen. In unseren Expertengesprächen wurden sie deshalb von den Kommu-nalverantwortlichen im Wachstumsfall als Indikatoren für Aufgabenzuwachs angesprochen. Von deutschen Gesprächspartnern wurden häufig Orientierungen an Größenklassen (mit jeweiligen Schwellenwerten) erwähnt: Der kommunale Finanzausgleich des jeweiligen Bundeslandes orientierte sich an Größenklassen der Einwohnerzahl von Kommunen in der Zuweisung von Mitteln, aber auch in der Erwartung, welche Aufgaben die Kommunen in diesem Fall jeweils zu über-nehmen haben. Bei drohenden Gebietsreformen, die z.B. bei Unterschreitung von bestimmten Schwellenwerten zur Bildung von Verwaltungsgemeinschaften führen, leiteten die Gesprächspartner aus demographischen Entwicklungen eben-falls Steuerungsfolgen ab. Auch die Prüfung der Wirtschaftlichkeit von Kommu-nen orientiert sich, wie die Experten als Teil ihres selbstverständlichen Hand-lungswissens mitteilten, an Einwohnerkennzahlen. In Brandenburg gilt z.B. als Richtwert, dass pro 1000 Einwohner drei Verwaltungsmitarbeiter in der Kern-verwaltung zu beschäftigen seien. Bürgermeister und Verwaltungsmitarbeiter nannten diese Werte sowohl als Richtwerte der eigenen Personalplanung, die sich insofern an der Bevölkerungsentwicklung orientiert, als auch als Prüfkrite-rien der kommunalen Ausgaben durch die Finanzaufsicht des Landes. In diese „Bedarfsplanung und -bewertung“ anhand von demographischen Kennwerten gehen auch berichtete Handlungsspielräume ein, insofern in den Bundesländern unterschiedliche Richtwerte gelten, der Finanzaufsicht des Landes bei Abwei-

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chungen nach oben zwischen realem und hochgerechnetem Personal Begrün-dungen zu liefern sind und bei Abweichungen nach unten strategisch Ressour-cenpuffer gebildet werden können.

Kommunen verwendeten für die Abschätzung von Einwohnerentwicklungen nicht nur vergangene Einwohnerzahlen, sondern auch eigens erstellte oder von den höheren politischen Ebenen bereit gestellte demographische Prognosen. Für die Entwicklungseinschätzung wurde, wie die Expertengespräche zeigen, auch die Beobachtung des Wohnungsmarktes verwendet: Baulandnachfrage galt als Indikator für Wachstum, Wohnungsknappheit bzw. Wohnungsleerstand im kommunalen Wohnungsbesitz12 bedingten Wahrnehmungsrelevanz.

In den besonders demographiesensiblen und kostenintensiven Bildungsberei-chen gab es ebenfalls eine Verwendung von Einwohnerkennzahlen als Kriterium der bedarfswirtschaftlichen Planung von Kommunen. In Deutschland gehört der Kindergartenbereich zu den Pflichtaufgaben der Kommune, wobei sich die Fi-nanzzuweisung der Länder für diesen Bereich zweckgebunden am vorgehalte-nen Angebot und der Auslastung der Einrichtung orientiert. Schwellenwerte für Gruppengrößen im Minimum sowie Personal- und Betreuungsschlüssel setzen hier die Planungsrichtwerte. In Polen gehört demgegenüber der Kinder-gartenbereich mit Ausnahme des letzten Vorschuljahres zu den freiwilligen Aufgaben der Kommune. Die Kosten dafür sind aus dem kommunalen Haushalt zu bestreiten. Die zentralstaatlichen Finanzzuweisungen für die pflichtigen Pri-marschulen orientieren sich an den realen Schülerzahlen der Einrichtungen (un-abhängig von der kommunalen Herkunft der Kinder). In beiden Ländern sind die Finanzzuweisungen höherer Ebenen für die Kinderbetreuung und -bildung nicht kostendeckend.

Insbesondere in den demographiesensiblen Bildungsbereichen wird deutlich, dass es intervenierende Größen zwischen dem demographisch gegebenen Nach-fragepotenzial und der kommunalen Angebotsbereitstellung gibt, die von den kommunalen Experten berücksichtigt werden. Im Kindergartenbereich ist auf- 12 Wobei die Art der Kommodifizierung des Wohnungsmarktes Knappheitsrelationen be-

stimmt: In Ostdeutschland führte die Kombination aus umfangreichem kommunalem Wohnungsbesitz und Parallelsubventionierung von Eigenheimbau, Abschreibungen, Pri-vatmietwohnungssanierung und Kommunalwohnungssanierung zu schnell wachsendem Wohnungsüberschuss und massenhaftem Leerstand u.a. in kommunalem Mietwohnungs-besitz; während in eigenständigeren Transformationsländern wie Polen (ähnlich wie in Tschechien) eine Parallelsubventionierung von Eigentumswohnungsprivatisierung und Mietsubventionierung zu unterlassenen Wohnungsbauinvestitionen und Wohnungs-knappheit führten (vgl. Schmahl 2008).

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grund der Neuheit der Standardisierung und Institutionalisierung dieser Lebens-phase nach wie vor ein historisch und regional variabler Ausgangspunkt zu be-rücksichtigen: In Ostdeutschland war bereits 1991 eine Versorgungsquote von nahezu 100% erreicht. In Polen liegt demgegenüber die Versorgungsquote in diesem Bereich noch bei etwas über 50% (UNICEF 2008), wobei eine „verhal-tensbedingte“ Zunahme der Betreuungsnachfrage durch zunehmende Frauener-werbstätigkeit in Teilen den demographisch bedingten Rückgang der Kinderzahl in der Kindergartennachfrage kompensiert. Auch politische Entscheidungen hö-herer Ebenen können zu einer Nachfrage-Angebotsverschiebung führen: Eine Anhebung der Betreuungsschlüssel im Kindergartenbereich in Sachsen-Anhalt führte bei gleicher Kinderzahl zu Angebotsüberschuss, während in einer später noch genauer zu diskutierenden Bildungsreform in Polen eine Reduktion der Richtwerte von Klassengrößen in gleicher Konstellation zu einem Angebots-mangel führte.

Zusammenfassend kann man festhalten, dass Kommunen nicht zwangsläufig demographisch denken, wenn sie auf Einwohnerzahlen rekurrieren, da diese Teil der routinemäßigen bedarfswirtschaftlichen Planung des öffentlichen Sek-tors sind. Einwohnerkennziffern sind Teil der Finanz- und Personalplanung von Kommunen, zum einen weil höhere Instanzen es verlangen zum anderen weil sich die Finanzaufsicht bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit öffentlicher Leistungen an diesen Kennziffern orientiert. Die deutschen Varianten von New Public Management fördern diese Elemente „naturalwirtschaftlicher“ Reflexion durch das Einfordern der Orientierung an Benchmarks zusätzlich. Insgesamt kann man konstatieren, dass in den deutschen Expertengesprächen im Allgemei-nen häufiger als in Polen mit entsprechenden Kennwerten argumentiert wurde, wobei gegenläufig in polnischen Schulen ähnlich häufig über demographische Kennziffern und Prognosen geredet wurde wie in Deutschland. Die Wahrneh-mung demographischer Probleme scheint insofern stark mit der jeweiligen Ver-antwortlichkeit für daraus resultierende Folgeerwartungen geknüpft zu sein. Intervenierende Variablen wie Versorgungsquoten oder extern vorgegebene (z.B. von höheren Ebenen bestimmte) Personalschlüssel können zu punktuellen Entkopplungen der organisationalen Wahrnehmung von demographischen Ver-änderungen führen.

Die Wahrnehmung von demographischen Entwicklungen erfolgt nicht nur wie vorher erörtert anhand der Beobachtung von bürokratischen Kennziffern zu Pla-nungszwecken, sondern auch eingebettet in Deutungsmuster, die Diskurse und

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eigene Handlungspläne widerspiegeln. Im öffentlichen Diskurs und in der wis-senschaftlichen Reflexion konzentrierte sich der Problemdiskurs auf schrump-fende Kommunen. Dem liegt implizit die demographische Deutung ihrer Situa-tion zu Grunde, dass schrumpfenden Gebietskörperschaften kurzfristige Hand-lungsimpulse fehlen, weil sich die demographische Situation erst mittel- bis langfristig beeinflussen ließe. Wie dominant ist dieser Diskurs in den Deu-tungsmustern der befragten kommunalen Experten in Relation zu heteronomen Deutungsmustern, die z.B. auf ökonomischen Strukturwandel rekurrieren? Für die folgende Analyse dieser Deutungsmuster wurden nur die Aussagen der Be-fragten in den schrumpfenden Kommunen berücksichtigt.

In ostdeutschen Kommunen, die proportional die stärksten Bevölkerungsrück-gänge zu verzeichnen hatten, war die demographische Deutung der Situation am stärksten ausgeprägt. Die beiden Personalverantwortlichen in Stechwitz be-schreiben die Situation z.B. so:

„B1: Ja, also […] wir als Stechwitz haben ja, darum haben sie uns sicher auch ausgewählt, einen wahnsinnigen Einwohnerverlust erlitten. […] B2: Den größ-ten in ganz Deutschland. B1: Ja. Also jetzt rein relativ. […] Und das ist ein Rie-senproblem“ (Stechwitz PER: 208).

In vielen Äußerungen der Experten in Ostdeutschland wird hier der Bevölke-rungsrückgang als „Verlust“ erlebt, aus dem große Probleme erwachsen. Aller-dings muss diese Deutung auch für ostdeutsche schrumpfende Kommunen inso-fern präzisiert werden, als sich mit ihr in der Regel nicht eine fatalistische oder eine nur demographische Politik verbindet. Vielmehr korreliert die Anerken-nung der demographischen Situation mit einer personal- und organisa-tionsanpassenden Reaktionsplanung. Zudem stellen wirtschaftliche Standortbe-stimmungen die Subdominante dieses Deutungsmusters dar.

In westdeutschen Kommunen, die im Vergleich der schrumpfenden Untersu-chungsregionen den schwächsten Rückgang zu verzeichnen hatten, wird die Si-tuation in der Regel wirtschaftlich und nicht demographisch gedeutet. In Dah-renberg, einer Gemeinde die immerhin 7% Einwohner zwischen 1994 und 2005 verloren hat, antwortet der Personalverantwortliche auf eine Frage nach der Wahrnehmung der demographischen Situation z.B. mit der Aussage:

„Ja, demographischer Wandel. Ein Thema über das es eine ganze Menge Gut-achte[n] gibt und von dem immer auch geredet wird. Aber ich kann im Moment nicht feststellen, dass wir dort schon etwas merken irgendwo“ (Dahrenberg PER: 35).

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Der nationale Diskurs wird hier eher distanziert wahrgenommen. Selbst im Be-reich der Kindergärten, in denen der reale Rückgang der Kinderzahl nicht zu übersehen ist, wird eher der positive Aspekt der dadurch ermöglichten Auswei-tung des Platzangebotes im Krippenbereich betont. In einer ebenfalls schrump-fenden ländlichen Gemeinde wird demgegenüber abweichend von der Mehrzahl der westdeutschen Gesprächspartner die demographische Entwicklung als Verlust interpretiert, aber nicht der Demographie, sondern der in Relation zu Verkehrs-wegen peripheren Lage der Gemeinde kausal zugerechnet.

In polnischen schrumpfenden Gemeinden, die bezogen auf den Umfang des Einwohnerrückgangs in der Mitte der von uns untersuchten Regionen liegen, herrscht ebenfalls eindeutig eine wirtschaftliche Deutung der demographischen Entwicklung vor. Die Personalverantwortliche von Goromierz, das zwischen 1995 und 2005 9% der Bevölkerung verloren hat, deutet diese Entwicklung z.B. mit den Worten:

„Ich will es mal so sagen, was Goromierz angeht, so sinkt die Einwohnerzahl leicht, aber der Herr Bürgermeister hat so eine Politik in Angriff genommen […] Sowohl Frauen als auch jungen Menschen versuchen wir, derartige Bedin-gungen zu schaffen, die sie zum Bleiben in Goromierz motivieren sollen. Zur Möglichkeit, eben eine Arbeit aufzunehmen und na seine Entwicklung und sein Leben mit Goromierz zu verbinden“ (Goromierz PER).

Der Bevölkerungsrückgang wird also in diesem Fall als ein Resultat fehlender Arbeitsplätze und daraus resultierender Abwanderung interpretiert. Lediglich im Schulbereich wird vereinzelt die demographische Entwicklung von den Kom-munalverantwortlichen problematisiert.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass in den Experteninterviews mit Kommunalverantwortlichen in schrumpfenden Kommunen keine generelle De-mographisierung ihrer Problemlagen festzustellen ist. Lediglich in Ostdeutsch-land überwiegt eine demographische Deutung der Situation, die allerdings nicht in demographischem Fatalismus mündet. In Westdeutschland und in Polen über-wiegt dagegen in schrumpfenden Gemeinden eine wirtschaftliche, nicht eine demographische Deutung des Bevölkerungsrückgangs, der in seiner Bedeutung eher kleingeredet als überzeichnet wird.

Vergleicht man die im Projekt gefundenen Wahrnehmungen demographischen Wandels mit den in der Literatur zu findenden Annahmen und Hypothesen, so muss eine „problemnaturalistische“ Sicht der Demographiethese dahingehend relativiert werden, dass sie nur in Deutschland Geltung beanspruchen kann,

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weil in der von demographischen Veränderungen am meisten betroffenen Regi-on, Ostdeutschland, ein (nicht fatalistisches) demographisches Deutungsmuster dominant ist. Die „problemkonstruktivistische“ Sicht der Diskursthese muss hingegen verfeinert werden: Aufgrund der stärkeren diskursiven Präsenz des Demographiethemas findet man zwar bei den deutschen Interviewpartnern ein häufigeres Aufgreifen des Demographiethemas als in Polen (unabhängig von der demographischen Situation der Kommunen), was für die Diskursthese spricht. Dennoch überwiegen konträr zur Diskursthese einer Demographisie-rung sozialer Probleme selbst bei den schrumpfenden Kommunen in West-deutschland nicht-demographische Deutungsmuster ihrer Situation.

Die Daten bestätigen eine akteurstheoretische Rekonstruktion der Wahrnehmung demographischer Entwicklungen von Kommunen („problemrealistische Sicht“). Die Organisationsthese kann insofern konfirmiert werden, als insbesondere von deutschen Experten Einwohnerkennziffern und ähnliche demographische Grö-ßen als Teilelemente der bedarfswirtschaftlichen Planung, Effizienzkontrolle und Handlungsreflexion Verwendung finden. Die scheinbare „Demographisie-rung“ kommunaler Probleme kann deshalb vollkommen unabhängig von makro-sozialen Diskursen an Elemente der (zwischen-)organisationalen Kommunikation anschließen, die parallel zur Verwaltungsrationalisierung mit demographischen Größen arbeitet. Relativierend muss zu dieser These allerdings hinzugefügt werden, dass intervenierende Größen – z.B. politischer Wille, institutionalisierte Personalschlüssel, Zuständigkeiten oder selbst individuelle Verhaltensmuster der kommunalpolitischen Entscheider – und alternative Berechnungsverfahren, die auf unterschiedlichen Prämissen und/oder divergierenden Kennziffern beru-hen, die Bedeutung demographischer Größen für die organisationale Kommuni-kation einschränken.

Bestätigt werden kann auch die Deutungsmusterthese eines Interpretationsspiel-raums der Akteure, die bei gleichen Handlungsbedingungen aufgrund unter-schiedlicher Handlungsintentionen zu divergierenden Deutungen der Situation kommen. Das Faktum der Schrumpfung wurde diesbezüglich von kommunalen Akteuren je nach Region und nach Kommune unterschiedlich mit typisierenden Deutungsmustern verbunden. Präzisierend ist hier hinzuzufügen, dass die Deu-tungsmuster zwar in relativer Autonomie zur demographischen Realität und zu den dominanten makrosozialen Diskursen akteursspezifisch gestaltet werden können, dass sie aber im Kern doch aus wenigen kulturell dominanten Deutun-gen zusammengesetzt und kombiniert werden können. Schrumpfung gilt z.B. do-

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minant entweder als demographisches oder als ökonomisches Phänomen bei Kommunen.

5.2 Personalpolitische Bewältigungsstrategien

Nachdem bisher die Wahrnehmung demographischen Wandels im Vordergrund gestanden hatte, soll nun der Response auf demographischen Wandel im Feld der Personalpolitik dargestellt werden. Wenn hier diese beiden Größen mitein-ander in Verbindung gesetzt werden, so keineswegs um eine Kausalität zu bestimmen, die postulieren würde, dass eine bestimmte Form an demographi-scher Nachfrageveränderung eine bestimmte Form der Personalpolitik hervorru-fen würde. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Personalpolitik, insbesondere auch im öffentlichen Dienst, über eine hohe Eigendynamik verfügt.

Ausgangspunkt der theoretischen Modellierung war hier die idealtypische Vor-stellung, dass das Zusammenspiel zwischen demographisch bedingter Nachfra-geverschiebung und personalpolitischer Inflexibilität des öffentlichen Dienstes zu spezifischen Folgeproblemen führt. Im Folgenden wird deshalb in einem ers-ten Schritt diese idealtypische Annahme präzisiert (5.2.1). Weiterhin ist davon auszugehen, dass auch hochgradig durch institutionelle Regelungen in ihrem Handlungsspielraum beschränkte Arbeitgeber, wie die Personalverantwortlichen des öffentlichen Dienstes, über einen theoretisch beschreibbaren Möglichkeits-raum der Bewältigung verfügen. Für das Projekt von besonderer Relevanz wa-ren dabei die Möglichkeiten der Personalpolitik, der Governancepolitik und der Programmpolitik. Dieser Optionsraum wird in 5.2.2 dargestellt. In einem dritten Schritt werden ausführlich die empirisch vorfindbaren Bewältigungsstrategien des kommunalen öffentlichen Dienstes in Polen, Ost- und Westdeutschland dar-gelegt, in ihrer Bedeutung gewichtet und in ihrer Auswahllogik verstehend er-klärt (5.2.3).

5.2.1 Ein idealtypisches Problem der personalpolitischen Bewältigung demographischen Wandels

Für die Rekonstruktion und die Erklärung von sozialen Prozessen wird es in der Tradition der verstehenden Soziologie Max Webers als nützlich erachtet, mit Idealtypen zu arbeiten. Diese dienen nicht primär der Idealisierung einer vor-handenen Wirklichkeit, sondern vielmehr der Bildung einer heuristischen Erkenntnisfolie anhand der Skizzierung logisch reiner Konstellationen, um em-pirisch vorfindbare Formen klar in Übereinstimmung und Differenz hierzu her-auszuarbeiten.

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Ausgangspunkt der Überlegungen sind zwei Hypothesen des Projektantrags,13 die einerseits postulieren, dass die demographische Entwicklung nicht Bewälti-gungsstrategien determiniert, dass aber andererseits demographische Alterung im Zusammenspiel mit einer mangelnden Flexibilität in der personalpolitischen Bewältigungsstrategie zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen des Handlungs-potentials von Kommunen führen würde. In diese Annahmen ging die Beobach-tung starker Kohortenverwerfungen in west- und ansatzweise ostdeutschen Leh-rerarbeitsmärkten aufgrund von Inflexibilitäten ein (Sackmann 2006), die durch Vorstudien anhand von Experteninterviews mit westdeutschen Schulleitern ersten mikrosoziologischen Interpretationsversuchen unterzogen wurden (Frede 2003).

Anhand von ersten Interviewauswertungen wurden diese Hypothesen zu einem Idealtypus eines Problems verdichtet, von dem anzunehmen war, dass es eintritt, wenn es keine Entwicklungen, keine Innovationen oder Variationen in der Personalpolitik des öffentlichen Dienstes gibt (primär in seiner westdeutschen Ausprägung) und gängigen Routinen gefolgt wird (ausführlicher zum Folgenden Sackmann/Bartl 2007, sowie Bartl 2009). Danach ist davon auszugehen, dass sich im Falle einer demographischen Schrumpfung anders als beim Wachstums-fall Einnahmen und Ausgaben nicht symmetrisch entwickeln: die Einnahmen gehen schneller zurück als die Ausgaben. Da Personalkosten einen wichtigen Ausgabenposten der Kommunen darstellen, ist die diesbezügliche Flexibilität von besonderem Interesse. Im idealtypischen Modell wird davon ausgegangen, dass dem öffentlichen Dienst wesentliche Wege zur Anpassung versperrt blei-ben, da er sich aufgrund seiner Bindung an das Prinzip der Lebenszeitbeschäfti-gung (Battis 2006), an der Orientierung an einer Leitidee des guten Arbeitgebers und an die Macht der Interessenkoalitionen (Freeman/Hannan 1975; 1978) zur Personalanpassung primär auf das Mittel der Nutzung des Kohortenaustausches beschränkt, in Form einer Förderung des Übergangs in den Ruhestandes, einer Nicht-Wiederbesetzung von derartigen Stellen und einer Drosselung der Nach- 13 H1: Demographische Alterung in einem Gemeinwesen führt nicht unabhängig von Be-

wältigungsstrategien zu einer Überalterung der Beschäftigten des öffentlichen Sektors, zu einem Fachkräftemangel, zu einer allgemeinen Reduzierung des Angebots staatlicher Dienstleistungen und zu einer durch überproportionale Personalausgaben verursachten Verschlechterung der Finanzausstattung des Gemeinwesens (Strategiethese). H2: Je ge-ringer der Flexibilitätsgrad der Personalverantwortlichen in Gemeinwesen, desto höher die Überalterung der Beschäftigten des öffentlichen Sektors, desto mehr Fachkräfteman-gel, desto umfangreicher die allgemeine Reduzierung des Angebots staatlicher Dienstleis-tungen und desto stärker die durch überproportionale Personalausgaben induzierte Ver-schlechterung der Finanzausstattung des Gemeinwesens aufgrund demographischer Alte-rungsprozesse (Flexibilitätsthese).

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wuchsrekrutierung. Aus der Wahl dieser Bewältigungsstrategie ergeben sich Folgeprobleme der Alterung der Beschäftigten, sinkender Innovationsfähigkeit und kumulativer Verschuldung.

Die idealtypische Annahme des Zusammenspiels von demographischer Schrumpfung/Alterung und Personalpolitik des öffentlichen Dienstes lautet, dass Kommunen das Personal in Form einer Regulierung des Kohortenaustauschs zu langsam an Nachfrageverringerungen anpassen und dadurch Folgeprobleme verursachen.

5.2.2 Möglichkeitsraum kommunaler Bewältigungsstrategien von Schrumpfung

Die vorgenannte idealtypische Annahme verengt den Handlungsspielraum von Organisationen spezifisch auf einen Reaktionstypus. Empirisch ist dieser Spiel-raum viel weiter, wie das Interviewmaterial zeigt. Bevor die empirische Be-schreibung und Erklärung realer Handlungsstrategien vorgenommen werden, sei noch etwas klarer verdeutlicht, in welchen Dimensionen Organisationen des öf-fentlichen Dienstes Strategien ansetzen können. Wir unterscheiden hier drei Di-mensionen organisationalen Handelns: Personalpolitik, Programmpolitik und Governancepolitik.

Unter Personalpolitik werden hier alle Entscheidungen von Organisationen ver-standen, die ihre Mitgliedschaftsbedingungen und ihre Mitglieder betreffen (vgl. Luhmann 1995 [1964]: 42). Im Rahmen der Analyse von primären und sekundä-ren Beschäftigungssystemen (Köhler u.a. 2007) lassen sich insbesondere interne und externe Flexibilitätsmaßnahmen unterscheiden. Neben der im idealtypischen Fall genannten Form des Kohortenaustausches über Ruhestand und reduzierte Neueinstellung lassen sich als weitere Formen externer Flexibilität noch Entlas-sungen und befristete Beschäftigungsverhältnisse anführen. Alternativ dazu könnte auch mit internen Flexibilisierungen z.B. der Arbeitszeiten oder der Qua-lifikationsentwicklung gearbeitet werden.

Unter Governancepolitik werden hier alle Entscheidungen von Organisationen über den Modus der Verankerung von Herrschafts- und Eigentumsrechten und daraus resultierende Feldstrukturen von Markt, Hierarchie und Netzwerk ver-standen (vgl. Mayntz 1997). In unserem Kontext interessieren innerhalb des weiten Feldes der Governancepolitik nur Entscheidungen über Privatisierung vs. Verstaatlichung, sowie die Errichtung oder Schließung von Organisationen.

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Unter Programmpolitik werden hier alle Entscheidungen von Organisationen verstanden, die Ziele bestimmen, sie im Wettbewerb positionieren und gegenüber der Öffentlichkeit legitimieren. Von besonderer Bedeutung sind Entscheidungen über den Umfang des Leistungsangebotes und seine eventuelle Änderung.

Die in der Untersuchung fokussierten Organisationen in Form von Kommunen bzw. auch im Falle Polens von kommunalen Schulen kann man dabei als Orga-nisationen verstehen, deren Möglichkeitsraum durch die Personal-, Programm- und Governancepolitik hierarchisch übergeordneter Organisationen strukturiert sein kann. In den empirischen Untersuchungen werden bei den im Zentrum stehenden Fokusorganisationen die entsprechenden Politiken übergeordneter Organisationen immer dann zu thematisieren sein, wenn sie spezifische Be-schränkungen und Ermöglichungen des Handelns der Fokusorganisationen mit hoher Relevanz für die Bewältigung demographischen Wandels in der Personal-politik beinhalten.

Im Anschluss an sozialpsychologische Theorien lassen sich die Aufgaben einer Kommune als Anspruchsniveau deuten, dessen Erfüllung Politiker den Einwoh-nern gegenüber versprechen und dem bestimmte Ressourcen gegenüber stehen. Kern der theoretischen Annahmen ist ein dynamisches Gleichgewicht zwischen Aspirationen und Ressourcen (Elder/Caspi 1990; vgl. Greve/Strobl 2004). Da ein Bevölkerungsrückgang mit Ressourcenverlust einhergeht, wird bezüglich des Möglichkeitsraums für Bewältigungsstrategien zwischen einer reduktiven (Akkommodation), stabilisierenden und expansiven Strategie (jeweils Assimila-tion) unterschieden. Bei einer reduktiven Strategie wird das Personal dem Rück-gang der Ressourcen entsprechend angepasst, bei einer stabilisierenden Strategie wird das Personal nicht dem Rückgang der Ressourcen proportional angepasst, bei einer expansiven Strategie werden die Aufgaben so ausgeweitet, dass das Personal nicht dem Rückgang der Ressourcen angepasst werden muss bzw. so-gar ausgewietet wird. In der idealtypischen Annahme in 5.2.1 gehen wir von ei-ner Dominanz stabilisierender Strategien in schrumpfenden Kommunen aus.

Bezüglich des Möglichkeitsraums des Responses auf demographischen Wandel in Form von Schrumpfung und Alterung ist davon auszugehen, dass er trotz ei-ner Beschränkung durch Routinen und institutionelle Rahmenbedingungen den-noch ein breites Spektrum an Formen externer und interner Flexibiliätsmaß-nahmen im Rahmen der Personalpolitik ebenso enthält wie Möglichkeiten der Programm- und Governancepolitik. Wir vermuten, dass es deshalb neben (un-vollständig) stabilisierenden Bewältigungsstrategien auch reduktive und expan-

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sive Bewältigungsstrategien zur Anpassung von Aspirationen an reduzierte Res-sourcen gibt.

5.2.3 Formen empirischer personalpolitischer Bewältigungsstrategien Absicht der Untersuchung war nicht nur eine beschreibend typisierende Erfas-sung von Bewältigungs- und Flexibilitätsformen, sondern auch die verstehende Erklärung von Unterschieden. Um ein subkutanes Durchschlagen von Voran-nahmen zu vermeiden, wurden die Vorannahmen in Hypothesen konkretisiert, ohne damit allerdings im Sinne der Grounded Theory die Entdeckung neuer Zu-sammenhänge im Forschungsprozess vermeiden zu wollen:

a) Je mehr entscheidungsfähige politische Akteure in einem Transforma-tionsstaat institutionalisiert sind, desto größer ist der Flexibilitäts- und He-terogenitätsgrad des öffentlichen Sektors (Autonomiethese).

b) Je verankerter der Diskurs des New Public Management bei politischen Akteuren ist, desto größer ist der Flexibilitätsgrad des öffentlichen Sektors und desto verbreiteter sind reduktionistische Strategien (NPM-These).

c) Je stärker die arbeitsrechtliche und tarifvertragliche Institutionalisierung von Arbeitsmarktinflexibilität, desto geringer der praktizierte Flexibili-tätsgrad des öffentlichen Sektors (Arbeit-Kapital-These).

In den drei Hypothesen wurde gesetzt, dass (a) das eigenständigere Transforma-tionsland Polen über die Institutionalisierung von mehr autonom entscheidungs-fähigen Akteuren vielfältigere und flexiblere Bewältigungsstrategien entwickeln könne als Ostdeutschland; und (b) dass der Diskurs über New Public Manage-ment in dem einem internationalen Diskurs stärker ausgesetzten Polen ebenfalls eine flexiblere Bewältigungsstrategie bewirken würde. Unklarer war, wie die dritte Hypothese (c) eines Einflusses der Machtgewichte zwischen organisierten Arbeitnehmern und öffentlichen Arbeitgebern auf die Flexibilitätsformen in den Untersuchungsgebieten wirksam sein würde, da in der Literatur widersprüch-liche Angaben zur Durchsetzungskraft von Gewerkschaften in Polen, Ost- und Westdeutschland zu finden waren.

Im Folgenden wird nach einer Fallstudie zur Bedeutung von Akteuren in organi-sationalen Feldern auf die Bereiche Personalpolitik und ihre internen und exter-nen Flexibilitätsformen; sowie Governance- und Programmpolitik eingegangen.

Vor einer Analyse der Handlungsinhalte ist es wichtig, die genauen Handlungs-rechte von Akteuren, auch von korporativen Akteuren zu kennen, da sie wichti-ge Aufschlüsse über die Gestalt des organisationalen Feldes geben, dem sie

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angehören. Unrealistisch ist hier sowohl die Annahme von unbegrenzten Hand-lungsrechten institutionslos handelnder Arbeitsmarktakteure, die sich nur an ihren Marktinteressen orientieren, die in der neo-klassischen Ökonomie als Ak-teure unterstellt werden, unrealistisch ist allerdings aber auch die Annahme in-stitutionell determinierter Arbeitsmarktakteure, die z.B. in einigen Segmentati-onstheorien unterstellt werden. Auf realen Arbeitsmärkten sind auch die uns hier interessierenden „Arbeitgeber“ in ihrem Handeln beschränkt, wobei ihnen die dadurch erfolgte Ermöglichung eines spezifischen Handlungsfensters zugleich strukturbildende Möglichkeiten eröffnet, wie dies Giddens (1988) in seiner Strukturierungstheorie erläutert. Dieses Modell eines in Strukturierungsprozesse eingebetteten Akteurs wurde mittels einer Spezialanalyse zu polnischen Schul-leitern präzisiert (Kopycka 2009).

Polnische Schulleiter sind insofern ein interessanter Fall als sie über sehr um-fangreiche Handlungsrechte in der Personalpolitik verfügen: sie können recht eigenständig über Einstellungen, Entlassungen und Arbeitszeitregelungen ent-scheiden. Dieser hohe Grad an Entscheidungsgewalt polnischer Schulleiter ist Resultat von einer Bildungsreform der Nach-Wende-Zeit, die einerseits einen Großteil der Schulkompetenzen vom Nationalstaat auf die Kommunen verlager-te und andererseits auch in den Kommunen die Entscheidungsgewalt sehr stark auf die Schulleiter zentrierte. In Polen wurde also in der Bildungspolitik ein or-ganisationales Feld geschaffen, das relativ vielen Personen autonome Hand-lungsrechte in der Personalpolitik zuordnet. Dies ist ein starker Beleg für einen höheren Grad an institutionalisierter Autonomie in Polen im Vergleich zu Ost- und Westdeutschland. Dass es sich hierbei nicht nur um formale Rechte handelt, sondern um praktizierte, wird sehr deutlich, wenn man den Duktus der Berichte von westdeutschen Schulleitern mit ihren polnischen Kollegen vergleicht. Wäh-rend bei den Interviews mit Schulleitern des Landes Bremen fast kaum über Spielräume für Personalpolitik geredet wurde, weil man sich als Außenstelle der Bildungsbehörde behandelt fühlte (Frede 2003), überwiegt in Polen ein selbst-bewusstes Auftreten der Schulleiter, die sich ihrer Handlungskompetenz be-wusst sind.

Die Handlungsautonomie der polnischen Schulleiter ist dabei kausal überdeter-miniert, da einerseits derartige Dezentralisierungen in der Entwicklungslogik der eigenständigen polnischen Transformation liegen, andererseits mit der polni-schen Bildungsreform von 1999 durchaus einige Prinzipien des New Public Ma-nagements (NPM) umgesetzt wurden, die von der OECD propagiert wurden und

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auf die Einführung stärker betriebswirtschaftlichen Denkens in den Organisatio-nen drängt, ebenso wie Quasi-Märkte befürwortet werden (vgl. hierzu Lane 2005; Kirkpatrick u.a. 2005). Die Zentrierung von Entscheidungsgewalt auf Schulleitungen gehört hier zum Standardrepertoire der NPM-Empfehlungen. Obwohl also in den Interviews auch in Polen sehr wenig direkt New Public Ma-nagement angesprochen wurde, finden sich Spuren davon in den institutionali-sierten Handlungsrechten.

Allerdings sind auch die Handlungsrechte von polnischen Schulleitern be-schränkt, weil sie in einem durch institutionelle Vorschriften vorstrukturierten organisationalen Umfeld arbeiten. Als relevant in den Experteninterviews werden hier die drei Gruppen der Schulaufsicht, der Gemeinde und der Lehrer thematisiert. Die auf der nächst höheren Verwaltungsebene der Wojewodschaften (von der Größe her ungefähr mit deutschen Bundesländern vergleichbar, aller-dings ohne deren politische Macht) angesiedelte Schulaufsicht greift hand-lungswirksam in die Handlungsstrategien von Schulleitern ein, wenn es um die formalen Zertifikat-Qualifikationen der professionellen Lehrkräfte geht, da ein Abweichen von den gesetzlichen Bestimmungen hier genehmigungspflichtig ist. Weitergehende Versuche von Eingriffen in die Personalpolitik, die durchaus vorkommen, werden von den Schulleitern erfolgreich abgewehrt. Den stärksten Einfluss von allen Gruppen des organisationalen Umfeldes übt die Gemeinde aus, da sie einen nicht unwichtigen Posten der Finanzierung übernimmt und auch den Schulleiter einstellt. Bei letzterem schreiben die gesetzlichen Rekrutie-rungsregeln allerdings die Bildung einer Kommission vor, in der die Gemeinde-vertreter klar in der Minderheit sind (was in den Interviews von diesen verärgert kommentiert wird). Der Schutz der professionellen Autonomie ist hier also auch prozedural verankert. Bei der jährlichen Festlegung der Klasseneinteilung und Lehrkraftplanung üben die Gemeinden einen deutlich spürbaren Einfluss auf den Schulleiter aus, der handlungsrelevant insofern ist, als Schulleiter auch von legi-timen Entlassungen derjenigen Leiter berichten, die Fehlplanungen zu Lasten der Gemeinde vorgelegt hatten. Lehrer beeinflussen die Handlungen von Schul-leitern als diese zusammen mit dem Lehrerrat organisationsspezifische Entlas-sungsordnungen formulieren, um die organisationale Verhandlungsposition im Fall von Arbeitsgerichtsprozessen zu ungerechtfertigten Kündigungen zu stärken. Weiterhin werden (in Abweichung auch der Intentionen der Bildungsreform von 1999) fast ausschließlich Lehrer auf den Posten des Schulleiters berufen, die sich in ihren Entscheidungen mit dieser Berufsgruppe identifizieren. In der Pra-

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xis der Expertenberichte von Schulleitern und Gemeindevertretern bestätigt sich das Bild einer hohen Handlungsautonomie der Schulleiter in der Personalpolitik, allerdings ist diese spezifisch beschränkt, wenn es einerseits um den Schutz der Professionsgruppe geht (durch Schulaufsicht und Lehrerrat), von dem der Schul-leiter auch in seiner Stellung der Gemeinde gegenüber profitiert, andrerseits be-schränkt die finanzierende Gemeinde, die Fehlplanungen massiv sanktionieren kann.

5.2.3.1 Personalpolitik Nach der Betrachtung der Institutionalisierung von Handlungsrechten soll nun genauer auf die personalpolitischen Bewältigungsstrategien eingegangen wer-den, wobei zuerst die externen Flexibilitätsmaßnahmen thematisiert werden, bei denen es primär um die Anpassung der beschäftigten Personenzahl an die Nach-frage geht mittels der Instrumente Ruhestand, Entlassung, Einstellung und be-fristete Verträge.

Ruhestand: Formen des Vorruhestandes zur Bewältigung von Anpassungsprob-lemen werden in allen drei Untersuchungsgebieten thematisiert, in Polen aber am umfangreichsten, v.a. die privilegierten Rentenregeln von Lehrern, die in Kap. 3 geschildert wurden, in Deutschland nur mehr die Formen der „Altersteil-zeit“. Quantitativ am bedeutendsten sind Frühverrentungen an polnischen Schu-len. In Dobroniec beispielsweise berichtet der Bildungsabteilungsleiter der Ge-meinde von einer jährlichen Verrentungsquote von 15% aller Lehrer (Kopycka 2009). Obwohl diese Verrentungen nicht billig für die Gemeinde sind, da sie institutionalisierte Einmalzahlungen bis zu neun Monatsgehältern erforderlich machen, werden sie doch von allen Schulleitern als positive Optionen darge-stellt, die auch im Interesse der Lehrer liegen. In Deutschland (Ost und West) wurde das Mittel der Frühverrentung zur Personalanpassung ebenfalls einge-setzt, allerdings in geringerem Ausmaß als in Polen. Die in den Expertenin-terviews deutlich werdende unterschiedliche Bedeutung von Frühverrentungen für Personalpolitik in Deutschland und Polen kann mit einem unterschiedlichen Zusammenspiel von Demographie und Institutionen erklärt werden: In Polen sind bisher die Rahmenbedingungen zur Frühverrentung noch kaum an die Lis-sabon-Ziele einer Erhöhung der Alterserwerbstätigkeit angepasst worden, Polen verfügt über eines der niedrigsten Verrentungsalter der EU, was aufgrund der relativ kleinen Kriegsgeburtskohorten und der relativ geringen Lebensdauer pol-nischer Männer noch finanzierbar scheint. In Deutschland hat demgegenüber sowohl in Ost- wie Westdeutschland nach Reformen der Zugangsbedingungen

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zu Renten seit 1996 eine deutliche Erhöhung und Standardisierung des realen Renteneintrittsalters stattgefunden (Sackmann 2006; 2008).

Entlassung: Aufgrund der Kenntnis der westdeutschen Rechtssituation gingen wir in der Untersuchung nicht davon aus, dass Entlassungen eine wichtige Rolle bei den personalpolitischen Bewältigungsstrategien von demographischem Wandel im öffentlichen Dienst spielen würden. Zu unserer Überraschung war dies der Fall. In mehreren ostdeutschen Kommunen wurde dieses Mittel, das rechtlich aufgrund der Sonderbedingungen der Wende in Ostdeutschland in sei-nen Einsatzvoraussetzungen erleichtert wurde, durchaus umfangreich eingesetzt, wobei der Schwerpunkt dieser Aktivitäten eher in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre lag. Aus Stechwitz, einer besonders stark von Schrumpfung betroffenen ostdeutschen Kleinstadt berichten die Experten, dass pro Jahr 40-50 Erzieherin-nen entlassen wurden. Sowohl die betroffenen Beschäftigten als auch Teile der Bevölkerung protestierten dagegen, u.a. mit einer Demonstration. Auch in Polen ist im Bereich der Schulen eine Entlassung „aus ökonomischen Gründen“ mög-lich, wenn Schulklassen zusammengelegt oder Schulen geschlossen werden müssen aufgrund sinkender Schülerzahlen. Der Umfang der aus Polen berichte-ten Entlassungen ist allerdings proportional sehr viel kleiner als in Ostdeutsch-land. In Westdeutschland wurde nicht von derartigen Vorkommnissen berichtet. Mitentscheidend für die gerichtsfeste Begründbarkeit der Entlassungen von pä-dagogischem Personal aufgrund demographischen Wandels in Ostdeutschland und Polen ist die klare Quantifizierbarkeit von Nachfrage in diesem Bereich ü-ber Kinder- und Schülerzahlen. Demgegenüber sind in der Kernverwaltung selbst im stark geschrumpften Stechwitz derartige Maßnahmen schwerer durch-setzbar, wobei die Experten hier z.B. von Angestellten im Tiefbaubereich be-richten, deren Arbeitsplätze trotz rückläufiger Arbeitsaufgaben nicht gefährdet waren.

Obwohl in Ostdeutschland und Polen Entlassungen im öffentlichen Dienst mög-lich sind und auch eingesetzt werden, gelten sie doch als ultima ratio, die man möglichst meidet. Die Experten nennen zwei recht unterschiedliche Motive für diese Meidung. Einerseits sprechen pragmatische Gründe dagegen: In Polen fal-len in diesem Fall Abfindungskosten in Höhe von sechs Monatslöhnen an, in Ostdeutschland scheut man auch die arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen, die meist einer Entlassung folgen. Andererseits äußern sowohl in Ostdeutsch-land als auch in Polen die Personalverantwortlichen individuell moralische Belastungen:

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„[Der Monat] Mai ist ungut, im Zusammenhang mit dem Schrumpfen unserer Schule und den fallenden Schülerzahlen und damit verbunden, der Klassenzah-len, [ist der Mai] eine schwierige Zeit. Ich musste Lehrer entlassen. Als Folge davon musste ich einige Entscheidungen machen, die, wie ich sagte, Personal-entscheidungen von Leuten betrafen, mit denen ich viele Jahre zusammengear-beitet habe, und aufgrund dieser, wie ich sagen würde, menschlichen oder psy-chologischen Gründe waren das sehr schwierige Entscheidungen“ (Goromierz SCHL).

Eine Entlassung wird hier also nicht nur als die Entscheidung einer Organisation interpretiert, sondern auch als persönliche Beziehungsaussage, die nur schwer zu rechtfertigen sei. In diesem Zurückschrecken vor Entlassungen sind empfundene Grenzen einer Zweckrationalisierung von Arbeitsbeziehungen erkennbar, die in von Professionssolidarität gekennzeichneten Organisationen wie z.B. Schulen stärker ausgeprägt sind.

Dass Entlassungen als Bewältigungsstrategie trotz dieser moralischen Dilemma-ta evtl. durchaus positive Elemente enthalten können, wird an dem Sachverhalt deutlich, dass in Stechwitz nach den Entlassungswellen der 1990er Jahre inzwi-schen mit leicht zunehmender Kinderzahl wieder Einstellungen im Kindergar-tenbereich vorgenommen werden.

Einstellung/ befristete Beschäftigung: Eine Regulierung von Einstellungen er-scheint den Experten einfacher als eine Durchsetzung von Entlassungen. Bei dieser Bewältigungsstrategie registrieren wir eine zunehmende Bedeutung, die von den Personalverantwortlichen z.T. getragen wird. Allerdings ist deren Ge-wicht in den Untersuchungsregionen unterschiedlich. In Ostdeutschland wurde im Unterschied zu den anderen Regionen in vielen Kommunen von Einstel-lungsstopps berichtet, die nur im Falle sehr spezieller Qualifikationen umgangen werden können.

„Wir haben eigentlich einen Einstellungsstopp, deshalb ist ja immer diese Aus-schreibung nach innen erst und dann wird es aber natürlich schon flexibilisiert, wenn eine entsprechende Fachkraft benötigt wird, die nicht da ist, dann zählt das nicht“ (Linten BM: 23).

In einigen ostdeutschen Kommunen wurden nicht nur keine Personen mehr ein-gestellt, sondern auch keine Ausbildungsplätze mehr im Bereich der Verwaltung angeboten.

Im Unterschied hierzu wird in westdeutschen Kommunen nicht von Einstel-lungsstopps berichtet. Dafür haben befristete Einstellungen an Gewicht gewon-nen.

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„Aber die Befristung von Arbeitsverträgen und ich verstehe das so: auch als personalpolitisches Instrument hat eine ungleich größere Bedeutung, als das früher der Fall war. Das würd ich ausdrücklich bejahen. Und sie erhöht aus Ar-beitgebersicht natürlich die Flexibilität, bei den Menschen die Unsicherheit, die die Verträge haben. […] Wir haben auch viele im Erziehungsbereich, ist ja klar. Wenn morgen schon einer zugemacht wird, hat sich das für uns. Ist das lösbar“ (Kaulshafen PER: 68).

Der Personalverantwortliche berichtet in dieser Passage nicht nur, dass befristete Beschäftigung an Gewicht gewonnen hat und als personalpolitische Bewälti-gungsstrategie des demographischen Wandels im Erziehungsbereich eingesetzt wird, er erwähnt auch, dass er es als positives Element betrachtet („ausdrücklich bejahen“). In diesem Bereich der Zunahme befristeter Beschäftigung als Bewäl-tigungsstrategie kann man auch feststellen, wie organisationale Wandlungspro-zess in neuen Institutionalisierungen münden. Als der zentrale Ordnungsrahmen des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TvÖD) abgelöst wurde, war umstritten, ob der Kündigungs-schutz, der vorher eine praktische Unkündbarkeit von Angestellten mit mehr als 15 Jahren Betriebszugehörigkeit – analog zum Beamtenstatus - vorsah, verän-dert werden sollte oder die Regulierung von befristeter Beschäftigung. Der Experte berichtet, dass die Arbeitgeber im Unterschied zu den Gewerkschaften Änderungen der Befristung vorzogen:

„Da wär die Arbeitnehmerseite, die Gewerkschaften, durchaus bereit gewesen auf die so genannte Unkündbarkeit zu verzichten, wenn die Arbeitgeber im Ge-genzug bereit gewesen wären auf die sachgrundlose Befristung von Arbeitsver-trägen [zu verzichten]. Die sind denen natürlich besonders im Auge“ (Kaulsha-fen PER: 68).

In den verabschiedeten Bestimmungen des TvÖD sind entsprechende Befristun-gen bis zu zwei Jahren ermöglicht worden, die dreimal verlängert werden können.

In Polen lässt sich ebenfalls eine Zunahme von befristeten Beschäftigungen fest-stellen. Auch hier gibt es ein Zusammenspiel zwischen der Organisationsebene und der nationalen Verhandlungsebene. Zentrale Bestimmungen im Bildungsbe-reich werden hier nicht durch Tarifverträge, sondern durch das Lehrergesetz festgelegt. Danach können inzwischen die ersten Stufen einer Lehrerkarriere befristet sein (vgl. Kap. 3), ebenso wie bei drohenden Klassenschließungen und bei vorübergehender Abwesenheit von Beschäftigten befristete Verträge abge-schlossen werden können, die ansonsten rechtlich nicht erlaubt sind. Aufgrund der hohen Frauenbeschäftigungsquote im öffentlichen Dienst, insbesondere im Lehrerberuf, sind vorübergehende Abwesenheiten aufgrund von Schwanger-

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schaft nicht selten. Das Gesetz sieht darüber hinaus die Gewährung von drei Sabbaticals im Umfang von jeweils bis zu einem Jahr vor, die ebenfalls die Ge-legenheiten für eine befristete Beschäftigung erhöhen. Einige, wenn auch nicht alle befragten Schulleiter in Polen, befürworten den gezielten Einsatz von befris-teter Beschäftigung als Bewältigungsstrategie für Nachfrageverschiebungen:

„Das ist warum, besonders die vorherige Direktorin, die ihr Amt mehr als 10 Jahre ausübte, die Perspektive hatte, so eine Prognose [fallender Kinderzahlen] in der Beschäftigung zu planen versuchte, sodass der Vertrag immer zum richti-gen Zeitpunkt enden würde ohne Probleme zu verursachen. Dies waren übli-cherweise befristete Verträge. Wenn jemand weiß, dass man nicht so viele Stunden Fremdsprachen oder Mathematik brauchen wird, auch wenn man momentan einen Lehrer einstellen müsste, in der Zukunft, dann würde man den Lehrer nicht mehr brauchen, [dann] würde der Direktor einen befristeten Ver-trag anbieten“ (Goromierz SCHL).

Der Experte betont hier v.a. das Geschick im Einsatz befristeter Verträge, um mit Nachfrageverschiebungen umgehen zu können.

Welche Folgen die Zunahme der Bewältigungsstrategie befristete Beschäftigung für den Arbeitsmarkt des öffentlichen Dienstes hat, wird später genauer zu erör-tern sein.

Zusammenfassend kann man bezüglich externer Flexibilisierungen also sagen, dass der öffentliche Dienst in den Untersuchungsregionen durchaus auch um-fangreich externe Flexibilitätsmaßnahmen einsetzt. Sie konzentrieren sich in Polen auf den Kohortenaustausch in Form von (noch laufenden) Frühverrentungspro-grammen und vermehrten befristeten Einstellungen zu Beginn einer Erwerbs-karriere. In Deutschland sind die Möglichkeiten befristeter Beschäftigung stark ausgeweitet worden, was von den Personalverantwortlichen befürwortet und deshalb gerne in Anspruch genommen wird. Es zeigt sich, dass in den Transfor-mationsländern Ostdeutschland und Polen Kündigungen im öffentlichen Dienst leichter möglich sind und auch praktiziert werden. In beiden Ländern werden diese Bewältigungsstrategien allerdings aus moralischen Gründen gemieden.

Interne Flexibilität wird als Alternative zu externen Flexibilitätsformen angese-hen, deren Ausweitung insbesondere in den abgeschotteten internen Arbeits-märkten des öffentlichen Dienstes zu erwarten ist. Im Folgenden sollen ver-schiedene Formen der kollektiven Arbeitszeitpolitik, der Teilzeit, der Qualifika-tionsverbesserung und der Überstundenregelung diskutiert werden.

Kollektive Arbeitszeitpolitik: In den 1980er Jahren wurden in Westdeutschland Arbeitskämpfe geführt mit dem Ziel, über eine Arbeitszeitverkürzung (bei vol-

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lem Lohnausgleich) Arbeitslosigkeit zu verringern. Diese Idee taucht in Variati-on wieder in den späten 1990er Jahren im öffentlichen Dienst in Ostdeutschland auf. Sie wird dort zur dominanten personalpolitischen Bewältigungsstrategie demographischen Wandels, weswegen ein genauerer Blick auf diese Form loh-nend ist. Es zeigt sich, dass diese - im Eigenverständnis - „solidarische Arbeits-zeitpolitik“ in der Regel Resultat einer Entwicklungsdynamik ist, der Ent-lassungswellen vorausgingen, die wie oben erwähnt, auch von den Personalver-antwortlichen als moralisch problematisch angesehen wurden und werden. Als Reaktion darauf kommen Ideen von Arbeitszeitpolitiken bei Beschäftigern und Beschäftigten auf:

„Und diese erste große Kündigungswelle von ungefähr hundert betriebsbeding-ten Kündigungen konnten wir zumindest teilweise dadurch abfangen, dass wir noch, ich sag mal, in letzter Sekunde den ersten bezirklichen Haustarifvertrag geschlossen haben mit einer Senkung der Arbeitszeit. Dann waren es also nicht mehr hundert, sondern sechzig [Entlassungen] ungefähr noch“ (Stechwitz PER: 308).

Ähnlich wie diese Konstellation im Stechwitz der 1990er Jahre vollzieht sich die Einführung des neuen Instrumentes in einem anderen ostdeutschen Ort in einer Konfliktkonstellation:

„Wir hatten mal eine Situation, wo wir vor der Frage standen: müssen wir Erzieherinnen entlassen in Größenordnungen und sind dann mit Personalrat und sämtlichen Erzieherinnen zu einer Lösung gekommen, die da hieß: alle Erziehe-rinnen nehmen Stundenkürzungen hin und es kommt zu keiner Entlassung. Und seitdem haben wir einen festen Vertrag für eine bestimmte Stundengröße, ich glaube 30 Stunden oder 32“ (Bautenbach-Feldow BM: 12).

In fast allen von uns untersuchten ostdeutschen Kommunen wurden derartige Kollektivabschlüsse zwischen Kommune und Personalrat geschlossen, die eine Reduktion von Arbeitszeit und Lohn vorsahen. Die Bezeichnung „solidarische Arbeitszeitpolitik“ ergibt sich nicht nur aus der Tatsache, dass die Gewerkschaf-ten diesen Abkommen gegenüber eher wohlwollend eingestellt waren, sondern auch aus der Tatsache, dass sie auch unter den Beschäftigten umstritten waren. Auch (nach Sozialauswahlkriterien) nicht kündigungsgefährdete Mitarbeiter mussten einer nicht unerheblichen Lohn- und Arbeitszeitreduktion zustimmen. Es gab deshalb „leidenschaftliche Diskussionen […] wirklich in alle Richtun-gen“ (Bolfin PER: 40). In der Regel setzten sich jüngere Beschäftigte, Personal-rat und Personalverantwortliche mit ihrem Vorhaben durch.

Es gibt verschiedene Varianten dieser Haustarifverträge, einige ermöglichen dem Beschäftiger, individuell die Arbeitszeit von einzelnen Mitarbeitern zu sen-

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ken, die meisten gelten kollektiv für bestimmte, vom demographischen Wandel besonders stark betroffene Arbeitsbereiche wie Kindertagesstätten, einige weni-ge Kollektivverträge gelten für alle kommunalen Beschäftigten. Alle haben zur Folge, dass der interne Arbeitsmarkt stärker abgeschottet wird, weil parallel meist die Einstellungen fast auf null zurückgefahren wurden. Dadurch beschleu-nigen diese Verträge die demographische Alterung der Beschäftigten. Insbeson-dere bei Verträgen, die für die gesamte Verwaltung einer Kommune gelten (un-abhängig vom Arbeitsanfall in den Bereichen), werden darüber hinaus von ein-zelnen Personalverantwortlichen nach einigen Jahren leistungsentmotivierende Folgen vermerkt.

„[Ich] war nicht dafür, einen neuen [Haus]Tarifvertrag abzuschließen, weil man sich da so stark bindet. […] Der demotiviert die Verwaltung zu sehr“ (Linten BM: 67).

Es sticht ins Auge, dass diese Form der personalpolitischen Bewältigung demo-graphischen Wandels in unserer Untersuchung nur in Ostdeutschland auftritt. Warum ist das so? Es fällt zunächst auf, dass hier der demographische Druck (und sein später noch zu besprechender haushaltspolitischer Impetus) am stärks-ten konzentriert ist, sodass hier bereits Entlassungen größeren Umfangs vorge-nommen wurden, bevor zu der besprochenen innovativen Form gegriffen wird. Anders als die Massenentlassungen nach der Wende erschienen diese nicht mehr unausweichlich den direkten Transformationsfolgen geschuldet. Entlassungen galten zunehmend als illegitim und zugleich waren Lohnreduktionen nicht mehr tabu. Parallel zu ähnlich gelagerten Entwicklungen in der gewerblichen Wirt-schaft zu dieser Zeit wurden in dieser Konstellation die internen Arbeitsmärkte gestärkt und Betriebe wandelten sich zu „Überlebensgemeinschaften“ (Behr 2004). Weiterhin fällt auf, dass es sich um Haustarifverträge handelt. Arbeit-nehmer sind hier also hinreichend organisiert, dass Gewerkschaften, insbesonde-re Personalräte, als Kollektivakteure auftreten können. Dies steht im starken Kontrast zu den polnischen Interviews mit Kommunalverantwortlichen, in de-nen die Gewerkschaften kaum erwähnt werden, also keine handlungsrelevante Größe darstellen (mit Ausnahme der Schulen).14 Es fällt auch auf, dass die Abkommen zuerst auf Organisationsebene abgeschlossen wurden und nicht, wie

14 Selbst für Schulen ist im Lehrergesetz festgelegt, dass bei einem Rückgang der Schüler-

zahl der Schulleiter einzelnen Lehrern eine Stundenreduktion bei vollem Lohnverzicht vorschlagen kann. Wenn Lehrer dies ablehnen, kann er sie in diesem Fall entlassen. Die geringere Macht der Gewerkschaften in dieser Konstellation zeigt sich schon in den fest-gelegten Handlungsspielregeln.

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wir im westdeutschen Fall gesehen haben, dem Flächentarifvertrag der Vorrang gewährt wurde.

Teilzeit: Individuelle Teilzeitbeschäftigungen sind in Westdeutschland am um-fangreichsten, in Ostdeutschland und Polen nehmen sie zu. Die Personal-veranwortlichen in allen drei Untersuchungsregionen gehen auf diese Form der Personalpolitik allerdings kaum ein.

Qualifikationsverbesserung: Eine wichtige Rolle bei den Expertengesprächen in Polen spielte die personalpolitische Bewältigungsstrategie der Qualifikations-verbesserung. In der Kernverwaltung kommt hier der Einstellungspolitik eine Rolle zu, da beim Fehlen einer dualen Ausbildung zur Verwaltungsfachkraft das Bemühen dahin geht, über höhere Bildungsabschlüsse der Einzustellenden die Flexibilität der Arbeitskräfte zu erhöhen. In den kommunalen Schulen kommt die Strategie der Qualitätsverbesserung in einer gezielten Weiterbildungspolitik zum Tragen. Traditionell lehren polnische Lehrer nur in dem einen Fach, in dem sie ausgebildet wurden, und dürfen in der Regel nur in diesem lehren. Sowohl bei abnehmenden Schülerzahlen als auch bei Verschiebungen der Lehrplanbe-deutung von Fächern ergeben sich hier sehr schnell Personalüberhänge auf einer Fachseite und Personalmängel bei einem anderen Fach. Alle interviewten Schul-leiter weisen auf derartige Probleme hin und unterstützen deshalb die Ein-stellung von Zwei- und Mehrfach-Lehrern, bzw. begünstigen viersemestrige Weiterbildungen zu einem zweiten Fach bei vorhandenen Ein-Fach-Lehrkräften.

„Sicher Qualifikation, wenn ein Lehrer sich weiterbildet. Da unsere Schule sehr klein ist und es bei vielen Fächern nur wenige Stunden gibt, ist für mich ein Lehrer, der ein Weiterbildungsstudium abschließt und dadurch über mehr Qua-lifikationen verfügt, sehr wertvoll. Ich weiß, dass ich nicht zwei oder drei zu-sätzliche Personen beschäftigen muss, da einer über die Qualifikation der Lehre in drei Fächern verfügt, und ich habe die Bequemlichkeit, dass ich nicht nach irgendjemandem suchen muss“ (Mielcz SCHL).

Qualifikations- und Weiterbildungspolitik gehören hier zu den mittelfristigen Personalstrategien polnischer Schulleiter:

„Ich beschäftige Lehrer, Mathe und Physiklehrer, ja? Die so genannten Mehr-fach-Lehrer. […] Zum Beispiel habe ich den Biologielehrer gebeten ein Auf-baustudium in Geographie zu machen, jetzt habe ich zwei solche Lehrer. […] So, der Direktor muss früh genug handeln, und das mache ich, damit ein Lehrer Mehrfach wird, wie wir sagen, zwei Studien abgeschlossen hat. Ich habe einen Physiklehrer und ich habe Informatik. Sehr gute Mischung, oder? Der alte In-formatiklehrer geht in Ruhestand und ich habe bereits eine qualifizierte Person für die Stelle. Man muss hier vorausdenken und –planen, zum Beispiel. Wenn man nicht 2 bis 3 Jahre vorausplant, dann würde das sehr schlecht für die Schu-

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le sein. Ich glaube, das könnte einem faulen Direktor passieren, der Lehrer an-stellt, ohne zu sehr an die Zukunft zu denken“ (Starów SCHL).

Funktionale Flexibilität durch Mehrfachkompetenzen ist hier also ein bevorzug-tes Mittel der Personalverantwortlichen, um mit Nachfrageverschiebungen und mit Schülerrückgang umzugehen. In den ost- und westdeutschen Experteninter-views spielten entsprechende Strategien von Mehrfachqualifikationen keine äquivalente Rolle.

Überstunden: Überstunden und ihr gezielter Einsatz sind ebenso von großer Be-deutung bei personalpolitischen Flexibilitätsstrategien, die polnische Schulleiter einsetzen. Dies hat seine Gründe auch in der zeitlichen Planungsdynamik: Die Personalplanung kann sich bei den fortgesetzten Klassen auf die bisherigen Bestände stützen, bei den Neuklassen der Schulen gibt es dagegen eine große Unsicherheit, die sowohl quantitativ als auch zeitlich gegeben ist. Quantitativ ist es so, dass durch die demographisch bedingte Abnahme von Schülern, aber auch durch die geringe Zuverlässigkeit der Melderegisterdaten auch aufgrund von Auslandspendelmigration sowie Binnenmigration,15 sowie durch Nachfrage-schwankungen aufgrund der freien Schulwahl polnischer Eltern, im Frühling ei-nes Jahres nicht genau prognostizierbar ist, wie viele Schüler im Herbst kommen werden und damit wie viele Klassen aufgemacht werden müssen. Vorgegeben ist, dass die Personalentscheidungen bezüglich der Weiterbeschäftigung der vorhandenen Lehrer bis Ende Mai getroffen werden müssen, während die realen Schüler erst im September unumstößlich vorhanden sind. Die Schulleitung hat die Möglichkeit, in dieser Situation eine optimistische oder eine pessimistische Planung vorzunehmen, in dem Sinn, dass sie mit gleich hoher oder höherer Klassenzahl der Neuanfänger plant oder indem sie mit einer niedrigeren Zahl rechnet. Da den Schulleitern im Falle einer zu optimistischen Planung ein unvollständig beschäftigter Lehrer droht, was auf die massive Kritik der finan-zierenden Gemeinde stoßen würde, bevorzugen die Schulleiter eine pessimis-tische Planung der Neuklassen.

„In der Planungsphase, und die ist im April, im Mai, muss man diese minimale Obergrenze setzen, damit es danach kein Unglück gibt, weil Sie nach dem 31. Mai keine Möglichkeit mehr haben, Personalentscheidungen zu treffen, nicht wahr? Und wenn ich einen Plan aufstellen würde, fiktiv, dass ich zehn Klassen haben werde und diese zehn Klassen reinschreibe, und all diese Lehrer dabehal-te, und in Wirklichkeit mache ich dann vier Klassen auf, und ich habe Lehrer,

15 Eine Schulleiterin aus Goromierz berichtet, dass er in seinem Einzugsgebiet nur von ei-

nem Auftauchen von 50% der im Melderegister eingetragenen Kinder an der Schule aus-geht, da die Melderegister so ungenau geführt werden.

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für die ich keine Stunden habe, für die ich keine Arbeit habe. Ja, dann rollt als erstes mein Kopf, nicht wahr, außerdem erlaubt das der Schulträger nicht, weil das überprüft, kontrolliert, beobachtet, analysiert wird und so weiter. Also, es darf absolut nicht zu solch einer Situation kommen“ (Goromierz SCHL, Abs. 110-120).

Der Schulleiter gibt hier an, dass es bei einer zu optimistischen Planung zu nega-tiven Sanktionen für ihn kommen würde. Eine pessimistische Planung begüns-tigt dagegen Überstunden, da zusätzliche Schulanmeldungen (in Relation zur Planung) nicht mehr zu Neueinstellungen führen können.

„Es hat sich gezeigt, dass dank der vermehrten Anmeldungen im Vergleich zu den im Mai geplanten, zwei zusätzliche erste Klassen entstanden. Ja, deswegen gab es die Möglichkeit, oder entstand die Möglichkeit, dass die Lehrer im Mo-ment so einiges an Überstunden haben, nicht wahr?“ (ebd.).

Im konkreten Fall (zwei zusätzliche Klassen) führt die Planungsunsicherheit zur Ersetzung von drei Neueinstellungen durch Überstunden und Stundenaufsto-ckungen vorhandener Lehrkräfte. Da im polnischen Lehrergesetz Überstunden bis zu 9 Lehrerstunden (bei einem Lehrdeputat von 18 h) erlaubt sind, und auf-grund der niedrigen Löhne Lehrer gerne entsprechende Angebote annehmen, wird die interne Flexibilisierung der Personalpolitik in Form von Überstunden durch die vorhandenen Abläufe gestützt. Weder in Ost- noch in Westdeutsch-land wurde von einer ähnlichen Bedeutung von Überstunden bei personalpoliti-schen Bewältigungsstrategien berichtet.

Intern-externe Flexibilität: Die Grenzen zwischen interner und externer Flexibi-lität sind in der Realität fließend, da auch die zugrundeliegende Unterscheidung zwischen Organisation und Markt Übergänge aufweist. Bei Arbeitsmärkten trifft dies beispielweise für die Bedeutung von informellen Netzwerken bei Stellen-rekrutierungen (Granovetter 1985) zu oder auch für die Nutzung von Zulieferer-betrieben bei der Verschiebung von Arbeitskräften aus den Konzernzentralen, wie sie in Japan üblich ist (Dore u.a. 1989). Auffällig in unseren Untersuchungs-gebieten war diesbezüglich insbesondere die Bedeutung von kommunalen Schul-netzen in Polen. Im zentralstaatlichen Bildungssystem, das bis 1999 galt, war eine Versetzungsmöglichkeit von Lehrern an andere Schulen vorgesehen. In die-sen Fällen sieht das auch heute noch gültige Lehrergesetz die Stellung einer Wohnung, eine Viertage-Woche und ein Rückkehrrecht an die ursprüngliche Schule nach drei Jahren vor. Ob dieser restriktiven Bedingungen verwundert es nicht, dass dieser Paragraph des Gesetzes kaum in Anspruch genommen wird. Seit der Schulreform 1999 ist nun die einzelne Schule der Beschäftiger eines

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Lehrers, wobei die Gemeinde der Schule die Finanzen für diese Beschäftigung zur Verfügung stellt. Obwohl die Schule eine autonome Organisation ist, steht sie doch in einer starken Abhängigkeit von der Gemeinde, was sich auch auf ei-ne Restrukturierung der Grenze zwischen internen und externen Arbeitsmärkten auswirkt. In den letzten Jahren haben Beschäftigungsverhältnisse zugenommen, die Flexibilitätsformen zwischen kommunalen Schulen nutzen. Dies gilt insbe-sondere für zwei Formen: die Anstellung von Lehrern auf Teilzeitbasis in zwei oder mehr kommunalen Schulen gleichzeitig; sowie (befristete) Anschlussbe-schäftigungen in benachbarten kommunalen Schulen. Träger dieses neuen kommunalen Lehrerarbeitsmarktes, der sich nicht nur auf eine Schule be-schränkt, aber zugleich abgeschottet gegenüber dem externen Arbeitsmarkt ist, sind zum einen informelle Netzwerke zwischen Schulleitern einer Gemeinde, die sich häufig untereinander kennen. Zum anderen unterstützt manchmal die Kommune bewusst derartige Strukturen, indem sie Informationssysteme im Sin-ne von Stellenbörsen aufbaut. In einigen Städten, wie z.B. Dobroniec, einigte sich auch die Gemeinde mit den Lehrergewerkschaften in einem Abkommen, dass im Falle von Schulschließungen stellungslose Lehrer in der Kommune be-vorzugt bei Neueinstellungen zu behandeln seien. Schulleiter fühlen sich durch derartige formelle Arrangements, wie sie behaupten, eingeschränkt in der leis-tungsgesteuerten Auswahl von Lehrern. Dennoch unterstützen sie die informel-len Komponenten dieses Systems: die Beschäftigung von Spezialfach-Lehrern an mehreren kommunalen Schulen stellt eine Lösungsmöglichkeit der bereits angesprochenen funktionalen Flexibilität zur (zertifiziert) qualifizierten De-ckung aller Fachprofile dar. Die Weiterempfehlung von Lehrern, deren Vertrag nach Befristung oder nach einer Entlassung ausgelaufen ist, an eine andere kommunale Schule ermöglicht dem Leiter, dass ein als moralische Verpflich-tung empfundenes Kümmern um eine Anschlussposition gewährleistet werden kann. Außerdem kann im Falle einer direkten Anschlussstellung die Zahlung von Abfindungen (bis zu sechs Monatsgehälter) eingespart werden. Gemeinden wiederum können durch die Unterstützung eines kommunalen (Lehrer-)Arbeits-marktes signalisieren, dass sie sich um ihre Bürger kümmern.

Bevor in einem nächsten Schritt auf die personalrelevante Governance- und Programmpolitik von Kommunen eingegangen wird, soll in Rückbezug auf die Erkenntnis leitenden Hypothesen und die idealtypische Annahme der Kern der personalpolitischen Reaktionen auf demographischen Wandel im öffentlichen Dienst herausgearbeitet werden.

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In den Eingangshypothesen wurde vermutet, dass in Polen ein stärker autono-mer Transformationspfad über die Institutionalisierung von Autonomie (Auto-nomiethese), sowie aufgrund einer stärkeren Offenheit für Außeneinflüsse ein stärkeres Durchschlagen des New Public Management-Diskurses (NPM-These) je zu einer größeren personalpolitischen Flexibilität führen würde. Weiterhin wurde vermutet, dass das unterschiedliche Kräfteverhältnis zwischen Arbeit und Kapital in den Untersuchungsregionen über die Institutionalisierung von Flexi-bilitätsbeschränkungen (Arbeit-Kapital-These) zu divergenter Personalpolitik führe.

In allen drei Untersuchungsregionen zeigt sich, dass die idealtypische Annahme einer Problem verschärfenden stabilisierenden Personalpolitik, die auf einen Nachfragerückgang durch demographischen Wandel nur mit einer Steuerung des Kohortenaustausches reagieren kann, so nicht zutreffend ist. Wir finden in allen drei Untersuchungsregionen eine sehr viel umfangreichere Ausschöpfung des Möglichkeitsraums. Auffällig ist hier, dass sich in den Transformationslän-dern Ostdeutschland und in geringerem Umfang in Polen auch personal-reduzierende Personalpolitik in Form von ökonomisch motivierten Entlassungen finden lassen – im Unterschied zu Westdeutschland. In beiden Regionen versu-chen die Personalverantwortlichen allerdings aus Solidaritätsgefühlen heraus dieses Mittel so wenig wie möglich einzusetzen. Auffällig ist weiterhin, dass es in allen drei Regionen zu Innovationen der Personalpolitik des öffentlichen Diens-tes gekommen ist, die meist, aber nicht immer die Grenzen zwischen internen und externen Beschäftigungssystemen verwischen.

Die geringsten Änderungen in Bezug auf die Personalpolitik konnten in West-deutschland festgestellt werden. Die größte auch von den Akteuren akzentuierte und von den Personalverantwortlichen unterstützte Änderung betrifft dort die vermehrte Verwendung befristeter Beschäftigung. Interessant für die Erklärung von Unterschieden im Sinne der Arbeit-Kapital-These ist, dass dieser schon seit den 1980er Jahren organisational beschrittene Weg inzwischen auch Eingang in einen nationalen Flächentarifvertrag gefunden hat, der ungewöhnlich großzügi-ge Befristungsmöglichkeiten zulässt. Flächendeckende Autonomie- oder NPM-Bewegungen der Kommunen waren nicht zu registrieren.

In Ostdeutschland konnten Wellen der Personalpolitik festgestellt werden, wobei auf eine anfängliche Phase der Nicht-Reaktion Entlassungen sowie die domi-nante Strategie der kollektiven Arbeitszeit- und Lohnreduktionen folgte. Verblüf-

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fend ist, dass sich hier eine Radikalisierung interner Arbeitsmarktabschließung durchgesetzt hat. Die (im Vergleich zur idealtypischen Annahme) starke Zunah-me an Flexibilität wurde über eine Steigerung interner Flexibilität erzielt. Be-deutsame NPM-Bewegungen waren in Ostdeutschland nicht zu erkennen. Inte-ressant ist, dass die lokale Autonomie durch die Machtübernahme16 kommunaler Verhandlungssysteme gesteigert wurde insofern als dezentrale Tarifverträge die vorherigen Bindungen an Flächentarifverträge unterliefen. Bezüglich der Ar-beit-Kapital-These gilt, dass die Gewerkschaften Teilnehmer der Abkommen sind, z.T. sogar deren Proponenten. Zu beachten ist hierbei, dass die mit diesen Abkommen erfolgende teilweise Abkehr von der Tarifpolitik der Nachwendezeit einer schnellen Lohnerhöhung und -angleichung, die in starkem Maß von west-deutschen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften getragen wurde (Wiesen-thal 1995), nun von den lokalen ostdeutschen Ebenen revidiert wird.17

In Polen hat hypothesenkonform die intensivste Steigerung von Autonomie über die Vermehrung von entscheidungsberechtigten Positionen durch die Dezentra-lisierung des Bildungssystems und seine manageriale Schulautonomie stattge-funden. Verblüffenderweise hat dadurch nicht die Binnenvarianz der verfolgten Strategien zugenommen, da meist ähnliche Probleme und Lösungsstrategien von den Experten berichtet wurden. Hypothesenkonform war, dass mit der Bildungs-reform 1999 stärker Elemente des New Public Management in Polen eindringen konnten, wie z.B. die bereits erwähnte Dezentralisierung, aber auch die Einfüh-rung von freien Schulwahlsystemen als Quasi-Markt. Es fällt aber auf, dass so-wohl der institutionelle Rahmen als auch das Akteursselbstverständnis stark ei-nem Verständnis von Schule als Professionsverband verbunden bleibt, dass also anders als in den britischen New Public Management-Modellen keine Politik gegen Professionen versucht wurde (vgl. Crouch 1998; Kirkpatrick u.a. 2005). Die dominante personalpolitische Bewältigungsstruktur im öffentlichen Dienst, insbesondere im kommunalen Bildungswesen, besteht aus zwei unterschiedli-chen Komponenten. Einerseits wird über individuelle Kooperationen zwischen

16 Hier wird die aktivere Formulierung Machtübernahme statt Machtübertragung gewählt,

da zwar die Flächentarifverträge der letzten 20 Jahre vermehrt Öffnungsklauseln für de-zentrale Abkommen ermöglichen, aber zugleich die lokalen Akteure diese Möglichkeit ergreifen müssen. Im Fall der polnischen Bildungsreform 1999 wurde dagegen Macht eindeutig an lokale Akteure übertragen.

17 Vergleichende Untersuchungen zeigen, dass der Anteil von ost- vs. westdeutschen Eliten in den neuen Bundesländern bereichsspezifisch stark variiert. Besonders hoch ist inzwi-schen der Anteil von Eliten ostdeutscher Herkunft in den Gewerkschaften und in der Poli-tik (Kunze 2008).

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Arbeitgebern und Beschäftigten die interne Flexibilität über eine Erhöhung von Mehrfachqualifikationen vergrößert und weiterhin über variable Überstunden passgenau gemacht. Weiterhin wird über eine Vermehrung befristeter Beschäf-tigung und die verstärkte Nutzung von lokalen Organisationsnetzen der Umfang der externen Flexibilität gesteigert. Letzteres wird bezüglich seiner Auswirkun-gen auf eine mögliche Polarisierung der Beschäftigten später genauer zu prüfen sein. Auffällig bezüglich der Arbeit-Kapital-These ist, dass die primäre Aus-handlungsebene von Flexibilitätsformen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitge-bern nicht in Tarifverträgen stattfindet, sondern direkt im politischen Raum. Das „Lehrergesetz“ als ein in den Expertengesprächen deutlich spürbares Doku-ment von gewerkschaftlichem Einfluss ist ein Gesetz, das inzwischen ähnlich wie die erwähnten deutschen Tarifverträge zu einer zunehmenden Institutionalisie-rung von Flexibilität beiträgt, das allerdings aufgrund seines Gesetzescharak-ters auch stärker sprunghaft aufgrund von Parteikonstellationen Positionen in einem ständigen Hin und Her wechselt. Die Schwäche der kollektiven Arbeit-nehmer belässt hier ein Nebeneinander zwischen z.T. sehr rigiden nationalen Flexibilitätsbeschränkungen und z.T. recht einseitigen lokalen Arbeitgeberver-fügungsmöglichkeiten.

5.2.3.2 Governancepolitik Alternativ zu den bisher beschriebenen Möglichkeiten, das Personal an die (de-mographisch bedingten) Veränderungen der Nachfrage anzupassen, besteht für die Kommunen auch die Möglichkeit einer eigenständigen Governancepolitik. Relevant sind hierfür in unserem Kontext v.a. zwei Überlegungen, die eine gewisse Rolle spielen. Zum einen geht es bei dieser Frage um generelle Ver-schiebungen der Gewichte zwischen (staatlicher) Hierarchie und (privatwirt-schaftlichem) Markt, die in den letzten Jahren primär unter dem Stichwort Priva-tisierung diskutiert wurden. Zum anderen gelten Fragen der interkommunalen Kooperation, von Verwaltungsgebietsreformen und Organisationsschließungen als heikle Aspekte der Governancepolitik auch in Zeiten demographischen Wandels.

Insgesamt erwähnten die interviewten Experten Fragen der Privatisierung recht selten. Lediglich eine schrumpfende Kommune in Westdeutschland, Dahren-berg, bezeichnete Privatisierung als eine wichtige Bewältigungsstrategie der Kommune, um mit demographischem Wandel umzugehen. Dort wurde die Wohnungsgesellschaft privatisiert. Es wurden auch Investitionsvorhaben wie der Neubau einer Messehalle und eines Schwimmbades in Form einer Private Public

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Partnership angestoßen, d.h. die Kommune regt entsprechende Vorhaben an, nimmt auch z.T. Investitionen vor, überlässt die Bewirtschaftung der Vorhaben allerdings privaten Betreibern, um das Risiko der Gemeinde zu verringern. In Ostdeutschland wurde unter dem Eindruck schrumpfender Kinderzahlen ein bemerkenswerter Teil der kommunalen Kindertagesstätten an Träger der freien Wohlfahrtspflege übergeben.

Interkommunale Kooperation wird als Form der Bewältigung von Schrumpfung insbesondere durch die Bertelsmann Stiftung favorisiert, die eine lange Tradition in der kommunalen Politikberatung hat und um eine Professionalisierung kom-munaler Entscheidungsträger im Umgang mit demographischem Wandel bemüht ist (Esche u.a. 2005; Bertelsmann Stiftung 2006). Es leuchtet spontan ein, dass bei einer Reduktion von Ressourcen einzelner Organisationen eine Zusammenarbeit zwischen Organisationen eine effiziente Lösung darstellen könnte, indem die Bearbeitung einzelner Aufgaben zusammengelegt wird.

Genauere Analysen zu den Haltungen von Gemeinden zu interkommunaler Ko-operation (Pawleta 2008) zeigen allerdings, dass insbesondere in schrumpfenden Gemeinden die Kooperationsneigung eher gering ist. „Nee [keine Zusammenar-beit zwischen Kommunen]. Da sind die kommunalen Eigensinnigkeiten immer noch ganz heftig“ (Pötzberg, BM: 327). In allen drei Untersuchungsgebieten gibt es Berichte von Versuchen der interkommunalen Kooperation, die von der Auskunft gebenden Kommune angestoßen, aber von anderen Kommunen abge-lehnt wurden. Die Breite dieser Berichte, insbesondere in peripheren und schrumpfenden Regionen lässt vermuten, dass es relativ einheitliche Interessen-lagen gegen eine interkommunale Kooperation gibt: Man befürchtet dabei einen Verlust an Autonomie: Interkommunale Kooperation in schrumpfenden Regio-nen wirft das Problem auf, bisher als notwendig erachtete und von der Kommu-ne selbst erbrachte Aufgaben evtl. an eine andere Kommune zu verlieren. Dieses Risiko der Reduktion von Aufgabenvielfalt vor Ort versucht man zu vermeiden. In den Experteninterviews zeigt sich, dass in zwei Konstellationen demgegen-über interkommunale Kooperationen gelingen: bei wachsenden Kommunen und bei von Gebietsreformen bedrohten Kommunen.

Hindernisse bei der Kooperation zwischen wachsenden Kommunen im Umkreis von Metropolen können anscheinend leichter überwunden werden. Die Nähe der Kommunen zueinander sowie ähnliche Interessen sind dabei ausschlaggebende Faktoren. Weiterhin wirken „spill-over Effekte“ bei der Nutzung kommunaler Infrastruktur und „economies of scale“ bei der gemeinsamen Erbringung kom-

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munaler Güter und Dienstleistungen kooperationsfördernd. So treffen sich mo-natlich z.B. viele Kommunen um Warschau, in einem Gemeindebund zusammen geschlossen, um gemeinsame Interessen an „Kommunikationsverbindungen, Mitfinanzierungen des Bildungssystems, weiter – Finanzierung der Aufgaben im Bereich der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und um die finanzielle Unter-stützung des Gesundheitswesens“ (Starów BM: 472ff.) abzustimmen. Ähnlich haben sich sieben Gemeinden um Berlin zusammengeschlossen, um einen Tou-rismusverein zu initiieren. Hier erwächst interkommunale Kooperation aus der Erschließung neuer Aufgaben, die zusätzlich zu den bestehenden Arbeitsgebie-ten begonnen werden können. Die im Wachstumsprozess erworbenen Ressour-cen können in diesen Fällen in gemeinsame neue Unternehmungen investiert und zusammengelegt werden.

Zunehmende interkommunale Kooperation findet sich auch bei drohenden Ver-waltungsreformen (vgl. Bartl 2009). In Sachsen-Anhalt ebenso wie in vielen Transformationsgebieten wurden nach der Wende relativ kleine Gebietseinhei-ten festgelegt, die jetzt unter dem Druck der demographischen Verhältnisse zu Versuchen von Gebietsreformen führen (Swianiewicz 2002, Wollmann 1997). Interkommunale Kooperationen vor einer Gebietsreform ermöglichen den Kommunen einen als größeres Übel wahrgenommenen Verlust der eigenständi-gen Gestaltung von Strukturen zu umgehen:

„So dass wir davon ausgehen, dass es nicht mehr allzu lange dauern wird, dass es eine kommunale Gebietsreform geben wird. Und da möchte man sich schon so aufstellen, dass wir Strukturen festigen in der Zusammenarbeit (lacht), weil wir ungern zerschnippelt würden und der Eine kommt dann dorthin und der Nächste dorthin“ (Dahrenberg SOZ: 89).

Unter Druck kann also das Gefangenendilemma der interkommunalen Koopera-tion aufgehoben werden. Erfolgt dann wirklich eine Gebietsreform, wie z.Zt. in einigen Gebieten Sachsen-Anhalts, dann müssen (wie bei einer Unternehmens-fusion) viele Parallelstrukturen zusammengelegt werden, bei denen erst über einen mittelfristigen Zeitraum klar wird, wie groß der Rationalisierungseffekt ist und ob er eintreten wird. Der Zugewinn an Fläche kann erhoffte Rationalisie-rungsgewinne teilweise ganz aufheben.

Innerhalb von Kommunen gehört die Schließung von einzelnen Organisationen zu den Erfordernissen einer Anpassung an demographischen Wandel, wobei der Schließung einer letzten Einrichtung einer Art besondere Bedeutung zukommt:

„Wir haben insgesamt, glaub ich, fünf oder sechs Kindereinrichtungen ge-schlossen, weil der Bedarf nicht da ist. Und haben auch zwei Grundschulen ge-

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schlossen. Das heißt, man muss also aufpassen, dass man genügend vorhält, al-so nicht, dass man dann zu viel zumacht und man denn ein Problem hat. Man muss also das, was gefordert ist, sozusagen, vorhalten in ausreichendem Maße, aber alles was darüber ist, will man natürlich nicht, weil das denn zusätzliche Kosten wären“ (Talstedt SOZ: 31f.).

Die Fixkosten einer Einrichtung steigen mit abnehmender Nutzung, sodass eine Schließung rentabel wird. Allerdings ist die Wiederinbetriebnahme einer Einrich-tung mit relativ hohen Kosten verbunden, sodass auch übermäßige Schließungen vermieden werden. Bei der letzten Einrichtung einer Art in einer Gemeinde droht in der Regel ein Verlust von Vielfalt und Identität, hier sind die Wider-stände am größten, die durchaus auch Kreativität hervorrufen können. In Sentig-Sendow wurde beispielsweise die Schließung der einzigen Oberschule in der Kommune dadurch verhindert, indem in Zusammenarbeit mit 28 Unternehmen vor Ort ein besonderes Profil einer mit Lehrstellenverträgen verbundenen Bil-dung erstellt wurde und erfolgreich vermarktet werden konnte (vgl. Sack-mann/Bartl 2007, Bartl 2009).

Dass es bei Governancepolitik nicht nur um das Verhalten einzelner Organisati-onen und Kommunen geht, sondern durchaus auch um die Setzung von Ord-nungsrahmen, wird besonders deutlich, wenn mehrere Ebenen verbunden sind. Verwaltungsreformen sind beispielsweise in der Regel Entscheidungen einer höheren Ebene in Form des Landes, die zugunsten einer mittelfristig kosten-günstigeren Verwaltungsstruktur die Unbillen kurzfristig unpopulärer Maßnah-men in Kauf nehmen. Verwaltungsreformen und Organisationsschließungen sind in aller Regel unpopulär, da sowohl das Personal als auch die Bürger mit belastenden Umstellungen konfrontiert sind. Aufgrund der zeitlichen Inkon-gruenz der Kosten-Nutzen-Struktur derartiger Entscheidungen sind diese durch-aus anfällig für populistischen Opportunismus, da der potentielle Ertrag eines Widerstandes gegen eine Gebietsreform/ Organisationsschließung sofort anfällt, während etwaige Kosten in der Regel erst mittelfristig spürbar werden.

Aufgrund dieser Kosten-Nutzen-Struktur derartiger Entscheidungen können scheinbar paradoxe Inszenierungen verstanden werden, die in Polen bei Organi-sationsentscheidungen anzutreffen waren: Mit der staatlichen Bildungsreform 1999 wurde auch die Art der Subventionierung von Schulen geändert, die sich nun an den realen Schülerzahlen des letzten Jahres orientierte.

„Den größten Effekt hatte dies in dörflichen Gemeinden, weil kleinere Schulen sehr kostenaufwendig wurden, automatisch, was eine Schließungswelle dieser Schulen verursachte“ (ExpMJ, Abs. 16ff.).

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Die finanziell belasteten Gemeinden nahmen auch gegen den Druck von Lehrern und Eltern Schulschließungen vor, wobei diese Entscheidung genehmigungs-pflichtig für die Schulaufsicht der Wojewodschaften war, die nicht für die Fi-nanzierung zuständig ist. Diese hat z.T. einige Schulschließungen nicht erlaubt. Paradox wurde es als die zentralstaatliche Bildungsministerin der Jahre 2001-2004 Łybacka sich öffentlich für Zwergschulen ausgesprochen hat, ohne die Fi-nanzierungsbedingungen für diese zu verbessern. Auch dieses ließ sich noch durch den ihr folgenden Bildungsminister Giertych steigern:

„Absurd. Und jetzt ist es noch dramatischer, weil es noch ein bisschen populis-tischer in der Bildung ist und es ist noch schlimmer. Weil jetzt der Minister nicht nur der Schulaufsicht verbietet [Schulschließungen zu genehmigen], son-dern er fährt jetzt persönlich [hin, um dagegen zu protestieren], also es wird un-angenehm“ (ExpMO, Abs. 28-30).

In diesem Fall leistet der zentralstaatliche Bildungsminister medienwirksam Widerstand gegen Schulschließungen von Gemeinden, leistet also symbolisch Widerstand gegen die Folgen der eigenen zentralstaatlichen Politik.

Im Bereich der polnischen Kindergärten wurden in den 1990er Jahren massive Schließungen vorgenommen, die in den Experteninterviews jedoch so gut wie nicht zur Sprache kommen. Das ist erstaunlich. Kindergärten gehören in Polen zu den freiwilligen Gemeindeaufgaben, für die der Gemeinde keine zweck-gebundenen Zuweisungen zufließen und die ähnlich wie in Deutschland nicht kostendeckend betrieben werden. Die theoretisch unpopuläre Schließung einer solchen Einrichtungen weist in Polen eine andere Kosten-Nutzen-Struktur auf als bei Schulen und als Kindergärten in Deutschland, da die Betreuungszustän-digkeit für Kinder im polnischen Wohlfahrtsregime normativ immer noch weit-gehend den Familien zukommt (Heinen/Wator 2006). Daher waren Schließun-gen in diesem Bereich gerade für ländliche Gemeinden eine Option. In jüngerer Zeit bemühen sich private Träger als autonome Bewegung um eine Ausweitung des Angebots der Kinderbetreuung (Ogrodzinska 2008).

Die Analyse der Governancepolitik von Kommunen in Ost-, Westdeutschland und Polen zeigt, dass schrumpfende Kommunen mit spezifischen Handlungs-problemen konfrontiert sind, die in der Regel nur schwer mit freiwilliger Koope-ration zu lösen sind: Während für wachsende Kommunen freiwillige interkom-munale Kooperationen relativ problemlos erschlossen werden können, da eine Aufgabenausweitung und damit potentielle Gewinne in Aussicht gestellt werden können, geht es bei schrumpfenden Gemeinden bei Kooperation eher um die Verteilung von Verlusten und die Reduktion von Aufgaben, was von den Kom-

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munen vermieden wird. Der strukturierende Eingriff übergeordneter Ebenen incl. deren Androhung von Gebietsreformen kann hier Kooperationsschwierig-keiten reduzieren. Allerdings kann die höhere Ebene selbst in Dilemmata popu-listischer Politik hineingezogen werden, da die Schließung von Organisationen und kommunalen Selbstverwaltungen immer auch kurzfristig hohe symbolische Kosten, aber auch Machtverschiebungen bewirkt. Ein Rekurs auf demographi-sche Schwellenwerte zur Durchsetzung derartiger Ordnungspolitik höherer poli-tischer Ebenen kann hier selbstbindend wirken, indem dem kurzfristigen Impuls zum Regelbruch nicht gefolgt wird und die mittelfristige Rationalität der Effi-zienz gefördert wird (vgl. Elster 1987). In Bereichen die traditionell nicht als genuine Staatsaufgabe betrachtet werden, realisieren Kommunen Effizienzge-winne allein aus ökonomischen Überlegungen heraus.

5.2.3.3 Programmpolitik Die bisher besprochenen Politiken von Kommunen in Form von Personalpolitik und Governancepolitik konzentrierten sich bei schrumpfenden Gemeinden auf den Umgang mit reduzierten Ressourcen bzw. mit wegfallender Nachfrage. Da-bei wurde bei auf Reduktion angelegten Politiken versucht, durch einen (im Vergleich zum Nachfragerückgang) proportional gleich umfänglichen Personal-abbau, bzw. Organisationsschließungen die vollumfängliche Handlungsfähigkeit zu erhalten. Es war zu sehen, dass diesbezüglich vielfältige Strategien eingesetzt wurden. Noch häufiger waren stabilisierende Strategien, bei denen ebenfalls versucht wurde, den Nachfragerückgang durch eine hier allerdings sehr viel langsamere Verringerung des Angebotes anzupassen. Je nachdem, welche Stra-tegie gewählt wird, ist aus finanzwissenschaftlicher Sicht insbesondere bei der ersten Strategie im Falle eines Geburtenrückgangs mit deutlichen Haushaltsent-lastungen von Kommunen durch demographischen Wandel zu rechnen (Seitz 2006; Baum/Seitz 2003; Borge/Rattsø 1995).

Es gibt allerdings eine dritte Strategie der Kommunen, bei der diese auf den Nachfragerückgang mit einer Ausweitung des Angebotes reagieren. Wir be-zeichnen diese Strategie als expansive Strategie. Da hier neue Angebote erzeugt werden, sind expansive Strategien in der Regel mit einer Änderung der Pro-grammpolitik verbunden, da nun neue Ziele kommunalen Handelns formuliert und verfolgt werden.

In unserem Interviewmaterial fällt auf, dass wir derartige Strategien hauptsäch-lich in Westdeutschland und Polen finden, in Ostdeutschland bilden sie die abso-

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lute Ausnahme. In den Ländern bzw. Landesteilen mit expansiven Strategien sieht man, dass sie meist Teil einer Mehrebenenpolitik sind.

In Westdeutschland findet in dem von uns untersuchten Bundesland Rheinland-Pfalz ein Ausbau der Kleinkindereinrichtungen statt. Betreuungsangebote sollen bereits für über Zweijährige (statt den vorher üblichen über Dreijährigen) bereit gestellt werden. Obwohl es sich um vom Land unterstützte Angebote handelt, sind hier kommunale Entscheidungen wichtig, da die Zuschüsse nicht kostende-ckend sind. Wabental, das zwischen 1994-2005 um 14 % gewachsen ist, baut das Angebot aus:

„Ich mache ja auch hier die statistischen Planungen. Ab dem 2009 zeichnet sich ein Rückgang an Kindern ab, in nicht unerheblichem Ausmaße. In der Vergan-genheit zeichnete sich auch immer ein Rückgang ab, aber wir hatten das immer noch durch einen Zuzug kompensieren können. Nur wird der meines Erachtens nicht mehr so hoch ausfallen, wie das in der Vergangenheit war. Deshalb die Aufnahme der Zweijährigen. Denke ich mal, ist vom Land nicht nur, damit die Kinder schlauer werden, sondern ich sage mal: Man war auch weitsichtig und erkannte auch, dass die Kinderzahlen rückläufig sind und versucht so ein biss-chen abzufedern“ (Wabental SOZ: 54).

Der Sozialdezernent der Gemeinde nennt hier zwei (dem Land unterstellte) Motive zur Ausweitung des Angebotes auf Zweijährige, die für die betroffene Gemeinde Überzeugungskraft enthalten: Die Kinder sollen „schlauer werden“, d.h. man nimmt an, dass eine Ausweitung frühschulischer Bildung die langfristi-gen Bildungserträge steigert, ein Ansatz den auch internationale Organisationen wie EU und OECD verfolgen. Zugleich sollen die Folgen rückläufiger Kinder-zahlen „abgefedert“ werden, d.h. ein Ausbau ermöglicht es, das vorhandene Per-sonal weiter zu beschäftigen. Die meisten befragten westdeutschen Kommunen folgen deshalb dieser Strategie, lediglich eine leicht schrumpfende Gemeinde, Giebelsdorf, kann sich diesen Ausbau nicht leisten. Dieses Ergebnis deckt sich mit den Ergebnissen einer DJI-Studie (Pluto u.a. 2007), wonach bei sinkender Nachfrage eher westdeutsche Kommunen in ökonomisch besserer Lage zu Aus-baustrategien greifen. In unseren Expertengesprächen zeigt sich, dass sich der Ausbau von Kleinkindeinrichtungen weitgehend konfliktfrei vollzieht, während dagegen ein ähnlich motivierter Ausbau von Ganztagseinrichtungen in Grund-schulen mit Konflikten zwischen Gemeinde, Lehrern und Eltern verbunden war.

Vom Umfang noch bedeutsamer ist die Ausweitung des polnischen Schulange-botes als Folge der polnischen Bildungsreformen von 1999 und 2005 (Kopycka 2008). Dabei wurde die Einschulung um ein Jahr vorverlegt (Einführung einer

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„Nullklasse“, eines verpflichtenden Vorschuljahres ab 2006/2007), weiterhin wurde die vorherige 8jährige „Grundschule“ auf sechs Jahre reduziert, um ein dreijähriges „Gymnasium“ anzuschließen. Bei beiden Schulformen handelt es sich um vollinklusive Systeme, in denen Leistungsdifferenzen zwischen Schü-lern nicht zum Besuch unterschiedlicher Schulformen führen (die also deutschen Grundschulen und integrierten Gesamtschulen entsprechen). Erst nach nun 9 Pflichtschuljahren (und einem verpflichtendem Vorschuljahr) setzt eine Sepa-rierung der Schüler in Form des Besuches eines „Lyzeums“, eines „Techni-kums“ oder einer „Berufsschule“ ein. Diese Bildungsreform, insbesondere die Einführung des neuen Schultyps „Gymnasium“ führte zu einer Vermehrung von Schulen, deren Gesamtzahl zwischen 1998 und 2002 um 16% anstieg. Der (auch demographisch bedingte) Rückgang der Grundschulzahlen konnte also durch die Neueinrichtung von Gymnasien überkompensiert werden. Nicht nur die Zahl der Schulen wurde erhöht, sondern auch die Zahl der Pflichtstunden des gesamten Bildungszyklus wurde von 302 auf 351 Wochenstunden erhöht. Trotz eines (auch demographisch bedingten) Rückgangs der Schülerzahl stieg durch die Zu-nahme dieser Unterrichtsausweitung die Zahl der beschäftigten Lehrer zwischen 1992 und 2005 um 22% an.18

Die Motive, die hinter dem Ausbau des Bildungssystems 1999 lagen, sind nicht demographische gewesen. Seit den 1980er Jahren gab es eine wachsende Kritik an der Qualität des polnischen Bildungswesens. Unmittelbarer Auslöser der Re-form war das schlechte Abschneiden Polens bei einer OECD-Untersuchung zum Bildungsniveau von Erwachsenen (OECD 1997, 2000), bei der sich zeigte, dass Polen in der Untersuchung 1995 den letzten Platz belegte (Białecki 1996). Das Bildungsministerium beabsichtigte deshalb mit der Reform primär eine generelle Erhöhung des Bildungsniveaus, eine Qualitätsverbesserung und eine Reduktion der Ungleichheit zwischen Stadt und Land (MEN 1998). Obwohl also Qualitäts-aspekte die Reform antrieben, besteht eine nicht-intendierte Folge der Bildungs-reform darin, dass Nachfrageveränderungen aufgrund des demographischen Wandels in Polen primär durch eine expansive Strategie begegnet wurde. Die Ausweitung des Bildungsangebotes war so umfangreich, dass der demogra-phisch bedingte Schülerrückgang in den letzten zehn Jahren kompensiert wurde.

Zusammenfassend kann man sagen, dass in Westdeutschland und in Polen in nicht unerheblichem Umfang expansive Strategien im Umgang mit Nachfrage- 18 Aufgrund der in diesem Zeitraum stattfindenden Zunahme von Teilzeitarbeit, nimmt die

Zahl der Lehrerarbeitsstunden allerdings nicht in gleichem Umfang zu.

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reduktionen aufgrund von demographischem Wandel verfolgt werden, die in Ostdeutschland nicht zu finden sind. Bei den expansiven Strategien steht das als legitim geltende Ziel eines Ausbaus der Bildung im Vordergrund. Die damit er-reichte Stabilisierung der Nachfrage nach Personal in demographiesensiblen Bereichen stellt einen Nebeneffekt dar, der in der Regel von den Experten und in den Dokumenten nicht thematisiert wird, da es sich nicht um ein als legitim an-gesehenes Ziel staatlicher Politik handelt.

Warum finden sich entsprechende expansive Ansätze nicht in Ostdeutschland? Da im nächsten Kapitel Ressourcenfragen thematisiert werden, die für diese Frage nicht unwichtig sind, konzentriert sich die Suche nach Erklärungen in die-sem Abschnitt auf programmatische Fragen. Eine Ausweitung des vorschuli-schen Angebotes für Kinder jüngerer Altersgruppen stellt in Ostdeutschland keine wichtige Option dar, weil dort auch in den letzten beiden Jahrzehnten nach der Wende ein höheres Angebot vorhanden war als in Westdeutschland und in Polen. Besonders interessant ist der Vergleich der polnischen Bildungsreform mit Bildungsreformen nach der Wende in Ostdeutschland (Sackmann 2009). Man kann die polnische Reform mit ihrer Ausweitung der integrierten Beschu-lung und vorschulischer Komponenten als eine Kombination aus einer Teilfort-setzung der Tradition kommunistischer Bildungssysteme (die ebenfalls lange Gesamtschulzeiten aufwiesen) mit derzeitigen internationalen Modellen eines Ausbaus vorschulischer Elemente, längerer integrierter Schulelemente und einer Forcierung akademisch orientierter Bildung begreifen. Polen zeigt sich in die-sem Punkt also offen für internationale Entwicklungen, ähnlich wie bei der be-reits angesprochenen strukturellen Offenheit gegenüber dem NPM-Diskurs. Zugleich werden eigene Pfade wie die lange gemeinsame Gesamtschulzeit fort-gesetzt, was als Zeichen von Autonomie interpretiert werden kann. In Ost-deutschland führen dagegen die Bildungsreformen der frühen 1990er Jahre zu einer versuchten Angleichung an das westdeutsche Bildungssystem und seine (im internationalen Maßstab eher ungewöhnlich frühe) Dreigliedrigkeit. Auf-grund der Bedingungen einer inkorporierten Transformation verwundert dieser Pfadwechsel im Vergleich zu den kommunistischen Bildungsstrukturen nicht. Auffällig ist allerdings, dass in allen neuen Bundesländern – unabhängig von der parteipolitischen Ausrichtung der Landesregierungen – insofern Abweichungen vom westdeutschen Modell vorgenommen werden, als in diesen Ländern Haupt- und Realschule zu einem integrierten System zusammengelegt wurden, das einen jeweils unterschiedlichen Namen erhielt, in Sachsen-Anhalt z.B. Sekun-

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darschule. Man findet also in den ostdeutschen Bildungsreformen der frühen 1990er Jahre neben dem dominanten Versuch einer Angleichung an das west-deutsche Modell eine subdominante Tendenz, die in ähnliche Richtungen zeigt wie die polnische Bildungsreform 1999. Unter den Bedingungen einer inkorpo-rierten Transformation entwickelt sich daraus allerdings keine expansive Bil-dungsreform.

5.3 Folgen der Bewältigungsstrategien

Im Folgenden sollen die Wirkungen der analysierten personalpolitischen Bewäl-tigungsstrukturen auf die Akteure untersucht werden. Die Ausgangsthese war dabei, dass weniger die Beseitigung demographischer Probleme das Ziel kom-munaler Politik sein kann, da dieses Geschehen in der Regel außerhalb der Einflussmöglichkeiten von Kommunen liegt. Von besonderem Interesse sind vielmehr sekundäre Probleme, die aus unzureichenden Bewältigungsstrategien erwachsen. Sekundäre Probleme dieser Art waren auch von Interesse, weil demographischer Wandel einen guten Indikator insgesamt für die Bewälti-gungskapazität von Transformationsstaaten für aus der Distanz vorhersehbare aber von den Beteiligten nicht-intendierte Probleme darstellt. Als direkte Folgen unzureichender Bewältigungsstrategien wurde in Hypothesen eine Überalterung der Beschäftigten des öffentlichen Sektors unterstellt, eine sinkende Innovati-onsfähigkeit und eine zunehmende Verschuldung der Kommunen. Modell für derartige Problemzyklen waren etwa die Entwicklungsdynamiken von hoch verschuldeten Bundesländern in Westdeutschland. Da die für die zweite Förder-phase des hier dargestellten Projektes vorgesehenen quantitativen Primärerhe-bungen in deutschen und polnischen Kommunen nicht mehr realisiert werden konnten, konzentrierte sich das Projekt auf die Analyse von Sekundärdaten, mit deren Hilfe unter Inkaufnahme gewisser Einschränkungen Folgen in etwas breiterer Typik registriert und analysiert werden konnten. Diesbezüglich werden im Folgenden Analysen zu kommunalen Finanzen in den Untersuchungsgebieten zusammengefasst. Hier geht es primär um die Folgen von Personalpolitik in Reaktion auf demographischen Wandel für die Handlungsfähigkeit von Kom-munen. Ein zweiter Analyseschwerpunkt zu den Folgen demographischen Wan-dels und neuer Personalpolitiken konzentriert sich auf Arbeitnehmer (des öffent-lichen Sektors) und deren Betroffenheit in Form einer generationsspezifischen Prekarisierung ihrer Erwerbsverläufe.

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Finanzen

In der Literatur und im Mediendiskurs hat man manchmal den Eindruck, dass es eine Argumentationslinie über die Ursachenzuschreibung kommunaler Probleme auf deren Finanzausstattung alternativ zu deren demographischer Entwicklung gibt. Wie in Kap. 3 dargestellt, liegt allerdings auf der Ebene der Kommunen ein enger Zusammenhang zwischen den finanziellen Einnahmen von Gemeinden (in Form von Pro-Kopf-Pauschalen an staatlichen Steuern oder interkommunalen Ausgleichszahlungen) und deren demographischer Entwicklung vor. Wenn hier also eine Entkopplung zwischen der demographischen Entwicklung einer Kom-mune und ihrer finanziellen Robustheit festgestellt werden kann, dann ist dies primär auf die Entwicklung des Ausgabenverhaltens zurückzuführen (wenn nicht außergewöhnliche neue Steuerquellen im Zeitverlauf erschlossen wurden).

Eine Projektanalyse von Rademacher (2007) zeigt nun, dass sich die Entwick-lung der kommunalen Finanzen in den Untersuchungskommunen der drei Regi-onen sehr unterschiedlich entwickelt hat: Das Niveau der kommunalen Schulden ist in Polen sehr viel niedriger als in Ost- und Westdeutschland. In keiner der untersuchten polnischen Kommunen erreicht es mehr als 30 Euro pro Kopf. In Ostdeutschland hat sich dagegen das Verschuldungsniveau der Kommunen an das westdeutsche angeglichen und liegt nun in den meisten untersuchten Gemeinwesen zwischen 500 und 1300 Euro pro Kopf. Im Untersuchungszeit-raum 1995 bis 2005 herrscht in Polen eine Konstanz des Verschuldungsniveaus vor. In den untersuchten Kommunen Westdeutschlands gibt es leichte Schwan-kungen mit unterschiedlicher Richtung. In Ostdeutschland steigt das Verschul-dungsniveau in einigen Kommunen deutlich an.

Von besonderem Interesse ist der Zusammenhang zwischen der demographi-schen Entwicklung einer Gemeinde und ihrem Verschuldungsgrad. In Polen gibt es diesen Zusammenhang nicht. In Westdeutschland gibt es einen leichten Zusammenhang zwischen dem Verschuldungsgrad einer Gemeinde und ihrer demographischen Entwicklung: Die am stärksten geschrumpfte Kommune Dah-renberg weist z.B. den höchsten Verschuldungsgrad auf. In Ostdeutschland gibt es den stärksten Zusammenhang zwischen Verschuldungsgrad und demographi-scher Entwicklung: Je stärker eine Gemeinde schrumpft, desto höher ist sie ver-schuldet. Je mehr sie schrumpft, desto stärker wachsen ihre Schulden an. Auf-grund der geringen Fallzahlen sind Verallgemeinerungen riskant. Insbesondere die deutlichen Unterschiede in Niveau und Richtung der Entwicklung kommuna-ler Schulden in den Transformationsländern Ostdeutschland und Polen, sowie

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deren unterschiedliche Kopplung an demographische Entwicklungen scheint allerdings so robust zu sein, dass sie für spätere Interpretationen des Ent-wicklungsverlaufs herangezogen wird.

Vor allem die polnische Entwicklung der kommunalen Verschuldung hat über-rascht, da im vorherigen Kapitel dargelegt wurde, dass es im Bildungswesen, das einen erheblichen Anteil an den kommunalen Ausgaben in Polen aufweist, zu einer deutlichen Ausweitung des Angebotes in Form einer expansiven Strate-gie gekommen ist. In einer Detailanalyse (Kopycka 2008) wurde deshalb dieser Frage genauer nachgegangen.

Es zeigt sich, dass sich die Bildungsausgaben in polnischen Kommunen zwi-schen 1995 und 2005 um mehr als den Faktor 8 erhöht haben. Überwiegend werden diese Ausgaben durch aufgabenspezifische Zuschüsse aus dem zentral-staatlichen Haushalt gedeckt. Ca. ein Drittel der Bildungsausgaben werden aller-dings durch die Kommunen eigenfinanziert. Dieser Eigenanteil der Kommunen ist im Zeitverlauf gestiegen. Mit der Bildungsreform 1999 stiegen die Bildungs-ausgaben der Kommunen sowohl insgesamt als auch im Bereich der Eigenfinan-zierung deutlich an. Dass die steigenden Bildungsausgaben der Kommunen den-noch nicht zu einer vermehrten Verschuldung führten, kann also nur durch geringere Investitionen erklärt werden. Über die Zeit kann man feststellen, dass zwischen 1991 und 2005 der Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandspro-dukt mit ca. 4% relativ konstant geblieben ist. Man kann registrieren, dass die expansive Bildungsstrategie mit Kosten versehen war, der allerdings Gewinne durch eine Erhöhung der Bildungsqualität gegenüberstehen könnten. So kann man bei der PISA-Studie 2003 eine deutliche durchschnittliche Leistungs-erhöhung polnischer Schüler im Vergleich zu den Ergebnissen von 2000 fest-stellen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Entwicklung der finanziellen Fol-gen demographischer Veränderungen in den Transformationsländern Polen und Ostdeutschland sehr unterschiedlich war: In Polen steigen zwar die Ausgaben für Bildung bei sinkender Schülerzahl aufgrund einer expansiven Response-Strategie, bewirken allerdings keine steigende Verschuldung der Kommunen. In Ostdeutschland wird trotz einer eher stabilisierenden, manchmal auch reduzie-renden Personalpolitik, bei der die Anzahl des Personals weitgehend parallel zum Kinderrückgang angepasst wird, eine zunehmende Verschuldung der Kom-munen, insbesondere in den demographisch schrumpfenden Kommunen, regist-riert. Eine Erklärung dieses zuerst paradox erscheinenden Phänomens, die ge-

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genläufig zu den Ausgangsthesen ist, liegt in den langfristigen Dynamiken von Inkorporierungstransformationen in Differenz zu eigenständigen Transformati-onen (Sackmann 2009): Allgemein steigt zu Beginn eines Transformationspro-zesses das Aspirationsniveau über die vorhandenen Ressourcen. Wie bereits Offe (1996) zeigen konnte, unterscheiden sich aber Transformationspfade nach der Registrierung der massiven Abwertung der vor der Transformation vorhandenen Kapitalstöcke. In eigenständigen Transformationen wie z.B. Polen beginnt dann ein „Tal der Tränen“, bei dem breite Kreise der Bevölkerung Reallohnverzicht hinnehmen müssen, auf den nach einer längeren Übergangsphase Wachstum und ein Ansteigen der Reallöhne folgt. Die Aspirationen werden hier also nach der Ressourcenabwertung diesen angepasst und steigen erst graduell wieder an. In Inkorporationstransformationen wie z.B. Ostdeutschland findet dagegen, auch transfergestützt, parallel zur Abwertung des Kapitalstocks ein deutliches Reallohnwachstum statt. Die Übergangsphase dauert dann länger, da erst in der folgenden Phase parallel zu einer Reallohnsenkung bzw. leichter Reduktion eine wirtschaftliche Stagnation bzw. ein langsamer Wachstumsprozess, einsetzt. Die Aspirationen werden also der Ressourcenabwertung nicht angepasst, bleiben deutlich über den Ressourcen, obwohl sie im Zeitverlauf langsam nach unten korrigiert werden. Die (ideelle, aber auch die interessenbedingte) Bedeutung der Referenzgröße des Landes, an das das Transformationsland angeschlossen wurde, bestimmt Unterschiede der Dynamik der Aspirationsentwicklung in Ostdeutschland. Konkret heißt dies, dass in ostdeutschen Kommunen das hohe Verschuldungsniveau der frühen 1990er Jahren durch überdimensionierte In-vestitionen und hohe Löhne auch durch die spätere Konsolidierungspolitik nicht beseitigt werden konnte. In Polen konnte demgegenüber nach dem Entwertungs-schock der frühen 1990er Jahre eine langsame Investitions- und Wachstumspo-litik folgen, die binnenkommunal finanziert war.

Arbeitsmarkt

Die eben angesprochenen Veränderungen der finanziellen Möglichkeiten von politischen Gemeinwesen, in unserem Fall Kommunen, sind meist nicht direkt spürbar für die Bürger. Im Lauf der Zeit ist allerdings nicht zu kaschieren, dass ein steigender Verschuldungsgrad von Kommunen (im Unterschied zu einem binnenfinanzierten Wachstumspfad) zu einer zunehmenden Einschränkung des Handlungsspielraums von Kommunen führt. Die in anderen Projekten des Son-derforschungsbereiches 580 registrierte zunehmende Politikmüdigkeit in Kom-munen (Projekt A5) und eine zunehmende Entfremdung zwischen politischen Eli-

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ten und Bürgern in Kommunen (Projekt A4) können sicher nicht allein mit der vorher beschriebenen Reduktion des Handlungsspielraums politischer Gemein-wesen in der Handlungsdynamik inkorporierter Transformationsländer erklärt werden, dürften aber dennoch keine vernachlässigbare Größe darstellen, da ein politischer Verband, der zwischen Sparmaßnahmen entscheidet weniger zur Mitarbeit reizt als ein Verband der zwischen der Verwendung von Zuwächsen zu wählen hat.

Direkter spürbar sind die Folgen des Responses auf demographische Verände-rungen in Kommunen im Bereich des Arbeitsmarktes. Im qualitativen Teil des Projektes konzentrierten sich die Interviews auf die Handelnden in den Kommu-nen, also in Organisationen. Dadurch erhält man einen verzerrten Blick, der günstig für die Rekonstruktion der „subjektiven“ Rationalität von korporativen Akteuren ist, aber gleichzeitig blinde Flecken bezüglich der Folgen des eigenen Handelns für den Arbeitsmarkt aufweist. So gingen die Experten beispielsweise einfühlsam auf die Folgen von Entlassungen für die betroffenen Arbeitnehmer ein. Man hat auch gesehen, dass diese „moralischen“ Empfindungen durchaus einflussreich für die Entwicklungsdynamik von Response-Strategien ostdeut-scher Personalpolitik in Kommunen waren, da die später dominant gewordene Handlungsstrategie der kombinierten Arbeitszeit- und Lohnkürzungen primär auch der Vermeidung von Entlassungen dient. Die Folgen dieser Politik für den Arbeitsmarkt in Form von langjährigen Nichteinstellungen und damit einer Verschlechterung der Eintrittschancen von noch nicht in Organisationen be-schäftigten Personen (Outsider), zu denen in überproportionalen Umfang junge Menschen gehören, tauchen dagegen in den Experteninterviews nicht auf. Sie bleiben, da außerhalb der Organisation anfallend, weitgehend unsichtbar.

In den folgenden quantitativen Arbeitsmarktanalysen sollen beide Formen der Folgen von Personalpolitik untersucht werden: Einerseits wird in einer Analyse des polnischen Lehrerarbeitsmarktes der Frage nachgegangen, inwieweit demo-graphische Veränderungen (vermittelt über Veränderungen der Personalpolitik) Einfluss auf instabilere Beschäftigungsverläufe haben. Andererseits wird in ei-nem Vergleich zwischen Ost-, Westdeutschland und Polen der Frage nachge-gangen, ob Generationsungleichgewichte zunehmen und wie sich die untersuch-ten Länder diesbezüglich unterscheiden.

Eine Datenanalyse des polnischen Lehrerarbeitsmarktes erwies sich für das dar-gestellte Projekt insofern als ein Glücksfall als es hier möglich war, mit einem seit 2005 erstellten Individualdatensatz des polnischen Bildungsministeriums zu

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arbeiten, bei dem alle im Land beschäftigten Lehrer mit bestimmten Ereignissen ihres Erwerbsverlaufs zwischen 2005 und 2007 kenntlich waren. Dadurch konn-ten auf Aggregatebene Folgen des in den Expertengesprächen rekonstruierten Handelns korporativer Akteure in einem sich durch demographischen Wandel verändernden organisationalen Feld untersucht werden.

Eine mögliche Folge von Personalpolitik ist eine Überalterung von Lehrern. In West- und Ostdeutschland tendieren die Responsestrategien des öffentlichen Sektors in Richtung einer Schließung des internen Arbeitsmarktes durch Einstel-lungsstopps. Dies führt über Jahre praktiziert zu einem deutlichen Anstieg des Durchschnittsalters der Lehrkräfte (Sackmann 2006; Haiduk/Klemm/Meetz 2006). Der Medianwert von Lehrern in Bremen verschob sich dadurch z.B. von der Gruppe eines Alters zwischen 30-35 im Jahr 1975 auf die Gruppe der 50-55 Jahre Alten im Jahr 2004; ebenso wie sich der Wert in Thüringen von den 35-40jährigen (1991) auf die 45-50jährigen (2003) verschob. Demgegenüber liegt der Medianwert des Alters polnischer Lehrer bei 40 Jahren, die Altersverteilung ist weitgehend ausgeglichen (wenn man von der aufgrund der nach wie vor hohen Frühverrentungszahlen sehr geringen Anzahl der über 55jährigen abstra-hiert) (Kopycka 2009). Die Reproduktion dieser Altersverteilung wird primär über die Einstellungspolitik erzielt, die in Deutschland lange Zeit unter 2% der Beschäftigtenzahl der Lehrer lag, in Polen erreicht sie 2007 dagegen einen Wert von 4%. Bei einer unterstellten Beschäftigungsdauer von 30 Jahren, erreicht man mit einem Wert von 3% eine ausgewogene Altersstruktur der beschäftigten Lehrer.

Die resultierende demographische Alterung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, die sich aufgrund der praktizierten Personalpolitik in Deutschland schneller vollzieht als die demographische Alterung der Gesamtbevölkerung, ist leicht quantifizierbar und selbst wieder Ausgangspunkt von Veränderungen des Handlungsspielraums von Organisationen (z.B. deren Innovationsfähigkeit).

Veränderungen der Flexibilität der Personalpolitik in Reaktion auf demographi-schen Wandel sind dagegen, wie in Kapitel 5.2.3 dargestellt, komplexer Natur. Da nur in Polen ein entsprechender Datensatz zur Verfügung stand, können nur für den dortigen Lehrerarbeitsmarkt Folgen der Personalpolitik in Reaktion auf demographischen Wandel im Detail analysiert werden. Im Vergleich der drei Untersuchungsregionen zeigte sich, dass in Polen zwei dominante Richtungen im personalpolitischen Response auf demographischen Wandel im demogra-phiesensiblen Bildungsbereich erkennbar waren: Einerseits eine expansive Stra-

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tegie der Ausweitung des Bildungsumfangs. Andererseits gab es auch in Polen eine zunehmende Spaltung der Belegschaft in einen Kernbereich und einen fle-xibleren Außenbereich. In Verdichtung der in den Experteninterviews gewonne-nen Ansätze wurde in Anlehnung an Atkinson ein Modell eines veränderten Ar-beitsmarktgeschehens entwickelt (Kopycka 2007: 128f): Danach sollte unter den Bedingungen des demographischen Wandels (und der in Polen typischen perso-nalpolitischen Responsestrategie) eine Zunahme des Austausches des externen Arbeitsmarktes mit dem Randbereich des internen Arbeitsmarktes erfolgen; die Wechsel innerhalb dieses Randbereiches sollten zunehmen; die Übergänge in den dauerhaften Kernbereich des internen Arbeitsmarktes sollten seltener erfol-gen; sowie im internen Arbeitsmarktes sollten die funktionalen Wechsel der Aufgaben in den Schulen zunehmen; ebenso wie Beschäftigungsverhältnisse mit mehreren Schulen einer Gemeinde vermehrt auftreten sollten. Dieses Modell versuchte die verschiedenen Strategien zu verbinden, wobei zu berücksichtigen ist, dass es sich dabei um funktional äquivalente Strategieelemente der Organi-sationen handelt, in denen nicht alle Strategien gleichzeitig unter der Bedingung demographischen Wandels praktiziert werden müssen. In vergleichender Per-spektive der Experteninterviews kann man sagen, dass es in polnischen Schulen zu einer moderaten Flexibilisierung gekommen ist, bei dem einerseits versucht wurde, über Qualifikationserweiterungen die interne Flexibilität zu erhöhen, und andererseits über die Erweiterung von Befristungsmöglichkeiten im Eingangsbe-reich sowie für Zwischenphasen die Möglichkeiten einer moderaten externen Flexibilisierung zu steigern. Das Volumen der über die ostdeutschen Zeit-Lohnabkommen vermehrten internen Flexibilisierungen als auch der Umfang der Steigerung externer Flexibilisierungen in Westdeutschland über die Erweite-rung der Befristungsregeln dürfte eher über als unter den polnischen Quantitäten liegen. Ein genauer Abgleich dieser Quantitäten konnte allerdings im Projekt nicht mehr durchgeführt werden.

Die Datenanalysen mit dem SIO-Datensatz aller polnischer Lehrer zeigten für den Übergang von 2006 auf 2007 parallel zum Grad des Bevölkerungsrückgangs ein vermehrtes Aufkommen sowohl interner als auch externer Flexibilität als auch von gemischt intern-externen Flexibilitätsmaßnahmen (Kopycka 2009). Mit Ausnahme der Bedeutung des Frühverrentungsgeschehens, das im Daten-satz nicht operationalisiert werden konnte, konnten also fast alle in den Exper-teninterviews als kausal relevanten Bewältigungsstrategien nachgewiesen werden in ihrem Zusammenhang mit demographischen Änderungen. Im Detail zeigte

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sich, dass in schrumpfenden Gemeinden Lehrer häufiger einen Aufgabenwech-sel vollziehen. In diesen Gemeinden gibt es darüber hinaus eine Änderung der Berufslaufbahnen, da die Übernahme in unbefristete Beschäftigung seltener erfolgt und es weniger „Kontraktlehrer“ gibt, die sich auf einer Zwischenstufe zwischen dem Referendariat und der Daueranstellung befinden. Es gibt in diesen Gemeinden eher eine Polarisierung von entweder Referendaren oder Festange-stellten. Bezüglich von externer Flexibilität treten in schrumpfenden Gemeinden mehr Schulwechsel auf und auch mehr Entlassungen. Typisch für schrumpfende Gemeinden ist, dass in ihnen bei vorliegenden Schulwechseln von Lehrern, diese eher in Gemeinden bleiben, während in wachsenden Gemeinden eher Wechsel zwischen Gemeinden zu finden sind. Es bestätigt sich also die in den Experteninterviews geschilderte Tendenz zu einer Schließung kommunaler Leh-rerarbeitsmärkte unter der Bedingung demographischen Wandels. Allgemein kann man also sagen, dass das anhand des qualitativen Materials entwickelte Modell einer unter der Bedingung demographischer Schrumpfung zunehmenden Flexibilisierung und einer tendenziell stärkeren Spaltung der Beschäftigten des öffentlichen Sektors in Kern- und Randbereiche durch die quantitativen Analy-sen bestätigt und damit verallgemeinert werden kann. Es zeigt sich allerdings auch, dass der Erklärungswert der Variable demographische Entwicklung einer Kommune für die genannten Flexibilisierungsprozesse durchgängig nur geringe Prozentsätze der Varianz erklärt, die meist Werte bei McFaddens Pseudo r2 von 4-6% erreichen. Weiterführende Länder- und Längsschnittvergleiche werden ermitteln müssen, wie robust diese Befunde sind und was wichtige andere Erklä-rungsfaktoren für die genannten Flexibilisierungen sind.

Gegenstand einer Datenanalyse des SOEP der Jahre 1987-2005 und des polni-schen Äquivalents BAEL der Welle des Jahres 2007 war die Untersuchung der Folgen einer auch und gerade im öffentlichen Dienst zu sehenden vermehrten Trennung von sicheren Kernarbeitsplätzen und unsichereren Teilbereichen für eine stärkere Separierung generationsspezifischer Arbeitsmarktchancen (Kopy-cka/Sackmann 2009). Wenn, wie im Fall ostdeutscher kommunaler Arbeitgeber gesehen, die Grenzen zwischen internen und externen Arbeitsmärkten verstärkt abgeschottet werden, oder wenn, wie im Falle polnischer und westdeutscher kommunaler Arbeitgeber gesehen, eine Spaltung der Verträge zwischen Berufs-anfängern und länger Beschäftigten zunimmt, dann wächst allgemein die Unsi-cherheit der Beschäftigten in ihren Arbeitsverhältnissen. Phänomenologisch kann man dies als eine Prekarisierung der Erwerbsverhältnisse deuten, analy-

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tisch genauer ist es, die jeweiligen Insider-Outsider-Differenzen (Lind-beck/Snower 1988) zu Erklärungszwecken zu bestimmen. Die Prekarität wurde dabei nicht als eine dichotome Variable operationalisiert, sondern als Summen-index, der die Komponenten Beschäftigungsdauer unter einem Jahr, Teilzeitbe-schäftigung/geringfügige Beschäftigung, befristetes Arbeitsverhältnis und ein Einkommen von weniger als 75% des Median-Wertes umfasste.

Die Datenanalysen zeigen, dass das Prekaritätsniveau nur in Westdeutschland in den letzten 15 Jahren gestiegen ist, in Ostdeutschland dagegen fällt. Das Ge-samtniveau ist in Westdeutschland aber niedriger als in den Transformationslän-dern Ostdeutschland und Polen. In allen Untersuchungsgebieten gibt es einen starken Zusammenhang zwischen dem Lebensalter und der Betroffenheit von prekärer Beschäftigung. In fast allen Gruppen handelt es sich um einen leicht kurvilinearen Zusammenhang, bei starkem Auftreten prekärer Beschäftigung in der Jugend und einem leichten Anstieg in höheren Altersgruppen vor der Ver-rentung. Die kurvilineare Altersvariable erklärte 27% der Varianz des Prekari-tätsgrades bei Männern in Westdeutschland und Ostdeutschland. In Polen und bei Frauen in den Untersuchungsgebieten war dieser Zusammenhang zwar signi-fikant, aber etwas schwächer ausgeprägt. In Deutschland konnte bei den Män-nern zwischen 1992 und 2005 ein starker Anstieg der Enge des Zusammenhangs zwischen Alter und Prekarisierungsgrad festgestellt werden. Während in West-deutschland die stärkere Konzentration prekärer Beschäftigung bei Frauen zu einer starken Dekonzentration prekärer Beschäftigung im Lebenslauf führte, sind die Differenzen der Geschlechterpolarisierung prekärer Beschäftigung in den Transformationsländern Ostdeutschland und Polen deutlich geringer ausge-prägt. Eine Detailanalyse zum polnischen Lehrerarbeitsmarkt zeigte sogar, dass dort Männer häufiger von Teilzeitbeschäftigung und befristeter Beschäftigung betroffen waren (allerdings auch überproportional häufig Schulleiterposten innehatten).

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass demographischer Wandel nur in Ostdeutschland mit der Entwicklung kommunaler Finanzen korreliert, wäh-rend dies in Polen nicht der Fall ist. Während in Ostdeutschland insbesondere aber nicht nur in schrumpfenden Gemeinden der Verschuldungsgrad angestie-gen ist und inzwischen westdeutsches Niveau erreicht hat, verblieb die Ver-schuldung polnischer Kommunen verschwindend gering. Diese Divergenz kann nicht mit Unterschieden der kommunalen Personalpolitik in Reaktion auf demo-graphischen Wandel erklärt werden. Ausschlaggebend ist hier der Unterschied

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der Aspirationsdynamik bei inkorporierten Transformationen im Vergleich zu autonomen Transformationen. Während sich in letzterer Aspirationen (sowohl des Investitions- als auch des Lohnniveaus) den Kapitalentwertungen anpassen können und damit Spielraum für eine daran anschließende Wachstumsstrategie von einem niedrigen Niveau aus erlauben, führt in Inkorporationstransformati-onsländern die Orientierung der Aspirationen an der eingliedernden Gesell-schaft zu einem Verbleiben des Aspirationsniveaus auf hohem Niveau auch nach der Konstatierung der transformationsbegleitenden Kapitalentwertungen. In den Kommunen bedingt diese Dynamik eine hohe Verschuldung, die auch durch die kostendämpfende Personalpolitik in Reaktion auf den demographischen Wandel nicht beseitigt werden konnte. Beim eigenständigen Transformationsland Polen konnte dagegen die Aspirationssenkung nach der Wende eine graduelle Res-sourcenvermehrung bewirken, die selbst eine expansive Personalpolitik in Reak-tion auf demographischen Wandel binnenkommunal finanzieren ließ.

Bezüglich der von uns bisher quantifizierbaren Folgen der Personalpolitik in Reaktion auf demographischen Wandel kann man festhalten, dass die Ergebnisse der Auswertung der Experteninterviews mit polnischen Schulverantwortlichen quantitativ bestätigt werden konnten. In von demographischer Schrumpfung stärker betroffenen Kommunen konnte eine Zunahme von internen Flexibilisie-rungen, externen und intern-externen Flexibilisierungen ausgemacht werden. Das Modell eines stärker in Kernbereiche und flexiblere Randbereiche zerfal-lenden Lehrerarbeitsmarktes konnte für Polen in einem großen Individualdaten-satz bestätigt werden. Allerdings zeigte sich auch, dass der demographische Wandel allein diese Verschiebungen der Personalpolitik in Richtung einer stär-keren Flexibilisierung des öffentlichen Dienstes nur zu einem geringen Umfang erklären kann.

Allgemein kann anhand der vergleichenden Analyse von Längsschnittuntersu-chungen der drei Untersuchungsgebiete festgestellt werden, dass Veränderun-gen der Personalpolitik, insbesondere der stärkeren Separierung von internen und externen Arbeitsmärkten wie in den ostdeutschen Kommunen oder vermehr-te vertragliche two-tier-systems, die zu einer stärkeren Differenzierung von Entrants und Insidern in polnischen und westdeutschen Kommunen führen, all-gemein Folgen für die Differenzierung von generationsspezifischer Varianz von Arbeitsmarktchancen, insbesondere der Unsicherheit und Prekarität von Be-schäftigungsverhältnisse, aufweisen. Während das Gesamtniveau prekärer Beschäftigungsverhältnisse in den Transformationsländern Polen und Ost-

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deutschland höher liegt als in Westdeutschland, kann allgemein in Ost- und Westdeutschland ein starker Anstieg des Zusammenhangs von Alter und Preka-rität, insbesondere bei Männern, konstatiert werden.

Welche langfristige Risiken eine Zunahme von Generationsunterschieden auf dem Arbeitsmarkt durch vorsichtige Flexibilisierungen interner Arbeitsmärkte und die besonders dort ausgeprägte Kultur der two-tier-systems aufweist im Vergleich zu stärker generell ansetzenden Flexibilisierungen, bedarf der genau-en soziologischen Beobachtung, da sich hier neue Konflikt- und Problemlagen auftun, die nicht nur für die generationelle Differenzierung von Lebenschancen von Bedeutung sind.

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