Datenreport 2006 - gesis.org · die Kernstdte sind wegen der Suburbanisierungsprozesse nicht...

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Statistisches Bundesamt (Hrsg.) In Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftszentrum Berlin fɒr Sozialforschung (WZB) und dem Zentrum fɒr Umfragen, Methoden und Analysen, Mannheim (ZUMA) Datenreport 2006 Zahlen und Fakten ɒber die Bundesrepublik Deutschland Auszug aus Teil 2

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Statistisches Bundesamt (Hrsg.)In Zusammenarbeit mit demWissenschaftszentrum Berlin f�r Sozialforschung (WZB)und dem Zentrum f�r Umfragen,Methoden und Analysen, Mannheim (ZUMA)

Datenreport 2006Zahlen und Fakten �ber dieBundesrepublik Deutschland

Auszug aus Teil 2

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15 Lebensbedingungenim regionalen Vergleich

�konomische und demographische Prozesse tragen zu einer st�rkeren Auseinan-derentwicklung der unterschiedlichen R�ume in Deutschland bei. Die wirtschafts-st�rksten Agglomerationen sind zu Metropolregionen avanciert und erhalten ver-st�rkte Aufmerksamkeit. Abwanderung, Alterung und periphere Lage sind dagegenMerkmale problematischer Wirtschafts- und Lebensr�ume. In einigen strukturschwa-chen Regionen geraten bereits heute technische und kulturelle Infrastrukturen andie Tragf�higkeitsgrenzen, und grundlegende Dienstleistungen sind kaum noch auf-rechtzuerhalten. Wachsende regionale Ungleichheiten beinhalten die Gefahr, R�u-me zu schaffen, in denen die Menschen schlechtere Lebenschancen vorfinden undvon der allgemeinen Entwicklung abgekoppelt werden.

Auf EU-Ebene und auf Bundesebene wurde bislang mit enormen Ausgleichszahlun-gen und Fçrderungen schrittweise eine wirtschaftliche und soziale Ann�herung vonStaaten und Regionen erreicht. Die auf »Gleichwertigkeit« ausgelegten Mechanismender Regulierung auf der Nationalstaatenebene und auf europ�ischer Ebene kçnnenDisparit�ten jedoch nur in bedingtem Maße und zunehmend schlechter ausgleichen.Unter demMotto »St�rken st�rken« werden zuk�nftig Fçrdermittel vorrangig in Metro-polregionen gelenkt. Diese Regionen sollen mit ihrer Kraft auch die weniger starkenankurbeln und zu weiterer Entwicklung bef�higen. In der raumordnerischen Diskus-sion steht infolgedessen das verfassungsm�ßig verankerte Leitbild der gleichwer-tigen Lebensbedingungen in den Regionen in Frage, und Mindeststandards einerausreichenden Daseinsvorsorge werden in den Mittelpunkt ger�ckt.

Regionen versuchen sich unter den ver�nderten Rahmenbedingungen neu aufzustel-len, endogene Potentiale zu ermitteln, diese gezielt zu fçrdern und eine zukunftsf�higeEntwicklung anzustoßen. Die Akteure aus der Wirtschaft und Wirtschaftspolitik ori-entieren sich an einer St�rkung regionaler Cluster, der Koppelung von Forschung,Existenzgr�ndung und Verwertungsketten oder Regionalmarketing. Vorhandenes Hu-manvermçgen, Infrastruktur und politische Akteure beeinflussen maßgeblich die re-gionalen Entwicklungen. F�r die Sicherung von Lebensstandard und Lebensqualit�tspielen Regionen als Dimension sozialer Ungleichheit damit eine zunehmende Rolle.

Regionen werden unterschiedlich definiert. Sie beziehen sich in verwaltungspoliti-scher Hinsicht auf eine mittlere Ebene zwischen der Gemeinde und dem Staat,das heißt auf L�nder, Bezirke und Kreise. Zugleich wird mit Region ein Verflechtungs-raum bezeichnet, der wirtschaftlich, geographisch und kulturell bestimmt ist. Bislangliegen nur f�r verwaltungsm�ßig abgegrenzte Raumeinheiten ausreichend statistischeInformationen zu Lebensbedingungen und Lebensqualit�t vor.

Das Bundesamt f�r Bauwesen und Raumordnung (BBR) ermittelt �ber Verwaltungs-grenzen hinausgehende Typen: Zentral-, Zwischen- und Peripherieraum. Danebenwird zwischen den siedlungsstrukturellen Typen Agglomeration, verst�dterter und

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l�ndlicher Raum unterschieden, die in einem zweiten Schritt tiefer gegliedert werden:Agglomerationen werden unterteilt in Kernst�dte, hochverdichtete Kreise, verdichteteKreise und l�ndliche Kreise, die durchaus in großer N�he zu Agglomerationen exis-tieren (z.B. rund um Berlin oder auch Braunschweig). Die verst�dterten R�ume wer-den unterteilt in Kernst�dte mit mehr als 100000 Einwohnern, verdichtete Kreiseund l�ndliche Kreise. Im l�ndlichen Raum gibt es Kreise hçherer (zwischen 100 und150 Einwohner/km2) und geringerer Dichte (unter 100 Einwohner/km2).

Um die Lebensqualit�t in den Regionen zu ermitteln, werden im Folgenden Bevçl-kerung- und Bevçlkerungsentwicklung, Wirtschaftskraft, Haushaltseinkommen undWohnen ausgewiesen. Ein Ziel der empirisch orientierten Bestandsaufnahme regio-naler Disparit�ten besteht darin zu �berpr�fen, inwieweit sich die Lebensbedingungenin den Regionen West- und Ostdeutschlands voneinander unterscheiden und in wel-cher Hinsicht problematische Situationen erkennbar werden.

15.1 Bevçlkerungsdichte und Siedlungsstruktur

In Deutschland wohnt die Bevçlkerung auf unterschiedlich dicht besiedeltem Gebiet(vgl. Abb. 1). Der ostdeutsche Norden und Teile Niedersachsens weisen eine Bevçl-kerungsdichte von weniger als 50 Einwohner/km2 auf (Kreise M�ritz, Mecklenburg-Strelitz, L�chow-Dannenberg, Altmarkkreis, Prignitz, Salzwedel, Ostprignitz-Ruppin,Demmin, Parchim, Uckermark und Uecker-Randow). Am dichtesten besiedelt sinddie St�dte Berlin, M�nchen und Herne mit mehr als 3000 Einwohner/km2.

Eine d�nne Besiedlung ist neben einem durch Land- und Forstwirtschaft gepr�g-ten Siedlungs- und Landschaftsraum der verbliebene Indikator f�r l�ndliche Regio-nen. Der Anteil der in der Landwirtschaft Besch�ftigten ist dabei sehr gering (1,8 %der sozialversicherungspflichtig Besch�ftigten) und betrifft auch in den am d�nnstenbesiedelten Gebieten lediglich jeden zehnten sozialversicherungspflichtig Besch�f-tigten. Ostdeutsche L�nder haben mit Ausnahme von Sachsen einen vergleichswei-sen hohen Anteil an l�ndlichen Regionen (vgl. Abb. 1). In westdeutschen Bundesl�n-dern weisen Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein einen beachtenswertenAnteil l�ndlicher Gebiete auf.

Die Erreichbarkeit l�ndlicher R�ume in Deutschland ist im EU-Vergleich kein dr�n-gendes Problem, im innerdeutschen Maßstab zeigt sich jedoch, dass �berdurch-schnittliche Distanzen zum n�chsten Oberzentrum oder zur n�chsten Autobahn teil-weise wirtschaftliche Ansiedlungen, Absatzm�rkte und Zugangschancen der Be-vçlkerung zu Infrastrukturen behindern. Die periphere Lage eines Kreises wird ander durchschnittlichen Pkw-Fahrzeit vom Kreis zum n�chsten Oberzentrum gemes-sen. In l�ndlichen R�umen hat der Pkw eine hçhere Bedeutung, um die Einrichtun-gen von Oberzentren (zum Beispiel Theater, Museen, Fachkliniken, Hochschulenoder Regionalbehçrden) zu erreichen als in dichter besiedelten Regionen, in denender çffentliche Nahverkehr ausgebaut ist und zudem kurze Taktzeiten aufweist.

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Abb. 1: Siedlungsstrukturelle Kreistypen

Datenbasis: INKAR 2005.

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In Abbildung 2 sind in jedem Bundesland die Kreise mit den l�ngsten Fahrzeiten zumn�chsten Oberzentrum aufgef�hrt. D�nne Besiedlung und landschaftliche Besonder-heiten (Mittelgebirge, Alpen) erhçhen die Fahrzeiten. In ostdeutschen l�ndlichen Krei-sen ist die Distanz zu einem Oberzentrum im Mittel hçher als in l�ndlichen KreisenWestdeutschlands. Die L�nder sind in der durchschnittlichen Fahrzeit von einem Kreis

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Abb. 2: Durchschnittliche Pkw-Fahrzeit vom Kreis zum n�chsten Oberzentrumin Minuten nach Kreisen mit hçchsten Werten und Bundesl�ndern

Datenbasis: INKAR 2005.

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zum n�chsten Oberzentrum angeordnet. Die Fl�chenl�nder Hessen und Bayern wei-senmit ihren Agglomerationen eine gute Erreichbarkeit auf, w�hrend Th�ringen, Sach-sen-Anhalt und Brandenburg imMittel lange Fahrzeiten haben. In den Kreisen Prignitz,Stendal, Dithmarschen, Elbe-Elster und Nordhausen werden etwa 1 1/4 Stunde zumOberzentrum bençtigt.

Trotz neuer Kommunikationsmittel (Internet, Funk) und verbesserter technischer In-frastruktur sind entlegene Kreise vor allem in Norddeutschland und Teilen Ostdeutsch-lands nur aufw�ndig zu erreichen. Die Wirtschaftskraft, gemessen am Bruttoinlands-produkt 2003 (BIP; vgl. auch Teil I, Kap. 12) ist in 20 der 26 genannten Kreise niedrigerals im jeweiligen Landesdurchschnitt. In den vier Bundesl�ndern mit guter Erreich-barkeit liegt auch das BIP der vergleichsweise entfernten Kreise nicht unter demDurchschnitt (33,6 Tsd. E/Einw. in Altçtting). Ein wachsendes Problem ist der �rzte-mangel, da in l�ndlichen Kreisen geringerer Dichte etwa 780 Einwohner pro Arzt ver-sorgt werden m�ssen. Die Einwohnerdichte betr�gt dabei in Ostdeutschland nur58 Personen/km2 (83 in Westdeutschland), und die Anzahl der Allgemein�rzte sankvon 1995–2003 st�rker als in anderen Regionen (–9 % Ost, –1 % West).

15.2 Bevçlkerungsentwicklung

Die Bevçlkerungsentwicklung verlief in den verschiedenen regionalen Typen im letz-ten Jahrzehnt unterschiedlich. In Ostdeutschland ist durch die geringe Geburtenrate(vgl. Teil I, Kap. 1.5) und die fortw�hrende Ost-West-Wanderung ein Bevçlkerungs-verlust in nur acht Jahren (1995–2003) von durchschnittlich 4,3 % zu konstatieren,der alle Kreistypen betrifft, mit Ausnahme der l�ndlichen Kreise in Agglomerations-r�umen. Diese Kreise liegen rund um Berlin, im Norden Leipzigs und in der N�heHamburgs und profitieren von der Suburbanisierung dieser St�dte.

Die Schrumpfung betrifft vor allem die Kernst�dte in verst�dterten R�umen; bei-spielsweise in den Jahren 1995–2003: Cottbus –18 %, Halle –15 %, Gera –14 %,Magdeburg –12 % und Zwickau –10 %. Bevçlkerungsverluste verzeichnen auchdie ohnehin sehr d�nn besiedelten l�ndlichen R�ume im Norden sowie im WestenTh�ringens und entlang der Elbe in Sachsen-Anhalt. Die verdichteten Kreise in ver-st�dterten R�umen weisen mit –6,7 % ebenfalls einen hohen Bevçlkerungsverlustauf. Dies gilt insbesondere f�r Th�ringen, Sachsen-Anhalt und das çstliche Sachsen(Altenburger Land, Vogtland Kreis, Greiz, Weimarer Land, Gotha, Weißenfels, Eisle-ben, Quedlinburg, Kamenz, Bautzen oder Lçbau-Zittau).

In Westdeutschland ist großteils eine gegenl�ufige Entwicklung zu beobachten. Hierwachsen die l�ndlichen Kreise sowohl in Agglomerationsn�he als auch in peripherenLagen und auch die (hoch-)verdichteten Kreise gewinnen Bevçlkerung hinzu. Einzigdie Kernst�dte sind wegen der Suburbanisierungsprozesse nicht gewachsen. In Ab-bildung 3 ist die Bevçlkerungsentwicklung von 1990 bis 2001 und weiterf�hrend alsPrognose von 2002 bis 2020 dargestellt.

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Die demographischen Prozesse, die sich bis 2020 zuverl�ssig berechnen lassen, be-wirken eine dynamische Fortsetzung der Trends und damit eine sich beschleunigendeAuseinanderentwicklung von West- und Ostdeutschland. Die Prognosen f�r die ver-schiedenen Arten l�ndlicher R�ume in Ostdeutschland gehen von einem weiterenBevçlkerungsverlust von 12 % aus, mit Ausnahme der agglomerationsnahen l�ndli-chen Kreise um Berlin und Leipzig, die auch weiterhin wachsen werden (um 7,4 %).Zudem m�ssen auch die Kernst�dte verst�dterter Regionen mit einem deutlichen

R�ckgang der Einwohnerzahl rechnen. Setzt sich dieser Trend fort, verlieren siepro Jahr ein Prozent, das heißt von 1990 bis 2020 knapp ein Drittel ihrer Bevçlke-rung. Anpassungsleistungen an technischer Infrastruktur, çffentlichen Diensten, so-zialer und kultureller Infrastruktur sind erforderlich und m�ssen auch bei sinkendenEinnahmen bew�ltigt werden. Die Auswirkungen beispielsweise auf den Immobilien-markt mit erheblichen Leerst�nden sind tiefgreifend. Die Attraktivit�t schrumpfenderSt�dte und Regionen wird weiter leiden, sodass es schwierig sein wird, junge Men-

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Abb. 3: Bevçlkerungsentwicklung in west- und ostdeutschen Kreistypen1990–2001 und 2002 bis 2020 (Prognose)

Datenbasis: BBR: INKAR 2003 und 2005.

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schen langfristig zu binden. Auch lassen sich Migranten in wirtschaftsstarken st�d-tischen Regionen Westdeutschlands nieder, sodass keine Entlastung ostdeutscherschrumpfender R�ume durch Zuwanderer und durch deren hçhere Geburtenratenzu erwarten ist.

Vom Bundesamt f�r Bauwesen und Raumordnung wird vorhergesagt, dass die Alters-gruppe der Personen zwischen 16 und 26 Jahren wegen des Geburtenr�ckgangsAnfang der 90er-Jahre und der Wanderungsverluste in allen ostdeutschen Kreistypennur noch etwa halb so groß sein wird wie im Jahr 2002; Ausnahmen sind Kernst�dteund l�ndliche Kreise in Agglomerationen, in denen diese Altersgruppe lediglich umetwa 30 % abnehmen wird. Diese Altersgruppe gilt als Innovations- und Hoffnungs-tr�ger, da sie sich in der Ausbildung befindet und neu erworbenes Humanvermçgenbereith�lt. Als zuk�nftige Familiengr�nder und Konsumenten werden sie von denKommunen umworben, in Ostdeutschland wird der entsprechende Anteil jedocherheblich niedriger sein.

Auch in Westdeutschland setzen sich die Trends der letzten Jahre fort, die Ver�n-derungen werden sich jedoch eher langsamer vollziehen. Von deutlicher Schrump-fung sind St�dte des Ruhrgebiets und der Nordosten des Saarlandes betroffen, diebeide einen çkonomischen Strukturwandel vor allem im Bereich der Montanindustriedurchlaufen. In der peripheren Westpfalz brach die Schuhindustrie weg und ame-rikanische Streitkr�fte zogen ab, sodass auch hier mit weiteren Bevçlkerungsverlus-ten von etwa 10 % zu rechnen ist. Des Weiteren sind die Regionen entlang der ehe-maligen deutsch-deutschen Grenze, bei denen seit 1990 Subventionen und damitArbeitspl�tze entfielen, von Schrumpfung betroffen.

Die Prognosen gehen insgesamt von einem weiteren Bevçlkerungszuwachs vor al-lem in Agglomerationsn�he aus. Die Anzahl schrumpfender Gemeinden und Krei-se, in denen jedoch ein geringerer Bevçlkerungsanteil wohnt, wird dabei in beidenLandesteilen zunehmen. Die Siedlungsstruktur wird sich weiter auseinander ent-wickeln.

15.3 Wirtschaftskraft und Besch�ftigung

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP), die Besch�ftigungsquote und Arbeitslosigkeit gebenAuskunft �ber die Wirtschaftskraft und bilden damit auch einen Indikator f�r die Le-bensqualit�t einer Region.

Die Deindustrialisierung Ostdeutschlands und der çkonomische R�ckstand mit er-forderlichen Anpassungsleistungen dr�cken sich nach wie vor auch in einem nied-rigeren Bruttoinlandsprodukt aus (BIP: 27,7 Tsd. E/Einw. in Westdeutschland und18,6 Tsd. E/Einw. in Ostdeutschland im Jahr 2003). In Abbildung 4 ist das BIP f�r dieKreise dargestellt.

Hessen, Bayern und Baden-W�rttemberg sind die L�nder mit dem hçchsten Wohl-stand, gemessen am BIP, in kleinr�umiger Betrachtung weisen die westdeutschen

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Abb. 4: Bruttoinlandsprodukt 2003

Datenbasis: INKAR 2005.

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Kernst�dte M�nchen (77,9 Tsd. E/Einw.), Frankfurt am Main (72,7 Tsd. E/Einw.),Wolfsburg (68,8 Tsd. E/Einw.) und D�sseldorf (63,9 Tsd. E/Einw.) das hçchste BIPauf. Die wirtschaftsschw�chsten Landkreise sind die S�dwestpfalz (11,3 Tsd.E/Einw.), Nordwestmecklenburg (11,8 Tsd. E/Einw.), Zwickauer Land (11,8 Tsd.E/Einw.) und Nordvorpommern (11,9 Tsd. E/Einw.).

Folgende Indikatoren geben Auskunft �ber die Lage auf dem Arbeitsmarkt und dieBesch�ftigtenstruktur: die Besch�ftigtenquote (Anteil sozialversicherungspflichtig Be-sch�ftigter je 100 Einwohner im erwerbsf�higen Alter), weibliche Besch�ftigte, Ar-beitslosigkeit (Anteil Arbeitsloser an Einwohnern im erwerbsf�higen Alter) und derAnteil hoch qualifiziert Besch�ftigter (Anteil sozialversicherungspflichtig Besch�ftigtermit hçherer Fachschul- oder Hochschulausbildung an SV-Besch�ftigten). Im Unter-schied zur Erwerbsquote, die geringf�gig Besch�ftigte, Beamte, Selbst�ndige undArbeitslose einschließt, werden hier die Werte f�r Besch�ftigung herangezogen,weil sie direkter auf das Arbeitsplatzangebot im betrachteten Gebiet abzielen. Aufdieser Basis werden intraregionale Differenzen deutlich.

In den L�ndern mit hohem Bruttoinlandsprodukt ist die Arbeitslosigkeit deutlich nied-riger als in den L�ndern mit niedrigem, das heißt in Ostdeutschland ist die Arbeits-losigkeit deutlich hçher als im Westen und im Norden etwas hçher als im S�den.W�hrend in Baden-W�rttemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz die Arbeitslosenquotenunter 8 % liegen, betragen sie in den ostdeutschen L�ndern um die 20 %. In Sachsen-Anhalt liegt die Rate mit 22,4 % am hçchsten.

In allen ostdeutschen L�ndern und in Berlin ist von 1995 bis 2003 die Besch�ftig-tenquote um mehr als 15 Prozentpunkte gefallen, w�hrend sie in Bayern und Ba-den-W�rttemberg leicht gestiegen ist (1,9 bzw. 1,3 %). Die westdeutschen L�nderweisen jeweils ein breites Spektrum an Kreisen mit Besch�ftigtenzu- und -abnahmeauf, es zeigt sich ein kleinr�umiges Muster. In Niedersachsen sind beispielsweiseWolfsburg, Cloppenburg und Vechta-Kreis mit einem Besch�ftigungszuwachs (24 %,13 % und 18 %), w�hrend Goslar, Osterode und Holzminden einen R�ckgang ver-zeichnen (–16 %, –14 % und –12 %). In Nordrhein-Westfalen sind vor allem Ruhr-gebietsst�dte negativ betroffen (Remscheid –16 %, Gelsenkirchen –16 %, Reckling-hausen –15 %), w�hrend M�nster und Paderborn zus�tzliche Arbeitspl�tze z�hlen(jeweils 10 %).

In Ostdeutschland zeigt sich ein ganz anderes Bild als in Westdeutschland, dainsgesamt nur zwei Kreise ohne Besch�ftigungsabbau existieren: Bad Doberan na-he der Ostsee (1,3 %) und Potsdam-Mittelmark in der N�he Berlins (0,2 %). Der Be-sch�ftigungsabbau ist teilweise dramatisch. Im Berichtszeitraum von 1995–2003haben insgesamt 27 Kreise mehr als jeden vierten sozialversicherungspflichtig Be-sch�ftigten verloren, einige liegen bei –40 % (Bitterfeld –41 %, Hoyerswerda –39 %,Oberspreewald –40 %).

Im Hinblick auf die Besch�ftigtenquoten zeigt sich, dass in Westdeutschland Kern-st�dte mit deutlichem Abstand vor den anderen Kreistypen liegen (vgl. Tab. 1). Dieniedrigsten Werte mit unter 40 % weisen l�ndliche und verdichtete Kreise in Agglo-merationsr�umen auf. In Ostdeutschland ist die Besch�ftigtenquote ebenfalls in Kern-

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st�dten in verst�dterten R�umen am hçchsten (60,3 %). Die �brigen Regionstypenliegen etwa 20 Prozentpunkte niedriger. Die Quote f�r Frauen schwankt in West-deutschland nicht stark nach Kreistypen und liegt zwischen 42 und 46 %. In Ost-deutschland ist Frauenerwerbst�tigkeit noch weiter verbreitet als im Westen, sodasshier die Werte hçher liegen (zwischen 53 in Kernst�dten und 47 % in l�ndlichen Krei-sen verst�dterter R�ume).

Tab. 1: Entwicklung der Besch�ftigtenquoten in den Bundesl�ndern, 1995–2003

Bundesland Durch-schnitt

Kreise mitniedrigsten Werten

Kreise mithçchsten Werten

in %

Bayern 1,9 Hof – 19,1 Freising 26,6Wunsiedel imFichtelgeb. – 18,9

M�nchen 21,9

Baden-W�rttemberg

1,3 Pforzheim – 14 Heilbronn. 14,5Zollernalbkreis – 10,1 Bçblingen 10,3

Hessen 0,5 Werra-Meißner-Kreis – 15,3 Main-Taunus-Kreis 15,5Vogelsbergkreis – 10,3 Hochtaunuskreis 7,7

Saarland 0,5 Saarbr�cken – 3,2 Sankt Wendel 5,7Neunkirchen – 2,9 Saarlouis 5,4

Rheinland-Pfalz 0 Pirmasens – 12 Alzey-Worms 22,8S�dwestpfalz – 11,6 Kaiserslautern 15,9

Hamburg – 0,6Niedersachsen – 0,9 Goslar – 15,5 Wolfsburg 23,7

Osterode am Harz – 13,5 Vechta 17,9Nordrhein-Westfalen

– 1,9 Remscheid – 15,7 M�nster 10,2Gelsenkirchen – 15,5 Herne 9,5

Schleswig-Holstein

– 3,1 Neum�nster – 9,9 Stormarn – 0,2Dithmarschen – 6,7 Schleswig-

Flensburg – 0,6Bremen – 4,4 Bremerhaven – 11,8 Bremen – 2,9Berlin – 15Th�ringen – 16,7 Suhl – 27,8 Wartburgkreis – 3,7

Weimar – 27,4 Jena – 6,6Sachsen – 17,3 Hoyerswerda – 39,4 Kamenz – 1,1

Leipziger Land – 36,5 Zwickau – 7,7Mecklenburg-Vorpommern

– 18,5 Mecklenburg-Strelitz – 30,8 Bad Doberan 1,3Uecker-Randow – 30,2 R�gen – 6,1

Brandenburg – 19,6 Oberspreewald – 40,3 Potsdam-Mittelmark 0,2Elbe-Elster – 28,6 Teltow-Fl�ming – 0,2

Sachsen-Anhalt – 21,1 Bitterfeld – 40,7 Ohrekreis – 0,1Kçthen – 30,3 Weißenfels – 5,5

Datenbasis: Indikatoren und Karten zur Raumentwicklung (INKAR) 2005. Eigene Berechnungen.

In den neuen L�ndern ist zugleich ein hçherer Anteil Besch�ftigter mit hoher Schul-bildung anzutreffen (11 % im Vergleich zu 9 % im Westen). Erwartungsgem�ß sinddiese vor allem in Kernst�dten angestellt, in l�ndlichen Kreisen geht ihr Anteil zur�ck.L�ndliche R�ume vor allem in Ostdeutschland bieten denMenschen damit vergleichs-weise geringere Arbeitsmarktchancen.

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Tab. 2: Arbeitsmarktindikatoren im interregionalen Vergleich, 2003

Besch�ftigten-quote

Anteil weiblicherBesch�ftigter

AnteilhochqualifizierterBesch�ftigter

West Ost West Ost West Ost

in %

Agglomerationsr�umeKernst�dte 66 49 44 51 13 15Hochverdichtete Kreise 44 41 42 47 9 10Verdichtete Kreise 40 41 45 47 6 10

Verst�dterte R�umeKernst�dte 72 60 46 53 10 14Verdichtete Kreise 44 41 44 49 6 9

L�ndliche Kreisein Agglomerationsr�umen 37 38 46 48 5 9in verst�dterten R�umen 41 39 44 47 5 8hçherer Dichte in l�ndlichenR�umen 46 44 45 49 5 9

geringerer Dichte in l�ndlichenR�umen 44 40 44 50 4 7

Insgesamt 50 44 44 50 9 11

Datenbasis: Indikatoren und Karten zur Raumentwicklung (INKAR) 2005. Eigene Berechnungen.

15.4 Lebensstandard

F�r den Lebensstandard werden die Indikatoren Haushaltseinkommen, Arbeitneh-merentgelte, die Wohnfl�che pro Person und der Anteil an Ein- und Zweifamilien-h�user – als Ann�herung an die Eigent�merquote – herangezogen (vgl. Tab. 3). DieHaushaltseinkommen und Arbeitsentgelte liegen in Hessen, Baden-W�rttembergund Bayern �ber denjenigen in den norddeutschen L�ndern. Die Arbeitnehmerent-gelte (Bruttolçhne und -geh�lter sowie Sozialbeitr�ge der Arbeitgeber) differierenum etwa 400 E zwischen Schleswig-Holstein und Baden-W�rttemberg (2570 E und2940 E). In Ostdeutschland sind keine l�nderspezifischen Unterschiede festzustel-len, mit Ausnahme des durch die N�he zu Berlin bedingten hçheren Wertes in Bran-denburg (2240 E im Vergleich zu 2150 E in den �brigen ostdeutschen L�ndernohne Berlin mit 2720 E). Nach wie vor besteht ein ausgepr�gtes Einkommensgef�llezwischen West- und Ostdeutschland.

Die Haushaltseinkommen in Deutschland differieren am st�rksten zwischen denSpeckg�rteln in Agglomerationen (1514 E im Westen und 1223 E in Ostdeutschland)und d�nn besiedelten l�ndlichen Kreisen (1281 E bzw. 1128 E). Angesichts gerin-gerer Lebenshaltungskosten auf dem Land bedeuten die nominellen Unterschiedejedoch keine gleichartige Reduktion der Kaufkraft. Die Arbeitnehmerentgelte unter-scheiden sich entsprechend. Der Unterschied zwischen West- und Ostdeutschland

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tritt dabei in den jeweiligen Kreistypen jedoch deutlich st�rker hervor als beim Haus-haltseinkommen, das auch Transferzahlungen ber�cksichtigt.

Beim Wohnstandard haben die ostdeutschen Regionen deutlich aufgeholt (vgl. auchTeil II, Kap. 7), wobei die regionsspezifischen Unterschiede nicht sehr ausgepr�gt sind(Werte zwischen 35,4 m2 pro Person und 38,9 m2). Westdeutsche verf�gen �ber 41 m2

im Durchschnitt, wobei in Kernst�dten der Agglomerationen 37,8 m2 erreicht werdenund 46 m2 in d�nn besiedelten l�ndlichen Regionen. Die Geb�udestruktur bestehtmehrheitlich in allen Kreistypen in beiden Teilen Deutschlands aus kleinen H�usern,wobei selbstverst�ndlich die Raten f�r Ein- und Zweifamilienh�usern entsprechendder Siedlungsdichte schwanken.

Tab. 3: Haushaltseinkommen, Arbeitnehmereinkommen und Wohnstandardnach Kreistypen, 2002

Haushalts-einkommen

Arbeitnehmer-entgelte

Wohnfl�chepro Person

Ein- und Zwei-familienh�user1

West Ost West Ost West Ost West Ost

in Euro in qm

Agglomerationsr�umeKernst�dte 1485 1214 3084 2578 37,8 38,9 62,4 52,3Hochverdichtete Kreise 1514 1223 2851 1985 40,4 36,2 83,5 71,8Verdichtete Kreise 1477 1193 2661 2067 42,2 35,4 90 76,8

Verst�dterte R�umeKernst�dte 1405 1219 2952 2292 39,8 38,2 69,8 56,7Verdichtete Kreise 1392 1166 2670 2107 42,3 37,3 88,3 79,3

L�ndliche Kreisein Agglomerationsr�umen 1354 1244 2505 2206 42,6 37,1 92,4 85,8in verst�dterten R�umen 1324 1146 2556 2128 44,1 37,9 92 84,8hçherer Dichte in l�nd-lichen R�umen 1318 1176 2623 2181 43,6 37,4 88,5 83,2

geringerer Dichte in l�nd-lichen R�umen 1281 1128 2538 2110 46,0 37,8 91,9 84,9

Insgesamt 1429 1189 2827 2291 41,1 37,8 83,7 76,9

1 Werte f�r 2003.

Datenbasis: INKAR 2005. Eigene Berechnungen.

Der objektive Lebensstandard kommt auch in der Zufriedenheit der B�rger mit seinenLebensbedingungen zum Ausdruck (vgl. Teil II, Kap. 2). So findet auch das Gef�lle inden hier vorgestellten Regionstypen seinen Niederschlag im subjektiven Wohlbefin-den. Die Regionen in Deutschland unterscheiden sich deshalb nicht nur hinsichtlichobjektiver Aspekte, sie bieten ihren B�rgern damit auch ein unterschiedliches Ausmaßan Lebensqualit�t.

(Annette Spellerberg)

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