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campus:echo ( ( Die studentische Zeitung der Universität Erfurt # 01 Der Sturm nach der Ruhe Die Universität Erfurt feiert ihren 15. Geburtstag. Doch: Studentinnen und Studenten streiken und protestieren. campusecho1109.indd 1 23.11.09 01:13

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The first issue of the new campus:echo, the students magazine from the University of Erfurt.

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Die studentische Zeitungder Universität Erfurt

# 01

Der Sturm nach der RuheDie Universität Erfurt feiert ihren 15. Geburtstag. Doch:Studentinnen und Studenten streiken und protestieren.

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CHEFREDAKTION Thomas Schmelzer - V.i.S.d.P. REDAKTION Sebastian Bähr Katharina Bartsch Simon Beck Khesrau Behroz Anne Bert Sarah Blanck Sarah Buch Franziska Grammes Karoline Große Constanze von Kietzell Lydia Kirchhof Michaela Körner Bernhard Meier Julia Orth Rebecca Puchta Thomas Schmelzer Jan Steinhauer Christiane Stierwald Sandra Wolff ANZEIGEN Bernhard Meier SATZ & LAYOUT Khesrau Behroz Jan Steinhauer Christian Hengstermann FOTOS & ILLUSTRATION Anne Bert Paul Buchröder Katharina Höring Claudia Schaper DRUCK City Druck GmbH Erfurt | 1500 Exemplare

ÜBER UNS campus:echo ist das studentische Magazin der Universität Erfurt und erscheint zweimal pro Semester. Alle Artikel spiegeln die Meinung der einzelnen Autoren wider und nicht die der gesamten Redak-tion. KONTAKT Redaktion campus:echo Nordhäuser Straße 63 99089 Erfurt [email protected] KRITIK UND MITARBEIT Wir freue uns jederzeit über Anregungen, Kritik, Lob, eingereichte Fotos oder Artikel. Die Redaktion behält sich das Recht auf Änderungen eingesandter Artikel vor. Interessierte Schrei-ber, Layouter und Fotografen sind stets willkommen. HINWEISE Für den Inhalt der hier abgedruckten Anzeigen übernimmt die Redaktion keine Verantwortung. Wir bedanken uns bei Manuel Washausen für seine Herzensgüte.

Mit freundicher Unterstützung des Studierendenrates der Universität Erfurt.

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TitelthemaEngagement Bildungsstreik RäuberhöhleDoppelmoralStudium Chaoticale+ / - / $Campus-MenschAlternativkulturVolarmos JuntosComicErsti-WochePropaganda / Schulterklopfen

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Ähh...ditorial!

Wow! Bildungsstreik, Uni-Geburtstag, fünf Jahre Campusecho. Das ist toll. Das ist super. Wir feiern mit buntem Cover und tausend frische Ideen: wie neu geboren, unterwandert von Erstsemestern, kommerzialisiert, marktradikal und trotzdem total kritisch. Im feschen Outfit aber strotzend vor Sekundärtugenden. Kurz vor Ausruf der Revolution und voller böswilliger Kritik. Die macht bekanntlich am meisten Spaß! Was unsere Universität zu feiern hat, wie stark der Kater ausfallen könnte und noch tausend andere irrsinnig tolle Sachen lest ihr im Heft.

Wir sind im fünften Jahrgang. Dies ist Heft Nummer eins.

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Harvard liegt nicht an der Gera

von Jan Steinhauer und Christiane Stierwald

Es kommt der Zeitpunkt in einem Menschenleben, an dem Vergangenheit auf einmal erlebbar wird. Vergangene Dinge sind nicht länger gestern oder vor-gestern sondern damals. Im Leben eines Menschen sind das meist die Jahre, in denen die Kindheit hin-ter sich gelassen wird. Man nennt das ganze Puber-tät. Mittlerweile hat auch die Uni Erfurt diese Phase durchschritten. Das erlaubt einen Blick auf die Ent-wicklungen der letzten Jahre.

Zum 1.1.1994 offiziell gegründet, wurde in den fol-genden Jahren eine Universität auf fast weißem Pa-pier geplant. In den frühen 90er Jahren waren große Vergleiche kein Understatement und der Gründungs-beauftragte Klaus Dieter Wolff und Gründungsrektor Peter Glotz ersannen sich die Uni Erfurt als „Harvard an der Gera“ mit intensivem Betreuungsverhältnis und individuellen Auswahlverfahren. Der erste Ba-chelor-Absolvent der Uni, Sebastian Dorsch, erinnert sich an die Worte von Peter Glotz: „Die Absolventen werden weggehen, wie die warmen Semmeln!“ Und tatsächlich beschreibt Dorsch die ersten Jahre des Lehrbetriebs um die Jahrtausendwende als beson-dere Zeit. Seminare mit zwei oder drei Teilnehmern waren keine Seltenheit. Man kannte sich unter den 150 Erstsemestern an der philosophischen Fakul-tät, die zum Winter ‘99 als Erste ihren Lehrbetrieb aufnahm. Fachschaftsräte mussten sich finden, ein neuer Stura gegründet werden. Auch unter den auf-fällig jungen Lehrkräften sei die Aufbaustimmung zu spüren gewesen. Die Studentenschaft kam aus ganz

Deutschland, Dorsch hatte die einzigartige Struktur seiner Fächer Geschichte und Staatswissenschaften nach Erfurt gebracht. Heute ist er als Lehrkraft an der Uni tätig und muss erkennen: „Visionen kommen auch irgendwann in der Realität an.“ Viele bürokra-tische Hürden und die Modularisierung des Bache-lorstudiengangs hätten die Dynamik der frühen Tage gebremst. „Die aktuelle Entwicklung des BA/MA-Systems fasst den Lebensraum Universität zu kurz“, sagt er. Leider durchliefen immer mehr Studenten die Uni, um sich schnell „was abzuholen.“ Zwar ist immer noch viel studentisches Engagement zu spü-ren, aber große Projekte scheitern vor allem am Geld. Damit kommt die Frage auf, wie sich die Uni in Zu-kunft entwickelt: Wird der Campus um ein paar Lehr-gebäude und ein Mehrgenerationenhaus erweitert?

Wird es eine größere Auswahl an Studienfächern und weniger Semesterbeitrag geben? Friede, Freude, Eierkuchen also, wie es Kai Brodersen so schön in Worte gefasst hat: „Ein lebendiges Miteinander von Studierenden, Lehrenden, Forschenden und Dienst-leistenden, im Studium und in der Freizeit“. Oder gibt es doch keine Version von der Polly-Pocket In-sel und düstere Wolken ziehen auf, hinter denen eine ungewisse Zukunft liegt.

Ein Hauptproblem ist die Hochschulfinanz-Reform von 2003 und ihr Sprössling LUBOM, der in den vergangenen Jahren für viel Furore sorgte. Zu recht, denn abgesehen von der Unterfinanzierung der Uni-versität von rund 30 Mio Euro (Angaben 2008), ist 2011 mit nochmals 10 Prozent weniger verfügbaren

Die Erfurter Universität sollte das „Harvard an der Gera“ werden. Was ist aus der Vision von damals geworden und wie steht es um die Zukunft der Hochschule? Eine Bilanz nach 15 Jahren.

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Mitteln zu rechnen. Um aber einen ausreichenden Teil vom LUBOM-Kuchen zu bekommen, müsste die Uni schon bis 2011 an Wettbewerbsfähigkeit zulegen. Angesichts der vielen anderen guten Universitäten in Thüringen könnte das ein harter Brocken wer-den. Außerdem: was ist aus dem Generationenhaus geworden, dessen Grundmauern schon im Sommer stehen sollten. Was auch immer der Grund sein mag, es ist zu hoffen, dass der Aufklärungsbedarf von Sei-ten der Uni bald gedeckt wird.

Die Zukunftsvision kann noch weitergesponnen wer-den: derzeit brüstet sich die Uni mit der großen Zahl der Erstsemester. Insgesamt fasst sie nun rund 5000 Studenten. Doch entsteht damit nicht der Trend zu immer überfüllteren Hörsälen? Entfernt sie sich so-mit von der bisher so geschätzten familiären Atmo-

sphäre, die doch mit dem sehr gesunden Verhältnis zwischen Studenten und Dozenten gewährleistet ist? Entgegenwirken könnte man mit einem wei-teren Lehrgebäude und der Beschäftigung weiterer Dozenten, doch dazu fehlt das Geld. Bleibt die Hoff-nung auf genügend Drittmittel zur Finanzierung, um nicht Einbußen in Kauf nehmen zu müssen, wie die Abschaffung bestimmter Studiengänge. Die Gerüch-teküche auf dem Campus brodelt.

Aber nicht gleich den Teufel an die Wand malen. Positives Denken soll schon so manches bewirkt ha-ben. Also zurück auf die Polly-Pocket Insel, auf der es Lehrgebäude und Dozenten zu Genüge gibt, fi-nanzielle Belastungen und gefährdete Studiengänge Schnee von gestern sind und die Studenten einfach nur völlig sorgenfrei studieren. ((

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„Studieren - und Engagieren“ war das Motto einer Gremienvorstellung, organisiert vom Studierenden-rat (StuRa). Die Idee war folgende, und darin waren sich auch alle Beteiligten einig: Es muss mehr Enga-gement her.

Die Bildungs-AG und der StuRa hatten schon im letzten Semester über einen so genannten „Engage-ment-Pass“ abgestimmt. Dieser sollte zum einen als Dokumentation dienen, um später Referenzen für den Lebenslauf vorweisen zu können. Zum ande-ren sollten Besitzer des Ausweises die Möglichkeit bekommen, zusätzliches Fehlen in Veranstaltungen durch ihr Engagement zu begründen. „Der Pass sollte als Anerkennung der Engagierten dienen und ande-re zu mehr Mitwirkung motivieren“, erklärt Sarah Blanck vom StuRa. Der Missbrauch des Passes würde sich wie ein Lauffeuer in dieser kleinen Uni herum-sprechen und eher eine Ausnahme bilden, meint sie.

Bernhard Becher, Jurist und Abteilungsleiter von Studium und Lehre, sieht das anders. „Bereits beim Familienpass gab es Akzeptanz-Probleme bei den

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von Sarah Buch

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Etablierung eines Mutti-Hefts

BILDNACHWEISETitel: Sven Brentrup / aboutpixel.de | Seite 2: wilf2 / flickr.com | Seite 5: Christiane Bähr / Universität Erfurt | Seite 8: ehrlichbild.com | Seite 10: Tino Richter / aboutpixel.com |

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Das Engagement vieler Studenten ist groß, die Anerkennung meist gering. Seit Wochen tobt ein uniinterner Streit, wie dieses Problem gelöst werden kann.

Lehrenden“, sagt er. Momentan können Studenten mit Kind mithilfe des Familienpasses um Kulanz bei den Dozenten werben. „Kinder sind leichter nachzu-weisen als in der Zukunft liegendes Engagement. Wie soll man sicher sein, dass der Pass nicht missbraucht wird?“ Wenn Studium und Lehre den Ausweis aner-kennt, müssen sich Engagierte für ihre Arbeit recht-fertigen, um den offiziellen Stempel zu legitimieren. Das Problem: zurzeit sind Hochschulgruppen sehr locker organisiert und können sich praktisch von heute auf morgen gründen und auch wieder auflösen. Deswegen die Sorge, dass Studenten den Pass als Ausrede zum Schwänzen missbrauchen, während die Hochschulgruppe längst im Engagement-Nirwana verschwunden ist. Becher ist darum gegen die amt-liche Bestätigung seitens der Hochschule und erklärt seine Sicht der Dinge: „In diesem Pass kann das Mit-wirken dokumentiert werden und später als Referenz für den Lebenslauf dienen.“ Als Entschuldigung soll der Pass nicht dienen.

Damit ist wiederum der StuRa nicht zufrieden, denn die Idee beinhaltete gerade die Würdigung des Enga-

gements bei den Dozenten. „Als wir den Präsidenten über die Idee informierten, war er hellauf begeistert“, erzählt Sarah Blanck und verweist auf die Hierarchie der Universität. „Nach der Weiterleitung an Herrn Becher hätte der es nur umsetzen müssen.“

Hat Becher auch, aber in seinem Sinne: auf Kosten der Universität und mit dem Logo des StuRa. „Ich begrüße die Basisidee sehr, aber die Lehrenden hät-ten sich über einen Eingriff in ihrem Lehrbetrieb be-schwert und übergangen gefühlt“, argumentiert er. Mittlerweile existiert das Objekt der Begierde sogar 600 Mal, wirkt aber mehr wie ein „Mutti-Heft“ aus Grundschulzeiten. Die Studenten können sich darin pro Semester ihr Engagement „abstempeln“ lassen. Die Arbeit soll der StuRa übernehmen, der dafür kei-ne Kapazitäten sieht. „Das jetzige Konzept wird nicht unterstützt, weil über unsere Köpfe hinweg ein neues entwickelt und umgesetzt wurde“, begründet Blanck.

Deswegen bleiben die teuren Pässe erst einmal in ih-ren Kisten, bis sich jemand – ganz engagiert - ihrer erbarmt. ((

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von Thomas Schmelzer

Es stimmt: die Studienbedingungen in Erfurt sind so schlecht nicht. Gebühren fallen nur für Langzeitstudenten an, überfüllte Hörsäle bleiben die Ausnahme und das Be-treuungsverhältnis ist immer noch gut. Warum also strei-ken? Weshalb das Audimax besetzen und Andere von ih-ren Vorlesungen abhalten? Wieso der ganze Terz?

Zunächst gibt es auch in Erfurt Probleme. Eine Vergabe-praxis bei den Sprachkursen, die so gerecht ist wie ein Eng-lisch-Wettbewerb zwischen Guido Westerwelle und Tony Blair, die drohende Streichung von Studiengängen, obwohl in den entsprechenden Fächern noch Erstsemester aufge-nommen wurden und schließlich das regelmäßige Chaos im Stufu-Bereich. Darüber omnipräsent und immer droh-gewitternd: das Damoklesschwert Lubom. Masse statt Klasse. Geld statt Gedanken. Olé, olé! Der zweite Grund nennt sich Solidarität. Die Nicht-Reaktion der Entschei-dungsträger auf die Proteste des Sommers hat gezeigt, dass anscheinend Nachholbedarf besteht in Sachen öffentliches Druckpotential. Eine nette Diskussion am Wochenende interessiert bestenfalls die Lokalpresse, wenn aber bun-desweit Hörsäle besetzt werden, dann kommt auch mal die ARD. Natürlich sollte man nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen, aber mit Platzpatronen auf einen Bären zu knal-len ist genauso sinnlos.

Wie bei jedem Streik wird es wichtig sein, der sexy Beset-zung auch die staubige Gremienarbeit folgen zu lassen. Mit der „Bildungs-AG“ ist Erfurt hier auf einem guten Weg. Schafft man es schließlich noch, den ersten politischen Lo-ckangeboten zu widerstehen und sich parteipolitisch vor keinen Wagen spannen zu lassen, darf tatsächlich an Er-folge und Verbesserungen geglaubt werden.

Bleiben die Versprechen der Entscheidungsträger dann ge-nauso leer wie bislang, darf sich niemand wundern, wenn in der nächsten Runde nicht nur das Audimax besetzt wird.

Logischer SchrittDie Besetzung des Audimax war richtig. Nachdem die politischen Versprechen des Sommers geräuschlos verpufft sind, musste der Druck erhöht werden.

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D i e Räuberhöhlenlösung

Nach drei Jahren Vorbereitungszeit sind nun endlich alle Steine aus dem Weg geräumt und die Türen für das Kinderbetreu-

ungsprojekt „Räuberhöhle“ wurden geöffnet.

von Constanze von Kietzell

Das sind also die Türen, hinter denen sich eine 15 Quadratmeter große Einraumwohnung, viel Spielzeug, zwei geschulte Hilfskräfte, der eigene Nachwuchs und vier weitere Spielgefährten befinden.

Die „Flexible Kinderbetreuung“, die ihre Geburtsstunde am 9. November endlich feiern konnte, dient als Lückenfüller, wenn alle Stricke reißen. Junge Mütter kennen das Problem: die Tagesmutter hat die Haustür abgeschlossen, lässt also keinen mehr rein und der Kindergarten hat die Zwergenstühle schon hochgestellt. Die Putzfrau fegt gerade die letzten Essenskrümel weg. Nur Mama und Papa haben noch eine wichtige Lehrveranstaltung zur „familienfreundlichen“ Zeit an unserer zertifizierten, „familienfreundlichen“ Universität. Das Freunde-Mobilisieren, das gerade zur Prüfungszeit mehr als ein verzweifeltes Betteln erfordert, kann nun durch das neue Projekt wegfallen.

Die Idee ist nicht neu. Man wirft einen vorsichtigen Blick rüber zur FH und sieht, dass es funktioniert. Oder, wofür dann schon ein Fernglas erforderlich ist, zur Uni in Jena. Die haben gerade eine größere Wohnung gestellt bekommen, weil es dort besonders gut funktionierte. Ein Traum für die Uni Erfurt wäre so etwas, doch erst einmal einen Schritt vor den anderen setzen. Den Ersten machte Christoph

Müller, studentischer Papi in Betreuungsnot und darum Initiator der Idee einer flexiblen Kinderbetreuung. Die nächsten werden mit Schuhgröße 24 getippelt. Gerne auch barfuß,

wenn die Füße noch zu klein sind: das Angebot richtet sich an zwölf Wochen alte Babys bis hin zu siebenjährigen Kindern. Mit einer Woche Vorausbuchung und 4 Euro (für

Mitarbeiter 6,50 Euro) können die studierenden Eltern ihr Liebstes etwa um 18 Uhr in die Wohnung hinter der Bibliothek im Plauener Weg bringen und

nach der Lehrveranstaltung wieder abholen. Je nachdem, wann wieder andere Betreuungsorte knapp werden.

Infos: [email protected]

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Die Erfurter WeltvergessererWeltenretter oder Würstchenfresser? Öko-Kaffee oder Milka-Schokolade? Wer wirklich nach-haltig leben will, müsste sich eigentlich leicht entschei-den. Doch so konsequent will dann doch niemand sein.

von Sarah Blanck

Der gelbe Smiley ist weg. Zumindest der, der auf den Zuckerpaketen grinste, die es zu jedem Kaffee in der Klause gab. Stattdessen gibt es jetzt ein braunes, längliches Tütchen mit Fairtrade- und Bio-Siegel drauf. Das Studentenwerk, das auch die Klause be-treibt, setzt seit neuestem nämlich auf Fair Trade. So titelte im vergangenen Semester sogar das Maga-zin des Studentenwerks. Nur, was macht die Milka-Schokolade neben dem fairen Zucker? Und warum führt die Mensa jetzt kalten Nescafé und verschenkt den sogar an alle Erstis?

Darüber könnte man sich wundern, aber kaum je-mand tut es. Aus einem einfachen Grund: Das Stu-dentenwerk denkt wie wir. Es fährt moralisch zwei-gleisig.

Das Seminar „Globale Gerechtigkeit“ an der staats-wissenschaftlichen Fakultät war sofort ausgebucht. Auch Hochschulgruppen mit Weltrettungsambiti-onen sind bei den Stawis hoch im Kurs – AG Nach-haltigkeit, Amnesty International, Unicef. Trotzdem veranstaltet die Fachschaft jedes Jahr ein Flatrate-Grillen. Für einen Euro gibt es so viel Wurst wie man will. Das ist plötzlich ein Super-Angebot und der Kli-mawandel ist vergessen.

Eigentlich wissen es alle besser, aber es fällt so schwer. Getreu dem Motto „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach“ trinken wir fairen Kaffee während wir über die letzte Billigfliegerreise reden. Abends löffeln wir dann Maggi-Tütensüppchen in unserer mit Bio-Farben gestrichenen Küche.

So wird die Welt sicher nicht gerettet und das sollte man sich auch eingestehen. Wenn wir Produkte mit Fairtrade-Siegel aus der Dritten Welt kaufen, dient das in erster Linie dazu unser Erste-Welt-Gewissen zu beruhigen. Einen annähernd nachhaltigen Le-bensstil führen höchstens drei, vier Hardcore-Leute aus der gleichnamigen AG. Doch auch deren Be-mühen wird kaum offene Ohren finden. Haben sie doch vor kurzem erst ausgeschlagen sich kostenlos ein großes Werbebanner drucken zu lassen – wegen des PVC-Materials.

„Selbst schuld“, denkt sich der Nicht-Öko und frönt weiter seiner Doppelmoral. Damit ist er schließlich in bester Gesellschaft. Selbst ein dunkelgrüner Pro-fessor kann der Marken-Kinderschokolade nicht widerstehen, obwohl das gleiche Produkt mit Fair-trade-Siegel direkt daneben liegt. Das vermeintlich alternative Hilgenfeld will auch auf Nachfrage keine Riegel aus fairem Handel anbieten. Alle Kopierer der Uni sind mit Recycling-Papier ausgestattet, aber die Außen-Post von Studium und Lehre kommt auf blütenweißen Blättern. Der StuRa unterstützt Fi-nanzanträge für Recycling-Flyer, aber selbst druckt er billig. Man könnte die Liste der Widersprüchlichkeiten ewig weiter führen. Vielleicht liegt es in der mensch-lichen Natur, vielleicht liegt es daran, dass wir eine geisteswissenschaftliche Uni sind und die Welt nur theoretisch retten wollen. Ich jedenfalls gehe jetzt Frustshoppen bei H&M. Das Seminar „Globale Ge-rechtigkeit“ belege ich erst im nächsten Semester.

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von Katharina Bartsch

Ein Platz in den Kursen mit Türsteher-Manier muss hart erkämpft werden. Das bereitet auf das Leben vor – ein Kernziel des Studium Fundamentale:„Das Studium Fundamentale soll dazu beitragen, der extremen Spezialisierung entgegenzuwirken und die Studierenden besser auf die immer komplexeren Aufgaben in der späteren Arbeits- und Lebenswelt vorzubereiten.“ (Beschreibung der Uni-Seite)

Komplex planend versucht man sich gleich für meh-rere Kurse anzumelden – weil ja immer die Gefahr besteht, keinen Platz zu bekommen und am Ende mit keinem einzigen Stufu dazustehen. Der durch-schnittliche Student meldet sich für drei, der über-durchschnittliche für fünf Stufus an. Oft wird ein komplexes Motivationsschreiben verlangt. So saugt man sich jedes Semester durchschnittlich zwei, drei der Bittbriefchen aus den Fingern. Damit macht man deutlich, dass genau DIESES Stufu all seine tiefsten Herzenswünsche erfüllen würde und man deshalb UNBEDINGT und HÖCHST motiviert teilnehmen will. Ab diesem Zeitpunkt können genau vier kom-plexe Möglichkeiten eintreten:

Fall 1: Man bekommt gar kein Stufu und wartet bis zum 6. Semester um dann alle vier Kurse auf einmal zu belegen. (Im schlimmsten Fall hängt man einfach ein komplettes siebtes Stufu-Semester dran.)Fall 2: Man bekommt zu wenig Stufus und versucht durch einen netten Augenaufschlag und Welpenblick doch noch irgendwo unterzukommen. Fall 3: Man bekommt genau die Anzahl und Art der Stufus, die man wollte. Dafür hat man dann seinen

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Lebens-Glücksvorrat verbraucht und kann nie mehr im Lotto gewinnen.Fall 4: Man bekommt zu viele Stufus, muss sich für seine Favoriten entscheiden, was gar nicht so ein-fach ist. Manch einer lässt sogar in seinen intensiven Überlegungen die Belegfrist verstreichen und landet bei Fall 1.

Das Stufu-Hamstervehalten sorgt für eine regelmä-ßige Rotation zu Beginn des Semesters. Ausschlag-gebender Beleg-Grund ist wohl auch die Komplexi-tät des Themas. Die meisten wählen nämlich dann doch Stufus aus ihrer oder einer benachbarten Fach-richtung. Komplettes Neuland betritt fast niemand, schließlich spielen wie immer im Bachelor die Noten eine Rolle. Gute Noten mit wenig Aufwand bekommt man am besten mit Grundwissen aus seiner Haupt-studienrichtung. So bleibt jeder Schuster bei seinen Leisten und die ursprüngliche Idee des Stufus, über den Tellerrand zu blicken, nur eine Idee. Wir sitzen weiterhin auf dem Boden des Tellers und stellen uns jedes Jahr der gleichen chaotischen Stufu-Suppe. Es ist nervig und es ist schade, denn in Grunde ist die Idee der Interdisziplinarität ja gut. Angeblich ist alles auch nur ein Verteilungsproblem. Wenn es wirklich so einfach ist, warum muss jedes Semester wieder ge-nörgelt werden? Die Uni will diese in Deutschland einmalige Idee er-halten. Das sollte sie auch, an Visionen muss man glauben. Aber auch wenn diese auf Kosten der Stu-denten gebaut sind? Lasst euch nicht den Appetit verderben – jedenfalls bis zum nächsten Semesterbeginn!

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Das W-LAN schafft so einiges. Freiheiten zum Bei-spiel: Immer und überall surfen, immer und überall erreichbar sein via social networking. Zwei unserer Autoren diskutieren über die Vor- und Nachteile.

„Endlich kann ich beim Kaffee trinken im Internet surfen“, wird sich seit neuestem so mancher Stu-dent denken, jetzt, da Mensa, Bibo und LG4 vernetzt sind. Oder wie wäre es damit Studi und Facebook nach Kommilitonen zu durchforsten, gegebenenfalls schnell die Emails zu checken oder unsinniger Weise mit Skype von der Bibo aus jemanden in der Mensa anzurufen? Wie auch immer! Das neue W-LAN eröff-net Studenten eine Vielzahl von Möglichkeiten. Dem Studium zuträgliche sowie unzuträgliche. Einige Stimmen befürchten, dass die Nachteile die Vortei-le überwiegen werden, Studenten ihre Facebook und Studi Accounts während Vorlesungen füttern und das Lernen vernachlässigen. Doch muss nicht jede Technik, die aus Menschenhand entsprungen ist, re-flektiert genutzt werden? Und wer sollte dazu besser geeignet sein als ein Student? Wenn es die Akademi-ker dieses Landes nicht schaffen, mit einer drahtlo-sen Internetverbindung vernünftig umzugehen, wer dann? Wer morgen Mini Games in der Vorlesung spielt, schwatzt heute eh schon mit seinem Nachbarn. Was den Unibetrieb stören kann ist der Student, nicht das W-LAN. Wenn man studiert sollte man dies begriffen haben. (bm)

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Wie „W-LAN“?

PRO

Bye, bye, Verwaltungsgebühren!

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Was die Uni angeht habe ich ein massives Motivati-onsproblem. Es ist so etwas wie temporäres ADHS. Konfrontiert mit wichtigen Aufgaben lenkt sich mei-ne Aufmerksamkeit auf alles, was bunt ist und laut. Und interessanter als anstehende Hausarbeiten. Mit anderen Worten: Alles. Wissenschaftler nennen das Prokrastination und ich, nicht mehr so wissenschaftlich, bin der große Prokrastinator. Das ist kein gewaltiges Problem und auch nichts Unnormales, denn bis jetzt hatte ich ja die Bibliothek. Die ist nicht bunt. Sprechen ist ver-pönt, Kaffeetrinken verboten und Internet gibt es nur angekabelt an neonausgeleuchteten Hühnerstangen. Keine Gefahr des Versinkens in StudiVZ-Fotoalben der netten Freundin meines Cousins aus Duisburg. Ein Paradies der Langeweile. Genau richtig, wenn ich mich schützen will, durch stundenlange Schnäpp-chenjagd bei eBay bloß nicht anfangen zu müssen. W-LAN ist die Wurzel allen Aufschiebens und ich will nicht, dass mich mein Problem im Bibliothekse-xil einholt, denn das wirft unangenehme Fragen auf. Nun bleibt mir höchstens, mal zu googeln, was mit mir los ist. (js)

–CONTRA

Die Initiatoren der Petition gegen die Verwaltungs-kostenbeiträge können sich freuen: die Gebühren sollen weg. Aber wie werden die Löcher gestopft?

Der Koalitionsvertrag Schwarz-Rot ist besiegelt, die Verwaltungskostenbeiträge werden abgeschafft. Nach nur zwei Jahren Laufzeit. Zwei Jahre Span-nung, Einsatz und Aktion. Wir erinnern uns an ab-gewiesene und immer noch laufende Klagen von Thüringer Studenten und politischen Einsatz stu-dentischer Vertreter wie der Konferenz Thüringer Studierendenschaften (KTS) oder StuRa. Doch trotz eingehaltenem Wahlversprechen der SPD bleiben Fragezeichen. Da wäre zunächst der Zeithorizont. Schwarz-Rot haben fünf Jahre Zeit, um ihre Pläne in die Realität umzusetzen. Vielleicht aber wird die Ab-schaffung des Verwaltungskostenbeitrags erneut zum Wahlkampfthema gemacht. Eine viel wichtigere Fra-

ge bleibt: Woher beziehen die Hochschulen dann das fehlende Geld? Die Universität Erfurt verliert durch den Wegfall des Beitrags in einem Jahr über 250 000 Euro. Einnahmen, die durch andere Kostenerhöhun-gen gedeckelt werden müssen? Einbußen für die Ver-waltung? Für die Lehre? Fest steht, die Abschaffung des wenig transparenten Verwaltungskostenbeitrags ist mit der Verankerung im Koalitionsvertrag für der-zeitige Studenten noch nicht in greifbarer Nähe. Der konkrete Zeitpunkt der Umsetzung fehlt. 50 Euro sind für viele Studenten eine Menge Geld, vor allem bei den stetig steigenden Ausgaben für Lehrmittel, Kopieren oder die neueingeführten Sprachtests. En-gagement, Ausdauer und Zusammenhalt sind also weiterhin gefragt, damit die Politik zu schnellem Handeln gedrängt wird. Man sieht ja, dass es sich lohnen kann. (rp)

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von Simon Beck

Um den Studienalltag möglich zu machen, bedarf es vieler fleißiger Hände, die alle ineinander greifen und zusammen funktionieren müssen. Es gibt die vielen Büros, in denen Datenberge und Tonnen von Papier umgewälzt werden, die Mensa, die dafür sorgt, dass niemand verhungert oder aufgrund Koffeinmangels einschläft und es gibt diejenigen, die nachts oder früh morgens, wenn der Student erst ins Bett fällt, aufste-hen müssen, um die Kaffeebecher, Papierknäuel oder andere, natürlich nicht absichtlich liegengebliebene, Gegenstände wegzuräumen und Flure und Toiletten zu reinigen. Gustav Grobe arbeitet mittlerweile seit fünf Jahren an der Universität Erfurt im Bereich Gebäudereini-gung. Zusammen mit sieben Frauen und einem wei-teren Kollegen räumt er jeden Tag den Müll der Stu-denten weg, um „Platz für neuen zu schaffen“, wie er selbst sagt.

Herr Grobe, wie kann man sich Ihren Tages-ablauf und den Ihrer Kollegen vorstellen?Die Gebäude werden zum Teil schon ab ein Uhr nachts gereinigt und das läuft dann bis morgens um kurz vor acht. Aber manchmal, zum Beispiel bei grö-ßeren Veranstaltungen wie Universitätsbällen, der Langen Nacht der Wissenschaften oder der Herbst-lese, kann es auch früher losgehen, weil die Arbeiten zeitlich sonst nicht zu schaffen sind. Die Räume und Büros müssen bis zum Universitätsbeginn ja immer top sein. Freitags geht das große Reinemachen nach

den letzten Vorlesungen und Seminaren los.

Wie viel Müll schaffen Sie und Ihre Kollegen tagtäglich aus den Uni Gebäuden?Das ist ganz schön viel. Also heute Morgen habe ich alleine aus dem LG1 sieben 120 Liter Müllsäcke ge-tragen, im LG2 sind es auch ungefähr sieben bis neun Müllsäcke pro Tag.Es ist sehr viel Müll, der hier über den Tag anfällt. Es gibt auch genügend Mülleimer, aber ungefähr ein Drittel der Studenten scheint nicht einschätzen zu können, wo sich diese befinden oder nutzt sie einfach nicht. Man muss aber auch sagen, dass es nicht nur Studenten sind. Allerdings sind die dreckigsten Räu-me schon die Vorlesungssäle und Seminarräume. Es werden auch viele Wertgegenstände liegen gelassen. Zurzeit sind das Regenschirme, Schals oder Mützen. Diese Überbleibsel sammeln wir ein und geben sie an der Wache ab.

Macht Ihnen die Arbeit trotzdem Spaß? Sie wirken sehr locker und zufrieden.Also nein, mit Spaß hat das nicht unbedingt was zu tun, aber man muss es eben locker nehmen und gleichzeitig darauf achten, dass alles funktioniert. Wir sind dazu da, den Schmutz wegschaffen und ma-chen damit Platz für neuen. Das ist unsere Aufgabe, aber trotzdem könnte der ein oder andere uns entge-genkommen, indem er seinen Cafébecher selbst ent-sorgt – im Mülleimer.

„Platz für neuen Müll schaffen!“

Jeden Tag produzieren 5000 Studenten Unmengen an Abfall. Wie fühlt es sich an, der angeblichen Elite von morgen den Müll hinterher zu räumen?

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Ob Besetztes Haus oder Café Togo: alles weg! Altes Innenministerium: auch bald weg! Al-ternativkultur gibt es in Erfurt trotzdem. Man muss nur wissen, wo. Seit etwa einein-halb Jahren hat sich in dieser Szene enorm viel entwickelt. Studentische Anlaufstellen sind zum Beispiel das Ilvers, der Kickerkel-ler, das Frizzer, Tiko und CKB. Zwei auffäl-lige Beispiele sind das überregional bekannte Klanggerüst und das wohl kontrovers disku-tierte Café April.

Musikpark, E-Burg, vielleicht

das Centrum. Viel weiter reicht

der Blickwinkel vieler Studenten

nicht. Schade, denn es gibt einiges

zu entdecken.

S

bkultur?

Ode einfach nur alternativ?

Underground?

von Michaela Körner, Lydia Kirchhoff und Sandra Wolff

Nächste Highl ights : 7a-versenkt: 5. 12. Auktionsausstellung mit Banjoklängen (http://7a-versenkt.de)Klanggerüst e.V.: plugIn (Konzerte jeden 1. Freitag im Monat)

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ger Café sondern vielmehr Enga-gement, Austoben und Widerstand bedeutet. Die Resonanz war zwei-erlei Natur: nahezu jeden Abend trafen sich mehrere Generationen, um alternative Kultur in Erfurt zu erleben. Doch die Strapazen mit di-versen Ämtern und Anwohnern der Johannesstraße waren der Grund für die Gründer, „den Ball flach zu halten“ und sich völlig zurückzuzie-hen. Reanimiert wurde das Projekt, als sich dort im Juli Künstlerin Pa-tricia Detmering gemütlich und sub-kulturell einrichtete. Sie erweiterte das Café April um die Galerie Juli, mittlerweile Galerie November. „Ich nutzte den Ort tagsüber und nachts, um meine Bilder zu malen und je-der Passant kann eintreten, um mit mir über meine Arbeiten zu reden“, sagt sie. Vom Kunstsammler aus Frankfurt bis zum Rentnerehepaar von nebenan inspizierten sie alle neugierig das Vorhaben und waren Inspirationsquelle neuer Arbeiten. Durch Patricias Zusammenführung weiterer junger Künstler entstand unter dem Arbeitstitel „7a – ver-senkt“ ein Künstlerkollektiv, um gemeinsam neue Bilder oder Instal-lationen zu entwickeln. Die Zukunft des Gesamtkonzepts steht offen und das irgendwie auch aus Prinzip.

Das Motto beider Kulturgüter lautet also: jeder ist herzlich willkommen zu schauen, die Erfurter Kultursze-ne zu fördern oder ihr seinen eige-nen Charakter zu geben.

Beide Kulturquartiere zeichnen sich durch Eigeninitiative und Selbst-motivation aus, wobei positiv abge-ranzter Charme auf kreative, junge Künstler trifft.Was im Klanggerüst mit einzelnen Proben und Jamsessions vor zwei Jahren begann, ist als „Zwischen-ding aus Kommerz und Privatem“, so Vereinsmitglied Carsten Schrö-der, inzwischen aus Erfurt nicht mehr wegzudenken. Seit dem Um-zug in die Villa in der Magdebur-ger Allee 175 ist nun mehr Platz für regelmäßige Events wie Konzerte, Ausstellungen, Lesungen und seit November Open Stages. Indepen-dentkünstler wie KEA, Empty Guns und andere Bands aus der ganzen Welt haben die Villa bereits für sich entdeckt. „Einfach kommen und los-legen“, so beschreibt Musiker Enrico die unkomplizierte Atmosphäre, die so viele fasziniert. Durch ehrenamtliche Mitarbeiter und Unterstützer, vermietete Pro-beräume und moderate Eintritt-spreise von ungefähr drei Euro (Ja, Kultur kostet!) läuft die Finanzie-rung dabei auf eine schwarze Null hinaus. Daher blickt Schröder opti-mistisch in die Zukunft. Er glaubt an den Erfolg und das Weiterbestehen des Klanggerüsts. Wichtig sei dafür vor allem, dass das Konzept dyna-misch bleibe. Nur so kann es funk-tionieren.Ähnliche Gedanken verfolgt auch das Café April. Ein Ort, der weni-

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Sticken für eine bessere Weltvon Franziska Grammes

Vielen jungen Menschen reicht es heute nicht mehr aus, einfach nur die Welt zu bereisen – sie wollen diese auch verbessern. Drei Erfurter Studentinnen haben sich nicht nur in einem lateinamerikanischen Kinderhilfsprojekt engagiert, sondern auch eine Hochschulgruppe gegründet, mit welcher sie ande-re Studenten inspirieren und unterstützen wollen. Campus Echo hat mit Nora Philipp gesprochen, die über sechs Wochen in dem Projekt „Los patochos“ als Freiwillige mitgeholfen hat. In einem kleinen guate-maltekischen Dorf namens Jocotenango.

“Los patochos” heisst ja übersetzt “die Klei-nen”. Beschreib doch mal kurz, was das für ein Projekt ist!Es ist ein Kinder- und Jugendhilfsprojekt, bei dem die Kinder den ganzen Nachmittag über betreut wer-den. Für die Kleineren gibt es zum Beispiel Bastelan-gebote. Für die Größeren Theatergruppen, Foto- oder Videoprojekte, in denen sie sich ausprobieren kön-nen. Ziel ist es, die Jugendlichen weg von der Strasse zu holen und sie auch neben der Schule weiter zu för-dern. Außerdem bekommen alle dort ein kostenloses Mittagessen.

Wie ist die Situation in Guatemala und wa-rum meinst du, können die Menschen dort die Hilfe Freiwilliger gebrauchen?Viele Familien, die in Guatemala oft sehr kinderreich sind, können sich kaum selbst ernähren. Vor allem in Anbetracht der aktuellen Lage - der Ernährungs-krise in Guatemala. Außerdem gibt es in Guatemala leider auch ein großes Drogenproblem. Die Nachmit-tagsschule bietet den Jugendlichen eine Alternative dazu, sich Banden anzuschließen oder einfach auf der Straße rumzuhängen. Das Projekt wurde auch von jungen Guatemalteken ins Leben gerufen, die selbst nach Alternativen gesucht haben.

Wie sah denn so ein typischer Arbeitstag bei „los patochos“ aus?Da mein Spanisch noch nicht so gut war, hab ich mit den Kleineren zusammengearbeitet. Für die hab ich mir dann verschiedene Bastelarbeiten überlegt.

Wir haben zum Beispiel Stickbilder gemacht oder die Körperumrisse auf großes Papier gezeichnet. Kleine Sachen eben, die aber mit großer Begeisterung auf-genommen wurden. Was ich auch schon gleich nach meiner Ankunft bemerkt habe war, dass ich mit mei-nen Ideen dort sehr willkommen war.

Gab es einen besonders tollen Moment bei deiner Arbeit?Toll war, wie die Kinder auf diese Stickbilder rea-giert haben. Das war wirklich Wahnsinn, wie die auf uns zugestürmt sind und uns die Sachen regelrecht aus den Händen gerissen haben. Und dann saßen sie Stunden lang hochkonzentriert da und haben ge-stickt. Hier in Deutschland muss man sich im Gegen-satz dazu oft eher überlegen, wie man Kinder über-haupt motivieren kann.

Wie können Leute, deren Interesse jetzt ge-weckt ist, vorgehen und was für Vorausset-zungen sollten sie mitbringen?Gerade für diese Leute haben wir unsere neue Hoch-schulgruppe „Valamos juntos e. V.“ gegründet. Und bei einem unserer wöchentlichen Treffen kann man einfach mal vorbei schauen oder ne Mail schreiben: [email protected]. Spanisch sprechen zu können ist vor Ort übrigens hilfreich, aber kein Muss.

Ich bin auch hingeflogen, ohne ein Wort Spanisch. Und trotzdem oder gerade deswegen hat mir der Aufenthalt dort ganz viel gebracht. Man kann ja auch günstig und intensiv Spanisch vor Ort lernen.

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Von Billy-Schrauben w

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... und anderen Startschwierigkeiten

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von Julia Orth

Für die meisten von uns hat sich der Anfang unseres Studiums wahrscheinlich ähnlich gestaltet. Mit einigen grauenhaften Woh-nungsbesichtigungen. Ein schrä-ges WG-Casting jagt das nächste bis zum erfolgreichen Mietvertrag.

Dann kommt der Umzug mit den obligatorischen Erfahrungen. Die fehlenden Schrauben von Bil-ly und Malm, die nicht passende Verlängerung der Warm-Wasser-leitung, die auch nach der dritten Fahrt zum Baumarkt immer noch zu kurz ist oder ein Lattenrost der nur von einem Atom-Physiker aufgebaut werden kann und oben-drauf noch sieben Jahre Pech, nachdem ein Spiegel zu Bruch gegangen ist. Willkommen im Leben. Aber immer optimistisch bleiben. Kleine Startschwierig-keiten gehören dazu. Nach dem ersten Power/Chaos Wochenende klopft es an die Tür: Es ist der Ernst des Uni-Lebens. Der erste Tag an der Uni. Sogar der Wecker klingelt extra eine Stunde früher, damit auch nichts schiefgehen kann. Nach leichten Orientierungsschwierigkeiten hat man dann endlich den Weg zur Uni und zum Audimax gefunden. Hier trifft man auf Gleichgesinnte, die genauso hilflos sind. Ein paar Begrüßungs-Floskeln des De-kans und schon dappelt man den überaus vertrauenserweckenden Leuten in blauen „Uni Erfurt“-T-Shirts hinterher. Die Schilder erinnern irgendwie an Riegenfüh-rer bei den Bundesjugendspielen. Im Gänsemarsch geht es weiter,

immer hoffend, auch die richtige Gruppe erwischt zu haben. Mit diesen netten Menschen verbringt man dann die ganze nächste Wo-che und macht so tolle Sachen wie: Namensschilder basteln, an einer Campus- und Stadtführung teil-nehmen und man bekommt Hilfe bei seinem Stundenplan.

Aber das Tollste ist, dass man ih-nen jede erdenkliche Frage stellen kann, die einem gerade durch den Kopf schießt. Zum Beispiel: „Was macht man wenn man seinen Stu-dentenausweis schon in der ersten Woche verloren hat?“ Bei solchen oder anderen Proble-men stehen einem diese erfah-renen Menschen zur Seite und erweisen sich als ziemlich hilfsbe-reit. Und es wird auch einfacher, ande-re Leute kennen zu lernen. Zum Beispiel durch einen netten Abend zusammen mit der Gruppe und mit Bier. Und dann ist die erste Uni-Woche auch schon vorbei. Dankbar bin ich auch. All den net-ten Menschen, die mir mehr oder weniger freundlich immer wieder den Weg erklärt haben. Der net-ten Firma, die für mein Kabel-fernsehen verantwortlich ist und nur vier Wochen gebraucht hat einen Techniker zu schicken, der die Strippen anklemmen konnte. Und natürlich dem netten Mann vom Schlüsseldienst, der mir an diesem verflixten Sonntagabend brachial wieder Zutritt zu meiner Wohnung verschaffte, ohne mir dafür ein Vermögen abzunehmen.Man hat mir gesagt, das Studen-tenleben wäre reich an neuen Er-fahrungen. Es stimmt!

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Der erste Tag an der Uni ist etwas Besonderes. Ab jetzt gehört man zu den zukünftigen Akademikern. Ab jetzt ist man endgültig erwachsen. Selbstständigkeit.Soweit die Theorie.In der Praxis hat das Chaos gerade erst begonnen...

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. Schon die Marketingkampagne schreit unseren Neuankömmlingen entgegen: diese Universität ist eine ganz besondere! Noch bevor man die erste Vorlesung gehört hat, sieht man sein Gesicht von einer Postkarte grin-sen, auf der man verrät, man möge sei-ne Uni, weil man dort nicht nur eine Nummer sei, immer einen Platz im Hörsaal finde oder was auch immer.

Schön! Aber was ist dran am Marke-tinggewusel? Warum mag ich meine Uni? An dieser Stelle geht mein Dank an die Abteilung Studium und Lehre. Sie war so bemüht, meinen Antrag auf einen Wechsel vom Nebenfach ins Hauptfach zu unterstützen, wie man es sicher nur selten an anderen Unis erlebt. Man kennt das ja: alle Forma-litäten zusammengekratzt, Briefum-schlag auf, Blätter rein, Tüte zu und glücklich sein. Kein Wunder, dass dabei auch mal was verloren geht. Fast schon aus dem Nichts erin-nerte mich wenige Tage nach Ab-gabe eine freundliche Frau am Hö-rer, die fehlenden Formulare doch bitte nachzureichen. Es war die-selbe Stimme der Abteilung, die mich weitere Tage später erneut daran erinnerte, das Absenden der Unterlagen nicht zu verpassen.

Mein hastig zugeklebter Brief war da zwar schon am Campus angekom-men, aber die Art und Weise der Un-terstützung hätte ich so nicht erwar-tet. Und da bekommt der Slogan „Ich mag meine Uni weil,… “ doch tatsäch-lich Substanz. In den kleinen Situati-onen des Alltag, die man als Student so schnell nicht mehr vergisst. (kg)

Ich mag meine Uni, weil…

Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Auch in Er-furt trifft das zu. Aber meckern kann jeder! Hier überschütten wir das Haupt der Uni darum mit Balsam, und loben das, was wirklich gut läuft

Seit bereits 34 Jahren unterhält der Kinoklub am Hirschlachufer Freunde des guten Films. In dem kleinen, ge-mütlichen Kinosaal kommen alle auf ihre Kosten, die dem üblichen Hollywoodtrash entfliehen wollen. Der Verein „Initiative Kommunales Kino Erfurt e.V.“ unter der Leitung von Dagmar Wagenknecht bietet in den kleinen Räumlichkeiten nicht nur eine familiäre Atmosphäre, faire Preise und besondere Filme, son-dern auch viele Veranstaltungen um Filme für jedes Publikum. Das Bestehen des Kinos, wie wei-teren kulturellen Einrichtungen ist nur durch Unterstützung der Stadt Erfurt möglich. Und die-se Zuschüsse könnten 2010 wegen eines enormen Haushaltsdefizits der Stadt komplett wegfallen oder weiter sinken. Der Kinoklub hätte keine Chance weiter zu existieren.Für uns würde das bedeuten, dass es ab 2010 keine Alternative mehr zu seichten Mainstreamfilmen in Kettenkinos gibt. Schwer vorstell-bar, dass in einer Landeshauptstadt Kino so einseitig repräsentiert wer-den soll. Denkt ihr auch, dass Er-furt sich das nicht leisten kann?

Dann schreibt Briefe, Emails an die Stadtverwaltung in Erfurt (Fischmarkt 1, 99111 Erfurt; [email protected]) an das De-zernat05 für Kultur, Bildung und Soziales unter Leitung von Bürger-meisterin Thierbach ([email protected]), an den Ober-bürgermeister Bausewein (). Lasst das Thema nicht untergehen! (ab)

Wer braucht schon Popcorn, Wir

brau

chen

Kino

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