Chemie
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�Notizen�
Chemie Fullerentopologie ohne Kohlenstoff
� Über ein kohlenstoffreies Struktur -isomer von C80 berichten jetzt Scheer et al. Bei der Clusterverbindung C2B10H12@[Cp*FeP5]12(CuCl)20] (1)
ähnelt die Anordnung der 60 Phos-phor- und 20 Kupferatome derjenigen der 80 Kohlenstoffatome im energe-tisch ungünstigen, Ih-symmetrischen Isomer von C80. (1) entsteht durch Umsetzung von Cp*FeP5 mit CuCl in Gegenwart des ortho-Carborans o-C2B10H12, das die passende Größe und eine pseudo-fünffache Symmetrie besitzt. Die Größe des Templats ist ent-scheidend für die Bildung der Hülle aus 80 Gerüstatomen. Durch Variation des Templats ist mit weiteren sphärischen Molekülen mit fullerenartiger, kohlen-stofffreier Topologie zu rechnen. AS [Angew. Chem. 2009, 121, 5148]
Achillesferse der Amöben
� Amöbiasis (Amöbenruhr) ist eine weit verbreitete parasitische Erkran-kung, die der einzellige Darmparasit Entamoeba histolytica hervorruft. Die Infektion tritt entweder als Kolitis (Darmentzündung) oder Leberabzess auf. Die meisten Patienten tragen den Parasiten im Darm, ohne klinische Symptome zu zeigen, nur ein geringer Prozentsatz der Infizierten entwickelt die invasive Form der Krankheit, also den Leberabzess. Lotter et al. haben nun ein neues Glycolipid, Lipopeptido-
phosphoglycan, aus der Plasmamem-bran der Amöben isoliert und charak-terisiert. Es wird von einer speziellen Subpopulation von Immunzellen er-kannt, den NKT-Zellen (sie zeigen Merkmale von natürlichen Killerzellen (NK) und T-Lymphocyten). Lipopepti-dophosphoglycan stimuliert bei den NKT-Zellen die Produktion von Interfe-ron Gamma, das essenziell ist, um die Amöben durch neutrophile Granulo -cyten und Monocyten abzutöten. Es scheint somit plausibel, dass die Im-munität gegenüber der invasiven Form der Krankheit auf dieses Erkennen ei-ner amöbenspezifischen Oberflächen-struktur zurückzuführen ist. JA [PLoS Pathogens 2009, 5, e1000434]
Dendritische Kettenreaktion zur Signalverstärkung
� Das bekannteste signalverstärken-de Verfahren in der Chemie ist die Poly-merase-Kettenreaktion. In Analogie dazu stellen Shabat et al. eine dendriti-sche Kettenreaktion vor, bei der ein cholinhaltiges Dendron durch Einwir-kung von H2O2 zerfällt und dabei zwei Moleküle Cholin freisetzt. Diese wer-den durch die zugegebene Cholinoxi-dase oxidiert, wobei vier Moleküle H2O2 entstehen, die weitere Dendrons
spalten. Über einen gleichzeitig freige-setzten Chromophor lässt sich die Spaltung detektieren. Bei 0,01 Äquiva-lenten H2O2 erhielten die Autoren mit dem beschriebenen System ein 53-fach stärkeres Signal als unter klas-sischen Bedingungen ohne Cholinoxi-dase. OW [J. Am. Chem. Soc. 2009, 131, 9934]
�-Peptid-Foldamere gegen �-Sekretase
� Eine wichtige Therapiestrategie bei Morbus Alzheimer ist es, die �-Sekreta-se zu hemmen. Diese ist für die proteo-lytische Freisetzung des �-Amyloidpep-tids (Ab) verantwortlich. Imamura et al. haben jetzt peptidomimetische �-Sekretase-Inhibitoren entwickelt. Sie basieren auf �-Peptid-Foldameren, die aus trans-2-Aminocyclopentansäu-re(ACPC)-Einheiten aufgebaut sind und nehmen eine 12-Helix-Konformation ein. In der Studie erwies sich das b-Peptid Ac-[(S,S)-ACPC]12-NH2 als wirk-samster Inhibitor (IC50 = 5,24 nM, Ab40-Freisetzung in vitro). Zudem wechselwirkt dieser Inhibitor mit der initialen Substratbindestelle und interferiert praktisch nicht mit dem Notch-Signalweg der Zellen. NS [J. Am. Chem. Soc. 2009, 131, 7353]
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Nachrichten aus der Chemie | 57 | September 2009 | www.gdch.de/nachrichten
1,n-Glycole als Carbonyl-Äqui valente für Polyketid-Fragmente
� Die asymmetrische Allylierung von Aldehyden ist eine der wich-tigsten Methoden zum Aufbau von Homoallylalkoholen. Dialde-hyde wie Malon- oder Succinalde-hyd wären für den bidirektionalen Aufbau von Polyketidfragmenten attraktiv – dem stehen aber die geringe Stabilität und die hohe Reaktivität dieser Verbindungen entgegen. Krische und Mitarbeiter
OH OH
R1 R2
OH OH
R1 R2
OAc
(1)R1,R2 = H,H; H,Me; =CH2
(2) 48-70%, anti,syn >18:1 ee >99%
10 Mol-% (S)-Cl,MeO-biphep20 Mol-% 4-Cl-3-NO2C6H4CO2H40 Mol-% Cs2CO3, Dioxan, 90 °C
, 5 Mol-% [Ir(cod)Cl]2
zeigen einen Ausweg, indem sie die entsprechenden Diole (1) iridiumka-talysiert in situ oxidierten und einer asymmetrischen allylischen Substi-tution mit Allylacetat zu Bis(homo-allylalkoholen) (2) unterwarfen. So lassen sich definierte Stereotetraden katalytisch, schnell und in guten Ausbeuten aufbauen. UJ [Angew. Chem. 2009, 121, 5118]
Element 112: Ich trage einen großen Namen
Massenzahl von 277 war knapp eine
Millisekunde. Neutronenreichere Iso-
tope des Elements kommen bis in
den Bereich von etwa zehn Sekunden.
Nachrichten: Wie viele Copernicium-
Isotope wurden schon hergestellt?
Hofmann: Wir nutzten zur Herstel-
lung von Element 112 Bleitargets
und Projektile aus Zink. Unsere Kolle-
gen im russischen Dubna verwende-
ten Aktiniden-Targets und Projektile
aus Calcium-Strahlen und konnten
dadurch vier weitere neutronenrei-
chere Isotope herstellen. Inzwischen
haben wir diese Experimente auch
bei uns an der GSI reprodu ziert.
Nachrichten: Bei zehn Sekunden Halb-
wertszeit könnte man ja schon fast
Chemie mit Element 112 machen?
Hofmann: Die Experimente mit Ele-
ment 112 waren natürlich Experi-
mente mit einzelnen Atomen, da wir
das Element immer nur atomweise
produzieren können. Insgesamt
wurden etwa drei oder vier Atome
physikochemisch untersucht; dabei
ging es um die Kondensation an der
kalten Oberfläche, woraus sich der
Kondensationspunkt bestimmen
lässt. Copernicium sollte bei Zim -
mer temperatur flüssig sein – wie
Quecksilber, das ja im Periodensys-
tem direkt über Element 112 steht.
Nachrichten: Wann wird Element
112 offiziell Copernicium heißen?
Hofmann: Unseren Vorschlag bera-
ten jetzt die Gremien der Iupac. Spä-
testens im September wird sie dann
eine offizielle vorläufige Empfehlung
herausgeben. Diese muss für ein hal-
bes Jahr zur Diskussion offen liegen.
Wenn es dann keine Einwände gibt,
ist Copernicium offiziell anerkannt
und geht in alle Periodensysteme der
Welt ein.
Nachrichten aus der Chemie: Herr
Hofmann, Ihr Team hatte als Entde-
decker von Element 112 das Recht
auf den Namensvorschlag. Warum
soll es Copernicium heißen?
Sigurd Hofmann: Wir, also alle
21 Wissenschaftler, die an der Ent-
deckung beteiligt waren, hatten
mehrere Namen zur Auswahl. Vor
allem Forscher der letzten 100 Jahre,
die sich überwiegend mit Atom- und
Kernphysik beschäftigt haben, so-
wohl Experimentatoren als auch
Theoretiker aus Physik und Chemie.
Hier sind aber schon sehr viele Na-
men vergeben worden, auch für Ele-
mente, die an der GSI ent standen:
Zum Beispiel Nils Bohr als Pate für
das Element 107 oder Lise Meitner
für Element 109. Roentgenium ist
unser letztes Element, das wir ge-
tauft haben. Dieses Mal wollten wir
ein Stück zurück in die Vergangen-
heit und sind dann auf die Astrono-
men gekommen, die an der Wende
vom Mittelalter zur Neuzeit unser
Weltbild wesentlich beeinflusst ha-
ben, darunter Nicolaus Copernicus.
Nachrichten: Ein großer Name für
das Element 112. Was lernen wir aus
Copernicium?
Hofmann: Aus dem Element selbst
lernen wir die Eigenschaften des
Atomkerns besser zu verstehen. Das
Ziel unserer Arbeiten ist, das Ende
des Periodensystems zu erforschen,
also die Frage: Wie schwer können
Kerne überhaupt sein?
Nachrichten: Was ist Ihre Prognose?
Hofmann: Da gibt uns die Theorie
die aufregende Perspektive, dass um
das Element 114, 120 oder 126 he-
rum eine Insel der Stabilität liegen
soll, bei der die Atomkerne wieder
relativ lange Halbwertszeiten ha-
ben. Es gibt also durchaus die Mög-
lichkeit, dass wir bis Element 120
oder 126 kommen könnten.
Nachrichten: Wie lange lebt denn
Copernicium?
Hofmann: Die Halbwertszeit des
ersten an der GSI hergestellten
Copernicium-Isotops mit einer
Geträgerter Katalysator für die kontrollierte Polymerisation
� Die Atomtransfer-Radikalpolymeri-sation erlaubt es, maßgeschneiderte Polymere kontrolliert herzustellen. Für kommerzielle Zwecke ist es nötig, den meist kupferhaltigen Initiator aus dem Polymer zu entfernen. Baskaran et al. beschreiben jetzt ein Verfahren mit auf Schichtsilikaten geträgerten Kupferka-talysatoren, die nach der Reaktion durch Filtration abtrennbar sind. So hergestellte Polymere enthalten weni-ger als 0,2 ppm Kupfer; die Katalysato-ren sind auch nach 21 Wiederaufberei-tungen unverändert reaktiv. OW [Chem. Commun. 2009, 4518]
Poren funktionalisieren
� Den Anwendungsbereich mesopo-röser Materialien, insbesondere auf SiO2-Basis, erweitert eine kovalente Funktionalisierung der Poren erheblich. Ziel der Arbeiten war bislang meistens, die Poren gleichmäßig zu funktionali-sieren. Mit sperrigen Silanen haben nun Gartmann und Brühwiler die Oberflächen zweier mesoporöser Materialien funktionalisiert. Dadurch ist zum Beispiel die Wechselwirkung zwischen den Teilchen steuerbar und in einem anschließenden Schritt lassen sich tieferliegende Oberflächen mit einem zweiten, kleineren Silan funktionalisieren. AT [Angew. Chem. 2009,
doi: 10.1002/ange.200902436]
Ionenlose Matrices für MALDI
� Matrixsignale im Massenbereich unter 500 Da erschweren die MALDI-Massenspektrometrie in der Meta -bolomanalytik. Basierend auf der Brønsted-Lowry-Säure-Base-Theorie und unterstützt durch quantenmecha-nische DFT-Rechnungen haben Shroff et al. jetzt ionenlose Matrices ohne diese Einschränkung entwickelt. Sie zeigten, dass 1,8-Bis(dimethylamino) -naphthalin (DMAN) als Matrix zur De-tektion von Carbonsäuren im Negativ -ionenmodus geeignet ist. Mit dieser Matrix ließen sich die Metaboliten ei-nes verletzten Blattes von Arabidopsis thaliana in situ profilieren: Von den 108 monoisotopischen Massensig-nalen waren 46 mit der Datenbank Knapsack identifizierbar. NS [Proc. Natl. Acad. Sci. USA 2009, 106, 10092]
Sigurd Hofmann in
einem Labor des
GSI Helmholtz-
Zentrums für
Schwerionenfor-
schung in Darm-
stadt. Der Physik-
Professor leitete das
internationale
Team, das im Jahr
1996 das Element
112 herstellte. Im
Mai hatte die Iupac
die Entdeckung offi-
ziell bestätigt.
(Foto: GSI)
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Chemie �Notizen� 851
�
Arine und Allylamine in Azonia-Claisen-Umlagerungen
� Aza-Claisen-Umlagerungen von N-Allylanilinen sind gegenüber der klassischen Claisen-Umlagerung von Allyl arylethern weniger untersucht. Sie erfordern hohe Temperaturen und ihr
Substratspektrum ist begrenzt. Greaney und Mitarbeiter zeigen nun, dass Azo-nia-Claisen-Umlagerungen leicht mög-lich sind, wenn Arine (3), die in situ aus o-Tri methyl silylphenyltri flaten (1) zu-gänglich sind, mit tertiären N-Allylami-nen (2) umgesetzt werden. Damit lassen sich funktionalisierte Arylamine (5) in guten Ausbeuten selektiv aufbauen. UJ [Angew. Chem. 2009, 121, 5301]
Resistenzen von Tumoren unterdrückt
� Nachteile der Chemotherapie sind vor allem die hohe Zytotoxizität der Chemotherapeutika und die Resistenz von Tumorzellen. MacDiarmid et al. stellen jetzt eine zweistufige Therapie von Tumoren vor, die diese Nachteile ausgleicht: Mit bakteriellen Minizellen und Antikörpern gegen Oberflächen-antigene von Tumorzellen schleusen sie in einem ersten Schritt small inter-fering RNA (siRNA) oder short hairpin RNA (shRNA) in die Tumorzellen ein. Diese codiert jeweils für Plasmide, die wiederum ein Multiresistenzgen der Tumorzellen ausschalten. In einem zweiten Schritt werden die Minizellen erneut, nun gefüllt mit Chemothera-peutika, in die vormals resistenten Tumoren gebracht. Die zielgerichtete Verabreichung zusammen mit der erfolgreichen Unterdrückung einer bestehenden Resistenz verringerte im Mausmodell die effektive Dosis des Therapeutikums um mehr als den Faktor Tausend. JA [Nat. Biotech. 2009, 27, 643]
Selbstorganisierte Linsen für höchste Auflösung
� Dass ein Calixaren-Derivat unter bestimmten Bedingungen als Kugelab-schnitt mit planarer Schnittfläche kris-tallisiert (Abbildung), haben Lee et al. für optische Linsen ausgenutzt. Die
überraschend perfekten Linsen haben eine Größe von etwa einem Mikro-meter; deshalb gelten für sie die Ge-setze der Nahfeldoptik (im Gegensatz zu den Linsen der makroskopischen Optik). Die Autoren zeigten, dass sie so das Abbe'sche Diffraktionslimit umge-hen und Strukturen unter 250 nm sichtbar machen können. AT [Nature 2009, 460, 498]
Präbiotischer Syntheseweg für Nukleotide
� Bisher ist weitgehend ungeklärt, wie sich Ribonukleotide unter den präbiotischen Bedingungen der Urerde bilden konnten. Die direkte Verknüp-fung von Ribose und Purinen ist ineffi-zient und die Nukleosidbildung aus Ribose und den kanonischen Pyrimidi-nen findet überhaupt nicht statt. Powner et al. haben nun einen präbio-tisch plausiblen Syntheseweg ent-wickelt, der letzteres Problem umgeht und zu aktivierten Pyrimidin-Nukleo -tiden führt. Die Route verläuft über Amino-oxazoline der Arabinose und An hydronukleoside als Intermediate. Wesentlich ist die Anwesenheit von anorganischem Phosphat als Katalysa-tor und Puffer. NS [Nature 2008, 459, 239]
Jörg Andrä, Borstel Ullrich Jahn, Prag
Norbert Schaschke, Bielefeld Andreas Schnepf, Karlsruhe
Andreas Terfort, Frankfurt Oliver Weichold, Aachen
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�Notizen� Chemie 854
Salzsäure am Limit
� Mit einem pKs-Wert von –7 ist Salzsäure eine starke Säure und liegt in wässriger Lösung vollstän-dig dissoziiert vor. Havenith et al. zeigen nun bei Untersuchungen in Heliumtröpfchen, dass mindes-tens vier Wassermoleküle nötig sind, damit HCl dissoziiert (2). Dabei bildet sich ein (H2O)3H3O+- Eigenkomplex, der Cl– als Mikro-solvathülle umgibt. Mit drei Was-sermolekülen bildet sich dagegen
eine ringförmige Verbindung. Ein viertes Wassermolekül vermittelt den Protonentransfer über die Bil-dung eines teilaggregierten Komple-xes (1) (siehe Abbildung, welche die Simulation der aggregationsindu-zierten Dissoziation von HCl zeigt). Der ionenseparierte Komplex (2) war IR-spektroskopisch durch eine cha-rakteristische Bande bei 2670 cm–1 nachweisbar. AS [Science 2009, 324, 1545]
SiMe3
OTf+
R1
NR2
R3R1
NR2 R3R1 N
R3
R2R1
(1)R1= H, Alkyl, OMe
CsF,Toluol,MeCN,
(5) 40-92%
Rückfluss
(2) R2 = Alkyl, Aryl R3 = Alkyl
(3)
(4)
OTf
1 μm1 μm
1 μm1 μm