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Cf-IISTORISCHES JAHRBUCH IM AUFTRAGE DER GÖRRES-GESELLSCHAFT UND UNTER MITWIRKUNG VON, HEINRICH FINKE t I HEINRICH ERICH KÖNIG I GUSTAV SCHNÜRER I HERAUSGEGEB'EN VON JOHANNES SPÖRL 60. BAND 1 9 4 0 , ·y E R L A G ]. P. B A C H E M G. M. B. H. · K Ö L N

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Cf-IISTORISCHES JAHRBUCH ~

IM AUFTRAGE DER GÖRRES-GESELLSCHAFT

UND UNTER MITWIRKUNG VON,

HEINRICH FINKE t I HEINRICH GÜ~TER

ERICH KÖNIG I GUSTAV SCHNÜRER I

HERAUSGEGEB'EN VON

JOHANNES SPÖRL

60. BAND

1 9 4 0

, ·y E R L A G ]. P. B A C H E M G. M. B. H. · K Ö L N

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DIE "FAMILIE DER KÖNIGE" IM MITTELALTER VON FRANZ DÖLOER

Der Gelehrte, dem diese Festschrift gewidmet ist und den aucit ich in dankbarer Erinnerung zu meinen akademischen Lehrern zähle, hat in seinem Aufsatz über das päpstliche und sizllischc Register­wesen 1903 unter andcrm an einem eindrucksvollen Beispiel gezeigt, wie eng amtliche Institutionen benachbarter Staaten zusammenzu­hängen pflegen und wie aufschlußreich, ja zum Verständnis der ge­schichtlichen Entwicklung notwendig es ist, bei solchen Unter­suchungen auf ältere historische Schichten zurückzugreifen, um dem ursprünglichen Sinn solcher oft jahrhundertealten Einrichtungen nahezukommen. Gar oft stoßen wir dabei, wie auch v. Hecke) in jenem Aufsatze, auf die Römer, jene Meister staatlicher Organisation, welche die Linien ihrer Staatsgestaltung und Staatsverfassung für immer tief in das Antlitz der Oikumene eingegraben haben, so tief, daß wir ihre Spuren in zahlreichen und inzwischen ebenso selbstver­ständlich wie unverständlich gewordcnen Bräuchen und Gewohn­heiten allüberall zu erkennen vermögen; manchmal aber lassen sich solche Institutionen 'oder doch die ihnen zugrundeliegenden Vor­stellungen noch weiter zurückverfolgen in das ägyptische, baby)Q­nische oder iranische Altertum, und wir bemerken, daß die Römer den uralten Menschheitsvorstellungen nur die "oekumenisclte" form und damit die zähe Widerstandskraft gegeben haben, mit der sie sich durch das ganze Mittelalter wirksam erwiesen haben und uns heute noch als Petrefakten früherer Verhältnisse in schatten· haften Umrissen entgegentreten. Zu diesen langlebigen Institutionen und Vorstellungen gehört der Komplex der Familie der Könige, über die Ich Im folgenden handeln will um dem Lehrer und Kollegen ein bescheidenes Zeichen dankbarer Verehrung zu seinem 60. Geburts­tage zu widmen.

Wenn heute sich irgendwo in der Welt zwei Monarchen Im brief­lichen Verkehr mit Du anreden oder sich bei einer persönlichen Be­gegnung feierlich umarmen und küssen, so pflegen wir, soweit wir in unserem unzeremonicllen Zeitalter von solchen Begleitumständen üherhaupt Notiz nehmen, bestenfalls flüchtig an brüderliches Du und Bruderkuß zu denken, ohne uns fiber die auffallende Tatsache Rechen­schaft zu geben, daß hier zwei Menschen, ohne irgendwie mit­einander verwandt zu sein, Liebesbezeugungen austauschen, welche anzuwenden weder die sie begleitenden Staatsmänner noch Irgend­welche andere Berufskollegen nichtfürstlicher Herkunft sich ein­fallen ließen. Die Monarchen scheinen also hier nach einer besonde­ren Sittenvorschrift zu handeln, und so ist es in der Tat: wenn sie sich

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· duzen und wenn sie sich umarmen und küssen, so tun sie es unter dem uralten Gesetz der Familie der l(önige, wie wir diesen Gedanken­komplex im folgenden nennen wollen.

Es kann trotz der Spärlichkeit unserer Quellen 1 keinem Zweifet unterliegen, daß während des ganzen Mittelalters nicht nur die Auf­fassung von einer Art mystischer Verwandtschaft aller regierenden fürsten untereinander bestand, sondern daß dieser damals auch 'die Bedeutung einer politischen Institution zukam, an welche u. U. weit­tragende staatsrechtliche Folgerungen geknüpft wurden.· Am aus­geprägtesten tritt uns dieser Tatbestand im byzantinischen Reiche vor Augen, auf welches deshalb im folgenden auch das Hauptaugen­merk gerichtet sein soll. Dort wird in einer offiziellen hierarchischen Abstufung aller fürsten der Welt nach Verwandtschaftsgrade ii zum ~ctcrL'Aeu~ 'Pwp.ct(wv in Konstantinopel ein ganzes System fiktiver Weltbeherrschungsorganisation sichtbar. In zwei vorangegangenen Aufsätzen ll glaube ich gezeigt zu haben, daß die offizielle Benennung

1 Im Mittelalter sind persönliche Begegnungen von Souveränen an sich nicht besonders häufig, und die Quellen sind bei der Schilderung dieser seltenen Begegnungen überdies meist auch nicht sehr gesprächig, Einige fälle sind Immerhin bekannt und zeigen, daß der Kuß der Könige eine Im Mittel­alter wohl bekannte Einrichtung Ist. Ich darf aus dem Gebiete der byzanti­nischen Geschichte zwei fälle anführen: der rhomäische Kaiser Manuel Il. und der französische König Kar! VI. reichten sich gelegentlich ihrer Be­gegnung vor Paris am 3. Juni 1400 unter umständlichen Zeremonien den Bruderkuß; vgl. G. SchIumberger, Byzance et croisades, Paris 192i, S. 107/8. Bekannter sind die langwierigen Verhandlungen, welche vor der Begegnung des deutschen Königs Konrad III. mit dem byzantinischen Kaiser Manuel I. in Konstantinopel geführt werden mußten. Konrad sollte dem Kaiser die Knie küssen, wie es das byzantinische Zeremoniell mit ·seiner Rangordnung der fürsten verlangte. Als dies verweigert wurde, forderte Manuel I., wenigstens auf dem Throne sitzend von Konrad den Kuß zu empfangen. Schließlich habe man sich, so berichtet der Chronist (Arnold von Lübeck: MG SS XXI, 122), dahin geeinigt, daß beide auf dem Pferde sitzend sich den Kuß reichen sollten. Solche Unterhandlungen erschei­nen nur demjenigen lächerlich, der die Bedeutung des Symbols im mittel­alterlichen Kulturleben nicht kennt; die Streitigkeiten um das Hofzeremoniell sind nur ein Ausschnitt aus der großen weltpolitischen Auseinandersetzung, welche zwischen den Staufern und den byzantinischen Kaisern um die Rechtmäßigkelt des römischen Kaisertitels ausgefochten wurde; vgl. W. 0 h n so r g e, ,,Kaiser" Konrad III., MOIG 46 (1932) 343 ff.

2 P. D ö I g er, Johannes VI. Kantakuzenos als dynastischer Legitimist. Amtales Kondakov (Seminarium Kondakovianum) 10 (1938) 19-30 und d e r s., Der Bulgarenherrscher als geistlicher Sohn des byzantinischen ~aisers. Sbornik zum Gedächtnis an P. Nikov, Sofia 1939, S. 219-232. ··­Über die hierarchische Gliederung der fürsten der Welt nach byzantinischer Auffassung hat (doch ohne Rücksicht auf die uns hier beschäftigende frage der Verwandtschaft) gehandelt: 0. 0 s trog o r s k I j, Die byzantinische Staa~enhierarchie, Seminar. Kondakov. 8 (1936) 41-61, bes. S. 49 ff. Die

• poUtJsche Bedeutung der geistlichen Verwandtschaft Im byzantinischen Staatensystem hat zuerst erkannt Otto M e y er, El~ 'tov prjya. l:a.~wv!o:;,

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des Verwandtschaftsgrades zum byzantinischen Kaiser nicht etwa eine spielerische oder rhetorische Metapher, sondern ein ernst zu nehmender T i t e I ist, der sowohl im innerpolitischen Kampfe wie auch vor allem in der außenpolitischen Auseinandersetzung nicht selten die Rolle eines anspruchsvollen R e c h t s titcls angenommen hat. An dieser Stelle soll nun im Anschluß daran erforscht werden, aus welchen Gedankenkreisen diese merkwürdige Einrichtung einer vielgliedrigen künstlichen Königsfamilie stammt und welche Vor­stellungen sich vereinigt haben, um diese mittelalterliche Auffassung­zustande zu bringen, und zwar zunächst für Byzanz, welches in der Durchbildung und Verbreitung der Institution die führende Rolle spielt. Da theoretische Ausführungen über den Bestand der Familie ' der Könige in den Que.Jien durchaus fehlen 8 , bleiben wir so gut wie· ganz auf den protokollarischen Gebrauch der Verwandtschafts­bezeichnungen in den Briefen der fürsten angewiesen. für Byzanz. besitzen wir außerdem das Adressenverzeichnis des z e r e m o n i e n -buches aus der Mitte des lO.Jhds., welches geeignet ist, uns in einem systematischen Überblick die Auffassung der Byzantiner von dem rangliehen Verhältnis der mit dem Kaiser in politischen Beziehungen stehenden fürsten und im besonderen die von ihm den einzelnen aus­wärtigen fürsten gegenüber angewandten künstlichen Verwandt­sclzaltsbezeichnungen vor Augen zu führen'. Dieses Verzeichnis sol~ deshalb den Ausgangspunkt unserer Untersuchung bilden G.

Brackmann-Festschrift (1931) 131-136, indem er dabei von der Adressen­liste des Zeremonienbuches ausging. Die öffentlich-rechtliche Bedeutung der Adoption des deutschen Kaisers durch den Papst und ähnllclier "künst-. Jicher" Verwandtschaftsverhältnisse hat :E. :EIch man n, Z. d. Sav.-Stift.. Germ. Abt. 37 (1916) 295 betont.

s .Einen gewissen :Ersatz bieten einige Prooimien von kaiserlichen Ur-. kunden, welche unter Anwendung der entsprechenden Verwandtschafts­anreden an auswärtige Fürsten gerichtet sind und Hinwelse auf den gött­lichen Auftrag zum Herrschen und die tinheit der gottgewollten Gewalt auf trden mit Hinweisen auf Bibelstellen enthalten, z. B. das Proolmion zunt Schreiben des Kaisers Michael II. an Ludwig d. Fr. v. J. 824 (Dölger,. Regesten der Kaiserurk. d. oström. Reiches [im folg, = "Reg.") n .. 408): Mansi, Conc. Coll. XIV, 417. Aufschlußreich Ist auch der von M1chael Psellos hergestellte :Entwurf eines zur Absendung an Robert Guiskard bestimmten Briefes des Kaisers Michael VII. vom Jahre 1074, wo es ein­leitend heißt: OIOciGXoual yap IJ.! tx! !Eptx·nxtxl ßlßAol XIXlai aA'IJ&ET; t~nopltxt, 8·n (J.ltx 'tl; • ' ' '(Y <U.!. .!. ' ' ' < ' ' ' A' • ' E<Tt!V ap)('IJ XIX I p 'oiX nT; Xtxu· 'liJ.öl; 'IYEIJ.OYIIXI; XIX I w; o IXII'to; C7W't'ljp!o; oyo~ IXIJ.!pO'tEpiX!; l<p+,xA;"'t'IXI Xott ol ot~ol ettml>t't'IXI 't'oii &alou IJ.U<n7Jp!ou. xa\ x~puxE~ 't~Y 'toii E~IX)'1'EA(ou Aoyov 'tot~'t'IXt; ot~)(7Jaetv: Sathas, Maaettwv. BtßAto&~xr: 5 (1876) 389, 1.

4 Konstantinos Porphyrogennetos, De caerimoniis II, 48: 686-692 ed. Bonn. Die Liste ist durchaus für den praktischen Gebrauch der kaiserlichen Kanzlei bestimmt. Sie weist, worauf mehrfach hingewiesen worden ist (vgl, D 61 g er,_ S!>ornik P. Nikov 220 mit Literatur), Spuren mechanischer Überarbeitung nnd: Ergänzung auf, die jedoch alle noch ins 10. Jhdt. führen.

~ Wie schon O. M e Y er von ihm ausgegangen ist.

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Der Kaiser der Rhomäer fügt in den dort (ohne ersichtliches Ord. • nungsprinzip) aneinandergereihten Adressen, welche jeweils die feier. liehe Intitulatio und Inscriptio enthalten, also profukollarischen Cha­rakter haben, zunächst den Titeln einer Reihe von asiatischen und

·europäischen Kleinfürsten, welche entweder als unmittelbare Unter­tanen des Kaisers gelten oder, soweit dies nicht der Fall ist, zum

· Kaiser in kein besonderes Vertrauensverhältnis getreten sind, über· haupt keine Verwandtschafts b e z eichnun g hinzu: es sind die Teilfiirsten von Armenien, lberien und Abasgien, die Lokal­~herren von Rom, Venedig, Sardinien, Kapua, Salerno, Neapel, Amalfi und Gaeta, die mährischen, serbischen und kroatischen Teilfürsten

·(I. Gruppe), die Herrscher von Ungarn und Rußland sowie eine Reihe von nichtchristliehen 11errschern, wie die Chagane der Chazaren und

·der Petschenegen, der "Emir" von Afrika (Kairuwan), der Araberkalif und der Fürst von ,.Arabia Felix" (Jemen) 5a (II. Gruppe). Die nächst­höhere Kategorie erhält in Anlehnung an römischen titularen Gebrauch 8 die auszeichnende Anrede eines tp O..o; des rhomäischen

&a Hierbel wird die relative Politische Unabhängigkeit der Russen-, Ungarn­und Petschenegenfürsten (wohl auch des Chazarenchans, des Araberkalifen und des afrikanischen Herrschers, wo wohl nur im Titel die ausdrückliche Bez~:-lchnung fehlt) durch die unterschiedliche Bezeichnung der Schreiben als

· ·yp<:l!J.!LGl'tot (im Gegensatz zu den xeJ.au(m' für die als direkt abhängig geltenden Klientelfürsten) zum Ausdruck gebracht. Auf diesen und andere feinere Unterscheidungen des Protokolls hat 0 s t r o g o r s k i l , bes. S. 49 f., auf­

. merksam gemacht.- Zu den ohne Verwandtschaftsbezeichnung angeredeten Herrschern gehört auch, wenigstens I. J. 948, der "Emir" von Spanien. Er ist zwar, wie manche andere Fürsten, welche uns interessieren würden, in

·dem Verzeichnis des Zeremonienbuches nicht aufgeführt, doch besitzen wir ·die genauc Beschreibung eines Kaiserbriefes an Abdar-Rahman von Spanien . aus d. J. 948 (also aus der Zeit des Zcremonienbuchs) (Reg. 657) mit genauer Angabe der Jntitulatio und Inscrlptio in einer arabischen Quelle (russ. Übersetzung bei A. A. V a s i Ii e v, Vizantija i Araby II [Petersburg 1902].

· Prllo~enija 189), aus der wir das Fehlen der Verwandtschaftsbezeichnung ·er~ehen. ,

41 Es kann kein Zweifel bestehen, daß es sich hierbei um die Fortsetzung der Institution der amici Augusti principis (vgl. Anm. 58a) handelt, welche

:ihrerseits eine fortsetzung der Institution der ~ !Äo t bei den Ptolemäer-. königen ist und vorher schon Im altpersischen Staatsrecht vorhanden war; vgl, E. Kornemann bei E. Kornemann-J. Vogt, Ein!. in die Altertw. III, 23 (1933) 140. Davon ursprünglich zu trennen ist der Titel der a m I c I p o p u Ii R o m an I , der eine politische Auszeichnung g an z er V ö I k e r darstellt. Daß er freilich \auch seinerseits mit dem Bestreben zusammen­hängt, einen besonderen Grad der Verbundenheit s y s t e m a t i s c h durch

· eine aus dem Privatleben übertragene Bezeichnung titular zum Ausdruck .. zu bringen, zeigt die Beobachtung, daß die Steigerung des Freundschafts­

verhältnisses eines auswärtigen Volkes zum römischen ganz wie bei den Fürsten durch die Bezeichnung fratres zum Ausdruck kommt, eine Ebre, deren sich bei den Römern lange Zeit nur die Haeduer erfreuten. Das

: fortleben dieser Bezeichnung für. V ö I k er in byzantinischer Zeit · (vgl. u. Anm. 9: die Bulgaren) bedarf einer besonderen Untersuchung:

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Kaisers: der "Emir" von Ägypten sa und der Fürst von Indien. Den nächsthöheren Grad :der liebevollen Verbundenheit mit dem ost·· römischenKaisec zeigt soc!ann derTitel des kaiserlichen ,X8ücp6~ an; ihn erhalten in unserem Adressenverzeichnis die christlichen Könige von Sachsen, Bayern, Italien, Deutschland und. Frankreich 7, Die höchste Stufe im Sinne der byzantinischen Auffassung des Kaisers als des Oberhauptes der Fürstenfamilie wird dann endlich durch die Benennung als kaiserliches"t'hvov gekennzeichnet, deren die Fürsten der christlichen Staaten Großarmeoien 8

, Alanien und Bulgarien ge. würdigt werden9.Als~v&u!Jo«"t'Lxo~~oc"t'~p ist in unserer Adre~senliste

vgl. einstwellen 0. T r e I t In g er, Die oströmische Kaiser- und Reichs­idee nach Ihrer Gestaltung Im höfi&chen Zeremoniell, 1938, S. 193, Anm. 150 (mit Literaturnachweisen). Vgl, noch Tb. Mo m m s e n, Staats­recht III., lio 592-606; L. Pr I e d I ä n der- M. Bang, Darst. z. Sitteng. Roms IV • • (1921) 56 ff.; 0 eh I er. Realenzykl. d. kl. Alttw. N. R I, 2 (J 894) 1831 f.

oa Hier können wir vermutlich den Zeitpunkt feststellen, zu dem diese freundschaff 2egründet worden ist. In einem Briefe des Kaisers Romanos J. an de? "Emi.r V?n Ägypten v. J. 93516 (Reg. 631: .ial.;dov lcnop. Xlll e&vol..oy E-rll!tpEt(l; l'ij; EAI..etoo• 2 [1884] 408, 13) bietet der byzantinische Kaiser dem fmir an, er möge, wenn er die Absicht habe, tp!Ao, der kalserlichen Majestät zu werden, und zwar es sowohl zu sein als so genannt zu werden dies dem Kaiser anzeigen (vgl. D ö 1 g er, Sbornik P. Nikov 224, A. 1 a~ Schluß, wo die Stelle im Wortlaut angeführt Ist). Die Stelle zeigt uns zugleich, daß rp!Ao; in der Adresse auswärtiger fürsten keine einfache Metapher, sondern ein geprägter TI t e 1 ist und auf Grund gegenseitigen Übereinkommens bzw. kaiserlicher Verleihung geführt wird.

1 Im einzelnen vgl, zu der Stelle 0. M e y er und m e I n e Bemerkungen hierzu BYZ. Z. 31 (1931) 439 f.

s Auch hier können wir den Zeitpunkt ungefähr festlegen, zu dem dieses Verwandtschaftsverhältnis mindestens schon besteht; in Konst. Porphyrog. De admin. imperio 45:205,3 wird der Kuropalates von Armenien in einer Erzählung, die sich auf den Anfang des 10, Jhdts. bezieht, vom Kai~cr als xtcrto~ xett op&o; tp(l..o; ~(J.WY bezeichnet.

9 Hierüber in aller Ausführlichkeit m eIn e Darlegungen in Sbornik P Nikov. Dort sind auch die weiteren Stellen zusammengetragen und es wird g;zeigt, daß die kaiserliche Regierung aus diesem Sohn-Vater-Verhältnis welttragende Polgerungen ableitete, Das bulgarische Beispiel zeigt auch wiederum mit besonderer Deutlichkeit den institutionellen Charakter des Systems, Indem der Sohnestitel des Bulgarenfürsten seit der Taufe Boris' I. (864) an der juristischen Person des bulgarischen Herrschers haftet (im Gegensatz zur parallelen hellenistischen Einrichtung, vgl, u. S. 417) und auf das ganze Völk der Bulgaren in seinem Verhältnis zum Rhomäervolke aus­gedehnt wird, indem sie als (xYEufLn.) u!o! des Rhomäervolkes bezeichnet werden (zahlreiche Belegstellen in meinem Aufsatz). Die letztere Beobachtung gewinnt an Bedeutung, wenn wir feststellen, daß auch der niedrigere Ver· wandtschaftsgrad des <pll..o, von den Byzantinern in Fortführung einer "römischen Übung", nunmehr aber offenbar in einfacher Übertragung des

· fürstlichen Verwandtschaftsverhältnisses (vgl. oben Anm. 5) auf ganze Be­völkerungen angewandt wird. Hierfür nur zwei Belege: in der lfrkunde des

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ausschließlich der römische Papst bezeichnet, doch stammt diese Be­zeichnung, wie wir sehen werden (vgl. u. A. 49) aus einer ganz anderen Sphäre. Im ganzen ergibt sich das Bild, daß an der Spitze der Oikumene· der V a t e r der Fürsten- und Völkerfamilie, der ~occn­'Aeu,. 'Pwp.oc(wv, thront. Ihm verwandtschaftlich am nächsten stehen unter den politisch selbständigen Fürsten einige christliche Herr­scher in der Nachbarschaft des Reiches, wie der Armenier-, der Alanen- und der Bulgarenherrscher; sie sind (nveup.oc'nx.oc) 'thvoc und dem Kaiser damit durch besondere Gehorsamspflicht verbunden; in einem ebenfalls najlen, doch weniger herzlichen Verhältnis zum Kaiser stehen sodann die christlichen Herrscher der Deutschen und d~r Franzosen, die als ( nveup.oc·-nx.ol) &.8elcpo( in die Familie eingegliedert sind. Ihnen folgen endlich einige cp(AoL, d. h. solche selbständigen Fürsten und Völker, welche diesen Titel durch besondere Überein­kunft erhalten haben; so der "Emir" von Ägypten und der Herrscher von Indien (später auch die Venetianer, der König von England und die Sienenser); ihnen folgen solche fürsten, welche ebenfalls selb­~tändig sind, die Bezeichnung cp(AoL jedoch (noch) nicht erhalten oder nicht angenommen haben; es sind z. T. christliche, z. T. nichtchrist­liehe fürsten (Aufzählung s. oben). Die letzteren werden ranglieh nicht mehr durch den Unterschied des Verwandtschaftsgrades, son­dern nur mehr durch andere Besonderheiten der Anrede und des Protokolls gruppiert, ebenso wie die Teilfürsten, welche nach Aui­fassung des byzantinischen Hofes der Souveränität des Kaisers un­mittelbar als Untertanen ( 8ouAoL) unterstehen, so die Teilfürsten von Armenien, Serbien, Unteritalien usw. Es kann auf Grund dieser Über­sicht keinem Zweifel unterliegen, daß wir hier nicht etwa willkür­liche Einfälle der byzantinischen Kaiserkanzlei, sondern den ganz

{

.systematischen, verwickelt abgestuften Aufbau einer lf/elffamilie der Könige vor uns haben, orientiert auf den byzantinis•chen Basileus. welcher in dieser Familie der "Vater" mit der patria potestas ist. Kaisers Isaak Angelos für die Vene t i an er v. J. 1187 (Reg. 1576: Jus Gr.-l~om., ed. Zepi I, 437,4) heißt es: Quod Venefici quidem non nunc PrimG Romeis foederati amicl eflecti nec nuper eorum a m i c i s f a u t o r i b 11 s q u e connumerati •• • ; in ähnlicher Weise redet noch der Kaiser Manuel II. im Jahre 1399 die SIe n e n s er in der feierlichen Adresse eines Schreibens als a m t c i carissimi an (Sp. Lampros, llal..cnol..&yetot xa1 lleAo7tovv7jataxce 3 [1926] 120). - Im Laufe des Mittelalters sind noch weitere f ü r s t e n in die Klasse der a m 1 c i des byzantinischen Kaisers eingerückt. So wird der englische König Heinrich II. in einem Schreiben des Kaisers Manuel I. v. J. 1176 (Reg. 1524) in der Adresse als nobilissimus rex Angllae, carissimus amicus be­zeichnet (Bouquet, Recueil XVI, 653 A) und damit um eine Stufe tiefer ein­gegliedert als seine deutschen und französischen Kollegen (s. oben S. 401). Daß dieses byzantinische Protokoll auf der Gegenseite des Widerhalles nicht entbeltrt, mag eine Stelle aus dem Briefe friedrichs II. an den Despoten Michabi II. von Epeiros v. J. 1250 zeigen, in welcher er die Griechen seine CJ\Iyyavar, xal rpll.ot nennt: Miklosich-Müller, Acta et diplom. gr. med. aevi IJI, 68, 29.

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Die ,.Familie der Könige" . M" lrn Ittelalter 403 Prii.ien wir nun, inwieweit dieser protokollarische A d k d

byzantinischen Auffassung von der_ Pü~stenhierarchie in u~e~u;,:ns e~~ halteneu Einzelzeugnissen des katserhellen Briefverkehrs mit den mittelalterlichen Fürsten seine Bestätigung findet 10 1 Hier fällt so­gleich ein Unterschied zWischen der Bezeichnung der deutschen und französischen Fürsten im 10. Jll., wie wir sie eben kennengelernt haben und derjenigen der germanischen Volkskönige in die Augen 11

Währ~nd jene als Brüder bezeichnet werden, gelten die g e r m a _ \ n i s c h e n K ö n i g e durchweg als Söhne des byzantinischen ; Kaisers 12• Dafür, daß die Ostgotenkönige Theoderich und Athalarich, der Burgundenkönig Sigismund und die Frankenkönige Theudebert, Childebert I. und Childebert II. den Kaiser als ihren Vater bezeichnen, gibt es zahlreiche Belege 13, aus welchen der Gebrauch wenigstens

10 Solche Zeugnisse sind uns nur in sehr geringer Zahl erhalten und auch fast durchweg nur in Abschriften, die wiederum häufig gerade diejenigen Teile der Schreiben, welche die uns interessierenden Bezeichnungen ent­h~lten, nämlich Protokoll und fschatokoll, weggelassen hab~n. Es. kommt hmzu, daß die Nennung des Verwandtschaftstitels nichl obltgatonsch ge­wesen zu sein scheint und insbesondere dann gerne unterblieb, wenn Briefe wenig freundlichen Inhalts gewechselt werden mußten.' fine Zusammen­stellung von Beispielen habe ich bereits Semin. Kondak. 10 (1938) 23 Anm. lS gegeben, möchte sie hier jedoch wiederholen, um sie zu. vervollständigen und in einigen Punkten auch auf Grund neuer Erkenntmsse zu berichti­gen. Vollständigkeit zu erreichen, ist auch in diesem Aufsatze nicht meine Absicht. Immerhin dürften die anzuführenden Stellen ausreichen, um jeden Zweifel an der titularenBedeutungder augewandten Verwandtschaftsbezeich­nungen zu beheben.

11 Die Beziehungen des Basileus zum Perserkönig bleiben hier vorläufig außer Betracht und werden u. S. 414 ausHihrlich erörtert. Der Perserkönig fehlt natürlich im Verzeichnis des Zeremonienbuches, da das Perserreich be­reits im 7. Jhdt. untergegangen ist.

12 Dies wurde schon von 0. M e Y er 134/5 festgestellt. Die Dissertation v.?" R •. He I ?J , Untersuchungen über den ausw. diplomat. Verkehr des rom. Re1ches 1m Zeitalter der Spätantike, A. f. Urkundenf. 12 (1932) 325 ff g~ht wohl auf die übrigen Probleme der Titelgebung im Briefwechsel de; fursten .des 4.-7. Jhdts. ein, nicht aber auf die Verwandtschaftsbezeich­nungen 1m besonderen, die uns hier beschäftigen.

1~ Die Belegstellen bei HeIm. Sie seien hier durch einige weitere ergänzt ~hildebert Il. von Franken sagt in seinem Brief an Laurentius von Mailanli ~ •. J. 5~5 (MG Epp, 111: f_PP; Austr., n. 46: S. 151,25): iuxta votum Rom rctpublu:ae vel sacratiSSiml p a t r i s n o s t r i im 11 e r a 1 0 r 1 s ~n.ae Brief 48 derselben Sammlung aus der Zeit vor 581 (an Gisulf · • • Iutn. !I)~ cup' t ndere l't ·· · · · von s nen . m1us os e . , .qua 1 er .nos TJllSSlmus ImPerator se dignanter admittit in n u m e r o r e c 1 11 1 a t I il1 o r u m .. • Diese Stelle zeigt im übr' . ' daß auch die Sohnschaft (vgl. oben Anm. 6a die Bem übe d Jge~ Wieder, durch besonderen kaiserlichen Gnadenakt v e r 1 1 eh e ~ w· r e~ T~tel ~O.o;) eine Stelle aus dem Briefe des Papstes Pelaglus an den I<~.r~. ECnh~liJdch noc

1h

\'. J. 556 (MG EPP. IJI, Epp, Arelat., S. 71, 33) wo er de omg. 1 ehert · . vester bezeichnet. Diese Stelle beweist, daß' d n Kaiser als ~ater zwischen den germanischen fürsten und d Kas. Vate~-Sohn-Verhaltnls · em a1ser mcht eine private

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für das 6. Jh., und zwar gleichmäßig als Vater-Sohn-Verhältnis zwischen verschiedenen byzantinischen Kaisern einerseits und ver­schiedenen Königen des gleichen Volkes anderseits sich ergibt, also m. a. W. der durchaus protokollarische, nicht nur gelegentliche, am Amte, nicht an der Person haftende Charakter der Bezeichnung 1311 ,

Das Bild wird vervollständigt durch die weitere Feststellung, daß die 0 e r m an e n k ö n i g e in offensichtlichem Zusammenhang 14 mit

Abmachung oder gar nur eine Höflichkeitsfloskel war, sondern auch von dritter Seite anerkannt und ernst genommen wurde.- Die Stelle wurde s\!hon von 0. M e y e r 131, Anm. 3, herangezogen.

' 13

" Theophanes berichtet in seiner um 813 abgeschlossenen Chronik zum Jahre 523 (168, 14 de Boor), der König des sowohl den Persern wie den Byzantinern benachbarten Volkes der Lazen, Tz a t h i o s, habe sich, als er zur Regierung kam. von der bisher bei den Lazen traditionellen Freund­l'chaft mit den Persern freigemacht und habe sich vielmehr zum byz, Kaiser Justin I. begeben, um sich als König der Lazen bestätigen zu Jassen; dieser habe ihn taufen lassen und .,zum Sohne ausgerufen". Geht man den ()uellen des Theophane.s nach, auf denen seine Erzählung hier ganz beruht. so zeigt sich, daß er aus Malalas (6. Jh.: 412, 16 Bonn.) schöpft, dessen Erzählung dann auch das Chronicon Paschale (um 630: 613, 3 Bonn.) übernommen hatte; während nun Theophanes im übrigen stark kürzt, ist ~ein Bericht über die Ausrufung des Tzathlos zum Sohne des byz, Kaisers eine Zutat, die er, da in seinen Quellen darüber keinerlei Andeutung vor­liegt, aus dem übrigen Vorgang frei hinzukombiniert haben muß. \Vir können demnach zwar diese Sohnschaft nicht als historisch ansehen, so gut sie zu der uns aus dem Zeremonienbuche bekannten Sohnschaft des fürsten von Alanien passen würde; sie zeigt aber, daß dem Theophanes die Verbindung eines persönlichen Besuches fremder Fürsten am Hofe von Konstantinopel, welche in den Schutz des Kaisers aufgenommen zu werden wünschten, mit der Verleihung des Sohnestitels geläufig war.

u Ou die Ver w an d t s c h a f t s b e z e i c h n u n g e n der Fürsten auf einen Mittelpunkt ausgerichtet und von diesem aus nach dem Vorbild der natürlichen Verwandtschaftsbezeichnungen ,.weIter I e I t bar" sind, ist natürlich eine grundsätzliche Frage. Daß es in der Tat der Fall ist, läßt die Brilderlichkeit der Germanenkönige untereinander als gemeinsame $öhn,• des byzantinischen Kaisers zunächst einmal vermuten. Zur Gewißheit wird diese Vermutung erhoben, wenn wir erfahren, daß dl! Kaiserin Theodora, die Gattin Justinians, ausdrücklich und protokollarisch als Schwester der Perserkönigin bezeichnet wird, deren Gatte nach altem, auf das 4. Jhdt. zurückgehenden tierkommen der Bruder des byzantinischen Kaisers ist (hierüber ausführlich unten S. 414): Malalas 467,11 Bonn. Eine ähnliche .,Weiterleitung" liegt in dem von mir ausführlich in Sbornik P. Nikov 230 behandelten Falle des Kaisers Romanos I. vor, der, wie ich dort vermute, aus besenderen Griinden, von den bulgarischen Gesandten in der feierlichen Audienz Im Kaiserpalaste zunächst als GroBvater des Kaisers bezeichnet wird (da der angenommene Sohn des Romanos, der frühere Hauptkaiser Konstantlnos VII., der mit Erlangung der Kaiserwürde Vater des Bulgaren­fürsten geworden war, nun an die zweite Stelle des Kaisertums gerückt war). -Man könnte auf den Gedanken kommen, die Tatsache, daß sich die germanischen Könige gegenseitig fratres nennen, aus der gemeinsamen ~eistlichen Sohnschaft dem Papste gegenüber abzuleiten (vgl. Anm. 49):

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Die "Familie der Könige" im Mittelalter 405

der Anerkennung des byzantinischen Kaisers als Vater sich gegen­seit i g als Brflder bezeichnen 13

• Für das 7. und 8. Jh. fehlen uns · anscheinend leider alle Belege, 'Erst 'Einhard gibt uns in seiner Vita Caroli Magni im Kapitel 28 wieder eine wichtige Nachricht, indem er mitteilt, Kar! d. Gr. habe die contumacia der byzantinischen Kaiser dadurch überwunden, daß er sie alsfratresangeredet habe· die ßrief" Karls d. Gr. an die Kaiser Nikephoros I. und Michael 11. \e aus de~ Jahren 811/3 bieten hierzu denn auch tatsächlich die willkommene Be­stätigung, 'Es dürfte mit zu den von Karl d. Or. im Vertrag von Aachen (812) den Byzantinern abgerungenen Zugeständnissen ge­hören, daß er als von den Byzantinern widerwillig anerkannter Basileus tT zugleich den Bruder-Titel, und zwar n ich t nur f ü r sich, sondern auch für seine deutschen, italischen u n d f r a !I z ö s i s c h e n Na c h f o I g e r 18 erkämpfte, wie wir das jedenfalls m der Adressenliste des Zeremonienbuches durchgeführt sehen.

rür die weitere tatsächliche Anwendung des Bruder-Titels von seite~. ?es byzantinischen Kaisers gegenüber den deutschen und franzosJschen Königen 19 seien im folgenden noch einige Belege aus

dies geht indessen schon deshalb nicht an weil sie dann folgerichtig auch alle übrigen Personen, welche der Papst s;ine filii nennt (vgl. Llber Diurnus ' ed. v. Sicke!, 1889, S. 1, n. 1-ll), als fratres bezeichnen müßten, was nicht der fall Ist.

u Belege wiederum bei H e Im 386, Anm. 24. Sie mögen hier ergänzt werden durch die Marculfschen Formulae, die an die. Wende des 6. und 7. Jhtds. gehören (B r es s I a u - K I e w i t z, Handb. d. Urkl. II [1931) 230) und wiederum den protokollarischen Gebrauch des Titels außer Z weife! stellen; es heißt dort hi der Formel für die Epistola regalis ad alium regem desti­rJanda: Domino glorioso atque praecellentissimo Ir a tri illo regi ego in Dei nomine ille gratia Dei rex,· ••• v es t r a Ir a t er 11 i t a s (MO formulae, ed. K. Zeumer, 1886, 48,19; 120,21); diese Formel wird nur im Verkehr mit anderen KönIgen, nicht aber im Verkehr mit anderen hochgestellten Per-sönlichkeiten angewendet. 16 VgJ. 0. M e y er 135.

u Über das Verhältnis Karls d. Gr. als einfacher Basileus zum byzan­tinischen ßaatA~~~~ 'Pwp.a('"" vgJ. zuletzt meIn e Bemerkungen Byz. Z. 36 (1936) 132 f.

18 Dies habe ich schon Sem. Kondak. 23, A. 18 (= S. 24 oben) vermutet. Während Kaiser Basileios im Jahre 871 zwar lebhaft gegen die Führung des Imperatortitels durch Ludwig JI. protestiert (zu entnehmen aus dem Briefe Ludwigs li. an Basileios: MG Epp, VII [=V Carol. aevi) 387), be­merken wir keine Spur eines Protestes gegen den Bruder-Titel, den Lud­wig JJ. in diesem Schreiben doch wiederholt und eindringlich anwendet. Dazu würde auch stimmen, daß Kaiser Michael II. in seinem Briefe an König Ludwig d. Fr. v. J. 824 (Mansi, Conc. Coll. XIV, 417) diesen zwar nach der allein erhaltenen Übersetzung nicht ausdrücklich als Bruder bezeichnet, ihn aber spiritualis dilectio nennt und in der Einleitung ausführlich sich über die gottgewollte Vertei.~ung des Regimentes über die Völker verbreitet.

1e Die westlichen fursten haben sich unter sich weiterhin als BrUder bezeichnet; als Beispiel sei nur auf den Briefwechsel zwischen den Nach-

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den folgenden Jahrhunderten angeführt. Kaiser Alexios I. Komnenos ·l redet in einem Schreiben an den deutschen König Heinrich IV.

v . .J. ca. 1082 diesen als x.p~a-.~IXv~~tiJ-.IX-.o~ cHie'Acpo~ an 20• Im Jahre J 1142 adressiert der Kaiser Johannes I. Komnenos seinen Brief an den l deutschen König Konrad: ad nobilissimum fratrem et amicum 21,

während Konrad i. J. 1144/5 an den Kaiser Manuel I. Komnenos als an den frater suus schreibt 22

, Zum Jahre 1147 berichtet Odo von , Deuil, Kaiser Manuel I. habe seinen (Odos) König, den König

1 Ludwig VII. von Frankreich, in einem Schreiben "schmeichlerischer­weise" (so sehr war in Frankreich damals der Sinn der Bezeichnung vergessen) sanctum, amicum et lratrem genannt 23• Die Adresse eines i. J. 1164 vom Kaiser an den französischen König gerichteten Schreibens lautet in der Tat: dilectissimo consanguineo (!) et amico imperii mei Ludovico nobilissimo regi Franeorum 2

\ Derselbe Kaiser hatte i. J. 1151 in einem Briefe an den Abt Wibald von Stablo den deutschen König Friedeich I. rex Rome, predilectissimus frater et cognatus imperii mei genannt 25

; in einer Reihe von weiteren Schrei­ben des öfteren: dilectus frater 26 u. ä., und in einem Briefe an Fried­eich I. selbst v. J. 1153 diesen als praecellentissimus rex Rome et frater

. ..., imperii mei angesprochen; hierauf erwidert Friedeich I. im gleichen I Jahre: dilectissimo fratri et amico meo Manueli, indem er dabei ver­

sichert, es sei ein heiliges Vermächtnis seines Vaters Konrad, er solle die lraternitas mit dem byzantinischen Kaiser aufrecht erhalten ~7• Wiederum schreibt Manuel I. i. J. 1178 28 an Friedeich 1.: dilecto lratri, was friedeich I. in seinem Antwortbrief ebenfalls mit dilectus lrater erwidert 29

• Wie Manuel sowohl den König Konrad als dessen Sohn gleichmäßig als lrater bezeichnet hatte (und umgekehrt), so nennt auch wieder der byzantinische Kaiser lsaak Angelos in einer Urkunde

folgern Ludwigs d. fr. hingewiesen: Ludwig d. D. redet Lothar li. I. J. 870 und 873 als Bruder an (MG Dipll. reg, Germ. ex stirp~ Karol. 1 [1934] S. 1S4; 205) und Karlmann nennt zum Jahre 877 den Lothar II. ebenfalls frater et t'o/lsobrinus (eben da 293,10 und 15); letzteres Beispiel ist besonders lehr­reich, weil es zeigt, daß die Bezeichnung der natürlichen Verwandtschaft (Vctter-consobrinus) neben derjenigen der künstlichen Verwandtschdt hergehen kann; auf spätere gleichartige fälle im byzantinischen Bereiche habe ich Semin. Kondak. 10, S. 23, Anm. 18 (= S. 25 Mitte) hingewiesen.

20 Reg. 1077: Anna Komnene, Alexias III., 10: ed. Reiffersch. I, 121,1. 21 Reg, 1322: Otto frls. Gesta I, 25: Schulausg, 40,6. 22 Otto fris. Gesta 41,1 der Schulausg, 28 Odo de Diog.: Migne PL 185,2, 1208 A. u Reg. 1445: Bouquet, Recueil XVI, 82 A. Die Übersetzung consan­

guineus für <l8eltpa~ des Originals deutet wiederum darauf hin, daß der Übersetzer den Sinn der Anrede nicht kannte.

2 ~ Reg, 1382: Ph. Jaffe, Bibi. rer. Germ. I (1864) 454,33. 28 Jaffe 153,20; 337,6; 355,32 u. öfter. 27 Jaffe 548/9. 28 Reg. 1528: Ann. Stad. MG SS XVI, 349,16. · . 211 H. v. K a P- H er r, Die abendländische Politik des Kaisers Manuel 1.,

1881, s. 156.

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Die "Familie der Könige" im Mittelalter 407

v. J. 1188 30 den deutschen König (Kaiser) Friedrich I. de11 eöyevea-.Ot"o; «3e'A'Po; -.~; ~OtaL'AdOt; (LOU. In einem dem Zeitraum 126211270 entstam­menden Briefe 81 bezeichnet Kaiser Michael VIII. Palaiologos den König Manfred als 7rtpL7r6&1j-.o; ~3e'A!po; -.'ij; ßocaL'Adoc; (LOu, während Michaels Sohn, Kaiser Andronikos II., in einer Urkunde des Jahres 1J27 den französischen König Karl IV. karissimus frater imperii nostri nennt n. Umgekehrt lautet die Anrede des franz. Königs Karl VII. an den letzten byzantinischen Kaiser Konstantin XI. (1448/53): frater. et consanguineus 33

• ·

Sehen wir uns noch nach weiteren Verwandtschaftsbe?:eichnungen anderer Fürsten außerhalb des deutsch-französischen Kreises mit dem byzantinischen Kaiser um! Da von, daß der e n g 1 i s c h e König, der erst verhältnismäßig spät in das Gesichtsfeld der byzan­tinischen Politik tritt, sich in der 2. Hälfte des 12. Jh. noch mit dem !f>O.o;- Titel begnügen muß, haben wir schon Kenntnis genommen (vgl •• Anm. 9). Für den Ungarnkönig findet sich z. J. 1163 ein­mal m dem Texte eines Schreibens an Stefan III. der freilich keinen An.spru.ch auf wörtliche Wiedergabe der Vorlag~ erheben kann, die ka1se~hche Anrede: <1 ~p.e 7r1Xi 34• Während also der Ungarnkönig, wohl Im Verlauf des .Eingreifens Kaiser Manuels in die ungarischen Thronwirren jener Zeit, sich zur Annahme der Sohnschaft des byz. Kaisers bequemt zu haben scheint, hat dies der grimme No r­mannen fürstBobernund i. J.1097 abgelehnt, als der Lockruf an ihn erging: Quae omnia tibi paratur navari tamquam filio, si benignum te, si fidum nobis paraveris tamquam filius 35

• Dagegen ist Gottfried von B o u i 11 o n i. J. 1097 in feierlichem Staatsakt, ut mos est terrae, zum Sohn des Kaisers erhoben worden 35a, i. J.llOl dann auch Wilhelm von A q u i t an i e n und Welf (IV.) von Bayern 35

b. Über die bi'i ins 14. Jahrhuncert verfolgbare Sohnschalt des B u I garen -herrschers habe ich in Sem. Kondak. 10 ausführlich gehandelt 86~

~0 Reg, 1582: Miklosich-Müllcr, Acta et dipl, gr. m. aevi III, 2, 5. 31 Reg, 1916: C. Marines c o, Du nouveau sur Constance de Hohen-

staufen: Byzantion 1 (1924) 460,1. . 3! Urk. hsg, von H. 0 m o n t in Bibi. de l'f:cole des Chartes 53 (1892) 25b. n S p, La m pro s, IlcxJ.cxtoAoyet« x«t lltAon:ovv. 4 (1930) 65. 84 Reg. 1452: Klnnamos V, 6:217,20. u Migne PL 155, 499. 35a Alb. Aqu, II, 16: Migne PL 166, 419 A. ssb Ekkeh. Hieros. 23: 233, 3 Hag. ss t:s sei hier nur nochmals betont, daß die dort S. 23, Anm. 18 {gegen

Schluß) zusammengestellten Beispiele aus dem 14. Jhdt., in denen der be­stehende natürliche Verwandtschaftsgrad des Kaisers mit dem betr. Bulgaren­fürsten neben der Bezeichnung der künstlichen Verwandtschaft erscheint, ein sehr deutlicher Beweis für die Realität der Institution der Familie der Könige noch gegen Ende des Mittelalters sind. Es sei bei dieser Gelegenheit bemerkt, daß sich die Fürsten, soweit sie ein n a t ü rli c h es V er w an d t s c h a f t s­. ver h ä 1 t n I s verbindet (und dies ist bei der dynastischen Hauspolitik des Mittelalters ja häufig der Fall), selbstverständlich auch mit der diesem ent­sprechenden Verwandtschaftsbezeichnung anreden. Ein Beispiel aus vielen

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Mit diesen Belegen dürfte das Bestehen einer mit'telalterlic.hen Familie der Könige, in der sich die einzelnen Fürsten gegenseitig

jals Brüder betrachten, der byzantinische Kaiser aber die Fiktion einer Vaterschaft gegenüber einer Reihe von benachbarten christ­lieben f'ürsten aufrecht erhält und die übrigen in Brüder, Freunde und Untertanen gliedert, als erwiesen gelten. Es erhebt sich jedoch nun die frage, auf w e I c b e i d e e I I e n WurzeIn diese Institution~'" die, wie wir gesehen haben, von Byzanz ihren Ausgangspunkt ge. nommen hat, z ur ü c k zu f ü h r e n ist. liier könnte ein Skeptiker zunäch~t einwenden, daß in der Anrede Bruder, Solm, aber auch Vater weiter nichts vorliege als eine einfache rhetorische Metapher. ein emotional gesteigerter Ausdruck persönlicher freundschaftlicher oder pietätvoller Gesinnung. Wenn wir auch diesen Einwand nach dem oben Ausgeführten bei der erweislich titularen Verwendung der Ver­wandtschaftsbezeichnungen in unserem Bereich kaum zu wider­legen brauchen, so wollen wir die Berechtigung, die in ihm steckt, doch nicht verkennen. In der Tat sind die V e r w a n d t s c h a f t s­b e z eichnun g e n zu jeder Zeit und in jedem Volke im ver­trauten Verkehr als einfache Metaphern zum Ausdruck einer besonders n a: h e n V e r b u n d e n h e i t angewendet worden. Um sich zu überzeugen, braucht man z. B. nur etwa in das Papyrus­wörterbuch von Preisigke s. v. oU5e'Acp6; oder in den Thesaurus Linguae Latinae s. v. frater einen Blick zu werfen. Man wird feststellen, daß «~e 'Acp6;" bzw. lrater schon in vorchristlicher Zeit gebräuchliche Formen des intimen Briefverkehrs waren, wobei im allgemeinen der Grad der Verwandtschaftsbezeichnung durch das gegenseitige Alters­verhältnis bestimmt wurde 81

• Trofzdem kann nicht der geringste

sei hier verzeichnet, weil es zugleich die Weite der byzantinischen Bezeich· ·nung .3-eTo~ (avunculus) und entsprechend tlvEcjluSdnepos) vor Augen führt: Kaiser Andronikos II. heißt von selten des Königs Jakob II. von Aragon nepos. während er selbst diesen entsprechend als avunculus bezeichnet; über die Art des wirklich bestehenden weltläufigen Verschwägerungsverhältnisses vgl. m e l n e n Aufsatz in Estudis Unlv. Ca talans 18 (1933) 304, A. 2; die Stellen selbst bei M a r in es c o 465 und 466. - Zum Begriff von &a1'o~ vgl. auch S t. BIn o n , Byz. Zeitschr. 38 (1938) 146 ff.

ar Vgl. dazu M. Bang bei L. Fr l e d I ä n der, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms 9. 10. (1921), S. 84, wo unter zahlreichen anderen auch auf folgenden Beleg hingewiesen ist: Cic. Varr. li,. 3, 255: mi frater: Horat. :Epp. I, 6, 54: lrater, pater adde, ut cuique est aetas; Hist. Aug., M. Ant. Phll. 18,1: 63,5. Hohl: cum ab aliis modo frater, modo pater, modo filius, ut cuiusque aetas sinebat, et diceretur et amaretur ••• Hübsch Ist auch die Stelle im Epigramm des Palladas, Anthol. Palat. X, 441, in welcher der satirische Dichter die Wandelbarkeit undankbarer Kreaturen verspottet: ~~ 6 !p!l..o~ ';I Acißn, .. ~O(J.IVI !ppcinp" .~&~~~ eyp<XcjiEV (Var.: EXpiX~EY ). ~V o'IX~ (J.~ ';I )..dßn. o;o "!pp&np" aYna !J.Ovov. Die Stelle scheint mir auch die Annahme uahezulegen, daß domiue frater bzw. fraterzurZeit desPalladas (Wende 4J5.Jhdt.n.Chr.) eine feststehende Briefanrede auch in g r 1 e c h i s c h e n Briefen waren, ähn­lich wie auch in griechischen Urkunden der Kaiser die Worte des Schluß-

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Zweifel bestehen, daß die Familie lier Könige zwar im allgemeinen auf der gleichen metaphorischen Übertragung eines Verwandt­schaftsverhältnisses auf ein intimes Treuverhältnis beruht, aber im be­sonderen auf ganz bestimmte Wurzeln institutioneller Art zurfickgehen muß. Denn 1. steht in den Fürstenbriefen die Verwandtschaftsbezeich-.nung meist schon unter den Ti t e 1 n der Inscriptio, ist also ebenfalls

e<....-titular, und ist dann im Text vielfach in die abstrakte Form trater­nitos tua gekleidet, in der sie jeden emotionalen Anstrich verliert; 2. ist das Altersverhältnis meist der allgemeinen Briefregel durchaus nicht entsprechend (vgl. den Fall des lljährigen Kaisers Konstan­tinos VII. als Vater des um 40 Jahre älteren Zaren Symeon von Bul­garien: Sbornik P. Nikov S. 228, A. 2); 3. drücken die Titel frater~ tilius bzw. pater in den von uns besprochenen Dokumenten augen­scheinlich ein ganz bestimmtes, auf Abkommen bzw. Verleihung be­ruhendes staatsrechtliches Verhältnis aus

Die Wörterbücher, denen wir uns ;unächst anvertraut haben.· geben ab~r für "IXlltAcpo~" - frater noch weitere Bedeutungen aus umfangreichen, fest umgr:enzten Lebenssphären: zunächst für die G e d an k e n w e I t d e s ä 1t e s t e n C h r i s t e n tu m s. Die ältesten Christen betrachteten sich als gemeinsame Söhne des himm­lischen Vaters oder auch Christi eine Auffassung, die schon in den Paulusbriefen stärksten Ausdruck findet (1 Cor. 4,15; Phil. 10; 2 Cor. 6,13). An Stelle überaus zahlreicher Belege möchte ich nur auf Ter­tullian (2.13. Jh.), Apo}. 39,9 hinweisen, wo es heißt: Quanto nunc di­gnius lratres et dicuntur et habentur, qui unum patrem Deum agnove­runt, qui unum spiritum biberunt sanctitatis, qul de uno utero lgno­rantiae eiusdem ad unam lucem expaverunt veritatis. Dieses Bruder­turn hatten die alten Christen gemeinsam mit anderen Mysterienreli­gionen 88 und verwendeten dementsprechend die Bezeichnung auch als Deckwort der disciplina arcani in ihren Grabschriften 89

; waren sie doch auch als Mitglieder der Begräbnisvereine, der einzigen Organi­sationsform, die ihnen nicht verschlossen war, nach dem Muster

· zahlreicher Berufs- und Kultgenossenschaften Brüder (hierüber vgl. unten S. 410). Indessen, es wird auch in diesem altchristlichen Ge­brauch des Wortes Bruder, das sich nur in der Liturgie (in dieser aber bis auf unsere Tage) in der Bedeutung Mitchrist erhalten hat,. kaum jemand den Ursprung der Familie der Könige suchen: nennen

grußes bis in 7. Jhdt. herauf lateinisch wiedergegeben zu werden pflegten. -Beispiele für cl()E).cpö~ in Privatbriefen z. B. auch bei G. R o s e n b e r g er~ Griech. Privatbriefe (1934), Pap. n. 102,29: S. 245 {6. Jhdt.).

as So mit den Mithrasgläubigen: Corp. Inscr. Lat. 111, 3384 (3J3 oder 222 n. Chr.; hier vielleicht wirkliche Brüder): mit den Kultgenossen des Iuppiter Dolichenus (CIL VI 406) und der Bellona (CIL VI 2233). Auch die Gnostiker nannten sich Brüder: Plotin, Enn. II, 9, 7. VgJ. auch F. Cu m 0 n t ~ Die orlentaliscnen Religionen im röm. Heidentum. Deutsche Übers. (1931a). S. 25 und 276, Anm. 111. , . .

89 Vgl. C. M. Kaufmann, Handbuch d •. christl. Epigraphik (1917) 227~

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410 Dölger

doch die Kaiser nur ganz ausgewählte Menschen, und zwar nicht einmal ihre höchsten Beamten 40

, sondern ausschließlich Fürsten in ihren Schreiben filii oder fratres, niemals jedoch in· den zahlrei:Ch erhaltenen Urkunden einen auch noch so hochgestellten Untertanen.

Die Bemerkung über die Christen als fratres in den Begräbnis­vereinen hat uns bereits auf ein weiteres großes Lebensgebiet ge­führt, auf dem ·die Bezeichnung lrater üblich war: die römischen c o II e g i a und so da I i tat es ; es sind dies Vereine aller Art, besonders aber Berufsvereine, die zugleich vielfach Kultgenossen-

. schaften und Vergnügungsklubs waren. Auch hier bezeichnen sich gelegentlich die Genossen als fratres 41

, auch als patres und matrrs usw. Die fratres arvales 42 sind wohl das älteste Beispiel der An­wendung der Bruder-Bezeichnung in Kultgenossenschaften. Diese Bedeutung, besonders aus der Sphäre der Berufsvereine, führt uns

. des weiteren hinüber zu derjenigen des Berufs- oder Amtsgenossen, des Kollegen. In der Tat finden wir auch für diese Art der Verwendung von frater schon Belege aus vorchristlicher Zeit 43

• Man könnte ver­muten, daß die Vorstellung von den gemeinsam die Welt regierenden Fürsten dieser Grundidee entsprungen wäre, und sicherlich hat der Gedanke in der späteren Ausgestaltung des fürstlichen Bruder­begriffs, besonders im Westen, wo es nur fratres gibt, seine Rolle mitgespielt. Ursprung der mittelalterlichen Königsfamilie kann sie aber schon deshalb nicht sein, weil ihr deren charakteristische Ab­stufung fehlt.

40 Von diesem Gesichtspunkte aus müßte man einmal das Beiwort 6 otxsio; 'tJj; ßlla. ~J.ov untersuchen, welches die Kaiser in den Urkunden ihren Beamten zuzulegen pflegen; es begegnet seit dem 11. Jhdt. häufig und dürfte halbtitulare Bedeutung haben. Es bezeichnet jedenfalls das Bestehen einer besonders nahen Verbindung und einer besonderen Treuepflicht zwischen dem Kaiser und seinen Beamten.

41 E. Kornemann, Art. Collegium in der Realenzykl. d. kl. Altw. Halbbd. VII (1900) 402; weitere Belege im Papyruswörterbuch von Pr e 1-s I g k e Bd. III, 125. 42 Varro, Oe L. Lat. 5, 85.

48 VgJ. PreIs i g k e, Papyruswörterbuch I, S. 20, n. 4 und E. Z I e­bar t h, Vereinswesen S. 100, - Auf ein spätes Beispiel der Bezeichnung von So I d a t e n untereinander als fratres möchte ich auch deshalb hier noch hinweisen, weil die Stelle zu den heißumstrittenen Belegen des Romanismus der danublschen Bevölkerung noch im 6. Jhdt. in der recht be­wegten Diskussion der rumänischen frage gehört. Bei dem nachtliehen Durchmarsch einer Infanterieabteilung durch Thrakien i. J. 586 ruft ein Soldat einem vor ihm marschierenden Kameraden aus einem uns nicht mehr recht ersichtlichen Grunde zu: Topvll, Topvrz, tppohsp, worauf die ganze Marsch­kolonnlt, offenbar, weil sie dies für ein durchgegebenes Kommando hält, in hastige flucht ausbricht. Die lateinischen Wörter (torna, torna, frater) stehen mitten Im griechischen Texte des Theophanes (258,16 de Boor) und zeigen uns Jedenfalls so viel, daß der Ausdruck frater für Kamerad im byzantini­~chen Heere noch gegen das Ende des 6. Jhdts. gebräuchlich war. - Frater = Kollege als Anrede im Schlußgruß amtlicher Schreiben an höhergestellte Amtspersonen verbietet Cod. Just. I, 48,2.

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Die "Familie der Könige" im Mittelalter 411

Wir kommen damit auf eine weitere umfangreiche Verwendung der Sohnvater- und Bruder-Terminologie in einem Sonderbereiche der christlichen Gedankenwelt: in dem Bereiche des Mönchtums. Schon frühzeitig nannten sich die Mönche gegenseitig Bi·ader; die

· Sitte geht noch auf die Zeit des Eremitenturns zurück. Die Bezeich­nung ist jedoch abgeleitet aus der primären Benennung des Vor­stehers einer Mönchsgemeinde oder des angesehensten, ältesten Mönches einer Mönchssiedlung als Vater (Abbas, aber auch noc~p). Daß man diesen ältesten, erfahrensten, frömmsten Mönch mit diesem Titel auszeichnet, hängt, wie Jüngst L. D ü r r in einem sehr schönen Aufsatz gezeigt hat 4'. mit u r alten o r i e n t a I i s c h e n Vor­s t e II u n g e n e i n e r g e i s t i g e n V a t e r s c h a f t zusammen, die in das alte Ägypten und in das alte Babyion mit ihren Schreiber­schulen und ihrem ausgeprägten Traditionsbegriff zurückreichen; . dort i~t der lei?liche Vater zugleich der Lehrer des Jüngeren, und so ver~ms~hen steh die Begriffe; das entscheidende ist die größere 'Yetshett des geistlichen Vaters oder auch seine bessere pneuma­tzsche Ausstattung; so warten die jüngeren Mönche in den Mönchs­erzählungen vom Schlage der Hist. Lausi<ica oder des .Moschos oft lange Tage, bis der Vater den Mund öffnet, um den Logos zu sprechen,· der ihnen den Zweifel löst und in mystischer Weise den Geist des Vaters auf den Sohn überträgt. Die Anwendung der Be­zeichnung frater für die Mönche unter sich ist also sekundär und aus der Gemeinsamkeit eines geistlichen Vaters abgeleitet ••a. Auch hier bilden die hellenistischen Mysterienreligionen, welche den Gebrauch ebenfalls kennen (vgl. den hellenistischen Begriff der nocp!X8oat;),woh die Vermittlung für das Eindringen der Vorstellung in die mönchische

. Gedankenwelt. Unsere Königsfamilie kann jedoch offensichtlich auch hiervon nicht abgeleitet werden; denn es handelt sich hier um einen rein pneumatischen, auf einen einzigartigen Lebensstand beschränk­ten Gebrauch, mit dem der unsrige kaum in Verbindung gebracht werden kann 45

, Immerhin ist der Mys t i z i s m u s, welcher der mönchischen Vorstellung zugrunde liegt, wenigstens für die byz?.ri­tinische Entwicklung des Begriffs der Familie der Könige ein nicht · unwichtiges gemeinsames Element beider Vorstellungen.

Im engen Zusammenhang damit darf nun ein weiterer Gebrauch der Verwandtschaftsbezeichnungen außerhalb natürlicher Verwandt­

. Schaftsverhältnisse besprochen werden, der einen großen Kreis mittelalterlicher Menschen und besonders auch die Laienwelt um­faßte: die sog. geistliche Verwandtschaft. Vorstellungen,

H L. Dürr, Heilige Vaterschaft Im antiken Orient, in: Heilige Über­lieferung, Festschrift f. I. Herwegen (1938) 1-20, bes. S. 1-2; S. 6.

••a Anders J. Du h r, La confrerie, R. d'hist. eccl. 35 (1939) 437 ff., bes. 440.

4G Es braucht kaum daran erinnert zu werden, daß der Brauch in den späteren Mönchsorden bis heute fortlebt, freilich in vielfacher Brechung.

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welche denen der alten Christen (s. oben S. 409) und denjenigen des Mönchtums (s. oben S. 411) verwancH sind, haben frühzeitig zu dieser Institution geführt. Das Sakrament als mystische Kraft­spendung im Zeichen des Hl. Geistes ist dabei die leitende Idee ' 0

• So begründet das Sakrament der Taufe ein Nahverhältnis zwischen Paten und Täufling, welches sich in der Vorstellung vorn geistlichen Vater und vom geistlichen Kinde niederschlägt und sich schließlich, spätestens seit dem Erlaß des Gesetzes Justinians v. J. 530 47

, zu einer auch im weltlichen Rechte wichtigen kirchlichen In­stitution ausgestaltet 47a. Danach bildet die geistliche Verwandtschaft sogar ein Ehehindernis und wird damit an rechtlicher Bedeutung der natürlichen Verwandtschaft und der zivilrechtliehen Adoption 48

gleichgestellt, ja, nach der Wertung der sog. trullanischen Synode (Kan. 53), welche den pn(!umatischen Standpunkt der östlichen Theo­logie gegenüber der praktisch gerichteten westlichen klar hervor­treten läßt, ist die geistliche Verwandtschaft sogar wichtiger als die leibliche. Bei dieser Einstellung der östlichen Kirche wundern wir uns nicht, daß nach ihrer Auffassung nicht nur das B u ß s a k r a­m e n t eine besondere geistliche Bindung zwischen dem meur.L. 1t'oc..-~? als Spender und dem meu(.L. ·tü.vov als Empfänger begründet, son­dern auch zwischen den Spendern des S a k r a m e n t e s d e r Priesterweihe in seinen verschiedenen Abstufungen. Durch seine mystische Wirkung werden alle Gläubigen, aber auch alle mit niedrigeren Weihen versehenen Kleriker geistliche Kinder der Bi­schöfe. Es entsteht also aus dieser pneumatischen Sakraments­auffassung innerhalb der gläubigen Christenheit . eine ganze Hier­archie, die sich in verschiedenen geistlichen Verwandtschaftsgraden, je nach dem höheren oder niederen durch die Weihe erhaltenen geist­lichen Rang, ausdrückt 40

, Indessen kann aus schon genannten Grün-

46 Vgl. dazu meine Ausführungen über die 5 Arten der geistigen Ver­wandtschaft im östl. Kulturkreis: Sbornik P. Nikov S. 224, Anm. 1.

• ' 7 VgJ. A, Knecht, Handbuch d, kath. Eherechts, 1928, S. 5.?9 ff., wo die 1eschlcht!iche Entwicklung kurz dargestellt ist, sowie 0. M e Y er 131 i.: dazu auch N. M II a ~~. Das Kirchenrecht der morgenländ. Kirche (1897) 534 f. •~a Cod. Just. 26, 5, 4.

48 Diese konnte übrigens ebenfalls von einem sakramentähnlichen, kirch­lichen Akte begleitet sein: D ö I g er, Sbornik P. Nikov 224, A. 1.

40 Ich muß mich hier mit der Feststellung einiger Tatsachen begnügen, welche dieses Bild etwas verdeutlichen sollen, und kann unmöglich die zahlreichen Belege für diese merkwürdigerweise noch nicht Im Zusammen­hang untersuchten Verhältnisse anführen; sie sind in überzeugender Anzahl schon aus den größeren Briefsammlungen, wie der Collecti.o Avellana, den Konzllsakten (Mansi, Schwartz) sowie aus den Papstbriefen der MO ohne große Mühe filr mehrere Jhdte, zusammenzustellen. Papst und Patriarcheil bezeichnen sich gegenseitig als Brüder (in Christo) (bemerkenswert Ist, daß der Patriarch Akakios von Konstantinopel z. J. 482 den Papst Simpllclus als pater sanctus bezeichnet: E. Schwa r t z, Publiz. Sammlungen zum acaclan. Schisma, 1934. S. 4, 12; 5, 22), ebenso wie alle Bischöfe, soweit sie

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den auch diese künstliche Verwandtschaftsbezeichnung nicht als Quelle für die Institution der Familie der K..önige in Frage kommen, wenn freilich auch hier wieder, wie wir sehen werden, der Gedanke an die mystische Wirkung des Sakraments wesentlich zur christlich-· byzantinischen U m g e s t a I tu n g der ·ursprünglich rein politischen Konzeption beigetragen haben muß; glaubten doch die By:t:antiner an

rechtgläubig sind, vom Papst und den Patriarchen als Brüder bezeichnet ·werden und diese Benennung auc~ im gegenseitigen Verkehr gebrauchen. Dagegen werden (rechtgläubige) Abte, Presbyter und niedrigere Kleriker ebenso wie die gläubigen Laien, von den Bischöfen als Söhne (in Christo) angesprochen. Bischöfe vermelden aber die Bezeichnung eines Verwandt­schaftsverhältnisses im Briefverkehr mit dem Papst und mit den Patriarchen, sie unterlassen es vor allen Dingen, den Laien Kaiser etwa als Sohn zu be­zeichnen, ebenso wie der Kaiser ihnen nie .und nirgends (als seinen Untertanen) die Bezeichnung Vater zukommen läßt außer wenn

, es sich .um seinen Beichtvater handelt. Anders liegt d~r Fall lm Ver­kehr ZWI~chen dem Kaiser und den Patriarchen, insbesondere zwischen dem Kaiser und den Patriarchen von Konstantinopel · und Rom (de .caerlm. 686, 12 betont ausdrücklich, daß der Kaiser gegenüber den Patnarchen. von Antiocheia und Jerusalem den Titel 1mull-· rca."tf,p nicht gebr.aucht) •. Ihnen gibt der Kaiser, um seine Ehrfurcht vor dem Pneuma zu bezeigen, die Ehrenbezeichnung 1mu!L. rca."tf,p (pater) und nimmt auch von ihnen, besonders vom Bischof von Rom, die Anrede filius entgegen, ebenso wie die westlichen weltlichen Fiirsten an den .,Erzbischof" als an den in Christo pater schreiben; vgl. dazu neben den Einzelbelegen in den Briefsammlungen auch das bereits Anm. 14 zitierte 1. Kap. des Li her Diurnus, welches mit einem formular für einen Papstbrief an den Kaiser al~ lilius beginnt, und die Marculfschen Formeln (MO ed. Zeumer, S. 119,18). Das Vater-Sohn­Verhältnis zwischen Papst und Kaiser stammt also aus einer ganz anderen Sphäre als der politischen und muß daher auch hinsichtlich seines Ursprungs und seiner anfänglichen Bedeutung von ganz anderen Gesichtspunkten aus beurteilt werden. Das Papsttum hat freilich seit der Konsolidierung des Pri­mates nicht gesäumt, die mystische Formel der weltlichen Kaisergewalt gegeniiber zu einer politisch gefärbten Verpflichtung zu wenden. \Vie E. Ca sPar, Geschichte des Papsttums 2 (1933) 781 schön dargelegt hat, ist aus der Vorstellung der geistlichen Vaterschaft des Papstes gegenüber dem Kaiser, die aus der allgemeinen Vorstellung der besseren pneumatischen Ausstattung des Geweihten dem Laien gegenüber entstanden war, allmählich auf dem Wege einer Art Weiterleitung des VerwandtschaftsverhtJltnisse.c; (vgl. Anm. 14: Theodora und die Perserkönigin) und der Anwendung des Cathedra-Petri-Gedankens der Begriff des filius e c c l es l a e geworden; er taucht zuerst in der 2. Hälfte des 5. Jhdts. schüchtern auf, wird aber· seit dem 7, Jhdt. bereits formelhaft in den Papstbriefen an den Kaiser verwendet. Aus . ihm ergibt sich zwanglos die Forderung des "Schutzes" der Kirche (d. h. des Papsttums), die dann bekanntlich im 8. Jhdt. zur Abwendung des Papsttums vom östlichen Kaisertum und schließlich zur Schöpfung des Kaisertums Karls d. Gr. mit all seinen weltgeschichtlichen Folgen geführt hat. _ Be­zeichnend für die Zähigkeit solcher Formeln ist die Tatsache daß wie ich schon Semin. Kondak. 10, S. 23, Anm. 18 (= S. 24, letztes Drittel)' bemerkt habe, im allgemeinen der Kaiser die ehrfurchtsvolle Vater-Anrede dem

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die sakramentähnliche, mystische Übertragung der göttlichen Herr~ S{;hergewalt des Pantokrator auf den irdischen Basileus Rhomaion 50•

Wir kommen damit zur letzten Anwendung der Bezeichnungen patcr-frllter, die wir in den Quellen feststellen können, und damit endlich zum wahren historischen Ursprung der mittelalterlichen Familie der Könige, Wir haben oben S. 403 zunächst einen ganzen Tatsachenkomplex, nämlich das Verhältnis der Brüderlichkeit zwischen d e m r h o m ä i s c h e n K a i s e r u n d d e m P e r s e r -k ö n i g, beiseitegelassen; es wird Zeit, nun darauf einzugehen. Von der Zeit Konstantins d. Gr. bis zum Ende des persischen Sassaniden­reiches, 'also bis zur Vernichtung der persischen Macht durch den Kaiser Herakleios (62819), beobachten wir das Bestehen eines Bruderverhältnisses zwischen den beiden Herr­schern im schriftlichen Verkehr 61

, Sie beruht zweifellos, wenn uns dies auch leider nirgends ausdrücklich überliefert ist, rechtlich auf einer vertraglichen Vereinbarung zwischen beiden Reichen, gedanklich auf der (wohl iranischen) Vorstellung von den "zwei Leuchten (Augen) des

· Papste gegenüber auch dann anwendet, wenn zwischen der östlichen und westlichen Kirche Schisma oder doch eine gespannte Lage besteht. Ich er­gänze die dortigen Beispiele hier durch 2 Belege aus späterer Zeit, wo sie ja besonder.s auffallend sind. Der Kaiser Johannes Dukas Vatatzes schreibt im Jahre 1237 einen im allgemeinen sehr scharf gehaltenen, aber im Hinblick auf die aussichtsreichen Unionsverhandlungen auch entgegenkommenden Brief an den Papst Gregor IX. (Reg. 1757); im Schlußteil erklärt er, den Ehrenprimat des Papstes achten und seine Bezeichnung und seinen Rang als Sohn beim Papste belbehalten zu wollen (franz. Übersetzung des Schreibens bei V. Grumel, fchos d'Or 29 ([1930] 454). Und noch kurz vor der Einnahme Konstantinopels durch die Osmanen nennt der Papst Nikolaus V. den Kaiser Konstantin XI. in feierlicher Adresse 1tpoarptA.lcnno> !v Xptcni{l ut&, (S p. La m­pros, IIctActtoA.oysux xOtllloAo7tovv. IV [1930] 49,6).

so V gl, 0. T r e i t i n g e r 32 ff. 51 Vgl. in erster Linie K. Güterbock, Byzanz und Persien, 1906, wo

S. 6-10 zahlreiche (nicht sämtliche) Stellen aus Briefen und historischen Berichten verschiedener Schriftsteller zusammengetragen sincl (frühestes Beispiel: Konstantin d. Gr. nennt Schapur II. &13s/.rpo': Eusebios, Vita Const. IV, 11 :122,ll Heik.; spätestes Beispiel: König Kavad schreibt an den Kaiser Heraktelos i. J. 628: &13sA.tps in der Adresse und &13s/.tpo"t7); aou wiederholt im Text: Chron. Pasch. 735 und 736 Bonn.; dazu noch zum Erweise des institutionellen Charakters dieses Verhältnisses: Petros Patrikios berichtet uber den Hergang des Empfanges eines persischen Groß­gesandten am byzantinischen Hofe; der Gesandte wird in der auch noch im 10. Jhdt. bei solchen Empfängen üblichen Art nach dem Befinden seines Herrn mit folgenden Worten gefragt: 1t<JJiö 6 &13sA<pO\ö ~f'WII aliv ·lhi{l uytcelvst: De caerlm. I, 89:406,14 Bonn.); vgl. weiter, HeIm 385; J. B. Bur y, History of the Later Rom. Emp. I (1923) 92; von der weitergeleitete~~ .

r Beziehung der Kaiserin zur Perserkönigin als Schwester war schon Anm. 14 die Rede. Zum titularen Charakter der Bezeichnung vgl. noch Me­nander Prot. in Excerpta de Iegat. ed. de Boor 176, 21.

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Die "Familie der Könige" im Mittelalter 415

Erdkreises" 52

, welche die zwei Reiche bzw. die beiden Herrscher: darstellen. Diese symbolische Gleichstellung des byzantinischen Kai­s~rs mit d.em Perserkö~ig bedeutet b:.i der grundsätzlichen Ablehnung emer <?l~lchstellun~ m1t and~ren Machten von seiten des römisch­byzanhmschen Ka1sertums em erstaunliches Zugeständnis an den

_, persischen Großkönig, das man nur mit demjenigen an Karl d Gr (s. oben S .. 405) vergleichen. kann 53

• Die Tatsache des Bruderverhält~ nisses zWischen dem Ba~1leus ·und dem Großkönig, die übrigem sicherer als alles andere ze1gt, daß die Institution nicht aus der christ­lichen. Ge.~ankensph~re ent~prungen .sein .. kann, ist nicht zu leugnen; und s1e fuhrt uns Wieder emen Schntt naher an die Quelle des Ge­dankens der Familie der Könige.

Gehen wir nämlich zeitlich etwas weiter zurück, so stoßen wir an der Schwelle des 3. und 4. Jhdts. auf den "großen Proiektemacher•• u!ld Systemschmi~d D i o k I e t i a n. Er war es, der aus der Nachfolge­Sicherung der Kaiser Augustus und Mark Aurel, die im wesentlichen auf dem Gedanken der Mitregentschaft und Samtherrschaft beruht

~2 Vgl. die Rede, welche der persische Gesandte vor dem Kaiser Galcrius nach des letzteren Sieg, über die Perser v. J. 297 hält: ... lht llia1t!pd 8Uo­Ä«p.1t-r~pi, Elaw ~ -re 'Pwp.ot"ix~ xocl II.patx~ ßetatA.e!ot: Petr. Patrikios, fr. 13: fliG IV, 188. Zur iranischen Vorstellung vom "Auge", "Auge des Königs'" (= höchster Beamter) vgl, li. H. Sc h a e der, Iranica, Bin. 1934, S. 1 ff.

63 Das Verhältnis dürfte bei den häufigen Kriegen und heftigen diplo­matischen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Reichen zahlreiche Unterbrechungen erfahren haben, wurde aber immer wieder, anscheinend auf Grund neuen Vertrages, wiederhergestellt; vgl. Malalas 449, 20 zum Jahre 449: auv-3-e!J.Evwv -rwv Mo ßetatA.iwv XIXl &vo!Lota&v-rwv lv-roT; 1tax-rot; lotu-rov; lioEAfou; El'vott· Es hat sich· mitunter auch aus einem Bruderverhältnis zu einem Sohn- Vater- Verhältnis verändert, und wir können an diesen fällen deutlich erkennen, daß politisch damit jeweils eine Art Vasallität des Sohnes gemeint war. So berichtet Theophanes (266, 13 de · Boor), der Kaiser Mauriklos habe im Jahre 589 den während der persischen Thronwirren schutzsuchend zu den Rhomäern geflüchteten Chosroes (II.) "zu seinem Sohne gemacht" (-rExvonot'lj&El;) und ihn dann mit der Hilfe byzantinischer Truppen auf den persischen Thron erhoben; die Nachricht ist durchaus glaubwürdig, da Chosroes nach der Ermordung des Kaisers Mauriklos das rhomäische Reich mit verheerendem Krieg überzog, um Maurikios zu "rächen". Das Gegenstück ist ein merkwürdiger Brief des Senates von Konstantinopel, den dieser ,in der großen Not des Jahres 615 nach der Beseitigung des Schreckensregimentes des Kaisers Phokas an denselben Perserkönig Chosroes (II.) sendet (Rcg. 166) und darin die Bitte ausspricht, der Perserkönig möge den neuen Kaiser tlerakleios als yv~atov -rixvov annehmen, wofür ihm dieser die (einem Vater) gebührende Ehr­erbietung erweisen werde. Dieser einzige mir bekannte fall, in dem sich ein byzantinischer Kaiser (wenn auch durch die jederzeit zu desavouierende Vermittlung des Senates) bereit erklärt, einem fremden Herrscher kind· liehe Ehrerbietung zu erweisen, läßt sich nur aus dem· Gipfel der politischen Not erklären, welche eine außerordentliche olxovo[J.!ot nötig machte; so schon H e I m 385.

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hatte 5\ ein neues, raffiniert ausgeklügeltes System von Sicherungen

formte, das man, auch den offiziellen Bezeichnungen nach, als das römische Urbild der künstlichen Familie der Könige betrachten · kann. Hier begegnen uns denn auch zum erstenmal die Benennungen lratres für die beiden ranglieh gleichgestellten, natürlich nicht mit­einander verwandten Augusti und die Bezeichnungen fllii Augusto­Tllm für die ebenfalls weder unter sich noch mit den Augusti natür­lich verwandten beiden ranggleichen Caesares der Tetrarchie u, die Augusti sind die patres des jeweils zugehörigen Caesar. Ein heidnisch-mystischer Zug gesellt sich diesem System hinzu und macht es dem späteren byzantinischen recht ähnlich: die beiden Augusti lassen durch eine nachdrückliche Propaganda ihre direkte leibliche (!) Herkunft von den höchsten Göttern der römischen Welt verkünden und verknüpfen so in grob sinnlicher Weise den schon früher verbreiteten Glauben an die unmittelbar göttliche Herkunft der höchsten Reichsgewalt mit dem f.amiliengedanken: auch die adoptierten Caesares empfangen nämlich so das Siegel der Göttlich­keit. Schon hier begegnen wir auch dem "Aufrücken" vom Sohn zum Bruder innerhalb der Kaiserfamilie, wie später innerhalb der Familie der Könige, wie denn überhaupt die Abstufung der Ver­wandtschaft Diokletians besondere Erfindung ist. Man wird kaum zweifeln können, daß der Grundgedanke der mittelalterlichen Insti­tution auf diese künstliche Kaiserfamilie Diokletians zurückgeht 51

Aber auch die I!inrichtung Diokletians hat ein älteres Vorbild, aus dem weitere Einzelzüge auf anderem Wege in die byzantinische

5' Vgl. E. Kornemann, Doppclprinzipat und Relchsteilung, 1930. !iG Kornemann 11. Vgl. Eumenius, Panegyr. II. 11, 13; III, 6 sagt

von Dlokletian und Maximian: Qul germant geminlque lratres indiviso patrimonio tarn aequabiliter utuntur quam vos orbe Romuno ••. ; ähnliche Stellen gibt es in großer Zahl; . vgl. auch 0. S e e c k, Untcrg. d. ant. Welt I, 450.

56 Eine gewisse Vorstufe bildet schon das Verfahren Mark Aurels, der zum ersten Male seinen Mitregenten Verus durch Adoption auf künstlichem Wege in die kaiserliche Familie hereingenommen hat; doch geschah dies immerhin durch ein allgemeines Rechtsmittel des römischen Rechtes, welches freilich' hier öffentlich-rechtliche Bedeutung gewann; zum Vorgang ·vgl. K o r n e m an n 77. - Wir hören auch in der Zwischenzelt (zwischl,'ln Mark Aurel und Diokletlan) von einem Fall, Jn welchem ein Kaiser in einem Schreiben an einen Gegenkaiser diesen als "frater" bezeichnet haben soll: die Hlstoria Augusta, eine freilich nicht sehr zuverlässige, in ihrer letzten Fassung erst aus der 2. Hälfte des 4. Jhdts. stammende Kompilation, erzählt, der Kaiser Severus habe I. J. 193 an den Gegenkaiser Clodius Albinus einen Brief mit der Einleitung gerichtet: "Imperator Severus Albino Caesarl fratri amantissimo" (Script. Hist. Aug., Jul. Capitol., Clod. Alb. 7, 3:1, 174, 25 Hohl). Man kann aber in dieser Ausdrucksweise, wenn man sie überhaupt für ()riginal halten wiJI, auch lediglich eine freundliche Wiedergabe des Begriffes eines consors imperii erblicken, als welchen den Albinus anzuerkennen Severus geneigt war: er adoptierte ihn gleich darauf als Caesar und führte so das alte, traditionelle Nachfolgesicherungsverfahren weiter.

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Die "Pamilie der Könige" im Mittelalter 417 Familie der Könige eingegangen sein müssen: es ist die Hier­archie der Hoffamilie bei den Ptolemäern und b e i d e n üb r i g e n D i a d o c h e n. Dort wurde, für uns quellen­mäßig seit der 1. Hälfte des 2. Jh. v. Chr. belegbar, der Titel eines auy·{sv~~ (Verwandten) ~~s Königs an nahe Verwandte, aber auch an andere dem Kömg nahestehende Personen mit rechtlich erheblicher Wirkung verliehen D7

; die dadurch Begünstigten galten damit als Verwandte des Königs, wurden in den Stand der Maje­stäten (mit den entsprechenden Vorrechten) erhoben und wurden wie diese gottgleich na. Auch die differenzierenden Bezeichnungen d8eA.cp6~ oder 1t'oc-n)p ~8 (diese bei den Seleukiden) treten schon auf.

111 .Ein grundsätzlicher Unterschied zum byzantinischen Gebrauch Ist es, daß diese CJ\IyymT; nur als Pers ö n ll c h e Verwandte des Ptolemäer­königs galten, während in Byzanz die Institution am Amte haftete (vgl. oben S. 404 und bes. M. Strack : Rhein. Mus. 55 [1900] 183 ff.).

117• Die Angaben über die Verhältnisse an den Diadochenhöfen verdanke

ich sämtlich dem Artikel von B 1 c k er m an n in der Realenzykl. d. kt. Alttw. li, 4 (1932) 1368 f. Vgl, auch L. M 1 t t e 1 s u. U. W 11 c k e n, Grundz. u. Chrestom. d, Papyrusk. I, 1 (1927) 7.

08 1'> • t ' LS Is an der Zelt, hier noch eine Prage zu behandeln, die manchem

Leser schon auf den Lippen schweben dürfte: die Prage des Pa trI z I a t s. Der Patriklostitel, den Konstantin d. Gr. einführte und der als Adelsprädikat Im Osten und Im Westen in der Polgezeit eine zwar stark veränderliche, aber äußerst wichtige Rolle gespielt hat, hat zunächst einmal mit der Bedeutung der altrömischen patricii (über sie und die Deutung Ihres Namens [die \iaterschaltsfiihigen, d. h. diejenigen, die nach altrömischem Recht allein einen Vater haben und rechtlieb Vater sein konnten] vgl, Th. Mo m m s e n, Staats­recht III [1877) 13, Anm. 1) nichts zu tun. Der konstant In I s c b e patricius bedeutet vielmehr einen Mann, der zum Kaiser in einem Ver­hältnis wie ein sorgender und beratender Vater steht, also ähnlich dem 7tct't~p der Seleukiden. Ob eine direkte Beziehung besteht, vermag Ich nicht zu beurteilen; fest steht nur, daß man die eben analysierte Bedeutung n?ch &n der Wende des 4. und 5, Jhdts. und noch unter Justinlau I. (6. Jhdt.) m1t dem Titel verband: Philostarglos Kirchg. XI, 4 (135, 18 Bidez): na;a-u (Eutroplos)

' ' • ' ' :ry ~ot- 'y -cn.l-p 6 auvoilvo' f.lctat>.iw>, ßct<71AEct, , , 7tct'tpfxtov ct{l'toY ctYctjpctcpetY XOtt 'I "' .. o •• 'I ,., • I"

6 ILlJS! "tov 'tU)(OY'tct nctTSct cpilvctt SuvclfLevo~ ; dazu Cod. l,ust. XII, 3, 5 b(~n~~; Iustiman erlassen): die Patrizier werden von de_r ~atrla potcstas de!:tur: ' der sie anderen gegenüber unterworfen sein können, ,,ne vl Im qul a nobis loco 'p a t r l s honorantur, alieno iurl esse subjectl 'tbi qu~~ :~ m patiatur •• lmperat~rlam • • celsltudinetm ~~~:?'ya~[:s:u~te~~!m h~t :Chan W. d e 1 e g t t ab alzena eximere po es . d t

1 4 Jh •

E ß I In , Der Konstantinische Patriziat und seine Be eu ung m , ·~ n ' 1 t d'HI t Orient 2 (1933/4) 375 herangezogen, wo un

Annuaire de Philo • e s · hi hte des konst Patriziates geboten wird. überhaupt e(ine .E;t~~~~lua~;~~~~~rt~ daß mit der ·Verleihung des Patriziates Dort wird ~~s. . m Kaiser begründet wurde, das die so Geehrten den ein Nahverhaltnis ~~ten in gewissem Sinne gleichstellte. Der Patriziat Ist kaiserlichen Verw.; 't (4 Jhdt) kein Amt auch keine Würde, die automatisch nach E. zuÄdi~~~rau:~ahd verbunden , ge~esen wäre, sondern eine .Ein~e~; mit der m d' auch an Personen verliehen werden konnte, die in ausze!chnung, Je

Hist. Jahrbuch 1940 27

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Was sie aber den byzantinischen Einrichtungen besonders nähert, und was im diokletianischen System fehlt, ist der Umstand, daß neben diesem höchsten Adel der auyyever~ der niedrigere der :pO .. o\ des Ptolemäerkönigs steht, eine Adelskategorie, die zunächst selb­ständig in die Hoforganisation des römischen Prinzipates über­gegangen ist ßsa, sich bis in die byzantinische Zeit erhalten zu haben scheint und schließlich wieder in der byzantinischen Familie der Könige mit den höheren Graden der Bruder- und Sohnschaft in ein

, System zusammengeflossen ist. So läßt sich also auf dem langen Wege, den wir bedächtig nach

rückwärts zurückgelegt haben, der Grundgedanke der Familie cler l(önige von den Pharaonen und den alten Persern über die helle­nistische Zeit und über die Römerepoche bis zu ihrer fertigen Aus­gestaltung im Zeremonienbuch verfolgen. Gedanke und , Institution sind nicht ohne einschneidende Veränderungen ins Mittelalter ge­langt, aber die Spur einer Entwicklung ist doch deutlich. Die Systemi­sierung und Abstufung einer auf künstHcher Verwandtschaft mit dem Königshause beruhenden Adelsorganisation, hier noch als Beziehung zur Person des Regenten, ist das Werk der Ptolemäer und der übrigen Diadochen, hervorgegangen aus älteren Elementen altper­sischer und altägyptischer Herkunft, die näher zu verfolgen ich leider außerstande bin 58

h. Eine weitere wichtige .Etappe bedeutet sodann die .t:inrichtung der künstlichen Kaiserfamilie durch Diokletian, wobei

Ämterlaufbahn ziemlich tief rangierten (z. B. comites); es dürfte demnach nicht zutreffen, wenn P. Koch, Byz, Beamtentitel von 400-700 (Jena 1903) S. 121, und f ri e d 1 ä n der-Bang, Sittengesch. Roms I 10,

S. 77, die Anrede .,parens carissime atque amantissime", welche in den Grußformeln der frlasse an praefectl urbi vom 4.-6. Jhdt. begegnet, mit der hohen Amtsstellung der dadurch Geehrten zusammenbringen; sie gilt vielmehr offensichtlich ihrer Stellung als patricil, die sie wiederum vermutlich sämtlich besaßen (letztes mir bekanntes Beispiel der Schlußgruß an den praefectus praetorlo Theodoros in der Urkunde Ius Gr.-Rom. ed. Zepi I, 24 v. J. 582). Seit der Zelt der Theodoslossöhne (Anf. 5. Jhdt.) war nach E n ß II n der Patriziat bereits ein Teil der normalen Ämterlaufbahn geworden (nach J. B. Bur y, The Imperial administr. system in the 9th century, London 1911, S. 27 f., erst unter Justinian) und hatte seine Be­deutung als besondere und persönliche Vertrauensstellung zum Kaiser eingebüßt: die ftlketteformeln für den Patriziat haben sich also noch eine geraume Zelt lang gehalten, doch scheinen nach 582 auch diese in den Quellen nicht mehr zu begegnen. In der Geschichte der Familie der l(önige bleibt Jedenfalls der Patriziat als "künstliche Vaterschaft" einzelner hochgestellter byzantinischer Persönlichkeiten gegenüber dem Kaiser Episode und Neben­schößling; anders die geistliche Vaterschaft des Papstes, die, obzwar auf einem anderen Grundgedanken beruhend, auf die spätere Gestaltung der "Pamllie der Könige" (6. Jhdt.) vielleicht mit eingewirkt hat.

IHa Vgl. Kornemann bei Kornemann-Vogt, Einl. in die Alttw. III, 28

(1933) 140; A. AI f ö I d I, Die Ausgestaltung des monarch. Zeremoniells am röm. Kaiserhofe. Mitt. d. Röm. Arch. Inst. 49 (1934) 28.

18b Vgl. dazuStrack S. 173; H. W i 11 r 1 c h: Klio 9 (1909) 416--421.

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Die "Familie der Könige" im Mittelalter 419 -

jedoch die Verwandtschaften noch innerhalb des Kaiserkollegiums bleiben. Die personelle Ausweitung des Systems auf die reges, die Erben römischer Reichsteile, dürfte sich sodann während des 5. bis 7. Jhdts. vollzogen haben, und zwar unter dem Drucke der ger­manischen Volkskönige und ihrer für Rom so fühlbaren Macht. Daneben her läuft die Einbeziehung des Perserkönigs in der bevor­zugten Stellung eines Bruders der kaiserlichen Majestät in die Familie der Könige. B.is hierhe~ i~t da.s S~stem rein weltlich-politisch ge­blieben, ohne Je~en chnstltch-kuchhchen Einschlag 59, Erst nach der quellenarmen Zeit des 7. und 8. Jhdts., und zwar anscheinend im Zu­sa.mmenhang mi!o der .Aus~inandersetzung des byzantinischen Reiches m~t Karl d. Gr. • zeigt sich das Eindringen eines neuen Elementes, mtt wel~hem . das alte System nun augenscheinlich kontaminiert ~o~e~ ·~t: di~ Verwandtschaftsbezeichnungen beginnen nun auch tm er. e r ZWischen dem Kaiser und den fürsten spiritualisiert" d h m1t dem Z t " ' ·. • d''r . usa z "'v.e:up.~"'nx.6~ (spirit[ulalis) versehen zu werden. Hter . u fte .. e~ne Kontammat10n zweier an sich ursprünglich und ge­danklich .volhg .v.erschiedener künstlicher Verwandtschaftssysteme, des welthch-pohhschen, wie es bei Ptolemäern ausgebildet worden wa:, ~nd des geistlich-mystischen, wie es in der Hierarchie des chnstliche~ Klerus Eingang gefunden hatte, stattgefunden haben. Wann dies der fall war und aus welchem Anlaß, wird sich aus den Quellen kaum je sicher beantworten lassen. Doch möchte ich vermuten, daß die Spiritualisierung der Verwandtschaftsbezeich­nungen mit den Verhandlungen mit Kar! d. Or. um 812 im Zusammen­hang steht, wo in der Auseinandersetzung über das Kaisertum sicher­lich auch diese Titelfrage mit ihrer hervorragenden symbolischen Bedeutung eine Rolle gespielt haben dürfte. Sollte man sich damals auf der Grundlage einer gemeinsamen geistlichen Sohnschaft dem Papste gegenüber zwischen beiden Parteien auf den Titel Bruder geeinigt haben? Die im Jahre 754 zwischen Pipin und dem Papste begründete spiritualis cognatio 81 würde dann, gleichviel, in welchem Sinne sie erfolgte, von daher eine neue Beleuchtung erfahren. Eine solche Kompromißregelung würde auch am leichtesten verstehen Jassen, daß sich die auf ihre kaiserliche Monopolstellung so eifer­süchtigen Byzantiner unter dem Druck der politischen Verhältnisse zu einer solch weitgehenden xoc-rcfßocaL~ und otxovop.(oc: bereitfinden

111 In der Tat findet sich an allen Stellen vom 4. bis zum 7. Jhdt. (d. h. also Praktisch bis zum 9. Jhdt.) kein einziges Mal der Zusatz 'ltvEu~toc<utrl, (spirltualls) bei den Verwandtschaftsbezeichnungen, obgleich sie sich auf christliche Fürsten beziehen;,belm Perserkönig wäre eine solche christliche Umkleidung des Titels auch gar nicht möglich.

eo Vgl. oben S. 405 u. Anm. 18. Erster sicherer Beleg v. J. 871, erster wahrscheinlicher Beleg v. J. 824·

a.: Vgl. :e. c a spar:, Pippin und die römische lOrche, 1914, s. 39~ 0. M e y e r 134.

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ließen (vgl. ihr Verhalten gegenüber dem Sassanidenreiche: oben S. 414).

:Ein halbes Jahrhundert später haben sie Jedenfalls eine neue, ihnen entgegentretende Großmacht, die Bulgaren, wieder unter dem Titel der {geistlichen) Sohnschaft in ihr Vasallensystem einzugliedern ver­mocht, nun schon unter entscheidender Mithilfe der kirchlichen Ge- · walten und der kirchlichen Ideologie. Im Zeremonienbuche aus der Mitte des 10. Jhdts. sehen wir dann endlich die ganze politische Hierarchie in wohldurchdachtem Aufbau fertig vor uns stehen. An ihr hat sich dann im Laufe der folgenden Jahrhunderte nichts Wesent­liches mehr geändert (soweit wir sehen können); ein Versuch, eine

J neuauftretende Macht, die Normannen, im 11. Jhdt. wiederum in das l Verhältnis der Sohnschaft einzugliedern, ist mißglückt. Der weit ent­

fernte englische König mußte sich mit dem niedersten Grad, nämlich mit dem Titel eines rpO .. o~, zufrieden geben, den mit wachsender wirt· schaftlicher Stärke und politischer Unabhängigkeit auch einige italie­nische StadtrepubEken erlangen konnten.

Wir sind somit zu den Wurzeln einer Institution vorgedrungen, welche, wie so viele andere 82, direkt oder auf Umwegen über den Hellenismus aus altägyptischen und altpersischen Vorstellungen und Hofbräuchen vom römischen Kaiserhofe übernommen und von den Byzantinern in christlichem Sinne ausgebaut worden ist. Sicherlich wäre es nicht minder reizvoll, den Auswirkungen und Ausstrahlungen der byzantinischen Institution auf andere mittelalterliche Staats­wesen 83 und bis in die Neuzeit nachzugehen, wie ich dies einleitend angedeutet habe 8

'. Dies zu unternehmen, muß ich mir versagen. Der kiinftige Bearbeiter dieser Fragen darf aber sicher sein, mit ihrer Beantwortung einen eindrucksvollen Beitrag zu dem Thema: "Lebenskraft und Wucherungsenergie urtümlicher Gedanken der Menschheit" zu liefern.

82 Vgl. A. A 1 f ö 1 d I, Die Ausgestaltung des monarchischen Zeremoniells am röm. Kaiserhofe, Mitt. d. Röm. Arch. Inst. 49 (1934) 3 ff.

88 Es sei hier nur kurz darauf hingewiesen, daß auch in den Adressen­formularen der Staatskanzlei der ägyptischen Kalifen das Streben nach einer hierarchischen Abstufung der Adressaten zu erkennen ist: W. B J ö r c k. m an n, Beiträge zur Geschichte der Staatskanzlei im islamischen Ägypten, 1928, s. 113.

8' 'Einiges über die Fernwirkungen des byzantinischen Hofzeremoniells

· hat K. DIe t er Ich, Hofleben in Byzanz, o. J., S. 1 ff., hübsch zusammen. gest~llt; dazu bezüglich des Ideellen 0. T reIt In g er 235-237. Besonders reicher Aufschluß ist aus der Geschichte der Ritterorden und ähnlicher Dünde zu erwarten. B 1 c k er man n hat in seinem oben S. 417 benutzten Artikel (Realenz. d. kl. Alttw .. II, 4 [1932] 1368) im Zusammenhang mit den . auyymT~ der Ptolemäerkönige auf die Bezeichnung der Annunziatenritter als Vettern des K.iinigs hingewiesen.